Seismische Erkundung von geologischen Störungszonen am Beispiel des Leinetalgrabens: Erste Ergebnisse am Beispiel des Leinetalgrabens: Erste Ergebnisse Patrick Musmann, Hermann Buness & Rüdiger Thomas Email: [email protected] Einleitung Im Rahmen des Forschungsverbundes Geothermie und Hochleistungsbohrtechnik (gebo), der vom Niedersächsischen MWK und von der Firma Baker Hughes gefördert wird, untersucht das LIAG Methoden zur seismischen Erkundung von geologischen Störungszonen. Ziel des Projektes ist die seismische Charakterisierung von Störungszonen hinsichtlich ihres geothermischen Potenzials. Hierfür wurden im Jahr 2010 über der östlichen Grabenschulter des Leinetalgrabens bei Northeim hochauflösende, reflexionsseismische P‐Wellen‐ Messungen vorgenommen. Im Messgebiet stehen die für die geothermische Nutzung im Norddeutschen B k Becken i interessanten S d i hi h Sandsteinschichten d des Mesozoikums an der Oberfläche an. Die Fokussierung auf ein bis zur Oberfläche reichendes Störungssystem ermöglicht dabei eine detailliertere Charakterisierung als ein tiefliegendes Störungssystem. Abb. 3: Geologische Karte des Mess‐ gebietes mit Lage der CMP‐Punkte (blau) und Verlauf bekannter Störungen (rot) nach Reyer (2008). Abb 2: Abb. 2 Die Di östliche ö li h Randverwerfung R d f d des Leinetalgrabens südlich Northeim unter Auffassung des Leinetal‐Salzkörpers als randlich überkippter Zechsteinhorst nach Hartwig (1945). Abb. 1: Topographische Karte von Deutschland mit Lage des Untersuchungsgebietes im Leinetalgraben (Quelle: Wikipedia). Akquisition Der Leinetalgraben ist eine max. 10 km breite, N‐S streichende Dehnungsstruktur an den südlichen Ausläufern des Norddeutschen Beckens. Der Graben erstreckt sich auf einer Länge von rund 60 km etwa von Northeim im Norden bis nach Neu‐Eichenberg am Südrand von Niedersachsen (Abb. 1). Der Graben ist asymmetrisch aufgebaut und wird von mehreren steil einfallenden Störungen begrenzt: Der östliche Grabenrand (Abb. 2) weist dabei mit ca. 600 m einen deutlich größeren Versatzbetrag auf als der westliche mit zum Teil weniger als 50 m. Zusätzlich verlaufen quer zur Hauptrichtung weitere Störungs‐ systeme. I Grabeninnnern Im G b i stehen h überwiegend üb i d die di Gesteine G i des Keuper und des Lias an (untergeordnet auch Muschelkalk), während die Grabenschultern aus den triassischen Gesteinen des Muschelkalks und des Buntsandsteins gebildet werden (Abb. 2 u. 3). Prozessing 2 Profile: 3,2 km und 1,8 km 1 Fläche: ~0,9 km * ~1,3 km , , Quelle: Kleinvibrator MHV‐4 • 20 – 160/180 Hz Sweep (16 s, linear) • 10 m Quellpunktabstand • 4 Anregungen/Quellpunkt 4 Anregungen/Quellpunkt Aktive Auslage: P‐Wellen‐ Geophone SM7 / 20 Hz • 1,8 km Auslagenlänge • 5 m Geophonabstand • 360 Kanäle Abb. 4: Technisches Equipment für die seismischen Messungen mit Klein‐ vibratorfahrzeug ib t f h ( b ) Geoden‐ (oben), G d system (mittig) und Messwagen mit Operator (unten). Leinetalgraben Registratur: Geometrics • 15 Geoden à 24 Kanäle (+ Referenzsweep) • Samplingintervall: 1 ms p g • Horchzeit: 3 s Das Datenprozessing erfolgt mit ProMAX™. Der Prozessingablauf g orientiert sich zurzeit noch am Standard mit NMO/DMO‐Korrek‐ tur und post‐stack Migration (Tab. 1). Das Augenmerk liegt vor allem auf der Rekonstruktion des Frequenzgehaltes des Quellsignals (Abb. 5) und der Bestimmung eines genauen Geschwindigkeitsmodells (Abb. 6). Letzteres ist aufgrund der Komplexität des Untergrundes noch nicht passend für eine adäquate Migration. 1. 1 2. 3. 4. 5. 6. Abb. 6: Oberflächennahes Modell der Intervallgeschwindigkeiten von Profil 1, abgeleitet aus einer Refrak‐ tionstomographie mit (unten) und ohne (oben) interpretierte Stapelsektion. Die erste Hauptstörungszone zeichnet sich durch eine leichte Geschwindigkeitserniedrigung bei Profilmeter 2.1 km ab. Das Geschwindigkeitsmodell wurde benutzt, um das Stapelgeschwindigkeitsmodell oberflächennah zu verbessern. Geometriezuweisung 7 Geschwindigkeitsanalyse 7. Amplituden Normierung 8. NMO/DMO‐Korrektur Refraktionsstatik 9. CMP‐Stapelung Spektrales Aufweißen 10. Migration (FD) Bandpass Filter 11. Tiefenkonversion Air Blast Attenuation Tab. 1: Wesentliche Schritte der Datenverarbeitung. Auf ein Ausschneiden des Ober‐ flächenwellenkegels wurde bewusst verzichtet, da hier Signal zu erkennen ist. Stapelsektionen Abb. 8: Unmigrierte Stapelsektion von Profil 1 (links) und Profil 2 (rechts) (Bezugsniveau: 275 m ü. N.N.). Auf beiden Profilen zeichnet sich die östliche Hauptrandstörung des Leinetal‐ grabens als System von steil einfallenden Störungen ab. ab Die Interpretation wird durch zwei Bohrungen (Sudheim 1 und 2) nahe Profil 1 ermöglicht; allerdings ist die Zuordnung der Horizonte nur im Hangenden möglich, im Liegenden sind keine ausgeprägten Reflektoren erkennbar. Im Muschelkalk sind die Reflektoren gering bis moderat kontinuierlich und mehr oder weniger parallel gebettet. Der darunter befindliche Buntsandstein weist ein chaotisches Reflexionsmuster auf; vermutlich als Resultat mechanischer Beanspruchung und Zerrüttung im Zuge der Störungsbildung und durch die Intrusion von Zechsteinsalz. Die Grenze zum Zechstein wird in ca. 850 m Tiefe angenommen; während die Grenze in Profil 1 nicht erkennbar ist, kann sie auf Profil 2 erkannt werden, zusätzlich ist dort auch die interne Schichtung der Zechsteinevaporite erkennbar. Abb. 5: Abb 5 Exemplarische E l i h Schusssektion S h kti mit it Frequenzspektrum F kt vor (links) (li k ) und d nach h (rechts) dem Preprozessing (Punkt 1. – 6. in Tab. 1). Das Ausbeißen der Störungszone etwa bei Kanal 300 (CHAN) ist deutlich in den Daten erkennbar. Ergebnisse Erste Stapelsektionen (Abb. 8) zeigen, dass das Hauptstörungssystem am Grabenrand erfasst wurde. Abgebildet werden die geologischen Einheiten der Trias (etwa ab Basis Keuper ‐ ca. 50 m unter GOK) bis hinunter zur Basis Zechstein in rund 2 km Tiefe. Ein Vergleich der seismischen Messungen mit den strukturgeologischen Modellen der Region (Abb. 2) zeigt, dass die Grabenrandverwerfung wesentlich komplexer aufgebaut ist als bisher angenommen. Hier zeichnet sich ein komplexes Muster von steil einfallenden, i f ll d üb überwiegend i d parallelen ll l Stö Störungen ab, b die teilweise bis ins Grundgebirge reichen. Der hangende Block im Vorfeld der Hauptrand‐ verwerfung ist ebenfalls stark gestört. Die in der Seismik beobachteten Antiklinalstrukturen werden als Hinweise auf eine Inversion des Leinetalgrabens interpretiert, die auch von anderen Autoren ange‐ nommen wird (Kallweit, 2007; Reyer, 2008). G1 – Patrick Musmann Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik, Stilleweg 2, D - 30655 Hannover, http://www.liag-hannover.de