Das Borderline Syndrom

Werbung
Das Borderline
Syndrom
Borderline Persönlichkeitsstörung
Definition des Begriffs der „Persönlichkeit“
Persönlichkeit…
als „die dynamische Ordnung derjenigen psycho-physischen Systeme im
Individuum, die seine einzigartigen Anpassungen an die Umwelt bestimmen.“
(Allport)
als „einzigartige Struktur von Wesenszügen“ eines Individuums. (Guilford)
Persönlichkeitsmodelle und –theorien haben das gemeinsame Ziel…
ein Individuum in seiner Einzigartigkeit zu beschreiben.
Verhalten in einer spezifischen Situation besser vorhersagen zu können.
Definition des Begriffs „Persönlichkeitsstörung“
Im Multiaxialen Klassifikationsschema für psychiatrische Erkrankungen bei
Kindern und Jugendlichen sind Persönlichkeitsstörungen wie folgt definiert:
„Personen mit tief eingewurzeltem Fehlverhalten, das im allgemeinen z. Z. der
Adoleszenz oder früher erkennbar wird und die meiste Zeit während des
Erwachsenenalters besteht obwohl es häufig im mittleren und höheren
Lebensalter weniger deutlich wird. Die Persönlichkeit ist abnorm entweder
hinsichtlich der Ausgeglichenheit ihrer Komponenten, deren Qualität und
Ausdrucksform, oder hinsichtlich des Gesamtbildes. Unter dieser Abnormität
oder Psychopathie leidet der Patient, oder andere haben darunter zu leiden,
und es ergeben sich nachteilige Folgen für das Individuum und die
Gesellschaft. Hierzu gehören auch sogenante psychopathische
Persönlichkeiten. Persönlichkeitsstörungen sind keine Krankheiten, sondern
Varianten der Persönlichkeitsausstattung, die in bestimmten Situationen aber
durchaus Krankheitswert erlangen können.“
Psychische Syndrome und Persönlichkeitsstörungen in der
ICD-10
F0: organische psychische Störungen
F1: psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen
F2: schizophrene, schizotype und wahnhafte Störungen
F3: affektive Störungen
F4: neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen
F6: Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen
F7: Intelligenzminderung
F8: Entwicklungsstörungen
F9:Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und
Jugend
Internationale Statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme
10. Revision
Version 2004
Psychische Syndrome und Persönlichkeitsstörungen in der
ICD-10
F60: spezifische Persönlichkeitsstörungen
F61: kombinierte und andere Persönlichkeitsstörungen
F62: andauernde Persönlichkeitsveränderungen, nicht Folge einer Schädigung
oder Krankheit des Gehirns
F63: Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle
F64: Störungen der Geschlechtsidentität
F65: Störungen der Sexualpräferenz
F66: Psychische und Verhaltensstörungen in Verbindung mit der sexuellen
Entwicklung und Orientierung
F68: andere Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen
F69: nicht näher bezeichneten Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen
Psychische Syndrome und Persönlichkeitsstörungen in der
ICD-10
F60.-: spezifische Persönlichkeitsstörungen
F60.0: paranoide Persönlichkeitsstörung
F60.1: schizoide Persönlichkeitsstörung
F60.2: dissoziale Persönlichkeitsstörung
F60.3: emotional-instabile Persönlichkeitsstörung
F60.30: impulsiver Typ
F60.31: Boderline-Typ
F60.4: histrionische Persönlichkeitsstörung
F60.5: anakastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung
F60.6: ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung
F60.7: abhängige (asthenische Persönlichkeitsstörung
F60.8: andere spezifischen Persönlichkeitsstörung
F60.9: Persönlichkeitsstörungen, nicht näher bezeichnet
F60.31
ICD - 10 Forschungskriterien
Diagnostische Kriterien der emotional instabilen Persönlichkeitsstörungen vom BoderlineTypus
Mindestens drei der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen müssen vorliegen:
Deutliche Tendenz unerwartet oder ohne Berücksichtigung der Konsequenz zu
1.
handeln
Deutliche Tendenz zu Streitereien und Konflikten mit anderen. Vor allem dann,
2.
wenn impulsive Handlungen unterbunden oder getadelt werden.
Neigung zu Ausbrüchen von Wut oder Gewalt mit Unfähigkeit zur Kontrolle
3.
explosiven Verhaltens
Schwierigkeiten in der Beibehaltung von Handlungen die nicht unmittelbar belohnt
4.
werden
unbeständige und unberechenbare Stimmung
5.
F60.31
ICD - 10 Forschungskriterien
Zusätzlich müssen mindestens zwei der folgenden Eigenschaften und
Verhaltensweisen vorliegen:
1.
Störungen und Unsicherheit bezüglich Selbstbild, Ziele und „inneren
Präferenzen“ einschließlich sexueller)
2.
Neigung, sich in intensive aber instabile Beziehungen einzulassen, oft mit
der Folge von emotionalen Krisen.
3.
Übertriebene Bemühungen, das Verlassenwerden zu vermeiden.
4.
Wiederholt Drohungen oder Handlungen mit Selbstbeschädigung
5.
Anhaltende Gefühle von Leere
Definition des Begriffs Boderline Syndrom
Als Borderline Syndrom bezeichnete
man ursprünglich eine bestimmte
Gruppe von Störungen an der
Grenzlinie (=Borderline) zwischen
Neurose und Psychose. Recht bald
erkannte man aber, dass diese
Störungen in ihrer Gesamtheit als
Persönlichkeitsstörung zu sehen
sind. Der Begriff Borderline hat
somit zwar seine inhaltliche
Bedeutung verloren, wurde aber
trotzdem beibehalten. Das
Borderline Syndrom zählt
inzwischen zu den verbreitetsten
psychischen Störungen.
Kernberg
Der Psychoanalytiker Otto F. Kernberg wurde 1995 Präsident der
Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung.
Die "Frühstörung":
Im zweiten bis dritten Lebensjahr wird das Kind
aufgrund einer erhöhten Disposition zur
Aggressivität mit seiner Wut nicht mehr fertig.
Es hat Angst, mit seiner Wut seine geliebten
"Objekte" zu zerstören. Daher muß es seine Wut
abspalten. Sein internalisiertes Muster von
Objektbeziehungen funktioniert nach einem
strikten Entweder-Oder-Prinzip: extrem gut oder
extrem böse. Das gute Selbst- und Objektbild muß
vor Berührungen mit dem schlechten Selbst- und
Objektbild geschützt werden. D.h.: Aggressionsabwehr, um andere
nicht zu vernichten.
Rhode Dachser
Erst in neuerer Zeit öffnet sich auch die Psychoanalyse der Erkenntnis, dass
nicht nur die Reizüberflutung des „Ichs“ durch überwältigende Affekte von
innen, sondern auch äußere Faktoren die Ursache von psychischen Störungen
sein können.
Das "kumulative Kindheitstraumata":
Das Kind erleidet wiederholt reale Beziehungserfahrungen, die es nicht
bewältigen kann und vor denen es nicht beschützt wurde. Die Wut wird als
Reaktion auf einen zugefügten psychischen Schmerz gedeutet. Nach RhodeDachser (1994) wurden 60-80% der Patientinnen mit
einer Borderline-Persönlichkeitsstruktur in ihrer Kindheit
sexuell missbraucht. Wütend und Bösesein kann nicht in
das Selbstkonzept integriert werden, Aggressionen
werden als extrem bedrohlich erlebt. D.h.:
Aggressionsabwehr, um selbst nicht vernichtet zu werden.
Ursachen für eine Borderline Persönlichkeitsstörung
Entwicklungsstörungen in den ersten drei Lebensjahren
(Sexueller) Missbrauch
Emotionale Vernachlässigung
Traumatische Erlebnisse
Konflikte im Jugendalter
Die Entwicklung der Borderline Persönlichkeitsstörung
Forscher gehen z. Z. davon aus, dass 3 Faktoren für die Entwicklung einer
Borderline Persönlichkeitsstörung notwendig sind:
1. Umweltfaktor
(z.B. traumatisierende Erfahrungen in der Kindheit)
2. Konstitutioneller Faktor
(z.B. übersteigertes Temperament)
3. Interaktionen von 1. und 2. oder
Triggering-Faktor (Auslöser)
1.
Umweltfaktoren
(traumatisierende Kindheitserfahrungen)
Trennung/ Scheidung/ Verlust eines Elternteils in früher Kindheit
Gestörte Beziehung zu den Eltern
Kindheitserfahrungen von Missbrauch oder Misshandlung
2. Konstitutionelle Faktoren
(angeborene und/ oder erworbene Verletzbarkeit)
Familiäre Neigung zu bestimmten psychiatrischen Störungen
temperamentsbedingte Verletzbarkeit
Fehlregulationen der Neurotransmittersysteme und neurologische Dysfunktionen
3. Interaktion der anderen beiden darstellten Faktoren oder
ein Triggering-Faktor (Auslöser)
Symptome der Boderline Persönlichkeitsstörung
Unbeständige und unangemessen intensive zwischenmenschliche
Beziehungen
Impulsivität bei potentiell selbstzerstörerischen Verhaltensweisen
Starke Stimmungsschwankungen
Häufige und unangemessene Zornausbrüche
Selbstverletzungen
Suiziddrohungen/ -versuche
Fehlen eines klaren Ichidentitätsgefühls
Chronische Gefühle von Leere und Langeweile
Verzweifelte Bemühungen, die reale oder eingebildete Angst vor dem
Verlassenwerden zu vermeiden
Stressabhängige paranoide Phantasien oder schwere dissoziative Symptome
Unbeständige und unangemessen intensive
zwischenmenschliche Beziehungen
Menschen mit Borderlinestörung führen meist unbeständige und
unangemessen intensive Beziehungen zu anderen Menschen.
Diese zeichnen sich durch ständige Versuche
diesen zu manipulieren aus.
Der Borderliner entwickelt eine Abhängigkeit zum Partner und
idealisiert ihn, solange dieser seine Bedürfnisse befriedigt.
Erfährt er Zurückweisung oder Enttäuschung verfällt er ins
andere Extrem und wertet den Partner ab, ohne sich jedoch
von ihm trennen zu können.
Dann eskaliert das manipulierende Verhalten des Borderliners, er
zeigt sich schwach und hilflos, neigt z. B. zu Hypochondrie,
Masochismus, Selbstverletzungen und Suiziddrohungen/ versuchen.
Impulsivität bei potentiell selbstzerstörerischen
Verhaltensweisen
Typisch sind z. B. Alkohol- und Drogenmißbrauch,
sexuelle Promiskuität, Spielsucht, Kleptomanie und
Eßstörungen.
Diese Impulsivität steht in engem Zusammenhang mit
anderen Symptomen, kann z. B. aus den
Frustrationen einer gestörten Beziehung entstehen,
Ausdruck von Stimmungsschwankungen oder
Zornausbrüchen sein oder ein Versuch, die
Gefühle von Einsamkeit und Trennungsangst zu
betäuben.
Starke Stimmungsschwankungen
Die Grundstimmungen der Borderlinepersönlichkeit sind häufig überaktiv oder
pessimistisch. Von dieser Grundstimmung lassen sich jedoch auffällige
Stimmungsschwankungen in Richtung Depression, Reizbarkeit oder Angst
beobachten.
Diese Stimmungsschwankungen sind in der Regel von kurzer Dauer und halten
meist nur ein paar Stunden oder ein paar Tage an.
Häufige und unangemessene Zornausbrüche
Borderliner neigen zu häufigen Zornausbrüchen, die in ihrer Intensität oft nicht
oder kaum kontrolliert werden können und zeitweilig auch zu körperlicher
Gewalt führen.
Diese Zornausbrüche stehen in ihrer Intensität in keinem Verhältnis zu den
auslösenden Ereignissen, basieren vielmehr auf einer massiven Angst vor
Enttäuschung und dem Verlassenwerden.
Selbstverletzungen
Sie finden ihren Ausdruck z. B. in selbstbeigebrachten
Schnitt- und Stichverletzungen an Gliedmaßen,
Rumpf und Genitalien oder durch Exzesse mit
Drogen, Alkohol und Nahrungsmitteln. Meist
beginnt die Selbstverletzung als impulsive
Selbstbestrafung, entwickelt sich aber nach und nach
zu einem einstudierten und ritualisierten Verhalten.
Die Selbstverletzung dient dem Borderliner als
Ablenkung von anderen Leidenformen oder als
Abbau von Angst, Zorn oder Traurigkeit
(Entspannungstechnik).
Suiziddrohungen/ -versuche
Fehlen eines klaren Ichidentitätsgefühls
Borderliner leiden unter einer andauernden Identitätsstörungen, die sich z. B. auf
die Bereiche Selbstbild, sexuelle Orientierung, Berufswahl, langfristige Ziele,
Wertesystem und Art der gewünschten Partner/ Freunde erstrecken kann.
Sie akzeptieren ihre Eigenschaften wie Intelligenz und Attraktivität nicht als
konstantes Gut, sondern als Eigenschaften, die immer wieder neu verdient
und im Vergleich mit anderen beurteilt werden müssen. Das Selbstwertgefühl
und die Fähigkeit zur Selbstachtung basieren beim Borderliner deshalb nicht
auf in der Vergangenheit erbrachte Leistungen, sondern auf aktuelle (Miß-)
Erfolgserlebnisse und Feedback durch Dritte.
Chronische Gefühle von Leere und Langeweile
Borderlinepersönlichkeiten leiden oft unter
chronischen Gefühlen von Leere und
Langeweile. Diese Emotionen werden sehr
intensiv, oft verbunden mit körperlichen
Empfindungen (z. B. Druck im Kopf,
Spannungen in der Brust) erlebt.
Die Suche nach Erleichterung von diesen
belastenden Emotionen endet für die
Betroffenen oft in impulsiven und
selbstschädigenden Handlungen oder in
enttäuschenden Beziehungen.
Verzweifelte Bemühungen, die reale oder eingebildete Angst
vor dem Verlassenwerden zu vermeiden
Borderlinepersönlichkeiten erleben aufgrund ihrer gestörten Ichidentität immer
wieder starke Angst vor dem Verlassenwerden durch nahe stehende
Personen. Diese Angst motiviert die Betroffenen zu verzweifelten
Bemühungen, dieses Verlassenwerden zu vermeiden. Dabei greifen sie auch
zu extremen Mitteln (z. B. Selbstverletzung, Suizidversuche), um den
nahestehenden Menschen unter Druck zu setzen und führen auch schädliche
Beziehungen (z. B. mit Gewalt-/ Mißbrauchserlebnissen) bis zur völligen
Selbstaufgabe fort.
Werden Borderlinepersönlichkeiten trotz dieser Bemühungen verlassen,
durchleben sie meist intensive emotionale Krisen, in deren Verlauf die hier
beschrieben Symptome oft sogar noch verstärkt auftreten.
Stressabhängige paranoide Phantasien oder schwere
dissoziative Symptome
Borderlinepersönlichkeiten leiden gelegentlich unter psychotischen Episoden.
Möglich sind beispielsweise pseudo-halluzinatorische Erlebnisse, Störungen in
der Körperwahrnehmung und auf den Konfliktbereich beschränkte Denkund Wahrnehmungsstörung.
Diese treten meist als Folge emotionaler Erregung auf und gehen -auch ohne
Behandlung- in der Regel nach wenigen Stunden oder Tagen vorüber. Die
Borderlinepersönlichkeiten erleben diese Episoden als ich-dyston (ich-fremd).
Zahlen
Eindeutige wissenschaftlich gesicherte Zahlen gibt es zur Häufigkeit der
Borderline Persönlichkeitsstörung nicht. Das liegt zum einen daran, das
der größere Teil der Bevölkerung nicht fachliche Hilfe sucht und daher
nicht erfasst wird. Verfügbaren Daten zeigen, dass die Häufigkeit der
Erkrankung innerhalb der Bevölkerung bei 1 bis 2% liegt.
70-77% - aller Borderliner sind Frauen
81-100% - affektive Erkrankungen
24-81% - Angsterkrankungen
21-67% - Substanzmissbrauch
14% - Essstörungen
Therapie bei Borderline Persönlichkeitsstörung
Eine Borderlinestörung kann kaum direkt durch
Medikamente behandelt werden. Sinnvoll ist aber, je
nach Intensität der Symptome, gegebenenfalls die Gabe
von Lithiumpräparaten (zur Dämpfung der
Stimmungsschwankungen), von Antidepressiva (zur
Linderung der Depressionen) und/ oder von gering
dosierten Neuroleptika (um psychotische Symptome
aufzufangen).
Aus dem Spektrum der psychotherapeutischen Methoden
kommen vor allem Verhaltens-, Sozial- und
Gruppentherapien zum Einsatz. Ziel dieser Therapien ist
ein schrittweises Erlernen von angemessenem
Sozialverhalten als Ersatz für gestörtes Verhalten.
Wichtig sind dabei die Konstanz hinsichtlich
Bezugspersonen und vorsichtige restrukturierende
Maßnahmen im sozialen Umfeld.
Heilungschancen bei Borderline Persönlichkeit
Die Chance auf eine völlige Heilung der Borderlinestörung ist eher gering, sie
ist umso geringer, je früher und je intensiver die Störung ausbricht. Zur
Zeit geht man davon aus, dass bei rund 10% der Borderliner die Störung im
Laufe der Zeit so weit zurückgeht, dass die Diagnose Borderline nicht mehr
zutrifft. (Symptome einer leichten Persönlichkeitsstörung bleiben).
Dennoch führen viele Borderliner (oft mit Unterstützung
durch Psychotherapie) ein relativ "normales" Leben.
Dabei können aber gelegentlich auch stationäre
Therapien notwendig werden.
Eine besondere Gefahr ergibt sich für Borderliner aus ihrer Neigung zu
selbstschädigendem Verhalten. So kann immer wieder die Gesundheit oder
sogar das Leben der Betroffenen gefährden.
Herunterladen