44 Brennpunkt Fassade Bauphysikalische und baukonstruktive Aspekte An der Fassade kumulieren sich die bauphysikalischen Aufgabenfelder: winterlicher und sommerlicher Wärmeschutz, Schallschutz, Materialisierung, Behaglichkeit. Wir analysieren systematisch die unterschiedlichen Bedürfnisse und Anforderungen im Sinne der Nachhaltigkeit (Ökonomie, Ökologie, Gesellschaft) und entwickeln baupraktikable und finanzierbare Lösungen. Die Fassade ist das zentrale Bauelement bei praktisch allen Gebäuden, sowohl bei Neubauten wie auch bei Erneuerungen. Und die meisten involvierten Planer vom Architekten, über den Bauingenieur bis zum Gebäudetechnikplaner - müssen sich zwangsläufig mit der Aussenhaut befassen. So auch der Bauphysiker, dessen Aufgaben sich in diesem Zusammenhang in den letzen Jahren stark erweitert haben. MINERGIE als Pflicht Ab 2009 werden die energetischen Anforderungen der Kantone erheblich verschärft und Minergie wird damit praktisch zum neuen Standard. Wer besser bauen will, setzt auf Minergie-P oder sogar auf Minergie-P-Eco, mit spezifischen ökologischen Anforderungen. Konkret heisst das: Die Konstruktionen mit Dämmstärken zwischen 25 - 35 cm müssen neu entwickelt werden. Interessanterweise sind diese hochgedämmten Fassaden vielfach Holzkonstruktionen, Kastenelemente ausgefüllt mit kostengünstiger Wärmedämmung. Bild 1: Nullenergie Wohnsiedlung Eulachhof Winterthur Bei Bauten, deren Heizwärmebedarf nur noch 10 kWh/ m 2a (entspricht einem Liter Oel) beträgt, ist der energetische und auch der bauphysikalische Einfluss der Wärmebrücken frappant. Die Kunst des Bauphysikers besteht darin, Lösungen zu suchen, die kostengünstig sind und eine hohe Sicherheit bieten, damit auch langfristig keine Bauschäden auftreten. Gesundes Wohnen und Arbeiten Energetisch gute, ja hervorragende Gebäude zu erstellen oder zu erneuern, ist heute eine volks- und betriebswirtschaftliche Notwendigkeit. Das neue Qualitätslabel Minergie-Eco verspricht dem Nutzer eine hohe Wohn- bzw. Arbeitsplatzqualität. Bauökologie Gesundheit Bereiche Kriterien Planungsinstrumente Licht SIA 380/4 (Tageslicht) Lärm SIA 181 Raumluft Rohstoffe Herstellung Rückbau Innenraumklima, SWKI VA 104-1 BKP-Merkblätter Modul Recyclingbaustoffe SNARC Modul Rückbaueignung Bild 2: Beurteilungskriterien von Minergie-Eco Die gezielte Berücksichtigung bauökologischer Aspekte (Standort, Materialisierung, Installationskonzept, etc.) minimiert Risiken, die in der Betriebsphase Nutzerklagen wegen Augenbrennen, Unwohlsein, schlechter Luftqualität, etc. hervorrufen könnten. Das Bauen nach den Kriterien von Minergie-Eco bedingt ein hohes Verständnis der Bauprozesse und gute Kenntnisse der Materialeigenschaften. Beides sind Faktoren, die zur richtigen Zeit mit Fachkompetenz in die Planung eingebracht werden müssen. Herausforderung Gebäudepark Schweiz Zirka 50 % des schweizerischen Energieverbrauches werden im Gebäudebereich umgesetzt. Wenn also der Ausstoss von Kohlendioxid (CO2 ) wesentlich reduziert werden soll, so sind insbesondere auch innovative Lösungen zur Nachdämmung von bestehenden Gebäuden gesucht. Nachdämmung der Innen- oder Aussenwand, heisst dann oft die Grundsatzfrage. Anpassungen an der Aussenfassade sind aus verschiedensten Gründen besser, aber nicht immer möglich. An zwei bauhistorischen Gebäuden möchten wir Lösungen aufzeigen. Hightech für eine alte Fassade Die zirka 400-jährige, unter Denkmalschutz stehende Mühle wird vollständig erneuert und neu einer Wohnnutzung zugeführt; d.h. die Räume werden mit einer zentralen Heizung versorgt. Und was passiert mit dem Mauerwerk? Eine nicht fachgerecht ausgeführte Renovation kann zu Feuchteakkumulation in der Wand und damit zu irreparablen Schäden führen. Die Fassade wurde in diesem Fall aussen mit einer speziellen - nur 36 mm starken - Hochleistungsdämmung (Aspen Aerogel) gedämmt um das Kondensatrisiko zu minimieren. Der Vorteil dieser Lösung war: Volumetrie und Erscheinungsbild konnten wie gefordert, beibehalten werden. Innendämmung: Nicht ganz risikofrei Bei einem Gebäude mit einer historisch wertvollen denkmalgeschützten Fassadenmalerei, bieten sich nur zwei effektive Lösungen an: „Nichts machen“ oder Innendämmung. Die Applikation einer Innendämmung verschiebt zwangsläufig den Taupunkt in die Aussenwandkonstruktion. Damit tauchen die Themen der Balkenköpfe im Auflagebereich und die Frage nach der bauphysikalisch korrekten und finanziell tragbaren Lösung auf. Mit Unterstützung moderner Software und Erfahrung der beteiligten Fachleute wird eine komplette Innendämmung appliziert, jedoch nur mit einem partiellen Schutz der Holzbalkendecken. Bild 3: Beurteilung Kondensatrisiko durch Simulation Immer noch im Trend: Glasfassaden Bauten mit einem hohen Glasanteil sind attraktiv und liegen im architektonischen Trend. Bauherren setzen gerne auf Glasbauten und repräsentieren damit ihr Unternehmen nach aussen. Auch bei Wohnbauten nimmt der Glasanteil und oftmals auch Klagen über mangelnde Behaglichkeit zu. Unabhängig wie verschieden Glasbauten geplant werden, aus bauphysikalischer Sicht gelten immer die gleichen Beurteilungskriterien und Indikatoren. In der SIA Norm 382/1 „Lüftungsanlagen“ sind die Anforderungen dokumentiert, die zu architektonisch und funktional guten Glasfassaden führen. Bild 4: Science City ETH Zürich (Foto: Heidi Hostetter) Qual der Wahl: Das richtige Glas Der technologische Fortschritt im Glasbau ist enorm und faszinierend zugleich. Die korrekte Umsetzung am einzelnen Objekt ist jedoch dadurch nicht einfacher geworden. Die Glasindustrie ist heute in der Lage, fast alle erdenklichen Kombinationen technischer Anforderungen zu realisieren. Für den Planer bedeutet dies, dass die Vorgaben - meist in der Ausschreibung - sehr präzise sein müssen, damit am Schluss das richtige Produkt auf die Baustelle geliefert wird. Insbesondere sind folgende Grössen zu definieren: U-Wert: Wärmedurchlasswiderstand g-Wert: Gesamtenergiedurchlassgrad Շv-Wert: Lichttransmission dB-Wert: Schallschutz Behaglichkeit: Aus Messungen lernen Viele Parameter (Temperatur, Feuchtigkeit, Akustik, Licht, Luftgeschwindigkeiten, etc.) beeinflussen die Behaglichkeit in einem Raum. Im näheren Aufenthaltsbereich von Glasfassaden ist oft das Phänomen der Strahlungsasymmetrie und des Kaltluftabfalls zu beobachten. Die Arbeitsplätze mindestens um 1.5 Meter von der Fassade zurück versetzen (Minimum SIA ≥ 1.0 m) bedeutet eine wirksame aber nicht sonderlich spektakuläre Massnahme. Ist die Problemstellung etwas komplexer, so liefern Behaglichkeitsmessungen und / oder Simulationen eine verlässliche Analyse als Basis zur Umsetzung von Verbesserungsmassnahmen. Bauen an lärmexponierten Standorten Aus städtebaulichen und wirtschaftlichen Gründen wird heute vermehrt an lärmigen Standorten gebaut und entsprechend müssen stringente Schallschutzanforderungen erbracht werden. Hohe Lärmbelastungswerte von Strassen, Bahnen und allenfalls auch von Flugkorridoren können - je nach Empfindlichkeitsstufe - den architektonischen Entwurf wesentlich beeinflussen. Eine frühzeitige lärmtechnische Standortabklärung ist in solchen Fällen kein Luxus und erspart Überraschungen beim Bewilligungsverfahren. Das richtig gewählte Glas, resp. Fenster, weist während der Heizperiode eine positive Energiebilanz auf und gewinnt mehr Energie, als es durch Transmission verliert. Im Sommer soll die Verglasung möglichst wenig Energie, aber viel Tageslicht einlassen. Zur Bestimmung dieser Werte müssen die Rahmenbedingungen des Gebäudes aber auch der Nutzung klar definiert werden. Neue Glasentwicklungen helfen, diese Forderungen projektspezifisch umzusetzen. Vakuumverglasungen U-Werte ≤ 0.2 W/m2K bei g-Wert ≥ 60 % Variochrome Verglasungen Die Transmission kann dynamisch angepasst werden. M-Verglasungen Gläser mit angepasstem g-Wert (ca. 12 % - 60 %) und hohem Շv - Wert für die Tageslichtnutzung Bild 5: Simulation Lärmausbreitung Die eigentliche schalltechnische Dimensionierung der Fassade (Festlegung der dB-Werte) beeinflusst einerseits die Architektur, andererseits die Investitions- und Betriebskosten. Und da Lärm - im Gegensatz zu Energieverlusten - hör- und manchmal spürbar ist, müssen wir diesem Thema den richtigen Stellenwert in den einzelnen Bauprojekten einräumen. Bauphysik zwischen Theorie und Praxis Bauphysikalische Fragestellungen sind vielfach von nicht beeinflussbaren Parametern abhängig, relativ komplex und müssen mit wissenschaftlichen Methoden analysiert werden. Die Umsetzung der theoretischen Erkenntnisse in den Bauprozess erfordert die Entwicklung baustellentauglicher Verfahren und Produkte. Jedes Gebäude - insbesondere jeder Umbau - ist ein Unikat, und bringt zusätzliche Herausforderungen mit sich. Um diesen komplexen Aufgaben gerecht zu werden, arbeiten unsere Bauphysiker und Umweltfachleute mit modernsten Simulationstools. Sie verbringen aber auch immer wieder viel Zeit auf den Baustellen, um den Kunden wirklich praxistaugliche Lösungen anbieten zu können. Referenzen • Nullenergie Wohnsiedlung Eulachhof (MinergieP-Eco), Winterthur • UBS Bürogebäude Grünenhof, Zürich • UBS Bürogebäude/Energiezentrale, Zürich • UBS Umbau „Haus Ilge“ (Denkmalschutz), Einsiedeln • Umbau „Mühle Oberhallau“ (Denkmalschutz), Oberhallau • Halter Wohnüberbauung Hardturm-Areal, Zürich • Marché Nullenergie Bürogebäude, Kemtthal • ETH „Science City“ Gebäude HIT , Zürich • Fachhochschule Nordwestschweiz (Minergie-PEco), Olten • Alternativbank Olten (Umbau Minergie-P), Olten • Roche Büro-/Laborgebäude Bau 71, Basel • Google Bürogebäude, Zürich Unser Dienstleistungsangebot Bauphysik • Winterlicher-, Sommerlicher Wärmeschutz • Feuchteschutz • Wärmebrückenberechnung (2D, 3D) • Thermische Raumsimulationen • Minergie: Konzepte / Nachweise • Behördliche Nachweisverfahren • Schadensgutachten (z. B. Schimmelbefall) Lärm • Lärmgutachten (Lärmschutzverordnung) • Dimensionierung Schallschutzmassnahmen Bauakustik • Dimensionierung, Beratung Luft-, Trittschall • Auralisation Schallschutzstandards • Behördliche Nachweisverfahren Raumakustik • Konzeptberatung • Dimensionierung, Positionierung Bauökologie • Bauökologische Konzepte • Baukonstruktionen / Materialökologie • Nachweise Minergie-Eco • Ökobilanzen Messungen • Schallmessungen (Trittschall, Luftschall) • Lärmmessungen • Messungen Raumakustik (Nachhallzeiten) • Behaglichkeitsmessungen • Thermografische Untersuchungen Marcus Knapp Ing. HTL Holztechnik, NDK Akustik [email protected] Erich Füglister Dipl.-Ing. FH, NDS Energie [email protected] Januar 2009 Amstein + Walthert AG Andreasstrasse 11 Postfach 8050 Zürich Tel 044 305 91 11 Fax 044 305 92 14 www.amstein-walthert.ch