KUNDENINFORMATION DER GARTENMANN ENGINEERING AG — AUSGABE 01/2012 Sinnvoll sanieren – Wärmedämmung historischer Bauten In der Schweiz fallen beinahe 40 % des Energieverbrauchs auf den Bausektor. Aufgrund der veralteten Substanz – die Mehrheit der Gebäude wurde vor 1970 erbaut – stellt der Immobilienpark ein wichtiges Optimierungspotential dar. Die bestehenden Vorschriften stehen jedoch oft im Konflikt mit denkmalpflegerischen Interessen, besonders für Gebäude, deren Fassaden geschützt und daher spezielle Sanierungsstrategien erforderlich sind. Im Folgenden wird anhand von zwei Beispielprojekten das unterschiedliche Vorgehen aufgrund der verschiedenen Ansprüche von historischen Gebäuden aufgezeigt. Renovierung der Klinik des Salines (Rheinfelden, AG) Die Fassade aus Sichtbackstein des Die Überarbeitung der betreffenden SIA-Normen und kantonalen Gesetze Westflügels des Grand Hotel der - vor allem die letzte Neuauflage der Klinik des Salines (Bild 1) stellt Norm SIA 380 - zeigt die Absicht, eine einen wesentlichen historischen Wert für das Gebäude dar. Es Reduzierung des Energiebedarfs im wurde um 1896 von H.C. Moser Gebäudesektor herbeizuführen. erbaut und beherbergte einen zweigeschossigen Saal und Hotelzimmer. Die künftige Nutzung sieht Behandlungsräume und Spitalzimmer vor. Aufgrund des historischen Wertes der Fassade kam für das Energiekonzept keine Aussendämmung in Frage. Auch eine Innendämmung erschien auf den ersten Blick nicht realisierbar: Die hohen vorgeschriebenen Dämmstärken ergeben bauphysikalisch kritische Situationen. Bild 3: Fassade aus unverputztem Backstein Ausserdem kommt erschwerend hinzu, dass die Fassade keinen ausreichenden Schlagregenschutz aufweist (Bild 3): kein Aussenputz, ein kurzes Vordach und nur vereinzelte kleine Balkone. Durch eine dynamische hygrothermische Simulation (Bild 2) war eine stündliche Vorhersage der Feuchtebelastung des Bauteils an jeder Stelle im Konstruktionsaufbau möglich, wodurch das realitätsnahe Verhalten untersucht und beurteilt werden konnte. Aufbau nicht den normativen Anforderungen entspricht, so kann doch eine wesentliche Reduktion der Wärmeverluste über die Aussenwände erzielt werden. Darüber hinaus führt diese Massnahme zu einer Erhöhung der Oberflächentemperatur, wodurch der thermische Komfort in den Spitalzimmern garantiert werden kann. putztem Natursteinmauerwerk, wobei in einem Teil des Mauerwerks tragende Elemente aus Holz integriert sind (Bild 4). Die Holzbalken der Zwischendecke laufen über das Natursteinmauerwerk bis in den Aussenbereich durch (Bild 5). Im oberen Stockwerk sind die Aussenwände und das Steildach im Holzleichtbau erstellt. Sanierung des ehemaligen Lagergebäudes „Le Bûcher“ auf dem Anwesen „La Pastorale“ (Petit-Saconnex, GE) Das ehemalige Lagergebäude „Le Bûcher“ ist Teil des architektonischen Ensembles des Anwesens „La Pastorale“. Das Ensemble besteht aus drei weiteren Gebäuden, die um 1836 von M.-F. Brolliet erbaut wurden, heute denkmalgeschützt sind und als Büroräume genutzt werden. Aufgrund denkmalpflegerischer Aspekte kam für das Mauerwerk im Erdgeschoss eine Aussendämmung nicht in Frage. Die Ausbildung einer Innendämmung beinhaltet ein gewisses Risiko bezüglich Schlagregen-Infiltrationen in die Konstruktion im Bereich von Anschlussfugen Holzelemente/ Mauerwerk. Im Erdgeschoss bestehen die Aussenwände aus beidseitig ver- Aufgrund der möglichen Einwirkung von Feuchtigkeit auf tragende Holzbauteile sind diese Bereiche als besonders kritisch zu betrachten. Bild 2: Ergebnis aus einer hygrothermischen Simulation über 5 Jahre mit dem Programm WUFI 5 Pro. Die Schwankungen der Temperatur (rot), des Wassergehaltes der Materialien (blau) und der relativen Feuchte (grün) können an jedem Punkt im Bauteil-aufbau ermittelt und ausgewertet werden. Dabei werden dynamische Materialeigenschaften, die Einflüsse durch Solareinstrahlung, Schlagregen und Feuchtesorption und -weiterleitung berücksichtigt. Es wurden verschiedene Konstruktionen für den bestehenden Wandaufbau untersucht und es konnte festgestellt werden, dass es zur Vermeidung von schädlichem Feuchtigkeitsaufkommen nicht möglich ist, die vorgeschriebenen Dämmstoffstärken einzuhalten. Auch wenn der vorgeschlagene Gartenmann Engineering AG www.gae.ch Akustik Bauphysik Energie Nachhaltigkeit Bern | Basel | Zürich | Luzern | Lausanne | Genf Ausgabe 01/2012 Seite 2 /3 Bild 4: Tragende Holzkonstruktion in der Aussenwand im Erdgeschoss des ehemaligen Lagergebäudes „Le Bûcher“ auf dem Anwesen „La Pastorale“, Petit-Saconnex (GE) Es wurde daher für die Aussenwände im Erdgeschoss eine Innendämmung mit nur 6 cm Dicke empfohlen, um Feuchteschäden zu vermeiden. Zum Ausgleich wurden die Dämmstoffdicken der Aussenwände im Obergeschoss, des Dachaufbaus und des Bodens entsprechend erhöht, um die Anforderungen an den Heizwärmebedarf einzuhalten. Es konnte also eine Lösung gefunden werden, die gleichzeitig den gesetzlichen Anforderungen an den Wärmeschutz entspricht und die bauphysikalischen Zwänge berücksichtigt. Es bleiben jedoch auch bei dieser Lösung diverse heikle Konstruktionsdetails abzuklären. Schlussfolgerung Die beiden Fälle zeigen, dass es für die Ausführung einer Innendämmung unumgänglich ist, die Materialauswahl und die Bestimmung der Dämmstoffdicken auf Basis einer detaillierten Untersuchung zu treffen. Es ist nicht immer möglich die normativen Anforderungen an Einzelbauteile einzuhalten, um eine bauphysikalisch zufriedenstellende und funktionierende Lösung zu finden. In manchen Fällen kann jedoch über eine geschickte Umverteilung des Dämmvermögens, der Heizwärmebedarf entsprechend reduziert werden und die Anforderung der Norm eingehalten werden. Sofern die Grenzwerte nach SIA 380/1 nicht erreicht werden können, ist es im Baueingabeverfahren möglich eine Erleichterung bei den Anforderungen an den Wärmeschutz zu verlangen. In den meisten Fällen, wird diese von den Energiefachstellen akzeptiert, wenn sie ausreichend durch eine bauphysikalische Untersuchung belegt wird. Bei solchen Projekten sollte vernünftigerweise nicht das strenge Einhalten der gesetzlichen Anforderungen an den Heizwärmebedarf im Vordergrund stehen, sondern die Entwicklung eines adäquaten Wärmedämmkonzeptes in Verbindung mit bauphysikalischen Lösungen. Bild 5: Die Holzbalken der Decke durchstossen die Fassade des ehemaligen Lagergebäudes „Le Bûcher“ Gartenmann Engineering AG www.gae.ch Akustik Bauphysik Energie Nachhaltigkeit Bern | Basel | Zürich | Luzern | Lausanne | Genf Ausgabe 01/2012 Seite 3/3