werte entwickeln 03.2012 Das Fachmagazin für die Wohnungswirtschaft Generationenprojekt Aufbau West o-ton Es geht darum, Städte langfristig zukunftssicher zu machen . fallbeispiel Multikulturelles Wohnen im Alter . technik Energieeffizienz und Architekturgerechtigkeit . weltweit In Budapest feiert man Hausgeburtstage Bildquelle: Sto AG technik So wünschenswert Energieeffizienz auch ist, nicht alle Gebäude eignen sich für eine klassische Fassadendämmung. Oft ist dann eine diffusionsoffene Innendämmung die Lösung. Innendämmung ergänzt Fassadendämmsystem Energieeffizienz und Architekturgerechtigkeit Gründerzeitquartiere gehören vielerorts zu den beliebtesten Vierteln. Weniger beliebt sind seit dem rasanten Anstieg der Energiepreise (90 Prozent innerhalb von zehn Jahren!) die hohen Heizkosten dieser Bauten. Doch eine das Stadtbild wahrende energetische Ertüchtigung eines Gründerzeit- oder Jugendstilhauses ist eine echte Herausforderung für Energieberater, Architekten und Fachhandwerker. Geht es dabei um die Dämmung der Gebäudehülle, heißt der Königsweg: professionelle Kombination einer Innendämmung mit einem Wärmedämm-Verbundsystem. Typisch für die Architektur jener Zeit sind mehrgeschossige innerstädtische Häuser, die häufig in Form geschlossener Blockrandbebauung errichtet wurden. Die Fassaden dieser Gebäude sind in der Regel hell verputzt, wobei die Straßenansichten fast immer reich verziert sind (Gesimse, Gewände, Bossen etc.), während sich die Hofbzw. Gartenfassaden deutlich bescheidener präsentieren. Die Außenwände sind meist aus massiven Ziegeln gemauert, was der Gebäudehülle auch bei dicken Wandkonstruktionen schlechte Wärmedämmeigenschaften verleiht. Die Dächer sind ebenso wie die Geschossdecken in der Regel kaum oder überhaupt nicht gedämmt. Geheizt wird häufig etagenweise, die ursprünglich typischen Kastenfenster finden sich nur noch selten, sie wurden meist durch Zweischeiben-Isolierverglasungen ersetzt. Diese Bestandsaufnahme ergibt mehrere „Angriffspunkte“, an denen Baumaßnahmen rasch und unkompliziert dazu beitragen können, diese Gebäude (Primärenergiebedarf unsaniert ca. 200–300 kWh/(m²a)) auch bei weiter steigenden 23 technik Variantenstudie für Außenecken an einer Wohnungstrennwand: Fassade (240 mm Mauerwerksziegel, λ = 0,81 W/mK) mit Innendämmsystem (120 mm PerliteDämmplatte, λ = 0,045 W/mK), Trennwand (2 x 175 mm Mauerwerksziegel, λ = 0,81 W/mK). Auch beim Anschlusspunkt Innendämmung und einbindende Wand ist die Wärmebrücke so gut gedämmt, dass flankierende Dämmmaßnahmen unter dargestellten Bedingungen nicht notwendig sind. Energiepreisen noch wirtschaftlich nutzen zu können: die Dämmung des Daches beziehungsweise der obersten Geschossdecke und der Außenwände, der Austausch der Fenster, die Dämmung der Kellerdecke sowie die Optimierung der Haustechnik. Und alles stets gemäß der Maxime: Erst die Hülle, dann die Heizung! Andernfalls sind die neu eingebauten Anlagen nach einer später doch erfolgten Dämmung der Hüllfläche zwangsläufig überdimensioniert und somit unrentabel. Ähnliches gilt auch für die Fenster: Werden sie erneuert, ohne dass gleichzeitig die Fassade gedämmt wird, besteht die Gefahr, dass sich bei hoher Raumluftfeuchte an besonders kühlen Punkten (Ecken, Kanten) der Außenwände verstärkt Kondensat niederschlägt. Wie ein sinnvoller Umgang mit Fassadendämmung aussieht, ist unstrittig, solange es um Neubauten oder die Sanierung von Gebäuden der Fünfziger- bis Siebziger-Jahre des vergangenen Jahrhunderts geht. Doch was tun mit den Gründerzeitbauten und ihren schützenswerten Fassaden? Bei ihrer Sanierung muss es immer um zweierlei gehen: die Verringerung des Gebäudeenergieverbrauchs und den Erhalt der städtebaulich prägenden Schauseite. Was zunächst nach der Quadratur des Kreises klingt, ist durch die Kombination eines Innendämmsystems mit einem Wärmedämm-Verbundsystem sachgerecht zu lösen – auch im Spannungsfeld zwischen Energieeffizienz und Architekturgerechtigkeit! Neue „Werte“ ersetzen veraltetes Know-how Für die Schauseiten kommt natürlich nur eine Innendämmung in- 24 frage, wobei in der Regel ein U-Wert von 0,35 W/(m²·K) ausreichend ist, da bei Innendämmmaßnahmen Wärmebrückeneffekte nicht gänzlich ausgeschlossen werden können, was das Bemühen um noch bessere U-Werte in vielen Fällen konterkarieren würde. Vorhandene „typische“ Wärmebrücken wie Fensterlaibungen oder einbindende Bauteile wie Wände und Decken werden – soweit bauphysikalisch notwendig – bei einer Innendämmung mit in die Maßnahme einbezogen. Viele Immobilienbesitzer, Planer und Bewohner reagieren mit Skepsis, wenn eine Innendämmmaßnahme vorgeschlagen wird. Veraltete Lehrmeinungen „beherrschen“ noch viele Köpfe. Sie sind jedoch nicht auf dem Stand der Zeit. Es ist richtig, dass durch eine Innendämmung im Bauteil Feuchtigkeit ausfallen kann. Um genau zu sein, befindet sich der Taupunkt an der Schichtgrenze WandbildnerInnendämmung. Um zu bewerten, ob die Feuchtigkeit im Bauteil zu Schäden führen kann, wurde und wird in vielen Ländern das GlaserVerfahren als Bewertungsinstrument herangezogen. Doch das Verfahren, das im Vorcomputerzeitalter sicherlich eine wertvolle Hilfe war, ist heute wegen neuer Baustoffe, veränderter Bauweisen und ausgereifter Simulationssoftware nur noch bedingt alltagstauglich, da es wichtige Vorgänge in der Baukonstruktion nicht abbilden kann. Kam man in der Vergangenheit nach Anwendung des Glaser-Verfahrens zu dem Schluss, dass sich Feuchtigkeit im Bauteil anreichert, wurde das Problem durch die Verwendung einer Dampfsperre gelöst. Leider sind Innendämmmaßnahmen mit Dampfsperren sehr schadensanfällig. Damit die Barriere perfekt arbeitet, muss sie lückenlos dicht sein. In der Praxis ist das im Bereich von Anschlüssen und technik Durchdringungen häufig sehr schwierig umsetzbar. Und ist die Dampfsperre dann mit viel Mühe perfekt angebracht, besteht noch immer die Gefahr, dass das Ergebnis durch Dübel oder Nägel der Bewohner zunichte gemacht wird. Ist diese Innendämmung zudem – wie so häufig – nur punktweise verklebt, verwandeln sich die Lücken zwischen den Klebepunkten in einen veritablen Hinterlüftungsspalt, in dem Konvektion und Kondensation für die „bekannten“ Schadensbilder sorgen. Bilder von Stockflecken an der Wand – hervorgerufen durch perforierte Dampfsperren, gepaart mit einer punktweisen Verklebung – finden sich zuhauf in der Literatur oder im Netz. Fazit: Da das veraltete Glaser-Verfahren die Vorgänge in der Wand nur unzureichend abbildet, fördert die Methode eine Bauweise, die häufig zu Schäden führt. Diffusion statt Dampfsperre Die Dampfsperre muss also überflüssig gemacht werden. Das gelingt mit einem Dämmstoff wie Perlite. Das Dämmsystem muss jedoch komplett – vom Kleber bis zur Endbeschichtung – auf das Herzstück des Systems, den Dämmstoff, abgestimmt sein. Eine Perlite-Innendämmplatte ist rein mineralisch und basiert auf dem vulkanischen Glasgestein Obsidian. Ihre bauphysikalischen Eigenschaften ermöglichen ein Innendämmsystem, das diffusionsoffen und kapillaraktiv ist und ganz bewusst auf eine Dampfsperre verzichtet. Da das System diffusionsoffen ist, fällt im Taupunkt Feuchtigkeit aus. Diese wird dank der feuchteverteilenden Eigenschaften des Dämmstoffs jedoch sofort aufgenommen und in die Platte hineintransportiert. Im Gegensatz zu einem mit einer Dampfsperre ausgeführten Innendämmsystem ist eine Austrocknung sowohl zum Innenraum als auch zur Fassade hin möglich. Dieser Mechanismus verhindert, dass sich Feuchtigkeit in der Konstruktion anreichert; das System bleibt schadensfrei, auch dann, wenn der eine oder andere Bewohner zum Hammer oder zur Bohrmaschine greift. Silikatische und kalkgebundene Schlussbeschichtungen tragen zusätzlich zu einer Abpufferung von Feuchtespitzen in der Raumluft bei. Dieses aktive Feuchtemanagement der Perlite-Innendämmplatte kann aber nicht mehr mit dem herkömmlichen Glaser-Verfahren beurteilt werden. Wird eine solches Innendämmsystem mithilfe des GlaserVerfahrens auf den Prüfstand gestellt, erhält man das fehlerhafte Ergebnis, dass das System nicht funktioniert, da in der Konstruktion langfristig mehr Feuchtigkeit anfällt als verdunstet. Verursacht wird diese Falschaussage unter anderem dadurch, dass das Glaser-Verfahren einen derart fundamentalen Mechanismus wie die Kapillarität der verwendeten Baustoffe nicht berücksichtigt. Moderne, computergestützte Simulationsprogramme wie Wufi vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Holzkirchen oder Delphin vom Institut für Bauklimatik an der TU Dresden berücksichtigen jedoch solche Vorgänge und liefern deshalb auch andere Ergebnisse. Beide Programme zeigen beispielsweise an dem auf einer Perlite-Platte basierenden Innendämmsystem StoTherm In Comfort, dass dieses bei allen gängigen mineralischen Wandbildnern funktioniert. Eine Erkenntnis, die auch von der Praxis – über 30.000 Quadratmeter dieses Systems wurden bereits verlegt – bestätigt wird. Moderne Simulationsprogramme erlauben sogar einen Blick in die Zukunft und zeigen, dass das System über die gesamte Standzeit eines Gebäudes perfekt arbeiten wird. Natürlich sind – wie bei allen anderen Bausystemen auch – dabei gewisse Grundvoraussetzungen zu erfüllen, um die dauerhafte Funktionalität des Systems zu gewährleisten. So ist die Schlagregendichtigkeit der Fassade zu prüfen und der Einfluss von Wärmebrücken durch geeignete Maßnahmen so zu gestalten, dass das Gebäude schadensfrei bleibt. Der Klassiker übernimmt den Rest Für alle nicht oder nur gering ornamentierten Fassadenflächen empfiehlt sich der Einsatz eines Wärmedämm-Verbundsystems. Diese Systeme sind hocheffizient, problemlos zu applizieren und daher sehr wirtschaftlich. Gilt es, auch an den Hoffassaden beispielsweise Fenstergewände zu erhalten, können diese durch Struktur und Farbigkeit des Putzes nachgebildet oder durch spezielle mineralische Fassadenprofile ersetzt werden. Derartige Profile sind kompakt wie Stein, durch und durch massiv, feuchteunempfindlich und frostsicher. Sie werden aus recycliertem Altglas gefertigt und besitzen ein bauaufsichtliches Prüfzeugnis. Das Fundament heißt Effizienz Das Zeitalter der erneuerbaren Energien wird untrennbar mit dem Zeitalter der Energieeffizienz verknüpft sein, denn erst Letztere durchbricht die endlose Spirale des „Immer-mehr“, auf dass regenerative Kreisläufe ihre Wirksamkeit entfalten können. Diese Erkenntnis stellt Bauschaffende vor vielfältige und teilweise schwierige Aufgaben. Insbesondere im Bereich der Bestandssanierung sind zahlreiche Details nicht immer leicht zu lösen. Darum ist das Know-how von erfahrenen Architekten und Energieberatern für die sinnvolle Verknüpfung von Klimaschutz, Bauteilschutz und Denkmalschutz unverzichtbar. Nur aus ihrem verantwortungsvollen Umgang mit den Anforderungen zukünftiger Effizienzstandards einerseits und der Pflege des baulichen Erbes andererseits kann eine neue Baukultur des Klimaschutzes erwachsen. Aktives Feuchtemanagement durch Perlite-Innendämmplatten: 1. Feuchtigkeit dringt in das diffusionsoffene Innendämmsystem ein. 2. Im Taupunkt (Kleberschicht) anfallende Feuchtigkeit wird aufgenommen, 3. weitergeleitet und gleichmäßig verteilt und 4. schließlich wieder abgegeben. Weiterführende Informationen zum Thema Energieeffizienz erhalten Sie unter www.sto.de/we 25 gestaltung putz und klinker putz und putz putz und stuck putz und glasmosaik Differenzierung durch Materialakzente Die optische Anmutung von Gebäuden und Wohnensembles wird durch energetische Sanierungsmaßnahmen geprägt beziehungsweise verändert und führt in der Fachpresse zu Diskussionen hinsichtlich ihrer ästhetischen Qualität. Hochwertige Ergebnisse entstehen zum Beispiel durch den Einsatz unterschiedlicher Materialien und Oberflächen. Im Rahmen einer vierteiligen Serie zeigen wir am Beispiel von schematisierten Fassaden, welch positive ästhetische Wirkung Materialwechsel auf WärmedämmVerbundsystemen entfalten können. In Teil 3 geht es um Konzepte mit unterschiedlichen plastischen Fassadenelementen. Variante 1: Gesimse, neu abgewandelt Einfache, klassische Methode, die Fassade mittels Gurtgesimsen zu strecken. Der untere und obere Fassadenbereich werden durch gestapelte Gesimse mit Sockel und Fries versehen. Zwei verschiedene Gesimsformen schaffen im Wechsel miteinander ein „Art-déco-ähnliches“ Gesamtbild. Die Farbwahl wurde bewusst ohne starke Reize konzipiert, um der Plastizität im Licht zu dienen. Variante 2: Bewegung Kräftige Gesimssegmente strukturieren diese Fassade vollkommen neu. Durch das rhythmische Verschieben der Fensterbank- und Sturzgesimse wird eine abwechslungsreiche, bewegte Fensterbandpartie erzeugt. Innerhalb einer natürlich-mineralischen Farbwelt markiert der ziegelrote Farbton der Kubatur Gebäude und Ornamentik. Variante 3: Rhythmus Dieses einfach durchgewechselte Öffnungsspiel zeigt zwei plastische Artikulierungen des Öffnungsausschnitts. Durch das strikte Wechseln der flacheren und der weiter vorstehenden Rahmen wird ein heterogenes, plastisches Bild der strikten Fassadenlochung entgegengesetzt. Der gewählte blaugraue Kubaturfarbton markiert das Gebäude. Die Ornamentik wird durch zwei differenzierte Farbigkeiten zusätzlich rhythmisiert. Variante 4: Gerahmt Zeitgenössische Öffnungsthematik, welche die „davorgehängten“ Rahmenelemente je Geschoss in eine andere Richtung orientiert. Die asymmetrische Orientierung der Rahmen wird von außen besehen durch die schräge Fläche erzeugt. Die Farbigkeit wurde zugunsten der aufwendigen Rahmen bewusst streng eingestellt. Diese Methode kann mit einfachen Mitteln eine vollständig neue, „neubauartige“ Fassade erzeugen. 20 gestaltung Bewegung Plastische Gliederung und Strukturierung der Fassade mit ausgeprägten Gesimssegmenten. Bewegung und Rhythmus entstehen sowohl durch das horizontale Verschieben der Profile als auch durch die daraus entstehenden, unterschiedlich großen Fassadenflächen. Die Ausformung der Profile ist bewusst verfremdet, um eine klare Abgrenzung zu einer historischen beziehungsweise historistischen Fassadensprache zu erzeugen. Und die gewählte Fassadenfarbigkeit erzeugt die gewünschte grafische Wirkung der Neugestaltung und bewegt sich im unbunten Farbspektrum mit deutlichen Hell-dunkel-Kontrasten. Die Holzfenster unterstützen dieses materialbezogene Konzept. Rhythmus Diese Komposition wertet in besonderem Maße die Öffnungen auf. Sowohl Formgebung als auch Farbgebung sind auf systematische Kontrastwechsel angelegt. Die Fassade ist in ihrer Oberfläche rau ausgeführt, in einem Sechs-Millimeter-Kratzputz. Zwei unterschiedliche Fensterumfassungen – eine aus einem flachen, breiten Brettprofil und eine aus einem vorspringenden, zargenartigen Profil – sind schachbrettartig versetzt arrangiert. Die zwei Profiltypen werden durch zwei verschiedene Farbtöne gefasst – einer dunkler und einer heller als der Fassadenfarbton. Die plastisch unterschiedliche Wirkung der Fassadenprofile wird durch diese gestalterische Maßnahme zusätzlich unterstützt bzw. verdeutlicht. Im Ergebnis führt diese einfache Methode der Fassadengliederung ästhetisch zu einem eleganten Kontrastspiel zwischen plastischen Stuckelementen und strukturierter Fläche. Sie haben einen Teil verpasst? Die StoDesign-Serien mit ihren einzelnen Folgen finden Sie unter www.stodesign.de 21