Elliptische Galaxien: Neue Erklärung für stellare Geisterfahrer

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Elliptische Galaxien: Neue Erklärung für stellare Geisterfahrer
20.März.2015 10:14
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ELLIPTISCHE GALAXIEN
Neue Erklärung für stellare Geisterfahrer
Redaktion / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie
astronews.com
19. März 2015
In manchen elliptischen Galaxien sind Astronomen auf Regionen gestoßen, in denen Sterne gerade anders
herum ums galaktische Zentrum umlaufen als im Rest der Galaxie. Bislang wurde dies durch eine spezielle
Konstellation während einer vorausgegangen Galaxienkollision erklärt. Nun stieß eine Doktorandin auf ein
weiteres Erklärungsmodell.
In elliptischen Galaxien kann es ungewöhnliche Sternbewegungen geben:
Während die Sterne in den äußeren Regionen sämtlich in eine Richtung
rotieren, kann die gemeinsame Umlaufrichtung der Sterne in der
Zentralregion eine ganz andere sein.
Elliptische Galaxien entstehen durch die Kollision und Verschmelzung von
zwei oder mehr Scheibengalaxien. Bisherige Erklärungsversuche hatten
angenommen, dass gegenläufige Zentralregionen entstehen, wenn eine der
Vorläufergalaxien eine besonders massereiche Zentralregion besitzt, deren
Umlaufsinn relativ zur Umlaufbahn der Vorläufergalaxien umeinander
gerade die richtige Ausrichtung besitzt.
In dieser (simulierten) Aufnahme
eines Integralfeld-Spektrografen
stehen Farben für Bewegung in
Beobachtungsrichtung: von blau
(schnellste Bewegungen auf uns
zu) bis rot (schnellste
Bewegungen von uns weg). Der
Unterschied zwischen den
Bewegungen im Innen- und
Außenbereich ist deutlich
sichtbar. So kam Tsatsi darauf,
dass bei der simulierten
Verschmelzung eine gegenläufige
Zentralregion entstanden war.
Bild: A. Tsatsi / MPIA
[Großansicht]
Dieses Erklärungsmodell sagt allerdings eine geringere Anzahl an
gegenläufigen Zentralregionen voraus, als tatsächlich beobachtet werden.
Das war die Ausgangssituation, als Athanasia Tsatsi ihre Forschung als
Doktorandin am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg begann
und dazu Computersimulationen von Galaxienzusammenstößen auswertete.
Tsatsis Ziel war es eigentlich, herauszufinden, wie die entstehenden
Galaxien durch verschiedene Arten astronomischer
Beobachtungsinstrumente aussehen würden.
Stattdessen machte sie beim Blick durch solch ein "virtuelles
Beobachtungsinstrument" eine unerwartete Entdeckung: Die Galaxie, die bei
der simulierten Verschmelzung entstand, wies eine gegenläufige
Zentralregion auf. Die Vorläufergalaxien jedoch wiesen nicht die spezielle
Orientierung auf, die dem herkömmlichen Erklärungsversuch zufolge
Voraussetzung für die Entstehung der Gegenläufigkeit sein sollte.
Das Ergebnis der simulierten Verschmelzung passte zu dem, was aus
Beobachtungen bereits über solche gegenläufigen Zentralregionen bekannt
war. Die resultierende elliptische Galaxie war mit 130 Milliarden
Sonnenmassen eine der massereicheren Vertreterinnen ihrer Gattung; gerade bei massereichen elliptischen
Galaxien sind gegenläufige Zentralregionen besonders häufig.
Die Gegenläufigkeit bleibt in der Simulation für rund 2 Milliarden Jahre nach der Verschmelzung nachweisbar;
langfristig genug, dass man erwarten kann, bei tatsächlichen Beobachtungen vieler Galaxien Beispiele dafür zu
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finden. Nicht zuletzt handelt es sich in der Simulation bei den Gegenläufern um ältere Sterne, die bereits lange
vor der Verschmelzung entstanden waren; auch das entspricht den tatsächlichen Beobachtungen.
Bei ihrer Literaturrecherche fand Tsatsi einen Präzedenzfall für das Phänomen, das sie an den verschmelzenden
Galaxien beobachtet hatte. Was dort geschieht, hängt eng mit einem Problem zusammen, mit dem sich der
russische Mathematiker Iwan Wsevolodowitsch Mestschersky beschäftigt hatte: Er untersuchte Punktteilchen,
deren Masse sich mit der Zeit verändert und die sich unter ihrem wechselseitigen Schwerkrafteinfluss bewegen.
Durch die Masseänderung kommen dabei zusätzliche Kräfte ins Spiel, die auch Mestschersky-Kräfte genannt
werden.
Das bekannteste Beispiel für solche Kräfte tritt beim Raketenantrieb auf - die Rakete stößt aus ihrer Düse heiße
Gase aus; dadurch wirkt auf die Rakete eine Kraft in Gegenrichtung und die Rakete wird beschleunigt. Das liefert
die Erklärung dafür, dass selbst bei Galaxienverschmelzungen mit einheitlicher Drehrichtung gegenläufige
Zentralregionen entstehen können: der Massenverlust der beiden Galaxien hat dieselbe Wirkung wie ein
gigantischer Raketenantrieb und kann stark genug sein, um die Umlaufrichtung der Sterne umzukehren, die sich
am Ende in der Zentralregion der neu entstandenen Galaxie wiederfinden. Diese Art der Erzeugung gegenläufiger
Zentralregionen nennt Tsatsi den Mestschersky-Mechanismus.
Tsatsis Entdeckung betrifft zunächst einmal einen Einzelfall. Aber das genügt für den Nachweis, dass
gegenrotierende Zentralregionen auf diese Weise entstehen können. Als nächstes müssen die Astronomen
herausfinden, wie häufig Entstehungsprozesse dieser Art sind - indem sie Galaxienverschmelzungen mit den
unterschiedlichsten Anfangsbedingungen untersuchen. Wenn solche systematischen Tests zeigen, dass der
Mestschersky-Mechanismus für die Entstehung gegenläufiger Zentralregionen häufig genug in Erscheinung tritt,
könnte dies die Beobachtete Häufigkeit des Phänomens erklären.
Aber bereits jetzt hat die Entdeckung von Tsatsi den Blickwinkel der Astronomen auf gegenläufige
Zentralregionen und galaktische Verschmelzungen verändert: Spezielle Konfigurationen der Drehsinne und der
gegenseitigen Umlaufbahn verschmelzender Galaxien sind nicht die einzige Möglichkeit, Gegenläufigkeit zu
erzeugen. "Galaktische Raketenantriebe" leisten ebenso gute Dienste.
Über ihrer Ergebnisse berichten Tsatsi und ihre Kollegen in einem Fachartikel, der in der Zeitschrift Astrophysical
Journal Letters erscheinen wird.
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Preprint des Fachartikels bei arXiv.org
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