Schäden durch Elementarereignisse

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ELEMENTARSCHÄDEN
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Schäden durch Elementarereignisse
UND DEREN PRÄVENTIONSMÖGLICHKEITEN
Als Begleiterscheinungen der klimati-
Schadenpotenzial zu wenig Gedanken. Die
solchen Fällen erfährt der richtige Versi-
schen Veränderungen ereignen sich
hohe Bebauungsdichte kann sich für den
cherungsschutz eine maßgebende Bedeu-
Unwetter mit nahezu unermesslichen
Versicherer ganz schnell zur Kumulierung
tung.
Schadenausmaßen mittlerweile überall.
des Risikos entwickeln.
Sturm
Der Beitrag setzt sich mit Elementarereignissen und daraus resultieren-
Grund genug, dass sich die Versicherer
den Schadenpotenzialen auseinander.
ebenfalls mit den Gedanken zur Elemen-
• Allgemeines
Zur Prävention sind einfache Verhal-
tarschadenprävention
machen.
Sturm ist im Sinne der üblichen Versiche-
tensregeln und technische Möglichkei-
Ebenso werden sich der Gesetzgeber und
rungsbedingungen definiert als „eine wet-
ten angesprochen.
die Fachwelt mit dem Thema beschäftigen
terbedingte Luftbewegung von mindestens
müssen. Aufgrund der aktuellen Beobach-
Windstärke 8 nach Beaufort“. Auf der
tungen und Prognosen sind nämlich Ge-
Beaufort-Skala (Tabelle 1) ist zu sehen,
setze, Vorschriften und technische Regel-
wo wir uns hierbei im Spektrum der Wind-
Elementarereignisse sind beeindruckende
werke zu überarbeiten und den neuen
stärken bewegen.
Naturgewalten. „Naturschauspiele“, die je-
Erkenntnissen anzupassen.
Einleitung
vertraut
Deutschland ist in vier Windzonen einge-
der mit einer gewissen Faszination betrachten und beobachten kann, solange
Neben einem Blick auf Elementarereignis-
teilt. Je nach Windzone sind unterschiedli-
sich das alles in unbesiedelten Gebieten
se sollen im Folgenden die grundlegenden
che Windstärken zu berücksichtigen. Wind
abspielt. Zur „Naturkatastrophe“ werden
Zusammenhänge für das Zustandekom-
wirkt auf ein Gebäude in Form von Kräften.
sie erst, wenn der Mensch selbst dadurch
men von Schadenereignissen aufgezeigt
In der statischen Berechnung für ein Bau-
in Mitleidenschaft gezogen wird – entwe-
werden. Eine Auflistung der häufigsten
werk lassen sich diese Kräfte (Windlasten)
der in der Gefährdung von Leib und Leben
Schäden führt dann zielgerichtet auf mögli-
durch einen Geschwindigkeitsdruck simu-
oder in seiner wirtschaftlichen Existenz.
che Präventionsmaßnahmen und zu den
lieren. Aus der Tabelle der Windzonen ist
Antworten auf die Frage: „Wie kann ich
abzulesen, dass für Windzone 1 beispiels-
Im Zuge des Klimawandels werden heftige
mich effektiv und kostengünstig gegen
weise
Elementarschaden-Ereignisse immer häu-
Schäden durch Elementarereignisse schüt-
22,5 m / s (81 km / h, also Windstärke 9
figer wahrgenommen und zukünftig auch
zen?“ Dabei werden sowohl technische
nach Beaufort) zu berücksichtigen ist, was
wahrzunehmen sein. Selbst die aufgrund
Möglichkeiten dargestellt, als auch einfa-
einem Geschwindigkeitsdruck von 0,32 kN /
ihrer Lage in der Vergangenheit nicht oder
che Verhaltensregeln aufgezeigt.
qm entspricht (Bild 1 und Tabelle 2).
Ein nicht vernachlässigbarer Teil der Schä-
Grundsätzlich gilt, dass alle auf ein Ge-
den ist durch relativ einfache Maßnahmen
bäude einwirkenden Kräfte sicher über
Kleine Bäche werden urplötzlich zu reißen-
vermeidbar oder zumindest sind die Scha-
alle Zwischenbauteile in die Fundamente
den Flussläufen. Starkregen mit lokalen
denauswirkungen reduzierbar. Das Unwet-
abgeleitet werden müssen. Für ein Gebäu-
Überschwemmungen gehören schon fast
terwarnsystem WIND bietet eine gute Mög-
de in der Windzone 1 bedeutet das, dass
zur Tagesordnung, Sommergewitter mit lo-
lichkeit, auf nahende Elementarereignisse
es die aus Windstärke 9 resultierenden
kalem Hagelschlag häufen sich. Heftige
früher reagieren zu können.
Kräfte problemlos verkraften können muss.
eine
Windgeschwindigkeit
von
wenig betroffenen Regionen und Gebäude
scheinen nicht mehr sicher zu sein.
Schneefälle treten inzwischen auch in Re-
Bei Einbeziehung der im Bauwesen übli-
gionen auf, in denen damit bisher so gut
Aber niemand sollte sich etwas vorma-
chen Sicherheitsreserven dürfte ein Ge-
wie gar nicht zu rechnen war.
chen: Ab einer gewissen Intensität eines
bäude bis zu einem Bereich von Wind-
Elementarereignisses schützen auch keine
stärken 11–12 eigentlich keinen Schaden
Hinzu kommt die zunehmende Wertever-
Präventionsmaßnahmen
erleiden.
dichtung und Bebauungsdichte. Ursprüng-
seien in diesem Zusammenhang nur einige
lich war der Keller schlichtweg Keller. Heu-
herausragende Elementarereignisse wie
Doch so einfach ist es dann doch nicht! Die
te finden sich dort Einliegerwohnungen,
die Winterstürme Wibke und Vivian (1990)
statische Berücksichtigung der Windkräf-
Hobbyräume
ausgefeiltere
oder Lothar (Dez. 1999). Auch das Über-
te auf ein Gebäude ist eine Abstrahierung
wertvolle Haustechnik. Häufig machen sich
schwemmungsereignis im Killertal oder der
der tatsächlich vorhandenen Kräfte. Eine
die Besitzer über das dadurch erhöhte
Hagelschlag in Ketsch gehören dazu. In
Wind-Messstation registriert an ihrem Stand-
und
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immer
mehr.
Erwähnt
Quelle: www.deutscher-wetterdienst.de/lexikon/index.htm?ID=B&DAT=Beaufort-Skala
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Beaufortgrad
Bezeichnung
Mittlere Windgeschwindigkeit in 10 m
Höhe über freiem
Gelände ( km / h)
Beispiele für die Auswirkungen des
Windes im Binnenland
0
Windstille
<1
Rauch steigt senkrecht auf
1
leiser Zug
1–5
Windrichtung angezeigt durch den Zug
des Rauches
2
leichte Brise
6 – 11
Wind im Gesicht spürbar, Blätter und
Windfahnen bewegen sich
3
schwache
Brise
schwacher
Wind
12 – 19
Wind bewegt Zweige und streckt Wimpel
4
mäßige Brise
frischer Wind
20 – 28
Wind bewegt Zweige und dünnere Äste,
hebt Staub und loses Papier
5
frische Brise
frischer Wind
29 – 38
kleine Laubbäume beginnen zu schwanken, Schaumkronen bilden sich auf Seen
6
starker Wind
39 – 49
starke Äste schwanken, Regenschirme
sind nur schwer zu halten, Telegrafenleitungen pfeifen im Wind
7
steifer Wind
50 – 61
fühlbare Hemmungen beim Gehen gegen
den Wind, ganze Bäume bewegen sich
8
stürmischer
Wind
62 – 74
Zweige brechen von Bäumen, erschwert
erheblich das Gehen im Freien
9
Sturm
75 – 88
Äste brechen von Bäumen, kleinere
Schäden an Häusern (Dachziegel oder
Rauchhauben abgehoben)
Windzone
Windgeschwindigkeit
vref (m / s)
Geschwindigkeitsdruck
qref (kN / m2)
10
schwerer
Sturm
89 – 102
Wind bricht Bäume, größere Schäden an
Häusern
1
22,5
0,32
2
25,0
0,39
11
orkanartiger
Sturm
103 – 117
Wind entwurzelt Bäume, verbreitet
Sturmschäden
3
27,5
0,47
Orkan
ab 118
schwere Verwüstungen
4
30,0
0,56
12
Tabelle 1
Bild 1
Tabelle 2
ort beispielsweise Windstärke 8. Dennoch
Befestigung aller Gebäudeteile an den ge-
kann es sein, dass örtlich begrenzt Böen
fährdeten Stellen abgehoben wird. Aber
mit weitaus höheren Windgeschwindigkei-
eine Garantie, dass keine Gebäudeschä-
ten auftreten (Der Wetterbericht spricht ja
den durch externe Windeinwirkung auftre-
immer davon: „… in Böen kann es auch zu
ten, gibt es nicht.
höheren Windgeschwindigkeiten kommen
…“). Außerdem wirken neben einem „stati-
• Häufige Schäden
schen“ Winddruck noch ganz andere Kräf-
Welche Schadenbilder sind am häufigsten
te auf das Gebäude ein, wie z. B. Sogkräfte
anzutreffen?
und Verwirbelungen an den Schnittkanten
der Gebäudegeometrie. Auf Windhosen
Naturgemäß sind es die Außenbauteile,
und Tornados soll hier gar nicht weiter ein-
die dem Sturm die meisten Angriffsmög-
gegangen sein, genauso wenig wie auf dy-
lichkeiten bieten (Bild 2). Abgedeckte Dä-
namische Belastungen (wenn Windböen in
cher, abgerissene Fassadenelemente, aus
nem Segelschiff: Je größer die Segelfläche,
bestimmten zeitlichen Abständen auftre-
der Verankerung gerissene Rollläden, Son-
umso größer sind die darauf einwirkenden
ten). Sie können ein Gebäude oder Gebäu-
nenschutzlamellen und Markisen, Vordä-
Kräfte.
deteile in Schwingung versetzen, im Ex-
cher sowie Schäden durch umstürzende
tremfall auch in Eigenschwingung bis hin
Bäume oder abgerissene Äste sind die üb-
Kleinflächige Bauteile wie Dachziegel stel-
zur Resonanzkatastrophe. Die in den USA
lichen Schadenbilder.
len gleichermaßen ein erhebliches Scha-
im Jahr 1940 eingestürzte Tacoma-Narrows-Brücke ist hierzu ein Beispiel.
Bild 2 | Orkanschaden
denpotenzial dar, wenn sie entgegen der
Allgemein gilt der Grundsatz: Je größer die
Schwerkraftwirkung durch Sogeinwirkung
Windangriffsfläche eines Bauteils ist, umso
aus ihrem Verband gelöst werden. Hat sich
Sicher wird auch diesen Kräften in den je-
mehr muss man sich Gedanken über des-
erst einmal ein Ziegel gelöst, hat der Wind
weiligen technischen Vorschriften Rech-
sen Verankerung / Befestigung machen. Ver-
weitere Angriffsmöglichkeiten, und so be-
nung getragen, indem auf eine besondere
anschaulichen kann sich dies jeder an ei-
ginnt eine Kettenreaktion. www.schadenprisma.de
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struktion gerissen; beim Vollwärmeschutz
den Kräfte über alle Zwischenbauteile in
versagt die Verklebung. Bei genauerem
die Fundamente abgeleitet werden. Natür-
Hinsehen ist häufig die Ursache in einer
lich gilt das für die Windkräfte in gleicher
mangelhaften Verankerung zu finden – sei
Weise! Bei späteren Erweiterungen oder
es aus handwerklichem Fehlverhalten oder
Ergänzungen des Gebäudes (z. B. nach-
mangelnder Bauunterhaltung.
trägliche Errichtung einer Solar-Anlage
oder Anbringen eines Vordachs) sind die
Bild 3 | Druck- und Sogkräfte am Satteldach
• Vordächer, Pergolen
Regeln der Technik genauso einzuhalten
Diese Bauteile sind besonders gefährdet,
wie beim Neubau. Der Verbindung mit der
weil sie dem Wind von allen Seiten An-
vorhandenen Bausubstanz gebührt beson-
griffsmöglichkeiten offenbaren. So addie-
deres Augenmerk.
• Dächer
ren sich die wirkenden Druck- und Sog-
Am Dach sind besonders die exponier-
kräfte. Eine dynamische Beanspruchung
Alle Bauteile unterliegen der Alterung und
ten Stellen gefährdet. Neben abgedeckten
durch aufeinanderfolgende Windböen tut
dem Zerfall. Deshalb ist auch die Bauunter-
Grat- und Ortgangziegeln werden Ziegel
das ihre, um die Konstruktion zum Versa-
haltung ein wichtiger Faktor für Schaden-
in der Fläche durch Sogwirkung aus
gen zu bringen.
freiheit. Regelmäßige Kontrolle der Bausubstanz und rechtzeitige Reparatur sind
dem Verband gelöst wie bereits beschrieben (Bild 3). Das Zusammentreffen ver-
• Auf Dächern
ein „Muss“ für jeden Gebäudeeigentümer.
schiedener Bauteile und -flächen wie
Alle Dach-Aufbauten wie Antennen, Sat.-
Für Dächer gehören z. B. die Überprüfung
beispielsweise Verwahrungen an Dach-
Schüssel, Solar- und Fotovoltaik-Anlagen
der Dacheindeckung und der Befesti-
durchdringungen und Gauben mit der
sind durch ihre exponierte Lage besonders
gungselemente in regelmäßigen Abstän-
Dachdeckung /-abdichtung stellen aufgrund
gefährdet. Ihrer Befestigung ist deshalb
den dazu.
der Befestigungs-/Anschluss-Problematik
besonderes Augenmerk zu schenken. Zu
ein Schadenpotenzial bei Windeinwirkung
beobachten sind abgeknickte und abgeris-
Vernachlässigte Bauunterhaltung ist eine
dar. Großflächige Dachdeckungen (Bleche,
sene Antennen und Solarmodule.
der Hauptursachen für Windschäden. Fehler in der planerischen oder fachgerechten
Wellfaserzementplatten, Trapezbleche) sind
aufgrund der auf sie wirkenden Kräfte (sie-
• Beschädigungen durch „Fremdkörper“
Ausführung fördern das Zustandekommen
he „Segelfläche“) einer besonders starken
Durch die Windkräfte werden „nicht ver-
von Schäden in erheblichem Maße. Des-
Beanspruchung ausgesetzt. Oftmals ver-
ankerte“ Gegenstände durch die Gegend
halb sollten bei allen Baumaßnahmen im-
sagt hier die gesamte Unterkonstruktion,
geschleudert und verursachen beim Auf-
mer qualifizierte Fachleute mit einbezogen
was häufig auch auf fehlerhafte Befesti-
treffen auf das Gebäude mitunter große
werden. Der „selbst gebastelte“ Carport,
gung / Verankerung zurückzuführen ist. Bei
Schäden. Gartenmöbel, Mülltonnen und
bei dem die Regeln der Technik hinsicht-
Flachdächern sind Schäden an der Attika-
Sonnenschirme seien beispielhaft genannt.
lich der Verankerung aller Bauteile nicht
Verkleidung feststellbar – also an Rand-
Wenn’s „noch dicker kommt“, tun umstür-
eingehalten werden, wird möglicherweise
und Eckbereichen, wo die wirkenden Kräf-
zende Bäume (Bild 4), Gerüste und Kräne
schon bei einer geringen Windbelastung
te bekannterweise am größten sind.
ein Weiteres.
versagen, weil er aufgrund seiner offenen
Bauweise den Windkräften besondere An-
• Fassade
griffsmöglichkeiten bietet, deren sich der
Nicht (vollständig) hochgezogene Rolllä-
Laie nicht bewusst ist.
den oder Sonnenschutzlamellen bieten
dem Wind einerseits eine große Angriffsflä-
Oftmals sind es Kleinigkeiten, die einen
che und andererseits kaum eine mechani-
Schaden verhindern oder vermindern. Die
sche Verankerung, um den Windkräften
Fenster schützen in der Regel besser vor
standzuhalten. Sind Türen und Fenster
Windkräften als Rollläden. Deshalb sollten
nicht geschlossen (z. B. gekipptes Fenster),
diese bei nahendem Sturm immer hoch-
hat der Wind leichtes Spiel: Sie werden
Bild 4 | Durch Sturm entwurzelter Baum
gezogen werden. Das gilt auch für die an
der Außenseite des Gebäudes angebrach-
aufgrund ihrer Beweglichkeit aus den Angeln gerissen. Dadurch hat der Wind die
• Präventionsmöglichkeiten
ten Sonnenschutzanlagen, Markisen und
Möglichkeit, ins Innere des Gebäudes zu
An oberster Stelle der Präventionsmaßnah-
Sonnenschirme. Im „eingefahrenen“ Zu-
gelangen. So ändern sich die Kräfteverhält-
men steht die fachgerechte Anwendung
stand bieten sie dem Wind kaum Angriffs-
nisse von Druck und Sog ins Gegenteil
der technischen Regeln. Das gilt sowohl für
möglichkeit. Fenster, Türen und Tore sind
oder verstärken sich gegenseitig. Außen-
die Bauplanung als auch für die Bauaus-
zu schließen, damit die Windkräfte nicht ins
wandverkleidungen aus Kunststoff, Holz
führung. Wie oben bereits ausgeführt
Gebäudeinnere gelangen. Alle frei bewegli-
und Blechen werden von ihrer Unterkon-
müssen alle auf das Gebäude einwirken-
chen, außerhalb des Hauses befindlichen
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Gegenstände sollten hineingeholt, gesi-
Starkregen: Nach einer Richtlinie des
nicht unerhebliche Wasseransammlungen
chert oder in einen anderen geschützten
DWD ist Starkregen im Bundesgebiet wie
auf Geländeoberflächen. Je nach den ört-
Bereich gebracht werden. Gartenmöbel,
folgt beschrieben:
lichen Gegebenheiten und der Geländeoberfläche ergeben sie gefährliche Was-
Mülltonnen, aufgehängte Vogelhäuschen,
seransammlungen.
Grills, Blumentöpfe und Ähnliches sollten
Niederschlag > 5 mm / 5 min
z. B. nicht als Spielball der Windkräfte ge-
Niederschlag > 7,1 mm / 10 min
schossartig durch die Gegend fliegen.
Niederschlag > 10 mm / 20 min
Herausragende Ereignisse wie das Oder-
Niederschlag > 17,1 mm / 60 min
Hochwasser 1997, das Elbe-Hochwasser
(2002), das Ausufern der Oos in Baden-
Zur Verhinderung von Schäden durch umstürzende Bäume oder abgerissene Äste
Beim DWD sind darüber hinaus weitere
Baden (1998) oder die Überschwemmung
empfehlen sich regelmäßige gärtnerische
Unwetterwarnkriterien für „heftigen
im Killertal (2008) sind den Lesern heute
Vorkehrungen. Auch dem „Gesundheitszu-
Starkregen“ festgelegt:
noch in Erinnerung.
stand“ des Baumes ist Aufmerksamkeit zu
Niederschlag > 25 mm / 1 Std.
widmen (Bild 5). Ein morscher Baum stürzt
Niederschlag > 35 mm / 6 Std.
schneller um. Verändert sich im Laufe der
(Quelle: Online Wetterlexikon DWD)
Zeit das Verhältnis „Baumgröße“ zu „Abstand vom Gebäude“ ungünstig, sollte die-
Überschwemmungen sind längst kein Phä-
ses wieder korrigiert werden. Im Extremfall
nomen mehr, das nur in den bekannten
ist eine Fällung ins Auge zu fassen.
geografischen Regionen, wie etwa an der
Mosel, am Rhein oder an der Donau, auftritt. Starkregen, teilweise mit einer bis vor
einigen Jahren kaum vorstellbaren Intensität, treten immer häufiger und an jeder
Stelle des Landes in Erscheinung.
• Häufige Schäden
Der Schwerkraft folgend fließt das Wasser
zuerst in Räume unterhalb der Geländeoberfläche. Die gesamte Bausubstanz
ist in Mitleidenschaft gezogen: Wände, Böden und Decken saugen sich voll und werden durchfeuchtet. Das Wasser dringt
durch die natürlichen Gebäudeöffnungen
wie Fenster oder Türen und „sucht“ sich
auch andere Wege (Bild 7).
In der Regel ist ein Großteil der Haustech-
Bild 5 | Foto: Bamberger
Vom 16. bis 18. Juli 2002 kam es z. B. im
nik im Untergeschoss untergebracht –
Harz und im gesamten Harzvorland zu
Stromverteiler, Hauptwasseranschluss, Hei-
Starkregen mit bis dato nicht beobachte-
zung, Öltanks. Durch das eindringende
ten Niederschlagsmengen: „Im Harz wurde
Wasser kommt es zu Kurzschlüssen. Eine
• Allgemeines
am Brocken innerhalb von 72 Stunden eine
Zerstörung der Heizungssteuerung und der
Definitionen im Sinne der üblichen Versi-
Niederschlagshöhe von 216 mm gemes-
gesamten Heizungsanlage kann die Folge
cherungsbedingungen sind folgende:
sen. … Ab Mittwoch, dem 17. Juli 2002,
sein (Bild 8). Befinden sich im Unterge-
war die Stadt Braunschweig über den Zeit-
schoss Hobbyräume, Einliegerwohnungen
Hochwasser ist eine die normale Höhe
raum von einer Woche vom Hochwasser
oder gar Arztpraxen schnellt die Schaden-
übersteigende Wasserführung eines flie-
betroffen. Auslöser war Starkregen mit
summe aufgrund der hohen Wertekonzen-
ßenden oder stehenden oberirdischen Ge-
Niederschlägen von über 100 Litern pro
tration rapide in die Höhe.
wässers infolge von Niederschlägen oder
Quadratmeter innerhalb von 24 Stunden.“
Schneeschmelze.
(Quelle: Bericht zum Hochwasser vom 16. bis
24. Juli 2002 in Braunschweig, AG Hochwasser,
FB 37, 61, 66 und 68)
Starkregen / Hochwasser /
Überschwemmung
Heizöl-Batterietanks aus Kunststoff bergen
das Risiko des Aufschwimmens in sich.
Der Kunststofftank stellt kein wirksames
Überschwemmung ist die Ansammlung
erheblicher Wassermengen auf Gelände-
Solche Ereignisse lassen Bäche und Flüs-
Gegengewicht zum Auftrieb dar, insbe-
oberflächen als unmittelbare Folge von
se anschwellen und über die Ufer treten
sondere wenn die Tanks nicht mehr ganz
Hochwasser, Niederschlägen oder Schnee-
(Bild 6). Aber auch fernab von Gewässern
gefüllt sind. Der gegen die Kellerdecke
schmelze.
verursachen solche Niederschlagsmengen
gedrückte Öltank erfährt Risse und Un- www.schadenprisma.de
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dichtigkeiten. Das Öl läuft aus und verteilt
tremfall zum Abbruch des Gebäudes. Auch
zu rechen ist, sollten gefährdete Gebäude-
sich im und mit dem Wasser überall hin.
Unterspülungen der Fundamente kann die
öffnungen wasserdicht ausgeführt werden.
Die daraus resultierenden Schäden sind
Kraftwirkung des Wassers hervorrufen.
Rohr- und Kabeldurchführungen durch
Wände und Decken sind abzuschotten.
immens. Denn selbst nachdem das Wasser
abgepumpt ist und eine Trocknung statt-
Die Sanierungsarbeiten nach Überschwem-
gefunden hat, können die Baumaterialien
mungsereignissen sind langwierig und be-
Haustechnik höher legen
immer noch Öl enthalten. Im „günstigsten“
dingen eine völlige Austrocknung der Ge-
Heizungs-, Klima-, und Elektrotechnik soll-
Fall führt das zu einer dauerhaften Ge-
bäudesubstanz. Erst dann ist an weitere
ten so hoch wie möglich installiert werden.
ruchsbelästigung. Außerdem besteht die
Wiederherstellungsarbeiten (Maler, Gipser,
Auch gefährdete Hausratgegenstände wie
Gefahr der Grundwasserkontamination.
Bodenleger etc.) zu denken.
Waschmaschinen, Kühltruhen und Ähnliches lassen sich bei drohender Überflutungsgefahr „aufbocken“.
Konstruktive und technische Maßnahmen im Untergeschoss
• Untergeschoss als weiße oder schwarze
Wanne (je nach Ausbaugrad) ausführen
• Wasserfeste Baustoffe verwenden
• Druckwasserdichte Bauteile einbauen
• Wanddurchbrüche für Hausanschlüsse
druckwasserdicht abschotten
• Bodendurchbrüche (Abläufe) vermeiden,
Bild 8 | Überfluteter Keller
Bild 9 | Zerstörungen durch Hochwasser
Pumpensumpf vorsehen
• Auftriebssicherheit von leichten
Meist wird mit dem Wasser auch Dreck
Neben den reinen Gebäudeschäden ist
Baukörpern / Einrichtungen und
und
ge-
auch der Hausrat mit betroffen, einschließ-
Hausratgegenständen beachten.
schwemmt, was die Sanierungsarbeiten
lich der damit einhergehenden immateriel-
Insbesondere Öltanks sollten gegen
erschwert und verlängert.
len Schäden – Fotos, Dokumente, Unterla-
Aufschwimmen gesichert werden. Da im
Erdreich
mit
ins
Gebäude
gen, Erinnerungsstücke sind nicht selten
Schadenfall erhebliche Kräfte auftreten
Nicht nur Oberflächenwasser macht dem
unrettbar verloren und durch keine Versi-
können, sollte für solche Maßnahmen
Untergeschoss zu schaffen. Wasserablei-
cherung ersetzbar.
immer ein Statiker zu Rate gezogen
tungen wie Duschen, WCs, Ausgussbe-
werden.
cken, Bodenabläufe können ihr Übriges
• Präventionsmöglichkeiten
tun. Sofern keine funktionierende Rück-
Von übergeordneten Maßnahmen der öf-
stausicherung vorhanden ist, wird das
fentlichen Hand soll im Folgenden nicht die
über Hochwasserspiegel montieren
Wasser und was sich sonst noch in der Ka-
Rede sein. Dazu zählen z. B. die Auswei-
• Haustechnikräume abschotten oder
nalisation befindet, auf diesem Wege ins
sung von Retentionsbecken, der Bau von
Gebäude transportiert.
Regenrückhaltebecken, Ertüchtigungen von
Deichen und Dämmen, Dimensionierung
Neben den Schäden durch eindringendes
des Kanalisationsnetzes oder Ausweisung
Wasser sind direkte Kraftwirkungen durch
von Bebauungsflächen unter Berücksichti-
schnell fließende Gewässer gegeben. Die
gung der Überschwemmungsgefahr.
dadurch auftretenden mechanischen Kräf-
• Elektroinstallation mit FehlerstromSchutzschalter absichern, E-Verteiler
sicher über möglichen Hochwasserspiegel planen
• Lüftungsöffnungen / Lichtschächte
verschließbar planen
• Ebenerdige Gebäudezugänge vermeiden – Schwelle wenigstens 15 cm hoch
– auch auf Balkonen oder Terrassen
te werden einerseits durch den reinen
Vielmehr soll der individuelle Objektschutz
Wasserdruck und die Strömungsgeschwin-
im Mittelpunkt stehen, den jeder für sein
digkeit hervorgerufen. Andererseits kommt
Haus und Anwesen berücksichtigen kann.
oder Lichtschächten (Bild 10, 11, 12)
die Aufprallwirkung mitgeführten Schwemmguts wie Bäume, Äste, Mülltonnen, Autos
Geländegefälle weg vom Gebäude
zum Tragen – also alles, was das Wasser
Mit dieser Grundregel wird der Wasserzu-
auf seinem Weg mitreißen kann. Diese
tritt zum Gebäude zumindest erschwert.
Kraftwirkungen verursachen Schäden an
Wo aufgrund der Geländeformation oder
der Gebäudehülle und an tragenden Bau-
der Bauweise diese Grundregel nicht um-
teilen (Bild 9). Ist zudem die Statik betrof-
gesetzt werden kann oder wegen der Lage
fen, wird es richtig teuer und führt im Ex-
des Gebäudes mit Wasseransammlungen
Bild 10 | Schutz von Kellerfenstern durch Ummauerung
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Abschottung von gefährdeten Gebäu-
stoffrollläden, Kunststoffdachrinnen ge-
deöffnungen / Gebäudeteilen
nannt. Aber auch massivere Bauteile wie
• Stationäre Schutzmaßnahmen (fest
Fassadenverkleidungen, Holzrahmen von
eingebaute Systeme, die automatisch
Fenstern und dergleichen werden mitunter
oder manuell geschlossen werden)
von den Hagelkörnern geradezu „gesand-
• Mobile bzw. transportable Schutzmaß-
strahlt“ (Bild 15 bis 17).
nahmen, z. B. Balkenschotts (Bild 13)
Bild 11 | Bauliche Schutzmaßnahme: Schwelle
von 15 cm vor Tür- und Fensteröffnungen
• Häufige Schäden
Vorhalten von Pumpen, Sandsäcken etc.
Neben Schäden durch die mechanische
Für den Notfall sind Pumpen oder Sandsä-
Einwirkung der Hagelkörner auf die einzel-
cke vorzuhalten.
nen Bauteile sind auch die mitunter auftretenden Folgeschäden anzuführen.
Hagel
Bei Schäden an Dachdeckungen und
• Allgemeines
Dachabdichtungen kommt es in der Folge
Nach den üblichen Versicherungsbedin-
zu Wassereinbrüchen ins Gebäude mit den
gungen ist Hagel ein fester atmosphäri-
Schadenbildern, wie sie auch bei Über-
scher Niederschlag in Form von Eiskörnern.
schwemmungen zu beobachten sind.
Bild 14 | Hühnereigroße Hagelkörner
Bild 16 | Beschädigte Doppelstegplatten einer Pergola
Bild 12 | Bauliche Schutzmaßnahme: Schwelle
von 15 cm bei Lichtschächten
Spezielle Entwässerungstechnik
• Rückstausicherungen einbauen. In den
Abwassersatzungen der Kommunen ist
in der Regel gefordert: Wasserabläufe
unterhalb der Rückstauebene sind
durch Rückstausysteme zu schützen.
Wie alle technischen Vorrichtungen sind
diese regelmäßig, wenigstens einmal im
Jahr, zu warten und auf ihre Funktionstüchtigkeit zu prüfen.
• Stationäre Pumpen für Untergeschossräume, automatisch gesteuert
• Versickerungsmöglichkeit für Oberflächenwasser in Außenanlagen einplanen
Schutzmaßnahmen für Außenanlagen
Ummauerung des Freigeländes: Ist ein ge-
Bild 15 | Beschädigter Rollladen
samtes Grundstück überschwemmungsgefährdet, kann eine umlaufende Mauer
Hagelereignisse treten für gewöhnlich kurz-
mehr Sicherheit geben. Zugangsöffnungen
fristig auf, sind örtlich (mitunter scharf) be-
sind im Notfall mit mobilen Schotts zu ver-
grenzt und meist nur von kurzer Dauer.
sehen.
Trotzdem bergen sie immer wieder ein großes Schadenpotenzial. Neben der Hagelkorngröße (Bild 14) und der Windstärke
Bild 17 | Bitumenwellplatten durchsiebt
spielt die Empfindlichkeit der verwendeten
Bild 13 | Schutz von tief liegendem Hauseingang
(Schienen als Führung und Halterung für mobile
Hochwasserbalken). Foto 13 – 17: Bamberger
Baumaterialien und Bauteile eine wesentli-
Durch Hagelkörner verstopfte Wasserab-
che Rolle. Gebäudehüllen mit verputzten
läufe auf den Dächern führen dazu, dass
Außendämmungen, vorgehängten Fassa-
das Wasser bestimmungswidrig über die
den sowie Baustoffe aus Kunststoff sind nun
Fassade abläuft. Möglicherweise bahnt es
einmal empfindlich gegen äußere mechani-
sich seinen Weg hinter Fassadenelemente.
sche Einwirkungen. Beispielhaft seien hier
Bei Flachdächern kann es durch den be-
Balkonüberdachungen, Pergolen, Kunst-
hinderten Wasserablauf zum Aufstau www.schadenprisma.de
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des Wassers kommen. Dadurch kann die
Um sich dem Thema zu nähern, muss be-
Tragfähigkeit soweit beeinträchtigt wer-
kannt sein, dass Schnee nicht gleich Schnee
den, dass es zur Überlastung und schließ-
ist. Ein Meter „trockener“ Pulverschnee lie-
lich zum Einsturz der Dachkonstruktion
fert ganz andere Gewichte als ein Meter
kommt. (10 cm Wasserhöhe ergibt schon
feuchter / nasser Pappschnee.
eine B elastung von 1 kN / qm.)
Das Gewicht des Schnees ist abhängig von
Hagelkörner können auch die Wasserab-
seiner Dichte. So wiegen beispielsweise 10 cm
läufe der öffentlichen Kanalisation und der
Pulverschnee rund 0,1 kN / qm, die gleiche
Hausentwässerung verstopfen. Dadurch
Schneehöhe Pappschnee bis zu 0,4 kN / qm.
sind Überschwemmungen auf dem betrof-
Das Gewicht von 10 cm Eisdicke beträgt
fenen Grundstück und am / im Gebäude
etwa 0,9 kN / qm. Getauter Schnee (also
vorzufinden. Die möglichen Folgen sind
Wasser) mit einer Wasserhöhe von 10 cm
bei den Hochwasser- / Überschwemmungs-
schlägt mit 1,0 kN / qm zu Buche.
schäden beschrieben.
4,0
• Präventionsmöglichkeiten
Präventionsmöglichkeiten sind bei Hagelschäden nur begrenzt vorhanden. Hagelkörner in Tauben- oder Hühnereigröße
entfalten eine sehr große mechanische
Wirkung. Sogar konventionelle Baumate-
3,5
Schneelast Sk (kN / m2)
38
Zone 3
Zone 2a
Zone 2
Zone 1a
Zone 1
3,0
2,5
2,0
1,5
1,0
rialien wie Wellfaserzementplatten, Ziegel
0,5
(Bild 18) und Blechdächer können in Mit-
0,0
0
leidenschaft gezogen und
100
200
zerschlagen werden.
300
400
Höhe über Meeresniveau (m)
500
600
700
Grafik 1 | Zu berücksichtigende Schneelast in Abhängigkeit der Höhe ü. NN.
Bezüglich der Kunststoffrollläden ist das Gleiche zu
Spätestens seit dem Einsturz der Eislauf-
Wenn wir wissen wollen, wie hoch die
sagen wie bei den Sturmpräventionsmög-
halle in Bad Reichenhall 2006 ist diese Art
Schneelast auf einem Dach ist, müssen wir
lichkeiten: Bei herannahenden Unwettern
der Wirkung des Schnees in die Aufmerk-
die Schneehöhe und die Dichte des
sind die Rollläden nicht herunterzulassen,
samkeit der Öffentlichkeit gerückt.
Schnees kennen. Oder man nimmt prakti-
sondern hochzuziehen. Die Verglasung des
scherweise eine Messung vor, indem man
Fensters bietet in der Regel einen besseren
Bei den Ausführungen zu den Sturmschä-
die Schneehöhe misst und den Schnee
Widerstand gegen „normalen“ Hagelschlag
den war es bereits beschrieben. Auch für
wiegt.
als das Kunststoffmaterial des Rollladens.
die Schneelast gilt: Die auf ein Gebäude
einwirkenden Kräfte müssen sicher über
Welche Kräfte wirken nun auf ein
Aufgrund ihrer Lage am Gebäude gelten
alle Zwischenbauteile in die Fundamente
Gebäude oder dessen Bauteile?
manche Bauteile als besonders exponiert.
abgeleitet werden. Schnee erzeugt eben-
Auf einem Flachdach wirkt das Gewicht
Mit deren Versagen sind große Folgeschä-
so Kräfte auf ein Gebäude. Damit der Stati-
des Schnees senkrecht zur Dachfläche –
den zu erwarten, z. B. durch Wasserein-
ker die Kräfte aus Schneeeinwirkung be-
ganz normal wie auf dem Gelände auch.
bruch (Lichtkuppeln, Lichtbänder etc.). Bei
rücksichtigen kann, ist Deutschland in
Steigt das Gewicht des Schnees immer
derartigen Bauteilen sollte man sich unter
Schneelastzonen eingeteilt (Bild 19). Aber
weiter an, ist irgendwann einmal die Be-
fachmännischer Beratung für Materialien
welcher Schneehöhe entspricht der vom
messungsschneelast erreicht und bei wei-
einer definierten Hagelwiderstandsklasse
Statiker angesetzten „Bemessungsschnee-
terer Schneeanhäufung überschritten. Sind
entscheiden.
last“?
dann die Sicherheitsreserven der Bauteile
Schneedruck
• Allgemeines
Im Sinne der üblichen Versicherungsbedingungen ist Schneedruck die Wirkung des
Gewichts von Schnee oder Eismassen.
Grafik 2 | Lastwirkungen auf ein schräges Dach
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ELEMENTARSCHÄDEN
4 2012
(Sparren, Binder, Verbindungsmittel etc.)
aufgebraucht, kommt es zum Versagen der
Konstruktion – also zum Einsturz.
Bei einem Dach mit schrägen Dachflächen
ist zum Verständnis der wirkenden Kräfte
eine andere Betrachtung durchzuführen
(Grafik 2). Die durch die Schneelast (Bild
20) entstehenden Kräfte kann man in zwei
Komponenten aufteilen: eine Komponente
wirkt senkrecht auf die Dachfläche (wie
beim Flachdach), die andere Komponente
parallel zur Dachfläche. Diese parallele
Komponente ist dafür verantwortlich, dass
der Schnee „abrutschen“ möchte, wenn
die Reibung zwischen Schnee und Dachfläche hinreichend klein wird. Und das wird
sie – insbesondere in dem Wechsel von
Bild 20 | Schneelast auf einer Gartenhütte. Foto: Kay
Tau- und Gefrierphasen. Somit sind bei
schrägen
Dachflächen
zwei
mögliche
Schadenszenarien festzustellen: Die Konstruktion kann einerseits durch Überlast
wie beim Flachdach versagen. Andererseits können Schäden durch den abrutschenden Schnee entstehen, was gewöhnlich als „Dachlawine“ bezeichnet wird.
• Häufige Schäden
Erreicht die Schneelast durch Schneefall
oder Schneeverwehung in Abhängigkeit
der Schneedichte einen kritischen Wert,
brechen die tragenden Bauteile. Dächer
stürzen ganz oder teilweise ein. Das kann
eine Kettenreaktion auf andere tragende
Bauteile nach sich ziehen. Der Schnee gelangt dadurch ins Gebäude und verursacht
dort weitere (Feuchte-)Schäden. Bei ansteigenden Temperaturen kommt es durch
den tauenden Schnee dann zu Wasserschäden, die sich möglicherweise durch
mehrere Stockwerke ziehen, wie es auch
bei Leitungswasserschäden zu beobachten ist. Bild 23 | Schneefangbalken verhindern ein Abrutschen
des Schnees („Dachlawinen“). Foto: Bamberger
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40
4 2012
E
ELEMENTARSCHÄDEN
Neben dieser Wirkung des Schnees ist
Komponente durch den Aufprall hinzu, wo-
bei schrägen Dächern die bereits be-
mit sich die Kraftwirkung auf diese Bauteile
schriebene
vervielfacht.
parallele
Kraft-Komponente
des Schnees zu untersuchen. Im Laufe der
Zeit verlagern sich die Schneemassen
• Präventionsmöglichkeit
langsam Richtung Traufe und häufen sich
Die Ursache der Schäden ist in einer zu
dort an, möglicherweise noch „gehalten“
großen Menge Schnee zu suchen. Die ein-
durch die Dachrinne. Durch Tau- und
fachste Präventionsmöglichkeit wäre, grö-
Frostphasen bilden sich zusätzlich Eis-
ßere Schneeansammlungen zu vermeiden,
zapfen (Bild 21, 22) und belasten hier – im
also Dächer frühzeitig vom Schnee zu räu-
wahrsten Sinne des Wortes – die Dachrin-
men. Hierbei muss jeder mit einer gehöri-
ne weiter. Sie kann sich verformen oder im
gen Portion Vorsicht vorgehen. Denn es
schlimmsten Fall auch abreißen. Rutschen
wäre nicht das erste Mal, dass der wohlge-
größere „Schneebretter“ über die Traufe
meinte Versuch Anliegen der Schneeräu-
hinweg als Dachlawine auf andere Gebäu-
mung vom Dach in einer Tragödie endet.
unmittelbar auf den Boden verbracht, son-
deteile (z. B. Vordächer, Pergolen), sind die
Abgestürzte oder eingebrochene Personen
dern auf dem Dach erst mal von einem Be-
Schäden dort vorprogrammiert. Neben der
hat es immer wieder gegeben. Bei der Art
reich in einen anderen „umgeschichtet“,
Kraftwirkung aus dem ruhenden Schnee-
der Räumung muss jeder ebenfalls Vor-
kann es dort zu einer Überlastung kom-
gewicht kommt jetzt noch die dynamische
sicht walten lassen: Wird der Schnee nicht
men. Darüber hinaus ist das Dach jetzt
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Bild 25 | WIND-Unwetterwarnung per SMS
ELEMENTARSCHÄDEN
Warnstufen /
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Orange
Rot
Violett
Gefahren
Gefahr von Sturm
Gefahr von
Gefahr von Orkan
ausgesetzt, sondern einer ungleichmäßi-
mit Spitzen
schwerem Sturm
mit Spitzen
gen, was die Tragfähigkeit des Daches
größer /gleich
mit Spitzen
größer / gleich
negativ beeinflussen kann.
75 km / h
größer / gleich
130 km / h
nicht mehr einer gleichmäßigen Belastung
Sturm
100 km / h
Ein weiterer potenzieller Schadenfaktor
Gewitter
bei schrägen Dächern ist der abrutschende
Schnee.
Präventiv
bedeutet
das,
den
Gefahr von
Gefahr von
Gefahr von sehr
Gewitter mit
schwerem Gewitter
schwerem Gewitter
Starkregen
verbunden mit
verbunden mit
Starkregen und
intensivem
Hagel
Starkregen und
Schnee am Abrutschen zu hindern. Schneefanggitter, Schneefangbohlen, Schneestopper sind hier die Stichworte (Bild 23, 24).
schwerem Hagel
Der Schnee wird auf dem Dach gehalten,
wodurch ein langsames Abtauen möglich
Starkregen
wird, ohne dass es zu Schäden kommt.
Fazit
Gefahr von
Gefahr von
Gefahr von sehr
Starkregen
intensivem Stark-
schwerem Stark-
(20 - 50 mm in
regen (49 / 80 mm
regen (50 / 100 mm
6 / 24 h)
in 6 / 24 h)
in 6 / 24 h)
Gefahren von
Gefahr von
Gefahr von sehr
Der Artikel zeigt beispielhaft, wie Naturer-
Neuschnee
ergiebigem Neu-
ergiebigem Neu-
eignisse auf Bauwerke und deren Bauteile
(5 / 15 cm in
schnee (10 / 25 cm
schnee (20 / 35 cm
einwirken können sowie die daraus resul-
6 / 24 h)
in 6 / 24 h)
in 6 / 24 h)
Gefahr von
Gefahr von
Gefahr von starkem
leichtem Eisregen
Eisregen
Eisregen
Schnee
tierenden möglichen Folgen.
Eisregen
In der Regel werden die Auswirkungen solcher Naturereignisse auf Bauwerke bei der
Bodenfrost*
Gefahr von
Planung und Errichtung im Rahmen der
Bodenfrost
technischen Vorschriften berücksichtigt.
kleiner / gleich 0° C
Insofern ist bei „regelgerechter“ Planung
Extremfrost*
Gefahr von
und Ausführung ein gewisser Schutz vor
extremen Frost
den Auswirkungen solcher Ereignisse ge-
kleiner / gleich
geben. Zugrunde gelegt werden dabei
–15° C für Ihre
Wetterereignisse, die im Bereich der Sta-
Umgebung
tistik innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens als „wahrscheinlich“ angesehen wer-
Tabelle 3 | Erklärung zu den WIND-Warnstufen
den. Problematisch wird es allerdings,
wenn die Kräfte der Natur wesentlich grö-
Aus diesen Überlegungen heraus wurde
noch Restrisiken. Immer häufiger hören wir
ßer werden als ursprünglich angenommen.
das (Un)wetterwarnsystem WIND (Weather
von Jahrhundertereignissen bisher nicht
Information on Demand) von den öffent-
bekannten Ausmaßes, für die die bislang
Der Artikel zeigt auch Präventionsmöglich-
lich-rechtlichen Versicherern ins Leben
getroffenen Überlegungen für Schutzmaß-
keiten für gefährdete Gebäude auf. Unab-
gerufen (Bild 25 und Tabelle 3). In Zusam-
nahmen nicht mehr ausreichen. Die Ex-
hängig von den „geplanten“ Maßnahmen
menarbeit mit dem Fraunhofer-Institut
tremwetterereignisse der letzten Jahre ha-
zum Schutz von Gebäuden vor Unwettern
(ISST) und der Firma meteomedia wurden
ben uns das immer wieder drastisch vor
kann man bei nahenden „Unwettern“ auch
die technischen Grundlagen entwickelt, mit
Augen geführt.
kurzfristige temporäre Schutzmaßnahmen
deren Hilfe vor herannahenden „(Un-)Wet-
ergreifen, sofern man die Zeit hat, sich auf
terereignissen“ per E-Mail, Fax oder SMS
Mit dieser Erkenntnis ist die Entscheidung
das Ereignis einzustellen. Hier sei nur der
schon im Vorfeld gewarnt wird. Damit ist
für den Abschluss einer Elementarscha-
Begriff der „Vorwarnzeit“ genannt. So kann
Zeit gewonnen, um Schutz- und Siche-
denversicherung, die die jeweils getroffe-
man z. B. bei nahendem Starkregen oder
rungsmaßnahmen rechtzeitig einzuleiten
nen örtlichen Schutzmaßnahmen ergänzt,
bei Kenntnis eines nahenden Hochwassers
und damit die Gefahr von (Gebäude-)Schä-
sicher nicht falsch. Damit lassen sich
Schutz- und Sicherungsmaßnahmen für
den zu minimieren.
wenigstens die finanziellen Folgen eines
Schadenereignisses abfedern. Gebäude und Inventar einleiten. Wichtig ist
dabei nur, dass man „frühzeitig“ davon
Doch machen wir uns nichts vor: Selbst
Kenntnis bekommt.
wenn man alle (wirtschaftlich) sinnvollen
Schutzmaßnahmen ergreift, bleiben immer
Wolfgang Kayser
SV Sparkassenversicherung
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