Corporate Citizenship – Begriffsklärung, Fallbeispiele und Bestimmung des Neuheitsgrades Diplomarbeit Zur Erlangung des Grades Diplom-Betriebswirt (FH) an der Fachhochschule Erfurt Fachbereich Wirtschaftswissenschaft Studiengang Betriebswirtschaft vorgelegt von: Markus Herold Matrikel-Nummer: 810 60 834 Anschrift: Schlüterstraße 3 a 99089 Erfurt Erstgutachter: Prof. Dr. Schwarz Zweitgutachter: Prof. Dr. Drees Termin der Abgabe: 21. März 2005 Inhaltsverzeichnis I Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1 2 Ethik in der Unternehmensführung 2 2.1 Ethik, Wirtschaftsethik und Unternehmensethik...............................2 2.1.1 Ethik und Wirtschaftsethik.....................................................3 2.1.2 Unternehmensethik ...............................................................4 2.2 Notwendigkeit von Ethik in der Unternehmensführung ............................................................................................7 3 Herleitung des Begriffs Corporate Citizenship 9 3.1 Bürgerschaftliches Engagement ......................................................9 3.1.1 Formen des bürgerschaftlichen Engagement .....................10 3.1.2 Unternehmung als Bürger ...................................................12 3.1.3 Bedeutung des Bürgerstatus für das Unternehmen ......................................................................14 3.2 Begriffsklärung Corporate Citizenship ...........................................16 3.2.1 Philanthropie als Ansatz für gesellschaftliches Engagement........................................................................17 3.2.2 Corporate Citizenship nach Westebbe/Logan.....................21 3.2.3 Corporate Citizenship nach Logan......................................25 3.2.4 Corporate Citizenship nach Habisch ...................................25 3.3 Abgrenzung zu Corporate Social Responsibility ............................27 3.3.1 Corporate Social Responsibility ..........................................28 3.3.2 Unterschiede der Konzepte.................................................29 3.4 Corporate Citizenship in der Kontroverse ......................................31 Inhaltsverzeichnis 4 Instrumente von Corporate Citizenship II 33 4.1 Corporate Giving............................................................................34 4.1.1 Spendenwesen ...................................................................34 4.1.2 Unternehmensstiftungen .....................................................35 4.1.3 Sponsoring..........................................................................36 4.2 Corporate Volunteering..................................................................40 4.2.1 Secondment-Programme ....................................................42 4.2.2 Ehrenamtliche Tätigkeit des Unternehmens .......................45 4.3 Systematisierung der Maßnahmen ................................................45 4.4 Ziele von Corporate Citizenship.....................................................47 4.4.1 Öffentlichkeitsbezogene Ziele .............................................48 4.4.2 Personalpolitische Ziele ......................................................49 4.4.3 Absatzpolitische Ziele .........................................................50 5 Fallbeispiele 52 5.1 „betapharm“ ...................................................................................52 5.1.1 Projektbeschreibung ...........................................................53 5.1.2 Umsetzung..........................................................................53 5.1.3 Ziele ....................................................................................55 5.2 British American Tobacco ..............................................................58 5.2.1 Projektbeschreibung ...........................................................58 5.2.2 Umsetzung..........................................................................60 5.2.3 Ziele ....................................................................................64 6 Bestimmung des Neuheitsgrades 65 6.1 Unternehmensführung als evolutionäres System ..........................65 6.1.1 Moden in der Unternehmensführung ..................................67 6.1.2 Aktualität von Corporate Citizenship ...................................68 Inhaltsverzeichnis III 6.2 Corporate Citizenship als Managementmethode ...........................71 6.2.1 Bestimmungsort des Unternehmens ...................................71 6.2.2 Corporate Citizenship als Ausdruck der Unternehmensethik .............................................................76 6.2.3 Corporate Citizenship als Investition ...................................79 7 Schlussbetrachtung 81 8 Anhang 84 Literaturverzeichnis VI Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis AvD Automobilclub von Deutschland BAT British American Tobacco BDA Bundesverband der Deutschen Arbeitgebeverbände BDI Bundesverband der Deutschen Industrie CC Corporate Citizenship CEO Chief Executive Officer CSR Corporate Social Responsibility CSU Christlich Soziale Union DIHT Deutscher Industrie- und Handelskammertag DPM Der Pharmazeutische Markt e.V. eingetragener Verein IfM Institut für Mittelstandsforschung IMS Interkontinental Marketing Service NGO Non-Governmental Organization SGB V Krankenversicherungsrecht SPD Sozialdemokratische Partei Deutschland UWG Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Verf. Verfasser WWF World Wide Fund for Nature IV Abbildungsverzeichnis V Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Win-Win-Situation ..........................................................20 Abbildung 2: Instrumente Corporate Citizenship ................................33 Abbildung 3: Ehrenamt als Modell ......................................................41 Abbildung 4: Aktivitäten-Raum ...........................................................47 Abbildung 5: Umsatz „betapharm“ ......................................................57 Abbildung 6: Kartierung Stakeholder BAT ..............................61 und 84 Abbildung 7: Modell der Unternehmensumwelt ..................................72 Abbildung 8: Corporate Image............................................................76 Abbildung 9: Corporate Citizenship als Investition..............................80 Corporate Citizenship 1 1 Einleitung Heute wird soziales Engagement von Unternehmen häufig mit Corporate Citizenship gleichgesetzt. Die Frage ist, was sich tatsächlich hinter diesem Begriff verbirgt. Welche Bedingungen müssen von den Unternehmen tatsächlich erfüllt werden, damit ihr Engagement in der Gesellschaft auch als Corporate Citizenship bezeichnet werden kann? Aus diesem Grund wird in der aktuellen Literatur nach einem grundlegenden Fundament zur Beschreibung von Corporate Citizenship gesucht. Als Ausgangspunkt für eine Einordnung des Begriffs Corporate Citizenship in die schon existierende Begriffswelt von sozialen Engagements der Unternehmen wird die Unternehmensethik herangezogen. Es soll untersucht werden, in wie weit ethische Aspekte eine notwendige Bedingung für die Begründung von Corporate Citizenship sind. Dafür werden die grundsätzlichen Aspekte der Unternehmensethik dargestellt. Die ethischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkte von Corporate Citizenship finden sich in dem Modell der Unternehmensethik von Homann wieder. Corporate Citizenship beinhaltet den Begriff des bürgerschaftlichen Engagements. Es soll gezeigt werden, was darunter zu verstehen ist und wie der Bürgerstatus auf eine Organisation anzuwenden ist. Im weiteren erfolgt eine Begriffsklärung. Dabei wird zunächst auf die Philanthropie eingegangen, die als Ursprung sozialer Verantwortung angesehen werden kann. Aus diesem Grund wird die Philanthropie als Basis für einen Vergleich mit Corporate Citizenship und Corporate Social Responsibility verwendet. Es werden die Unterschiede der einzelnen Modelle herausgearbeitet und Abgrenzungen vorgenommen. Dabei liegt der Schwerpunkt auf Corporate Citizenship, wobei insbesondere auf die Modelle von Westebbe, Logan und Habisch eingegangen wird. Corporate Citizenship 2 Um den Unterschied zwischen Corporate Citizenship und den klassischen sozialen Engagements hervorzuheben, werden die Instrumente und Ziele von Corporate Citizenship dargestellt. Des weiteren wird herausgearbeitet, dass es sich bei Corporate Citizenship um ein komplexes Instrument handelt, das den Charakter einer Managementmethode aufweist. Anhand von zwei detaillierten Praxisbeispielen kann gezeigt werden, dass mit Corporate Citizenship nicht nur soziales Engagement betrieben wird, sondern auch gezielt Wettbewerbsvorteile erlangt werden. Die Beispiele unterscheiden sich aber in der Art ihrer Herangehensweise. Schließlich wird noch eine Bestimmung des Neuheitsgrades vorgenommen. Dabei bietet es sich zunächst an zu hinterfragen, wie überhaupt neue Managementmethoden entstehen und den Weg in die Betriebswirtschaft finden. Mit verschiedenen Kriterien soll die Aktualität von Corporate Citizenship geklärt werden. Darüber hinaus soll durch das Zusammenwirken verschiedener betriebswirtschaftlicher Instrumente gezeigt werden, dass es sich bei Corporate Citizenship um eine Managementmethode handelt. 2 Ethik in der Unternehmensführung 2.1 Ethik, Wirtschaftsethik und Unternehmensethik Die grundsätzliche Wirtschaftssystem Frage und in nach der der Rolle von Ethik Unternehmensführung in wird einem in der wissenschaftlichen Literatur seit Generationen diskutiert. Selbst namhafte Autoren, die sich als Ziel gesetzt haben, eine Einführung in die Unternehmensethik zu geben, wie z. B. Steinmann oder Kreikebaum, kommen nicht umhin, diese Fragestellung anzureißen. Im Folgenden soll kurz auf die wissenschaftliche Kontroverse eingegangen werden. Nachfolgend ist zu klären, welche Gründe für eine ethische Sichtweise in der Corporate Citizenship 3 Unternehmensführung sprechen. Zunächst muss hierfür der Begriff Ethik und insbesondere Unternehmensethik erklärt werden. 2.1.1 Ethik und Wirtschaftsethik Ethik leitet sich aus dem griechischen Ethos (Herkommen, Sitte, Gewohnheit) ab und ist die wissenschaftliche Lehre von allem Sittlichen.1 Die Grundfragen der Ethik zielen auf das Gute und dienen als Richtschnur für vernünftiges Handeln. Die Ethik versucht die menschliche Lebensführung theoretisch zu durchleuchten und das Handeln eines Subjektes zu hinterfragen.2 Es werden die Verhaltensweisen betrachtet, durch die Moral zum Ausdruck kommt. Die Moral umfasst die grundlegenden Verhaltensweisen, Einstellungen und Überzeugungen eines Kulturkreises und bezieht sich dabei auf das praktische Handeln im Leben eines Einzelnen oder der gesamten Gesellschaft.3 Nach Morscher resultiert daraus, dass „Ethik jede kritisch-rationale Auseinandersetzung bzw. theoretische Beschäftigung mit Moral“4 ist. Moral ist demnach der Gegenstand der Ethik. Berkels Definition ist mit Morschers fast deckungsgleich und hebt die zwei Ebenen Ethik und Moral hervor. Er bezeichnet Ethik als methodische Besinnung und die philosophische Reflexion über die geltende Moral. So fordert die Moral ein bestimmtes Verhalten, während die Ethik hinterfragt, worauf sich diese moralischen Forderungen begründen.5 Die Unterscheidung zwischen Wirtschafts- und Unternehmensethik spiegelt die Aufteilung der Wirtschaftswissenschaften wider. Auf der Makroebene stellt die Wirtschaftsethik die Frage nach dem gerechten Wirtschaftssystem. Dabei steht die Anwendung moralischer Maßstäbe in der Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik im Vordergrund. Die Wirtschaftsethik stellt ethische 1 Vgl. Kreikebaum, 1996, S. 9 Vgl. Hesse, 1989, S. 35 3 Vgl. Morscher, 2004, S. 9 4 Morscher, 2004, S. 9 5 Vgl. Berkel/Herzog, 1997, S. 43 2 Corporate Citizenship 4 Rahmenbedingungen, in denen sie begründete Normen für ein gutes Wirtschaften definiert. Im Zentrum der Betrachtung stehen alle wirtschaftlichen Akteure, repräsentiert durch staatliche Instanzen und private Institutionen.6 Vor diesem Hintergrund untersucht die Wirtschaftsethik gesamtwirtschaftliche Handlungsweisen im Hinblick auf ihre moralischen Konsequenzen. 2.1.2 Unternehmensethik Die Unternehmensethik ist ein Untergebiet der Wirtschaftsethik. Sie stellt sich als eine wissenschaftliche Lehre von denjenigen idealen Normen dar, die in der Marktwirtschaft zu einem friedensstiftenden Gebrauch der unternehmerischen Handlungsfreiheit anleiten sollen. Die Unternehmensethik beschreibt das Verhalten von Unternehmen, wobei sie Werturteile der Unternehmensmitglieder und deren Umsetzung in die Unternehmenspraxis untersucht.7 Die Adressaten von moralischen Erwartungen sind hier die Unternehmung und ihre Entscheidungsträger in Form von Unternehmern, CEO, Geschäftsführern und Managern. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Unternehmensethik verschiedene Handlungsfelder hat. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Mikro- und Mesoebene. Auf der Mikroebene wird das wirtschaftliche Verhalten des handelnden Individuums betrachtet. Die Führungsethik ist hier einzuordnen, wenn im Mittelpunkt das verantwortliche Verhalten von Führungskräften steht.8 Dabei kann es sich einerseits um das Außenverhältnis (z.B. Verhalten gegenüber einem Zulieferer) oder um das Innenverhältnis handeln, insbesondere das Verhalten gegenüber Untergebenen. Auf der Mesoebene wird die Unternehmung als Ganzes betrachtet, man spricht auch deshalb von Organisationsethik. Dabei geht man über den Rahmen der Summe aller Einzelentscheidungen hinaus und legt den Fokus auf „das Selbstbild und das 6 Homan/Blome-Drees, 1992, S. 14 Vgl. Kreikebaum, 1996, S. 21 8 Vgl. Richter, 1997, S. 12 7 Corporate Citizenship Eigenverständnis 5 eines Unternehmens von selbst.“9 sich Die Unternehmenskultur mit ihren Kodizes ist hier einzuordnen. Hieraus entwickelt die Unternehmensführung ihr Verständnis für ihre Umwelt und ihrer Rolle in der Gesellschaft. Definiert man den Begriff Unternehmenskultur als „die Gesamtheit von Normen, Wertvorstellung und Denkhaltung, die das Verhalten der Mitarbeiter aller Stufen und somit das Erscheinungsbild eines Unternehmens prägen“10, ergeben sich Parallelen zur Unternehmensethik. Ihre Berührungspunkte liegen in den Werten und Normen, die in der Unternehmenskultur festgelegt und gelebt werden. Die Unternehmensethik dagegen stellt sich die Frage, ob die gelebten Werte und Normen gerechtfertigt sind. Durch diese Frage wird das Verhältnis von Moral und Gewinn in der Unternehmensführung thematisiert. Wie später aufgezeigt werden kann, stellt die Unternehmenskultur eine Schnittstelle zu Corporate Citizenship dar. Mit gesellschaftlichen Corporate Rolle Citizenship aufgegriffen, wird dessen der Faktor Begründung der in der Ansätze der Unternehmenskultur zu finden ist. Abschließend soll noch auf die theoretischen Unternehmensethik im deutschsprachigen Raum hingewiesen werden. Eine weiterführende Erläuterung kann nicht geschehen, da sie den Umfang der Arbeit übertreffen würde. Es handelt sich dabei um die Theorien von: • Heinrich Nicklisch (1920er bis 1930er Jahre) • Wilhelm Kalveram (1940er bis 1950er Jahre) • Peter Ulrich (1980er bis heute) • Horst Steinmann (1980er bis heute) • Karl Homann (1990er bis heute) Als bemerkenswert sei die Theorie nach Homann zu nennen, denn sie führt die Teilung der Ethik auf zwei Ebenen stringent weiter. Die Teilung vollzieht sich auf der Ebene der Rahmenordnung und der Ebene der Handlungen 9 Neugebauer, 1998, S. 17 Berkel/Herzog, 1997, S. 11 10 Corporate Citizenship 6 innerhalb dieser Rahmenordnung.11 Homan selbst benennt es in der Sprache des Sports: „in Spielregeln und Spielzügen“.12 Es wird dabei auf den klassischen ökonomischen Ansatz von Adam Smith zurückgegriffen, in dem die Leistungsfähigkeit einer Wirtschaft nicht nur vom Wohlwollen des Einzelnen, sondern ebenfalls von der Koordinationsfähigkeit des Marktes abhängt. Die Rahmenordnung stellt die zulässigen Regeln des Wirtschaftssystems auf und definiert die moralische Intention. Sie ist für alle Wettbewerber allgemeingültig und dadurch auf der Handlungsebene – den Spielzügen – wettbewerbsneutral.13 Die Unternehmensethik nimmt eine sekundäre Rolle ein und tritt in Erscheinung, wenn die Rahmenbedingungen lückenhaft bleiben. Auf Grund der Dynamik des gesellschaftlichen Lebens wird die Rechtsordnung immer wieder Lücken aufweisen, da das System reaktiv ist. Dadurch ergibt sich ein Zeitverzug auf technische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen. Die aktuelle Diskussion um die Gentechnologie verdeutlicht die angesprochene Problematik. Weist die Rahmenordnung ein Defizit auf, so „entsteht ein Bedarf an moralischer Verantwortungsübernahme durch die Unternehmen, der über das normale Maß der systemkonformen Gewinnorientierung hinausgeht.“14 Nach Erachten des Autors fügt sich Corporate Citizenship in diese Konzeption ein. Zum einen ist es eine Handlung im Sinne eines Spielzuges, zum anderen ein Instrument, gestaltend in die Rahmenordnung einzugreifen. Der Gestaltungsaspekt findet sich auch in der Literatur wieder und wird vor allem in der Publikation von Habisch hervorgehoben (vergleiche Abschnitt 3.2.4). Dass Corporate Citizenship eine Ausdrucksform von Unternehmensethik ist, wird anhand des Unternehmensleitbildes in Abschnitt 6.2.2 beleuchtet. 11 Vgl. Homann/Blome-Drees, 1992, S. 24 Homann/Blome-Drees, 1992, S. 24 13 Vgl. Homann/Blome-Dress, 1992, S. 114 14 Homann/Blome-Drees, 1992, S. 116 12 Corporate Citizenship 2.2 7 Notwendigkeit von Ethik in der Unternehmensführung In der Literatur wird über die Notwendigkeit von Unternehmensethik in der Betriebswirtschaft heftig diskutiert. Einige Autoren wie Luhmann oder Schneider lehnen sie ab, weil sie ein eigenständiger Konflikt oder ideologieverdächtig sei. Zur Bekräftigung dieser Thesen zitiert man in der Literatur den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Nestlé AG, Helmut Maucher. In einem vom Manager Magazin geführten Interview (aus dem Jahre 1990) argumentierte er, dass er das soziale und ethische Gesäusel nicht mehr hören könne und stattdessen von seinen Mitarbeitern fighting spirit verlange und das leadership erstarken wolle.15 In seiner Amtszeit geriet Nestlé unter öffentlichen Druck wegen des Vertriebs von Substitutionsprodukten für Muttermilch in die Dritte Welt. Nach Meinung von Medizinern und der UNICEF führte diese Ernährungsmethode unter den spezifischen hygienischen Verhältnissen von Entwicklungsländern zu einer erhöhten Säuglingssterblichkeit. Vor allem die praktizierte Vermarktungsmethode, bei der Gratispackungen in Geburtsstationen verteilt wurden, führte zu Auseinandersetzung einer mit mehr als verschiedenen zehn Jahre andauernden gesellschaftlichen Interessen- gruppen. Daraufhin verabschiedete die Weltgesundheitsorganisation WHO im Jahre 1981 einen „Internationalen Kodex für die Vermarktung von Muttermilchersatznahrung.“ Zwar korrigierte der Konzern seine Marketingrichtlinien, die aber von der UNICEF als völlig unzureichend kritisiert wurden. Erst Boykotte in mehreren Ländern veranlassten Nestlé 1984, den WHO-Kodex zu unterzeichnen. 16 Helmut Maucher hat im Jahr 2004, für seine soziale Weitsichtigkeit als Vorstandsvorsitzender den Konrad-Adenauer-Preis verliehen bekommen.17 Prinzipiell lehnt er Unternehmensethik nicht ab, diese sollte aber in einer Balance zur Betriebswirtschaft stehen. Dabei verweist er auf den Aufsatz von Milton Friedmann „The social responsibility of business is to increase its profits“ (erschienen im New York Times Magazin im September 1970, Anmerk. d. 15 Vgl. Bookhagen, 2001, S. 35; Homann, 1991, S. 99; Richter, 1997, S. 1; Zur Rekonstruktion des Falles Nestlé vgl. S. 301 ff.; Werner/Weiss, 2001, S. 163 ff. 17 Vgl. o. Verf., Wirtschaftskurier, Nov. 2004, S. 5 16 Corporate Citizenship 8 Verf.). Es gibt keinen Widerspruch zwischen Wirtschaftlichkeit und sozialer Verantwortung, denn ein Unternehmen ist nur dann in der Lage, Arbeitsplätze zu sichern und seinen Beitrag in der Gesellschaft zu leisten, wenn es profitabel arbeitet. Einzuwenden ist jedoch, dass es keinen Zweifel an dem Gewinnstreben gibt, sonst würde das Unternehmen seinen Zweck und Auftrag verfehlen. Da alle Unternehmen vor dieser Aufgabe stehen, ist die Frage nicht, ob sie Gewinn erwirtschaften, sondern wie viel und auf welche Art und Weise.18 Die Erfahrungen von Nestlé mit der Vermarktung von Milchpulver in die Dritte Welt belegen die praktische Relevanz von Ethik in der Unternehmensführung. Nestlé befand sich in einem Konflikt zwischen seinen ökonomischen Zielen und den von außen formulierten moralischen Ansprüchen. Obwohl Nestlé nicht gegen geltendes Recht verstoßen hatte, machte das Unternehmen die Erfahrung, dass Legalität nicht mit Legitimität gleichzusetzen ist. Dieses Beispiel zeigt deutlich, wie ein Defizit in der Rahmenordnung auf die Unternehmensebene zurückfällt und die Unternehmung zwingt, selbst Rechenschaft abzulegen. 19 Neben Nestlé gibt es noch weitere Beispiele, bei denen Unternehmen sich systemkonform verhalten, jedoch nicht gleichzeitig moralisch und sittlich richtig handeln. Insbesondere die Rüstungsindustrie sieht sich oft in dieser widersprüchlichen Rolle; aber auch Firmen wie Shell, Puma oder Coca Cola, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Fülle solcher Fälle zeigt, dass es sich um einen systematischen Defekt im ökonomischen Weltbild handelt.20 Hier wird die Notwendigkeit einer Unternehmensführung deutlich, die ihre Entscheidungen nicht nur nach betriebswirtschaftlichen, sondern auch nach ethischen Kriterien reflektieren kann. 18 Vgl. Berkel/Herzog, 1997, S. 38 Vgl. Homan/Blome-Drees, 1992, S. 126 20 Vgl. Richter, 1997, S. 5 19 Corporate Citizenship 9 3 Herleitung des Begriffs Corporate Citizenship 3.1 Bürgerschaftliches Engagement Ausgangpunkt einer Herleitung von Corporate Citizenship stellt das bürgerschaftliche Engagement dar. Zum einen ist es Bestandteil in der wörtlichen Übersetzung aus dem Englischen: unternehmerisches Bürgertum. Zum anderen kann es für eine inhaltliche Übersetzung herangezogen werden und verleiht dadurch dem Begriff Corporate Citizenship im Deutschen an Schärfe: unternehmerisches Bürgerengagement. Hinter Corporate Citizenship verbergen sich zwei Termini, Bürger bzw. Bürgerschaft und bürgerschaftliches Engagement, die später dann auf eine Unternehmung anzuwenden sind. „Als Bürger (genauer: Staatsbürger, Anmerk. d. Verf.) bezeichnet man die einen Staat konstituierenden Personen“.21 In einer Demokratie erhalten die Bürger staatsbürgerliche Rechte und Pflichten wie die Teilnahme an der Bildung des Staatswillens oder die Ausübung der Staatsfunktionen. Dies schließt mehrere Funktionen ein wie das Wahlrecht, Recht zur Bekleidung öffentlicher Ämter als Ehrenbeamter, Zugang zum öffentlichen Dienst und den Wehr- bzw. Ersatzdienst. Im Gegensatz zum rechtlichen Ausdruck Staatsangehörigkeit ist Staatsbürger ein politischer Begriff, der die aktive Anteilnahme der Menschen an ihrem staatlichen Gemeinwesen beinhaltet. Betrachtet man die Gesamtheit aller Bürger und ihrer Aktivitäten in einem politischen Gemeinwesen, so spricht man von Bürgerschaft. Mit dem Begriff „bürgerschaftliches Engagement“ wird der Zusammenhang von Engagement und Bürgerschaft deutlich; „er ermöglicht es, Bürgerschaftlichkeit als eine eigenständige Dimension für Engagement der verschiedensten Art – politisches, soziales und geselliges – zu verstehen.“22 Dabei ist der Bürgerstatus, das Innehaben von Rechten und Pflichten sowie die Zugehörigkeit zu einer politischen Gemeinschaft, eine wesentliche 21 22 Meyers Enzyklopädie, 1981, S. 154 Enquete-Kommission, 2002, S. 57 Corporate Citizenship 10 Voraussetzung für Engagement. Nach Auffassung der Enquete-Kommission orientiert sich bürgerschaftliches Bürgergesellschaft. Die Engagement Bürgergesellschaft stellt an dem Begriff das Leitbild des bürgerschaftlichen Engagements dar.23 Mit dem Engagement der Bürger in selbstorganisierten Vereinigungen und durch die Nutzung von Beteiligungsmöglichkeiten soll das Gemeinwesen gestaltet werden. Hierbei geht es um die Qualität des sozialen, politischen und kulturellen Zusammenlebens, um gesellschaftlichen Zusammenhalt und ökologische Nachhaltigkeit. Hierfür muss ein Raum für Selbstbestimmung und Selbstorganisation geschaffen werden, in dem staatliche Institutionen, Verbände und Wirtschaftsunternehmen bürgerschaftliches Engagement unterstützen, teilen und mittragen.24 3.1.1 Formen des bürgerschaftlichen Engagement Bürgerschaftliches Engagement findet seine Ausprägungen in fast allen gesellschaftlichen Bereichen und lässt sich in verschiedene Formen unterscheiden:25 • Politisches Engagement Darunter wird hier das Engagement in der Kommunalpolitik, die Mitarbeit in Parteien, Verbänden und Gewerkschaften sowie die Beteiligung in Bürgerinitiativen und sozialen Bewegungen verstanden. • Soziales Engagement Als soziales Engagement gelten beispielsweise Tätigkeiten in Jugendund Wohlfahrtsverbänden und in Kirchengemeinden. Neuere Formen finden sich in den Hospizgruppen, in der Tafel-Bewegung, in den AIDSInitiativen und der Unterstützung von Asylbewerbern und der Integration von Ausländern. 23 Vgl. Enquete-Kommission, 2002, S. 59 Vgl. Enquete-Kommission, 2002, S. 60 25 Vgl. Enpuete-Kommission, 2002, S. 65 24 Corporate Citizenship • 11 Engagement in Vereinen, Verbänden und Kirchen Diese Aufgabenfelder sind rechtlich definiert, da sie die Übernahme von Verantwortung für die Aktivitäten des Vereins oder Verbandes einschließt und oftmals hohe Anforderungen an organisatorische Qualifikationen knüpft. Dies können Vorstandstätigkeiten, Geschäftsführungs- und Leistungsaufgaben sein, aber auch die Tätigkeit des Trainers, Chorleiters oder die Leitung eines Erste-Hilfe-Kurses im Rettungswesen. • Engagement in öffentlichen Funktionen Hierunter fallen die klassischen Ehrenämter wie Schöffen, ehrenamtliche Richter oder Wahlhelfer, die einen verpflichtenden Charakter haben können. Öffentliche Aufgaben werden zudem von den freiwilligen Feuerwehren, vom Technischen Hilfswerk und von den Rettungsdiensten wahrgenommen. • Formen der Gegenseitigkeit Dazu zählen Nachbarschaftshilfen, Genossenschaften und Tauschringe. • Selbsthilfe Dieses Engagement findet sich in den Bereichen Familie und Gesundheit, bei Arbeitslosen, Migranten und marginalisierten Gruppen. Kennzeichnend für diese Gruppen sind die fließenden Übergänge zwischen Selbsthilfe und einem darüber hinaus gehenden Engagement zur Unterstützung anderer Menschen. • Bürgerschaftliches Engagement in und von Unternehmen In Deutschland wird das Engagement der Unternehmen von der Öffentlichkeit bisher kaum wahrgenommen. Doch zeichnet sich neben den klassischen Formen der Interessenvertretung in Kammern und Verbänden sowie der aktiven Mitgestaltung des dualen Ausbildungssystems eine neue Entwicklung ab. So werden Vereine und andere Institutionen mit Geld- und Sachspenden sowie mit Personal- und Sacheinsatz unterstützt. Unternehmen rücken damit ins Zentrum Corporate Citizenship 12 bürgerschaftlichen Engagement, in dem sie sich selbst engagieren oder als Akteure gefragt sind. 3.1.2 Unternehmung als Bürger Die oben angeführten Überlegungen zum Bürgerengagement sind für einzelne Individuen nachvollziehbar. Zu klären ist, wie diese Überlegungen für juristische Personen in Form von Unternehmungen zu verstehen sind. Eine Unternehmung wird auch als eine Organisation im Wirtschaftssystem bezeichnet. Obwohl der Begriff Organisation sich auf verschiedene soziale Gebilde bezieht, lassen sich nach Klein mehrere Gemeinsamkeiten herausfiltern. „Eine Organisation ist ein gegenüber der Umwelt offenes, soziales Gebilde, das zeitlich überdauernd existiert, bestimmte Ziele verfolgt und eine Struktur aufweist, mit deren Hilfe die Aktivitäten der Mitglieder auf die jeweiligen Ziele ausgerichtet werden.“26 Da in einer Unternehmung Menschen als Individuen oder in Gruppen tätig sind und somit das Verhalten der Unternehmung beeinflussen, wird sie als soziales System bezeichnet. Durch die Erstellung der Unternehmensleistung ist sie durch den Austausch von Beziehungen mit ihrer Umwelt verbunden. Einerseits ist die Unternehmung über die Beschaffungs- und Absatzmärkte mit anderen Wirtschaftsteilnehmer und Individuen im Austausch. Andererseits ist sie als Steuerzahler oder als Empfänger von Subventionen mit dem Staat verbunden. In der Mikroökonomie wird dieser Austausch mit der Umwelt anhand des Wirtschaftskreislaufes verdeutlicht. Wöhe weist auf die Zergliederung des Begriffs Organisation unter betriebswirtschaftlicher Betrachtung hin. Dabei unterscheidet man zwischen Betrieb und Unternehmung, wobei der Betrieb 26 Klein, 1991, S. 69 Corporate Citizenship die 13 produktionswirtschaftliche und die finanzwirtschaftliche und juristische Seite darstellt. Unternehmung die 27 Durch die oben angeführte Interaktion kann einer Unternehmung Autonomie zugeschrieben und ihr Verhalten mit dem eines Individuums verglichen werden. Sie erweitert die Perspektive über den Produktionsprozess hinaus zu einer Unternehmung als soziales System. Der Unterschied von Bürgern als natürliche Personen und der Unternehmung als Bürger kann anhand von fünf Merkmalen beschrieben werden:28 • Fähigkeit zu normgeleitetem sowie komplexem Handeln • Zielspezifität • Zielstabilität • Transparenz der Binnenstruktur • Diversifizierbarkeit von Handlungsfeldern Nach Geser sind Unternehmen in der Lage, durch ihre hohe Zielspezifität selbstverantwortlicher zu agieren als es Individuen können. Außerdem sind sie in der Lage, simultan an verschiedenen Interaktionen teilzuhaben. Im Gegensatz zum Individuum wird eine Unternehmung ihre Ressourcen und Prozesse grundsätzlich nach rationalen Kriterien bewerten und steuern. Somit werden Unternehmen von ihrer Umwelt als perfekte Akteure wahrgenommen und Erwartungssicherheit. 29 man impliziert damit einen hohen Grad an Letzteres lässt sich aufgrund der Transparenz der Binnenstruktur erklären. Dadurch werden Unternehmen in die Lage versetzt, eine aktive Rolle in der gesellschaftlichen Normgestaltung zu übernehmen. Weitere Unterschiede ergeben sich bei den Möglichkeiten der gesellschaftlichen Sanktionierung eines Unternehmens (nicht zu verwechseln 27 Vgl. Wöhe, 2002, S. 13 Vgl. Geser, 1990, S.404; Polterauer, 2004, S. 5 29 Vgl. Polterauer, 2004, S. 5 28 Corporate Citizenship 14 mit der rechtlichen Sanktionierung, wie z. B. dem Steuerrecht). Während man einen Bürger für seine Verstöße zu Rechenschaft ziehen kann, wird dies bei Organisationen schwierig. Bei einer komplexen internen Organisationsstruktur wird eine Handlungsverantwortung kaum an einer Person festgemacht werden können.30 Staatliche Regulierungen stehen aufgrund der geringen politischen Globalisierung weniger zur Verfügung. Eine Form von gesellschaftlicher Sanktionierung ist der Boykott von Unternehmen. Jedoch ist den Konsumenten die Sanktion eines Unternehmens nur möglich, wenn die Produkte oder Dienstleistungen des betreffenden Unternehmens relativ leicht substituierbar sind.31 Zu dem muss eine deutliche Differenz im Verhalten der einzelnen Unternehmen für die Öffentlichkeit zu erkennen sein. 3.1.3 Bedeutung des Bürgerstatus für das Unternehmen Es zeigt sich, dass ein Unternehmen als ein offenes soziales System angesehen wird. Mit seinen Austauschprozessen werden einerseits die wirtschaftlichen Aktivitäten ermöglicht und andererseits die Unternehmung auf die Veränderungen in der Gesellschaft und schlussendlich auf den Märkten vorbereitet. Betrachtet man die Unternehmung unter der vorangestellten Argumentation, ist sie ein eigenständiger Akteur mit gesellschaftlicher Funktion und kann konzeptionell als Bürger interpretiert werden. Eine Unternehmung, die sich als Bürger definiert, proklamiert die Zugehörigkeit zu einem gesellschaftlichen Teilsystem – der Bürgergesellschaft.32 Dies hat Auswirkungen, wie ein Unternehmen von der Gesellschaft wahrgenommen und ob es diesem Bild gerecht wird. Aufgrund des höheren Rationalisierungsgrades leitet die Gesellschaft eine gesteigerte Erwartung an das normgerechte Verhalten des Unternehmens ab.33 Dabei 30 Vgl. Polterauer, 2004, S.6 Vgl. Polterauer, 2004, S. 6 32 Vgl. Polterauer, 2004, S. 7 33 Vgl. Geser, 1990, S. 408 31 Corporate Citizenship 15 kann die Unternehmung nicht allen an sie gerichteten Ansprüchen aus der Gesellschaft gerecht werden. In wie weit der Anteil normgerechten Verhaltens über den Pflichtanteil hinausgeht, ist von der Perspektive abhängig, die mit dem Engagement verbunden wird. Ein Rüstungsunternehmen wird sich nicht aus der Produktion von Rüstungsgütern zurückziehen, auch wenn es von Teilen der Gesellschaft gefordert wird. Es kann sich aber mit Fragen der Friedenspolitik auseinandersetzen, Richtlinien über den Export von Waffen in seine Kodizes aufnehmen und den Dialog mit friedensstiftenden Organisationen suchen. Bei darüber hinausgehenden ethischen Differenzen besteht für das Unternehmen die Möglichkeit sich aus dem Dialog zurückzuziehen. Die Unternehmen werden ihr gesellschaftliches und soziales Engagement dort ausüben, wo sie dieses mit Wettbewerbsvorteilen verbinden können, oder darin eine Option gegen eine staatliche Reglementierung sehen34. Der Ausbildungspakt vom 16. Juni 2004, der unter Bundeskanzler Schröder zwischen dem Wirtschaftsministerium und den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft ausgehandelt wurde, verdeutlicht die praktische Relevanz unternehmerischen Engagements zur Abwehr einer gesetzlichen Regelung. Die Alternative wäre eine Gesetzesinitiative mit einer Ausbildungsplatzabgabe gewesen. Das Bürgerverhalten von Unternehmen ist mehr durch Gebote anstatt durch Verbote gekennzeichnet. Wegen ihrer internen Prozesskontrolle (Binnentransparenz) wird Unternehmen zugetraut, ihre Ziele mit positiven Anreizen erreichen zu können und dafür keine dezidierten Verbote zu benötigen.35 Vielmehr müssen Unternehmen selbst bestimmen, wie sie die Bürgertugenden definieren und umsetzen. Hier zeigt sich, wie die Terminologie der Unternehmensethik nach Homan greift (siehe Teil 2). Der Maßstab für die gesellschaftlichen Normen und Werte wird auf der Ebene der 34 35 Vgl. Polterauer, 2004, S. 7 Vgl. Polterauer, 2004, S. 8 Corporate Citizenship 16 Rahmenordnung definiert. Die moralischen Werte werden von allen Akteuren auf der Handlungsebene innerhalb der Rahmenordnung gelebt, jedoch in unterschiedlicher Intensität wahrgenommen. Eine zusätzliche Frage, zu welcher Gemeinschaft sich die Unternehmung bekennen soll, stellt sich für internationale Unternehmen, die in zwei oder mehr Staaten aktiv sind. Sie haben zu entscheiden, ob sie am jeweiligen Standort des Unternehmens die geltenden Normen einhalten oder ob sie sich an universell gültigen Normen orientieren sollen, unabhängig von den Standards des Landes. Die Aktivitäten können dann im Ausland komplett selbständig sein, oder sie sind eng an die Normen und Werte des Mutterkonzerns gebunden. Eine dritte Möglichkeit besteht darin, die Aktivitäten des Konzerns aufeinander abzustimmen und gemeinsam zu treffen. 36 3.2 Begriffsklärung Corporate Citizenship Ausgehend von der Unternehmensethik (Teil 2), dem bürgerschaftlichen Engagement und der Unternehmung als Bürger (Teil 3) kann der Terminus Corporate Citizenship als unternehmerisches bürgerschaftliches Engagement übersetzt werden. Damit ist ein inhaltlicher Teil abgedeckt, jedoch erfasst es nicht die gesamte Dimension des unternehmerischen bürgerschaftlichen Engagements. Aus den Erkenntnissen der Ethikdiskussion leiten sich die Argumente für die Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung und dem Sinn nach dem Befolgen von Werten und Normen ab. Welche Instrumentarien jedoch notwendig sind, um sich als Unternehmen bürgerschaftlich zu verhalten bzw. als guter Bürger zu gelten – dem “Good Corporate Citizenship“ – wird nachfolgend hergeleitet. 36 Vgl. Westebbe/Logan, Corporate Citizenship 17 3.2.1 Philanthropie als Ansatz für gesellschaftliches Engagement Historisch betrachtet sind die verschiedenen Instrumente, die für Corporate Citizenship benötigt werden, nicht neu. Aus diesem Grund ist es wichtig, den Begriff Corporate Citizenship anhand der zeitlichen Entwicklung zu erklären. Auch die Tatsache, dass einzelne Unternehmerpersönlichkeiten ein Bewusstsein für gesellschaftliche Probleme entwickelt haben, ist ebenfalls keine neue Erkenntnis. Das Engagement war aber von einer Person, dem Unternehmer, geprägt und nicht von der Unternehmung. Die Unternehmerpersönlichkeiten zeichneten sich dadurch aus, dass sie ihr Unternehmen durch ihre Person nicht nur geführt, sondern auch repräsentiert hatten. Alle bedeutenden Funktionen zur Führung des Unternehmens waren bei ihnen vereint.37 Hier sind die Namen von Robert Bosch, Friedrich Krupp, John D. Rockefeller, Robert Owen oder Werner von Siemens zu nennen. Heute findet man unter den größten und finanzstärksten Unternehmen nicht ein einziges, welches so umfassend von einer Person geführt wird. Die wirtschaftliche Entwicklung Ausdifferenzierung wider. spiegelt sich in der Gemeint sind hiermit gesellschaftlichen die arbeitsteilige Spezialisierung und die Differenzierung von gesellschaftlichen Aufgaben auf unterschiedliche Träger.38 Die Unternehmung als Organisation bildet sich aus verschiedenen Akteuren (Aktionäre, Vorstand, Aufsichtsrat, Mitarbeiter und Arbeitnehmervertretung), die durchaus differenzierte Ziele verfolgen. Betrachtet man das Engagement der historischen Persönlichkeiten, so ist es mit der Philanthropie gleichzusetzen. Im weitesten Sinne versteht man darunter Menschenfreundlichkeit. In einem wirtschaftlichen Kontext ist es als freiwillige Umverteilung im Sinne von privater Wohltätigkeit zu verstehen.39 Das Engagement von Rockefeller verdeutlicht dies: Als Unternehmensgründer und Lenker hatte er nicht nur ein Firmenimperium errichtet, sondern ein immenses privates Vermögen erwirtschaftet. Nach dem er sich aus dem Unternehmen zurückzog, gründete er mit diesem Vermögen 37 Vgl. Seitz (a), 2002, S. 67 Vgl. Seitz (a), 2002, S. 66 39 Vgl. Maaß/Clemens, 2002, S. 4 38 Corporate Citizenship 18 eine Stiftung, die gesellschaftliche Bereiche wie Bildung und Kultur förderte. Sein Sohn ahmte den Vater nach und spendete den Vereinten Nationen das Bauland in New York. Für die deutschen Unternehmerpersönlichkeiten sei stellvertretend Werner von Siemens zu nennen:40 Siemens übernahm nicht nur seine Tätigkeit als Unternehmer, er brachte sich auch im gesellschaftlichen und politischen Leben ein. Er wirkte bei der Entwicklung des deutschen Patentgesetzes mit und gilt als Initiator, an allen technischen Hochschulen Professuren für Elektrotechnik einzurichten. Sein Bruder Wilhelm Siemens war in ähnlicher Art in England tätig und gründete dort den Verein Telegraph Engineers. Hätte das Unternehmen Siemens seine Stellung ohne diese gesellschaftliche Integration in verschiedenen Ländern auf dem internationalen Markt trotz zweier Weltkriege erhalten können? Für das gesellschaftliche Gespür soll ein Zitat von Siemens sprechen: „Es war mir schon früh klar geworden, dass eine befriedigende Weiterentwicklung der stetig wachsenden Firma nur herbeizuführen sei, wenn ein freudiges, selbstthätiges Zusammenwirken aller Mitarbeiter zur Förderung ihrer Interessen erwirkt werden könnte.“41 Freudig und selbsttätig zur Förderung ihrer eigenen Interessen; dies trifft auch heute noch den Puls der Zeit.42 Die amerikanischen und europäischen Unternehmer haben sich mit Beginn der Industrialisierung in das gesellschaftliche Leben eingeschaltet. Ihre Motive lassen sich einerseits aus einer religiösen Verpflichtung und andererseits aus einer philanthropischen Denkhaltung ableiten. Im Vordergrund steht der uneigennützige Charakter einer Zuwendung, die ausschließlich einem wohltätigen Zweck dient und externen Instanzen zukommt.43 Letztendlich übernimmt der Philanthrop Kosten, die eigentlich von der Gesellschaft zu erbringen wären, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Eine Vernetzung mit den Zielen der Unternehmung findet ebenfalls 40 Vgl. Seitz (a), 2002, S. 67 Vgl. Seitz (a), 2002, S. 67, (zitiert nach Werner von Siemens, 1892, S. 279-280) 42 Vgl. Seitz (a), 2002, S. 67 43 Vgl. Habisch, 2003, S. 54 41 Corporate Citizenship 19 nicht statt. „Entscheidend stehen hier außerökonomische Motive im Vordergrund – der wohltätige Corporate Citizen ist also eigentlich nur zufällig Unternehmer.“44 Aus diesem Grund fassen die Autoren Maaß/Clemens in Anlehnung an Paqué den Begriff Philanthropie weiter, um damit die unternehmerischen Möglichkeiten einzuschließen. Im Sinne von Philanthropie handelt eine Unternehmung dann, wenn sie „Transaktionen von Gütern oder ökonomischen Ressourcen gleich welcher Art vornimmt, die nicht zu marktüblichen Konditionen erfolgen.“45 Neben den Geldzuwendungen schließt es die Produkte, Dienstleistungen und alle anderen betrieblichen Ressourcen des Unternehmens mit ein, die für eine Transaktion in Frage kämen. Der philanthropische Charakter der Umverteilung bleibt in diesem Stadium erhalten, da das „fördernde Unternehmen im Rahmen dieser Umverteilung materiell benachteiligt wird“.46 Werden die Transferleistungen des Unternehmens jedoch zu bestimmten Konditionen (z. B. Preisnachlässe etc.) oder kostendeckend zur Verfügung gestellt, so kann in diesem Zusammenhang nicht von Philanthropie gesprochen werden.47 Dies gilt auch für Maßnahmen, die zwar dem Gemeinwohl zu gute kommen, jedoch gesetzlich vorgeschrieben sind. Darunter fällt beispielsweise die Freistellung eines Mitarbeiters für die Wahrnehmung seiner Pflicht bei der Freiwilligen Feuerwehr. Zwischen Philanthropie und den wirtschaftlichen Zielen des Unternehmens wird in der traditionellen Betrachtung kein positiver Zusammenhang gesehen. Aktivitäten, die dem Gemeinwohl zukommen (Philanthropie), bilden einen Interessengegensatz zu den wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens und enden in einem Nullsummenparadigma.48 Dieser gegensätzliche Zusammenhang und sein Verlaufen in ein Nullsummenspiel bezeichnet man als „traditionelles Werte-Trade-Off“49. Mit Corporate Citizenship soll diese Diskrepanz geschlossen werden. Die erweiterte Definition von Philanthropie von Maaß/Clemens, hebt den Aspekt sämtlicher Ressourcen eines 44 Habisch, 2003, S. 53 Vgl. Maaß/Clemens, 2001, S. 4, zitiert nach Paqué, 1986, S. 9 46 Ebenda, 2001, S. 4 47 Vgl. Ebenda, S. 4 48 Vgl. Habisch, 2003, S. 54 49 Habisch, S. 54 45 Corporate Citizenship 20 Unternehmens hervor. Deshalb kann ein Unternehmen seine Transaktionen so ausrichten, dass ein wechselseitiger Vorteil der beteiligten Akteure erzielt wird. Nach Habisch sollen die Aktivitäten in einem Corporate Citizenship Programm verschmelzen. Dies ist meist nur sinnvoll, wenn die philanthropischen Tätigkeiten entsprechend an die Produkte bzw. den betriebliche Ressourcen angelehnt werden. Dadurch wird gewährt, dass die Unternehmung mit ihrer Leistungsfähigkeit in soziales Kapital investiert.50 Als Folge daraus wird das Nullsummenparadigma überwunden und in eine WinWin-Situation umgewandelt. Schaubild 1 verdeutlicht diesen Zusammenhang. Gesellschaft WIN - WIN Traditionelles Werte Trade off Denken Unternehmen Abbildung 1: Win-Win-Situation, Habisch, 2003, S. 55 In diesem Kontext kann dann nicht mehr von Philanthropie im Sinne der Definition gesprochen werden. Eine Ausrichtung der philanthropischen Handlungen auf die Ziele des Unternehmens ist für das Modell Corporate Citizenship jedoch eine Notwendigkeit. Nur so kann das Unternehmen als 50 Vgl. Habisch, 2003, S. 55 Corporate Citizenship 21 Citizen in der Gesellschaft wahrgenommen werden. Bürgerschaftliches Engagement zeichnet sich durch die wechselseitige Wahrnehmung von Rechten und Pflichten aus. In einer Bürgergesellschaft geht es um die gemeinsame Arbeit von Bürgern und Organisationen an der Gestaltung ihres Gemeinwesens. Bleibt das Unternehmen auf der Stufe der Philanthropie stehen, leistet es nur „eine Subvention an bestimmte Gruppen von Bürgern, die zwar ein Gut (z. B. ein Konzert, eine Sportveranstaltung etc.) konsumieren, aber dafür nicht bezahlen wollen.“51 Das Unternehmen übernimmt damit keine aktive Rolle in der Gestaltung des Gemeinwesens. In diesem Kontext fragen die Autoren Habisch sowie Westebbe und Logan, wie eine Unternehmung ihrer Verantwortung in der Gesellschaft nachkommen soll, ohne auf die Gestaltungsmöglichkeiten Einfluss zu nehmen.52 An dieser Schnittstelle befindet sich der Übergang zu Corporate Citizenship. Für die Unternehmung ist es erforderlich, ihre Investitionen in das Gemeinwesen als solche auch zu begreifen und zu behandeln. Letztendlich kommt dies nicht nur dem Unternehmen zu gute, sondern auch der Gesellschaft. Das Unternehmen wird sich in den gesellschaftlichen Feldern engagieren und Kooperationen eingehen, bei denen es durch seine Kompetenzen zum Mehrwert des sozialen Kapitals der Gesellschaft beitragen kann. Die anschließenden Definitionen und Erklärungsansätze von Corporate Citizenship haben als gemeinsamen Nenner die Philanthropie, sowie die Erkenntnis, dass es für unternehmerisches bürgerschaftliches Engagement mehr benötigt, als karitative Zuwendung. 3.2.2 Corporate Citizenship nach Westebbe/Logan Die Literatur weist wenig theoretische Konzepte von Corporate Citizenship auf. Die hier vorgestellte Definition basiert auf dem gemeinsamen Werk von Westebbe und Logan, das zumindest in der deutschsprachigen Literatur von Bedeutung ist. Die Arbeit des deutsch-britischen Autorenteams geht auf das 51 52 Habisch, 2003, S. 55 Vgl. Habisch, 2003, S. 55; Westebbe/Logan, 1995 Corporate Citizenship 22 Jahr 1995 zurück. Das war zu einem Zeitpunkt, als die Diskussion um Corporate Citizenship in Deutschland noch nicht angefangen hatte. Des weiteren wird flankierend eine zusätzliche Definition nach Logan im Abschnitt 3.2.3 aufgeführt, die sich durch eine umfassendere Sichtweise auszeichnet und in ähnlicher Form von The Corporate Citizenship Company vertreten wird. Die Definition von Westebbe/Logan gliedert sich in drei Teile und zeichnet sich durch ihren unternehmensorientierten Bezug aus. Ausgangspunkt ist die Kritik an der willkürlichen und zufälligen Auswahl von Spenden, die mehr die Interessen des Vorstandsvorsitzenden widerspiegeln als die des Unternehmens.53 Außerdem werden die Sponsoringmaßnahmen kritisiert, welche zwar soziale oder kulturelle Einrichtungen fördern, wobei jedoch der Werbeeffekt des Unternehmens mehr im Vordergrund steht als der Nutzen der Betroffenen.54 Hält man sich die vorangegangene Diskussion der Philanthropie vor Augen, so wird das unausgewogene Verhältnis zwischen gesellschaftlicher Verantwortung und unternehmerischem Nutzen deutlich. Um diese Diskrepanz zu überbrücken, bedarf es der Koordination der verschiedenen Maßnahmen. Nach Westebbe/Logan ist dies durch die Technik von Corporate Citizenship möglich: „Corporate Citizenship ist das gesamte koordinierte, einer einheitlichen Strategie folgende hinausgehende und über Engagement gesellschaftlicher Probleme.“ die eines eigentliche Geschäftstätigkeit Unternehmens zur Lösung 55 Die Formulierungen „koordiniert“ und „Strategie“ sind an bestimmte Bedingungen geknüpft. Sie beinhalten eine unternehmensadäquate Auswahl des Engagements und die Abkehr einer zufälligen Auswahl. Letztere lässt sich darauf zurückführen, dass soziale Handlungen auf Anregungen von 53 Vgl. Westebbe/Logan, 1995, S. 13 und S. 20 Vgl. Ebenda, S. 13 55 Westebbe/Logan, 1995, S. 17 54 Corporate Citizenship 23 außen an das Unternehmen herangetragen werden.56 Eine Koordination der Maßnahmen findet dadurch nicht statt und die Chance wird vertan, die Förderprogramme auf ausgewählte Bereiche zu konzentrieren. Die Bayer AG hatte zu Beginn der 1990er Jahre über 200 Projekte, die sie mit ihrem Sozialfond förderte. Dabei war es unternehmensintern in den meisten Fällen nicht bekannt, in welche Bereiche Fördermittel flossen, zu welchem Zweck sie dienten und welche Hintergründe zu dem Engagement geführt haben.57 Eine ähnliche Situation fand der Personalvorstand der Deutschen Bahn vor. Ein extra eingesetztes Team benötigte mehrere Arbeitstage zum Aufspüren der damaligen sozialen Aktivitäten.58 Mit einer aktiven Suche versetzt sich das Unternehmen in die Situation, sich einem gesellschaftlichen Problem anzunehmen, welches dem Unternehmensziel entspricht oder zumindest eine Nähe aufweist. Dafür sind Kenntnisse über das gesellschaftliche Umfeld notwendig, die sich im Zweifelsfall das Unternehmen erst aneignen muss. Im Gegensatz zu einer Spende verursacht hierfür Corporate Citizenship einen höheren Koordinationsaufwand und bindet zeitliche und organisatorische Ressourcen.59 Als Ergebnis liegt dann ein bürgerschaftliches Engagement vor: Bürgerschaftliches Engagement bedeutet, dass sich das Unternehmen mit einem gesellschaftlichen Problem auseinandersetzt und einen Teil zur Lösung beiträgt. Dazu wird das Unternehmen nur in der Lage sein, wenn es sich solcher gesellschaftlichen Probleme annimmt, in die es die unternehmerischen Kompetenzen einsetzen kann.60 In diesem Fall ergibt sich ein Zusammenhang des gesellschaftlichen Engagements mit der Unternehmenstätigkeit, und ersteres lässt sich mit der Unternehmensstrategie in Verbindung setzen. Die Ressourcen des Unternehmens, die innerhalb eines Corporate Citizenship -Projektes mobilisiert werden können, bilden die Schnittstelle zum zweiten Teil der Definition: 56 Vgl. Westebbe/Logan, 1995, S. 13 Vgl. Ramthun, 2004, S. 149 58 Vgl. Ramthun, 2004, S. 149 59 Vgl. Westebbe/Logan, 1995, S. 28 60 Vgl. Westebbe/Logan, 1995, S. 22 und S. 28 57 Corporate Citizenship 24 „Hierbei sollen alle Arten von Ressourcen des Unternehmens unter besonderer Berücksichtigung seiner spezifischen Kompetenzen genutzt werden.“61 Als Ressourcen sind zunächst die finanziellen Mittel zu nennen, die als Corporate Giving bezeichnet werden. Darunter fallen die gemeinnützigen Spenden und das Sponsoring.62 Weitere Mittel umfassen die Produkte und die betrieblichen Ressourcen – wie Mitarbeiter, Sachmittel und Strukturen – welche zur Durchführung der unternehmerischen Tätigkeit genutzt werden. Ziel ist es, einen hohen Wirkungsgrad des gesellschaftlichen Engagements durch den Einsatz an mannigfaltigen Ressourcen zu erreichen.63 Von den Ressourcen werden die Kommunikationsmöglichkeiten abgetrennt und sondiert im letzten Teil der Definition dargestellt: „Wesentliches Element von Corporate Citizenship ist die bewusste und gezielte Kommunikation des gesellschaftlichen Engagements gegenüber möglichst vielen Zielgruppen.“64 Im Fokus steht demnach die Kommunikation der Corporate CitizenshipMaßnahmen, die öffentlichkeitswirksam dargestellt werden sollen. Ein Nutzen aus dem Engagement ergibt sich aus einer positiven Darstellung als guter Bürger, dem Corporate Citizen, die primär zu einem positiven Image des Unternehmens beiträgt. Sekundär stellt sich durch die Bekanntmachung der positiven Verhaltensweise ein Nachahmereffekt für die Gesellschaft ein.65 Die Definition von Westebbe/Logan verdeutlicht, dass bürgerschaftliches Engagement aus dem Unternehmen heraus eine Managementaufgabe ist, die geplant und koordiniert werden muss. Mit diesem strategischen Aspekt ist 61 Vgl. Westebbe/Logan, 1995, S. 17 Vgl. Westebbe/Logan, 1995, S. 14 63 Vgl. Westebbe/Logan, 1995 S. 22 64 Westebbe/Logan, 1995, S. 17 65 Vgl. Westebbe/Logan, 1995, S. 16 62 Corporate Citizenship 25 es möglich, die gesellschaftlichen Aktivitäten auf die Unternehmensziele abzustimmen und nach außen zu kommunizieren. 3.2.3 Corporate Citizenship nach Logan Eine bedeutende Stellung nimmt die Definition von Logan ein, was sich auf seine langjährige – und bis heute andauernde – Tätigkeit in dem britischen Netzwerk The Corporate Citizenship Company zurückführen lässt.66 Logan ist Autor bzw. Mitautor zahlreicher Bücher zum Thema Corporate Citizenship. Die nachfolgende Definition ist im Kontext zu der bereits oben angeführten Interpretation von Westebbe/Logan zu verstehen. „Today the phrase leading companies are using to define their relationship with the wider society is ‘corporate citizenship’. It implies a responsibility to provide useful goods and services while operating legally, acting ethically, and having concern for the public good. Corporate citizenship is a multi-faceted concept that brings together the self-interest of business and its stakeholders with the interests of society more generally.”67 Diese Position führt zu einem Ansatz, der die Rolle der Unternehmung innerhalb der Gesellschaft hervorhebt. Die vormals einseitigen Beziehungen sind dank Corporate Citizenship zunehmend wechselseitig. 3.2.4 Corporate Citizenship nach Habisch Habisch verdeutlicht mit seiner Begriffsbestimmung von Corporate Citizenship die Mitbestimmung des Unternehmens an der Gestaltung von gesellschaftlichen Regeln und damit die Lösung von gesellschaftlichen Problemen. 66 Siehe auch http://www.corporate-citizenship.co.uk Logan et al., 1997, S. 7; siehe auch: Andriof/Waddock, 2002, S. 23; Gazdar/Kirchhoff, 2004, S. 81; Seitz (a), 2002, S. 41 67 Corporate Citizenship 26 Hierfür sind bereichsübergreifende Kooperationen zwischen Unternehmen und mindestens einem Partner aus einem anderen gesellschaftlichen Bereich notwendig. Die Interaktion des Bürgers Unternehmen mit anderen Bürgern ist das qualifizierte Merkmal von Corporate Citizenship.68 Habisch nimmt in seinen Erläuterungen eine negative Abgrenzung vor, was nicht unter Corporate Citizenship zu verstehen ist. Bei Spenden und Sponsoring, umweltfreundlichen Produkten und Produktionsmethoden, Philanthropie und Zertifizierungs- und Reportingsystemen zum Sozialstandard eines Unternehmens handelt es sich nicht um Corporate Citizenship.69 Die aufgeführten Funktionen sind lediglich ein Teil der Instrumente, die für eine Umsetzung von Corporate Citizenship-Projekten benötigt werden. In ihrer Gesamtheit stellen sie eine „Querschnittsaufgabe für Corporate Citizenship dar, die sich an allen betrieblichen Funktionen und Abteilungen andocken lässt – von der PR über Forschung und Entwicklung bis hin zum Risikomanagement.“70 Dadurch wird die Handlungsperspektive des Unternehmens erweitert: die unternehmerischen Möglichkeiten sollen nicht nur für den kommerziellen Zweck eingesetzt werden, sondern auch für die Lösung gesellschaftlicher Probleme. Habisch verbindet jedoch ausdrücklich mit dem bürgerschaftlichen Engagement auch den positiven Nutzen des Unternehmens. Ohne diesen Nutzen für das Unternehmen handelt es sich nur um eine einseitige Vorleistung, die zu einer Ausbeutung der Kooperation führt.71 Das Ziel, ein gesellschaftliches Problem gemeinsam anzugehen, wird dadurch nicht erreicht, da das Handlungsergebnis vom beidseitigen Handeln der Partner (Unternehmen und Bürger) abhängig ist.72 Habisch und Logan weisen hier eine deckungsgleiche Argumentation auf. Ausgehend von den negativen Abgrenzungen definiert Habisch Corporate Citizenship folgend: „Als unternehmerisches Bürgerengagement (Corporate Citizenship) bezeichnet man Aktivitäten, mit deren Hilfe Unternehmen selbst in ihr gesellschaftliches 68 Umfeld Vgl. Habisch, 2003, S. 53 Vgl. Habisch, 2003, S. 51; S. 53; S. 56 70 Habisch, 2003, S. 45 71 Vgl. Habisch, 2003, S. 59 72 Vgl. Habisch, 2003, S. 59 69 investieren und ordnungspolitische Corporate Citizenship Mitverantwortung 27 übernehmen. Sie helfen mit, Strukturen bereichsübergreifender Zusammenarbeit und Soziales Kapital aufzubauen, um zusammen mit Partnern aus anderen gesellschaftlichen Bereichen (Bildungs-, Sozial- und Kultureinrichtungen, Bürgerinitiativen und NGOs, Verbänden, Politik, anderen Unternehmen etc.) konkrete Probleme ihres Gemeinwesens zu lösen. In diesen Prozess bringen sie nicht nur Geld, sondern alle ihre Ressourcen – also Mitarbeiterengagement, fachliches Know-how und Organisationskompetenz, Informationen etc. – ein.“73 3.3 Abgrenzung zu Corporate Social Responsibility Sowohl in der Praxis als auch in der Literatur wird Corporate Citizenship oft mit dem Terminus Corporate Social Responsibility gleichgesetzt. Dies scheint zunächst nicht zu verwundern, beschäftigen sich doch beide Methoden zum Teil mit der gleichen Materie. Hinzu kommt die unterschiedliche wissenschaftliche Entwicklung von US-amerikanischer und europäischer Literatur. Der Begriff Corporate Social Responsibility ist eher europäischer Prägung, obwohl der Ursprung dieser Konzeption in den USA zu finden ist. Die Nähe der beiden Konzepte führt in der Literatur zu unklaren Abgrenzungen oder zur Verwendung von Synonymen wie Business Citizenship, Global Corporate Citizenship oder Corporate Societal Responsibility.74 Gerade wegen der inhaltlichen Nähe ist es sinnvoll, die beiden Konzepte abzugrenzen und einzuordnen, denn damit werden die Berührungspunkte aufgezeigt, und die eigentlichen Konturen von Corporate Citizenship gewinnen an Schärfe. 73 74 Habisch, 2003, S. 58 Vgl. Reimer, 2004, S. 4 Corporate Citizenship 3.3.1 28 Corporate Social Responsibility Den Begriff Corporate Social Responsibility zu definieren, ist schwierig, da er sich mit anderen Konzepten wie Nachhaltigkeit, Wirtschafts- bzw. Unternehmensethik und Corporate Citizenship überlappt. Dadurch ist Corporate Social Responsibility wegen seines offenen und nach innen komplexen Wesens ein umstrittener Begriff.75 Eine Definition wird zwangsläufig durch jene angefochten, die die Reichweite und Anwendung jeder Corporate Social Responsibility-Version bestreiten.76 Eine umfassende Definition findet sich im Grünbuch der Europäischen Kommission. Corporate Social Responsibility beizeichnet ein Konzept, „das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern zu integrieren.“77 Die Dimension von Corporate Social Responsibility geht über die sozialen Felder hinaus und schließt die Bereiche Ökologie und Ökonomie mit ein. Im Wesentlichen bezieht sich Corporate Social Responsibility auf die Verantwortung der Wirtschaft gegenüber diesen drei Themen und darauf, wie sie dieser Verpflichtung nachkommen kann.78 Neben dem Einhalten von Gesetzen innerhalb der Rahmenordnung zeichnet sich ökonomisches, soziales und ökologisches Verhalten nach Corporate Social Responsibility dadurch aus, dass es über die Forderungen des Gesetzes hinausgeht.79 Das erfordert von den Unternehmen erweiterte Aktivitäten in Bezug auf Humankapital, die Gesellschaft, die Umwelt und die Beziehungen zu den Stakeholdern. Durch die Vielschichtigkeit von Corporate Social Responsibility geht es um die Frage: “about ’how business is performed’ not just its 75 Vgl. Moon, 2004, S. 2 Vgl. Moon, 2004. S. 2 77 Europäische Kommission, 2001, S. 8; eine ausführliche Definition ist nachzulesen auf: http://www.europa.eu.int/comm/employment_social/soc-dial/csr/csr_whatiscsr 78 Vgl. Moon, 2004, S. 2; Europäische Kommission, 2001, S. 8 79 Vgl. Moon, 2004, S. 3 76 Corporate Citizenship 29 involvements outside the firm“80 – also wie Wirtschaft ausgeführt wird und nicht nur um das Engagement außerhalb des Unternehmens. Corporate Social Responsibility sieht also vor, dass Unternehmen ihre Wertschöpfungskette neben den ökonomischen Kriterien auch nach sozialen und ökologischen Prinzipien organisieren und ihre Beziehungen zu Mitarbeitern, Kunden, Zulieferern und anderen Interessensgruppen pflegen. 3.3.2 Unterschiede der Konzepte Die Unterschiede treten bei der Verknüpfung von ökonomischen und ökologischen Handlungsfeldern hervor. In der Regel zielen diese Aktivitäten von der Gestaltung der Wertschöpfungskette bis zur Konsumtion des Produktes. Dabei geht es um die Umsetzung einer Nachhaltigkeitsstrategie (Sustainable Development – nachhaltige Entwicklung), deren primäres Ziel der schonende Umgang mit Ressourcen und Rohstoffen ist. Die Idee geht auf den deutschen Förster Hans Carl von Carlowitz zurück.81 Bereits im 18. Jahrhundert entwickelte er aufgrund der Holzknappheit ein Konzept der Nachhaltigkeit für die pflegliche Nutzung des Waldes. Schwerpunkt des Konzeptes ist das Gleichgewicht zwischen An- und Abbau des Holzes. Dabei soll auf die Balance zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Prioritäten geachtet werden. „Denn neben einer florierenden ’Commercia’ müsse auch für die Untertanen gesorgt werden, um ihnen sattsam Nahrung und Unterhalt zu garantieren.“82 Die soziale Komponente kann bei Corporate Social Responsibility autark von dem Unternehmen umgesetzt werden. Bezieht ein Unternehmen wie BMW in seine Auswahlkriterien für Zulieferer neben ökologischen Standards (z. B. die Einhaltung des Dioxinausstoßes der Produktionsanlagen) auch soziale bzw. ethische Standards ein (wie z. B. Erfüllung bestimmter Arbeitsbedingungen, 80 Moon, 2004, S. 3 Vgl. Gazdar/Kirchhoff, 2003, S. 91 82 Gazdar/Kirchhoff, 2003, S. 91 (zitiert nach H. C. von Carlowitz) 81 Corporate Citizenship 30 Arbeitszeiten und Sicherheitsbestimmungen), so ist die Durchsetzung der Kriterien ohne die Gesellschaft möglich.83 Hier liegt ein CSR-Konzept vor, mit dem BMW versucht, einen Ausgleich aller drei Prioritäten (Ökonomie, Ökologie und Soziales) von sich aus zu schaffen. Die Grenze zwischen Corporate Social Responsibility und Corporate Citizenship befindet sich auf der sozialen Stufe. Das nachfolgend konstruierte Beispiel soll die Bedingungen von Corporate Citizenship hervorheben. Geht das Unternehmen den Schritt weiter und engagiert sich in einem Bereich für allgemeingültige Bedingungen (z. B. im Arbeitsschutz), so nimmt es Einfluss auf die Lösungsmöglichkeiten oder die Regeln und Normen, die ohne eine Partnerschaft mit einem Dritten nicht möglich sind. Ein Unternehmen wird sich aller Voraussicht nach nicht in seinem gesellschaftlichen Engagement mit Arbeitsbedingungen beschäftigen, zumal dieses Feld von den Gewerkschaften besetzt wird. Die Spannweite von Corporate Social Responsibility schließt die sozialen Prioritäten explizit mit ein, jedoch handelt es sich nicht zwangsläufig bei allen Corporate Social Responsibility-Maßnahmen auch um Corporate Citizenship. Ein weiteres Beispiel aus der Automobilindustrie soll dies verdeutlichen:84 In Südafrika unterstützt Daimler/Chrysler durch eine Partnerschaft im Gesundheitswesen eine Kampagne zur Aids-Prävention. Aids stellt in Südafrika sowie in vielen anderen Ländern Afrikas ein großes Problem im Gesundheitswesen dar. Einerseits kommt diese Kampagne der Gesellschaft zugute, da sie die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Problematik Aids lenkt, andererseits erhofft sich Daimler/Chrysler davon, die Sterblichkeitsrate unter seinen Mitarbeitern zu senken. Daimler/Chrysler versucht mit seiner Unterstützung aktiv zu einer Lösung der Aids-Problematik beizutragen und erfüllt mit diesem Projekt die theoretischen Kriterien von Corporate Citizenship. 83 84 Vgl. BMW Group, 2003, S. 56 Vgl. Ramthun (a):, 2001, S. 32 Corporate Citizenship 3.4 31 Corporate Citizenship in der Kontroverse Die Beispiele von BMW und Daimler/Chrysler zeigen, dass die Bestimmung von Corporate Citizenship und Corporate Social Responsibility von verschiedenen Handlungssträngen und dem unternehmerischen Zweck abhängig ist. Besonders die Ausweitung von Umweltschutzthemen auf Corporate Citizenship führen zu einer konzeptionellen Unsicherheit.85 Habisch spricht in diesem Zusammenhang von einem Re-Wording, wenn ökologische Interessen mit sozialen Interessen in Verbindung gesetzt werden.86 Es handelt sich hier um eine Produktstrategie mit dem Ziel, ein Marktsegment abzudecken. Dem umweltbewussten Kunden werden spezielle Präferenzen erfüllt, die in seine Kaufentscheidung einfließen. Die Verknüpfung von Produktmerkmalen oder Prodkutionsstandards mit sozialen Faktoren erfüllen nicht die Kriterien von bürgerschaftlichen Engagement. Die unreflektierte Gleichsetzung von sozial mit gesellschaftlich oder von sozial mit ökologisch führt zu einer Begriffsvermischung von Corporate Citizenship und Corporate Social Responsibility. 87 Die Unterscheidung zwischen sozial und ökologisch sollte aus diesem Grund beachtet werden. Die negative Abgrenzung von Habisch (siehe Abschnitt 3.2.4) ermöglicht die Trennung von Corporate Citizenship zu Corporate Social Responsibility. Dass die Begriffe in der Literatur nicht abschließend definiert sind, zeigt folgende Kontroverse. Die EnqueteKommission – in der Habisch Mitglied war – bezeichnet Corporate Social Responsibility als Leitidee und ordnet Corporate Citizenship und seine konkreten Ausprägungen von bürgerschaftlichen Engagement diesem Begriff unter.88 Die Autoren Kaiser und Schuster hingegen, beide sind ebenso wie Habisch von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, argumentieren: „Corporate Citizenship kann insoweit auch als Oberbegriff für 85 Vgl. Lunau, 2004, S. 10 Vgl. Habisch, 2003, S. 51 87 Vgl. Lunau, 2004, S. 11; Habisch, 2003, S. 52 88 Vgl. Enquete-Kommission, 2002, S. 457; Moon, 2004, S. 4 86 Corporate Citizenship 32 das Gesellschaftliche Engagement von Unternehmen begriffen werden.“89 Ähnliche Ansichten finden sich bei Polterauer und Reimer. Wie in Teil zwei bereits formuliert, stellt die Unternehmensethik den Ausgangspunkt für Corporate Citizenship dar. Die Verwechslung zwischen Corporate Citizenship und Corporate Social Responsibility kann zum Teil auf die nicht erklärten Bezüge zum politischen Konzept des Bürgers und zum ethischen Aspekt der Verantwortung zurückgeführt werden.90 Dieser Aspekt findet sich in der Differenzierung von Corporate Citizenship und Corporate Social Responsibility bei Wieland wieder: „CSR ist ein werte- und normgeleitetes Management zur Lösung sozialer und ökologischer Problemlagen. […] CC wird demgegenüber demokratietheoretisch angesetzt, nämlich als die Rechte und Pflichten des Unternehmens als moralisch proaktiver kollektiver Bürger.“91 Corporate Citizenship wird nicht als übergeordnete Funktion gesehen, sondern als eine eigenständige Methode, die sich durch eine kooperative Gestaltung an dem Gemeinwesen auszeichnet. Die Zuweisung von Rechten und Pflichten geht über den rechtlichen Status des Unternehmens als Bürger hinaus. Vielmehr geht es um die Möglichkeiten, wie sich eine Unternehmung in das Gemeinwesen einbringen kann. Dadurch kann „CSR ein notwendiger Bestandteil von CC werden, aber CC erschöpft sich nicht in CSR.“92 Des weiteren knüpft die moralische Komponente an den Zusammenhang von bürgerschaftlichem Engagement und Unternehmensethik an. Dazu bedarf es Werte und Standards, die durch das Management des Unternehmens getragen werden. Für die hier vorliegende Arbeit soll keine weitere Definition formuliert werden, da dies zu keinem Wissenszuwachs führen würde. Mit der Aufgezeigten 89 Kaiser/Schuster, 2004, S. 669 Vgl. Behrent, 2003, S. 27; Fombrun, 1997, S. 28; Reimer, 2004, S. 5 91 Wieland, 2003, S. 17 92 Wieland, 2003, S. 17 90 Corporate Citizenship 33 Diskussion soll aber ein umfassendes Begriffsverständnis erreicht werden. Unabhängig von der theoretischen Abgrenzung müssen die Unternehmen den Beweis antreten, im Spannungsfeld zwischen gesellschaftlichen Interessen und unternehmerischen Gewinnstreben eine glaubhafte Konzeption für bürgerschaftliches Engagement vorzulegen. 4 Instrumente von Corporate Citizenship Begreift sich das Unternehmen als Bürger, so schlägt sich dieser Status in der Verantwortung gegenüber dem Gemeinwesen nieder. Es verfolgt aber gleichzeitig Interessen, die es durch sein Engagement mitgestalten kann. Um sich in gesellschaftlichen Bereichen zu engagieren, benötigt das Unternehmen Kooperationspartner, die auf diesen Gebieten spezialisiert sind. Für die Umsetzung stehen dem Unternehmen verschiedene Instrumente zur Verfügung. Dabei wird zwischen zwei verschiedenen Konzepten und den daraus resultierenden Instrumenten unterschieden. Abbildung 2 gibt einen Überblick über die Instrumente und konzeptionelle Zuordnung. Konzepte Corporate Giving Corporate Volunteering (strategische) Instrumente Maßnahmen Spendenwesen Geldzuwendungen Sponsoring Sachzuwendungen Stiftungswesen Dienstleistungen Secondment-Pogramme Nutzungsgestattung Ehrenamtliche Tätigkeiten von Unternehmern Persönlicher Einsatz der in Unternehmen Tätigen Abbildung 2: Instrumente Corporate Citizenship, Maaß/Clemens, 2002, S. 10 ihre Corporate Citizenship 4.1 34 Corporate Giving Mit Corporate Giving wird zunächst die Bereitstellung von Geldmitteln seitens des Unternehmens verstanden. Dies kann in Form von Spenden geschehen. Die Spannweite von Corporate Giving geht darüber hinaus und beinhaltet auch das Sponsoring (die auf ein Corporate Citizenship-Projekt gerichtet sind) sowie das Stiftungswesen.93 Ein weiters Kennzeichen ist die Bereitstellung von Sachmitteln, Dienstleistungen und die Nutzung von betrieblichen Ressourcen. Für die Förderung des Engagements nutzt das Unternehmen seine Potenziale, die es normalerweise für den täglichen Unternehmensablauf einsetzt. Das Unternehmen bringt dadurch seine Kernkompetenzen ein und keine artfremden Leistungen. 4.1.1 Spendenwesen Das Spendenwesen ist die Bereitstellung von Geldmitteln, bei der keine Gegenleistung vom Begünstigten erwartet wird. Die Gründe der Spende lassen sich – wie bereits in Abschnitt 3.2.1 dargestellt – aus den philanthropischen Motiven ableiten. Innerhalb einer Kooperation wirkt die Unternehmensspende flankierend zur finanziellen Sicherheit des Kooperationspartners.94 Trotz der Kooperation müssen die altruistischen Motive erfüllt werden und in keinem Zusammenhang mit einer Gegenleistung stehen. Die steuerrechtlichen Aspekte sind für die Unternehmen nicht die Motivation für Corporate Citizenship, wie die verschiedenen Fallstudien von Logan ergeben.95 Auch die Studie des Institutes für Mittelstandsforschung (IfM) lässt keine Rückschlüsse zu, dass die Beweggründe für Corporate Citizenship im Steuerrecht zu finden sind.96 Die Steuerrichtlinien in diesen Fällen betreffen die Spendenempfänger, da sie für die Steuerbefreiung die Gemeinnützigkeit nachweisen müssen. 93 Vgl. Westebbe/Logan, 1995, S. 13; Enquete-Kommission, 2002, S. 458 Vgl. Habisch (a), 2004, S. 21 95 Vgl. Westebbe/Logan, 1995, S. 27 und S. 38 ff. 96 Vgl. Maaß/Clemens, 2002, S. 81 ff.; S. 100 94 Corporate Citizenship 35 Für Deutschland kann keine exakte Zahl über das Spendenaufkommen angegeben werden, da es keine zentrale Statistik über Geldspenden gibt. Dies liegt daran, dass die gemeinnützigen Organisationen nicht verpflichtet sind, ihre Spendeneingänge offen zu legen. Das Maecenata-Institut schätzt das Spendenaufkommen für soziale Hilfsorganisationen im Jahre 2003 auf 2,3 Mrd. Euro und das gesamte Spendenvolumen auf ca. 5 Mrd. Euro.97 4.1.2 Unternehmensstiftungen Die Motive für eine Stiftungsgründung reichen von philanthropischer Überzeugung bis zu politischen Überlegungen, dass die Gestaltung des Gemeinwesens nicht nur Aufgabe des Staates ist, sondern auch aktives Engagement des Bürgers bedarf. In der Regel geht die Gründungsinitiative von dem Unternehmensinhaber aus.98 Dies schließt die Gründung einer Stiftung des Unternehmens als juristische Person nicht aus, und wird in diesem Fall als Corporate Foundation bezeichnet. Unter einer Stiftung versteht man auf Dauer angelegtes, verselbstständigtes Vermögen für einen bestimmten Zweck. Sie wird von einer nichtverbandsmäßigen Eigenorganisation geführt.99 Die Stiftung ist ein institutioneller Rahmen und von der Unternehmung unabhängig. Der Akt des Stiftens ist eine weit in die Zukunft reichende Tat, dabei wird über Generationen ein bestimmendes Handeln erwartet, das der Erfüllung des Stiftungszwecks dient.100 Vorteil einer Unternehmensstiftung ist die langfristige Ausübung ihrer Förderung und Ausdruck für kontinuierliches und nachhaltiges Engagement. Als nachteilig im Sinne einer Corporate Citizenship-Strategie kann sich der Stiftungszweck erweisen, wenn dieser nicht mit den Unternehmenszielen bzw. den Kernkompetenzen des Unternehmens komplementär ist. Die Stiftung kann jedoch als Vehikel für die Umsetzung von Corporate 97 Vgl. Habisch (a), 2004, S. 21 Vgl. Löwer, 1998, S. 403 99 Vgl. Koss, 2003, S. 1 100 Vgl. Löwer, 1998, S. 403 98 Corporate Citizenship 36 Citizenship genutzt werden, in den Feldern, die sich mit den Aktivitäten des Unternehmens in Verbindung bringen lassen. 4.1.3 Sponsoring Bei Sponsoring handelt es sich um ein Kommunikationsinstrument. Neben den klassischen Kommunikationsinstrumenten Werbung, Verkaufsförderung und Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations) stellt es ein Nicht-klassisches Kommunikationsinstrument dar. Diese Differenzierung trägt der Entwicklung neuer Kommunikationsinstrumente Rechnung, in die Sponsoring einzuordnen ist. Sponsoring geht auf die 1970er Jahre zurück, in denen das Bewerben von Zigaretten im Fernsehfunk in Großbritannien (1965) und in Deutschland (1974) verboten wurde.101 Mit dem Sponsoring stand der Tabakindustrie die Möglichkeit zur Verfügung, das Verbot zu umgehen. Obwohl in der Literatur als Ursprung das Mäzenatentum herangezogen wird, verfolgt Sponsoring keine altruistischen Beweggründe. Vielmehr basiert es auf dem Prinzip des gegenseitigen Leistungsaustausches zwischen zwei Parteien.102 Dabei stellt der Sponsor (Unternehmen) Geld, Sachmittel oder Dienstleistungen dem Gesponserten (Person, Institution) zur Verfügung. Im Gegenzug erhält der Sponsor aus diesem Engagement die Gewährung von Rechten für bestimmte Zwecke, die meistens kommunikative Ziele beinhalten.103 Mit Sponsoring verfolgt das Unternehmen in der Regel Kommunikationsziele und wird in den Bereichen als Sponsor auftreten, in denen es einen Imagetransfer oder einen erweiterten Bekanntheitsgrad erzielen kann. Das Sponsoring lässt sich in vier Bereiche untergliedern:104 101 Vgl. Drees, 1992, S. 9 Vgl. Hermanns, 1997, S. 36 f.; Nichlag et al., 1997, S 538 103 Vgl. Drees, 1992, S. 18 104 Vgl. Drees, 1992, S. 9; Meffert, 2000, S. 731 102 Corporate Citizenship 37 • Sportsponsoring • Kultursponsoring • Soziosponsoring • Ökosponsoring In allen vier Bereichen ist es möglich, eine Vernetzung mit gesellschaftlichen Interessen oder gesellschaftlichen Problemen herzustellen. Sieht man von den Beweggründen, Rechten und Pflichten beider Parteien ab, so wird das Interesse an einer gemeinsamen Sache deutlich. Diese Gemeinsamkeit ist für bürgerschaftliches Engagement eine notwendige Bedingung. Im Umkehrschluss bedeutet es nicht, dass es sich bei Sponsoring um Corporate Citizenship handelt. Hält man sich die oben erwähnte Abgrenzung vor Augen, dass sozial nicht gleich gesellschaftlich und ökologisch nicht gleich sozial ist, und wendet sie analog auf Sponsoring an, ergibt sich die Möglichkeit, Sponsoring auch für Corporate Citizenship einzusetzen. Die Ziele des Sponsorings können ebenso außerhalb der Kommunikationspolitik des Unternehmens liegen.105 Durch die vielseitigen Möglichkeiten (Finanzund Sachmittel, Dienstleistung, Know-how) bietet sich das Sponsoring für eine Interaktion mit einem externen Partner an. Neben der Bereitschaft ein Engagement zu übernehmen, bedarf es mehr als der Kontaktaufnahme zu einem dritten Träger (wie z.B. Nichtregierungsorganisationen, soziale Träger, Vereine etc.). Mit einer vertraglichen Gestaltung über die zu erbringenden Leistungen wird der Rahmen über das Engagement für beide Partner abgesteckt. Somit stellt Sponsoring einen ersten Grundstein für Corporate Citizenship dar. Des weiteren können die Parteien innerhalb des Regelwerks Sponsoring ihr Verhalten aufeinander abstimmen. Mit dem Abstimmungsprozess ergibt sich sowohl für das Unternehmen als auch für den externen Träger die Möglichkeit, die Kooperation auf ihre Funktionsfähigkeit zu überprüfen. Ein gemeinsames gesellschaftliches Ziel implementiert nicht, Herangehensweise dass und man die Umsetzung gleichen teilt. Sind Ansichten die über Standpunkte die zu verschieden und nimmt die Kooperation einen negativen Verlauf, so sind die Parteien in der Lage sich, ohne Schaden zu nehmen, aus dem Engagement 105 Vgl. Drees, 1992, S. 18 Corporate Citizenship 38 zurückzuziehen. Der Verlust an Glaubwürdigkeit würde sich negativ auf das Image niederschlagen und schwer rückgängig zu machen sein. Grundsätzlich betrifft diese Gefahr alle Beteiligten. Die Notwendigkeit einer sorgfältigen Auswahl des Kooperationspartners ist ein wesentlicher Bestandteil der Entwicklung zu Corporate Citizenship. Bei einer positiven Entwicklung der Kooperation lässt sich das Sponsoring fortführen. Mit der Intensivierung der Sponsoringmaßnahmen können jetzt auch die Kommunikationsmöglichkeiten aufgegriffen werden. Die Kooperation zwischen den Parteien wird sich durch identitätsstiftende Maßnahmen weiter verzahnen.106 Erklären lässt sich dies aus den Wirkungszusammenhängen des Sponsoringeinsatzes und der Bereitschaft zur Kooperation. Diese Zusammenhänge stammen aus einer Studie des Instituts für Mittelstandsforschung zu Corporate Citizenship. Nachfolgend werden die Ergebnisse der Studie kurz zusammengefasst dargestellt: • Unternehmen, die für die Kundenpflege auf informelle Möglichkeiten zur Kundenbetreuung zurückgreifen, setzen mit höherer Wahrscheinlichkeit Sponsoring ein als andere Unternehmen unter sonst gleichen Bedingungen.107 • Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen Sponsoring einsetzt, nimmt zu, wenn es eine aktive Öffentlichkeitsarbeit leistet, im Gegensatz zu Unternehmen, die auf Public Relations verzichten. Dies bestätigt ein weiteres Ergebnis, welches die Gemeinsamkeit von Sponsoring und Public Relations aufzeigt.108 Die Gemeinsamkeit lässt sich auf die übereinstimmende Zielsetzung, der positiven Reputation innerhalb der Gesellschaft, zurückführen. Des weiteren wird ein vergleichsweise starker Zusammenhang zwischen Public Relations-Maßnahmen und Sponsoring aufgezeigt. 106 Es besteht Vgl. Habisch, 2003, S. 81 Vgl. Maaß/Clemens, 2003, S. 35 108 Vgl. Maaß/Clemens, 2003, S. 36 107 demnach eine funktionale Verbundenheit Corporate Citizenship 39 zwischen Public Relations und Sponsoring, die das Imagebewusstsein des Unternehmens unterstreicht.109 • Ebenfalls zeigt sich ein positiver Zusammenhang zwischen Sponsoring und Kooperationsverhalten. Dies ist auf den ersten Blick nicht einleuchtend, da es sich um unterschiedliche Instrumente handelt. Bei dem Kooperationsverhalten handelt es sich um eine Art Organisationsform, mit der das Verhalten des Unternehmens gegenüber Dritten gesteuert wird. Trotz der unterschiedlichen Konzeption besitzen beide einen gemeinsamen Nenner, die Partnerschaft und Konsensbereitschaft. Für beide Instrumente „spielt Kontaktpflege und das Einbeziehen der Interessen der jeweils anderen Seite in die eigenen Handlungsentscheidungen eine zentrale Rolle.“110 • Keinen Zusammenhang hingegen gibt es zwischen kooperationsähnlichen Maßnahmen (wie z.B. partizipativer Führungsstil) und Sponsoring.111 Die Annahme, dass Unternehmen mit einer vertrauensvollen Führung zwischen Leitung und Personal eine höhere Kooperationsbereitschaft gegenüber Dritten haben als Unternehmen mit hierarchischen Strukturen, hat sich nicht bestätigt. Analog gilt dieses auch für Unternehmen, die sich besonders stark mit Umweltschutzfragen bezüglich ihrer Produktion und Produkten beschäftigen.112 Ein bestehendes Sponsoring spielt bei der Auswahl eines Kooperationspartners für ein zukünftiges Corporate Citizenship-Projekt eine untergeordnete Rolle. Das Unternehmen signalisiert mit dem Sponsoring – durch die Auswahl der gesponserten Partner, Veranstaltungen, Organisationen – wie sich das Unternehmen in der Gesellschaft positioniert. In Verbindung mit den Unternehmensgrundsätzen, ethischen Kodizes und 109 Vgl. Maaß/Clemens, 2003, S. 36 Maaß/Clemens, 2003, S. 37 111 Vgl. Maaß/Clemens, 2003, S. 38 112 Vgl. Maaß/Clemens, 2003, S. 38 110 Corporate Citizenship 40 Unternehmenskultur kommuniziert die Unternehmung ihre Identität, an der sich potentielle Kooperationspartner orientieren können.113 Ähnlich einer Stellenausschreibung lassen sich Kriterien erkennen, die in diesem Fall akzeptiert werden müssen. Plakativ ausgedrückt wird sich eine Organisation, die sich für Einschränkungen der Gentechnik einsetzt, keine Kooperation mit einem Unternehmen anstreben, welches die gentechnischen Versuchsfelder einer Universität unterstützt. 4.2 Corporate Volunteering Die zweite Säule von Corporate Citizenship umfasst alle personalpolitischen Maßnahmen des Unternehmens, die auf das gesellschaftliche Engagement gerichtet sind. Die Arbeitskraft des Mitarbeiters stellt den Gegenstand der Unterstützung dar. Kennzeichnend für dieses Konzept ist, dass in der Regel die Leistung nicht im Unternehmen erbracht wird, sondern im institutionellen Rahmen des Kooperationspartners. Unter Corporate Volunteering versteht man die Förderung des gesellschaftlichen Engagements der Mitarbeiter. Corporate Volunteering steht in einem engen Zusammenhang mit ehrenamtlicher Tätigkeit. Für den Begriff Ehrenamt findet sich keine allgemeingültige Definition, die eine Verwendung zuließe. Das Ehrenamt wird grundsätzlich in dem Kontext von freiwilligem Einsatz ohne Vergütung gesehen mit Ausnahme der Erstattung von Auslagen.114 Diese enge Sicht kann für Corporate Volunteering nicht verwendet werden, da in der Regel die ehrenamtliche Tätigkeit der Mitarbeiter während der Arbeitszeit in oder außerhalb des Unternehmens erfolgt. Aus diesem Grund bietet sich für Corporate Volunteering eine modellhafte Darstellung des Ehrenamtes an. Hierbei decken die verschiedenen Dimensionen das Spektrum ab, in dem sich das Ehrenamt positioniert, wie in Abbildung 3 dargestellt.115 Innerhalb dieser Dimensionen und seinem Spektrum lassen personalpolitischen Maßnahmen entsprechend einordnen. 113 Vgl. Habisch, 2003, S. 81 Vgl. Engel, 1994, S. 52 115 Vgl. Beher et al., 1998, S. 106 114 sich die Corporate Citizenship 41 Ehrenamt positioniert sich zwischen …… unbezahlte Arbeit bezahlter Arbeit geringem zeitlichen Engagement erheblichem zeitlichen Engagement Engagement für sich Engagement für andere Engagement innerhalb des soz. Nahraums Engagements ausserhalb des soz. Nahraums Arbeit ohne organisatorische Anbindung Arbeit mit organisatorischer Anbindung Selbstbestimmtem Engagement Übertragung von hoheitlichen Aufgaben Arbeit ohne Qualifikation Arbeit mit Qualifikation personenbezogener Arbeit sachbezogener Arbeit einfacher Mitgliedschaft tätigem Engagement formal legitimierten Funktionen Nicht formal legitimierten Funktionen Abbildung 3: Ehrenamt als Modell, Beher et al., 1998, S. 106 In Anlehnung an das Ehrenamt werden neben dem Mitarbeiter auch die Aktivitäten des Unternehmens mit einbezogen, bei denen es selbst in Aktion tritt. Diese Unterscheidung geht auf die Studie des IfM zurück.116 Die Fallunterscheidung berücksichtigt die Unternehmensaktivitäten in den Handwerks- und Handelskammern, in dem dualen Ausbildungssystem und anderen Gremienarbeiten. In der englischsprachigen Literatur wird Corporate Volunteering nicht in verschiedene Instrumente aufgeteilt. Zu dem Begriff Corporate Volunteering gehören verschiedene Formen, unter anderem auch das Secondment. Schlussendlich geht es bei Secondment darum, Arbeitszeit und Arbeitsleistung zu überlassen. Diese Vorgehensweise kommt jedoch bei den anderen Formen – wenn auch nicht so prägnant – ebenfalls zum Tragen. Aus diesem Grund wird der Einteilung nach dem IfM gefolgt und die verschiedenen Formen von Corporate Volunteering den Secondments Instrumente unterscheiden, die zugeordnet. Vgl. Maaß/Clemens, 2003, S. 10 und 14 lassen Secondment-Programme ehrenamtliche Tätigkeit des Unternehmens. 116 Es sich und zwei die Corporate Citizenship 42 4.2.1 Secondment-Programme In seiner schwächsten Form handelt es sich bei Secondment um gesellschaftliche Aktivitäten der Mitarbeiter bei Institutionen oder Nichtregierungsorganisationen, bei denen das Unternehmen in keiner Kooperation involviert ist. Der Anreiz der Mitarbeiter, sich zu engagieren, liegt in der indirekten Förderung des Gemeinwohls. Durch die Begünstigung des Mitarbeiters in seinem Engagement wird das Unternehmen im Gemeinwesen ebenfalls sichtbar. 117 Innerhalb des Secondment wird dem Mitarbeiter während der Arbeitszeit der limitierte Einsatz seiner Arbeitskraft für ein gesellschaftliches Engagement gestattet. Die Unternehmen können dabei die gesetzlichen und tariflichen Regeln über die Freistellung erweitern, in dem sie bestimmten Mitarbeitern ein Zeitkontingent für bestimmte Tage, pro Woche oder pro Monat zur Verfügung stellen. In seiner schwächsten Form kommt die Arbeitszeit der unterstützten Organisation zugute, in dem der Mitarbeiter von seinem Arbeitsplatz im Unternehmen aus Tätigkeiten für das Engagement erledigt. Dies wird auch als virtuelles oder unsichtbares Engagement bezeichnet.118 Eine weitere Möglichkeit ist die Benutzung von Equipment des Unternehmens während und nach der Arbeitszeit.119 Dies kann sich von der Nutzung von Computer und Drucker bis auf zur Verfügungstellung eines Firmenfahrzeuges erstrecken. Eine weitere Möglichkeit ist die Durchführung einmaliger Maßnahmen (Days of Service).120 Für einen Tag werden Mitarbeiter für ein gesellschaftliches Projekt oder an eine Non-Profit-Organisation ausgeliehen. Dies kann sich von der Renovierung von Klassenzimmern in einer Schule bis zur 117 Vgl. Enquete-Kommission, 2002, S. 458 Vgl. Backhaus-Maul, 2004, S.24 119 Vgl. Enquete-Kommission, 2002, S. 471 120 Vgl. Korfmacher/Mutz, 2001, S. 175; Enquete-Kommission, 2002, S. 459 118 Corporate Citizenship 43 Neugestaltung eines Kinderspielplatzes für einen Kindergarten erstrecken. Industriemechaniker eines Unternehmens wechseln für einen Tag in die Behindertenwerkstatt und bringen ihre handwerklichen Fertigkeiten mit ein. Währenddessen entwerfen einige Mitarbeiter aus dem Marketing ein Faltblatt für die Behindertenwerkstatt. Mit diesen Ein-Tages-Aktivitäten in anderen Institutionen besteht die Möglichkeit, eine Grundlage für eine zukünftige Partnerschaft im Gemeinwesen zu legen.121 Einerseits kann die gemeinsame Arbeit einen Impuls geben, wofür sich das Unternehmen engagieren möchte. Andererseits kann mit den ersten Berührungspunkten abgeschätzt werden, ob eine Interaktion mit dem potenziellen Partner vorstellbar ist. Für die Projekte und Kooperationen, an denen die Unternehmung direkt beteiligt ist, stellt Secondment den unmittelbaren Bezug zum bürgerschaftlichen Engagement für das Unternehmen her. Hier zeichnet sich das Secondment dadurch aus, dass Mitarbeiter für den externen Einsatz ausgeliehen werden. Dabei kann es sich um mehrere Tage, Wochen oder einen Zeitraum von mehreren Monaten handeln. Die Arbeitszeit und Arbeitsleistung des Mitarbeiters werden in der Partnerinstitution verrichtet. Dadurch erhält das Engagement einen hohen Ressourcentransfer, der ausschließlich für diese Zwecke genutzt wird. Doch mit dieser Ressourcenbereitstellung übernimmt das Unternehmen nicht nur Kosten, sondern erhält auch die Möglichkeit an der Mitgestaltung des bürgerschaftlichen Engagements. Die Mentorenprogramme lassen sich ebenfalls zu dieser Art von Secondment zuordnen, auch wenn sie zeitlich einen geringeren Umfang einnehmen. Bei den Mentorenprogrammen wird Expertenwissen zur Verfügung gestellt.122 Mitarbeiter können dafür an die Seite von jungen Existenzgründern gestellt werden, die sich in der Phase der Etablierung befinden. 121 122 Vgl. Korfmacher/Mutz, 2001, S. 175 Vgl. Enquete-Kommission, 2002, S. 472 Corporate Citizenship 44 Eine Variante der Mentorenprogramme ist der Senior Experten Service. Bereits in Pension gegangene Manager des Unternehmens vermitteln ihr Know-how für die Weiterbildung von Führungskräften oder Unternehmensgründern. Eine spezielle Form nimmt das zeitlich begrenzte Bildungsprogramm ein. Mitarbeiter wechseln für eine Woche in eine soziale Einrichtung, in der sie an den täglichen Aufgaben teilhaben. Bei den Einrichtungen handelt es sich beispielsweise um Wohnungsloseninitiative die etc. Aids-Stiftung, Dies stellt für Behindertenbetreuung, die Mitarbeiter einen Seitenwechsel zu einer anderen sozialen Ebene dar und verschafft ihnen einen neuen Blickwinkel auf soziale Belange. Grundsätzlich handelt es sich hier um ein Instrument der Personalförderung.123 Die Einordnung des Bildungsprogramms in Corporate Citizenship ist umstritten. Setzt ein Unternehmen dieses Personalentwicklungsinstrument regelmäßig ein, so ergibt sich ein Ressourcentransfer für beide Seiten. Die Institution profitiert von zusätzlichen Mitarbeitern, die neue Denkstrukturen hineintragen. Das Unternehmen hingegen wird Mitarbeiter in seinen Reihen haben, die ihre soziale Kompetenz erhöht bzw. geschärft haben. Ein weiterer Effekt dieser Programme ist, dass sie dem Mitarbeiter Impulse geben, sich nach dem Projekt für diese Einrichtung in seiner Freizeit zu engagieren. Die Erfahrung aus der Praxis zeigt, dass ein Teil der Beteiligten nach dem offiziellen Austausch den Kontakt zu der Einrichtung beibehält und sich hier engagiert.124 Diese Form des Animierens zum bürgerschaftlichen Engagement wird in den USA durch das Clearing House erzielt.125 Hier werden die verfügbaren Engagementmöglichkeiten der Gemeinde erfasst und in einer Datenbank für die Unternehmensmitarbeiter bereitgestellt. Aus diesem Sammelsurium können sich die Mitarbeiter ein geeignetes Angebot auswählen. 123 Vgl. Korfmacher/Mutz, 2001, S. 176 Vgl. Korfmacher/Mutz, 2001, S. 176 125 Vgl. Enquete-Kommission, 2002, S. 459 124 Corporate Citizenship 45 4.2.2 Ehrenamtliche Tätigkeit des Unternehmens Die ehrenamtliche Tätigkeit der Unternehmen, bestimmte Funktionen in Verbänden und Kammern zu übernehmen und dadurch einen Beitrag für das Gemeinwesen zu leisten, ist eine deutsche Besonderheit. Dabei sind nicht alle Aktivitäten auf diesem Gebiet als Corporate Volunteering zu verstehen. Ein Teil der Aktivitäten in Gremien der Industrie- und Handelskammern oder anderen Organisationen ist als Lobbyarbeit zu begreifen. Die Mitspracherechte einer Branche an relevanten politischen Themen stehen hier im Vordergrund. Dennoch sind die deutschen Unternehmen aufgrund des Systems der sozialen Marktwirtschaft durch gesetzliche, tarifliche, aber auch durch freiwillige Bestimmungen bzw. Vereinbarungen in das Gemeinwesen integriert. In dem dualen Ausbildungssystem bekleiden die Unternehmen die Ehrenämter und leisten hierfür einen unverzichtbaren Beitrag. Nach Aussage des Deutschen Industrie- und Handelstages sind über 142.000 Unternehmensvertreter in der beruflichen Weiterbildung oder in Prüfungsausschüssen für die Berufsausbildung engagiert.126 4.3 Systematisierung der Maßnahmen Die beschriebenen Konzepte und Instrumente, die sich in den Maßnahmen niederschlagen, zeichnen sich durch ihre Kombinationsmöglichkeiten aus. So lassen sich Instrumente des Corporate Giving mit denen des Corporate Volunteering kombinieren, so dass sich ein vielseitiger Maßnahmenkatalog entwickelt. Daraus resultiert die Problematik, welcher Konzeption die kombinierte Maßnahme zugeordnet werden soll. Dies ist der Grund, weshalb in der Literatur kein einheitlicher Ansatz eines Corporate Citizenship-Mix zu finden ist. Vergleicht man es mit dem Marketing-Mix, weist der Corporate Citizenship-Mix Defizite auf. Während der Marketing-Mix eine Strukturierung nach 126 den Handlungsfeldern Vgl. Enquete-Kommission, 2002, S. 469 – Produktpolitik, Distributionspolitik, Corporate Citizenship 46 Kontrahierungspolitik und Kommunikationspolitik – aufweist, fehlt diese Orientierung in dem Corporate Citizenship-Mix. Mit dem Marketing-Mix wird eine übergreifende Koordination der Marketinginstrumente möglich. Er bezieht sich auf zwei Dimensionen: „die Abstimmung aller Aktivitäten innerhalb des Marketings und die Koordination des Marketings mit den anderen betrieblichen Funktionsbereichen.“127 Bei den Modellen des Corporate Citizenship-Mix handelt es sich um eine Ansammlung der meist angewandten Methoden, die aber inhaltlich weder den Konzepten noch den Instrumenten zugeordnet sind.128 Dadurch erhält man einen Katalog an verschiedenen Maßahmen, aus dem die entsprechenden Maßnahmen ausgewählt werden können. Dabei ist problematisch, nach welchen Kriterien die Maßnahmen in den Mix-Katalog aufgenommen werden. Zudem unterscheiden sich die Modelle nach ihrem Umfang, was sich auf die unreflektierte Verwendung von Konzepten und Instrumenten zurückführen lässt. Deswegen vermeiden einige Autoren wie Habisch und Logan, von einem Mix zu sprechen. Sie umgehen dieses Problem, in dem grundsätzlich nur von Instrumenten die Rede ist, die auf Corporate Giving oder Corporate Volunteering zurückzuführen sind.129 Eine andere Alternative zum Corporate Citizenship-Mix ist die Systematisierung der Aktivitäten in drei Dimensionen, die Corporate Citizenship berühren. Leistungsbereichen verschiedenen Innerhalb und Ebenen einer Dimension Leistungsträger) zuzuordnen. Dies sind wird (Leistungsformen, die als Maßnahmen Aktivitäten-Raum bezeichnet, wie er in Abbildung 4 dargestellt ist.130 Bei den Leistungsformen handelt es sich um finanzielle, materielle, personelle sowie ideelle Unterstützung, mit der das Engagement umgesetzt wird. Die Leistungsbereiche lokalisieren die verschiedenen gesellschaftlichen 127 Meffert, 2000, S. 969 Vgl. Dresewski, 2004, 22 129 Vgl. Habisch (b), 2004, S. 17 130 Vgl. Kaiser/Schuster, 2004, S. 670 128 Corporate Citizenship 47 Gebiete, in denen das Engagement stattfindet. Als Leistungsträger findet man im Schaubild Gesamtunternehmen, organisatorische Einheiten und individuelle Akteure. Diese Differenzierung verdeutlicht, wer genau der Träger von Corporate Citizenship-Maßnahmen ist. Das Modell zeigt, dass innerhalb des Unternehmens verschiedene Akteure das Engagement ausführen können, entsprechend der oben aufgeführten Unterteilung von Corporate Citizenship in Corporate Giving und Corporate Volunteering. Innerhalb des Aktivitäten-Raumes läst sich Corporate Citizenship nach Formen, Bereichen und Träger identifizieren und voneinander abgrenzen. Kultursponsoring durch das Unternehmen Leistungsbereiche Kultur Soziales Bildung Sport Engagement von Mitarbeitern für Umweltprojekte Ökologie Finanziell Materiell Personell Ideell er Gesamtunternehmen träg ngs Organisatorische u t s Einheiten Le i Individuelle Aktoren Leistungsformen L Abbildung 4: Aktivitäten-Raum, Kaiser/Schuster, 2004, S. 670 4.4 Ziele von Corporate Citizenship Der Sinn des bürgerschaftlichen Engagements liegt darin, dass die beteiligten Kooperationspartner auf ein kollektives Ziel hinarbeiten. Das gemeinsame Ziel ist die Lösung eines gesellschaftlichen Problems, die Gestaltung des gesellschaftlichen Umfelds oder die Konsensfindung des gesellschaftlichen Miteinanders. Corporate Citizenship dient nicht dem altruistischen Verhalten, sondern es dient der Verwirklichung eigener Corporate Citizenship 48 Interessen. Aus Unternehmenssicht lassen sich drei Zielarten identifizieren, die mit Corporate Citizenship erreicht werden. 4.4.1 Öffentlichkeitsbezogene Ziele Mit der Öffentlichkeitsarbeit wird das Gesamtbild des Unternehmens in der Öffentlichkeit kommuniziert, um eine positive Reputation zu schaffen.131 Hierfür werden verschiedene Informationen über wirtschaftliche Ziele, Tätigkeiten, Unternehmensgebaren und Resultate vermittelt. Dadurch wird ein Vertrauensverhältnis geschaffen, das die Beziehungen zwischen der Unternehmung und potenziellen Partnern oder sonstigen Interessengruppen erleichtert.132 Corporate Citizenship liefert für die Öffentlichkeitsarbeit wertvolles Material, wie sich das Unternehmen in der Gesellschaft verhält und welche Rechte und Pflichten es im Gemeinwesen wahrnimmt. Unter den Zielen die mit Corporate Citizenship aus Unternehmenssicht realisiert werden, nehmen die öffentlichkeitsbezogenen Ziele den höchsten Stellenwert ein. Nach Seitz nannten 80% der befragten Unternehmen den Vorteil einer verbesserten Reputation bzw. 71% den Faktor einer positiven Reputation gegenüber den Medien und Überwachungsbehörden.133 Als wichtigsten Punkt nannten laut IfM ca. 92% der Unternehmen die öffentlichkeitsbezogenen Ziele von Corporate Citizenship.134 In seiner konkreten Ausprägung wollen die Unternehmen mit Corporate Citizenship eine Imageverbesserung erzielen. Die positiven Attribute aus dem bürgerschaftlichen Engagement sollen das Unternehmensimage stärken und auf das Bild, das die jeweiligen Interessengruppen von dem Unternehmen haben, übertragen werden. Mit Corporate Citizenship kann über den Markt hinaus die Präsenz des Unternehmens in der Gesellschaft dargestellt werden. Darüber hinaus verdeutlicht es, dass das Unternehmen ein Teil der Gesellschaft ist (vgl. 131 Vgl. Nischlag et al, 1997, S. 537 Vgl. Nischlag et al, 1997, S. 537 133 Vgl. Seitz (b), 2002, S. 131 134 Vgl. Maaß/Clemens, 2002, S. 81 132 Corporate Citizenship 49 Kapitel 3.3). Die Wahrnehmung des Unternehmens als Bürger entsteht nicht von allein, sondern wird durch die Summe seiner Handlungen entwickelt.135 Ist das Unternehmen mit Corporate Citizenship in der Gesellschaft integriert und besteht ein positives Bild in der Öffentlichkeit, so werden Entscheidungen, die mit negativen Aspekten verbunden sind (z. B. Entlassungen, Produktionsverlagerung in das Ausland etc) in der Öffentlichkeit differenzierter betrachtet. 4.4.2 Personalpolitische Ziele Bei Corporate Volunteering stehen motivationsfördernde Faktoren der Mitarbeiter im Vordergrund. Die Ziele lassen sich in Personalförderung und Personalentwicklung gliedern und werden von cirka 59% der befragten Unternehmen genannt.136 Unter der Personalförderung sind die Mitarbeiterqualifikation sowie die Mitarbeitermotivation zu verstehen. Durch die Secondment-Programme wird soziales Lernen mit fachlichem Lernen verbunden.137 Der Nutzen von Secondments liegt in der Erweiterung des Erfahrungsspektrums, anderen Denk- und Wertehaltungen sowie der Persönlichkeitsbildung des Mitarbeiters.138 Die Lerneffekte strahlen sich auf die Unternehmenskultur aus, da die Teilnehmer eines Secondments mit dem Gefühl, etwas Sinnvolles geleistet zu haben, an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Die Freistellung für ehrenamtliche Tätigkeit sowie der externe Einsatz bei dem Kooperationspartner kann als Anerkennung und Belohnung empfunden werden. Die Arbeit wird mit einem erweiterten Sinngehalt angereichert und soll der inneren Kündigung entgegenwirken. Bei der Personalentwicklung wird das Unternehmensimage für die Mitarbeiterbindung und die Rekrutierungschancen genutzt. Einerseits soll das Image zur Identifikation des Personals mit dem Unternehmen beitragen 135 Vgl. Nischlag et al, 1997, S. 537 Vgl. Maaß/Clemens, 2002, S. 81 137 Vgl. Maaß/Clemens, 2002, S. 42 138 Vgl. Habisch, 2003, S. 67 136 Corporate Citizenship 50 und das Vertrauen in die Unternehmensleitung stärken.139 Andererseits soll mit der Außenwirkung von Corporate Citizenship das Unternehmen als attraktiver Arbeitgeber dargestellt werden. Die Interaktion mit dem Gemeinwesen kann für den potenziellen Bewerber ein Hinweis sein, dass das Unternehmen an einem guten Arbeitsklima Interesse hat und dieses im Einklang mit dem Personal umzusetzen weiß.140 4.4.3 Absatzpolitische Ziele Im Vergleich zu den öffentlichkeitsbezogenen Zielen sowie den personalpolitischen Zielen kommt den absatzbezogenen Zielen die geringste Einschätzung der Unternehmen zu. Sie wurden in ca. 52% der Fälle genannt.141 Das bürgerschaftliche Engagement soll indirekt auf die bestehenden Kundenbeziehungen einwirken. Mit Corporate Citizenship soll die Intention der langfristigen Bindung an das Unternehmen unterstrichen werden. Steht die Absatzsteigerung im Vordergrund, stellt sich die Frage, ob dieses Feld bereits mit dem Sponsoring besetzt ist. Eine Implementierung von Corporate Citizenship in die Werbung kann in Deutschland nur nach den Kriterien des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) geschehen. Dabei stellt sich die Verknüpfung von Verkaufsargument mit sozialen bzw. gesellschaftlichen Faktoren als kritisch dar. McDonald’s musste Mitte der 1980er seine Werbekampagne einstellen, in der das Unternehmen damit warb, dass es das Deutsche Kinderhilfswerk unterstützen würde. Dabei sollte an einem „McHappy-Tag“ ein bestimmtes Produkt zu einem Aktionspreis angeboten werden. Die Erlöse aus der Aktion sollten dem Deutschen Kinderhilfswerk gespendet werden. Nach dem Urteil zufolge diente die Nennung des sozialen Zweckes oder der sozialen Institution als Verkaufsargument für die Produkte und nicht dem sozialen Aspekt der Förderung. Dabei wurden die Kunden aus sachfremden 139 Vgl. Maaß/Clemens, 2002, S. 84 Vgl. Maaß/Clemens, 2002, S. 85 141 Vgl. Maaß/Clemens, 2002, S. 81 140 Corporate Citizenship 51 Erwägungen zum Konsum veranlasst. Das soziale Engagement eines Unternehmens Konsumenten ist demnach abhängig zu nicht von machen. 142 der Um Kaufentscheidung die Unterstützung des des Deutschen Kinderhilfswerkes fortzuführen, gründete das Unternehmen die Ronald McDonald’s Kinderhilfe. Ebenfalls nicht im Einklang mit dem UWG war die begleitende Werbung des Regenwaldprojektes der Brauerei Krombacher. Hier wurden die Verbraucher vor die Entscheidung gestellt, sich entweder für das Produkt Krombacher und somit den Schutz des Regenwaldes zu entscheiden oder dagegen. Nach Aussage des Landgerichts Siegen wäre die Kampagne zulässig gewesen, wenn in der Werbung der Hinweis angebracht worden wäre, dass die Förderung auch unabhängig von der Kaufentscheidung erfolge.143 Im Verlauf des Projektes wandelte Krombacher es in ein Sponsoring-Projekt um. Darüber hinaus ist das Geld nicht nur dem Kooperationspartner World Wide Fund for Nature (WWF) zur Verfügung gestellt worden, sondern es wurde mit dem WWF im Vorfeld ein Konzept entwickelt, für welche Zwecke die Gelder verwendet werden sollen. Die Unterstützung von Krombacher umfasst die Ausbildung von Antiwildererbrigaden, die Renovierung einer Krankenstation und der Bau eines Urwaldhotels, welches die Einnahmemöglichkeiten der Einheimischen sichern soll.144 Auch wenn die Ausführung vor Ort in der Hand des WWF liegt, handelt es sich um eine Partnerschaft, die gemeinsame Aktivitäten von Krombacher und WWF umfasst. Die Koordinationsaufgaben Regenwaldstiftung übergegangen. 145 sind mittlerweile in eine Die Brauerei Krombacher hat ihrerseits den Nutzen aus dem Regenwaldprojekt für ihre Werbestrategie gezogen. Dadurch ist die aktive Gestaltung von Krombacher nicht zu erkennen, so dass die Außenwirkung der einer Sponsoringmaßnahme entspricht. Die Einbettung des Projektes in die Werbestrategie hat demzufolge Vorrang vor einer deutlichen Kennzeichnung als Corporate Citizenship-Maßnahme. 142 Vgl. Schiewe, 1995, S. 29 http://www.jura-lotse.de/newsletter/nl49-005.shtml 144 Vgl. http://www.krombacher.de/infopresse/regenwladprojekt/index.php 145 Vgl. http://www.krombacher.de/infopresse/regenwladprojekt/index.php 143 Corporate Citizenship 5 Fallbeispiele 5.1 „betapharm“ 52 Die „betapharm“ Arzneimittel GmbH ist ein junges Unternehmen, welches im Jahre 1993 in Augsburg gegründet wurde. Das pharmazeutische Unternehmen vertreibt patentfreie Arzneimittel, die als Generika bezeichnet werden. Die nachfolgenden Informationen stammen aus einem offenen Interview zwischen Christine Pehl, Beauftragte für Corporate Citizenship der Firma „betapharm“, und dem Verfasser. Das Gespräch wurde am 25.10.2004 in der Unternehmenszentrale in Augsburg geführt. Das Unternehmensleitbild von „betapharm“ stellt seit Beginn den Menschen in den Mittelpunkt. Zunächst war und ist dieses unternehmensintern auf den offenen Umgang mit den Mitarbeiten gerichtet, um ein angenehmes und effektives Arbeitsklima zwischen Unternehmensleitung und Mitarbeiter zu erzielen. Unternehmensextern kommt dieses Leitbild durch eine transparente Preisbildung gegenüber den Kunden (Apothekengroßhändler, Apotheken und Ärzte) und einer grundsätzlichen Tiefpreis-Strategie zum Tragen.146 Die Generika sind innerhalb des pharmazeutischen Marktes ein stark umkämpfter Bereich. Zum einen bieten neben den originären GenerikaHerstellern auch die Pharmazieunternehmen selbst ihre ausgelaufenen Patente unter anderen Namen an. Zum anderen sehen die Krankenkassen in den Generika ein Substitut zu den Produkten mit dem Original-Wirkstoff und somit die Möglichkeit die Ausgaben im Gesundheitswesen zu senken. Im Jahre 1997 kam es zu einer Stagnation des Unternehmensumsatzes, hervorgerufen durch die Nachahmung der Tiefpreis-Strategie einiger Wettbewerber. „betapharm“ sah sich nicht in der Lage, sich mit den bisherigen Inhalten des Marketings von der Konkurrenz abzuheben.147 Aus dieser Notwendigkeit und der Besinnung auf sein Leitbild wurde das 146 147 Pehl, am 25.10.2004 Pehl, am 25.10.2004 Corporate Citizenship 53 Unternehmen in den kommenden Jahren auf eine Corporate CitizenshipStrategie ausgerichtet. 5.1.1 Projektbeschreibung Die Auswahl des gesellschaftlichen Bereiches sollte nicht nur die Nähe der wirtschaftlichen Tätigkeit repräsentieren, sondern es auch ermöglichen, die Unternehmenskompetenzen einzubringen. Die Unternehmensführung von „betapharm“ legte fest, ein unternehmerisches bürgerschaftliches Engagement auf dem Gebiet des Gesundheitswesens anzusiedeln. Die Umsetzung des Engagements, das über den Rahmen des Sponsorings hinausgehen sollte, sollte mit Hilfe eines externen Partners geschehen.148 Als potenziellen Partner lokalisierte „betapharm“ den „Bunten Kreis e.V.“, der sich um krebs- und schwerstkranke Kinder und Frühgeborene sowie deren Familien in der Region rund um Augsburg kümmert. Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt in der Bewältigung der schwierigen Phase rund um die Klinikentlassung und die Rückkehr in die Familie. Aufgrund der schweren Krankheit ist es für das Kind, aber auch für die Eltern eine Umstellung, mit der neuen Situation zu Recht zu kommen. Damit schließt die Arbeit des „Bunten Kreises“ die Lücke zwischen klinischer Komplettversorgung und dem heimischen Kinderzimmer.149 5.1.2 Umsetzung Mit der Festlegung, sich innerhalb des Gesundheitssystems gesellschaftlich zu engagieren, erweiterte diese Strategie zunächst das Unternehmensleitbild „der Mensch steht im Mittelpunkt“: Für „betapharm“ lässt sich daraus ableiten, dass Gesundheit mehr als Medizin und die Abwesenheit von 148 149 Pehl, am 25.10.2004; Vgl. Kinzl, 2004, S. 102 Pehl, am 25.10.2004; Vgl. „betapharm, 2003, S. 9 Corporate Citizenship 54 Krankheit ist.150 Nachdem von „betapharm“ die Arbeitsweise und die Substanz des „Bunten Kreises“ überprüft wurden, kam man im Sommer 1998 überein, den Finanzmitteln Verein bringt organisatorischen finanziell und „betapharm“ Fähigkeiten ideell zu unterstützen. Management-Wissen und Erfahrungen im in Neben Form von Umgang mit Krankenkassen ein. Ziel der Unternehmensführung war es, das Modell „Der Bunte Kreis“ bundesweit bekannt zu machen und weiter zu entwickeln. Bereits im Herbst 1998 wurde die „betapharm-Nachsorgestiftung“ als erster Schritt für die überregionale Bekanntmachung des „Bunten Kreises“ ins Leben gerufen. Hierfür wurde Anfang 1999 das Buch „Neue Wege in der Nachsorge“ vorgestellt, das das Nachsorgemodell publik machen sollte. Zur weiteren Förderung des Bekanntheitsgrades initiiert der „Bunte Kreis“ seit 1999 das Augsburger Nachsorgesymposium für den wissenschaftlichen Austausch über Nachsorge- bzw. integrierte Versorgung.151 Es findet alle zwei Jahre statt und wird von „betapharm“ finanziert und organisiert. Aus der Arbeit mit dem „Bunten Kreis“ entstand die Idee, die Ergebnisse des Nachsorgemodells wissenschaftlich zu überprüfen.152 Hierfür wurde im Herbst 1999 das „beta-Institut für sozial-medizinische Forschung und Entwicklung“ gegründet. Aus dieser Aufgabenstellung heraus beschäftigt sich das „beta-Institut“ heute mit Fragen der ganzheitlichen Krankheitsbewältigung, Case-Management und psychosozialer Gesundheit. Daneben fördert die Stiftung die sozial-medizinische Forschung im Bereich der Frühgeborenen-Medizin. Die wissenschaftliche Umsetzung der sozioökonomischen Studie zur Bewertung des Nachsorgemodells wurde in Kooperation mit der Universität Augsburg umgesetzt. Involviert waren das Institut für Volkswirtschaft und das Institut für Gesundheitsökonomie, die ihre Arbeit 2003 abgeschlossen 150 Pehl, am 25.10.2004 Pehl, am 25.10.2004 152 Pehl, am 25.10.2004 151 Corporate Citizenship 55 haben.153 Die Studie zeigt den positiven Effekt, dass für Frühgeborene trotz der intensiven Nachsorge die Krankenkosten gesenkt werden konnten. Belegbare Indikatoren sind die kurzen Liegezeiten und marginale Rückfälle, die einen Klinikaufenthalt wieder notwendig machen würden.154 Aufgrund der Ergebnisse startete das „beta-Institut“, der „Bunte Kreis“ sowie „betapharm“ eine Gesetzesinitiative zugunsten der Nachsorge. Um die Gesetzesinitiative öffentlich bekannt zu machen, wurde mit der „Augsburger Puppenkiste“ eine Kinderklinik-Tournee veranstaltet.155 In Berlin übergab das „beta-Institut“ mit der „Puppenkiste“ die Gesetzesinitiative an die Ministerin für Gesundheit, Ulla Schmidt (SPD), und den CSU-Abgeordneten für Gesundheitspolitik, Horst Seehofer. Bereits im Oktober 2003 verabschiedete der Bundesrat im Rahmen der Gesundheitsreform die Aufnahme der sozialmedizinischen Nachsorge im Krankenversicherungsrecht (SGB V). Die Nachsorge für Kinder ist seit dem 1. Januar 2004 ein Leistungsbestandteil der Krankenkassen und ist in den §§ 43 (2) und 132 c SGB V geregelt. 5.1.3 Ziele Das soziale Engagement wirkt sich unternehmensintern auf die Mitarbeiter durch eine gesteigerte Zufriedenheit und Motivation aus. Dadurch dass die unternehmerische Tätigkeit einen engen Bezug zum sozialen Engagement aufweist, wird die Tätigkeit sinnstiftend.156 Neben den weichen Faktoren spielen betriebswirtschaftliche Gründe eine Rolle. Das soziale Engagement trägt zu einer veränderten Wahrnehmung des Unternehmens bei. So wird heute „betapharm“ auf dem Markt mit sozialer Verantwortung und Kompetenz assoziiert. Dieses Bild wird gestärkt durch das Dienstleistungsangebot von „betapharm“. Mit den aus der Mitarbeit im „Bunten Kreis“, der Nachsorgestiftung und dem „beta-Institut“ gewonnen 153 Vgl. „beta-Institut“, 2003, S. 13 Vgl, „beta-Institut“, 2003, S. 6 und S. 12 f. 155 Pehl, am 25.10.2004 156 Pehl, am 25.10.2004 154 Corporate Citizenship 56 Kompetenzen wurde das Dienstleistungsangbot „beta-care“ entwickelt.157 Hierbei handelt es sich um einen Informationsdienst für Sozialfragen im Gesundheitswesen, an den sich Ärzte und Apotheker sowie Klinikpersonal wenden können. Das Angebot ist in drei Medien aufgeteilt:158 • „betafon“: ein telefonischer Fachinformationsdienst, der überwiegend von Ärzten und Apothekern genutzt wird. Neben Fragen zu den Medikamenten werden auch Sozialfragen zum Gesundheitswesen bearbeitet. • „beta-Liste“: hier handelt es sich um ein Lexikon zum Sozialrecht, das gezielt die Paragraphen auswählt, welche im Umfeld von Krankheit und Behinderung relevant sind. Die „beta-Liste“ ist dabei verständlich formuliert und listet die Adressen von Verbänden, Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen sortiert nach Krankheitsbildern auf. • „betanet“: im „betanet“ findet sich die „beta-Liste“ wieder, angereichert mit Praxisbeispielen und entsprechender Suchmaske. Aus dem sozialen Engagement ist ein Leistungsangebot entstanden, mit dem sich „betapharm“ auf dem Markt profilieren kann. Innerhalb des Generikamarktes sind die Produkte in Preis und Qualität leicht austauschbar. Die soziale Verantwortung ist für „betapharm“ zu einem strategischen Wettbewerbsvorteil geworden.159 Mit den Corporate Citizenship-Maßnahmen konnte sich das Unternehmen ein Alleinstellungsmerkmal sichern, welches es von anderen Herstellern abgrenzt und hervorhebt. Da das Marketing grundsätzlich mit der Steuerung und Kommunikation der Informationsdienste gegenüber Fachkreisen betraut ist, sieht man bei „betapharm“ den Zusammenhang 160 Engagement. zwischen Unternehmenswachstum Pehl, am 25.10.2004 Vgl. „betapharm“, 2003, S. 19; „beta-Institut“, 2003, S. 28 ff. 159 Pehl, am 25.10.2004; Vgl. Kinzl, 2004, S. 101 f. 160 Pehl, am 25.10.2004 158 sozialen Abbildung 5 zeigt den Start der Corporate Citizen-Strategie und die Umsatzentwicklung. 157 und Corporate Citizenship 57 Abbildung 5:Umsatz „betapharm“, Habisch (b), 2004, S. 30 Die Gesetzesinitiative von „betapharm“ zeigt noch einen weiteren Effekt: Das in Abschnitt 2.1.2 dargestellte Modell der Unternehmensethik nach Homann nimmt eine Unterteilung in Rahmenordnung und Spielzügen der Wettbewerber vor. An diesem Praxisbeispiel zeigt sich, dass Corporate Citizenship einerseits einen Spielzug innerhalb des Wettbewerbs darstellt, wie hier, um eine positive Reputation zu erlangen und Kunden zu binden. Andererseits ist es möglich, auf die Rahmenordnung selbst gestaltend einzuwirken. Mit der Gesetzesinitiative und der Aufnahme der Nachsorge für Kinder in den Leistungskatalog der Krankenkassen haben sich auch die Regeln des Gesundheitsmarktes geändert. In diesem Bereich ist „betapharm“ durch sein Engagement in einen Wettbewerbsvorteil gelangt. Durch beratende Tätigkeit an Kliniken kann es seinen Bekanntheitsgrad ausbauen sowie die Kundenbindung seitens der Ärzte und der Apotheker stärken. Corporate Citizenship 58 Die Aktivitäten des Marketings werden in den nächsten Jahren ausgebaut. Bisher ist die Kommunikation des sozialen Engagements auf das relevante Fachpublikum, wie Ärzte, Apotheker, Kliniken, gerichtet oder beschränkt sich auf die Publikation von Beiträgen zum sozialmedizinischen Bereich in Fachzeitschriften. Geplant ist eine Kommunikationsstrategie, die auf die Konsumenten zugeschnitten ist.161 Damit soll das soziale Engagement von „betapharm“ einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht werden.162 5.2 British American Tobacco Der Tabak- und Zigarettenhersteller British American Tobacco ist mit einem Marktanteil von ca. 15% der zweitgrößte Tabakkonzern in der Welt.163 Auf dem deutschen Markt ist er mit einer eigenen Tochterunternehmung, der British American Tobacco Germany (BAT Germany), seit 1926 vertreten. Die Tabakkonzerne stehen seit längerem wegen ihrer gesundheitsschädlichen Produkte und ihres Werbeverhaltens in der öffentlichen Kritik. Davon sind das Unternehmen British American Tobacco (BAT) und ihre deutsche Tochtergesellschaft BAT Germany nicht ausgenommen. 5.2.1 Projektbeschreibung Der Konsum von Tabakprodukten gesundheitsschädigenden Wirkung steht im vor allem Mittelpunkt wegen der seiner öffentlichen Diskussion. Um bei der Diskussion nicht außen vor zu bleiben und den Mangel an Verantwortung zu beseitigen wurden von BAT zwei Aktionen gestartet: 161 Pehl, am 25.10.2004 Pehl, am 25.10.2004 163 Vgl. BAT Germany, 2004, S. 74 162 Corporate Citizenship • 59 die Erarbeitung von Geschäftsleitlinien, die für alle Niederlassungen in der Welt gelten, mit der Verankerung eines ethischen Kodizes, • die Umsetzung eines “Social Reporting Process“ mit den wichtigsten Interessensgruppen (Stakeholder) des Unternehmens, insbesondere zu den Themen Jugendliche, Rauchen und Gesundheit. Die neuen Geschäftsleitlinien wurden von BAT im Jahre 2003 veröffentlicht und bereits im Geschäftsjahr 2004 von BAT Germany implementiert. Dies führte zu organisatorischen Veränderungen, besonders in den Abteilungen die für die Betreuung von Corporate Citizenship und für den bereits laufenden “Social Reporting Process“ zuständig sind.164 Die Leitlinien bilden die Grundlage für die Umsetzung der strategischen Ziele Wachstum, Produktivität und Verantwortung und finden sich in drei Unternehmensgrundsätzen wieder.165 Die Grundsätze des „gegenseitigen Nutzens“ und des „pflichtbewussten unternehmerischen Handelns“ richten sich auf die ökonomischen Ziele. In dem Grundsatz der „verantwortungsvollen Produktbegleitung“ kommen die ethischen Prinzipien zum Tragen. Der “Social Reporting Process“ ist ein langfristig angelegter, nach klaren Kriterien geführter und von unabhängigen Institutionen überwachter Dialog zwischen dem Unternehmen und seinen Stakeholdern. Die Idee des Dialoges stammt von BAT, die bereits im Jahre 2000 mit der Umsetzung begann. Deshalb konnte sie im Sommer 2003 aus den Ergebnissen des Dialoges die Unternehmensleitlinien vorstellen. Das Verhältnis zwischen BAT Germany und der Gesellschaft hat sich in der Hinsicht geändert, dass das Unternehmen heute viel mehr in der Gesellschaft wahrgenommen wird. Die Diskussion zum Thema Rauchen sowie Jugendliche und Werbung wird nicht anonym auf die Branche bezogen 164 165 Vgl. BAT Germany, 2004, S. 62 Vgl. BAT Germany, 2004, S. 46 Corporate Citizenship 60 sondern fällt direkt auf das Unternehmen zurück. Das Unternehmen macht dafür verschiedene Faktoren verantwortlich, darunter die stetig wachsende Zahl kritischer Interessensgruppen, die schnellere und umfassende Information der Menschen über unternehmerisches Handeln und die wachsende Kapitalismuskritik.166 In diesem Zusammenhang spricht das Unternehmen explizit von Corporate Citizenship. Dazu Detlef Zimmermann, Sprecher der Geschäftsführung von BAT Germany: „Wir verstehen uns als Teil der Gesellschaft und handeln danach. Wir wollen gesellschaftliche Entwicklungen aktiv mitgestalten – im Zusammenhang mit dem Thema Rauchen, aber als verantwortungsbewusster ‚Bürger‘ auch darüber hinaus. Und deshalb müssen wir den Menschen zuhören, um von ihnen lernen zu können.“167 In Deutschland befindet sich der “Social Reporting Process“ noch im Gange. Im anschließenden Abschnitt wird die Umsetzung des Projektes anhand des deutschen Dialoges aufgezeigt. 5.2.2 Umsetzung Der “Social Reporting Process“ ist ein Stakeholder-Dialog, in den insbesondere die kritischen Interessensgruppen einbezogen werden.168 Das Unternehmen entwickelte hierfür einen Vierphasen-Plan, welcher schrittweise über mehrere Geschäftsjahre umgesetzt wird. Mit dem Start des Projektes, dem “Entry-Plan“, lokalisierte BAT Germany die wichtigsten Interessensgruppen und nahm eine Klassifizierung und Bewertung vor. Abbildung 6 gibt einen Überblick aller Stakeholder. Dazu zählen unter anderem:169 166 Vgl. BAT Germany, 2003, S. 8 Vgl. BAT Germany, 2003, S. 9 168 Vgl. Gazdar/Kirchhoff, 2004, S. 362 169 Vgl. BAT Germany, 2003, S. 10 f. 167 Corporate Citizenship • 61 Medien: Durch ihre Berichterstattungen sind sie meinungsbildend, ermöglichen aber auch, dass der Dialog in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. • Politik: Durch die Legislative wird die Rahmenbedingung für die Branche bestimmt. Hier sind auch Gesundheitsbehörden und das Gesundheitsministerium eingeordnet. Die Politik stellt so die größte Anspruchsgruppe dar. • Gesundheit: Organisationen, die sich mit Gesundheitsfragen und Auswirkungen des Rauchens beschäftigen, kritisieren BAT Germany am schärfsten. • Jugendliche: Jugendliche gehören nicht zur Zielgruppe von BAT Germany. Jedoch kommt dieser Anspruchsgruppe ein besonderer Schutz in Form von Prävention zu. Abbildung 6: Kartierung Stakeholder BAT, BAT Germany, 2003, S. 11 Siehe auch Anhang S. 84. Corporate Citizenship 62 Bei der zweiten Phase handelte es sich um die “Listen-Phase“170, bei der BAT Germany im Januar 2002 erstmals verschiedenen Stakeholdern zum Dialog einlud.171 Interessensvertreter aus staatlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Organisationen diskutierten über zwei zentrale Themen – Jugendschutz und Gesundheit. Dabei ging es den Unternehmensvertretern nicht um einen Schlagabtausch von Argumenten, sondern darum, sich die verschiedenen Ansichten und Forderungen der Interessensrepräsentanten anzuhören.172 Die dritten Phase – “Decide“ – bestand zunächst darin, dass sich das Management unternehmensintern mit den verschiedenen Vorschlägen und Erwartungen auseinandersetzte. Dabei sollten mögliche Schnittmengen aufgezeigt werden, aber auch Positionen, in denen keine Übereinkunft zu erwarten war.173 Darüber hinaus wurden erste Aktivitäten umgesetzt, die als Grundlage für die zweite Dialogrunde dienen sollten.174 Der zweite Dialog fand im November 2002 statt. Zu diesem Anlass waren zudem weitere der Tabakindustrie gegenüber kritisch eingestellte Vertreter eingeladen. So war beispielsweise Dr. Elisabeth Pott, Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, anwesend. Dr. Theo Sommer, ehemaliger Herausgeber der „Zeit“ und Leiter der Diskussionsrunde, zur Arbeitsatmosphäre: „Als Moderator habe ich das Gespräch wiederum als sehr lebendig, ehrlich, und bei aller Gegensätzlichkeit der Standpunkte, fruchtbar empfunden. Die Probleme bestehen freilich fort. Aus diesem Grunde soll auch der Dialog fortgeführt werden.“ Während die Dialoge selbst unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden, wurden die Ergebnisse jeweils in einem Bericht veröffentlicht. 170 Anmerkung des Verf.: von „to listen“ – zuhören Vgl. BAT Germany, 2003, S. 14 172 Vgl. Gazdar/Kirchhoff, 2004, S. 123 173 Vgl. Gazdar/Kirchhoff, 2004, S. 123 174 BAT Germany, 2003, S. 16 171 Corporate Citizenship 63 Die Reaktionen von BAT Germany auf die erste Gesprächsrunde lassen sich unter einer Phrase zusammenfassen: „Glaubwürdigkeit muss weh tun“. Diese Forderung des Staatssekretärs Müller verdeutlicht, dass erst die Bereitschaft des Unternehmens zu schmerzhaften Zugeständnissen, z.B. dem eindeutigen Verzicht auf bestimmte Umsatzpotenziale, den Stakeholdern und der breiten Öffentlichkeit das Vertrauen gibt, dass es dem Unternehmen ernst ist mit der gesellschaftlichen Verantwortung.175 Zahlreiche Maßnahmen wurden von British American Tobacco in Absprache mit den Stakeholdern initiiert, vor allem im Jugendschutz (erschwerter Zugang zu Tabakprodukten, Prävention und Suchtkompetenz) und Nichtraucherschutz. Auch die Gesundheit der Konsumenten ist ein zentrales Thema, z.B. die Entwicklung risikoärmerer Zigaretten. Die freiwillige Selbstbeschränkung in der Werbung ist ein weiterer wichtiger Schritt. Des weiteren unterstützt das Unternehmen eine Maßnahme zur Prävention des Rauchens von Jugendlichen mit 11,8 Millionen Euro.176 British American Tobacco unterstützt zudem zahlreiche Forschungsprojekte, zum Beispiel zur Persönlichkeitsentwicklung Jugendlicher, verzichtet aber auf eigene Aktivitäten, um den Verdacht falscher Motive zu vermeiden.177 Der dritte Dialog konnte aufgrund der oben genannten Umstrukturierung bei BAT Germany erst wieder im März 2004 stattfinden. Er stand im Zeichen der Konsequenzen, die BAT Germany gezogen hat, und befasste sich mit dem Effekt von Steuererhöhungen. So wird BAT Germany bis 2007 alle Automaten auf die Benutzung von Geldkarten mit Altersnachweis umstellen und die Zahl der 800.000 Automaten um ca. 25-30% reduzieren. Des weiteren unterstützt sie die Kampagne des AvDs zum Verbot des Rauchens im Auto, wenn Kinder mitfahren. Der “Social Reporting Process“ wird von dem Institut Bureau Veritas begleitet, dokumentiert und verifiziert. In diesem Zusammenhang wurde von 175 Vgl. BAT Germany, 2003, S. 17 Vgl. BAT Germany, 2003, S. 17 177 Vgl. BAT Germany, 2003, S. 15 176 Corporate Citizenship 64 Bureau Veritas festgehalten, dass der Grad des Vertrauens bestimmter Interessensgruppen, besonders derer, die sich dem Dialog verweigert haben, wie z.B. dem Deutschen Krebsforschungszentrum, nicht gestiegen ist.178 Dessen Stellungnahme ist im Social Report 2003 nachzulesen. 5.2.3 Ziele Die vierte und letzte Phase ist die “Deliver-Phase“, in der die Entscheidungen aus den Dialogen in den Unternehmensentscheidungen zum Tragen kommen. Der deutsche Dialog zeichnet sich durch ein Wechsel von “Listenund Decide-Phase“ und “Deliver-Phase“ aus. Das Ziel des Dialoges ist es, die Einstellungen und Erwartungen der verschiedenen Gruppen besser kennen zu lernen, um daraus Richtlinien für vernünftiges Verhalten zu entwickeln. Dabei werden die verschiedenen Positionen daraufhin untersucht, bei denen es Schnittmengen gibt bzw. in welchen Punkten sich BAT Germany auf die externen Interessen zu bewegen kann. BAT Germany setzt sich mit den Interessensgruppen, die kritische Fragen stellen, auseinander und nimmt dabei auch die Rolle des Zuhörers ein. Dadurch konnte die Glaubwürdigkeit von BAT Germany gefestigt werden, zumal sie mit vereinbarten Unternehmensaktivitäten einhergeht. Die Konzernleitung von BAT hat aus ihren “Social Reporting Process“ die oben aufgeführten Geschäftsleitlinien abgeleitet. Der deutsche Dialog betont die “Deliver-Phase“, die auf einzelne Unternehmensentscheidungen einwirken und die zu einer positiven Resonanz in der Gesellschaft führen sollen. 178 Vgl. BAT Germany, 2003, S. 27 Corporate Citizenship 6 65 Bestimmung des Neuheitsgrades Für die Bestimmung des Neuheitsgrades von Corporate Citizenship, ist es erforderlich, drei Aspekte zu beleuchten, die als Indikator für den Neuheitsgrad dienen sollen. Zunächst soll eine Aussage getroffen werden, ob Corporate Citizenship eine Mode in der Unternehmensführung ist. In einem zweiten Schritt wird geklärt, in wie weit es sich bei Corporate Citizenship um eine Managementmethode handelt und welche Bereiche es in der Unternehmensführung berührt. Darüber hinaus soll aufgezeigt werden, in welchen Umfang eine Corporate Citizenship-Strategie in das Unternehmensumfeld eingreift und von der Umwelt wahrgenommen wird. Anhand dieser Kriterien wird es möglich sein, Corporate Citizenship einzuordnen und eine Aussage über den Neuheitscharakter zu treffen. 6.1 Unternehmensführung als evolutionäres System Ausgangspunkt der Diskussion ist die Prämisse, dass Organisationen kein starres Gebilde sind, sondern sich in eine offene Zukunft begeben und somit einer Evolution unterliegen179. Diese Entwicklungsfähigkeit findet ihren Ausdruck in den Basisfähigkeiten der Organisation. Eine Organisation entwickelt ihre Basisfähigkeiten durch die Bereitschaft von • Handlungsfähigkeit • Lernfähigkeit und • Empfänglichkeit (Responsiveness) gegenüber den vielfältigen Lebens-, Sprach- und Wissensformen.180 Der Handlungsfähigkeit fällt die Aufgabe zu, auf Veränderungen zu agieren bzw. zu reagieren. Grundsätzlich wird sich die Handlungsfähigkeit erhöhen, je 179 180 Vgl. Kirsch, 1997, S. 13 Vgl. Kirsch, 1997, S. 14 Corporate Citizenship 66 häufiger Veränderungszyklen durchlaufen werden. Für die Verwirklichung müssen Lösungsansätze initiiert, Ressourcen mobilisiert und Akzeptanz erreicht werden.181 Mit Lernfähigkeit wird die Gewinnung und Nutzung von Wissen und Know-how umrissen. Sie schließt ebenfalls die systematische Suche nach Wissen, wie z.B. die Marktforschung, mit ein. Die Responsiveness des Unternehmens bezieht sich einerseits auf die Empfänglichkeit gegenüber relevanten Erkenntnissen, die innerhalb und außerhalb der Organisation zugänglich gemacht werden. Andererseits geht es um die Bedürfnisse und Interessen vielfältiger Lebens- und sehen. Die Sprachformen.182 Vor diesem Hintergrund Unternehmensumwelt wird ist der Begriff Evolution immer einen Wandel zu durchlaufen und Veränderungen mit sich ziehen. Die Unternehmensführung sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis wird diese Entwicklung aufgreifen und durch Diskussion, Forschung und Analyse nachzeichnen. Für die Führungslehre bedeutet dies, dass neben der Umwelt sie selbst Objekt der Untersuchung wird.183 Dadurch wird die Führungslehre „als Teil ihres eigenen Objektbereiches mit in eine offene Zukunft evolviert.“184 Die Effekte lassen sich anhand der Entwicklungsfähigkeit der Organisation aufzeigen, die sie zu einem besseren Umgang mit der Evolution befähigen. Hierfür muss jedoch Wissen für die Unternehmensführung bereitgestellt werden. Initiiert wird dieses Know-how durch die Beobachtungen der Akteure innerhalb und außerhalb der Organisation. Bei den Akteuren bzw. Beobachtern handelt es sich um Manager und Mitarbeiter, Wissenschaftler, Berater, Verbänden, Lieferanten, Konkurrenten, Journalisten etc.185 Dabei produzieren die beteiligten Akteure Wissen über die Handlungsstrukturen des Unternehmens sowie über die Unternehmensumwelt und darüber, welche Position es in dieser hat. Daraus lassen sich intervenierende Handlungsalternativen 181 Vgl. Kirsch, 1997, S. 14 f. Vgl. Kirsch, 1997, S. 15 183 Vgl. Kirsch, 1997, S. 12 184 Kirsch, 1997, S. 12 185 Vgl. Kirsch, 1997, S. 24 182 ableiten, die als Theorien thematisiert und Corporate Citizenship 67 kommuniziert werden.186 Dem Unternehmen steht so ein Ideenpool zur Verfügung, auf den es entsprechend seiner Erkenntnisse zurückgreifen kann. Kirsch bezeichnet dies als Ökologie des Wissens, welches einen nie endenden Kreislauf von Gewinnung und Nutzung von Wissen darstellt.187 6.1.1 Moden in der Unternehmensführung Mit der Ökologie des Wissens lässt sich nachvollziehen, dass sich im Laufe der Zeit neue Managementmethoden entwickeln und den Weg in die Betriebswirtschaft finden. Einige dieser Konzepte werden dabei so populär, dass sie den Status einer Managementmode erlangen. Insbesondere das zeitgleiche Aufgreifen eines bestimmten Managementkonzeptes durch verschiedene Unternehmen, Berater und Wissenschaftler kann diesen Effekt auslösen. Die Popularität eines Managementkonzeptes lässt sich auf drei Indizien reduzieren.188 • In erster Linie geht die Bekanntheit auf einen Bestseller in der Literatur zurück, in dem das Managementkonzept präsentiert wird. • Gestärkt wird dieser Trend, wenn Dritte wie Unternehmensberater, Fachzeitschriften und Bildungseinrichtungen sich diesem Thema annehmen und das Managementkonzept in der Praxis zur Anwendung kommt. • Als drittes wird die Mode begleitet von einer wissenschaftlichen Diskussion an Universitäten, Aufsätzen in wissenschaftlichen Zeitschriften, auf Fachtagungen oder durch die Gründung von Netzwerken und Zeitschriften, die sich ausschließlich diesem Konzept widmen. 186 Vgl. Kirsch, 1997, S. 23 f. Vgl. Kirsch, 1997, S. 25 188 Vgl. Ringlstetter/Schuster, 2002, S. 170 (in Anlehnung an Kieser, 1996, S. 35) 187 Corporate Citizenship 68 6.1.2 Aktualität von Corporate Citizenship Die Aktualität von Corporate Citizenship kann nach den drei oben aufgeführten Kriterien beurteilt werden. Zunächst zeigt sich, dass Corporate Citizenship im Unterschied zu anderen Managementmethoden nicht auf einem Bestseller beruht. Das ist auf die Entwicklung von Corporate Citizenship zurückzuführen, die sich zum einen aus der Philanthropie und zum anderen aus der Unternehmensethik ableitet. Die Frage nach sozialer Verantwortung und in welchem Rahmen diese geleistet werden soll, ist nicht neu. Mit dem Zeitalter der Industrialisierung waren es vor allem Unternehmenspersönlichkeiten, Publikationen über die Corporate hier Handlungsbedarf Citizenship finden sich sahen. Die neben der Betriebswirtschaft auch in anderen Bereichen wie der Ethik, Politik und Soziologie. In der Praxis kommt Corporate Citizenship in verschiedenen Feldern vor. Zunächst gibt es in Unternehmen unterschiedlicher Branchen Jahresberichte über ihr soziales Engagement. Neben den üblichen Jahres- (Bilanz und Anhang bzw. Geschäftsbericht) und Umweltberichten dokumentieren Unternehmen ihr gesellschaftliches Engagement. Sie erstatten nach dem Triple Bottom Line-Prinzip bericht, mit dem eine dreifache Rechenschaftslegung nach sozialen (People), ökologischen (Planet) und ökonomischen (Profit) Kennzahlen erfolgt.189 Das Unternehmen Siemens veröffentlichte in den Jahren 2000 und 2001 ein Corporate Citizenship Bericht, in dem die Aktivitäten mit gesellschaftlichem Bezug dokumentiert wurden. Seit dem Jahr 2002 wird ein Corporate Social Responsibility Bericht veröffentlicht, der den Umweltbericht integriert. Die Deutsche Bank dokumentiert ihr gesellschaftliches Engagement ebenfalls unter Corporate Social Responsibility Report. Darüber hinaus sieht sich die Deutsche Bank der Nachhaltigkeit verpflichtet. Mit Mikrokrediten 189 Vgl. Dreswski, 2004, S. 14 Corporate Citizenship 69 finanzierte Projekte tragen dazu bei, die Armut in der Dritten Welt zu bekämpfen. Des weiteren ist sie in verschiedenen Organisationen (z.B. Bellagio, Econsense) aktiv, die sich um ökologische Projekte kümmern. 190 BMW dokumentiert sein Engagement in einem Nachhaltigkeitsbericht (Sustainable Value Report), dessen Augenmerk auf der ökologischen Produktion liegt, sowohl bei BMW als auch bei seinen Lieferanten. In diesem Kontext verflechten sie ihr gesellschaftliches Engagement, das in den Bereichen Bildung und Gesundheit sowie in der Einhaltung ethischer Kriterien angesiedelt ist. Das kulturelle Engagement wird auf einer separaten Internetseite der BMW Group präsentiert. British Petroleum (BP) geht einen ähnlichen Weg wie BMW und veröffentlicht einen Nachhaltigkeitsbericht, in dem die Aktivitäten betreffend Umweltschutz und gesellschaftlichen Engagements dargestellt werden. Bereits im Jahre 2001 kündigte Vodafone Deutschland seine aus der Fusion von Mannesmann Öffentlichkeit wurde übernommenen dies als ein Vereinsmitgliedschaften. Rückzug der In der gesellschaftlichen Verantwortung bewertet. In Deutschland richtete Vodafone sein Engagement auf die Leitbilder des Konzerns aus.191 Themen wie Bildung, Umweltschutz und Kultur stellen die gesellschaftlichen Tätigkeitsbereiche dar. So verblieb das von der Mannesmann AG initiierte Projekt „Buddy“ im Konzern und wird auch noch heute von Vodafone gefördert. Bei „Buddy“ handelt es sich um ein Projekt gegen Gewalt an Schulen.192 Corporate Citizenship wird in Unternehmensberatungen thematisiert und es bestehen verschiedene Netzwerke in Deutschland und auf internationaler Ebene. The Corporate Citizenship Company oder das Center for Corporate Citizenship am Boston College bieten Beratungsleistungen und fördern den Bekanntheitsgrad von Corporate Citizenship, indem sie umfassende Materialien zu diesem Thema veröffentlichen. An den Universitäten sind 190 Vgl. Deutsche Bank, 2003, S. 74 und 78 Vgl. Wieland/Conradi, 2002, S. 12 192 Vgl. Vodafone, 2004, S. 20 191 Corporate Citizenship 70 Institute gegründet worden, die Corporate Citizenship wissenschaftlich untersuchen. Zu nennen sind hier: • • Universität University of Nijmegen Niederlande Institut Corporate Responsibility University of Nottingham Großbritannien International Center of Corporate Responsibility (ICCSR) • Boston College Carroll School at Boston College USA • Deakin University Australien Center for Corporate Citizenship at Boston College (BCCCC) • Center for Corporate Citizenship (CCC) Katholische Universität Eichstätt – Ingolstadt Deutschland Corporate Citizenship Research Unit (CCRU) Dies stellt nur einen kleinen Einblick in wissenschaftliche Aktivitäten an den Universitäten dar. Die aufgeführten Institute zeichnen sich aber durch eine umfangreiche Präsentation von Corporate Citizenship aus. Neben den universitären Einrichtungen gibt es Initiativen und Wettbewerbe, die die Aktualität von Corporate Citizenship verdeutlichen. Im Mittelpunkt der Netzwerke steht die Förderung von Corporate Citizenship durch die Initiierung, Dokumentation und Analyse von Projekten in der Wirtschaft. Des weiteren leisten sie Aufklärungsarbeit und versuchen, Corporate Citizenship in der Praxis voranzutreiben. Die Wettbewerbe fördern den Bekanntheitsgrad dieser Thematik sowohl in der Wirtschaft als auch in der Öffentlichkeit. Als Wettbewerb soll hier die Initiative für „Freiheit und Verantwortung“ genannt werden. Sie zeichnet Klein-, Mittelstands- und Großunternehmen für ihr gesellschaftliches Engagement aus.193 Getragen wird die Initiative von den Unternehmensverbänden (BDA, BDI, DIHT) und der Wirtschaftswoche. Zu den Netzwerken in Deutschland zählt „UPJ – Unternehmen: Partner der Jugend“, die insbesondere Projekte im Bereich der Jugendarbeit initiieren 193 Vgl. Ramthun (b), 2001, S. 18 ff. Corporate Citizenship und vermitteln. Das 71 Feld erstreckt sich von Ausbildungsförderung, Freizeitgestaltung bis zur Prävention von Jugendgewalt. UPJ berät außerdem zur Managementmethode Corporate Citizenship in der Wirtschaft. In Form von Publikationen oder Tagungen stellen sie Informationen zur Verfügung.194 Dies ist jedoch nicht zu verwechseln mit der Beratungsleistung einer Unternehmensberatung. Die „Aktive Bürgerschaft“ ist eine Initiative des genossenschaftlichen Finanzverbundes und unterstützt die Gründung von Bürgerstiftungen, die gesellschaftliches Engagement auf lokaler Ebene umsetzen. Das größte Netzwerk in Europa ist die britische „Business in the Community“ mit mehr als 600 teilnehmenden Unternehmen. 6.2 Corporate Citizenship als Managementmethode Anhand des Bestimmungsortes des Unternehmens soll gezeigt werden, dass es sich bei Corporate Citizenship um eine Methode des Beziehungsmanagements handelt. Ausschlaggebend hierfür ist, wie sich Corporate Citizenship mit anderen Managementinstrumenten verzahnt. Corporate Citizenship muss einen Nutzen stiften, der einerseits die Perspektive des Unternehmens erweitert und andererseits einen Beitrag zum ideellen Wert des Unternehmens leistet. Insbesondere die Sicht auf die Unternehmensethik und welche Position das Unternehmen in diesem Kontext einnehmen möchte, spielt hier eine Rolle. Mit dem Modell der Unternehmensethik von Homann lässt sich dieser Bezug verdeutlichen. 6.2.1 Bestimmungsort des Unternehmens Einfach formuliert liegt der Bestimmungsort des Unternehmens zwischen Markt und Gesellschaft. Das Marketing begreift sich als eine konsequente 194 Vgl. http://www.upj-online.de Corporate Citizenship 72 Ausrichtung aller Aktivitäten auf die Erfordernisse des Marktes und nimmt eine dominante Handlungsmaxime im Unternehmen ein, wenn der Absatz den Engpass der Unternehmensentwicklung darstellt.195 Dennoch stellt die Unternehmensumwelt für das Marketing ein wichtiges Betätigungsfeld dar. Viele Veränderungen innerhalb des Marktes stehen in einem Zusammenhang mit den Umweltfaktoren. Dem Marketingmanagement fällt die Aufgabe zu, diejenigen Umweltfaktoren zu lokalisieren, die in ihren Entscheidungen eine Schlüsselfunktion einnehmen.196 Hierfür wird eine Unterteilung der Unternehmenswelt vorgenommen, wie sie in Abbildung 7 dargestellt ist. International National Regional Aufgabenumwelt Globale (Makro-) Umwelt politischrechtliche Umwelt ökologische Umwelt soziokulturelle Umwelt Kunden, Handel, Verbraucherorganisationen Unternehmung Beschaffungsmarkt Lieferanten, Geldgeber, Stellenbewerber Abbildung 7: Modell der Unternehmensumwelt, Meffert, 2000, S. 29 (in Anlehnung an Raffèe/Wiedmann 1987, S. 187 195 196 Vgl. Meffert, 2000, S. 4 Vgl. Meffert, 2000, S. 28 Wettbewerber technologische Umwelt Öffentlichkeit, Staat, Medien, Bürgerinitiativen etc. Absatzmärkte öko nomische Umwelt Corporate Citizenship 73 Die Aufgabenumwelt enthält die unmittelbaren Unternehmensaktivitäten in den Beschaffungs- und Absatzmärkten. Ebenfalls im Blickpunkt stehen die Teilnehmer, welche die Unternehmensentscheidungen beeinflussen können. Dies können Wettbewerber durch ihr Marktverhalten oder der Staat durch intervenierende Eingriffe, aber auch die öffentliche Meinung und Medien sein. Die Makroumwelt wird in ökonomische, ökologische, sozio-kulturelle, politisch-rechtliche und technologische Umwelt aufgeteilt. Kennzeichen dieser Bereiche sind die nicht kontrollierbaren Faktoren, die in den Entscheidungen von Marketing und Unternehmensführung jedoch eine Rolle spielen.197 Analog dazu ist diese Gliederung in Aufgabenumwelt und Makroumwelt auch für die Unternehmensführung von Bedeutung, wobei die Aufgabenumwelt auf die Innenbeziehung gerichtet ist. Aufgabe der Unternehmensführung ist die Koordination aller Produktionsfaktoren zum Zwecke einer optimalen Leistungserstellung.198 Für die Faktorkombination nutzt die Unternehmensführung die Erkenntnisse der Mikroökonomie, die in ihrer Produktionsfunktion und Konsumfunktion ihre Anwendung findet. Des weiteren geht es um die Zufriedenstellung der Anteilseigner, die die eigentliche Entscheidungsgewalt im Unternehmen innehaben. Mit dem Konzept des Shareholder Unternehmensführung Value umgesetzt.199 Das wird eine Konzept wertorientierte geht auf den Wirtschaftswissenschaftler Rappaport zurück. Die Entscheidungen des Unternehmens sind hierfür an die langfristige Erhöhung des Aktionärsvermögens durch zukünftige Dividenden und Kurssteigerungen gekoppelt. Bezieht man die Variablen der Makroumwelt in die Entscheidungen der Unternehmensführung ein, bildet sich eine zweite Interessensgruppe, die als 197 Vgl. Meffert, 2000, S. 29 Vgl. Macharzina, 2003, S. 10 199 Vgl. Macharzina, 2003, S. 10 198 Corporate Citizenship 74 Stakeholder bezeichnet wird. Dies sind die Arbeitnehmer, Gläubiger, Zulieferer, Kunden und der Staat, aber auch Verbänden, Bürgerinitiativen oder Nichtregierungsorganisationen, Entscheidungen des Unternehmens die einen haben Einfluss können. In auf Form die eines Koalitionsmodells erfährt der Stakeholder-Ansatz „eine hohe faktische Relevanz hinsichtlich der Entscheidungsfindung im Unternehmen.“200 Die Übertragung von Stimmrechten der Kleinaktionäre auf Banken verdeutlicht z. B. die Stärkung dieser Gruppe gegenüber der Unternehmensleitung. Der Wirkungsgrad des Shareholder Value bzw. die Entscheidungen, die auf eine wertorientierten Unternehmensführung gerichtet sind, sind messbar und nachvollziehbar.201 Dagegen lässt sich der Nutzen aus dem StakeholderKonzept nicht quantifizieren. Ein weiteres Problem für die Unternehmensführung ist die Frage nach der Balance, die zwischen den verschiedenen Stakeholdern herrschen soll. Welche Interessen soll man berücksichtigen und in welchem Grad? Hier stellt sich der Nutzen von Corporate Citizenship ein. Fakt ist, dass ein Unternehmen nicht alle von außen herangetragenen Interessen berücksichtigen kann. Mit Corporate Citizenship wird eine nachvollziehbare Auswahl an gesellschaftlichem Engagement getroffen, mit dem die Interessen bestimmter Anspruchsgruppen befriedigt werden. Die Corporate Citizenship-Programme tragen zu einem aktiven Unternehmensverhalten bei. Dieser Teil des Unternehmensverhaltens geht über die eigentliche Aufgabenumwelt hinaus und ist der Makroumwelt zuzuordnen. Das Unternehmensverhalten stellt einen Bereich der Unternehmenspersönlichkeit dar, die Ausgangspunkt einer Corporate Identity-Stratgie ist. Letztendlich besitzt jedes Unternehmen eine Identität. Wird die Unternehmenspersönlichkeit als ein Konzept angesehen und wird diese in einem widerspruchsfreien Auftreten geplant und gesteuert, so spricht man 200 201 Vgl. Macharzina, 2003, S. 10 Vgl. Gazdar/Kirchhoff, 2004, S. 71 Corporate Citizenship 75 von Corporate Identity. Dafür ist es notwendig, dass sich die Unternehmung über ihre Ziele und Zwecke im Klaren ist.202 Das Unternehmen wird in seiner Umwelt durch sein Verhalten wahrgenommen. Damit ist zum einen das Auftreten auf dem Markt in Form des Leistungsangebots des Unternehmens (Produkte/Dienstleistungen, Vertriebs- und Preispolitik) gemeint. Darüber hinaus spiegelt sich das Verhalten im Umgang mit den Stakeholdern und nicht zuletzt im sozialen Engagement wider.203 In der Summe lassen sich hier einerseits die Ziele und Zwecke des Unternehmens erkennen, und andererseits sagt es etwas über die Art des Unternehmens aus. Corporate Citizenship wird demnach zu einem Träger von Unternehmensverhalten innerhalb der Corporate Identity. „Es ist klar, dass auch die Verfolgung eines Zweckes unvermeidlich etwas über den aussagt, der den Zweck verfolgt, seine Identität mitbestimmt.“204 Orientiert sich die Auswahl der Corporate Citizenship-Maßnahmen an den Zielen des Unternehmens, fügt sie sich in das von Corporate Identity geforderten schlüssigen Verhalten ein. Ebenfalls zur Corporate Identity gehört die Unternehmenskommunikation. In ihr werden alle Kommunikationsinstrumente (z. B. Werbung, Public Relations etc.) nach Einsatz und Inhalt aufeinander abgestimmt.205 Als dritte Komponente von Corporate Identity ist das Unternehmenserscheinungsbild zu nennen. Durch das aufeinander Abstimmen von Farben, Schriften und Symbolen wird eine bildhafte Darstellung der Identität vermittelt.206 Corporate Citizenship zielt auf eine positive Reputation, die in der Regel auf die Unternehmensumwelt gerichtet ist. Sie wird ein Bestandteil des Images, welches wiederum der Corporate Identity entspringt. Die Abbildung 8 verdeutlicht diesen Zusammenhang. Die Corporate Identity stellt das Selbstbild des Unternehmens dar, während es sich beim Image um sein 202 Vgl. Birkigt et al, 1995, S. 19 Vgl. Birkigt et al, 1995, S. 20 204 Birkigt et al, 1995, S. 20 (zitiert nach Luhmann, 1973, S. 150) 205 Vgl. Birkigt et al, 1995, S. 22 206 Vgl. Birkigt et al, 1995, S. 21 203 Corporate Citizenship 76 Fremdbild handelt. Image ist die Reflexion der Unternehmensidentität auf Unternehmenspersönlichkeit ns me n ne h katio i ter Un mun ko m Unt e v erh r ne hme alte ns n den Märkten und in der Gesellschaft. 207 Unternehmenserscheinungsbild Abbildung 8: Corporate Image, Birkigt et al., 1995, S. 23 6.2.2 Corporate Citizenship als Ausdruck der Unternehmensethik In der oben aufgeführten Ortsbestimmung des Unternehmens wurde die Schnittstelle zwischen Markt und Gesellschaft mit betriebswirtschaftlichen Argumenten dargestellt. Um die Ortsbestimmung abzurunden, wird das Modell der Unternehmensethik von Homann aus Abschnitt 2.1.2 noch einmal herangezogen. In dem Modell wird zwischen Rahmenordnung und den Spielzügen der Wirtschaftsteilnehmer innerhalb der Rahmenordnung unterschieden. Das Unternehmen muss sich im Klaren sein, welche Werte und Normen es erfüllen kann und will. Dafür ist die Formulierung eines Unternehmensleitbildes sinnvoll. Hierbei werden der Bezugsrahmen der Unternehmensführung und das Verhältnis des Unternehmens gegenüber den 207 Vgl. Birkigt et al, 1995, S. 23 Corporate Citizenship 77 Markteilnehmern und anderen Bezugsgruppen festgelegt.208 Es wird hiermit die Frage nach dem Sinn des Handelns gestellt und welche moralischen Werte dahinter stehen. Mit der Formulierung eines Unternehmensleitbildes schafft sich die Unternehmensführung ein Forum für die Diskussion über moralische Werte. Vor diesem Hintergrund kann sie reflektieren, was es heißt, moralisch zu handeln, und wie dies die Entscheidungen beeinflusst.209 Des weiteren muss sie hinterfragen, welche Voraussetzungen hierfür notwendig sind, damit moralische Fragen im Unternehmen thematisiert werden und „zum Gegenstand rationaler Argumentation gemacht werden können.“210 Das Unternehmensleitbild soll demnach zu einer wirtschaftlichen Weiterentwicklung beitragen und über den redaktionellen Charakter der Öffentlichkeitsarbeit hinausgehen. Im nächsten Schritt wird die Unternehmensführung einen Abgleich zwischen den gesellschaftlich erwarteten Wertvorstellungen und ihren intern definierten Werten durchführen. Somit ist das Unternehmen in der Lage, die übereinstimmenden ethischen Werte zu identifizieren. In diesen Bereichen kann das Unternehmen aktiv werden und die Interaktion mir einer Interessengruppe aufbauen. Das Unternehmen wird durch ein Corporate Citizenship-Programm seine Stellung in der Gesellschaft festigen können. Das definierte Unternehmensleitbild und die von externer Seite erwarteten Wertvorstellungen werden nicht in allen Bereichen deckungsgleich sein. Die Unterschiede in moralischen Fragen werden durch Vorbehalte und Differenzen kaum überbrückbar sein. Die Interessenspartner erreichen nach Austausch der Argumente bestenfalls ein argumentatives Gleichgewicht.211 Engagiert sich ein Unternehmen mittels Corporate Citizenship in anderen gesellschaftlichen Bereichen, so könnte dies einen positiven Einfluss auf Gebiete haben, in denen vorerst kein Konsens erreichbar scheint. Somit ist das Unternehmen in der Lage, den Dialog in den offenen kritischen Fragen 208 Vgl. Kirsch/Knyphausen, 1988, S. 490 Vgl. Kirsch/Knyphausen, 1988, S 490 210 Kirsch/Knyphausen, 1988, S 490 211 Vgl. Kirsch/Knyphausen, 1988, S. 496 209 Corporate Citizenship 78 zu suchen und aufrechtzuerhalten, ohne dass dieser Diskurs zu einer Farce wird.212 Dadurch bleibt das Unternehmen in den Diskurs um die strittigen Punkte involviert. Die Entwicklung bezüglich dieser gesellschaftlichen Aspekte trifft das Unternehmen dann nicht unerwartet. Der durch Corporate Citizenship erworbene öffentliche Respekt sowie das damit verbundene Bild eines verantwortungsbewusst handelnden Unternehmens führen zu einer breiteren Akzeptanz unternehmenskritischer Entscheidungen in der Gesellschaft. Um seine moralischen Werte zu transportieren, benötigt das Unternehmen ein Vehikel, sowohl dann, wenn eine Übereinkunft an Werten und Normen vorhanden ist, als auch in den Bereichen, in denen die Ansichten divergieren. Gerade im letzteren Fall zeigt sich, dass die soziale Ordnung nur bestehen bleibt, wenn langfristig Werte und Normen an die Entwicklung angepasst werden. Corporate Citizenship fügt sich in beide Dimensionen des Ethikmodells nach Homann ein. Auf der Ebene der Spielzüge wird Corporate Citizenship für die Stabilisierung wechselseitiger Verhaltenserwartungen eingesetzt, unabhängig davon, ob es zu einem Konsens kommt. Auf der Ebene der Rahmenordnung dient Corporate Weiterentwicklung bestehender Werte und Normen. Citizenship 213 der Innerhalb der Bürgergesellschaft wird das Verhältnis zwischen Gesellschaft, Politik, Individuum und Wirtschaft über Normen und Regeln bestimmt. Die gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen steht demnach in einem engen Zusammenhang zu der Frage nach ihrer Mitwirkung an der Gestaltung von Regeln und Normen.214 Die Unternehmen Gesellschaftssystem zu den wichtigsten Akteuren. 212 Vgl. Kirsch/Knyphausen, 1988, S. 496 Vgl. Habisch, 2003, S.191 214 Vgl. Seitz (a), 2002, S. 45 213 gehören im Corporate Citizenship 79 6.2.3 Corporate Citizenship als Investition Wird das gesellschaftliche Engagement in Form von Corporate Citizenship aufgefasst und durchgeführt, so ändert sich auch die Perspektive auf die von dem Unternehmen bereitgestellten Ressourcen. Die für Corporate Citizenship mobilisierten Finanz- und Sachmittel sowie die Tätigkeiten von Mitarbeitern werden als Investition betrachtet. Investitionen dienen der zukünftigen Gewinnmaximierung durch Verzicht auf eine aktuelle Gewinnrealisierung.215 Die Investition in Produktionsfaktoren stellt einen Verzicht auf direkte Gewinnrealisierung dar, genauso wie die Einhaltung der Regel, „nicht zu bestechen“ in einer Wettbewerbssituation. Über einen längeren Zeitraum betrachtet, müssen sowohl Investition als auch Unbestechlichkeit Vorteile für das Unternehmen bringen.216 Auf den Märkten sind heutzutage die Produkte der Unternehmen untereinander beliebig austauschbar, was auf die Liberalisierung und Globalisierung zurückzuführen ist.217 Diese Austauschbarkeit von Produkten wird so lange fortgeführt, bis andere Faktoren den Ausschlag zum Kauf geben, die nur einem bestimmten Unternehmen zugeordnet werden können. Somit verfolgt das Untenehmen mit Corporate Citizenship den Aufbau von Wettbewerbsvorteilen, wie die Beispiele „betapharm“ und BAT Germany gezeigt haben. Dabei liegt die Quelle dieser Vorteile nicht in den Produkten, sondern außerhalb des Marktes. Dadurch dass Corporate Citizenship sich auf drei Dimensionen abspielt (vgl. Aktivitäten-Raum: Leistungsformen, gesellschaftliche Bereiche und Leistungsträger), zeichnet es sich als Investition in das gesellschaftliche Umfeld aus. Darüber hinaus festigt die Investition in das gesellschaftliche Umfeld das Bild des Unternehmens als Teil der Gesellschaft. Abbildung 9 verdeutlicht diesen Zusammenhang. 215 Vgl. Seitz (a), 2002, S. 7 f. Vgl. Seitz (a), 2002, S. 7 217 Vgl. Seitz (a), 2002, S. 13 216 Corporate Citizenship 80 Entwicklungsstufen gesellschaftlichen Engagements Zeithorizont des Investments Corporate Citizenship Partnerschaft Förderung Eingriffstiefe in das gesellschaftliche Umfeld Abbildung 9: Corporate Citizenship als Investition, Habisch, 2003, S. 80 In Verbindung mit den vorangegangenen untersuchten Punkten lässt sich feststellen, dass Corporate Citizenship eine Managementmethode ist. Dabei nutzt Corporate Citizenship die Potenziale schon bestehender Managementmethoden. Auf Grund der stattfindenden Rückwirkung ergeben sich für diese Managementmethoden neue Handlungsmöglichkeiten, die sie ohne Corporate Citizenship nicht hätten. Das Merkmal einer Investition verdeutlicht einerseits die Managementaufgabe, die hinter Corporate Citizenship steht. Andererseits zeigt es, dass die Wahrnehmung von gesellschaftlicher Verantwortung unter einen andern Blickwinkel fällt. Soziale Investitionen sind damit ein Mittel zur Instrumentalisierung der Umwelt.218 Die Aspekte der Mitgestaltung von Werten und Normen 218 sowie die Vgl. Seitz (a), 2002, S. 95 Behandlung des sozialen Engagements als Corporate Citizenship 81 Managementaufgabe und Investition verdeutlichen den Neuheitscharakter von Corporate Citizenship gegenüber den klassischen sozialen Verhalten. 7 Schlussbetrachtung Ziel der Arbeit war eine umfassende Herleitung und Klärung des Begriffs Corporate Citizenship. Als Basis für diese Herleitung diente die Wirtschafts- und Unternehmensethik. Es konnte gezeigt werden, dass die Unternehmensethik einen Rahmen für Moral, Regeln und Normen bildet, welche eine Voraussetzungen für einen funktionierenden Wettbewerb sind. Darüber hinaus ist die Unternehmensethik die Grundlage für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln, ohne das eine Corporate Citizenship-Strategie nicht möglich wäre. Natürlich spielt die Unternehmensethik auch in anderen Fragen der Betriebswirtschaft eine wichtige Rolle – wie das Beispiel Nestlé zeigte – und findet sich z.B. im Unternehmensleitbild wieder. Corporate Citizenship steht in einem engen Zusammenhang mit dem bürgerschaftlichen Engagement, welches bei Anwendung von Corporate Citizenship von dem Unternehmen getragen wird. Das wirft die Frage auf, in wie weit eine Organisation ein Bürger sein kann. Historisch betrachtet hat sich Corporate Citizenship aus der Philanthropie entwickelt. Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede wurden deshalb ausgearbeitet. Der Begriff Corporate Citizenship ist in der aktuellen Literatur sehr präsent, wird jedoch nicht einheitlich verwendet. Die in der Arbeit dargestellten und erläuterten Definitionen von Corporate Citizenship weisen Unterschiede auf, im Kern ihrer Aussagen sind sie aber deckungsgleich. In der Literatur werden die Begriffe von Corporate Citizenship und Corporate Social Responsibility häufig als Synonym verwendet, obwohl es Unterschiede zwischen den Konzepten gibt. Besonders augenfällig ist es Corporate Citizenship 82 nach Schrader bei dem Autor Carroll, der seine Konzepte aus dem Jahre 1979 über Corporate Social Responsibility heute in neuen Aufsätzen ohne nähere Erläuterung unter den Begriff Corporate Citizenship veröffentlicht.219 Aus diesem Grund wurde eine Abgrenzung zwischen Corporate Citizenship und Corporate Social Responsibility vorgenommen. Die unreflektierte Gleichsetzung von sozial mit gesellschaftlich oder von sozial und ökologisch führen zu dieser Begriffsvermischung. Zudem orientiert sich Corporate Social Responsibility an der Wertschöpfungskette des Unternehmens. Den Abschluss der Begriffsklärung bildeten die Instrumente und Ziele von Corporate Citizenship. Dabei lassen sich die verschiedenen Maßnahmen, die für eine Umsetzung des Corporate Citizenship benötigt werden, in Corporate Giving und Corporate Volunteering unterscheiden. Unter Corporate Giving werden alle Finanz- und Sachmittel verstanden, die für das soziale Engagement unternehmensintern eingesetzt und koordiniert werden. Das beinhaltet unter anderem auch das Sponsoring, wobei dieses unter einem erweiterten Gesichtspunkt als Kommunikationszweck zum Einsatz kommt. Innerhalb des Corporate Volunteering wird einerseits der Einsatz von Mitarbeitern und andererseits die ehrenamtlichen Tätigkeiten die durch das Unternehmen ausgeführt werden, gesteuert. Bei den Zielen von öffentlichkeitsbezogene, Corporate Citizenship personalpolitische und handelt es sich absatzpoltische um Ziele. Hierbei nehmen die öffentlichkeitsbezogenen Ziele die bedeutendste Stellung ein. Aus der Vielzahl der in der Praxis umgesetzten Corporate CitizenshipProjekte wurden zwei als beispielhaft herausgegriffen und hinsichtlich Herangehensweise, Umsetzung und Zielsetzung untersucht. Der Abschluss der Arbeit setzte sich mit dem Neuheitsgrad von Corporate Citizenship auseinander. Es wurde aufgezeigt, dass sich die Managementmethoden immer weiter entwickeln. Auch wenn es sich bei 219 Vgl. Schrader, 2003, S. 65 Corporate Citizenship 83 Corporate Citizenship nicht um eine Management-Mode handelt, ist es zurzeit ein aktuelles Thema, welches in Praxis und Forschung diskutiert wird. Der Neuheitsgrad von Corporate Citizenship lässt sich auch daran erkennen, dass es sich um eine Managementmethode handelt. Das bürgerschaftliche unternehmerische Engagement wird dabei nicht mit zufälligen Spenden umgesetzt, sondern wird als Unternehmensaufgabe gesehen. Indikatoren sind vor allem, dass Corporate Citizenship eine Investition darstellt und die Handlungsmöglichkeiten des Unternehmens erweitet. Dabei geht es um die Gestaltung von Werten und Normen, die das Unternehmensumfeld und somit die Unternehmensentscheidungen beeinflussen. Die Arbeit hat ebenfalls gezeigt, dass Corporate Citizenship noch weitere Untersuchungsfragen aufwirft. Hier soll vor allem das unausgewogene Modell eines Corporate Citizenship-Mix genannt werden, das im Vergleich zum Marketing-Mix deutliche Defizite aufweist. Mit dem Einsatz der Managementmethode Corporate Citizenship beweist das Unternehmen nicht nur soziales Engagement, das zur Erhöhung seines gesellschaftlichen Ansehens beiträgt, sondern kann sich dadurch auch marktwirtschaftliche Vorteile verschaffen, die der Gewinnmaximierung dienen. Corporate Citizenship ist eine Methode, die nicht nur dem Unternehmen, sondern auch der Gesellschaft von Nutzen ist. Abbildung 6: Kartierung Stakeholder BAT, BAT Germany, 2003, S. 11 Anhang 84 Literaturverzeichnis VI Literaturverzeichnis Andriof, J., Waddock, S.: Unfolding Stakeholder Engagement. In: Andriof, J.: Theory, responsibility and engagement, Greenleaf Publishing, Sheffield 2002 Backhaus-Maul, H. (b): Corporate Citizenship in den USA – Innovative Ideen für die deutsche Engagementpolitik. In: Aktuelle Beiträge zu Corporate Citizenship. In: Diskussionspapiere zum Nonprofit-Sektor, Nr. 26, Münster 2004, S. 43-61 Backhaus-Maul, H.(a): Corporate Citizenship im deutschen Sozialstaat. In: Bundeszentrale für Politische Bildung (Hrsg.): Aus Politik und Zeitgeschichte, Heft 14, Bonn 2004, S.23-30 BAT Germany: Social Report 2003 der Britisch American Tobacco (Germany) GmbH. 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Die Arbeit wurde bisher weder im Inland noch im Ausland in gleicher oder ähnlicher Form einer anderen Prüfungsbehörde vorgelegt und wurde auch noch nicht veröffentlicht. Erfurt, den 21.03.2005 ---------------------------------------------Ort und Datum Markus Herold ---------------------------------------Unterschrift