CORPORATE GOVERNANCE Christine Hirszowicz Zur Anwendung ethischer Grundsätze bei Banken Nicht alle Ethik und Moral des Bankiers ist kodifizierbar!* Mehr als je zuvor begegnen wir heutzutage in den Medien den Begriffen von Ethik und Moral, von Corporate Governance, Business Ethics und Code of Conduct. Dieses Phänomen wird im Sinne eines Anspruchs an viele Adressaten verstanden und richtet sich insbesondere an die Unternehmungen und somit auch an die Banken. 17. Jahrhundert, durch Rousseau und Kant im 18. Jahrhundert. Der kategorische Imperativ Kants klingt heute sehr modern, denn er verbindet die Freiheit des Willens mit der Verantwortung des Handelns: «Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten kann.» Immanuel Kant (1724–1804) 1. Was sind ethische Grundsätze? Bevor wir den Ursachen dieser Entwicklung nachgehen, ist eine kurze Begriffsklärung angebracht. Ethik ist derjenige Bereich der Philosophie, der sich mit den Grundsätzen der Moral befasst; mit anderen Worten ist Ethik zu verstehen als die Gesamtheit der Handlungsprinzipien und Werte, die in einer Gesellschaft als Normen des Wohlverhaltens gelten [1]. Es gibt einerseits die Gesinnungsethik, die nach der geistigen Einstellung fragt, anderseits die Erfolgsethik, die nach der Wirkung der menschlichen Handlungen sucht. Solche Normen können sich von Gesellschaft zu Gesellschaft und über die Zeit hinweg auch ändern: Gesetze bedürfen immer wieder der Interpretation durch die obersten Gerichte; völkerrechtliche Normen werden angepasst; nach dem 150jährigen Bestehen des schweizerischen Bundesstaates haben wir unsere Bundesverfassung reformiert. Dies sind Beispiele dafür, dass einmal gesetzte Normen einer Gesellschaft dem Wandel der *In Anlehnung an den Vortrag der Autorin vom 4.7.2002 aus Anlass ihrer Emeritierung an der Universität Zürich. 912 Zeit unterliegen, so auch ethische Grundsätze. Solche Normen werden geschaffen, um Halt und Orientierung zu geben. Die überlieferte Lehre der Ethik wurde begründet durch die Philosophen Plato und Aristoteles im 4. Jahrhundert vor Christus und wurde im Laufe der Jahrhunderte immer wieder bereichert, so z. B. durch Spinoza im Im 20. Jahrhundert plädiert Wilhelm Röpke für einen Ordnungsrahmen, der Freiheit mit Verantwortung koppelt. Er sagt dies in folgender These: «Freiheit ist unmöglich ohne moralische Bindungen allerhöchster Ordnung. Freiheit ohne Normen und Regeln, ohne Selbstdisziplin der Einzelnen ist die furchtbarste Unfreiheit für alle diejenigen, die dabei zertrampelt und versklavt werden.» Wilhelm Röpke (1899–1966) Und nun zu den anderen vorerwähnten Begriffen, zu Corporate Governance, Business Ethics und Code of Conduct [2]. Der bereits alltäglich gewordene Begriff der Corporate Governance beinhaltet, ganz kurz formuliert, die Gesamtheit der Normen, die dazu dienen, eine Unternehmung zu führen. Es geht dabei um Rechte und Pflichten von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung gegenüber allen Anspruchsgruppen der Unternehmung. Darüber wird noch ausführlich gesprochen werden. Christine Hirszowicz, Dr. oec. publ., emeritierte Professorin für Bankbetriebswirtschaftslehre am Institut für schweizerisches Bankwesen der Universität Zürich, ehemals Direktorin der Swiss Banking School, Zürich [email protected] Der Wertekodex, besser bekannt als Business Ethics oder Code of Conduct einer Unternehmung, formuliert die betriebsinternen Normen und interpretiert im Detail die Corporate GoDer Schweizer Treuhänder 10/02 CORPORATE GOVERNANCE Christine Hirszowicz, Zur Anwendung ethischer Grundsätze bei Banken vernance. Ein solcher Verhaltenskodex bildet die Grundlage für die Kultur der Unternehmung, die durch ihre lebenden Vorbilder demonstriert wird, falls sie wirkliche Leaders sind. So wird Glaubwürdigkeit nach innen und nach aussen erzeugt und gewahrt. 2. Verletzung ethischer Grundsätze Aus allen Schichten der Gesellschaft sind in jüngster Zeit immer wieder Beispiele von Verletzung ethischer Grundsätze anzutreffen: Veruntreuung öffentlicher Gelder, finanzieller Missbrauch einer wirtschaftlichen oder politischen Machtstellung, masslose Entschädigungen für Verwaltungsräte und Managers zulasten der Aktionäre, bei Kantonalbanken zulasten der Steuerzahler, Betrug, Urkundenfälschung, Bestechung, Steuerbetrug, Korruption aller Art, Geldwäscherei usw. Besonders erschreckend ist die Tatsache, dass die lange Liste von Akteuren, die sich der Verletzung moralischer Grundsätze schuldig machen, aus Ländern mit alter demokratischer, ja europäischer und atlantischer Tradition stammen und nicht nur unter afrikanischen oder asiatischen Plutokraten und Kleptokraten zu suchen sind. Die schweren Betrugsfälle bei WorldCom und Enron und die Komplizenschaft der Revisionsfirma Andersen sind die bisher krassesten Fälle der Gegenwart. Aber auch die Schweiz kann mit aussergewöhnlichen Fällen der Verletzung ethischer Prinzipien aufwarten: ABB, Swissair, Vontobel, Banque Cantonale de Genève, Banque Cantonale Vaudoise usw. Hat denn die Verletzung ethischer Grundsätze in letzter Zeit so stark zugenommen – oder erfahren wir nur viel mehr darüber infolge der gewaltigen Zunahme der Information, der Macht der Medien und der Manie zur Transparenz? Diese Frage sei vorerst offen gelassen. Beizufügen ist nur, dass mit der Liberalisierung in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft auch vermehrt zerstörerische Kräfte liberalisiert wurden, z.B. die Kriminalität und der Terrorismus. Der Schweizer Treuhänder 10/02 3. Ruf nach Ethik in einer Welt ohne Grenzen Als Reaktion darauf ist heute der Ruf nach Ethik allgegenwärtig. Ja man kann von der Ethisierung unserer Gesellschaft sprechen. Es ist der Wunsch nach neuzeitlichen ethischen Normen für das menschliche Verhalten in einer Welt, die in vieler Hinsicht grenzenlos geworden ist. Grenzenlos in Raum und Zeit, grenzenlos in kultureller Hinsicht, grenzenlos in der wissenschaftlichen Forschung, grenzenlos aber auch im menschlichen Denken, Handeln und Verhalten. Es gibt viele Beispiele dafür: Denken ohne Grenzen üben wir sowohl in den Naturwissenschaften als auch in den Geisteswissenschaften: • In den Naturwissenschaften versuchen wir, mit Hilfe der Gentechnologie den Ursachen von schweren Krankheiten auf die Spur zu kommen und einen Beitrag zu ihrer Vermeidung und zu ihrer Therapie zu leisten. • Denken ohne Grenzen ist auch die Regel in der Astrophysik bei der Erforschung des Urknalls. • In den Geisteswissenschaften üben wir das Denken ohne Grenzen z.B. in der Philosophie und Theologie, wo die Suche nach den gemeinsamen Wurzeln der monotheistischen Religionen zu Verständnis und Aussöhnung unter den Menschen beitragen soll. • Denken ohne Grenzen scheint erst seinen Anfang zu nehmen, seitdem die Informationstechnologie alle Bereiche unseres Lebens zu erobern trachtet. • Denken ohne Grenzen gibt es aber auch in der sehr realitätsnahen Wirtschaftswissenschaft. Mathematische Modelle halten vermehrt Einzug in die Finanzwissenschaft. Aber auch weiche Werte aus der Psychologie verbinden die Ökonomie mit dem nicht rationalen Verhalten des Menschen in der Behavioural Finance. Das Handeln ohne Grenzen erleben wir sowohl im positiven als auch im negativen Sinn: • Positiv ist die geographische Mobilität der Menschen bei der Notwen- • • • • digkeit, den Arbeitgeber und damit auch den Wohnort flexibel zu wechseln. Als Beispiel negativen Handelns ohne Grenzen muss zweifelsohne die grenzüberschreitende Kriminalität erwähnt werden. Positiv dagegen die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden. Positiv zitiert werden darf auch das Handeln der europäischen Staaten in Wirtschaft und Gesellschaft unter dem blauen Sternenbanner. Deregulierung und Liberalisierung der Märkte haben transnationale und transkontinentale Fusionen von Unternehmen entstehen lassen. Über deren ökonomischen und gesellschaftlichen Sinn oder Unsinn darf noch ruhig weiter ohne Grenzen gedacht werden. Menschliches Verhalten ohne Grenzen: • Hier geht es um das passive Reagieren von Menschen. Es kann positiv oder negativ sein. Positiv ist die spontane, uneigennützige Hilfe für andere Menschen in Not, z. B. die Spenden an die Glückskette bei Naturkatastrophen. Das solidarische Verhalten ohne Grenzen der New Yorker Bürger nach den schrecklichen Terroranschlägen des 11. Septembers 2001. • Das menschliche Verhalten ohne Grenzen im Alltag kann aber auch negativ sein, z.B. der mangelnde Respekt füreinander bei der täglichen Begegnung, Wandschmierereien, die Zerstörung öffentlicher Güter. Beispiele ohne Grenzen. Ist es da erstaunlich, dass wir in allen Bereichen des Lebens den Ruf vernehmen nach neuzeitlichen ethischen Normen für das menschliche Verhalten? Zahllose Beispiele belegen den Ruf nach Ethik in der Politik, in der Wirtschaft, in der biologischen Forschung, in Produktion und Konsum, im Leistungssport, in der Unternehmungsführung, in der Bank- und Finanzwirtschaft und an der Börse. Dieser allseitige Ruf nach Ethik manifestiert sich auch in der Vermögensanlage im Markt und produziert entsprechende Angebote, z.B. Anlagefonds, 913 CORPORATE GOVERNANCE Christine Hirszowicz, Zur Anwendung ethischer Grundsätze bei Banken die sich der Ökologie und der Nachhaltigkeit verpflichten. In diese Richtung weist auch die Schaffung neuer Indizes für nachhaltiges Investieren, z. B. der Dow Jones Sustainability Group Index mit verschiedenen Ausschlusskriterien (Tabak, Alkohol, Glücksspiel, Waffen, Kernenergie) sowie mit positiven Kriterien wie soziale und ökologische Aspekte. Die Fülle dieser Rufe nach Ethik zeigt die grosse Unsicherheit im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umkreis und das Bedürfnis nach Leitplanken. man dieses sehr umfassende Gebiet der bankinternen Überwachung «Compliance». Ethik im Bankgeschäft bedeutet aber auch noch etwas mehr: das Denken, Handeln und Verhalten der obersten Führungsinstanz der einzelnen Bank im Einklang mit der Unternehmungsphilosophie, die sie sich selbst gibt, also die Nutzung des verbleibenden Freiraumes im Sinne dieser Philosophie, d.h. des bankeigenen Leitbildes. Aber auch das ist noch nicht alles, wie wir sehen werden. 4.1 Die ordnende Hand des Gesetzgebers 4. Ethische Grundsätze für Banken Ich wende mich jetzt etwas ausführlicher dem Verhältnis der Banken zur Ethik zu. Es ist eine altbekannte Tatsache, dass die Banken von jeher ein ganz besonderes Verhältnis zur Ethik haben, weil das Geschäft mit dem Geld schon zu biblischen Zeiten zu grossen Missverständnissen und Spannungen Anlass gegeben hat. Muss man daraus schliessen, dass die Banken es auch heute besonders schwer haben, ihr Verhältnis zur Ethik zu ordnen? Eben das trifft gerade nicht zu. Weil die Banken eine ganz zentrale Rolle in der Wirtschaft spielen, hat ihnen einerseits die ordnende Hand des Gesetzgebers zu einer Fülle von Leitplanken verholfen, innerhalb derer sie sich zu bewegen haben. Anderseits haben die Banken den ihnen freistehenden Raum im Sinne der Selbstregulierung mit Branchen-Normen des Wohlverhaltens gefüllt, nicht zuletzt um einem Vorgreifen des Gesetzgebers zuvorzukommen. Die Kompetenz zur Selbstregulierung musste z.T. auch hart erkämpft werden. Ethik im Bankgeschäft bedeutet in der Schweiz die strikte Einhaltung der gesetzlichen Normen, die Respektierung der durch den Dachverband, die Schweiz. Bankiervereinigung, erstellten eigenen Standards sowie die Beachtung der internen Reglemente und Weisungen. Im Bankenjargon nennt 914 Die Banken, Effektenhändler und Fondsleitungen bedürfen zur Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit einer Bewilligung durch die spezielle Aufsichtsbehörde, die Eidgenössische Bankenkommission EBK. Eine wesentliche Voraussetzung zur Bewilligung ist die Gewähr einwandfreier Geschäftstätigkeit der leitenden Organe. Es geht um hohe Anforderungen an die persönliche Integrität des Bankier und um seine fachliche Kompetenz. Ethik als Voraussetzung für die Banktätigkeit. Auch die bedeutenden Aktionäre der Bank dürfen keinen schädlichen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit der Bank ausüben. Das nennt man europapolitisch auch, den «Fit and Proper Test» bestehen. Das bedeutet ferner die Identifikation von Kunden, die Abklärung der wirtschaftlichen Hintergründe von Geschäften, wenn Anzeichen darauf hindeuten, dass die Transaktion Teil eines unsittlichen oder rechtswidrigen Geschäfts bilden könnte oder wenn es sich um ein kompliziertes, ungewöhnliches oder bedeutsames Geschäft handeln würde. Nicht nur bedeutsame Geschäfte, sondern auch bedeutsame Kunden sind unter die Lupe zu nehmen. So warnt die EBK die Banken in einem ihrer zahlreichen Rundschreiben vor der Annahme von Geldern, die aus Korruption oder Missbrauch öffentlicher Vermögenswerte stammen könnten, sog. Potentatengelder oder Vermögenswerte von «Politically Exposed Persons» (PEP). In Anwendung der OECD-Konvention über die «Bekämpfung der Beste- chung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr» wurde im Jahre 2000 unser Korruptionsstrafrecht ausgebaut. Daraus ergeben sich neue Verpflichtungen für die Banken: Vermögenswerte, die aus Korruption stammen oder der Korruption dienen, dürfen weder in die Bank noch aus der Bank fliessen [3]. Auch durch solche Massnahmen erfolgt weitgehend eine Ethisierung des Bankgeschäfts. Das Geschäfts- und Organisationsreglement sowie weitere interne Reglemente und Weisungen der Bank, welche die Geschäftsarten, die Kunden und Regionen sowie die Kompetenzverteilungen festhalten, müssen der EBK zur Genehmigung unterbreitet werden. Weitere Risikovorschriften über die Geschäftstätigkeit beinhalten die Liquidität, das Eigenkapital, die Vermeidung von Klumpenrisiken, besondere Vorschriften für Markt-, Zins- und operationelle Risiken sowie für die Rechnungslegung. Für international tätige Banken und Finanzkonglomerate ist eine konsolidierte Aufsicht über den ganzen Bankkonzern erforderlich. Die inländische Aufsichtsbehörde hat auch das Recht, bei Konzerntöchtern Kontrollen vor Ort im Ausland durchzuführen. Mit dem neuen Geldwäscherei-Gesetz vom 10. Oktober 1997, in Kraft seit 1. April 1998, sind erstmals sämtliche Anbieter von Finanzdienstleistungen einem einheitlichen branchenübergreifenden Gesetz unterstellt, das ihnen einheitliche Sorgfalts- und Dokumentationspflichten auferlegt. Neben den Banken sind es also die Vermögensverwalter, Fonds-Leitungen, Anlageberater, Effektenhändler, Treuhänder, Rechtsanwälte u. andere Finanzintermediäre, sofern sie Vermögen berufsmässig verwalten. Dieses Gesetz dient der Bekämpfung des Missbrauchs des Banken- und Finanzdienstleistungssystems durch kriminelle Machenschaften und Organisationen. Erstmals wurde mit diesem Gesetz die Meldepflicht an eine spezielle Instanz des Bundesamtes für Polizeiwesen eingeführt. Es soll den guten Ruf des Finanzplatzes Schweiz bewahren und eine Handhabe für die internationale Rechtshilfe bieten. Der Schweizer Treuhänder 10/02 CORPORATE GOVERNANCE Christine Hirszowicz, Zur Anwendung ethischer Grundsätze bei Banken Zu erwähnen sind ferner die privatrechtlichen Sorgfaltspflichten der Bank, z.B. gemäss Vertragsrecht. Diese werden laufend konkretisiert durch die bundesgerichtliche Rechtssprechung. Die Schweizerische Nationalbank als Aufsichtsbehörde für die Geldpolitik hält die Banken zu regelmässigen Statistik-Berichten an, diktiert die Konditionen der Liquidität des Geldmarktes und verlangt von den Banken, dass sie bei ihr Giro-Konti unterhalten, wodurch sie nach Bedarf auch die Bankenliquidität einschränken oder erweitern kann. 4.2 Die ordnende Hand der Selbstregulierung Zur wichtigsten Norm der Selbstregulierung der Banken in der Schweiz gehört die Vereinbarung der Schweizerischen Bankiervereinigung über die Standesregeln zur Sorgfaltspflicht (VSB). Diese Vereinbarung legt die Pflichten der Banken im Bereich der Kundenidentifikation sowie der Feststellung des wirtschaftlich Berechtigten fest. Sie verbietet die aktive Beihilfe zur Kapitalflucht und zur Steuerhinterziehung. Die bankengesetzlichen Revisionsstellen sind von den Banken und der EBK beauftragt, regelmässig die Einhaltung der Vereinbarung zu Der Schweizer Treuhänder 10/02 überprüfen. Verstösse werden durch eine unabhängige Aufsichtskommission analysiert und gebüsst. Die EBK kann zusätzlich mit aufsichtsrechtlichen Massnahmen eingreifen. Diese Vereinbarung hat im Zusammenhang mit dem neuen Geldwäschereigesetz Modellcharakter erhalten und geniesst im Ausland hohes Ansehen. Eine der VSB nachgebildete Selbstregulierung wurde auf internationaler Ebene im Oktober 2000 vereinbart: Unter der Führung der Schweizer Grossbanken sind die Wolfsberg Richtlinien entstanden, ein Wohlverhaltenskodex von elf international führenden Finanzinstituten. Diese verpflichten sich, die Annahme krimineller Gelder, auch Vermögenswerte aus korrupten Tatbeständen, zu verhindern. Das jüngste Beispiel einer weiteren Selbstregulierung sind die Richtlinien der SBVg für den Umgang mit nachrichtenlosen Vermögenswerten, die auf den 1. Juli 2000 in Kraft getreten sind und Massnahmen der Banken beinhalten, um die Nachrichtenlosigkeit von Vermögenswerten in Zukunft nicht mehr entstehen zu lassen. 4.3 Der Freiraum der Bank Nach den verbindlichen Vorgaben durch Staat und Branchenverband ver- bleibt der Bank ein Freiraum, den sie autonom zu gestalten hat. Dieser Spielraum ist der betrieblichen Bankpolitik vorbehalten: der eigentlichen Führung und Leitung der Bank [4]. Es geht im speziellen um die Pflichten von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung gegenüber Investoren und anderen Anspruchsgruppen. Das BankG verlangt eine Gewaltentrennung, wobei dem Verwaltungsrat die Oberleitung, Aufsicht und Kontrolle obliegt, während der von ihm ernannten Direktion die Bewältigung der Geschäfte übertragen wird. Sowohl VR als auch GL sind im strategischen Bank Management involviert. Darunter wird das grundsätzliche und langfristige Denken, Handeln und Verhalten der obersten Führungs- und Leitungsorgane einer Bank verstanden. Der VR, der die oberste Führungs- und Kontrollfunktion innehat, bestimmt aus seinem Kreis verschiedene Ausschüsse: So den Kreditausschuss, der die wichtigen Kreditentscheide fällt; das Anlagekomitee, welches über bedeutsame Anlagen urteilt; ferner wird er einen Revisions-Ausschuss (Audit Committee) einsetzen. In Zusammenarbeit mit der Internen Revision überprüft das Audit Committee das Risiko Management, die Steuerungs- und Kontrollsysteme sowie die Führungsprozesse. Der 915 CORPORATE GOVERNANCE Christine Hirszowicz, Zur Anwendung ethischer Grundsätze bei Banken VR kann auch einen Gehaltsausschuss haben, der für die Festlegung der Gehälter und Boni von VR, GL und oberem Management verantwortlich zeichnet; und schliesslich gibt es auch ein Nominations-Komitee, das für Vorschläge zur Erneuerung des VR und der GL zuständig ist. Im folgenden gehe ich auf diejenigen Führungsaspekte ein, die einen speziellen Bezug zu den ethischen Grundsätzen der Bank haben. Sie sind in den betriebsinternen Normen festgehalten, so im Leitbild, im Code of Conduct, in den Geschäftsreglementen, in einem Compliance Manual, in Weisungen und Richtlinien. mensführung durch ihre Angestellten, nämlich die Verwaltungsräte und Geschäftsleiter. Insbesondere haben sie Anrecht darauf, dass die KontrollMechanismen optimal funktionieren und dass die Berichterstattung wahrheitsgetreu und transparent erfolgt. Für die Besoldung der Unternehmensspitze sind klare Kriterien zu formulieren und offenzulegen. Aufgrund dieser Bewertungen sind die Vergütungen unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der Bank zu berechnen. Diese enthalten ein Fixum sowie variable Bestandteile, mit Komponenten, die an den langfristigen Unternehmenserfolg gebunden sind. Sämtliche Geldentschädi- «Nach den verbindlichen Vorgaben durch Staat und Branchenverband verbleibt der Bank ein Freiraum, den sie autonom zu gestalten hat.» Es geht nicht nur darum, Gesetze nicht zu verletzen, sondern auch darum, moralische Verpflichtungen gegenüber allen Anspruchsgruppen zu erkennen, sie in einem Code of Conduct festzuhalten und danach zu handeln. Sinn all dieser Normen ist es, die geschäftspolitischen Ziele der Bank zu erreichen unter Optimierung der Risiken. Die Normen und die Kontrolle ihrer Einhaltung sind Teil des Risk Management der Bank. Mit Blick auf die ethischen Grundsätze geht es im speziellen um die Ausschaltung oder die Minimierung des Reputationsrisikos. Die Bank wird danach streben, ethische Grundsätze gegenüber sämtlichen Anspruchsgruppen einzuhalten. Dabei geht es um folgende Stakeholders und ihre Erwartungen: 1. Die Kunden: Das Angebot an Dienstleistungen muss Bedürfnis gerecht und von hervorragender Qualität sein. Die Konditionen müssen transparent sein. Beanstandungen von Kunden müssen fair und kulant gelöst werden. 2. Die Aktionäre: Als Eigentümer der Bank haben die Aktionäre Anrecht auf eine einwandfreie Unterneh916 gungen an die Mitglieder des VR und der GL sind individuell im Anhang zum Geschäftsbericht offenzulegen [5]. Die Aktionäre haben Anrecht auf eine optimale Performance, wobei Nachhaltigkeit vor Rendite kommt. Zu den Bonuszahlungen: Nach den exorbitanten Übertreibungen müssen die Bonuszahlungen anderen Methoden Platz machen. Die Bestrebungen gehen in Richtung eines starken Basislohnes und angemessener Boni, die maximal 25 % des Basislohnes erreichen können. Einen starken Basislohn befürworten nicht zuletzt die Pensionskassen zur Alimentierung der zweiten Säule. 3. Die Mitarbeiter: Ihnen ist Chancengleichheit, Förderung und angemessene Kompensation ihrer Leistung, und zwar im Verhältnis der Kompensation der Geschäftsleitung, zu bieten. 4. Die Konkurrenz: Anderen Finanzdienstleistungs-Unternehmen ist mit Achtung und Fairness zu begegnen. 5. Fairness zeichnet auch die Beziehung zu Lieferanten von Dienstleistungen für die Bank aus. 6. Die Behörden: Gesetze sind strikte einzuhalten. Bereitschaft zur Koope- ration mit den Aufsichtsbehörden ist eine Selbstverständlichkeit. Die Bank ist sich bewusst, dass sie für die Stabilität des Finanzsystems mitverantwortlich ist. 7. Die Gesellschaft: Die Bank informiert die Öffentlichkeit objektiv, sie engagiert sich oftmals bei lokalpolitischen Anliegen, handelt pflichtbewusst und ist offen für Kritik. Die Kontrolle der Einhaltung all dieser Normen obliegt einerseits der Compliance-Abteilung, einer ursprünglich aus der Rechtsabteilung hervorgegangenen Einheit der Bank; anderseits sorgt das Inspektorat, welches direkt dem Präsidenten des VR untersteht, für die Überwachung und Kontrolle. Diese Grundsätze werden periodisch überprüft und den Umständen entsprechend angepasst. 4.4 Wettbewerb um die Ethik Bei den vorerwähnten Normen handelt es sich teilweise um einen Wunschkatalog. Das Denken ohne Grenzen darf auch hier wieder zum Zuge kommen, will sich die Bank im Wettbewerb um die Ethik messen. Die Implementierung der betrieblichen Bankpolitik entlang solcher Richtlinien ist im Sinne des Total Quality Management und eines ethischen Verhaltens der Bank. Sie kann sehr wohl zu einer Kernkompetenz und damit auch zu einem Wettbewerbsvorteil im Markt führen. Wie die Entwicklungen zeigen, nehmen die Banken die Chance des Wettbewerbs um die Ethik bereits wahr. Denn nicht zuletzt lässt sich auch durch Reputation und Imagegewinn der Unternehmungswert (Shareholder Value) langfristig steigern, und dies gleichzeitig zum Vorteil aller übrigen Stakeholders. So kann der Chief Executive Officer in einer Person auch zum Chief Ethics Officer werden, ohne seine Initialen zu ändern! 5. Schlussfolgerung und Ausblick Trotz der sehr einschränkenden Leitplanken des Gesetzgebers, trotz einer ausgedehnten Bankenaufsicht und trotz Der Schweizer Treuhänder 10/02 CORPORATE GOVERNANCE Christine Hirszowicz, Zur Anwendung ethischer Grundsätze bei Banken insgesamt hoher bankeigener ethischer Standards der Schweizer Banken, kommt es vor, dass der VR Verantwortliche aus der Direktion von Banken entfernen muss, dass Geldwäschereifälle aufgedeckt und andere Vorfälle unehrenhaften Verhaltens bestraft werden müssen, ja schlimmstenfalls, dass Bewilligungen für den Geschäftsbetrieb durch die Aufsichtsbehörde entzogen werden müssen. Das ist gut so. Hartes Durchgreifen ist notwendig. Die Sanktionen sind ein Beweis einer gut funktionierenden Corporate Governance und Bankenaufsicht. Sie sind auch ein Warnlicht für die Mitbewerber. Und schliesslich sei noch am Rande beigefügt, dass sogar Schweizer Banken auch nur durch Menschen geführt werden... und das macht die Kontrolle unabdingbar! Nun ist es aber mit der Schaffung von Gesetzen und bankeigenen ethischen Normen, mit der Kontrolle ihrer Einhaltung und der Bestrafung ihrer Verletzung bei weitem noch nicht getan. Ethische Grundsätze finden wohl ihre Anwendung im objektiven Recht. Das geschriebene Recht und der Code of Conduct einer Bank basieren auf Ethik und Moral. Aber nicht alle Ethik und Moral, die der Bankier braucht, kann geschriebenes Recht oder Teil seines Code of Conduct sein. Das soll es auch nicht. Festen Halt und unbeirrbare Orientierung bei den vielfältigen Entscheiden im täglichen Geschäft des Bankier gibt letztendlich nur eines: sein Gewissen. Auf diesem festen Sockel muss sein Verhalten ruhen. Mit seinem eigenen Gewissen müssen seine Handlungen vereinbar sein. Und er wird auch ständig bemüht sein, seine eigene moralische Urteilsfähigkeit im Lichte des Wandels der Werte selbst zu fördern. Das ist ein ganz normaler Anspruch an den Bankier und an seine Geschäftspartner. Wer daran zweifelt, muss zum Schluss kommen, dass der Beruf des Bankier zur «Mission impossible» wird. «Honni soit qui mal y pense ...». Die Frage muss hier am Schluss gestellt werden, ob wir an der Universität Zürich in den Bank-Vorlesungen neben allen finanzmathematischen und betriebswirtschaftlichen Kenntnissen, die wir vermitteln, genügend Gegengewicht geben, um auch den Sinn für die Anwendung ethischer Grundsätze bei Banken zu schärfen und diese Botschaft an die jungen Menschen zu vermitteln. Meine Erfahrung zeigt, dass dies durch das viel zu reichliche Angebot an verschiedensten Vorlesungen im Banking und Finance nicht genügend berücksichtigt wird und dass wir hier einen Handlungsbedarf haben. Anmerkungen 1 Le Petit Larousse Illustré, 1991. 2 Vgl. NZZ Fokus: Corporate Governance, Oktober 2001. 3 Mazumder, Sita: Die Sorgfalt der Schweizer Banken im Lichte der Korruptions-Prävention und -Bekämpfung, Dissertation 2001. 4 Kilgus, Ernst: Strategisches Bank Management aus der Sicht des VR, Vorlesung an der Universität Zürich 7.10.2001. 5 In Anlehnung an den Deutschen Corporate Governance Kodex 2002 sowie an die Meinung des NZZ-Panels aus Anlass des Zusammenbruchs der SAirGroup. Vgl. NZZ vom 16./17.3.02, S. 29. RESUME De l’application de principes éthiques aux banques Malgré les garde-fous fort restrictifs du législateur, une surveillance bancaire très poussée et des normes éthiques propres qui, dans l’ensemble, ont un haut niveau dans les banques suisses, il arrive que le conseil d’administration doive éliminer des responsables de la direction d’une banque, que des cas de blanchiment d’argent soient dénoncés, que d’autres cas de comportement délictueux doivent être punis et même que, in extremis, l’autorisation d’exercer le métier de banquier doive être retirée par l’autorité de surveillance. Ceci est une bonne chose. Des sanctions sévères sont en effet inévitables et nécessaires. Elles sont la preuve du bon fonctionnement du «Corporate Governance» et d’une surveillance bancaire efficace et metL’Expert-comptable suisse 10/02 tent en garde les concurrents. Rappelons enfin que même les banques suisses ne sont gérées que par des êtres humains, ce qui rend le contrôle indispensable! Cependant, la création de lois et de normes éthiques internes des banques, le contrôle de leur respect et les sanctions en cas d’abus sont loin de suffire. Les principes éthiques se retrouvent dans le droit objectif. Tant le droit écrit que le code de conduite d’une banque sont basés sur l’éthique et la morale. Mais toute éthique et morale dont le banquier a besoin ne ressortent pas nécessairement du droit écrit ou de son code de conduite. Et ceci est bien ainsi. Dans ses décisions les plus diverses de la vie d’un banquier, celui-ci a besoin d’une fondation inébranlable et d’une orientation imperturbable. Une seule chose est là pour lui donner cette assurance: c’est sa conscience. De ce socle solide émane son comportement. Ses actes doivent être compatibles avec sa conscience. Il s’efforcera en permanence d’affiner sa capacité de jugement à la lumière de l’évolution des valeurs. Il s’agit là d’une revendication on ne peut plus normale à l’égard du banquier et de ses partenaires d’affaires. Celui qui en douterait devrait considérer la profession de banquier comme étant une «mission impossible». Honni soit qui mal y pense... CH/AFB 917