H I N T E R G RU N D IndividuelIe Therapiekonzepte mit leistungsfähiger IT GEZIELTE BEHANDLUNG DURCH PERSONALISIERTE MEDIZIN Patienten sind heute — maßgeblich beeinflusst durch das Internet – besser informiert, sie wünschen, nach dem neuesten Stand der Technik behandelt zu werden und erwarten eine auf ihre persönlichen Bedürfnisse zugeschnittene Therapie. Der Schlüsselbegriff hiefür lautet personalisierte Medizin. Deren Grundlage ist die Verknüpfung von phänotypischen, genotypischen und Umwelt-Daten. Von Dr. Klaus Juffernbruch, IBM Business Consulting Services. eine individuelle Behandlung und Medikation definiert. Um den Erfolg der Therapie sicherzustellen, gilt es, den Therapieverlauf genau zu überwachen, zu steuern und gegebenenfalls an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen. Im Zentrum eines solchen Pakets werden künftig in immer größerem Umfang Medikamente für bestimmte genetische Merkmale stehen. Die Produktion dieser „maßgeschneiderten“ Medikamente wird eine der zentralen Herausforderungen der Zukunft sein. Auf den Punkt gebracht heißt das nicht anderes, als dass die jeweilige krankheitsbekämpfende Wirkung auf jeden – genetisch einzigartigen – Patienten zugeschnitten und unerwünschte Nebenwirkungen minimiert werden. Das reicht von der Prävention, die auf die individuellen Risiken abgestimmt wird, über eine bessere Vorhersage zum Ausbruch einer Krankheit bis hin zur rechtzeitigen Behandlung und schließlich Maximierung des Behandlungserfolgs aufgrund des genetischen Profils. Entscheidend dafür war die fast vollständige Entschlüsselung des menschlichen Genoms im Jahre 2003, durch die uns heute 99 Prozent der genetischen Informationen mit einer Genauigkeit von 99,99 Prozent vorliegen. Auf der Grundlage dieser Informationen verlagert sich nun die Entwicklung von Medikamenten vom so genannten Blockbuster zum „Targeted Treatment“ und damit zu einer größeren Produktvielfalt. Der Weg zur personalisierten Medizin Im Mittelpunkt: Das therapeutische Gesundheitspflegepaket Zu einem solchen „therapeutischen Gesundheitspflegepaket“ gehören zunächst diagnostische Tests, um das Krankheitsbild des Patienten, aber auch andere beeinflussende Parameter (z.B. den Genotyp), genau zu erfassen. Anschließend werden 46 Durch Forschungen in den Bereichen Genome und Proteome gelingt es, ein besseres Verständnis von Krankheiten auf molekularer Ebene zu erhalten und Medikamente z. B. auf spezielle Bevölkerungsgruppen anzupassen. Ein erster Schritt in diese Richtung ist ein monoklonaler Antikörper zur Behandlung von metastasierendem Brustkrebs. Sein Einsatz ist nicht bei jedem Fall sinnvoll, sondern nur bei den 15 bis 30 Prozent der Brustkrebspatientinnen, bei denen der Rezeptor HER2 besonders häufig vorkommt. Dies geht einher mit schnellerem Tumorwachstum und schnellerer Ausbreitung. Durch die Blockade des Rezeptors mit dem Antikörper wird der Prozess verlangsamt und damit die Prognose verbessert.Ein weiteres Beispiel ist ein Medikament, das im Juli 2005 in den USA zugelassen wurde, mit der Einschränkung, dass es nur bei Afroamerikanern anzuwenden sei. Indikation sind Afroamerikaner mit Herzmuskelschwäche, da nur bei diesen eine Verminderung der Todesrate um 43 Prozent und eine Abnahme der KrankenhausEinweisungen um 39 Prozent erzielt wurden. Man nimmt an, dass der Auslöser der Herzerkrankung bei Schwarzen eine genetisch bedingte Funktionsstörung des Herzens ist. Es handelt sich bei dem Mittel um eine Kombination zweier klassischer Me- Dr. Klaus Juffernbruch ist dikamente: bei IBM Business ConsulHydralazin ting Services zuständig für und Isosor- den Bereich Gesundheitsbid-Dini- wesen. Der Mediziner und trat. Es er- Informatiker berät seit weitert die 1995 Unternehmen aus Blutgefäße, dem Healthcare-Bereich. wirkt blutdrucksenkend und hilft bei Angina pectoris und Herzinsuffizienz Um die Therapie weiter zu individualisieren, müssen wir unsere Kenntnisse über die Zusammenhänge von Genom und klinischem Erscheinungsbild von Krankheiten noch beträchtlich erweitern. Zu diesem Zweck bauen medizinische Forschungszentren in aller Welt Biobanken auf. Mit Hilfe leistungsfähiger Informationstechnologie werden dort genetische Daten mit klinischen, Umwelt- und Bilddaten verknüpft. Zu den klinischen Daten zählen z. B. Befunde, Diagnosen und Laborergebnisse. Wichtige umweltbezogene Daten sind u. a. Strahlenexposition, Staubemission, Trinkwasserqualität und Ernährungsgewohnheiten. Aufgrund der Analyse dieser Daten und der darauf basierten gezielten Entwicklung von Medikamenten wird in Zukunft eine Behandlung mit maximalem Therapieerfolg bei gleichzeitig minimalen Nebenwirkungen möglich sein. Der Mayo-Klinik in den USA ist es mit Hilfe von IBM-Technologie gelungen, die Auswertungszeit für bestimmte Studien in diesem Bereich von 6 Wochen auf 6 Sekunden zu verkürzen. Das Karolinska-Institut erstellt die erste IT-basierte Biobank Schwedens. Durch die Erforschung des Zusammenspiels von genetischer Veranlagung und Umwelteinflüssen und deren Auswirkung auf die Gesundheit will man zu genaueren Diagnosen und besseren Behandlungen kommen. Die University of California in San Francisco (UCSF) erforscht auf diesem Wege Demenzerkrankung wie Alzheimer u. a. um die Früherkennung zu verbessern. Auf dem Weg zu individuelIen Therapiekonzepten Petaflop und Grid Computing Immense Rechenleistung verlangt beispielsweise die Simulation biomolekularer Strukturen im großen Stil. Beim Grid Computing werden große Aufgaben in einzelne Pakete zerteilt und innerErwartete Umsatzentwicklung für verschiedene Segmente des Arzneimittelmarktes halb eines HochleistungsrechnerDie Universitätskliniken in Regensburg, netzwerks an viele Computer verteilt. Wien und Budapest wollen mit einer geFür die Pharmabranche ist Grid Commeinsamen Biobank Risikofaktoren für puting vor allem deshalb interessant, Schwangerschaftsdiabetes, Hirninfarkt, weil mit seiner Hilfe umfangreiche ReThrombosen und Folgeerkrankungen bei chenleistungen wie DNA-Analysen oder Diabetes mellitus erforschen. Berechnungen von Proteinfaltungen Auch die Pharmaindustrie hat dieses vorgenommen werden können. Potenzial erkannt und unternimmt große Forschungsanstrengungen. In einer Studie Prädiktive Biosimulation zur zukünftigen Entwicklung der Pharmabranche hat IBM Business Consulting In Anlehnung an „in vitro“ oder „in Services Schlüsseltechnologien identifivivo“-Experimente ermöglicht es eine ziert, auf deren Hilfe Unternehmen bei der so genannte „in silico“-Modellierung. Fokussierung auf maßgeschneiderte LöAnwendungsbeispiele im Medizin- und sungen angewiesen sein werden. Dazu gePharmabereich sind neben molekulahören unter anderem: ren Zielen und Biomarkern Modelle, die physiologische Abläufe und pathogene Mechanismen nachstellen, zum ● Petaflop Computing und Grid Computing Beispiel Diabetes vom Typ II oder den ● Prädiktive Biosimulation Einfluss chemischer Noxen. In Zukunft ● Advanced Storage Solutions dürfte die prädiktive Biosimulation die Art und Weise, wie präklinische und klinische Studien durchgeführt werden, massiv beeinflussen. Bereits heute lassen sich mit der Methode gute Voraussagen zu Bioverfügbarkeiten sowie zu Wirkungs- und Interaktionsprofilen treffen. Durch den Einsatz dieser Technologie dürfte sich künftig die Zahl der erforderlichen Laborexperimente signifikant verringern. Advanced Storage Solutions Moderne Medizin- und Pharmaforschung führt zu enormen Datenmengen, die gesammelt, gespeichert und sinnvoll verwaltet werden müssen. Notwendig sind dafür hochmoderne Speicher-Server, Content-Management-Systeme (CMS), virtuelle Speichernetze und Speicherfarmen, die es ermöglichen, diese Datenmengen sicher zu verwalten. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Trend zur personalisierten Medizin die Rolle der Informationstechnologie bei der Entwicklung entsprechender Medikamente nachhaltig verändern wird. Die IBM arbeitet intensiv mit zahlreichen Pharmaunternehmen, Universitäten, Krankenhäusern und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen zusammen, um diesen nächsten wichtigen Schritt zu maßgeschneiderten Therapielösungen erfolgreich zu begleiten. www.ibm.de