Besser lernen mit innovativem Sonnenschutz und Tageslichtlenkung

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Publikation – ift Rosenheim
Manuel Demel, Jürgen Benitz-Wildenburg
Besser lernen mit innovativem Sonnenschutz und Tageslichtlenkung
Anforderungen, Nachweise und Planungshinweise
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M.BP. Dipl.-Ing. Manuel Demel Manuel Demel, Produktingenieur Bauphysik
Dipl.-Ing. Jürgen Benitz-Wildenburg, Leiter PR & Kommunikation
Besser lernen mit innovativem Sonnenschutz und
Tageslichtlenkung
Anforderungen, Nachweise und Planungshinweise
Der sommerliche Wärmeschutz sowie die Tageslichtversorgung gewinnen aufgrund
häufigerer Hitzeperioden, der Reduzierung von Klimatisierungs- und Beleuchtungskosten
sowie steigender Komfortansprüche immer mehr an Bedeutung. Neben der technischen
und energetischen Seite zeigen neue Forschungsergebnisse immer deutlicher den
großen Einfluss von natürlichem Tageslicht auf die physische und psychische Gesundheit
des Menschen. Medizinische Studien belegen, dass das Tageslicht den Stoffwechsel
reguliert, die Melatoninproduktion (Schlafhormon) unterdrückt, die „Gute-Laune-Hormone“
wie Seratonin und Noradrenalin aktiviert, die Abwehrkräfte verbessert, den Schlaf/Wachrhythmus steuert sowie die Leistungsfähigkeit und Lernfähigkeit steigert. Dies allein
zeigt die enorme Bedeutung von Tageslicht für Kinder in Schulen. Im Licht dieser Fakten
sollten alle energetischen und baulichen Aspekte eigentlich in den Hintergrund treten.
Aber es gilt natürlich auch
die störenden Einflüsse
von
Blendungseffekten
und der Überhitzung im
Sommer zu vermeiden.
Damit wird deutlich, dass
die
Planung
und
Umsetzung
von
Sonnenschutz,
Blendschutz
und
Tageslichtversorgung zu
den
anspruchsvollsten
Planungsaufgaben zählt,
aber
von
Bauherren,
Lehrern und Planern oft
unterschätzt wird.
Bild 1 Design, Sonnenschutz und Tageslicht schließen sich nicht aus
(Köster Lichtplanung, RetroSolar)
© 2014 Institut für Fenstertechnik e.V.; Theodor-Gietl-Straße 7-9; 83026 Rosenheim
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Sommerlicher Wärmeschutz
Den auch in Deutschland spürbaren Konsequenzen der Erderwärmung tragen die
Verschärfungen in der EnEV 2016 und der DIN 4108-2 Rechnung. Beide Regelwerke
gelten für neue Gebäude sowie für Erweiterungsbauten bzw. neue Gebäudeteile im Sinne
der EnEV. Die DIN 4108-2 bietet ein vereinfachtes Verfahren (SonneneintragskennwertVerfahren oder Sx-Verfahren) und eine dynamische Gebäudesimulation mit festgelegten
Parametern und Randbedingungen an. Durch die Überarbeitung der DIN 4108-2 kann nun
auch eine passive Kühlung und Nachtlüftung mit unterschiedlich hohen Luftwechseln
berücksichtigt werden. Das vereinfachte Verfahren bewertete früher bei einem
fassadenflächenbezogenen Fensterflächenanteil von unter 50 % zu „scharf“ und bei
größeren Fensterflächenanteilen zu „weich“. Diese Fehlbewertung wurde nun korrigiert, so
dass das vereinfachte Verfahren und die Simulation zu ähnlichen Ergebnissen kommen.
Bei größeren Fensterflächen ergibt sich nun eine „strengere“ Bewertung, so dass nun
tendenziell bessere Sonnenschutzmaßnahmen als bisher erforderlich sind. Eine
Beispielrechnung für eine einfache Fassade mit Lochfenstern, die auch auf ältere
Schulgebäude übertragbar ist, zeigt, dass trotz eines Sonnenschutzglases mit einem gWert von 31 % und einem zusätzlichen, außenliegenden Sonnenschutz, der Nachweis
über das vereinfachte Verfahren der DIN 4108-2 nur knapp erfüllt werden kann. Im
Nichtwohnungs- und Schulbau wird daher eine thermische Gebäudesimulation das
übliche Nachweisverfahren sein.
Tabelle 1 Beispielrechnung für ein Nichtwohngebäude nach dem vereinfachten Verfahren der DIN
4108-2 (Vergleich Fassung 2003/2012)
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Bild 2 Geometrie des Gebäudes mit einem kritischen Raum für die Rechnung in Tabelle 1
Die Anhaltswerte für die Abminderungsfaktoren Fc von Sonnenschutzeinrichtungen in
Tabelle 7 der DIN 4108-2 unterscheiden nun zwar zwischen Zwei- und DreifachWärmeschutzglas sowie Sonnenschutzglas, aber eine Angabe konkreter Herstellerangaben
für den gtot-Wert führt zu eindeutig besseren Ergebnissen. Es wird häufig nicht
berücksichtigt, dass der für die Bemessung relevante Fc-Wert von der Kombination aus
Glas und Sonnenschutz abhängt. Die Fc-Werte werden oft übertragen und unbedenklich
genutzt, so dass es in der Praxis häufig zu Fehlplanungen kommt. In Bezug auf den Fc-Wert
sind bei außenliegendem Sonnenschutz Abweichungen von bis zu 20% möglich.
Automatische Steuerungssysteme für Verschattungen werden intensiv propagiert und
können den Kühlbedarf reduzieren. Diese Systeme greifen in der Praxis oft nicht wie
gewünscht, weil eine zentrale Steuerung gerade bei den wechselnden Ansprüchen im
Klassenzimmer oder Büro die individuellen Bedürfnisse der Menschen nicht ausreichend
erfüllt und deshalb nicht akzeptiert werden. Vorteile ergeben sich durch eine Ansteuerung
pro Sonnenschutzelement, da dies eine platzbezogene Regelung ermöglicht.
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Bild 3 Fc-Wert im Zusammenspiel von Sonnenschutz und Verglasung
Blendschutz und Tageslichtlenkung
Neben den thermischen Kriterien ist die Lichtqualität der zweite wichtige Faktor für die
Planung von Fenstern und Fassaden. Die Beleuchtungsstärke im Freien streut sehr stark
und reicht von 5.000 bis über 100.000 Lux und erfordert damit eine Regelung der Lichtintensität durch die Fassade. Dennoch wird an 85% der Tage ein Tageslichtangebot von
min. 5000 Lux zur Verfügung gestellt. Dies reicht zur Ausleuchtung der meisten Räume
aus, falls keine Verschattung durch Gebäude, Pflanzen oder Verschmutzung der Verglasungen stören; bei starker Verschmutzung innen und außen kann das Tageslicht bis zu
50% vermindert werden. Als Basis für eine erste grobe Planung der Fenster können folgende Grundsätze angenommen werden:
 farbneutrale Verglasung mit einem Lichttransmissionsgrad von ca. 65% bis 75 %
 normal geschnittene Räume (Verhältnis Breite : Tiefe etwa 1 : 2)
 Breite der Fensterfront entspricht etwa der Raumbreite und sollte ca. 20% der Raumfläche betragen
 Breite und Höhe der Fenster etwa 1,5 m bis 2,5 m, Brüstungshöhe etwa 0,90 m und
deckennaher Fensteroberkante. Keine Glasteilung durch Sprossen
 Möglichst geringe Abschattung durch Verbauung oder Pflanzen
 Integrative Planung von Sonnen-, Blendschutz und Tageslichtlenkung
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Eine genauere Planung mit Lichtsimulationen bieten erfahrene Ingenieurbüros an, die sich
bei Nichtwohnungsbauten anbietet, da hier oft eine Berechnung einzelner repräsentativer
Räume ausreicht.
Bild 4
Durch Lichtlenkungssysteme (Lamellen) lässt sich die Ausleuchtung eines Klassenzimmers
bei ausreichendem Tageslicht gut regeln. Oben: ohne Lamelle, Mitte: Blendung im Bereich
des Fensterbandes, Unten: optimale Ausleuchtung
(Bilder: alware - Ingenieurbüro Bauphysik und Gebäudesimulation, Braunschweig)
Oft blendet der Sonnenschutz, weil sich Leuchtdichten am Fenster über 4000 cd/m² ergeben und damit das Lernen erschweren. Ein visuelles Unbehagen kann sich selbst bei geschlossenem oder zu hellem Sonnen-/Blendschutz ergeben, wenn Fenster und Fassaden
direkt von der Sonne beschienen werden und sich dann die Sonnenscheibe abzeichnet
oder sich Sonnenlichtflecken auf Boden und Tischen bilden. Eine Blendung kann häufig
nur durch einen zusätzlichen inneren Blendschutz oder winkelselektive Verschattungssysteme vermieden werden, die die direkte Sonnenstrahlung ausblenden, aber dennoch genügend indirektes und blendfreies Licht in den Raum lassen. Ein Blendschutz gemäß DIN
EN 14500 soll deshalb den Grad der Leuchtdichte regulieren, die Leuchtkontraste zwischen verschiedenen Bereichen innerhalb des Gesichtsfeldes verringern sowie störende
Reflexionen auf Bildschirmgeräten oder Arbeitsflächen verhindern. Ideal ist daher eine
Kombination von Sonnen- und Blendschutz, insbesondere an Bildschirmarbeitsplätzen.
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Bild 5 Winkelselektive Lamellen können Sonnen-/Blendschutz und Tageslichtlenkung gut verbinden (Bsp. Retroflex-Lamelle, Bildquelle ift Tagungsband zur R+T 2012, KösterLichtplanung)
Für anspruchsvolle Sehaufgaben wie in Schulen wird normativ eine Beleuchtungsstärke
von 500 lx gefordert, mehr ist natürlich besser. Diese Forderungen beziehen sich auf die
eigentliche Sehaufgabe und lassen die Entdeckung eines dritten Lichtrezeptors auf der
Netzhaut unberücksichtigt, der die biologische Uhr, die Hirnaktivität, das Wohlbefinden und
die Gesundheit beeinflusst und erst ab Beleuchtungsstärken am Auge von größer 1000 lx
reagiert. Grundsätzlich muss deshalb für die Gesundheit, Konzentrationsfähigkeit und
Lernmotivation eine bestmögliche Versorgung mit Tageslicht gefordert werden. Diese Erkenntnisse erfordern eine gänzlich neue Bewertung von „gutem Licht“, die folgende Faktoren berücksichtigen muss:
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absolute Tageslichtmenge (Quantität),
Natürliche Lichtqualität (Farbe, Richtung, dynamische Wechsel)
Verlauf bzw. Verteilung des Tageslichts im Raum (Tageslichtquotient),
Optische Wahrnehmungsbedingungen, Direktblendung, Reflexblendung,
Visueller Bezug nach außen (Transparenz),
Sonnenschutz (g-Wert als Kennzahl für thermischen Sonnenschutz)
Individuelle Anpassung und Abschaltung von Kunstlicht.
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Fazit
Sonnenschutz und Blendfreiheit kann nur durch eine integrative Planung energieeffizient,
kostengünstig und nachhaltig erreicht werden. Die Tageslichtplanung kann durch Simulationen bereits im Entwurfsstadium deutlich verbessert werden. Die künstliche Beleuchtung
muss dabei variabel und adaptiv an das Tageslichtangebot angepasst werden, d.h. die
Leitgröße bleibt das Tageslicht, dass bezüglich der Intensität, Lichtrichtung und Lichtfarbe
erhalten bleiben sollte. Dies ist möglich durch Systeme zur Tageslichtlenkung, die das
vorhandene Licht optimal in der Raumtiefe verteilen, den visuellen Komfort erhöhen und
die Stromkosten reduzieren. Der Einsatz automatisch regelbarer Systeme und die Planung der zugehörigen Steuerung müssen immer auch einen autonomen Eingriff von Lehrern und Schülern erlauben. Nicht ein „Entweder-oder“, sondern ein „Sowohl-als-auch“
muss deshalb der Grundsatz für die Planung von Fassade, Haustechnik und Beleuchtung
sein. Thermischer Komfort ist auch bei großen Glasflächen möglich, wenn dies in der Planungsphase berücksichtigt wird.
Literatur:
[1]
Information Tageslicht am Arbeitsplatz – leistungsfördernd und gesund, BGI/GUV-I, Februar 2009
[2]
Gutes Licht für Schulen und Bildungsstätten, Fördergemeinschaft Gutes Licht, Frankfurt
[3]
Fachinfo ift Rosenheim WA-21/1 "Sommerlicher Wärmeschutz - Vereinfachte Nachweisverfahren und Diagramme",
Mai 2014
[4]
VFF Merkblatt ES.04 "Sommerlicher Wärmeschutz", Januar 2013
[5]
www.sichere-schule.de, Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, Berlin
[6]
Tageslichtfibel, Fachverband Tageslicht und Rauchschutz (FVLR ), Detmold, www.fvlr.de/tag_sichtmedizin.htm
[7]
Publikationen und Simulationen alware, Ingenieurbüro Bauphysik + Gebäudesimulation, Braunschweig
[8]
Muster-Schulbau-Richtlinie - MSchulbauR, April 2009
[9]
Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV), Juli 2010
[10] DIN 4108-2:2013-02 - "Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden – Teil 2: Mindestanforderungen an den
Wärmeschutz", Beuth Verlag GmbH, Berlin
Autoren
M.BP. Dipl.-Ing. Manuel Demel ist im ift Rosenheim als Produktingenieur
"Bauphysik" mit dem Fokus auf wärmeschutztechnische Themen produktübergreifend tätig. Er vertritt das ift Rosenheim in mehreren Normen- und
Fachausschüssen sowie in Seminaren.
Dipl.-Ing. Jürgen Benitz-Wildenburg leitet im ift Rosenheim den Bereich
PR & Marketingkommunikation. Als Schreiner, Holzbauingenieur und
Marketingexperte ist er seit vielen Jahren in der Holz- und Fensterbranche in verschiedenen Funktionen tätig. Als Lehrbeauftragter, Referent
und Autor gibt er seine Erfahrung weiter.
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