Hurtig Kinder, kommt zu Tisch! - Gesundheit Berlin

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Tagungsdokumentation
Hurtig Kinder,
kommt zu Tisch!
Ernährung in Kita und
Familie – gut und gesund.
Hurtig Kinder, kommt zu Tisch!
Ernährung in Kita und Familie – gut und gesund.
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Inhaltsverzeichnis
1 Vorwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
2 Fachvorträge
Lebenshungrig und erfahrungsdurstig. Essen in der Kita mit Bildungsqualität gestalten.
Dr. Roger Prott, Bildungsreferent, Berlin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Bedeutung und Gestaltung des Essens in Kita und Familie.
Prof. Dr. Heide Kallert, Universität Frankfurt, Institut für familiale und öffentliche .
Erziehung, Bildung, Betreuung e.V., Frankfurt am Main. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
3 Aus den Workshops – Beispiele – Diskussionen – Handlungsmöglichkeiten
I st gesunde Ernährung bedingungslos machbar?
Verpflegungssysteme auf dem Prüfstand.
Karsten Winke, nutriwin, Unternehmen für Catering und Ernährungsbildung, Potsdam. . . . . . . . . . 14
Was es kostet? Finanzierbarkeit gesunder Kost für Kita und Familie.
Stephanie Wetzel, Ökotrophologin, Berlin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Gelingende Kommunikation zwischen Kita und Familie – für ein gemeinsames
(Ernährungs-) Verständnis.
Heidrun Franke, Verbraucherzentrale Brandenburg e.V., Potsdam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
„Kita mit Biss“ – Kariesprophylaxe und gesunde Ernährung für gesunde Kinderzähne.
Dr. Petra Haak, Zahnärztlicher Dienst, Frankfurt (Oder). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
ehr als nur Essen. Gesunde Ernährung zwischen Kommunikation, Atmosphäre
M
und Raumgestaltung.
Dr. Claudia Gölz, Ökotrophologin, Berlin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
4 Informationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
5 ReferentInnenportrait und Kontakt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
Impressum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
Vorwort
1 Vorwort
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Ernährung bei Kindern ist ein komplexes Thema. Egal, ob wir Erwachsenen der Meinung sind, dass etwas gesund oder ungesund ist, Kinder stellen ihre eigenen Ansprüche: sie haben hier Vorlieben für
Nudeln mit Tomatensoße oder süße Speisen und dort Abneigungen gegenüber Salat oder Rosenkohl. Es kann eine Herausforderung sein, Kinder zu ernähren – sowohl in der Familie als auch in der Kita.
Gleiches gilt für die Zubereitung des Essens. So müssen Speisepläne ausgearbeitet, Nahrungsmittel
standardgerecht zubereitet und die Kinder mit allen notwendigen Nährstoffen versorgt werden. Am
Ende soll alles appetitlich schmecken sowie gesund und abwechslungsreich sein. Auch das ist eine
komplexe Aufgabe.
Hinzu kommt der pädagogische Anspruch. Die Kita ist ein hervorragender Ort, um kindliche Neugier zu
wecken, aufzugreifen und Essen sinnlich erfahrbar zu machen. So wird in der Kita geschmeckt, gerochen, ausprobiert, zubereitet, geschnitten, gebacken. Es werden Erdbeeren gepflückt, Lämmer gestreichelt, Kräuter gesät, Fragen gestellt, Antworten gesucht und Lösungen entwickelt. Essen sollte vor allem auch Spaß machen. Wer kennt das nicht: gemütlich beisammen sitzen und gemeinsam mit Lust und Laune eine Mahlzeit einnehmen. In diesen Momenten erfahren Kinder sozialen
Halt und spüren, dass sie Teil der Gemeinschaft sind.
Die Fachtagung „Hurtig Kinder, kommt zu Tisch! Ernährung in Kita und Familie – gut und gesund.“ des
Netzwerkes Gesunde Kita hat diese Themen aufgegriffen und gezeigt, dass die Debatte um eine gesunde Ernährung nicht nur spannend, sondern auch notwendig ist. Die vorliegende Dokumentation gibt
einen Einblick in die Fachbeiträge, Workshops und Diskussionen. Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen. Das Team Netzwerk Gesunde Kita
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2 Fachvorträge
Lebenshungrig und erfahrungsdurstig. Essen in der
Kita mit Bildungsqualität gestalten.
Dr. Roger Prott, Bildungsreferent
Nahrung an sich steht hier eher im Hintergrund. Zwar ist es gut und richtig, sich möglichst viel
Wissen zum Thema anzueignen, wenn man gesunde Ernährung in der Kita einführen will. Doch
nur, wenn der Fokus auf das Essen als Aktivität
und soziales Ereignis gerichtet wird, kann die
Umsetzung des Ernährungswissens erfolgreich
sein. Meine Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
in meinem Beitrag zur gesunden Ernährung geht
es mir insbesondere darum, auf Erfahrungs- und
Erlebnisaspekte beim Essen hinzuweisen. Die
Mir geht es demnach weniger um „gesunde Ernährung“, als vielmehr um „gesundes Essen“. Dieser Perspektivenwechsel hilft dabei, sich klar
zu machen, dass es um das Esserlebnis jedes
Einzelnen gehen sollte sowie darum, dieses Erlebnis positiv zu gestalten. In diesem Zusammenhang sollte man die Bereitschaft und die Grenzen
des Kindes wahrnehmen und achten. Das ist das
Wichtigste überhaupt. Andernfalls kann man größeren Schaden anrichten, als eine gesunde Ernährung nutzt. Wenn das Sachinteresse bzw. das
Sachthema „gesunde Ernährung“ Oberhand gewinnt, kann es leicht passieren, dass allgemeine
Erziehungsziele und übergreifende Werte in den
Hintergrund geraten. Die Versuchung, das Kind
darüber zu belehren, was gut und gesund ist – anstatt ihm Bildungsprozesse zu ermöglichen bzw. Bildungsgelegenheiten zu geben – ist groß. Belehrung und Bildung sind aber bei weitem nicht
dasselbe. Und die größte Gefahr besteht darin,
nicht nur die Botschaft zu transportieren: “Kind,
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du musst lernen, was gesund ist.“ sondern damit
zugleich „Kind, Du musst dich ändern, denn so
wie du bist, bist Du nicht gut.“
An dieser Stelle können wir uns auch als Erwachsene die Frage stellen, ob wir ohne weiteres hören wollen, dass wir uns ändern sollen. Vermutlich hat das niemand gern. Vor allem ist diese
Aufforderung keine gute Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit, und ebenso wenig für
erfolgreiche Bildungsprozesse. Im Folgenden beschreibe ich nun sieben Elemente als qualitative Rahmenbedingungen der
Ernährung in Kitas, die die Aufnahme gesunder
Nahrung überlagern. 1. Das Kind in uns
Oftmals hilft ein kleiner Perspektivenwechsel
bzw. die Erinnerung an frühere Zeiten: Wenn man
zum Beispiel an sein Lieblingsgericht der Kindheit denkt, kommt es oft vor, dass diese Mahlzeit
mit einer besonderen Person oder Situation verbunden ist. Das Essen steht meistens nicht für
sich alleine, sondern ist eingebettet in ein bestimmtes Ereignis, wie beispielsweise das Mittagessen am Wochenende bei den Großeltern. Damit ist die Verknüpfung zu einem sehr wichtigen
Element geschaffen: Essen ist in einen sozialen
Kontext eingebunden; es ist in der Regel eine
soziale Erfahrung. Die Erfahrungen der Kindheit
bilden die Grundlage vieler Handlungen, auch
wenn sie im weiteren Lebensverlauf verändert
oder ergänzt werden. guten Chancen langfristig gesund zu bleiben,
selbst wenn sie ausschließlich gesunde Lebensmittel zu sich nehmen.
Eine weitere Relativierung, durch die man schnell
an seine Grenzen stoßen kann, ergibt sich, wenn
man „gesund“ definieren will. Schauen Sie sich in
verschiedenen Ländern Europas um, was als „gesund“ angesehen wird. Das variiert je nach kulturellem Hintergrund. Dies ist keineswegs nur eine
Frage der geografischen Abgrenzung. Bisher hat
keine Kultur ein Optimum für sich gefunden, geschweige denn, dass andere es nachmachen
könnten. Der Transfer von guten Essgewohnheiten scheitert auch an der Schwierigkeit, den
eigenen Hintergrund zu kommunizieren bzw. zu
erklären. Weiterhin nehmen Zeitgeist und die Gesellschaft
Einfluss auf die Definition: Manches, was vor einigen Jahren als „gesund“ galt, ist heute überholt. Ein Beispiel am Rande: In Japan sind nach dem
Atomunglück die Strahlengrenzwerte um das
zehn- bis zwanzigfache erhöht worden. Was davor noch als schädlich galt, schadet heute angeblich der Gesundheit nicht mehr. Früher dachte
man auch, dass Spinat besonders gesund sei. Dann wurde festgestellt, dass sich eine Kommastelle in der Statistik verschoben hat; die Aussage
wurde daraufhin relativiert. Darum denke ich: das allerwichtigste bei der gesunden Ernährung ist der Genuss, denn wer mit
Genuss isst, ernährt sich in aller Regel auch gesund.
3.Essen als soziales Ereignis
2.Grundsätze zum Essen
Einige wichtige Grundsätze zum Essen sollten
immer klar sein: Das ungesündeste Essen ist –
nicht zu essen. Keine Nahrung zu sich zu nehmen,
ist nicht gesund. Das gilt für Nahrungsmangel
und Nahrungsverweigerung gleichermaßen. Nahrungsverweigerung als Essstörung beginnt unter
Umständen bereits im Kindesalter.
Auch das Gegenteil ist möglich, was die Sache
kompliziert macht. Menschen, die übermäßig
oder nur einseitig essen, haben ebenfalls keine
Essen ist ein soziales Ereignis. Es geht um mehr
als die Zufuhr gesunder Nährstoffe und Lebensmittel. Essen in der Kita findet immer gemeinsam
mit anderen Kindern statt. Das heißt, denn es
geht um
ndas einzelne Kind, das sich beim Essen in doppeltem Sinne mit seinem Selbstgefühl auseinandersetzt: das Kind, das da ist und das da
isst. Es ist für das Kind wichtig zu erkennen,
wer es ist, was es mag oder nicht mag und was
ihm gut tut bzw. was auch nicht. 8
nWeiterhin geht es um die konkrete Essgesellschaft, also mit wem die Mahlzeiten eingenommen werden und wie das Verhältnis zu diesen
Personen ist. Sind es Personen, mit denen man
gern Zeit verbringt oder ist es eine Zweckgemeinschaft?
nUnd es geht um den sozialen Rahmen und damit um die Frage, wer über das Essen bestimmt.
Nach den anderen Kindern, die erheblich beeinflussen, was in einer Kita als toll oder eklig gilt, ist
in diesem Zusammenhang die Erzieherin am
nächsten „am Kind dran“. In der zweiten Ebene
ist es dann die Köchin und in der dritten Ebene
der Träger, der bestimmt was eingekauft wird, ob
selber in der Kita gekocht wird oder ein Caterer
das Essen liefert etc. Aber auch die Familie muss berücksichtigt und
beteiligt werden. Jede Familie hat ihre eigenen
Essgewohnheiten; und sie greift unter Umständen gerne auch mal zu Fertigprodukten. Dies
kann man Familien gar nicht verübeln, wurde
doch festgestellt, dass Fertigprodukte z.T. sehr
viel billiger sind als die Rohprodukte, die man
kaufen kann. Auch braucht man weniger Zeit für
die Zubereitung. Familien mit wenig Geld oder
Zeit neigen daher zu Fertigprodukten. Da nützen
die Appelle zu guter bzw. gesunder Ernährung
nicht viel; sie bereiten allenfalls ein schlechtes
Gewissen.
Diese drei Punkte [das Selbstgefühl, die konkrete
Essgemeinschaft und der weitere soziale Rahmen] sind auch im Zusammenhang mit dem Thema Bildung sehr wichtig. Die Voraussetzung für
Bildungsprozesse und gesundes Essen ist Wohlbefinden, das von den benannten Faktoren maßgeblich beeinflusst wird.
4.Essen und Wohlbefinden
Es leuchtet ein: Essen und Wohlbefinden sind eng
miteinander verknüpft. Gesund ist, wenn man
gern isst und das isst, was schmeckt. Ohne Wohlbefinden aber auch keine Bildung. Insofern sind
Mahlzeiten, die mit Wohlbefinden gegessen werden, nicht nur gesund, sondern tragen zudem zur
Bildung bei. Den Umkehrschluss kennt jeder Erwachsene. In unangenehmen Situationen heißt
es: „Ich bin jetzt schon satt“ oder „Mir ist der Appetit vergangen.“
Wohlbefinden ist enorm wichtig. Daher gehört es
zur vorrangigen Aufgabe derjenigen Erwachsenen, die sich um die gesunde Ernährung der Kinder kümmern wollen, für Rahmenbedingungen zu
sorgen, in denen die Kinder sich beim Essen wohl
fühlen.
5.Essen und Bildung
Hier mache ich zuerst auf die Evaluationsbögen
aufmerksam, welche den Kitas in Brandenburg
zur Verfügung stehen, um selbst zu prüfen, ob
und inwiefern sie nach den „Grundsätzen elementarer Bildung“ arbeiten. Dort steht u.a.: Essen gehört zu den Erfahrungen von Kindern, die
mit Bildungsqualität zu gestalten sind. Um dieses
Ziel zu erreichen, müssen Bildung und Ernährung
im Zusammenhang mit Wohlbefinden betrachtet
werden. Wichtig ist, die Würde des Kindes zu respektieren, d.h. dem Kind, soweit wie nur möglich, Verantwortung für sich selbst und Selbstbestimmung zu lassen und seine Integrität zu bewahren. Der würdevolle Umgang mit dem Kind ist im
Grundgesetz [politische Grundlage] und in den
„Grundsätzen elementarer Bildung des Landes
Brandenburg“ [pädagogische Grundlage] festgeschrieben. Beide zusammen geben die Voraussetzung für die Unterstützung von Bildungsprozessen eines jeden Kindes – auch beim Essen. Am
Beispiel des sogenannten Kosthappens soll dies
nun erläutert werden.
6.Kosthappen als Bildungsereignis
Er ist noch häufig in Kitas anzutreffen, egal ob er
nun so oder Probierlöffel oder anders genannt
wird. Das Prinzip ist immer gleich. Eine kleine
Menge einer Speise oder einer Zutat wird vom Erwachsenen auf den Teller eines Kindes gegeben,
wenn das Kind die Speise „eigentlich“ ablehnt. Doch das Kind soll nichts grundsätzlich verwei-
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gern. Es soll den Geschmack jeder Speise oder
seiner bestimmten Zubereitungsform kennenlernen. Wird damit diese Maßnahme zu einem Bildungsereignis? Neues kennenzulernen hat zumindest etwas mit Wissenserwerb zu tun, aber
auch mit Bildung?
Kosthappen stehen meines Erachtens im Widerspruch zu den Grundsätzen elementarer Bildung,
die darauf hinweisen, dass alles, was das Kind
uns zeigt, Ausdruck seiner Persönlichkeit ist; diese gilt es zu achten und zu fördern. Die Evaluationsbögen machen die Vorgabe, das „Nein“ des
Kindes als „Nein“ zu achten. Durch den Kosthappen aber macht das Kind die
Erfahrung, dass sein „nein“ nichts oder nur wenig
gilt (je nachdem, wie konsequent die Maßnahme
des Probierens durchgeführt wird). Das „nein“ zu
achten, ist keine Strafmaßnahme gegen Erzieherinnen. Diese Regel hat etwas mit Pädagogik und
Prävention von Missbrauch zu tun. Kinder sollen
lernen „nein“ zu sagen. Das tägliche Essen kann
davon nicht ausgenommen werden. Kindheit ist eine Zeit der Experimente und des
sich Ausprobierens; es gehört dazu, sich von Zeit
zu Zeit zu entscheiden, etwas gar nicht zu essen
oder etwas deshalb nicht zu essen, weil der
Freund oder die Freundin es nicht essen wollen. Wird das Kind gegen seinen Willen zum Essen
gezwungen, erfährt es, dass sein Selbstgefühl
und der eigene Wille falsch sind. Die Erwachsenen wissen es anscheinend besser. Sie sind zumindest stärker und mächtiger. Der Kosthappen
behindert daher die Entwicklung des Selbst und
steht damit im Gegensatz zu den „Grundsätzen
elementarer Bildung“. Dort geht es nicht darum,
dem Kind aufzuzeigen, was gut und richtig ist;
das wäre Bevormundung. Vielmehr soll jedes
Kind im Sinne der Ko-Konstruktion darin unterstützt werden, eigene Erfahrungen zu machen. Um sich und das Kind vor Bevormundung zu
schützen, hilft vielleicht wieder ein Perspektivenwechsel. Man kann sich fragen: „Möchte ich als
erwachsene Person, dass mein/e Lebenspartner/
in das mit mir macht?“ Wer diese Frage für sich
mit „nein“ beantwortet, sollte das auch mit dem
ihm/ihr anvertrauten Kind nicht tun. 7.Verantwortung wahrnehmen
Jeder Einzelne muss Verantwortung wahrnehmen
und darf diese nicht missbrauchen bzw. über seinen Bereich hinaus ausweiten. Das gilt für die Erzieherin, den Erzieher, den verantwortlichen Personen seitens des Trägers und für das Kind –
jede/r auf ihrem/seinem Gebiet. Der Träger hat
die Verantwortung dafür, was in welchen Mengen
eingekauft und wie zubereitet wird. Im Verantwortungsbereich der Erzieher/in liegt zum Beispiel, ob das Frühstück mitgebracht wird, ob einmal in der Woche ein Frühstück gemeinsam gestaltet wird oder ob generell jeden Tag mit den
Kindern das Frühstück vorbereitet wird. Bei den
Erwachsenen liegt immer auch die Verantwortung
für die Gemeinschaft und die Atmosphäre beim
Essen. Sie sind zuständig für die Rahmenbedingungen, denn das können die Kinder nicht leisten. Kinder jedoch können die Verantwortung für sich
selbst tragen, d.h. hier für das, was und wie viel
sie davon essen. Diese Verantwortung muss ihnen bleiben, damit sie sich zu selbstbewussten
Persönlichkeiten entwickeln und ihre eigene Verantwortungsfähigkeit stetig ausbauen können. Erzieherinnen und Erzieher sollten stets daran
denken, dass das Essverhalten nur eine von ganz
vielen Ausdrucksformen ist, wer das Kind ist. Es
ist in diesem Zusammenhang für alle Pädagogen
wichtig zu gucken, was das Kind über sich selbst
ausdrückt und was es damit preisgibt, wie seine
Persönlichkeit konstruiert ist.
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Bedeutung und Gestaltung des Essens in Kita und Familie.
Prof. Dr. Heide Kallert, Universität Frankfurt, Institut für familiale und
öffentliche Erziehung, Bildung, Betreuung e.V.
Einführung: Essen – ein emotionales Thema
Mein Vortrag mit dem Thema „Bedeutung und
Gestaltung des Essens in Kita und Familie“ richtet
den Blick auf das W i e des Essens und der Mahlzeiten. Dabei versuche ich zu zeigen, welche Verbindungen zwischen dem Was und dem Wie bestehen.
Im Zentrum steht ein Forschungsprojekt, das über
mehrere Jahre an der Frankfurter Goethe-Universität durchgeführt wurde. Der Anstoß zu dem
Forschungsprojekt kam aus der Praxis. Das Thema „Essen“ wurde durch Berichte von Fachkräften aus Kinderbetreuungseinrichtungen und aus
der Familienbildung in den Blickpunkt gerückt als
eines, das nicht selten für Probleme und Spannungen sorgt. Bei den Fachkräften ist der Eindruck entstanden, es habe in den Familien der
Kinder einen gravierenden Wandel bezüglich der
Ernährungs- und Essgewohnheiten gegeben: Immer weniger werde gemeinsam gegessen, es gebe selten frisch gekochtes Essen und wenig werde auf die Auswahl dessen geachtet, was die Kinder in die Kita mitbringen. All dies drohe in den
Familien der Kinder, die die Kita besuchen, unwichtig zu werden oder verloren zu gehen.
Es wurde aber auch deutlich, dass „Essen“ auch
in den Kitas selbst ein höchst bedeutsames Thema war, sowohl zwischen Kindern und Erzieherinnen als auch im Team. Aus pädagogischer
Sicht geht es nicht nur darum, welche Nahrungsmittel mehr oder weniger gesund sind bzw. für
Kinder empfohlen werden. Ebenso interessieren
die Gestaltung der Mahlzeiten, die Zuständigkeiten rund um das Essen (wie Einkaufen, Kochen, Tischdecken und –abräumen, Geschirrspülen) sowie die Rituale und Regeln beim Essen. Vor allem erschien es wichtig, dafür zu sensibilisieren, wie stark das Thema „Essen“ emotional
besetzt ist. Das gelang, indem die Beteiligten als
Kind erlebte Ess-Situationen mit ihren gegenwärtigen Essgewohnheiten verglichen.
Dabei ging es um Fragen wie:
nWelche Mahlzeiten gab es am Tag und wer war
zuständig für ihre Zubereitung? Wer isst heute
zusammen?
nWer hat damals dafür Sorge getragen, dass gesund gegessen wurde? Wer tut das jetzt?
nWelche Verhaltensregeln gab es beim Essen?
Wurden die Regeln als Zwang empfunden, wurde Zwang ausgeübt, um die Regeln durchzusetzen?
nWelche Regeln werden heute von den nunmehr
Erwachsenen eingehalten? Haben sie sich von
dem, was als Zwang empfunden wurde, be-
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freit? Inwieweit praktizieren sie die Regeln aus
der Kindheit weiter?
Die Fragen lassen erkennen, dass das Essen für
Kinder nicht nur ein Akt der Sättigung ist und dem
Aufbau eines gesunden Körpers dient. Vielmehr
ist es auch mit Gefühlen zu denjenigen Personen
verbunden, die das Essen zubereiten und mit ihnen gemeinsam essen. Nicht zu vernachlässigen
sind Aspekte der Erziehung und Bildung.
Essen in Familien [Ausgewählte Ergebnisse]
Mit der Befragung der Eltern wurde bestätigt,
dass es werktags im besten Fall eine Mahlzeit am
Tag gibt, bei der sich alle Familienmitglieder zusammenfinden. Alle Mütter und Väter aus den
verschiedenen Herkunftskulturen nannten die
Abendmahlzeit als die gemeinsame Mahlzeit. Ob
sie sich immer verwirklichen lässt, erscheint fraglich; der Wunsch nach dieser Gemeinsamkeit am
Abend oder am Wochenende ist aber bei allen
Befragten vorhanden.
Sowohl die Eltern als auch die Kinder wurden
nach den Aufgaben und Zuständigkeiten rund um
das Essen gefragt. Von allen Befragten wurde die
herausragende Rolle der Mutter, vor allem beim
Kochen und bei der Auswahl der Speisen, betont. Der Vater übernimmt beim Einkaufen eine Funktion (in fast einem Viertel der Familien erledigt er
das allein). Beim Tischdecken vor und Tischabräumen nach dem Essen wird die Mutter entlastet, dabei helfen in fast allen Familien der Vater
und/oder die Kinder. Für das Geschirrspülen ist
wieder überwiegend die Mutter zuständig. Über die Regeln, die in den Familien bei Tisch
gelten, geben vor allem die Beobachtungsberichte Auskunft. In fast allen Familien wird auf
Tischmanieren, wie die korrekte Benutzung des
Bestecks, geachtet, aber sie werden unterschiedlich streng durchgesetzt. In allen Familien darf
während des Essens gesprochen und getrunken
werden, aber ob mit vollem Mund gesprochen
werden oder nach Belieben aufgestanden werden
darf und vor allem, ob von allem probiert oder der
Teller leer gegessen werden muss, wird ganz un-
terschiedlich gehandhabt. Meist gibt es für alle
Familienmitglieder das gleiche Essen. Die Mahlzeit wird gemeinsam begonnen, aber in der Mehrzahl der Familien wird sie nicht gemeinsam beendet, sondern die Kinder dürfen aufstehen, wenn
sie mit dem Essen fertig sind. Tischrituale am Anfang der Mahlzeit sind selten und hygienische
Aspekte, wie Händewaschen vor und Zähneputzen nach dem Essen, spielen eine eher untergeordnete Rolle.
Beim Vergleich zeigte sich, dass die Vielfalt der
von Kindern in der Kita benannten Speisen weit
größer war als die von Kindern in der Familie, und
zwar sowohl bei den besonders beliebten als
auch bei den unbeliebten Speisen. Offensichtlich
war es in den Kitas gelungen, den Kindern wesentlich mehr verschiedene „gesunde“ Lebensmittel anzubieten.
Essen in Kindertagesstätten
[Ausgewählte Ergebnisse]
Regeln spielen in der Kita eine große Rolle. Dies
gilt auch im Zusammenhang mit dem Essen.
Mit Abstand am häufigsten erwähnten die Befragten, die Kinder sollen während des Essens
leise sein und sitzen bleiben. Durch das Befolgen
dieser Regel soll verhindert werden, dass beim
gemeinsamen Essen immer wieder Stresssituationen für alle Beteiligten entstehen. Aufmerksamkeit und Konzentration auf das Essen werden gefördert. Die Beobachtungen zeigen aber, dass
sich die Kinder bei Tisch durchaus auch unterhalten können, soweit der Lärmpegel auf Zimmerlautstärke bleibt. Dass die Kinder mit Besteck essen sollen, ist eine
gesellschaftliche und kulturelle Regel, die als
bindend angesehen und nicht besonders erwähnt
wird.
Bei der Regel, dass die Kinder probieren sollen,
gibt es zum Teil große Unterschiede in der Umsetzung. In einigen Fällen wird gefordert, die Kinder
sollen alles probieren, was auf dem Tisch steht, in
anderen Fällen soll Neues probiert werden, um
die Erfahrungen der Kinder zu erweitern. Zu dieser Regel ist generell anzumerken, dass das Pro-
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bieren niemals mit Zwang durchgesetzt werden
sollte.
Gleiches gilt für das Verständnis darüber, ob Kinder alles aufessen sollen, was auf dem Teller ist.
Kinder dürfen sich in den meisten Einrichtungen
selbst bedienen und lernen dabei, ihren Appetit
einzuschätzen, das richtige Maß für sich zu finden
und ihren Körper sowie ihre Bedürfnisse bewusst
wahrzunehmen. Einige Befragte üben jedoch
Druck aus, das Essen dann auch aufzuessen. Dies
wird nicht dazu führen, dass das Kind Freude an
der Essensituation empfindet; Freude am Essen
ist aber die Grundlage aller Ernährungsbildung.
Ein gemeinsamer Beginn der Mahlzeit wird als
organisatorisch sinnvoll angesehen, weil damit
Struktur und Ruhe in die Essensituation kommt
und diese als Gemeinschaftserlebnis und Gemeinschaftserfahrung, die das Zusammengehörigkeitsgefühl der Gruppe stärkt,.hervorgehoben
wird.
Bei den Zuständigkeiten werden vor allem solche
hervorgehoben, welche die Selbständigkeit von
Kindern durch eigenes Handeln und Tun fördern:
Essen auf den Teller füllen; Einschenken; Nachschlag nehmen. In der Mehrzahl der Einrichtungen wird als Erziehungsziel angestrebt, dass
die Kinder ihre Bedürfnisse bezüglich Hunger,
Durst und Sättigung eigenständig wahrnehmen
und angemessen einschätzen.
Zuständigkeiten der Kinder hängen offenbar
mehr von der Situation als vom Alter ab: Hortkinder werden nach der Schule von Pflichten entlastet, während die Jüngeren im Kindergarten an
vielen Aufgaben beteiligt sind, das heißt, auch
den Kleineren wird bereits Selbstständigkeit in
hohem Maß zugetraut. Weniger von der Situation als vielmehr vom Konzept mag es abhängen, wie die Bezugspersonen
es bewerten, wenn Kinder ‘mit dem Essen spielen‘ oder welches kindliche Verhalten sie als ‘mit
dem Essen spielen’ wahrnehmen. In vielen Einrichtungen ist es erlaubt, dass die Kinder mit Essen experimentieren, z.B. ihm auf dem Teller eine
andere Form geben oder die Nahrungsmittel anfassen, um neue sinnliche Erfahrungen machen.
Exkurs: Esskultur und Ernährungserziehung
(nach Barbara Methfessel)
Wenn es ein Ziel ist, dass Menschen sich gesundheitsförderlich ernähren, müssen sie von
klein auf mit gesunden Speisen „gefüttert“ werden, denn dann behalten sie diese Vorlieben ihr
Leben lang mehr oder weniger bei. Die Esskultur wandelt sich zwar während des Lebens, aber
die Grundmuster unserer Geschmäcker und
Werte wirken sehr langfristig. Essen bzw. Lebensmittel sind emotional aufgeladen. Der Mensch kombiniert im limbischen
System Gefühle und Gerüche. Mit Lust besetzte
und angenehme Erinnerungen werden mit positiven Gefühlen verbunden. Alle, die mit Kindern
zusammen essen, sollten also ein Vorbild für ein
fröhliches Essen sein; sie sollen dafür sorgen,
dass Essen positiv besetzt ist. Gerne und gut zu
essen, ist der beste Weg zum gesunden Essen.
Damit Kinder einen Bezug zum Essen bekommen, ist es unbedingt wichtig, sie beim Zubereiten der Speisen zu beteiligen. Kinder in den Alltag zu integrieren, ist ein wichtiger Teil des Bildungsprogramms und durch keine Sonderförderung zu ersetzen: Die psychomotorische Entwicklung wird gefördert, alle Sinne werden angesprochen.
Beim Essen werden Regeln gebraucht, die Werte und Wertschätzung beinhalten: Wie respektieren wir einander und wie gehen wir mit dem
Essen um? Die Regeln enthalten Bestimmungen
zum sozialen Miteinander, wie z. B. das Teilen
oder die Ordnung.
Ebenfalls wichtig sind Rituale, die dazu dienen,
den Prozess des Essens von anderen Tätigkeiten abzugrenzen, z. B. der Kinderreim, der
vor dem Essen aufgesagt wird.
Die Kinder wachsen heute in einem Schlaraffenland auf, in dem es alles gibt. Sie sind „umzingelt“ von Vielfalt und Verfügbarkeit sowie Verführung, die durch Fernsehen und Werbung
noch verstärkt wird.
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Beim Umgang von Eltern mit ihren Kindern lässt
sich häufig beobachten: Die Kinder sind nicht
mehr diejenigen, die dankbar sind, etwas zu essen zu bekommen, sondern die Eltern sind diejenigen, die sich freuen, wenn ihr Kind problemlos isst. Die Wirkung auf das Kind ist jedoch
nicht unproblematisch: Kinder merken schnell,
wenn ihren Eltern etwas wichtig ist, das heißt,
sie merken, dass Erwachsene möchten, dass sie
gut und richtig essen. Wenn Kinder dies als Erziehungsintention deuten, kann sich der Esstisch zur Arena für Selbstbehauptungskämpfe
und zum Kampfplatz der Generationen entwickeln. Als Fazit kann festgehalten werden, dass Freude
an gutem Essen und Beziehungen zu gewünschten Lebensmitteln der beste Weg zur Ernährungsbildung sind.
Ausblick: Freude am guten Essen –
ein Kinderrecht
Zwei Aspekte wurden besonders häufig genannt,
als die Befragten zum Abschluss des Interviews
benennen sollten, was sie aus der Erfahrung in
der eigenen Einrichtung für andere als nachahmenswert empfehlen würden:
nFrisches Kochen in eigener Küche
nKein Essenszwang, Entscheidungsfreiheit der
Kinder
Frisches Essen in eigener Küche zuzubereiten,
kann als ein wichtiges Entwicklungsthema für
Kinderbetreuungseinrichtungen gelten. Eine eigene Küche bietet Platz für eine besondere Beziehungs- und Arbeitsatmosphäre. Sie ermöglicht,
die Kinder in hauswirtschaftliche Tätigkeiten mit
Ernstcharakter einzubeziehen; diese können sich
so als nützliche Mitglieder der Gemeinschaft erle-
ben. Die eigene Küche schafft aber auch erst den
Rahmen dafür, bei der Ernährung den Besonderheiten familiärer oder nationaler Traditionen, die
die Kinder mitbringen, experimentellen Raum zu
geben. Die Wunschformel „kein Essenszwang, Entscheidungsfreiheit der Kinder“ verweist schließlich auf
pädagogische Kernfragen: die Balance zwischen
kindlicher Freiheit und erwachsenem Verhalten. Wenn Kinder beim Essen zu nichts gezwungen
werden, fördert dies ihre Eigenverantwortlichkeit
und Selbstständigkeit in hohem Maß. Doch wie
weit kann die Selbstbestimmung der Kinder beim
Essen zugelassen werden? Wann sind doch Eingriffe der Erwachsenen erforderlich? Wie kann
trotz der Freiheit der Kinder sichergestellt werden, dass sie lustvoll und mit Spaß zu ihren Mahlzeiten gehen und das Vergnügen gemeinsamen
Speisens erleben können?
Hierzu ist Selbstreflexion der Fachkräfte notwendig, denn jede von ihnen begegnet in ihrem Kontakt mit dem Kind letztlich zwei Kindern: dem
Kind in sich selbst und dem Kind, welches vor ihr
steht. Klarheit der Bezugspersonen, auch im Umgang mit Regeln und Grenzen, ist wichtig. Denn
wenn Kinder Klarheit fühlen, gewinnen sie Orientierung.
Damit bleibt die Gestaltung des Essens eine Gratwanderung zwischen zwei Polen. Ein von den Erwachsenen garantierter sicherer Rahmen ist notwendig. Doch der Grundsatz, Kinder als eigenständige Persönlichkeiten mit ihren verschiedenen Bedürfnissen und Neigungen ernst zu
nehmen, verbietet, beim Essen Druck und Zwang
auszuüben, und erfordert, ihnen Eigenständigkeit
und Selbstbestimmung zu ermöglichen. Was Kinder jetzt erleben, wird die Grundlage dafür sein,
was sie später als Erwachsene weitergeben können.
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3Aus den Workshops – Beispiele –
Diskussionen – Handlungsmöglichkeiten
I st gesunde Ernährung bedingungslos machbar?
Verpflegungssysteme auf dem Prüfstand.
Karsten Winke, nutriwin, Unternehmen für Catering und Ernährungsbildung, Potsdam
Die Verantwortung für eine gesunde Ernährung
des Kindes wird gemeinsam von der Familie und
der Kita getragen, wobei sich beide Akteure als
gleichberechtigte Partner wahrnehmen sollen. Dies ist oft schwierig zu realisieren, da es viele verschiedene Ansätze und Ansichten gibt, die es in
den Einklang zu bringen gilt. Vor diesem Hintergrund stellt sich häufig die Frage, ob gesunde Ernährung bedingungslos machbar ist. Dies hängt unter anderem von Faktoren
ab, die wir nur bedingt beeinflussen können. Heutzutage sind viele Einflüsse im Detail schwie-
rig nachzuvollziehen. Dies betrifft beispielsweise
die Herkunft einzelner Lebensmittel, irreführende
Werbe- und Marketingversprechen (vor allem im
Bereich der kinderspezifischen Produkte), Lobbyinteressen oder hygienische Voraussetzungen. Außerdem konsumieren wir bewusst Lebensmittel, wie z.B. Süßigkeiten oder Fast-Food, die sich
negativ auf die Gesundheit auswirken können. Eine ausgewogene und gesundheitsfördernde Ernährung, verbunden mit einer frühzeitigen Ernährungserziehung und -bildung, ist für die Familie
und für die Kita dennoch machbar, sofern ein Be-
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wusstsein, das Wissen und entsprechende Rahmenbedingungen vorhanden sind. Was bedeutet „Gesunde Ernährung“
in Kita und Familie?
In der Kita
nDie Einrichtung hat ein ganzheitliches Ernährungskonzept
nDer Tagesablauf der einzelnen Familien ist
durch Gespräche und Beobachtungen erfasst.
nDie Mitarbeiter/innen der Einrichtung sind in
Ernährungsfragen informiert und geschult; eine gemeinsame und klare Philosophie ist im
Leitbild erkennbar.
nDer Umgang mit Sonderfällen ist grundsätzlich
bekannt und wird beachtet (z.B. adipöse Auffälligkeiten sowie Allergien und Unverträglichkeiten).
nDie Wechselwirkung von körperlicher Bewegung und Entspannung wird berücksichtigt.
nDie Kinder werden multisensorisch angeregt
und so zum Beispiel an der Zubereitung der
Mahlzeiten beteiligt.
nDas Thema Ernährung ist Bestandteil des KitaAlltags und wird mit theoretischen und praktischen Inhalten begleitet, um den Essensprozess auch außerhalb der Mahlzeiten zu thematisieren. In der Familie
nDiskussion grundsätzlicher Ernährungsfragen
zwischen Kita und Eltern sollte möglichst frühzeitig stattfinden, um gemeinsame Lösungen
zu finden und von Beginn an gemeinsame
Handlungsweisen zu verfolgen. nZustände werden nicht als gegeben hingenommen, eigenes Verhalten und Gewohnheiten
werden regelmäßig geprüft.
nDie Ernährung wird den verschiedenen Lebensphasen des Kindes entsprechend angepasst. nEltern sind sich ihrer Vorbildwirkung bewusst. nEntspannung, Ruhe und gemeinsame Zeiten
sollten als Chance zur Kommunikation mit dem
Kind betrachtet werden.
Zwischenfazit
Gesunde Ernährung ist ein zentrales Thema und
betrifft jeden. Nur wenn die Familie und das soziale Umfeld einbezogen werden und das Bewusstsein für eine gesunde Ernährung vorhanden ist,
kann die Arbeit an gemeinsamen Zielen erfolgreich sein. Die Kita kann sich externer Unterstützung bedienen. Mit den Ansprechpartnern in den
Gesundheitsämtern, Krankenkassen oder Ernährungsberatern (staatl. anerkannte Diätassistenten mit Zulassung für die gesetzlichen Krankenkassen) sowie Fachverbänden und Gremien
gibt es Spezialisten vor Ort. Auch die Lebensmittelhersteller richten sich verstärkt auf Problematiken wie Allergien und Unverträglichkeiten sowie
Übergewicht ein. Die Wahrnehmung in der Gesellschaft für die Förderung einer gesunden Ernährung ist vorhanden. Das vorhandene Wissen muss
jedoch in geeigneter Weise umgesetzt werden. Dabei geht es nicht nur um das, was wir essen,
sondern auch darum, wie wir essen. Bewirtschaftungssysteme
Es gibt nicht das perfekte Bewirtschaftungssystem oder ein allgemeingültiges Konzept, da in
der Praxis unterschiedlichste Voraussetzungen
vorhanden sind. Zunächst einmal gibt es zwei große Systeme,
zwischen denen man sich entscheiden muss:
Eigen- und Fremdbewirtschaftung
Die erste Variante ist dann umsetzbar, wenn entsprechende Räumlichkeiten inklusive Ausstattung sowie Personal vorhanden sind. Dies kann
mit einem großen finanziellen und zeitlichen Aufwand verbunden sein. Entscheidet man sich hingegen für die Fremdbewirtschaftung, liegen die
meisten Zuständigkeiten beim Auftragnehmer,
was jedoch die nicht Kita von dem Selbstverständnis und Anspruch eine gesunde Kost anzubieten befreien sollte. Der Fremdversorger muss
mit seinen Produkten die von der Kita gestellten
Kriterien und Anforderungen erfüllen. Ob die Mahlzeiten in gestellten Räumlichkeiten
zubereitet werden oder von der Küche des Caterers angeliefert werden, hängt ebenfalls von den
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Rahmenbedingungen in der Kita ab. Der große
Vorteil der Fremdbewirtschaftung besteht in der
Planbarkeit der Kosten für die vereinbarte Vertragslaufzeit; der Nachteil hingegen in der eingeschränkten Flexibilität. Beide Bewirtschaftungssysteme geben die
Grundlage für die Auswahl des entsprechenden
Verpflegungssystems. Dies sieht im Detail folgendermaßen aus:
nFrischeküche bzw. Frischkostsystem (Nutzung
frischer Produkte)
nMischküche (Nutzung von Produkten unterschiedlicher Convenience-Stufen) .
à nur umsetzbar, wenn eigene Räumlichkeiten vorhanden sind, da frisch vor Ort
gekocht wird
nWarmverpflegung (frische Zubereitung außer
Haus, Mahlzeiten werden warm angeliefert).
à nur umsetzbar wenn eine Zentralküche in
der Nähe ist
nTiefkühlkost bzw. Tiefkühlsystem (gefroren)
oder Cook & Chill (gekühlt); Zubereitung außer
Haus, späteres Erwärmen erfolgt meist vor Ort. Die Frischeküche ist die ursprünglichste Form der
Verpflegung in der Kita. Andere Systeme haben
sich erst später entwickelt und verbreitet, da der
Unterhalt einer eigenen Küche zunehmend
schwer zu organisieren und zu finanzieren war. Inzwischen gibt es einen rückwärtsgewandten
Trend, da man die Nachteile einer fehlenden Küche, wie z.B. die geringe sensorische Förderung
oder den fehlenden Austausch mit dem Küchenpersonal, erkannt hat. Mit der Frischeküche kann man sich am besten
auf die Bedürfnisse der einzelnen Kinder einstellen. Zudem kann es schwierig sein, einen Caterer
zu finden, der sich auf Kinderernährung spezialisiert und dabei die gewünschte Qualität liefert. Letztendlich gilt es aber, die Vor- und Nachteile
abzuwiegen, um eine Entscheidung für das individuell beste Konzept zu treffen.
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Was es kostet? Finanzierbarkeit gesunder Kost für
Kita und Familie.
Stephanie Wetzel, Ökotrophologin, Berlin
In der Praxis gibt es unterschiedliche Verpflegungsmodelle. Das ergibt für die einzelne Kita
ganz individuelle Kosten bzw. allgemein Unterschiede in der Kostenberechnung. Ein pauschaler
Preis für die Versorgung eines Kindes in der Kita
ist daher nur schwer zu benennen. Der Kostendruck in der Kita ist groß. Dementsprechend wird häufig die Frage gestellt, inwieweit eine vollwertige Verpflegung überhaupt
(noch) finanzierbar ist. Was darf das Essen in der
Kita für das einzelne Kind kosten, damit es für die
Eltern tragbar ist und bleibt? Diese Frage wird
auch durch weltweit steigende Rohstoff- und Lebensmittelpreise stetig verstärkt. Die Kosten für
ein gesundes Essen müssen daher regelmäßig
überprüft und angepasst werden. Problematiken im Umgang mit dem Budget
nWelche Kosten werden berechnet? (reine Lebensmittel bis hin zu zusätzlichen Betriebsund Personalkosten)
nWie viele Mahlzeiten werden in der Kita angeboten? (reines Mittagsangebot bis hin zur Vollverpflegung)
nWie ist die Versorgung organisiert? (eigene
Küche, Catering, Elternverantwortung etc.)
Bedingt durch das schnelle Wachstum haben Kinder einen relativ hohen Energiebedarf, der mit
steigendem Alter zunimmt. So hat ein sieben- bis
neunjähriges Kind etwa den gleichen Bedarf, wie
eine Frau mittleren Alters. Die Richtwerte, die sich
auch in der Ernährungspyramide wiederfinden,
sind neben Alter und Geschlecht abhängig von
Bewegungsaktivitäten und genetischen Faktoren. Dabei gilt eine Portionsempfehlung immer gemessen an einer Handvoll. Die Ernährungspyramide – Mengen und Kosten.
Wo liegen Einsparpotenziale?
Getränke
nWasser und Tee sind sehr preiswert, die Leitungswasserqualität hierzulande ist sehr gut
und kann genutzt werden
nzusätzlich können Kitas in geringeren Mengen
Saft (oder günstiger Schorlen) und Milchgetränke anbieten
nKindern sollte jederzeit ausreichend Flüssigkeit zur Verfügung stehen
Obst und Gemüse
ninsgesamt ist dies ein großer Kostenblock (ca. 1/3 der Ausgaben)
nsaisonal einkaufen, kann Kosten sparen
nmuss in der Kita verstärkt angeboten werden,
da das nötige Obst- und Gemüseangebot zu
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Hause oftmals nicht gegeben ist (Kostenfaktor). Die wichtigen Inhaltsstoffe in der Ernährung des Kindes dürfen nicht fehlen, auch
wenn der Sättigungseffekt dieser Lebensmittel
nicht so groß ist
nPortionen täglich sollten angestrebt werden
Getreide und Vollkornprodukte
nhier entstehen große Verzehrmenge, da hauptsächlich verantwortlich für die Sättigung
nMüsli und verschiedene Vollkornprodukte können angeboten werden
Milch und Milchprodukte
nsind wichtig für Deckung des Proteinbedarfs
nfettreduzierte Varianten nutzen
nmindestens 2 Portionen in der Kita
Fleisch, Wurst und Fisch
nin der Kita nicht unbedingt nötig, da es genug
andere Eiweißquellen durch Milchprodukte
und meist ausreichend Fleisch zu Hause gibt
nZusätzlich dazu ist der Bedarf eines Kindes mit
1 Portion täglich sehr gering
nggf. 1x wöchentlich oder zweiwöchentlich Fisch
anbieten
nMan kann ruhigen Gewissens einen vegetarischen Speiseplan in der Kita anbieten; an
dieser Stelle können Kosten gespart werden,
um an anderer Stelle finanzielle Spielräume zu
ermöglichen. Fette und Öle
nallgemein fettarme Kost in der Kita anbieten
nVerwendung von Rapsöl, dieses hat wichtige
Omega 3 Fettsäuren
nzusätzlich Angebot von Nüssen, auch in Kombination mit Müsli
Berechnungen zufolge kosten die Lebensmittel
für einen Tag Verpflegung, abhängig vom Alter
der Kinder, zwischen zwei und vier Euro, wenn sie
im Supermarkt gekauft werden. Möchte man mit
Bio-Lebensmitteln die optimierte Mischkost realisieren, fallen zuweilen die doppelten Summen
an. Dabei sind insbesondere Fleisch, Wurst und
Fisch sowie Obst und Gemüse besonders teuer. Bei den weiteren Lebensmittelgruppen sind die
Unterschiede nicht so stark ausgeprägt. Wenn
man daher in der Kita einen größtenteils vegetarischen Speiseplan anbietet und das Obst und
Gemüse saisonal einkauft, sind die Mehrkosten
im Vergleich zu den herkömmlichen Lebensmitteln nicht gravierend.
Dennoch gibt es immer Familien, die Probleme
bei der Finanzierung der Verpflegung haben. Dies
betrifft insbesondere Niedriglohnempfänger, Eltern die Arbeitslosengeld II empfangen oder
­Alleinerziehende. Der eingeplante Satz von 2,50
Euro bis 3,50 Euro am Tag für Nahrungsmittel
reicht oftmals nicht aus, um das Kind optimal zu
ernähren. Dieses Defizit steigt mit zunehmendem
Alter der Kinder, da der Energiebedarf zunimmt. Aus finanziellen Gründen sind Familien leider
häufig nicht für gesunde Ernährung zu gewinnen,
da sie mit dem geringen Einkommen sehr stark
haushalten müssen. Dabei ist es schwer denkbar,
den Eltern Laster und Kostentreiber, wie bpsw. den Zigarettenkonsum ausreden zu wollen, damit
das Kind ausgewogen ernährt wird. Das kann
nicht funktionieren, denn ein Leben am Existenzminimum ist ein extremer Stressfaktor. In solchen
Situationen kann man über das Bildungspaket
oder auf Antrag bei den zuständigen Ämtern Zuschüsse bis hin zur vollen Kostenübernahme erhalten. Auch die finanzielle Patenschaft für die
Versorgung eines Kindes über Kita-Vereine oder
Privatpersonen ist in seltenen Fällen denkbar. 19
Für die Kitas an sich, also für zusätzliches Personal oder Arbeitsstunden, gibt es keine direkte finanzielle Unterstützung, allenfalls im Bereich der
Küchenausstattung. Doch auch dort werden Gelder oft nur im Rahmen konkreter Projekte bereitgestellt. Dementsprechend müssen die Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen der Kita die Budgetplanung
eigenverantwortlich durchführen, um die Kosten
für die Familien möglichst gering zu halten. Dazu
kann man
nwiederum saisonal einkaufen und Sonderangebote nutzen
nmöglichst portionsgenau planen und zubereiten
nden Speiseplans mit weitest gehendem Verzicht auf Fleisch, Wurst und Fisch gestalten sowie fettarme Milch- und Milchprodukte nutzen,
da diese preiswerter sind
nEltern einbeziehen – Naturalien annehmen
oder Lebensmittel einkaufen lassen
nproblematisch kann es dabei sein, für eine Elternbeteiligung gerechte Beteiligungsmodelle
zu finden, da für die Kinder unterschiedliche
Betreuungszeiten anfallen und die Ansprüche
verschieden sind
Die Kita allein muss nicht alle Anforderungen der
Ernährungspyramide erfüllen, denn sie ist nicht
für die Ganztagsverpflegung verantwortlich. Und
dennoch wird in den Einrichtungen die Grundlage
für eine gesunde Ernährung gelegt, die durch das
Speisenangebot der Eltern zu Hause komplettiert
wird. Vor allem Familien in schwierigen Lebenslagen wählen die Nahrungsmittel vorrangig nach
dem Preis und ihrer Sättigungsfunktion aus. So
werden Kartoffeln und preiswertes Fleisch anstelle von Obst und Gemüse angeboten. An dieser
Stelle muss die Kita anknüpfen und Prioritäten in
der Versorgung setzen, um den Nährstoffbedarf
der Kinder in den wichtigsten Bereichen zu decken. 20
Gelingende Kommunikation zwischen Kita und Familie –
für ein gemeinsames (Ernährungs-) Verständnis.
Heidrun Franke, Verbraucherzentrale Brandenburg e.V., Potsdam
ebenso flexibel sollte sich das Eingehen auf deren Bedürfnisse gestalten. Es lohnt sich, einen
Blick in die Familienverhältnisse zu werfen und
sich mit der Herkunft bzw. den sozialen Hintergründen, aus denen die Familien stammen, zu
befassen. Denn nur so können möglichst viele Eltern erreicht werden. Eine gelingende Kommunikation der Kita mit den
Eltern und den Kindern ist die Grundlage für die
Entwicklung eins gemeinsamen Ernährungsverständnis und der erfolgreichen Umsetzung eines
ganzheitlichen Ernährungskonzeptes in der Einrichtung. Es geht dabei nicht nur darum, gesunde
Mahlzeiten anzubieten, sondern vielmehr die
Kinder und auch die Eltern langfristig für diese
Thematik zu sensibilisieren und für eine gute,
gesunde Ernähungsweise zu gewinnen. Kinder lernen von Erwachsenen und das, was sie
durch ihr eigenes Verhalten ausdrücken, gibt
häufig Aufschluss über ihre Erfahrungen aus dem
Elternhaus. So unterschiedlich die Kinder und ihre Prägungen aus der Familienstruktur sind,
Die Auseinandersetzung mit ihren Einstellungen,
Interessen und Neigungen kann hilfreich sein,
wenn es darum geht, zielgerichtet zu kommunizieren, auf unterschiedliche Elterngruppen zuzugehen und auch diejenigen anzusprechen, die
sich weniger integrieren lassen bzw. einbringen
wollen. Damit die Familien effektiv erreicht werden, sollten die Erzieher/innen eine Kommunikation auf Augehöhe anstreben. Dazu kann man
sich der Wissenschaft und ihren Erkenntnissen
bezüglich gesellschaftlicher Strukturen bzw. möglicher Kategorisierungen bedienen, die einige grobe Unterteilungen vornimmt.
Soziale Lage
Wo Faktoren wie Bildung und Einkommen eine
wichtige Rolle spielen und gesellschaftliche Unterschiede deutlich werden, wird aus wissenschaftlicher Sicht von der sozialen Lage gesprochen. In diesem Punkt gibt es typischerweise eine große Mittelschicht sowie eine kleinere Oberund Unterschicht. Eine weitere Segmentierung kann nach den individuellen Lebensstilen sowie Grund- und Werteeinstellungen in den Familien vorgenommen werden, welche sich oftmals schichtübergreifend
21
darstellen. Tradition und Modernität sowie das
Bedürfnis nach Selbstverwirklichung sind wichtige Kriterien, die dabei betrachtet werden. Auf
der einen Seite gibt es die moderneren Familien,
die aufgeschlossen gegenüber neuen pädagogischen Konzepten sind und den Kindern oftmals
sehr viele Freiheiten zusprechen, um eigene Erfahrungen zuzulassen und die Selbständigkeit
der Kinder zu fördern. Es gibt aber daneben auch
eher traditionell ausgerichteten Familien, in denen Rituale beim Essen, wie das Probieren und
Aufessen der Speisen oder das gemeinsame Beginnen und Beenden der Mahlzeiten, oft eine
große Rolle spielen. Was genau bei den Familien auf den Tisch kommt,
hängt neben dem Einkommen sehr stark von der
persönlichen Einstellung ab. Also wie wichtig
sind vollwertige Kost und tierische Produkte aus
artgerechter Haltung, Biolebensmittel oder Produkte aus fairem Handel? Wenn man sich eine
bessere Qualität verspricht, sind viele Eltern auch
oft bereit mehr Geld dafür auszugeben, wenn es
die finanzielle Situation erlaubt. Neben diesem monetären Faktor spielt auch die
Zeit eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der
Mahlzeiten. So gibt es „Fertiggerichtfamilien“,
obwohl es eigentlich gar nicht ihrer persönlichen
Überzeugung entspricht. Vom Anspruch her kochen sie am liebsten frisch, was sich aber oft nur
am Wochenende realisieren lässt. Ebenso verhält
es sich mit den gemeinsamen Mahlzeiten. Aufgrund des Zeitfaktors ist es oft nicht realisierbar,
dass die gesamte Familie gemeinsam isst, obwohl dies durchaus gewünscht wird. Viele Eltern stehen diesen Themen nicht gleichgültig gegenüber, wollen aber die grundsätzliche
Verantwortung dafür lieber abgeben, da sie zu
Hause nicht in der Lage sind, ihre eigenen Ansprüche zu realisieren. Solche Eltern fallen in der
Kita häufig durch Anregungen aber auch Kritik
auf. Dieses Potenzial muss genutzt werden, indem man durch gezielte Kommunikation und Integration einen gemeinsamen Weg sucht, die jeweiligen Ansprüche zu verwirklichen.
Eine weitere Gruppe von Eltern, die in gewissem
Maße auffällig, aber einem ganz anderen Milieu
zuzuordnen sind, sind die Väter und Mütter aus
eher sozial benachteiligten Lagen. Dort herrschen verbreitet soziale Ängste davor den Anschluss zu verlieren, abzurutschen oder ausgeschlossen zu werden. Von dieser Situation können verschiedenste Altersgruppen und Bildungshintergründe betroffen sein. Diese Personen sind
für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kitas
oftmals schwer erreichbar. Aus der Angst und
teilweise auch dem Wissen heraus einiges falsch
zu machen oder nicht mithalten zu können, sperren sie sich gegenüber Gesprächen und anderweitigen Beteiligungsformen. Um ihr schlechtes
Gewissen zu unterdrücken und ohne Vorwürfe
leben zu können, versuchen sie dies zu verstecken, indem sie sich konsequent zurückziehen. In
dieser Gruppe versuchen die Eltern ihre finanziellen Engpässe nicht nach außen sichtbar werden
zu lassen, sie steckten häufig einen Großteil ihrer
finanziellen Mittel in die Kinder, stellen ihre eigenen Bedürfnisse weitestgehend zurück. In der
materiellen Ausstattung der Kinder können so
kaum Unterschiede gemacht werden, doch das
Verhalten der Kinder ist häufig von den Nöten
und Ängsten der Eltern geprägt. Auch diese Eltern wollen seitens der Kitas erreicht werden,
müssen aber aktiviert werden. Denn auch sie
wollen das Beste für ihre Kinder. Alle Eltern haben unterschiedliche Möglichkeiten und Fähigkeiten, die erkannt und eingebracht werden können. Die Erkenntnis der verschiedenen Milieus ist
hilfreich, um zu verstehen, wie die Eltern am besten anzusprechen sind und warum ein Kind bestimmte Verhaltensweisen an den Tag legt.
22
Vor diesem Hintergrund gibt es einige wesentliche Punkte, die für eine gelungene Zusammenarbeit und Kommunikation mit den Eltern beachtet werden sollten:
n
das Bewusstsein wecken, Eltern aktivieren –
für gesunde Ernährung und allgemein für die
Wichtigkeit der Mitarbeit der Eltern im Kita­
alltag
n
unterschiedliche Ansprachen, um auf individuelle Hintergründe einzugehen (In manchen Fällen, meist auch bei den oberen sozialen
Schichten, reicht es, einen Handzettel oder
Flyer mitzugeben, um die Informationen zu
transportieren. Bei anderen, insbesondere den
sozial schwächer gestellten, sollte man verstärkt das persönliche Gespräch beispielsweise in den Bring- und Abholzeiten suchen.)
nBegegnung auf Augenhöhe, niemand darf sich
bevormundet fühlen
n
einen gemeinsamen Standpunkt schaffen und
gemeinsame Ziele formulieren, damit Kinder
nicht zwischen den Stühle (Kita versus Familie)
sitzen
n
um Verantwortung zu teilen statt sie sich gegenseitig zuzuschieben
n
zur Förderung eines wechselseitige Verständnisses und kultureller Vermittlung
n
Verbündete suchen und Kinder als Mittler ansehen, denn das Interesse am Kind kann helfen, die Eltern zu aktivieren. Kinder tauschen
sich untereinander aus und tragen die Dinge
von außerhalb in das Elternhaus, die sie dort
bisher nicht mitbekommen haben. nverschiedene Möglichkeiten der Partizipation
bieten
Kinder orientieren sich an ihren Bezugspersonen,
welche nicht nur die Eltern sind. Dementsprechend sollten sich alle gemäß ihrer Vorbildfunktion verhalten. Wichtig ist das Einbeziehen aller
Beteiligten von Eltern und Großeltern über die
Kinder selbst und Erzieher/innen bis hin zu sonstigen Partnern. Manche sind eher praktisch veranlagt, andere eher technisch und wieder andere
sind sehr gut im Organisieren. Mit einer aufgaben-, ziel- und interessenorientierten Arbeitsweise und verschiedenen Projekten, kann es gelingen alle Eltern anzusprechen und zu aktivieren,
auch diejenigen, die sich sonst eher zurückziehen.
n
konkrete Projekte anbieten
Mit gemeinsamen Veranstaltungen oder Festen
kann die Thematik praktisch erlebbar werden,
anstatt den Fokus auf die Theorie und den Bildungsaspekt zu setzen. Die Angebote wie z.B. Themenabende oder Elterncafés sollten an die
individuellen Interessen und Möglichkeiten der
Eltern angepasst werden und an deren Voraussetzzungen anknüpfen. Auch die Veranstaltungszeit sollte flexibel gestaltet werden, um zu prüfen, wann die Resonanz am größten ist. nKommunikation fördern
Alle Interessierten sollen sich auf Augenhöhe begegnen, niemand darf sich benachteiligt oder bevormundet fühlen, damit ein anregender Austausch ermöglicht wird.
nDokumentation
Die Kinder sollten ihre eigenen Vorstellungen
und Wünsche für ihre Mahlzeiten entwickeln können und diese bei der Erstellung des Speiseplans
einbringen. Dabei ist es wichtig, möglichst bildhaft zu arbeiten, um den Kindern Orientierungen
zu geben und es ihnen insgesamt leichter zu machen, den Eltern zu zeigen, welche Mahlzeiten
ihnen besonders gut geschmeckt haben. Die Eltern sollen außerdem erkennen, was es in der Kita zu essen gab, um diese Mahlzeiten zu Hause
sinnvoll und individuell zu ergänzen. Dazu kann
es sehr hilfreich sein, Fotos von den Zutaten oder
den angerichteten Tellern anzubringen und ggf. auch mit Farben in Anlehnung an die Ernährungspyramide zu arbeiten.
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Wenn es speziell um das Thema Essen und trinken geht, ist davon auszugehen, dass Teile der
heutigen Elterngeneration nicht mehr in der Lage
sind, vollwertig zu kochen. Viele Fähigkeiten sind
abhandengekommen. Meist bilden sich die werdenden Eltern jedoch selbständig fort, wenn sie
anfangen ihren neuen Lebensabschnitt zu überdenken. Dementsprechend ist insbesondere die
Kita in der Lage dort anzusetzen, wo das Interesse der Eltern und der Einfluss auf die Kinder noch
am größten ist.
24
ita mit Biss – Kariesprophylaxe & gesunde Ernährung
K
für gesunde Kinderzähne
Dr. Petra Haak, Gesundheitsamt Frankfurt (Oder), Sachgebietsleiterin Zahnärztlicher Dienst
Die vier Säulen der Prophylaxe
1. Mundhygiene
nBeginnt schon vor dem ersten Zahn mit der
Massage des Kieferkamms
nZähneputzen ab Durchbruch des ersten Zahnes
ndabei altersgerechte Nutzung von Zahnbürsten
und fluoridhaltigen Zahnpasten
nZähneputzen nach der KAI-Technik (Abbildung)
nVorbildfunktion der Eltern, Zähneputzen als
Selbstverständlichkeit kommunizieren (Herausbildung eines Alltagsrituals)
nmöglichst nach jeder Hauptmahlzeit die Zähne
putzen
nEltern sollten die Zähne ihres Kindes nachputzen bis es flüssig die Schreibschrift beherrscht
Milchzähne werden in ihrer Wertigkeit häufig unterschätzt, obwohl sie viele Aufgaben zu erfüllen
haben. Sie werden nicht nur zum Abbeißen und
Kauen, sondern auch für das Erlernen des Sprechens, die Kommunikation und ein schönes Lächeln benötigt. Ein gesundes Milchgebiss beeinflusst das Selbstwertgefühl und das allgemeine
Wohlbefinden eines Kindes positiv. Milchzähne
halten den Platz für die bleibenden Zähne, die
wiederum größere Chancen haben, gesund zu
bleiben, wenn sie in eine kariesfreie Mundhöhle
hineinwachsen.
In diesem Sinne ist es bereits im frühen Kindesalter von großer Bedeutung, Karies (Zahnfäule) zu
vermeiden. Vorraussetzung für die Kariesentstehung sind
Zahnbelag und niedermolekulare Kohlenhydrate
(Zucker), wobei der Zeitfaktor eine große Rolle
spielt. Die Kariesprophylaxe wird durch 4 Säulen gestützt (nachstehende Grafik).
2.Fluoridierung
Fluoride verbessern die Zahnschmelzqualität,
hemmen den Stoffwechsel der Bakterien und fördern die Remineralisation (Wiederverkalkung)
des Zahnschmelzes. Dabei ist die lokale Anwendung in der Mundhöhle des Kindes von kariespräventiver Bedeutung.
nAltersgerechte Anwendung von fluoridhaltigen
Kinderzahnpasten
nErgänzend dazu fluoridiertes Speisesalz
nBei Kindern mit erhöhtem Kariesrisiko werden
im Rahmen der Intensivprophylaxe Fluorid­
lacke, -gele bzw.-lösungen eingesetzt
nFluoridtabletten können ebenfalls bei erhöhtem Kariesrisiko nach einer Fluoridanamnese verabreicht werden
25
4 Säulen der Prophylaxe
Mundhygiene
Fluoridierung
3. Ernährungslenkung
Ziel.ist.es.Art,.Zeit.und.Reihenfolge.der.Aufnahme.
von.kariesfördernden.Kohlenhydraten.so.zu.steuern,. dass. eine. Schädigung. des. Zahnschmelzes.
weitestgehend.reduziert.wird:.
nzuckerfreier.Vormittag
nzucker-.und.säurefreie.Nacht.
nZur.Anregung.des.Speichelflusses.ist.eine.kauintensive.Nahrung.insbesondere.am.Vormittag.
wichtig
Trinkempfehlungen:
nMöglichst.zuckerfrei.bspw ..Wasser.oder.ungesüßter.Tee
nSäfte. sind. sehr. säurehaltig,. daher. nur. stark.
verdünnt.anbieten
nKinder,. die. an. süße. Geteränke. gewöhnt. sind,.
langsam.an.neutraleren.Geschmack.gewöhnen
nVermeidung. des. Dauergebrauchs. von. Fläschchen. bzw .. Trinklerngefäßen. mit. süßem. bzw ..
saurem.Inhalt
nMöglichst. frühzeitige. Nutzung. von. Bechern.
bzw .. Tassen. anstelle. von. Fläschchen. (begonnen.werden.kann.damit,.sobald.das.Kind.sicher.
sitzen.kann)
4 ..Zahnarztbesuch
Damit.Kinder.sich.bereits.frühzeitig.an.Zahnarztbesuche. gewöhnen. können,. ist. neben. der. Teilnahme.an.den.zahnärztlichen.Untersuchungen.in.
den.Kindereinrichtungen.im.Rahmen.der.zahnmedizinischen. Gruppenprophalyxe. der. Besuch. des.
Hauszahnarztes. notwendig .. Hinweise. dazu. enthält.der.Zahnärztliche Prophylaxe- Pass für Mutter & Kind,.der.die.werdende.Mutter.während.der.
Schwangerschaft.und.ihr.Kind.bis.zum.2 ..Geburtstag.begleitet ..
ausgewogene
Ernährung, Ernährungslenkung
regelmäßiger
Zahnarztbesuch
Der. Pass. für. Vorschulkinder wird.
den.zwei.Jahre.alten.
Kindern. in. den. Kitas. und. Tagespflegestellen. ausgehändigt .. Die. gruppenprophy.lak.tische.
Betreuung. und. individuelle.Prophylaxemaßnahmen. der.
Z a h n a r z t p r a x e n.
wer.den. darin. vermerkt ..
Eltern. erhalten. so. einen. Überblick. über. die.
Leistungen. der. gesetzlichen. Krankenversicherung.zur.Verhütung.von.Zahnerkrankungen.ihrer.
Kinder.und.praktische.Tipps ..Eine.Einflussnahme.
auf.das.Gesundheitsverhalten.der.Familien.ist.zu.
beobachten .
26
Zahnputztechnik für Kinder: KAI
Kauflächen
Zuerst wird auf den Kauflächen
hin und her geputzt. Begonnen
wird unten. Rechtshänder beginnen auf der rechten Seite
und gehen dann zur linken Seite. Genauso oben.
Außenflächen:
Stelle die Zähne aufeinander. Rechtshänder beginnen
in der rechten Wangentasche in Höhe der letzten
­Backenzähne und bewegen
die Zahnbürste kreisend
nach vorn. Danach wird in der linken Wangentasche kreisend von hinten nach vorn geputzt. Lasse nun die Zahnbürste über alle Schneidezähne kreisen.
Innenflächen:
Zum Schluss kommen alle Innenflächen unten und oben
dran. Dabei wird wieder ganz
hinten angefangen und von
Rot nach Weiß geputzt, vom
Zahnfleisch zum Zahn.
„Kita mit Biss“ – ein interdisziplinäres
Präven­tionsprogramm für Kindertagesstätten
im Rahmen der zahnmedizinischen Gruppen­
prophylaxe
Im Dezember 2003 startete der Zahnärztliche
Dienst des Gesundheitsamtes Frankfurt (Oder)
die Aktion „Kita mit Biss“. Anlass dafür waren die
Befunde der zahnärztlichen Untersuchungen in
den Kindertagesstätten, die in keiner Weise zufrieden stellen konnten. Besonders die frühkindliche Karies in Form der Nuckelflaschenkaries trat
bei vielen Kindern in mehr oder minder ausgeprägter Form in fast allen Frankfurter Kindereinrichtungen auf. Ein Problem für Eltern und natürlich auch für Kinder. Denn diese Zähne sehen
hässlich aus, verursachen häufig Schmerzen und
beeinträchtigen die Nahrungsaufnahme, das
Wohlbefinden sowie die Sprachentwicklung.
Für diese Form der Zahnkaries gibt es eine klar
definierte Ursache: Der dauerhafte Genuss von
Getränken aus Nuckelflaschen oder anderen
Trinkgefäßen mit Aufsatz. Dabei wird die Vielfalt
der Getränke in diesen Flaschen immer größer. Gesüßte Tees, Saft oder Saftschorle, Multivitaminsäfte und Eistees sind typischer Inhalt. Wenn
Kinder unbeaufsichtigt mehrmals täglich oder
abends beim Einschlafen sich aus diesen Gefäßen
bedienen können, kommt es zur Auflösung des
gesunden Zahnschmelzes und innerhalb kürzester Zeit wird aus dem weißen Milchzahn ein
brauner Milchzahnrest. Der Zahnärztlichen Dienst des Gesundheitsamtes
hat die Aktion „Kita mit Biss“, die sich an alle
Kindertagesstätten der Stadt Frankfurt (Oder)
richtete, initiiert. Ziel der Aktion „Kita mit Biss“ war, frühzeitig etwas zu tun, dass die Milchzähnchen bei den Kleinen gar nicht erst krank werden können. So entstand die Idee, durch ein umfangreiches Ernährungs- und Aufklärungsprogramm für Erzieherinnen und Eltern diesen unbefriedigenden Ergebnissen entgegen zu wirken. Es wurden Handlungsleitlinien für Kindertagesstätten zur Vermeidung der frühkindlichen Karies entwickelt.
„Die Kita mit Biss“
…unterstützt und begleitet die tägliche Zahnpflege mit fluoridhaltiger Kinderzahnpasta,
…verzichtet auf Nuckelflaschen und Trinklerngefäße,
…fördert das Abstellen von Lutschgewohnheiten,
…bietet gesunde Frühstücksaktionen an,
…reicht vorwiegend kauintensive Obst- und Gemüsezwischenmahlzeiten,
…bietet den Kindern ungesüßte Getränke an,
…gestaltet den Vormittag zuckerfrei und
…bezieht Eltern mit ein.
27
2007 eine Evaluation unter Verwendung des Fragebogens „Kita mit Biss- Macht unsere Kita noch
mit?“ durchgeführt. Nach Auswertung der Fragebögen konnte festgestellt werden, dass es mit
der Einführung von „Kita mit Biss“ gelungen ist,
das gesundheitsfördernde Lebensumfeld der Kinder in den „Kita´s mit Biss“ positiv zu verändern. Im Schuljahr 2010/2011 erfolgte die zweite Evaluation (www.frankfurt-oder.de) im Rahmen einer
interviewbasierten Befragung der Kita- Leiterinnen in der Kindertagesstätte in der Regel nach
Abschluss der Basisprophylaxe. Die Umsetzung dieser Handlungsleitlinien wird
durch die Beitrittserklärungen der Kitas dokumentiert und mit einem Zertifikat bestätigt, das
im Eingangsbereich der Kindereinrichtung angebracht wird. Das Zertifikat belegt, dass das KitaTeam diesen Qualitätsstandard umsetzt.
Nach Auswertung der Evaluationsinterviews mit
den Kita-Leiterinnen ist festzustellen, dass „Kita
mit Biss“ Akzeptanz in den Einrichtungen und bei
den Eltern findet. Die Einrichtungen identifizieren
sich mit dem Programm und erweitern dadurch
auch ihr eigenes (gesundheitsförderliches) Profil. Die Handlungsleitlinien werden gut in die Praxis
umgesetzt, sodass der Anteil der Kinder mit frühkindlicher Karies zurückgegangen ist. Der neu
entwickelte Elternflyer unterstützt die Elternarbeit der Erzieherinnen und Erzieher. 29 Kindertagesstätten der Stadt Frankfurt (Oder)
haben sich inzwischen durch ihren schriftlichen
Beitritt zur Aktion „Kita mit Biss“ freiwillig verpflichtet, die Handlungsleitlinien in ihrer Kindertagesstätte umzusetzen. Aus der Aktion „Kita mit Biss“ ist ein interdisziplinäres Präventionsprogramm geworden, das von
Jahr zu Jahr in mehr Kitas eingeführt und umgesetzt wird. Auch in den Städten Cottbus und Brandenburg an der Havel sowie in den Landkreisen
Spree- Neiße und Teltow- Fläming gibt es inzwischen „Kitas mit Biss“, die alle ein Bestandteil
der gruppenprophylaktischen Betreuung durch
die Zahnärztlichen Dienste der Gesundheitsämter
sind. Um die Wirksamkeit dieser Aktion nachvollziehen
zu können, wurde erstmals im Schuljahr 2006/
Weitere Informationen hierzu finden Sie unter
www.brandenburger-kinderzaehne.de.
28
Mehr als nur Essen. Gesunde Ernährung zwischen
Kommunikation, Atmosphäre und Raumgestaltung.
Dr. Claudia Gölz, Ökotrophologin, Berlin
à K
ommunikation zwischen Erziehern/innen
und Kindern
à Kommunikation zwischen Kita und Eltern
à Wie fühlen sich Kinder beim Essen wohl?
à Was tun mir Suppenkasper? Strategien für
schwierige Situationen
Kommunikation zwischen Erziehern/innen und
Kindern
Vorweg sei gesagt, dass es nicht darum geht,
Kinder über gesunde Ernährung aufzuklären. Vielmehr ist das Schaffen und Gestalten von Erfahrungsräumen wichtig, in denen Kinder durch
Spiel, Spaß und mit all ihren Sinnen selbst kennen- bzw. erlernen können, was gut und gesund
für sie ist. Ein sehr erfolgreicher Weg ist es dabei
die kindliche Neugier zu nutzen. Denn für Kinder
ist alles Neue spannend, insbesondere dann,
wenn sie (z.B. mit ihren Händen) etwas selbst
machen können. Der Titel des Workshops Mehr als nur Essen
spricht bereits für sich: Gutes und gesundes Essen ist mehr als das bloße Verzehren einer ausgewogenen Mahlzeit. Es ist ein Zusammenspiel von
Faktoren wie Kommunikation, Ambiente und
Raumgestaltung, die es Kindern ermöglicht, die
Freude an gesunder Ernährung für sich zu entdecken. Doch welchen Einfluss haben diese Faktoren genau auf unser Ernährungsverhalten und
was lässt sich daraus für die Praxis ableiten?
Um das Thema differenziert betrachten zu können
und für die Kita- Praxis aufzubereiten, wird die
Thematik anhand folgender Fragen konkretisiert:
Verschiedene Ideen können dabei umgesetzt
werden:
nJahreszeitliche Spaziergänge mit Sammeln,
Pflücken, Kochen, Backen, Basteln
nVerbindungen herstellen zwischen Basteln und
Essen zubereiten (Kürbis, Halloween, Kürbissuppe)
nVerbindungen herstellen zwischen Sammeln
und Essen zubereiten (Streuobstwiese, Apfelmus/Apfelkuchen)
nMalen/Probieren/Kochen mit Lebensmittelgruppen: z.B. Nüsse/Saaten, Beerenobst
nMahlzeiten gestalten: nach Farbe, nach Formen, nach Konsistenz, nach Jahreszeit
nObstratespiel (Ertasten), anschließend gemeinsame Obstsalatzubereitung
29
nSensorik-Ratespiele (z.B. Vergleich von Püree
aus Rote Beete, Karotten, Kartoffeln, Lauch,
Kürbis; süß-sauer-bitter-scharf-salzig; Kräuter;
Gewürze; Joghurt / Quark / Frischkäse / Kefir)
n(selbst erfundene) Geschichten erzählen, in
denen etwas über gesundes Essen vermittelt
wird (Literaturhinweis: „Bettina im Schlaraffenland“)
Kommunikation zwischen Kita und Eltern: Die
Eltern mit ins Boot holen
Damit Kinder erfahren können, wie sie auch mit
Blick auf ihre Ernährung gesund durchs Leben
gehen können und dabei von ihrem gesamten
Umfeld unterstützt werden, ist die Zusammenarbeit der erziehenden Fachpersonen mit den Eltern
unverzichtbar. Eltern können unter anderem an folgenden
Aktionen beteiligt werden:
nGemeinsam ein Frühlings, Sommer-, Herbstoder Winterfest mit gesunden Leckereien gestalten
nGemeinsames Familienfrühstück am Wochenende (die Kinder bereiten das Frühstück zu und
decken den Tisch)
nKinder basteln/malen/gestalten etwas mit Bezug zu gesundem Essen als Geschenk für die
Eltern
nEin kleines Theaterstück wird (mit Bezug zum
Essen) für die Eltern aufgeführt
nKinder kochen/backen ein (leckeres) Menü unter Mithilfe der Eltern, anschließend gemeinsame Mahlzeit
nElternabend zusammen mit Ernährungsfachfrau/ -mann
nDie Eltern sehen offen ausgehängt den Speiseplan für die Einrichtung und können damit die
Kost zu Hause abstimmen
Wie fühlen sich Kinder beim Essen wohl?
Wer beim Essen Positives empfindet (Gefühle, die
sich z.B. durch ein gutes Geschmackserlebnis
oder eine angenehme Atmosphäre einstellen),
leistet damit einen wichtigen Beitrag für das eigene ganzheitliche Wohlbefinden. Welche Faktoren
für das kindliche Wohlbefinden beim Essen von
Bedeutung sind bzw. worauf bei einer Mahlzeit
unter anderem geachtet werden sollte:
nGeselligkeit
nGewisses Maß an Ruhe & Entspannung
nRegelmäßigkeit
nSinnlichkeit (Farben, Konsistenz, Geruch, Geschmack)
nAbwechslungsreichtum
nNicht zu scharf, gerne Mildes, Süßliches
nMit spielerischen/aktiven Anteilen
nAngenehme Raum- und Tischgestaltung
Und wie kommt die Suppe zum Kasper?
Mahlzeiten können sich manchmal als richtige
Herausforderung herausstellen. Insbesondere
bei Kindern, die zu viel, zu wenig bzw. nicht das
Richtige essen mögen oder bei Tisch einfach nicht
zur Ruhe kommen. Natürlich bedürfen einige Probleme einer individuellen Betrachtung. Ein Großteil der Schwierigkeiten lässt sich jedoch mit
Strategien bewältigen, die bereits im Kita- und
Familienalltag ansetzen. nKinder in die Auswahl und Zubereitung des Essens einbeziehen
nAktivität nutzen (Tisch decken; Tätigkeiten, für
die Kraft benötigt wird)
nVor dem Essen „auspowern“ lassen
nDirekt vor dem Essen kurze Phase der „Sammlung“
nDen Einfluss der Gruppe nutzen
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4 Informationen
Literaturtipps:
Internetadressen:
Bettina im Schlaraffenland:
Moderne Ernährungsmärchen
Rosemarie Franke & Susanne Illini; aid Infodienst
Verbraucherschutz, Ernährung, Landwirtschaft
www.daj.de
Deutsche Arbeitsgemeinschaft für
Jugendzahnpflege
Gesundes Essen macht Spaß – das große Rätsel –,
Ausmal- und Ernährungsbuch für die ganze
Familie: Rätsel, Spiele, Spaß, Rezepte, .
gesunde Ernährung.
Barbara und Helga Rieger; Debehr Verlag
Gesunde Mutter – Gesundes Kind,
Eva-Maria Schröder; Hirzel Verlag
So macht Essen Spaß.
Mal-, Spiel- und Bastelheft.
Ingrid Brüggemann & Ruth Rösch; BZgA
www.dge.de
Deutsche Gesellschaft für Ernährung
www.fke-do.de
Forschungsinstitut für Kinderernährung,
Dortmund
www.mundraub.org
kostenfreies Obsternten & -sammeln
www.vzbv.de
Verbraucherzentrale Bundesverband
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5 ReferentInnenportrait und Kontakt
nHeidrun Franke, Verbraucherzentrale
Brandenburg.
Ernährungsberatung, Vorträge und Seminare.
Kontakt:
Verbraucherzentrale Brandenburg.
Friedrich-Engels-Straße 101.
14473 Potsdam.
Telefon: 0331-2987151.
E-Mail: [email protected]
nDr. oec. troph. Claudia Gölz,
Ernährungsberatung &
ernährungswissenschaftliche Beratung, .
Konzeptentwicklung, Seminare.
Kontakt:
Rhumeweg 16.
14163 Berlin.
Telefon: 030-8339520
E-Mail: [email protected]
www.dr-claudia-goelz.de
nDr. Petra Haak, Leitung Zahnärztlicher Dienst,
Gesundheitsamt Frankfurt (Oder).
Kontakt:
Stadt Frankfurt (Oder).
Gesundheitsamt .
Zahnärztlicher Dienst .
Bardelebenstraße 1 .
15230 Frankfurt (Oder)
Telefon: 0335-5525314.
E-Mail: [email protected]
nProf. Dr. Heide Kallert, Universität Frankfurt,
Institut für familiale und öffentliche Erziehung,
Bildung, Betreuung e.V.
nDr. Roger Prott,
Bildungsreferent, Organisationsberater, Autor.
2007: Zusammenarbeit von Erzieherinnen und
Eltern – eine Aufgabe für das KitaManagement.
2004: 12 Prinzipien für eine erfolgreiche
Zusammenarbeit von Erzieherinnen und Eltern.
Kontakt:.
Sigmaringer Straße 12.
10713 Berlin.
www.rogerprott.de
nStephanie Wetzel, Diplom-Ökotrophologin
Konzeptentwicklung, Projektmanagement,
Seminare, Workshops.
Kontakt:
SW – Ernährungswissenschaftliche
Dienstleistungen.
Kantstraße 72.
10627 Berlin.
Telefon: 030-30695656.
E-Mail: [email protected]
nKarsten Winke, nutriwin
Beratung, Coaching, Konzepte, Seminare,
Lehrküche.
nutriwin.
Gregor-Mendel-Straße 7 .
14469 Potsdam.
Telefon: 0331-3795808 .
E-Mail: [email protected]
www.nutriwin.de
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Impressum
Hurtig Kinder, kommt zu Tisch! Ernährung in Kita und Familie – gut und gesund.
Dokumentation der Fachtagung am 4. November 2011 in der Staatskanzlei Potsdam
Herausgeber
Gesundheit Berlin-Brandenburg / Netzwerk Gesunde Kita
Redaktion
Annett Schmok, Sandra Jentschke, Julia Waldhauer
Gestaltung/Layout
Connye Wolff, www.connye.com
Fotos
Alle Bilder: Cordia Schlegelmilch www.cordia-schlegelmilch.de
Titel: www. fotolia.com
Die Veranstaltung wurde vom Netzwerk Gesunde Kita in Zuständigkeit des Ministeriums für
Arbeit, Soziales, Frauen und Familie sowie in Kooperation mit dem Ministerium für Bildung,
Jugend und Sport des Landes Brandenburg konzipiert und durchgeführt.
Gefördert aus Mitteln des MASF.
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Gesundheit Berlin-Brandenburg
Netzwerk Gesunde Kita
Behlertstraße 3a, Haus H2
14467 Potsdam
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