neuroRad 2010 – Neuroradiologie Hirntumoren – immer mehr Differenzialdiagnosen als man denkt Brain tumors – more differential diagnoses than you would expect M. Warmuth-Metz Übersicht allen Hirntumoren können im Folgenden nur aus- Einleitung Untersuchungstechnik Zusatzuntersuchungen Typische MRT-Befunde bei Hirntumoren und deren Differenzialdiagnose 0 0 0 0 gewählte Entitäten beschrieben werden. Tumoren der Dura, Schädelbasis oder -kalotte sind dabei nicht eingeschlossen. Zur Untersuchung der Hirntumoren gilt heute die MRT als Methode der Wahl. Unterscheidungsmerkmale der Tumoren sind dabei Zelldichte, Homogenität, Kontrastmittelanreicherung und Abgrenzung gegenüber dem normalen Hirngewebe. Zur weiteren Diag- Zusammenfassung Zusammenfassung nostik sind manchmal klinische Parameter, der Die häufigsten neoplastischen Raumforderungen Verlauf oder Zusatzuntersuchungen wie funk- im Gehirn sind mittlerweile Metastasen extra- tionelle MRT-Methoden oder PET hilfreich, bevor zerebraler Neoplasien. Unter den hirneigenen eine endgültige Diagnose in den meisten Fällen Tumoren sind die Gliome die größte Gruppe. Von histologisch gestellt wird. Einleitung Neben der Lokalisation und den morphologischen Besonderheiten ist vor allem das Erkrankungsalter Hirntumoren. Bei zerebralen Tumoren werden primä- das Hauptkriterium für eine artdiagnostische Zu- re Hirntumoren von Metastasen unterschieden. Metas- ordnung einer Raumforderung (Tab. 1). tasen hatten noch vor wenigen Jahren einen Anteil von etwa einem Drittel an zerebralen Tumoren, sind aber Diagnostik. Nicht invasive Verfahren der Bildgebung heute etwa gleich häufig wie primäre Hirntumoren [1]. wie MR-Spektroskopie (MRS), MR-Perfusion, Diffu- Da Hirnmetastasen Späterscheinungen von Krebser- sionsbildgebung wie DWI („diffusion weighted ima- krankungen sind, ist diese Steigerung der Inzidenz eine ging“) und DTI („diffusion tensor imaging“) sowie das mögliche Folge davon, dass Patienten mit Malignomen nuklearmedizinische Verfahren der Positronenemis- länger leben. sionstomografie (PET) stehen zur Verfügung, wenn Histologie und Malignitätsgrad einer Läsion präopera- Bei den primären Hirntumoren unterscheidet man eine tiv abgeschätzt werden müssen oder der Verlauf be- verwirrende Vielzahl an Entitäten. Die WHO-Klassifi- urteilt werden soll. Dennoch kann meist nicht auf eine kation der Hirntumoren, zuletzt 2007 [2] überarbeitet, histologische Klärung verzichtet werden. Das Ergebnis beschreibt u. a. die neuroepithelialen, neuronalen, der Histologie entspricht jedoch immer nur der Tu- embryonalen, meningealen, Pinealis- und Keimzell- morregion, die dem Operateur repräsentativ erschien, tumoren sowie die Lymphome. Zu den neuroepithe- und spiegelt möglicherweise nicht immer den tat- lialen Tumoren werden die Gliome gerechnet, die die sächlichen, für die Graduierung eines Tumors er- größte Gruppe der primären Hirntumoren stellen. forderlichen, maximalen histologisch nachweisbaren Unter ihnen finden sich die Astrozytome der 4 WHO- Malignitätsgrad wider. Grade für Malignität, die Oligodendrogliome und gemischten Gliome, sowie die Ependymome und die Tumoren des Plexus choroideus. Neuroradiologie up2date 1 ê 2010 ê DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0029-1243996 ê VNR 2760512010047433633 1 2 Hirntumoren – immer mehr Differenzialdiagnosen als man denkt Tabelle 1 Häufige und charakteristische Tumoren bei Kindern und Erwachsenen, die in der jeweils anderen Altersklasse selten oder gar nicht vorkommen. Kinder █ █ █ █ █ Erwachsene niedriggradige Gliome, meist pilozytische Astrozytome Medulloblastome Kraniopharyngeome Hirnstammgliome Ependymome █ █ █ █ █ Metastasen höhergradige Gliome, meist Glioblastome primäre ZNS-Lymphome Meningeome Neurinome Untersuchungstechnik (Übersicht in den AWMF-Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie [3]). MRT als Methode der Wahl. Die MRT ist die Methode der ersten Wahl zur Beurteilung zerebraler Raumforderungen jeder Art, nicht nur, weil damit eine Strahlenbelastung vermieden wird, sondern auch, weil viele Tumoren nicht kontrastmittelaufnehmende Anteile aufweisen, die in der CT aufgrund des geringeren Weichteilkontrasts häufig nicht ausreichend gut vom perifokalen Ödem getrennt werden können. Auch für die Beurteilung einer Meningeose weist die CT eine so geringe Sensitivität auf, dass sie als Untersuchungsmethode verlassen werden sollte. Das gilt insbesondere für die Abklärung des Spinalkanals. Dennoch hat auch die CT als gezielte native Untersuchung nur der Tumorregion eine große Bedeutung, wenn Verkalkungen des Tumors, die in der MRT nicht immer zu erkennen sind, einen artdiagnostischen Hinweis geben können oder wenn der Zellgehalt abgeschätzt werden soll, um damit indirekte Hinweise auf die Artdiagnose zu gewinnen [4]. Die MRT ist die Methode der ersten Wahl zur Beurteilung zerebraler Raumforderungen jeder Art. Abb. 1 Die multiplen Knoten in der linken Kleinhirnhemisphäre und der Primärtumor (Medulloblastom) im vierten Ventrikel sind deutlich besser in der T2-Gewichtung (a) als im FLAIR-Bild (b) zu erkennen. Untersuchungsprotokoll. Eine MRT sollte immer mit T2- und T1-Gewichtung vor und nach Kontrastmittelapplikation durchgeführt werden. Es ist ein „magnetization-prepared rapid acquisition gradient prinzipieller Fehler, nur eine isolierte T2-Sequenz zu echo“) durchführt, hängt hauptsächlich von der Feld- erstellen, da viele Informationen durch Weglassen stärke des Magneten und der erreichten Qualität der einer PD-Sequenz (PD = Protonendichte) oder FLAIR- MPRage-Sequenz ab – als eindeutig überlegen hat sich Sequenz (FLAIR = „fluid attenuated inversion reco- keine der Methoden erwiesen, obwohl die MPRage- very“) unvorhersehbar verloren gehen. Auch die Sequenz im Nachweis kontrastmittelaufnehmender alleinige Durchführung einer FLAIR-Sequenz ist unge- Läsionen in einigen Studien unterlegen war [5]. Bei nügend (Abb. 1). Ob man die T1-Serien als SE-Sequenz Verlaufsbeurteilungen sollte man jeweils dieselbe Se- (SE = Spin-Echo) oder als MPRage-Sequenz (MPRage = quenz vor und nach Kontrastmittelgabe durchführen Neuroradiologie up2date 1 ê 2010 neuroRad 2010 – Neuroradiologie und diese auch nicht von einer Kontrolle zur nächsten Präoperativ, postoperativ und im Verlauf sollte die wechseln. Anderenfalls kann z. B. Methämoglobin nach gleiche Untersuchungstechnik angewendet wer- Blutungen und Enhancement nur unzuverlässig vonei- den. nander getrennt werden. Es gibt zwar Berichte darüber, dass Metastasen bei höher dosiertem Kontrastmittel MRT des Spinalkanals. Soll eine Meningeose ausge- besser beurteilt und die Kontrastierungen bei Gliomen schlossen werden, muss neben dem Liquor auch der leichter nachgewiesen werden können [6], üblich ist Spinalkanal mit der MRT untersucht werden. Hierzu jedoch die Standarddosierung. genügen T1w Serien nach Kontrastmittelinjektion. Bei den seltenen, nicht kontrastmittelaufnehmenden Me- Befunde und Zusatzdiagnostik. Ziel der MRT bei ningeosen sind dünne T2w TSE-Serien sinnvoll. Häufig Hirntumoren ist es, die Lage eines Tumors exakt wie- sind normale spinale Venen nicht zuverlässig von klei- derzugeben und eine Dissemination oder Multiplizität nen Meningeoseknoten zu unterscheiden, weshalb an zu erfassen. Eine Verdachtsdiagnose sollte formuliert allen fraglichen Stellen zu den sagittalen Standard- werden und zusammen mit der Lokalisation eine Ent- serien immer axiale kontinuierliche Schichten durch- scheidung über das weitere Vorgehen, wie Verlaufs- geführt werden sollten. Wird die spinale MRT post- beobachtung, Resektion oder stereotaktische Biopsie, operativ angefertigt, kann es innerhalb der ersten Tage ermöglichen. Unmittelbar lebensgefährdende Be- bis Wochen besonders nach Operationen der hinteren gleitphänomene wie eine Liquorzirkulationsstörung Schädelgrube zu einem physiologischen Enhancement oder ein großes Hirnödem mit Einklemmungsgefahr des spinalen Subduralraums kommen. Dieser Befund müssen beschrieben werden. Ob eine Zusatzdiagnostik ist sehr charakteristisch, ohne klinische Symptomatik, (MRS, Perfusion, DTI oder PET) erforderlich ist, sollte bildet sich spontan zurück und darf nicht mit einer geklärt werden. Ein funktionelles MRT soll die Risiken Meningeose verwechselt werden [8]. Tab. 2 gibt den einer Resektion bei Tumoren in sog. eloquenten Area- derzeitigen Konsens zur studienkonformen Bildgebung len abschätzen helfen. der europäischen Referenzneuroradiologen für die europaweit stattfindenden Therapieoptimierungs- MRT: Lage des Tumors wiedergeben, Dissemination studien bei pädiatrischen Hirntumoren wieder [9]. beschreiben, Verdachtsdiagnose formulieren, Entscheidung für das weitere Vorgehen ermöglichen. Zusatzuntersuchungen Postoperative MRT. Wird der Tumor operiert, muss postoperativ ein evtl. verbliebener Resttumor beurteilt (Übersicht bei Rees et al. [10] und Gerstner et al. [11]). werden. Da reparative Vorgänge am Gehirn etwa 3 Tage nach der Operation ein unspezifisches Enhancement verursachen, muss eine solche MRT innerhalb der MRS ersten 3 Tage nach dem Eingriff stattfinden [7]. Sie muss immer als native und kontrastmittelunterstützte Die MRS erlaubt es, Stoffwechselvorgänge nicht invasiv Untersuchung durchgeführt werden, weil sonst zu beurteilen. Viele verschiedene Techniken – wie eine Methämoglobin mit Enhancement verwechselt werden Einzelvolumendarstellung („SVS = „single voxel spect- kann. Es erleichtert die Beurteilung ungemein, wenn roscopy“) und eine gleichzeitige Darstellung von mul- diese Sequenzen in der gleichen Schichtrichtung, tiplen Einzelvolumina (CSI = „chemical shift imaging“; Technik und Schichtdicke wie präoperativ durchge- Abb. 2) oder die Wahl unterschiedlicher Sequenzpara- führt werden. Bei nicht vollständig kontrastmittelauf- meter machen die Vergleichbarkeit schwierig, ohne nehmenden Tumoren ist auf eine Vergleichbarkeit der aber den Wert der Methode zu schmälern. Während T2- und FLAIR/PD-Gewichtungen zu achten. Bei sol- die SVS eine solide Aussage erlaubt und technisch ein- chen Tumoren ist eine postoperative CT ungeeignet, facher als das CSI ist, gibt sie die Inhomogenität vieler weil nicht kontrastmittelaufnehmende Tumoranteile besonders höhergradiger Gliome nicht ausreichend nicht ausreichend gut identifiziert werden. wieder. Auch im Verlauf sollte die Untersuchungstechnik nicht Möglichkeiten. Es sind prinzipielle Aussagen über die geändert werden. Ein Wechsel der Geräte z. B. ver- Zellproliferation, die Menge oder Funktion von Neuro- schiedener Feldstärke ist zu vermeiden, weil sich die nen und den Energiezustand sowie im pathologischen messtechnisch erfassbare Tumorgröße und Morpholo- Fall der Menge an Makromolekülen (freie Lipide) als gie von der Technik und Feldstärke abhängig darstellen. Ausdruck einer Nekrotisierung möglich. Tumoren Neuroradiologie up2date 1 ê 2010 3 4 Hirntumoren – immer mehr Differenzialdiagnosen als man denkt Tabelle 2 Derzeitige Konsensusempfehlung der europäischen Referenzneuroradiologen der pädiatrischen Hirntumorstudien zur Bildgebung bei Hirntumoren. Gehirn 1–1,5T-Scanner █ █ █ █ █ █ █ Gehirn 3T-Scanner █ █ █ █ █ Spinalkanal 1–1,5T-Scanner █ █ █ █ █ axiales T2 und PD oder FLAIR, T1 (SE) –/+ KM, SL: max. 5 mm koronales FLAIR T1 (SE) + KM koronal und sagittal DWI mit ADC SL muss an die Größe des zu untersuchenden Objekts angepasst werden; bei intra- und/oder suprasellären Tumoren sind sagittale T1-Dünnschichten vor KM sinnvoll 3D-MPRage-Sequenzen nur als Ergänzung optional: DTI, MR-Perfusion, MR-Spektroskopie axiales T2 und PD oder FLAIR, T1 –/+ KM, SL: max. 5 mm koronales FLAIR T1-Serien als 3D-MPRage-Sequenzen oder Gradienten-EchoSequenzen SL muss an die Größe des zu untersuchenden Objekts angepasst werden; bei intra- und/oder suprasellären Tumoren sind sagittale T1-Dünnschichten vor KM sinnvoll optional: DTI, MR-Perfusion, MR-Spektroskopie keine 3T-Scanner, weil die Qualität der Bilder nicht vorhersehbar ist der gesamte Duralsack muss dargestellt werden sagittale T1 + KM, SL: 3 mm ohne Fettunterdrückung axiale T1w Schichten (SL angepasst an zu erfassende Region) in allen Höhen, in denen ein möglicherweise gefäßbedingtes Enhancement zu sehen ist optional: T2w Sequenzen und Fettunterdrückung sehr wichtig ist die Vergleichbarkeit mit vorherigen und späteren MRT-Untersuchungen; Feldstärkewechsel sind zu vermeiden; PD = Protonendichte, KM = Kontrastmittel, SL = Schichtdicke, ADC = „apparent diffusion coefficient“, DWI = „diffusion weighted imaging“, DTI = „diffusion tensor imaging“ Abb. 2 Multivoxel- oder CSI-MRS bei einem bestrahlten Glioblastom des hinteren Balkens. Anhand der Einzelspektren sind die reine Nekrosezone zentral vom proliferierenden Tumor und der Übergang vom Tumor in das normale umgebende Gehirn sehr gut abzugrenzen. Verlauf. Im Verlauf und unter Behandlung kann sowohl mit der MRS als auch mit den anderen Spezialverfahren recht zuverlässig zwischen therapiebedingtem und durch ein Rezidiv verursachtem Enhancement unterschieden werden. Perfusion Prinzip. In der MRT kann die Durchblutung gemessen werden, indem eine Verdünnungskurve von bolusartig appliziertem Kontrastmittel erstellt wird, das zu einer unterscheiden sich in diesen Parametern vom norma- Erniedrigung des T2*-Signals führt. len Gehirn und ein Vergleich z. B. mit der „normalen“ Gegenseite als interne Referenz erlaubt eine Abschät- Möglichkeiten. Die typischen ermittelten Parameter zung der Malignität oder Hinweise auf die Artdiagnose sind das zerebrale Blutvolumen (CBV), die Durchblu- einer Raumforderung [12]. tung und die Zeit bis zum Kontrastmittelmaximum („time to peak“). Für die Beurteilung von Hirntumoren Probleme. Der Vergleich mit scheinbar normalen wird besonders die relative Messung des CBV (rCBV) Hirnarealen als Referenz ist problematisch. Eine ab- zur „normalen“ Gegenseite herangezogen. Da viele solute Quantifizierung der Metaboliten wäre wün- höhergradig maligne Tumoren eine Angioneogenese schenswert, ist technisch jedoch noch nicht ausgereift. aufweisen, unterscheiden sich ihre Durchblutungs- Der Ersatz der Histologiegewinnung durch eine Spek- parameter von denen der niedriggradigen Tumoren. troskopie ist i. d. R. nicht möglich. Im Einzelfall ist zu- Dem rCBV wird eine höhere Aussagekraft zur Prognose dem eine spektrale Veränderung nicht immer spezi- im kurzfristigen Verlauf von Astrozytomen und zur fisch, und es gibt durch Überlappungen der spektralen Vorhersagefähigkeit von Rezidiven bescheinigt als dem Veränderungen durchaus Verwechslungsmöglichkei- histologischen Grading [13]. Eine mögliche Ursache ten zwischen Entzündungen und niedrig malignen liegt in der heterogenen Zusammensetzung von Tumoren, oder z. B. zwischen verschiedenen Graden höhergradigen Hirntumoren, die ein Undergrading maligner Gliome (Abb. 3). durch eine nicht repräsentative Biopsie oder Resektion leicht vorstellbar machen. Neuroradiologie up2date 1 ê 2010 neuroRad 2010 – Neuroradiologie DTI Bahndarstellung. Mit der Diffusionsbildgebung können zum einen Bahnsysteme durch die gerichtete Diffusion innerhalb der weißen Substanz dargestellt werden. Eine solche Bahndarstellung ermöglicht es dem Operateur, das individuelle Schädigungsrisiko bei der Resektion tief liegender Tumoren abzuschätzen. Innerhalb von Tumoren und in deren unmittelbarer Umgebung sind andere Diffusionsparameter zur Norm ver- 40 35 30 ändert. So korreliert der niedrigste Wert für den berechneten Parameter des „apparent diffusion coeffi- 25 cient“ (ADC) mit der Prognose bei höhergradigen Glio- 20 men und wahrscheinlich mit dem Zellgehalt [14]. Fraktionale Anisotropie. Ein weiterer berechneter Parameter ist die fraktionale Anisotropie (FA). Sie ist zwischen Tumoren unterschiedlicher Histologien verschieden und ermöglicht z. B. auch Hinweise auf eine Infiltration im peritumorösen Gewebe und somit artdiagnostische Hinweise. Nach Behandlung kann mit der DTI der Schaden der weißen Substanz eingeschätzt werden. PET Lip/Cr 15 Cho/NAA 10 NAA/Cr 5 Cho/Cr 0 no tumor LGG HGG mets Inflam. necrosis Abb. 3 Mittelwerte für die Hauptmetabolitenquotienten anhand von 130 Einzelvolumenspektren (SVS TR: 1500, TE:135) von Patienten mit Gliomen der Grade I – IV, Metastasen (mets), Nekrosen (necrosis) und Entzündungen (Inflam.) sowie Messung der gesunden Gegenseite (no tumor). Besonders eindrucksvoll ist die große Menge an freien Lipiden bei Metastasen und Nekrosen; Lip = Lipide, Cr = Creatin, Cho = Cholin, NAA = N-Acetyl-Aspartat, LGG = „low grade glioma“, niedriggradiges Gliom, HGG = „high grade glioma“, hochgradiges Gliom. Möglichkeiten. Zur Beurteilung von Hirntumoren bietet sich als nuklearmedizinisches Verfahren besonders die PET mit Aminosäuren an, weil histologisch verschiedene Hirntumoren bestimmte Aminosäuren unterschiedlich gut aufnehmen. Am besten erforscht ist Typische MRT-Befunde bei Hirntumoren und deren Differenzialdiagnose die Sensitivität und Spezifität des Aminosäure-PET bei Gliomen, während z. B. für embryonale Tumoren noch Bei den Gliomen werden die große Gruppe der diffu- Erfahrungswerte mit spezifischen Tracern erarbeitet sen, also unscharf begrenzten, und in das umgebende werden müssen. Eine Unterscheidung zwischen höher- normale Gehirn infiltrierenden Gliome der histologi- gradigen und niedriggradigen Gliomen erscheint mög- schen Malignitätsgrade WHO II – IV von den fokalen, lich. Im Falle eines Rezidivs sind zum einen eine Ab- also scharf begrenzten, und deshalb potenziell voll- grenzung von radiogenen Schrankenstörungen und ständig resezierbaren Gliomen unterschieden. zum anderen die Darstellung von Arealen besonders hoher Aktivität zur Planung einer fokussierten ReRadiatio wertvoll. Fokale Astrozytome Probleme. Leider wird die Aminosäure-PET meist Pilozytisches Astrozytom. Das pilozytische Astrozy- nur mit der möglicherweise unspezifischen Kontrast- tom WHO-Grad I (Abb. 4) ist der Hauptvertreter der mittelaufnahme im T1-Bild der MRT verglichen und auch histologisch meist gut abgegrenzten fokalen deshalb fast zwangsläufig in vielen Publikationen als Gliome. Es ist der häufigste Tumor bei Kindern und höherwertig eingeordnet [15]. Direkte multizentrische Jugendlichen und kommt im gesamten ZNS vor. Beson- Vergleichsuntersuchungen zur MRS existieren noch ders die supraselläre Region, andere Anteile der Seh- nicht. bahn und das Kleinhirn sind betroffen [16]. Eine Assoziation mit einer Neurofibromatose Typ I ist bei Sehbahntumoren häufig. Regelmäßig werden Zysten, z. T. mit Randenhancement, gefunden. Pilozytische Astro- Neuroradiologie up2date 1 ê 2010 5 6 Hirntumoren – immer mehr Differenzialdiagnosen als man denkt Abb. 4 Typisches pilozytisches Astrozytom des Kleinhirns. a Auf dem T2-Bild zeigt sich ein hohes Signal des soliden Tumors. b Nach Kontrastmittelapplikation nimmt der solide Tumor kräftig Kontrastmittel auf. Die Zystenwände zeigen kein Enhancement. c In der nativen CT ist die Dichte des soliden Tumors geringer als die der Kleinhirnrinde, wie es bei einem zellarmen Tumor zu erwarten ist. Typische Sehbahngliome mit langstreckiger Beteiligung der Sehbahn – insbesondere im Fall einer Neurofibromatose – müssen bei Kindern nicht histologisch gesichert werden, weil es keine sinnvolle Differenzialdiagnose gibt. Trotz der fokalen Histologie sind langstreckig die Sehbahn betreffende Astrozytome Grad I nicht vollständig resezierbar. Pilozytisches Astrozytom: häufigster Tumor bei Kindern und Jugendlichen. Pilomyxoides Astrozytom. In der neuesten WHOKlassifikation wurde eine besondere histologische Variante des fokalen pilozytischen Astrozytoms, das pilomyxoide Astrozytom, als Grad-II-Tumor eingeordnet [19]. CT- und MRT-morphologisch sind diese Tumoren nicht von typischen pilozytischen Astrozytomen zu unterscheiden. Pilozytische und auch pilomyxoide Astrozytome sind zellarme Tumoren und deshalb in der T2-Gewichtung sehr hell. In der CT ist die Dichte der soliden Anteile überwiegend hypodens, ebenfalls Ausdruck einer niedrigen Zelldichte [4]. Pilozytische und pilomyxoide Astrozytome sind zelzytome nehmen oft Kontrastmittel auf, weil sie patho- larme Tumoren und deshalb in der T2-Gewichtung logische Gefäße haben. Das Enhancement ist also nicht sehr hell. als Zeichen der Malignität aufzufassen. Das gilt auch für regressive Veränderungen und Einblutungen, die auch nach Therapie auftreten. Besonders bei kleinen Kin- Diffuse Astrozytome dern (> 1 Jahr) ist der Verlauf nicht selten ungünstig und es kommt in ca. 7 % zu einer Meningeose, die aller- Fibrilläres Astrozytom. Diffuse Astrozytome WHO- dings einen meist gutartigeren Verlauf als bei höher- Grad II (Abb. 5), häufig fibrilläre Astrozytome, zeigen gradigen Gliomen nimmt [17]. Selten sind sowohl im im Laufe der Zeit eine maligne Entdifferenzierung über Zusammenhang mit einer Neurofibromatose Typ I, als ein anaplastisches Astrozytom in ein Glioblastoma auch ohne eine solche, spontane Regressionen von multiforme. Das typische fibrilläre Astrozytom betrifft pilozytischen Astrozytomen beobachtet worden [18]. überwiegend jüngere Erwachsene und hat, da die Neuroradiologie up2date 1 ê 2010 neuroRad 2010 – Neuroradiologie Abb. 5 Astrozytom WHO-Grad II. a Im T2-Bild zeigt sich eine scharf begrenzte Signalanhebung frontoparietal an der Mantelkante. b Nach Kontrastmittelgabe findet sich keine erkennbare Kontrastierung. Entdifferenzierung in ein höhergradiges Gliom Zeit be- Glioblastom nötigt, eine etwas günstigere Überlebenszeit. Es kann überall im ZNS vorkommen, bevorzugt jedoch die Eine Steigerung dieser morphologischen Veränderung Frontal- und Temporallappen. Eine Kontrastmittelauf- und besonders das Auftreten von Nekrosen im Tumor nahme ist nicht üblich. Wie hoch das Risiko einer Ent- sind innerhalb der Gliome nur bei einem Glioblastom differenzierung ist, kann abgeschätzt werden, indem WHO-Grad IV möglich. Glioblastome kommen in allen die Creatinkonzentration mit der der gesunden Gegen- Altersklassen vor, bevorzugen aber deutlich ältere Er- seite verglichen wird: Ein hohes Creatin im Tumor zeigt wachsene. Im Laufe der Zeit aus entdifferenzierenden die Gefahr der frühzeitigen Malignisierung an [20]. Grad-II-Astrozytomen entstandene Glioblastome un- Wenn der Tumor innerhalb eines Gefäßterritoriums terscheiden sich genetisch von den primären Glioblas- liegt, erfordern seine subkortikale bis kortikale Lage tomen, sind prognostisch etwas günstiger und treten und die manchmal scheinbar scharfe Begrenzung die eher bei jüngeren Erwachsenen auf. Die primären Abgrenzung von einem embolischen Hirninfarkt. Mit Glioblastome kommen eher bei älteren Erwachsenen der Diffusionswichtung sollte dies jedoch gelingen. Be- vor, stellen die häufigsten malignen Hirntumoren stehen trotzdem noch Zweifel, so zeigt der Hirninfarkt überhaupt dar und verlaufen ungünstig. eine zeitgerechte Entwicklung mit Störung der BlutHirn-Schranke und Abräumreaktion. Bildgebung. Staging-Untersuchungen wurden lange Zeit mit kontrastmittelunterstützter CT durchgeführt. Anaplastisches Astrozytom. Das Auftreten einer Dabei war meist nur die Schrankenstörung korrekt zu Schrankenstörung, eine unruhige Binnenstruktur beurteilen. In dieser Zeit haben sich die Macdonald- (Abb. 6) durch Erhöhung der Zelldichte und ein ver- Kriterien [21] zur Beurteilung von Hirntumoren etab- mehrtes perifokales Hirnödem bei niedrig malignen, liert, die nur die kontrastmittelaufnehmenden Tumor- diffusen Gliomen können auf eine Malignisierung in anteile berücksichtigen. Mittlerweile hat die MRT die Richtung anaplastisches Astrozytom WHO-Grad III CT jedoch abgelöst und bietet andere Möglichkeiten hinweisen. Die Prognose wird schlechter. der Tumorbeurteilung. Deshalb sollten auch die immer noch häufig angewendeten Macdonald-Kriterien ersetzt werden. Das gilt besonders für die therapeutische Anwendung von antiangiogenetischen Substanzen, die zu einem Verschwinden der Kontrastmittelaufnahme Neuroradiologie up2date 1 ê 2010 7 8 Hirntumoren – immer mehr Differenzialdiagnosen als man denkt Abb. 6 Anaplastisches Astrozytom. a Im T2-Bild ist der große Tumor im Marklager rechts temporal mit Übergang nach frontal unscharf begrenzt und inhomogen. Am Seitenventrikel ist das T2-Signal relativ vermindert (zellreicherer Anteil). b Dort zeigt sich nach Kontrastmittelgabe ein Enhancement. führen. Die MRT – auch mit Kontrastmittel – ist nur in Hirnabszess: starke und homogene Diffusionsstö- einem beschränkten Prozentsatz in der Lage, den his- rung. tologischen Tumorgrad zu prognostizieren und es gibt auch Glioblastome ohne eine erkennbare Kontrastmittelaufnahme [22], was den Stellenwert der Zusatzdiag- Multifokales Gliom und Gliomatosis cerebri nostik unterstreicht. Je zellreicher das Gliom wird, desto niedriger wird sein Signal im T2-Bild oder in der Treten diffuse Gliome an verschiedenen Stellen im Ge- ADC-Darstellung (Abb. 7). Glioblastome infiltrieren als hirn synchron und scheinbar getrennt voneinander auf, histologisch unscharf begrenzte Tumoren immer un- spricht man von einem multifokalen Gliom (Abb. 9). bemerkt weit in das gesunde umgebende Hirn. Eine Betrifft ein Gliom mehr als 2 Hirnlappen, nennt man Resektion im Gesunden ist deshalb im Gegensatz zur das eine Gliomatosis cerebri. Typisch ist eine wenig Situation bei fokalen Gliomen eine Illusion. raumfordernde Infiltration der weißen Substanz, die häufig zu differenzialdiagnostischen Schwierigkeiten Glioblastome: Resektion im Gesunden ist unmög- führt. Auch wenn sich histologisch ein Tumor Grad II lich. ergibt, ist die Prognose schlecht, da eine makroskopisch vollständige Resektion, die auch bei Glioblastomen die Überlebenszeit signifikant verlängert, immer unmög- Hirnabszess lich ist. Schwierig, und häufig nur mit histologischen Methoden zuverlässig möglich, kann eine Unterschei- Differenzialdiagnose des zystischen Glioblastoms ist dung von entzündlichen Veränderungen und diffusen der Hirnabszess (Abb. 8). Klinische Parameter sind eher Gliomen sein (Abb. 10). irreführend als wegweisend. Typisch ist eine dünnwandige, glatt begrenzte, kontrastmittelaufnehmende Raumforderung mit ausgeprägtem Perifokalödem. Der Hirnmetastasen typische Hirnabszess zeigt eine starke und homogene Diffusionsstörung, während das Glioblastom zwar auch Solitäre oder auch multiple Hirnmetastasen sind we- diffusionsgestörte Anteile aufweisen kann (Abb. 7 c gen ihrer Häufigkeit eine wichtige Differenzialdiagnose und 8 b), diese sind aber inhomogen. In der MRS finden der Gliome. Die MRS zeigt in Metastasen (Abb. 11) sich spezifische spektrale Veränderungen. häufig hohe Konzentrationen an freien Lipiden Neuroradiologie up2date 1 ê 2010 neuroRad 2010 – Neuroradiologie Abb. 7 Glioblastom. a Inhomogene, z.T sehr stark im T2-Signal verminderte Raumforderung rechts temporal. b Nach Kontrastmittelgabe irreguläre Kontrastmittelaufnahme um wahrscheinlich zentrale Nekrosezone und randständige zystische Hohlräume. c Im Diffusionsbild leichte und inhomogene Störung der Diffusion. Pseudoprogression Nach einer Strahlen- oder auch Chemotherapie können reaktive Veränderungen mit einer passageren Schrankenstörung und einem sich verstärkenden Ödem ein Rezidiv oder eine Tumorprogression vortäuschen. Diese sog. Pseudoprogression ist ein ernst zu nehmendes Problem (geschätzte Fehlerquote von 20 – 30 %) für die konventionelle MRT-Diagnostik, aber eine Domäne für nicht invasive Zusatzverfahren. Auch eine definitive Strahlennekrose kann mit einem Rezidiv oder einem Zweittumor verwechselt werden. In den jeweiligen Studienergebnissen sind alle genannten nicht invasiven Verfahren dazu in der Lage, mit einer recht hohen Sensitivität zwischen Tumor und Nekrose oder passagerer Reaktion zu unterscheiden. Diffuses intrinsisches Ponsgliom Dieser hochmaligne Hirnstammtumor (Abb. 12) bei Kindern wird bei passender klinischer Konstellation allein anhand der MRT diagnostiziert und derzeit auch ohne histologische Sicherung behandelt [23]. Behandlung und Prognose werden nicht vom Malignitätsgrad (Abb. 3). In der DTI fehlt bei Metastasen die diffuse In- des Glioms (Grad II – IV) bestimmt [24]. Das typische filtration in das umgebende Gehirn. Typische Metasta- MRT-Muster ist bei einer Raumforderung mit Haupt- sen sind auch in der Standard-MRT meist relativ scharf masse im Pons am besten am T2w Bild zu erkennen begrenzt (Abb. 11). Im Einzelfall kann aber auch eine und besteht aus einer Beteiligung von mehr als der histologische Sicherung erforderlich sein. Hälfte des Ponsquerschnitts bei variabel scharf begrenzter Randkontur des Tumors [25]. Oft ist die A. basilaris in den Tumor eingebettet, und die normalen pontinen Fasersysteme sind sichtbar durch Tumorgewebe aufgespleißt. Die Kontrastmittelaufnahme ist variabel. Ein Hydrozephalus, Einblutungen oder eine Neuroradiologie up2date 1 ê 2010 9 10 Hirntumoren – immer mehr Differenzialdiagnosen als man denkt Abb. 8 Hirnabszess. a Im T1-Bild nach Kontrastmittelgabe ringförmiges Enhancement links okzipital. b Im Gegensatz zu Abb. 7 c ist die Diffusion homogen und stark gestört als typisches Zeichen eines Hirnabszesses. Abb. 9 Multifokales Gliom. Im T2-Bild finden sich an mehreren Stellen der linken Hemisphäre leicht aufgetriebene Signalsteigerungen, die in dieser Schicht am Trigonum des Seitenventrikels und in der Insel zu sehen sind. Histologisch fand sich ein Astrozytom WHO-Grad III. Dissemination bei Diagnosestellung sind selten. Findet sich die Hauptmasse des Glioms an anderer Stelle des Hirnstamms, sind andere Entitäten möglich. Diffuse pontine Gliome sind aufgrund ihrer Lage in der Regel nicht operabel. Oligodendrogliale Tumoren Oligodendrogliale Tumoren (Abb. 13) oder auch Mischgliome mit oligodendroglialem Anteil haben eine bessere Prognose als diffuse Astrozytome und treten eher im mittleren Erwachsenenalter auf. Ein Charakteristi- Neuroradiologie up2date 1 ê 2010 Abb. 10 Randständige Kontrastmittelaufnahme in einer rasch progredienten Raumforderung rechts frontal. Histologisch waren keine neoplastischen Gliazellen, sondern nur entzündliche Infiltrate zu finden. neuroRad 2010 – Neuroradiologie Abb. 12 Diffuses intrinsisches Ponsgliom. Im axialen T2-Bild ist der Tumor auf den Pons zentriert, nimmt mehr als die Hälfte des Querschnitts ein, zeigt ein Encasement der A. basilaris und eine Durchsetzung der dorsalen pontinen Fasern. Die Begrenzung ist überwiegend recht scharf. Abb. 11 Metastase. Das T1-Bild nach Kontrastmittelgabe zeigt eine solitäre, recht scharf begrenzte, inhomogene Raumforderung links frontal bei einem Patienten mit einem bekannten Darmkarzinom. Abb. 13 Oligodendrogliom. Die native CT zeigt schollige Verkalkungen kortikal und subkortikal links frontal. kum, aber nicht spezifisch, sind häufige Verkalkungen (70 – 90 %), sodass der T2*-Sequenz und evtl. auch der nativen CT (Abb. 13) eine Bedeutung zukommt. Die MRS zeigt oft sehr hohe Cholinwerte, die nicht als Zeichen der Anaplasie interpretiert werden dürfen. Oligodendrogliome verkalken oft. Embryonale Tumoren Das Medulloblastom (Abb. 14) ist der häufigste maligne Tumor bei Kindern [26]. Die zahlenmäßig stärksten Untergruppen sind das klassische und das prognostisch Medulloblastome und Ependymome sind zellreiche günstigere desmoplastische Medulloblastom. Während Tumoren und daher im T2-Bild hypointens zur die klassische Variante besonders häufig im Kleinhirn- grauen Substanz. wurm entsteht, liegt das desmoplastische Medulloblastom meist oberflächlich in den Kleinhirnhemisphären. Medulloblastome von Erwachsenen sind Ependymome meist desmoplastisch. Es handelt sich um zellreiche Tumoren – wie auch die differenzialdiagnostisch in- Ependymome (Abb. 15) sind infratentoriell immer mit frage kommenden Ependymome –, und deshalb sind Bezug zum Ventrikelependym, das bis in den Klein- sie im T2-Bild hypointens zur grauen Substanz und hirnbrückenwinkel reicht, zu finden. Sie zeigen oft ein können so von zellarmen pilozytischen Astrozytomen charakteristisches, als plastisch [1] bezeichnetes im Kleinhirn unterschieden werden. Wird ein natives Wachstum um Gefäße und Nerven sowie häufig aus CT durchgeführt, so sind sie im soliden Anteil immer dem Foramen Magendii bis in den Spinalkanal. Eine hyper- oder isodens zur Hirnrinde. vollständige Resektion kann deshalb schwierig sein. Supratentorielle Ependymome liegen meist außerhalb der Ventrikel und können ohne jeden Bezug zum Neuroradiologie up2date 1 ê 2010 11 12 Hirntumoren – immer mehr Differenzialdiagnosen als man denkt Abb. 14 Medulloblastom. a Das typische kleine klassische Medulloblastom liegt im vierten Ventrikel und hat im T2-Bild ein niedriges Signal als Ausdruck des Zellreichtums. b Das sagittale T1-Bild zeigt deutlich den Ursprung aus dem Kleinhirnwurm und eine mäßig kräftige Kontrastmittelaufnahme. Abb. 15 Ependymom. Im sagittalen T2-Bild ist der Tumor im vierten Ventrikel signalgemindert und hat als Zeichen des plastischen Wachstums den vierten Ventrikel über das Foramen Magendii in Richtung auf den Spinalkanal verlassen. Dieses plastische Wachstumsmuster ist bei infratentoriellen Ependymomen viel häufiger als bei Medulloblastomen. zelle entstehend – an verschiedenen Stellen des ZNS, wie z. B. in der Pinealisloge oder im Großhirn, vorkommen kann. Inzwischen hält man PNETs unterschiedlicher Lokalisation für unterschiedliche Entitäten mit unterschiedlichem Verhalten. StPNETs (Abb. 16) sind hochmaligne und unvollständig reseziert infaust, haben häufig wenig oder kein perifokales Ödem und nehmen oft nur wenig Kontrastmittel auf. Sie scheinen, obwohl stark proliferierend und infiltrierend, durch Kompression des umgebenden Gehirns eher scharf begrenzt. Wie die Medulloblastome sind stPNETs typische Tumoren des Kindesalters, treten auch bei jüngeren Erwachsenen auf und müssen von malignen Gliomen unterschieden werden. Bei beiden handelt es sich um zellreiche Tumoren, sodass die T2-Signalminderung kein differenzierendes Kriterium sein kann. Vielmehr sind eher das Kontrastmittelverhalten und besonders Ependym vorkommen. Spinal sind Ependymome beim die Umgebungsreaktion diagnostisch hinweisend. Erwachsenen die häufigste Tumorentität und sind bildmäßig nicht zuverlässig von anderen Rückenmarktumoren zu unterscheiden. Gliale oder glioneuronale Tumore Je nach der Ausprägung von glialen Elementen nennt Supratentorielle primitive neuroektodermale Tumoren man Tumoren mit neoplastischen Ganglienzellen entweder Gangliozytome oder Gangliogliome (Abb. 17). Es handelt sich Tumoren niedriger Malignität, bei denen Noch in der letzten WHO-Klassifikation von Hirntu- aber eine Entartung des glialen Anteils in einen Grad-II- moren wurde das Medulloblastom als infratentorieller oder -III-Tumor stattfinden kann. Sie kommen bei Kin- Vertreter eines primitiven neuroektodermalen Tumors dern und Erwachsenen im mittleren Lebensalter, aber (PNET) aufgefasst, der – aus der gleichen Ursprungs- auch bei älteren Menschen vor und machen sich häufig Neuroradiologie up2date 1 ê 2010 neuroRad 2010 – Neuroradiologie Abb. 18 Pleomorphes Xanthoastrozytom. Trotz eines histologisch niedrigen Malignitätsgrads finden sich bei diesem frontal links lokalisierten Tumor 2 kleine Metastasen kontralateral temporal. durch Krampfanfälle bemerkbar. Obwohl sie überall, meist aber oberflächlich lokalisiert auftreten können, Abb. 16 PNET. Der sehr zellreiche und deswegen im T2-Bild hypointense, inhomogene, links frontale Tumor ist scheinbar scharf begrenzt. Die Grenze kommt jedoch durch das rasante Wachstum zustande, bei der das umgebende Gehirn komprimiert wird, und ist nicht Ausdruck einer fehlenden Infiltration in die Umgebung. findet man sie besonders häufig im Temporallappen. Verkalkungen und Zysten gehören zum typischen Bild [27]. Ein ähnliches Bild kann neben einem niedriggradigen Astrozytom auch ein weiteres fokales Astrozytom, das pleomorphe Xanthoastrozytom, (Abb. 18) zeigen. Dieser Tumor kommt ebenfalls bei jüngeren Erwachsenen und temporal häufiger vor. Der astrozytäre Anteil des Grad-II-Tumors kann wie beim Gangliogliom zu Grad-IV-Tumoren entarten mit dann entsprechend ernster Prognose. Dysembryoblastische neuroektodermale Tumoren DNT oder DNET (Abb. 19) machen häufig durch schlecht behandelbare Krampfanfälle auf sich aufmerksam und betreffen Kinder und jüngere Erwachsene. Sie liegen meist kortikal und haben manchmal eine keilförmige Ausdehnung vom Kortex zum Ventrikelufer und einen multizystischen Aspekt. Eine Kontrastmittelaufnahme ist nicht die Regel, kommt aber vor. Ein Ödem fehlt meist und die Tumorgrenze erscheint scharf. Im FLAIR-Bild wird ein hyperintenser Randsaum als charakteristisch beschrieben [28]. Abb. 17 Gangliogliom. Zysten und eine Kontrastmittelaufnahme aufweisender scharf begrenzter Tumor links temporolateral ohne perifokales Ödem. Als Zeichen eines langsamen Wachstums zeigt sich eine Kalottenmodellierung. Neuroradiologie up2date 1 ê 2010 13 14 Hirntumoren – immer mehr Differenzialdiagnosen als man denkt Abb. 19 DNET. Im T1-Bild nach Kontrastmittelgabe zeigt sich eine scharf begrenzte hypointense kortikale Raumforderung bei einem Kind mit nicht behandelbaren Krampfanfällen. Abb. 21 Multiple homogen kontrastmittelaufnehmende Herde am Ventrikelufer sind typisch für ein primäres ZNS-Lymphom bei einem immunkompetenten älteren Patienten. niedriggradigen kortikalen Tumoren abgegrenzt wer- Abb. 20 Kortikale Dysplasie. Das FLAIR-Bild zeigt eine postzentrale Signalanhebung kortikal und subkortikal an der Mantelkante bei einer Frau mit Krampfanfällen. Eine Verbindung zum Seitenventrikel war nicht nachweisbar. Histologisch ergab eine Biopsie einen gestörten Aufbau des Kortex ohne Tumorzellen im Sinne einer kortikalen Dysplasie. den (Abb. 20). Zerebrales Lymphom Das primär zerebrale Lymphom (Abb. 21) ist meist vom B-Zelltyp und nimmt an Häufigkeit zu. Da es am häufigsten bei älteren Erwachsenen vorkommt, ist es eine gängige Differenzialdiagnose zum malignen Gliom, besonders wenn es als einzelne Läsion auftritt. Nicht selten finden sich aber bei immunkompetenten Personen multifokale homogen kontrastmittelaufnehmende Herde ohne zentrale Nekrose mit auffälliger Nähe zum Ventrikelufer. Bei Immuninkompetenten haben die Tumoren eine zentrale Nekrose. Sie sind bildmäßig nicht von den dann ebenfalls häufigen entzündlichen Erkrankungen, wie z. B. der Toxoplasmose, zu unterscheiden. Als charakteristisch gilt eine Größenrückbildung von Lymphomen nach Kortisontherapie, die jedoch nur in etwa der Hälfte der Fälle nachweisbar ist. Diese scheinbar diagnostische Kortikosteroidgabe sollte aber bei Verdacht auf ein Lymphom unbedingt unterlassen Kortikale Dysplasien werden, weil die histologische Diagnosestellung von Lymphomen durch eine Kortikosteroidgabe beein- Alle kortikalen Tumoren können zu differenzialdiag- trächtigt bis unmöglich wird. nostischen Schwierigkeiten in der Abgrenzung von kortikalen Dysplasien führen. Die Dysplasie vom Ballonzelltyp ist an einer dünnen Verbindung zum Ventrikelufer bei geeigneter Dünnschichtung am besten im T2-Bild zu erkennen [4]. Die übrigen kortikalen Dysplasien können nicht hinreichend zuverlässig von Neuroradiologie up2date 1 ê 2010 Primär zerebrale Lymphome werden häufiger. neuroRad 2010 – Neuroradiologie Kernaussagen Zerebrale Tumoren Die häufigsten neoplastischen Raumfor- MRT ist das Standardverfahren zur Beur- fahren der MRS, MR-Perfusion, Diffusions- teilung des Operationssitus und eines wichtung und der PET können diagnos- derungen im Gehirn sind mittlerweile Me- eventuellen Resttumors. Der Resttumor tisch und prognostisch wertvolle Erkennt- tastasen extrazerebraler Neoplasien. Un- ist Basis für alle weiteren Stagingevalua- nisse beisteuern, den Therapieeffekt ter den hirneigenen Tumoren sind die tionen. Da viele Hirntumoren kein oder widerspiegeln und Zweitbehandlungen Gliome die größte Gruppe. Prozentual ist nur partiell Kontrastmittel aufnehmen, sollte die Beurteilung des therapeuti- erleichtern. unter diesen das hochmaligne Glioblastom am häufigsten. Da Kinder und Er- schen Erfolgs anhand des Enhancements Differenzialdiagnose wachsene jeweils an verschiedenen Tumo- von Gliomen (Macdonald-Kriterien) ver- Während der Hirnabszess in der Bildge- ren erkranken, ist das Alter des Patienten lassen und eine andere Form der Tumor- bung zuverlässig zu diagnostizieren ist, der wichtigste Faktor der Differenzial- beurteilung gesucht werden. Mit der MRT sind viele Entzündungen, wie z. B. auch diagnose. – und zu speziellen Fragestellungen wie solitäre Entmarkungen bei multipler Skle- Kalk oder Zelldichte auch der CT – sind rose, Metastasen oder eine kortikale Dys- viele Tumoren artdiagnostisch einzugrenzen. Mit der Ausnahme von Sehbahnglio- plasie oft nur durch klinische Parameter, den Verlauf oder histologisch zu klären. In Untersuchungstechnik Eine standardisierte MRT-Untersuchung mit T1- und T2/PD oder FLAIR-gewichte- men und diffusen intrinsischen Ponsglio- der Abgrenzung primärer Hirntumoren ten Sequenzen ist sowohl in der Primär- men muss jedoch immer eine histologi- von Metastasen, entzündlichen oder reak- diagnostik als auch besonders zur Ver- sche Sicherung angestrebt werden, auch tiven Veränderungen können die Zusatz- laufsbeurteilung bei allen zerebralen wenn diese bei inhomogenen Tumoren verfahren hilfreich sein. Tumoren essenziell. Das innerhalb von möglicherweise nicht den höchsten Mali- 72 Stunden nach Operation angefertigte gnitätsgrad widerspiegelt. Die Zusatzver- Abstract Über die Autorin Within the brain the most frequent malignancy are metastases of neoplasias outside of the CNS. Among Monika Warmuth-Metz the primary brain tumours gliomas form the largest group and among those the highly malignant glioblas- Jahrgang 1954. Prof. Dr. med. Studi- toma is most frequent. Age is more predictive for histology than aspect or localization of the tumour. The um der Humanmedizin in Würzburg. Nach einer wissenschaftlichen und standardized MRI is the clue examination for the evalu- klinischen Ausbildung in Pathologie ation of brain tumours as well at the time of presenta- und Anästhesie Facharztausbildung tion and for follow-up including the early postoperative zur Radiologin in Schweinfurt, Ingol- MRI within the first 3 days after surgery. Typical featu- stadt und an der Universität Würz- res like cell density, homogeneity, contrast behaviour burg. Weiterbildung zur Neuroradiologin in Würzburg. and delimitation to the surrounding normal brain are 1999 Habilitation. Seit 1991 Referenzneuroradiologin für hallmarks for the differential diagnosis although with rare exceptions (visual pathway gliomas and DIPG) a alle pädiatrischen Hirntumorstudien in Deutschland und Mitglied des Boards europäischer Neuroradiologen der histological clarification has to be attempted. Functio- SIOP (Société internationale d’Oncologie Pediatrique)- nal MRI procedures or PET imaging may help in the di- Studien. agnostic and prognostic evaluation of cerebral tumours and the follow-up. Also the diagnosis of possible treat- Korrespondenzadresse ment related and otherwise ambiguous features like Prof. Dr. M. Warmuth-Metz Abteilung für Neuroradiologie radiation reaction can be clarified this way. While abscesses can be diagnosed safely with MRI and DWI many other differential diagnoses like metastases, malformation, inflammations or solitary lesions in multiple sclerosis can only be clarified with the help of the clinical parameters, follow-up or histology. Uniklinikum Würzburg Josef-Schneider-Str. 11 97080 Würzburg Tel. 0931 201-34799 Fax: 0931 201-34789 E-Mail: [email protected] Key words Brain tumour · adults · children · MRI · CT Neuroradiologie up2date 1 ê 2010 15 16 Hirntumoren – immer mehr Differenzialdiagnosen als man denkt Literatur 14 Murakami R, Sugahara T, Nakamura H et al. Malignant supratentorial astrocytoma treated with postoperative radiation 1 Osborn A. Neoplasms and tumor like lesions. In: Osborn A et al. (eds). Diagnostic imaging. Brain (Section 6). Salt Lake City, Utah USA: Amirsys, 2004 – 2005 2 Louis DN, Ohgaki H, Wiestler OD, Cavanee WK. WHO classification of tumours of the central nervous system. Genf-Lyon: WHO Press, 2007 3 Warmuth-Metz M. Bildgebung bei Hirntumoren. In: Diener HC, Putzki N. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. 4. Auflage. Suttgart: Thieme, 2008 4 Barkovich JA. Intracranial, orbital and neck tumors of childhood. In: Barkovich JA (ed). Pediatric neuroimaging. 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E Der ADC ist geeignet, um die Zelldichte abzuschätzen. Welches sind die häufigsten A Ependymome neoplastischen Raumforderungen B Astrozytome im Gehirn? C Metastasen extrakranieller Neoplasien D Medulloblastome E Gliome Welche Tumoren kommen bei A Gliome Kindern nur extrem selten vor? B Medulloblastome C Ponsgliome D Metastasen E Ganglienzelltumoren Welche der folgenden Aussagen A Die MRS kann nicht zuverlässig zwischen Tumor und Entzündung unterscheiden. zur MRS trifft nicht zu? B Sie kann als Einzelvolumenmessung und als Multivoxelmethode durchgeführt werden. C Sie kann gut zwischen Therapiefolge und Tumorrezidiv unterscheiden. D Die einzelnen Messmethoden sind gut miteinander vergleichbar. E Sie kann die Inhomogenität von malignen Gliomen darstellen. Welche der folgenden Begründun- A sie dann häufig disseminieren. gen ist richtig? Bei Verdacht auf ein B sie dadurch wachsen können. Lymphom soll Kortison vermieden C die histologische Diagnose erschwert wird. werden weil, D sie dadurch kleiner werden. E sich das typische MR-Bild des Tumors wandeln kann. Welche der folgenden Tumoren A pilozytisches Astrozytom gehört nicht zu den fokalen Astro- B pilomyxoides Astrozytom zytomen? C Sehbahngliom D pleomorphes Xanthoastrozytom E Gangliogliom 2 3 4 5 6 Neuroradiologie up2date 1 ê 2010 17 18 Hirntumoren – immer mehr Differenzialdiagnosen als man denkt CME-Fragen Hirntumoren – immer mehr Differenzialdiagnosen als man denkt 7 Welche der folgenden Aussagen ist A am ersten postoperativen Tag erfolgen. richtig? Eine frühpostoperative MRT B innerhalb einer Woche nach OP durchgeführt werden. muss immer C zur präoperativen MRT vergleichbar sein. D unmittelbar nach Beendigung der Operation erfolgen. E durchgeführt werden, um Komplikationen zu erkennen. Welche der folgenden Aussagen A tritt meist nach der Operation supratentorieller Tumoren auf. ist richtig? Das unspezifische post- B ist auf Kinder beschränkt. operative Enhancement der spinalen C hat klinische Symptome. Dura D stört die Beurteilung einer Dissemination nicht. E darf nicht mit einer Meningeose verwechselt werden. Welche der folgenden Aussagen A müssen immer histologisch gesichert werden. ist nicht richtig? Typische diffuse B können Gliome Grad II – IV sein. intrinsische Ponsgliome C sind hochmaligne, prognostisch sehr ungünstige Tumoren bei Kindern. D können nicht reseziert werden. E können scharf oder unscharf im T2-Bild begrenzt sein. Welche der folgenden Hirntumoren A Gliomatosis cerebri können häufig vollständig entfernt B Sehbahngliome werden? C pilozytische Astrozytome D Glioblastome E diffuse intrinsische Ponsgliome 8 9 10 CME•thieme.de CME-Teilnahme ▶ Viel Erfolg bei Ihrer CME-Teilnahme unter http://cme.thieme.de ▶ Diese Fortbildungseinheit ist 12 Monate online für eine CME-Teilnahme verfügbar. ▶ Sollten Sie Fragen zur Online-Teilnahme haben, unter http://cme.thieme.de/hilfe finden Sie eine ausführliche Anleitung. Neuroradiologie up2date 1 ê 2010