Tierarzt 24 Vorarlberger Jagd der Tierarzt berichtet Augenerkrankungen beim Wild Dr. Norbert Greber, Landesveterinär Im vergangenen Sommer erhielt die Veterinärabteilung zweimal über Hegeabschüsse Kenntnis von Augenverletzungen bzw. Erblindungen beim Rehwild. Die bekannteste Augenkrankheit beim Wild ist die Gamsblindheit, doch auch bei anderen Wildtieren treten Veränderungen am Auge auf, sodass hier versucht werden soll, einen Überblick über die Thematik zu geben. oft sekundär mit bakteriellen Erregern infiziert werden, bietet sich dem Betrachter im fortgeschrittenen Stadium dasselbe Bild wie bei einer Entzündung. Eine Unterscheidung ist somit nicht ohne weiteres möglich. Ein Charakteristikum ist allerdings wichtig: Verletzungen treten meist einseitig auf, Entzündungen eher beidseitig. Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen Augenverletzungen und Augenentzündungen. Da Verletzungen Beim männlichen Wild entsteht eine solche oft als Folge einer Kampfhandlung. Bei beiden Geschlechtern ist eine Verletzungen können entweder die Augenlider betreffen oder gleich den ganzen Augapfel. So lange das Lid nur äußerlich verletzt ist, heilt der Defekt normalerweise aus. Wenn auch die Konjunktiva, also die Bindehaut, die das Lid innen auskleidet, durchtrennt wird, dann entsteht insbesondere bei Verletzungen des Unterlides ein Folgeproblem: Der Tränensee rinnt aus, die Hornhautoberfläche, die ständig feucht gehalten Foto: Wikipedia Verletzung Verletzung möglich durch Anrennen an spitze Gegenstände, z.B. auf einer Flucht. Querschnitt durch das Auge: der Blick vor vorne gibt bei der Betrachtung des Auges beim Tier nur die Hornhaut frei. Durch die durchsichtige Hornhaut sieht man den farbigen Teil des Auges, die Iris oder Regenbogenhaut. Sie begrenzt das Sehloch, die Pupille. Da der Augenhintergrund dunkel ist, sieht die Pupille schwarz aus. Blickt man in ein menschliches Auge, sieht man neben der durchsichtigen Hornhaut auch die undurchsichtige Sklera oder Lederhaut, welche weiß ist. Wird der Augenhintergrund durch eine Lichtquelle beleuchtet, wird das Licht beim Tier reflektiert und der Hintergrund erscheint hell. Beim Menschen fehlt die reflektierende Schicht im Augenhintergrund und man sieht durch die vielen Blutgefäße in der Netzhaut nur eine rote Farbe. werden muss, trocknet aus und als Folge entsteht eine Hornhautentzündung. Wichtig ist, dass in jedem Stadium der Augenerkrankung eine Heilung möglich ist. Heilt die Hornhautentzündung wieder ab, nachdem sich im Anschluss an eine Lidverletzung dieses wieder durch eine Narbe verschlossen hat, bleibt vorerst eine Trübung zurück, die sich aber allmählich wieder aufhellt. Schreitet die Entzündung der Hornhaut fort, oder ist die Hornhaut direkt von der Verletzung betroffen, ist die Folge davon oft eine Entzündung der Hornhaut (geschwürige Veränderung) und dadurch ein Durchbrechen der vorderen Augenkammer, sodass das Kammerwasser austritt (Ausrinnen des Auges). Selbst in diesem Stadium ist eine Ausheilung möglich. Durch das Ausrinnen des Kammerwassers fällt der farbige Teil des Auges, die sogenannte Regenbogenhaut (Iris) vor und kann dadurch wie ein Vorhang den Hornhautdefekt schließen. Wenn anschließend die Hornhaut wieder heilt, bleibt bei so einem Auge eine charakteristische Verzerrung der Pupille zurück (vordere Synechie). Greift die Entzündung aber in diesem Stadium auf die inneren Medien des Augapfels über, spricht man von einer inneren Augenentzündung (Panophthalmie), deren Folge meistens ein vollständiges Erblinden ist. Entzündung Für das Angehen einer Entzündung bei einem bis dahin ungeschädigten Auge braucht es jedenfalls eine ent- Tierarzt November / Dezember 2012 sprechende Infektionsdosis, also die Übertragung einer großen Menge Krankheitserreger. Dies wird am ehesten realisiert durch direkten Kontakt mit einem infizierten Tier, oder durch die Übertragung mittels Insekten. Dadurch, und möglicherweise auch durch eine Vorschädigung durch das UV-Licht der Sonne, treten infektiöse Hornhautentzündungen meistens im Sommerhalbjahr auf. Da die Infektion in der Regel die Bindehaut (Konjunktivitis) und die Hornhaut (Keratitis) betrifft, spricht man von einer infektiösen Keratokonjunktivitis, abgekürzt IKK. Bei der IKK werden vier Stadien unterschieden: • Erstes Stadium: verstärktes Blinzeln, Lichtscheue, Tränenfluss. • Zweites Stadium: Trübung der Hornhaut, Einsprossung von Gefäßen vom Rand her. • Drittes Stadium: Schleimig, eitrige Entzündung, deutlicher Tränenfluss mit Bildung einer Sekretrinne, deutliche Trübung der Hornhaut. • Viertes Stadium: Geschwürige Veränderung mit Durchbrechen der Hornhaut und Ausrinnen des Kammerwassers (siehe oben bei Verletzung). 25 Es ist immer wieder beobachtet worden, dass insbesondere die IKK während des Alpsommers von Schafherden auf Gams- und Steinwild übertragen wird. Bei Rehund Rotwild ist die IKK kaum bekannt. Möglicherweise spielt hier der Lebensraum eine Rolle. Durch den Aufenthalt im Wald gibt es weniger Probleme mit einer UVSchädigung des Auges bzw. der Bindehäute wie bei jenen Wildarten, die ob Holz leben. Vielleicht handelt es sich aber auch um eine artspezifische Empfindlichkeit bei Gams und Steinwild. Vorgangsweise bei Feststellung Augenverletzungen oder Entzündungen, als deren Folge eine deutliche Sehbehinderung zurück bleibt, sind immer ein Grund für einen Hegeabschuss. Erkennbar ist die Erblindung daran, dass sich die Tiere nur ungern, bzw. möglichst wenig bewegen. Wenn sie sich bewegen, dann erfolgt die Bewegung unsicher. Erblindete Tiere sind in der Regel von der Herde abgesondert, oder sie orientieren sich auffällig an einem anderen Tier und folgen diesem auf Schritt und Tritt. Bei längerem Bestehen sieht man als Folge oft eine deutli- Erblindeter Rehbock, erlegt von Mario Wiesbauer in Sibratsgfäll West. che Abmagerung, so dass das Wildbret nicht mehr zu verwerten ist. Bei der infektiösen Keratokonjunktivitis ist auch noch die Ansteckungsfähigkeit als Begründung für einen Hegeabschuss zu berücksichtigen. Es ist allgemein anerkannt, dass Tiere mit einer Erkrankung im Stadium 3 und 4 zu erlegen sind. Literatur: Deutz. Wildkrankheiten, Hundekrankheiten, Zoonosen; Leopold Stocker Verlag.