100 Fragen Tinnitus RZ 11.01.2007 11:31 Uhr Seite 1 Tinnitus: 100 Fragen – 100 Antworten Ein Ratgeber für Betroffene 100 Fragen Tinnitus RZ 11.01.2007 11:31 Uhr Seite 2 Autoren Dr. med. J. Sandmann, Dr. med. M. Khan, Prof. Dr. med. H. Scherer, Dr. med. B. Mazurek Tinnituszentrum Charité Schumannstraße 20/21 10117 Berlin Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Wichtiger Hinweis Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, der Übersetzung, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Veröffentlichung sowie der Speicherung und Verarbeitung durch Datenverarbeitungsanlagen bleiben vorbehalten. Sie bedürfen des schriftlichen Einverständnisses des Verlages. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. In diesem Buch sind die Stichwörter, die zugleich eingetragene Warenzeichen darstellen, als solche nicht besonders kenntlich gemacht. Es kann demnach aus der Bezeichnung der Ware mit dem für diese eingetragenen Warenzeichen nicht geschlossen werden, dass die Bezeichnung ein freier Warenname ist. ISBN 3-934410-86-3 Lektorat Dr. med. Astrid Waskowiak Gestaltung bb gestaltung, Berlin und Hamburg © akademos Wissenschaftsverlag GmbH Strindbergweg 57, 22587 Hamburg www.akademos.de 1. Auflage 2006 100 Fragen Tinnitus RZ 11.01.2007 11:31 Uhr Seite 3 Inhalt Vorwort 5 Allgemeines 6 Tinnitusentstehung 8 Akuter Tinnitus 15 Hyperakusis 17 Diagnostik 19 Chronischer Tinnitus 20 Therapie 23 Medikamentöse Therapien 23 Retraining-Therapie und Hörgeräteversorgung 26 Entspannungstherapie 29 Hörtraining 29 Sauerstofftherapie 30 Softlaser 31 Einflüsse der Lebensführung 31 Alternative Methoden 34 Tinnitus als Nebenwirkung 35 Kontaktadressen 37 Glossar: Die wichtigsten medizinischen Fachausdrücke 38 Stichwortverzeichnis 40 100 Fragen Tinnitus RZ 11.01.2007 11:31 Uhr Seite 4 100 Fragen Tinnitus RZ 11.01.2007 11:31 Uhr Seite 5 Vorwort Tinnitus ist ein Symptom, das in den letzten Jahrzehnten zunehmend ins Licht des allgemeinen gesundheitlichen Interesses gerückt ist. In Zeiten steigender psychischer Belastung durch soziale Faktoren wie Umstrukturierungen auf dem Arbeitsmarkt und wachsende Anforderungen an den Einzelnen, aber auch durch vermehrte Lärmbelastungen in der Freizeit klagen immer mehr Patienten über Ohrgeräusche. Im Rahmen der langjährigen Arbeit mit Tinnituspatienten haben wir für Patienten und deren Angehörige häufig gestellte Fragen zusammengetragen. Dieser Ratgeber soll den Betroffenen helfen, Informationen über Ihre Erkrankung zu erhalten und sich so gezielt Wege für eine geeignete Behandlung zu erschließen. Dr. med. J. Sandmann, Dr. med. M. Khan, Prof. Dr. med. H. Scherer, Dr. med. B. Mazurek Berlin, im Dezember 2006 4–5 100 Fragen Tinnitus RZ 11.01.2007 11:31 Uhr Seite 6 Allgemeines 1. »Wie hört der Mensch?« Die Empfindung all unserer Sinneseindrücke wird im Gehirn in Form von elektrischen Strömen (Potenzialen) verarbeitet. Das Ohr hat die Aufgabe, aus einer Schallwelle, im eigentlichen Sinne Luftbewegungen, ein solches elektrisches Potenzial aufzubauen. Das Ohr gliedert sich in drei Bereiche: das äußere Ohr, das Mittelohr und das Innenohr (Abb. 1). Das äußere Ohr besteht aus Ohrmuschel und Gehörgang und wird begrenzt durch das Trommelfell. Es dient als Schalltrichter. Das daran anschließende Mittelohr ist ein über die Tubenröhre von der Nase her belüfteter Raum, der die drei Gehörknöchelchen beherbergt. Abbildung 1: Anatomie des Ohres Äußeres Ohr Mittelohr Innenohr Knochen Gehirn Bogengänge Nerven Gehörknöchelchen Trommelfell Äußerer Gehörgang Knochen Schnecke Ohrtrompete 1 100 Fragen Tinnitus RZ 11.01.2007 11:31 Uhr Seite 7 Das Innenohr besteht aus einem System aus drei Schläuchen, die – mit Flüssigkeit gefüllt – fest ins Felsenbein eingelassen sind. Der mittlere der Schläuche trägt die Hörsinneszellen (sog. Haarzellen). Diese sind wiederum mit Ästen des Hörnerven verbunden. Eine Schallwelle bewegt das Trommelfell, an dem die Gehörknöchelchenkette angewachsen ist. Diese beginnt zu schwingen. So geben die Gehörknöchelchen die in der Schallwelle enthaltene Energie an das Innenohr weiter. Es entsteht eine Flüssigkeitswelle, die die Innenohrstrukturen auslenkt und so zum Einstrom von geladenen Teilchen in die eigentlichen Hörsinneszellen führt. Dadurch werden Botenstoffe von der Zelle in Richtung Hörnerv abgesondert und dieser so stimuliert. Ein elektrisches Potenzial ist entstanden, das im Hörsystem des Gehirns, der sogenannten Hörbahn, verarbeitet wird. Der Mensch hat eine Hörwahrnehmung. Abbildung 2:Weiterleitung des Schalls im Innenohr Helicotrema Ovales Fenster Scala media Scala vestibuli Tectorialmembran Rundes Fenster Scala tympani 6–7 100 Fragen Tinnitus RZ 11.01.2007 11:31 Uhr Seite 8 Tinnitusentstehung 2. »Was ist Tinnitus?« Unter Tinnitus versteht man abnorme Informationen des hörverarbeitenden Systems aufgrund einer Störung im Bereich des Hörsystems oder in dessen Nähe. Dabei kommt es zu einer fehlerhaften Informationsverarbeitung. Somit ist das Ohrgeräusch ein Symptom des geschädigten Hörsystems. 3. »Welche verschiedenen Formen von Tinnitus gibt es?« Es gibt einen objektiven und einen subjektiven Tinnitus. Der objektive Tinnitus wird sowohl vom Untersucher als auch vom Patienten wahrgenommen und kann beispielsweise durch gefäßbedingte Strömungsgeräusche oder vermehrte Kontraktionen der Mittelohr- oder Gaumenmuskulatur ausgelöst sein; unter ihm leiden ca. fünf Prozent der an Tinnitus Erkrankten. Davon abzugrenzen ist der subjektive Tinnitus, der ausschließlich vom Patienten selbst wahrgenommen wird. 4. »Welche Ursachen für Tinnitus gibt es?« Tinnitus ist ein Symptom, das durch verschiedene Ursachen entstehen kann. Diese müssen im Rahmen der Diagnostik genau abgeklärt bzw. ausgeschlossen werden. So können alle Erkrankungen des Mittel- oder Innenohrs zu Tinnitus führen, wie z. B. Mittelohrentzündungen, Altersschwerhörigkeit, Hörminderungen nach einem Hörsturz, aber auch Verspannungen der Halswirbelsäule oder Kiefergelenkstörungen. Auch neurologische Erkrankungen,Tumoren im Bereich der Hörbahn oder des Gehirns sowie Gefäßveränderungen in diesen Bereichen können einen Tinnitus auslösen. 2 3 4 100 Fragen Tinnitus RZ 11.01.2007 11:31 Uhr Seite 9 Häufig beschreiben Tinnitus-Patienten knackende Geräusche nahe der Halswirbelsäule, als ob Saiten einer Gitarre angezupft würden. In jedem Fall sollte eine Untersuchung beim Orthopäden mit dem Ziel einer nachhaltigen physikalischen Behandlung der Hals-, Schulter- und Rückenmuskulatur erfolgen. 5. »Ich leide seit zehn Jahren an Tinnitus und habe außerdem beim Nicken knackende Geräusche links nahe der Halswirbelsäule. Welche Therapie kommt in Frage?« Sie sollten so bald wie möglich einen HNO-Arzt aufsuchen, um Ihr Hörvermögen messen zu lassen. Das gedämpfte Hören könnte auf einen Hörsturz hinweisen, kann aber auch mit einer Verstopfung des Gehörgangs durch Ohrenschmalz zusammenhängen. Beide Symptome können mit einem leisen Tinnitus einhergehen. 6. »Plötzlich höre ich auf meinem rechten Ohr nur noch gedämpft; dazu kommt ein leises Pfeifen. Was soll ich tun?« Nach einer Mittelohrentzündung ist ein Tinnitus eine seltene, aber mögliche Folgeerscheinung. Das kann an Schädigungen der Hörsinneszellen infolge des vorübergehenden Unterdrucks, an in das Innenohr eindringenden bakteriellen Giftstoffen oder auch an der Einwirkung Nerven- und Sinnesgewebe angreifender Viren liegen. In jedem Fall sollten Sie sich von einem HNOArzt behandeln lassen. 7. »Seit einer Mittelohrentzündung höre ich einen hohen Dauerton. Warum?« 5 6 7 8–9 100 Fragen Tinnitus RZ 8. »Kann der subjektive Tinnitus mittlerweile durch neue Messverfahren objektivierbar gemacht werden?« 11.01.2007 11:31 Uhr Seite 10 Subjektiver Tinnitus macht über 90 Prozent aller Tinnitusbeschwerden aus und ist rein audiometrisch nicht messbar. In Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Audiometristen kann aber das Ohrgeräusch zusammen mit dem Patienten auf fünf Dezibel (dB) genau reproduzierbar ermittelt werden. Eine Methode zur objektiven Darstellung des Tinnitus ist die relativ aufwändige Positronen-Emissions-Tomographie (PET). Als funktionelles bildgebendes Verfahren nutzt es den Stoffwechsel markierter Zucker, um beispielsweise die Veränderung des Hirnstoffwechsels infolge auditiver Stimulation zu bestimmen. So können Lokalisationen und Intensitäten der Stoffwechselprozesse bei Sprach- und Musikwahrnehmung, darüber hinaus aber auch der Tinnitus objektiviert werden. 9. »Seit Jahren höre ich einen Dauerton beidseits; nun wird er stärker. Der Arzt stellte einen Unterdruck im Mittelohr fest. Gibt es einen Zusammenhang?« Durch eine Funktionseinschränkung der Ohrtrompete kann es zu einem Unterdruck im Mittelohrbereich kommen. Dieses Phänomen kann ein Ohrgeräusch verstärken. Man sollte bemüht sein, diesen Unterdruck auszugleichen, z. B. durch Zuhalten der Nase und Schnäuzen; dies aber nur, wenn kein Infekt vorliegt. Ein chronischer Unterdruck im Mittelohr hingegen kann viele Ursachen haben, wie beispielsweise Infekte, Verkrümmungen der Nasenscheidewand und der Nasenmuscheln, Polypen etc. 10. »Ich habe eine chronische Entzündung der rechten Kieferhöhle. Lindert eine Operation der Nasennebenhöhlen meinen Tinnitus?« Eine chronische Nasennebenhöhlenentzündung kann durch die begleitende Schwellung der Nasenschleimhäute mit einer Tubenfunktionsstörung einhergehen. Durch diese Tubenfunktionsstörung kann wiederum ein Ohrgeräusch gefördert werden. Es besteht die Möglichkeit einer Besserung, eine Heilung wird jedoch nicht zu erwarten sein. Die Prognose ist in der Regel mit Operation besser als ohne. 8 9 10