Der jeweils erste %-Wert stellt den Anteil der befragten Erwerbstätigen (n = 20.000) dar, die häufig von den jeweiligen Arbeitsbedingungen betroffen sind. Der zweite %Wert stellt den Anteil der befragten Erwerbstätigen dar, die sich von den jeweiligen Arbeitsbedingungen belastet fühlen. Das Vermeiden von Rückenschmerzen sowie von Verletzungen, die dem Heben von Lasten ohne Hilfsmitteln zuzuschreiben sind, ist eine der Hauptaufgaben des vorbeugenden Gesundheitsschutzes. Nach einer Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) waren im Jahr 2006 13,3% aller anerkannten Berufskrankheiten auf bandscheibenbedingte Erkrankungen zurückzuführen. Eine Gesundheitsgefährdung bei energetisch-effektorischen Arbeitsformen tritt vor allem bei der Lastenhandhabung auf. Die EU-Richtlinie 90/269/EWG fordert, "präventive Maßnahmen zur Vermeidung einer Gefährdung durch das Handhaben von Lasten zu ergreifen und Arbeitsplätze, die mit der Handhabung von Lasten verbunden sind, bezüglich ihrer Gefährdung für den Mitarbeiter zu bewerten". In der Arbeitswissenschaft werden die idealtypischen Extremformen menschlicher Arbeit als informatorische und energetische Arbeit, als reiner Informations- bzw. Energieumsatz bezeichnet. Die dargestellten fünf Arbeitstypen (kreativ, kombinativ, reaktiv, motorisch und mechanisch) sind Mischformen der beiden Grundformen. Ausgehend von der Tatsache, dass die Arbeitsumgebungsfaktoren in praktischen Arbeitsprozessen quasi nie isoliert auftreten, sondern stets eine Kombination vorliegen dürfte, ist an sich auch eine Wirkungsbetrachtung nur für die Gesamtheit aller einwirkenden Umgebungsfaktoren in Verbindung mit den arbeitsspezifischen Belastungsarten zulässig. Diese Wirkungszusammenhänge sind jedoch trotz einzelner Bewertungsansätze bislang noch kaum erforscht, so dass in der Praxis nach wie vor zunächst eine Wirkungsbetrachtung für jede einzelne Belastungsgröße angebracht erscheint. In einem nächsten Schritt ist die spezifische Wirkung der Arbeitsumgebungsfaktoren auf bestimmte organismische Systeme zu identifizieren und, bei der Inanspruchnahme gleicher Systeme, einer Engpassbetrachtung zuzuführen. Dieses Verfahren bewährt sich z.B. beim Vorliegen belastender Klimafaktoren im Zusammenhang mit einer hohen energetischen Belastung des Menschen, sog. Hitzearbeit. Beide Belastungsgrößen führen hier zu einer erhöhten Inanspruchnahme des Herz-Kreislauf-Systems, welches in diesem Fall als Engpasssystem zu betrachten ist. Bei energetisch-effektorischen Arbeitsformen werden als aktive Organe hauptsächlich die Muskeln und das Herz-Kreislauf-System belastet. Im Sinne einer Engpassbetrachtung unterscheidet man daher bezüglich der Arbeitsform: • Schwere dynamische Arbeit • Einseitig dynamische Arbeit • Allseitig dynamische Arbeit Der energetische Teil von Arbeitstätigkeiten besteht üblicherweise in der Inanspruchnahme der Skelettmuskulatur. Die Arbeitsmöglichkeiten eines Muskels lassen sich nach zwei Grundformen unterscheiden: statischer und dynamischer Muskelarbeit. Dynamische Arbeit liegt bei der Ausführung von Bewegungen vor und ist gekennzeichnet durch: (1) Wechsel von Muskelkontraktion und Erschlaffung (Erholung), (2) bedarfsgerechte Durchblutung des Muskels, (3) bedarfsgerechte Sauerstoff- und Nährstoffversorgung des Muskels, (4) Möglichkeit der Tätigkeit über längeren Zeitraum. Tätigkeiten mit dynamischen Anteilen sind z.B. manuelles Tragen von Lasten sowie Tätigkeiten mit Bewegungen, bei denen unterschiedliche Anteile der Muskulatur eingesetzt werden. Statische Arbeit kommt vor, wenn mittels Muskelkraft Gegenstände gehalten, Lasten gehoben, Reibwiderstände überwunden oder der Körper gegen Schwerkraft in einer bestimmten Stellung bzw. Haltung fixiert werden muss. Sie ist gekennzeichnet durch: (1) Dauerkontraktion der ausführenden Muskulatur über längere Zeiträume, (2) ein Missverhältnis zwischen Sauerstoffbedarf und Sauerstoffversorgung des Muskels, da während der Kontraktion die für die Versorgung verantwortlichen Blutgefäße komprimiert sind, (3) rasche Ermüdung und demzufolge ist eine Tätigkeitsfortsetzung über einen längeren Zeitraum unmöglich, (4) ungünstige biomechanische Beanspruchungsbedingungen für Knochen, Gelenke und Bänder mit der Folge eines vorzeitigen Verschleißes besonders der Wirbelsäule. In der Abbildung ein mechanisches Ersatzmodell eines Muskels dargestellt. Die Länge des kontraktilen Elements wird mit k und die Länge des elastischen Elements mit s gekennzeichnet. Durch diese Kennzeichnung können die Längen der jeweiligen Kontraktionsformen (isometrisch, isotonisch und auxotonisch) mit dem Ruhezustand verglichen und voneinander abgegrenzt werden. Eine isometrische Muskelkontraktion liegt vor, wenn ein Muskel ausschließlich eine Krafterhöhung durchführt und die Muskellänge dabei konstant bleibt. Da der zurückgelegte Weg gleich null ist, wird keine Arbeit im physikalischen Sinne durchgeführt. Bei der isometrischen Muskelkontraktion kann somit lediglich von Arbeit im physiologischen Sinne gesprochen werden (Arbeit = Kraft ∙ Dauer). Kontrahiert der Muskel isometrisch, liegt statische Arbeit vor. Statische Arbeit ist einerseits für die Körperhaltung des Menschen (statische Haltungsarbeit) und andererseits für das Halten von Gegenständen bzw. Werkzeugen (statische Haltungsarbeit) erforderlich. Statische Arbeit sollte vermieden werden, weil sie die ungünstige Form der Muskelarbeit ist und nach DIN EN 1005-4 mit einem hohen Gesundheitsrisiko einher geht. Die isotonische Muskelkontraktion ist durch eine Verkürzung der Muskellänge ohne Kraftänderung gekennzeichnet. Dabei wird Arbeit im physikalischen Sinne geleistet (Arbeit = Kraft Weg). Kontrahiert der Muskel isotonisch, liegt dynamische Arbeit vor. Dynamische Arbeit ist z.B. beim Heben einer Last erforderlich. Dynamische Arbeit im niederfrequenten Bereich (< 2/min) sollte angestrebt werden, weil sie nach DIN EN 1005-4 das geringste Gesundheitsrisiko birgt. Bei der auxotonischen Kontraktion handelt es sich um eine Kombination aus isometrischer und isotonischer Kontraktion. Die Muskellänge und die Kraft verändern sich dementsprechend gemeinsam. Im Ruhezustand sind sowohl Blutbedarf als auch die Durchblutung auf konstant niedrigem Niveau. Bei dynamischer Arbeit hingegen sind Blutbedarf und Durchblutung maximal, um die Muskeln kontinuierlich mit Sauerstoff zu versorgen, damit die Glukose im Blut in Energie umgewandelt werden kann (aerobe Energiegewinnung). Auch bei statischer Arbeit ist der Blutbedarf höher als in Ruhe, jedoch ist die Durchblutung und damit die Sauerstoffzufuhr annähernd wie im Ruhezustand. Um einen Leistungseinbruch zu verhindern, stellt der Körper auf anaerobe Energiegewinnung um. Dabei wird die Glukose unter Entstehung von Laktat (Milchsäure) umgewandelt, was auf Dauer zur Übersäuerung des Muskels führt. Bei unbewegtem Körper (d.h. ohne Erzeugung physikalischer Arbeit) müssen die Muskeln zur Erhaltung der Körperposition angespannt werden. Diese statische Muskelarbeit ist energetisch besonders unwirtschaftlich sind, da die aufgrund der fehlenden Bewegung unzureichende Muskeldurchblutung zu einer viel schnelleren Muskelermüdung und letztere wiederum zu einer gesteigerten Kreislaufaktivität führt. Je höher die Haltekraft, desto geringer ist die Haltedauer. Wird nicht mehr als 15% der Maximalkraft für die Haltekraft aufgewandt, tritt im Rahmen der hier betrachteten Zeitskala keine nennenswerte Ermüdung ein. In Abhängigkeit von der Belastungshöhe, d.h. dem Ausschöpfungsgrad der Maximalkraft, sinkt die nach einer bestimmten Arbeitsdauer noch zur Verfügung stehende Maximalkraft kontinuierlich ab. Beispiel: Werden 25% der Maximalkraft statisch abverlangt, so kann die Kraft wegen der schnell eintretenden Muskelermüdung nur für etwa 4 Minuten aufrecht erhalten werden; bei 50% der Maximalkraft sogar nur für 1 Minute. Muskelkraft ist eine Körperkraft, die durch Aktivität der Muskeln innerhalb des Körpers wirkt. Es wird unterschieden nach statischer und dynamischer Muskelkraft. Statische Muskelkraft ist die Muskelkraft, die ohne Längenveränderung des Muskels durch seine Aktivität entsteht, wohingegen dynamische Muskelkraft während der Längenveränderung des Muskels erzeugt wird. Massenkraft ist eine Körperkraft, die als Trägheitskraft wirkt, z.B. dynamisch als Beschleunigungs-, Verzögerungs- bzw. Zentrifugalkraft bei mobilen Arbeitsplätzen oder statisch als Eigengewicht. Aktionskraft ist eine Körperkraft, die nach außen vom Körper aus wirkt. Sie ergibt sich aus der Massenkraft und der Muskelkraft. Massen- und Muskelkraft können sich je nach Betrag und Richtung in ihrer Wirkung verstärken oder abschwächen. Nach den kraftabgebenden Körperteilen wird die Aktionskraft z.B. in Arm-, Hand-, Bein- oder Fingerkraft eingeteilt; nach der Kraftrichtung wird die Aktionskraft z.B. nach Vertikaloder Horizontalkraft eingeteilt. Nach dem Kraftrichtungssinn wird die Aktionskraft unterschieden nach Zug- und Druckkraft. Mit Bezug auf die obige Tabelle nach DIN 33411-1 lassen sich ursachenorientierte Faktoren der Muskel- und Massenkräfte (im Körpersystem wirkend) von Funktionen hinsichtlich der erzeugten Aktionskräfte (vom Körper nach außen wirkend) unterscheiden und miteinander verknüpfen. Die Zusammenhänge sind für die Arbeitsgestaltung von Bedeutung. Beispiele hierfür sind: • Die Eigengewichte der Körperteile (Massenkräfte) werden zum Einhalten einer Körperhaltung durch statische Muskelkräfte ausgeglichen. • Aktionskräfte an Körperstützflächen können sich aus Massenkräften der Körperteile und aus Haltungskräften zusammensetzen. Dies ist z.B. bei der Dimensionierung der Rückstellkräfte eines Pedals zu beachten. • Verkürzungsmuskelkräfte sind teilweise oder ganz Ursache der Antriebskräfte (z.B. Anheben von Lasten). • Verlängerungsmuskelkräfte sind teilweise oder ganz Ursache der Bremskräfte (z.B. herab nehmen von Lasten). • Manipulationskräfte und Betätigungskräfte werden teilweise oder ganz durch das Zusammenspiel von Verkürzungs- und Verlängerungsmuskelkräften (einzelne Muskelgruppen) aufgebracht (z.B. Umsetzen von Lasten). Die Angaben der DIN 33411-4 gelten für aufrechte freie Körperhaltung mit unversetzter paralleler Fußstellung bei einem Fußabstand von 30 cm. Die angegebenen Werte der maximalen statischen Aktionskräfte wurden an ortsfest angeordneten Handgriffen bei kurzfristiger maximaler Kraftanspannung der Arbeitspersonen ermittelt. Verwendet wurde ein zylindrischer Griff mit einem Durchmesser von 30 mm, der ohne Hilfsmittel betätigt wurde. Es handelt sich um Mittelwerte der maximal erreichbaren statischen Aktionskräfte, die für bestimmte Personenkollektive gelten (z.B. Männer im Alter von 20 bis 25 Jahren) und nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung sind. Die Darstellung erfolgt in Form von Isodynen. Für abweichende Betätigungsfälle (z.B. hinsichtlich der Körperhaltung oder der geforderten Kraftrichtung) muss die Übertragbarkeit der angegebenen Daten überprüft werden. In der DIN 33411-3 und der DIN 33411-5 werden beispielsweise maximale statische Aktionskräfte anderer Betätigungsfälle dargestellt. Die dargestellten Isodynen gelten für männliche Personen mit einem durchschnittlichen Alter von 22,8 2,2 Jahren, einer durchschnittlichen Körperhöhe von 176,8 5,9 cm und einem durchschnittlichen Körpergewicht von 72,73 12,47 kg. Die dargestellten Isodynen gelten für männliche Personen mit einem durchschnittlichen Alter von 22,8 2,2 Jahren, einer durchschnittlichen Körperhöhe von 176,8 5,9 cm und einem durchschnittlichen Körpergewicht von 72,73 12,47 kg. Die menschliche Leistungsfähigkeit ist aufgrund begrenzter Energiespeicher zeitlich limitiert. Die effiziente Ausführung der Tätigkeit bei Aufrechterhaltung der vollen Leistungsfähigkeit hängt daher wesentlich von einer angemessenen Verteilung der Belastung ab. Bei der Wahl der Erholungspausen sollte berücksichtigt werden, dass bei Eintritt der Erschöpfung unverhältnismäßig lange Erholungsphasen notwendig sind. Mit zunehmender Länge der Arbeitsphasen nimmt der Erholungsbedarf überproportional zu, wobei die Erholung nach statischer Arbeit einen größeren Zeitraum beansprucht als nach dynamischer Arbeit. Ein kurzzyklisches Arbeits- und Pausenregime ist somit aus physiologischen und ökonomischen Gründen günstiger als ein langzyklisches. Der menschliche Energieumsatz lässt sich bspw. durch eine Verringerung der Hubhöhe bei der Beschickung eines Durchlaufofens verringern. Betrachtet man die menschliche Arbeit, so ist eine positiv gerichtete Arbeit beim Heben und eine negativ gerichtete Arbeit beim Absetzen des Werkstücks zu verrichten. Bei einer Betrachtung der Arbeitsleistung sind dabei nicht nur äußere Lasten, sondern die gesamte bewegte bzw. zu haltende Last einzubeziehen. Dies gilt insbesondere bei, im Vergleich zum mit bewegten Körpergewicht, geringen Lasten. Eine Verringerung der Hubhöhe geht mit einer Verringerung des Arbeitsenergieumsatzes und damit mit einer geringeren Beanspruchung des Herz-Kreislauf-System einher. Gleichzeitig führen die kürzeren Bewegungswege zu einer erheblichen Leistungssteigerung sowie einem höheren Wirkungsgrad bei der Aktivierung der Bein- und Rumpfmuskulatur. • Arbeits-Energieumsatz: Erhöhung des Energieumsatzes durch die Arbeitstätigkeit • Arbeits-Herzschlagfrequenz: Erhöhung des Ruhepulses durch die Arbeitstätigkeit Im Schaubild ist die Abhängigkeit der mittleren Armbeugekraft von der Winkelstellung des Ellenbogengelenks dargestellt. Die maximale Beugekraft liegt bei einem Beugewinkel von etwa 100 Grad an. Im obigen Diagramm ist die Beziehung zwischen Kraft und Kontraktionsgeschwindigkeit mit der daraus errechneten Abgabeleistung dargestellt. Die Maximalleistung von rund 135 Watt wird bei einer erzeugten Kraft von 45 Newton erreicht. Die Verkürzungsgeschwindigkeit beträgt dann ca. 2,9 m/s. Bei dynamischer Arbeitsform des Muskels spielt neben den unvermeidlichen Massenträgheitsmomenten auch der Gleitprozess der Actin- und Myosinfilamente im Muskel eine wichtige Rolle. Da hierfür – analog zu einer inneren Reibung – ein geschwindigkeitsabhängiger Teil der Gesamtkraft aufgebraucht wird, sinkt die maximal nach außen abgegebene Kraft mit zunehmender Verkürzungsgeschwindigkeit der Muskellänge (sog. Hill-KraftGeschwindigkeitsrelation). Die Vermeidung energetisch ungünstiger Arbeitsformen und dabei besonders die Vermeidung der statischen Muskelkraft führt zu einer erheblichen Entlastung des Organismus. Hierbei kann entweder der Weg gegangen werden, statische Komponenten durch dynamische zu ersetzen (z.B. Bewegen eines Hebels mit Exzenter anstelle Drücken einer Vorrichtung zum Fixieren eines Arbeitsgegenstandes) oder es können geeignete Haltevorrichtungen vorgesehen werden (z.B. gewichtsentlastende Aufhängungen von Handwerkzeugen). Das dargestellte Diagramm zeigt die Belastung im statischen Fall. Bei der Analyse von Arbeitsplätzen und der Anbringung von Aufhängungen sollten jedoch auch dynamische Kräfte, wie sie beispielsweise beim Heranziehen des Werkzeugs entstehen (Beschleunigungskräfte), berücksichtigt werden. Der menschliche Körper verfügt über mehr als 600 Muskeln. Die Muskelmasse macht bei Männern ca. 40% und bei Frauen ca. 26% der Körpermasse aus. Alleine das Gesicht verfügt über 43 Muskeln. Eine Gesundheitsgefährdung bei energetisch-effektorischen Arbeitsformen tritt vor allem beim Handhaben von Lasten auf. Mechanisch gefährdet ist hierbei vor allem die Wirbelsäule, die schematisch rechts im Bild dargestellt ist. Hierbei lassen sich Lendenwirbelsäule, Brustwirbelsäule und Halswirbelsäule differenzieren. Den Konsequenzen möglicher Schädigungen Rechnung tragend, wurde 1993 die Liste der Berufskrankheiten um die bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten (BK 2108) und um Erkrankungen der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragen von Lasten auf der Schulter (BK 2109) erweitert. Zur Abschätzung der Kraftverhältnisse an der Wirbelsäule werden hauptsächlich dafür spezifizierte biomechanische Modelle (z.B. „Der Dortmunder“) herangezogen. Die Prüfung der Validität solcher Modelle (insbesondere bezüglich Nichtlinearitäten, Idealisierungen, Koeffizientenvorgaben usw.) ist, ebenso wie die Feststellung der Belastbarkeitsgrenze der Wirbelsäule, nur empirisch möglich. Die Betrachtung aller einzelnen Wirbel führt dabei – wegen der unterschiedlichen Belastung – zu einem komplexen Bild. Meist wird daher auf den Bereich L5/S1, also den Übergang zwischen Lenden und Kreuzbein, fokussiert, da hier in der Regel ein Belastungsschwerpunkt auftritt. Der Zustand der Wirbelsäule kann anhand von computertomographischen Untersuchungen sehr genau beurteilt werden. Mit diesem Vorgehen lassen sich jedoch nur ex-post-Erkenntnisse über die Wirkung einer zurückliegenden Belastung gewinnen. Eine Überlastung der Wirbelsäule wird somit erst nach deren Schädigung offensichtlich. Daher ist eine präventive Abschätzung von Schädigungsrisiken notwendig. Die Wirbelsäule besteht aus 24 knöchernen Wirbelkörpern, zwischen denen sich knorpelige Bandscheiben befinden. Die Bandscheiben verleihen der Wirbelsäule ihre Beweglichkeit und Elastizität. Die Ernährung der halbelastischen Bandscheiben hängt, da blutgefäßlos, vor allem von Diffusionswegen ab. Durch anhaltende Kompressionsbelastung reduziert sich die druckabhängige Flüssigkeitsverschiebung und es kommt zu einer Stoffwechselbeeinträchtigung im Bandscheibengewebe. Beim Handhaben von Lasten wird die Wirbelsäule aufgrund der Hebelwirkung der äußeren Last und den daraus resultierenden großen inneren Kräften stark belastet. In Abhängigkeit von der Position der gehaltenen Last und der Beugung des Rückens werden die elastischen Bandscheiben enorm großen Drücken ausgesetzt und durch innere Querkräfte beansprucht. Gesundheitsgefährdungen wie Verformung von Wirbelkörpern, Bandscheibenschäden oder das Reißen von Muskelfasern können die Folge sein. Eingetretene Schäden am Bandscheibengewebe sind irreversibel. Für die Beispielrechnung wird das 50. Perzentil Mann herangezogen und die Annahme getroffen, dass sich das auf die Bandscheiben wirkende Körpergewicht um ca. 50% des realen Werts reduziert, da nur der Oberkörper oberhalb der Bandscheibe L5-S1 betrachtet werden muss. Die Schätzung der auf die Wirbelsäule angreifenden Kräfte erfolgt anhand empirisch geprüfter biomechanischer Modelle. Bei der Betrachtung der Belastung steht meist der Wirbelsäulenbereich L5-S1 im Mittelpunkt, da dieser einen Verletzungsschwerpunkt darstellt (95% aller Bandscheibenschäden entfallen auf die drei untersten Bandscheiben der Lendenwirbelsäule). Die Körperteile (i), die sich oberhalb des Lenden-Kreuzbein-Übergangs L5-S1 befinden, üben durch ihr Eigengewicht (Gi) jeweils ein Moment um den "Berechnungs-Bezugspunkt" aus. Die dabei wirkenden Hebelarme (ai) sind körperstellungsabhängig und somit bei der Ausführung von Bewegungen zeitabhängige Größen. Wird nicht nur der Körper bewegt, sondern zusätzlich eine Last "manipuliert", entsteht zusätzlich an den Händen eine Reaktionskraft (FA), die über einen körperstellungsabhängigen Hebelarm aA ein Moment auf L5-S1 ausübt und damit die Belastung erhöht. Im Gegensatz dazu stellt die Bauchpressung eine gewisse Hilfe dar: Durch das Anhalten der Luft kann ein "Bauchrauminnendruck" (Abdominaldruck) aufgebaut werden, so dass der verfestigte Bauchraum eine stützende Wirkung für den Oberkörper und die Wirbelsäule bildet (pAbd). Neben den Momenten stellen die an der Bandscheide wirkenden Kräfte ein Maß für die Belastung der Wirbelsäule dar. Zum einen führt das Gewicht der Körperteile oberhalb des Lenden-Kreuzbein-Übergangs zu einer Kompression der Bandscheiben, wegen der Neigung entstehen selbst bei aufrechter Körperhaltung Scherkräfte. Zum anderen werden zusätzliche Kräfte durch Muskeln aufgebaut, z.B. durch die Rückenmuskulatur (FM). Diese Kraft bewirkt ein Gegenmoment zu den oben erwähnten Momenten. Ein körpernah gehaltenes Gewicht von 10 kg entspricht nach den Hebelgesetzen einer mehr als 10 mal so hohen Last, die bei aufrechter Körperhaltung an den Bandscheiben im Lendenwirbelbereich ansetzt. Selbst eine 6-7 mal so schwere äußere, auf dem Kopf getragene Last hätte keine höhere innere Belastung zur Folge. Eine am ausgestreckten Arm gehaltene Last von nur 10 kg führt schon zu einer schweren Bandscheibenbelastung, die einer auf dem Kopf getragenen Last mit einer Masse von 230 kg entspricht. Die mechanischen Auswirkungen im Bauchraum müssen betrachtet werden, da beim Anheben schwerer Lasten durch Pressatmung die Luft in den Lungen angehalten wird und im Körperinneren stark komprimiert wird. Ein derartiger Pressdruck ist zur Stabilisierung des Rumpfes erforderlich, jedoch nicht ungefährlich. Daher ist es zwingend notwendig, beim Heben schwerer Lasten den Rumpf immer aufrecht zu halten. Nur bei aufrechter Haltung des Rumpfes wird eine gleichmäßige Pressung der Bandscheibe erreicht. Die Wirbelsäule soll nur axial belastet werden, auf keinen Fall exzentrisch. Für diesen Belastungsfall entstehen an den Rändern der Bandscheibe hohe Flächenpressungen. Bei gebeugter Wirbelsäule und einer gehobenen Masse von ca. 50 kg wirkt die Flächenpressung ungleichmäßig auf die Bandscheiben; die Druckbeanspruchung am rechten Rand erreicht Werte um 300 N/cm2, während bei gerader Haltung nur eine Flächenpressung von 145 N/m² vorliegt (Rohmert 1983). In dieser Abbildung ist dargestellt, wie sich bei Variation der zu handhabenden Massen die Belastungen der Wirbelsäule bei sonst gleichen Bedingungen verändern. Dazu sind die Druckkräfte für das dynamische, beidhändig ausgeführte Heben von Lasten mit einer Masse zwischen 0 kg und 50 kg aufgetragen. Die Gesamtdauer für den Hebevorgang wurde zu 1,5 Sekunden angenommen. Bei der 0-kg-Kurve fällt auf, dass auch bei aufrechter Körperhaltung die Druckkräfte nicht zu Null werden; dies ist auf das Gewicht der oberhalb von L5-S1 gelegenen Körperteilen zurückzuführen. Die Kurven werden mit zunehmender Last „spitzer“ und das Maximum bildet sich stärker aus. Dieses resultiert aus dem zunehmenden Einfluss der bewegungsabhängigen Anteile durch die Massenträgheit der Last. Die rechte Darstellung verdeutlich, wie sich die Belastung der Wirbelsäule verändert, wenn eine Last in unterschiedlicher Art und Weise gehoben wird. Der vom NIOSH angegebene Belastbarkeitsgrenzwert von 3400 N wird der unterschiedlichen physiologischen Bandbreite (Alter, Geschlecht etc.) nur unzureichend gerecht. Der Grenzwert gilt daher nur für gesunde Personen unter 50 Jahren. Die von Jäger empfohlenen Grenzwerte differenzieren zwischen unterschiedlichen Alters- und Geschlechtsgruppen. Bei älteren Personen sind die NIOSH-Grenzwerte bereits als zu hoch einzuschätzen. Bei einer Seitenneigung, Torsionen, ruckartigen Bewegungen oder asymmetrischen Lasten vergrößert sich die Belastung von Wirbelkörpern und Bandscheiben. Entsprechend sind die aufgeführten Prozentangaben mit den angegebenen Lastgrenzwerten zu verrechnen. Die aufgeführten Werte sind die Konsequenz einer biomechanischen Betrachtung, keine Voraussetzung. Die manuelle Handhabung von Lasten kann zu einem hohen Risiko im Hinblick auf Schädigungen des muskuloskelettalen Systems führen, wenn die zu handhabenden Lasten zu schwer sind und/oder mit hoher Frequenz über längere Zeit und/oder in ungünstigen Körperhaltungen gehandhabt werden. Erkrankungen des muskuloskelettalen Systems sind in ganz Europa verbreitet. Risiken entstehen dann, wenn Arbeitsplatz nicht mit den ergonomischen Gestaltungsgrundsätzen übereinstimmt. Bei der europäischen Norm DIN EN 1005-2 handelt es sich um eine Methode zur sicherheitstechnisch-betriebsärztlichen Betreuung auf Basis der europäischen Richtline 90/269/EWG „über die Mindestvorschriften bezüglich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der manuellen Handhabung von Lasten, die für die Arbeitnehmer insbesondere eine Gefährdung der Lendenwirbelsäule mit sich bringt“ und der Lastenhandhabungsverordnung (Screening-Verfahren). Das in der europäischen Norm DIN EN 1005-2 vorgestellte Modell zur Risikobeurteilung umfasst drei Verfahren. Diese Verfahren beruhen auf der gleichen Grundlage, unterscheiden sich jedoch in der Komplexität ihrer Anwendung. Das erste Verfahren ist eine schnelle Grobanalyse. Verfahren 2, ein einfach handhabbares Verfahren, muss angewendet werden, wenn die Grobanalyse Risiken anzeigt. Verfahren 2 berücksichtigt zusätzlich einige Risikofaktoren. Verfahren 3 ist ein umfangreicheres gründlicheres Beurteilungsverfahren, das zusätzliche Risikofaktoren berücksichtigt, die in den Verfahren 1 und 2 nicht enthalten sind. Die drei Verfahren besitzen unterschiedliche Komplexität. Sinnvollerweise beginnt die Risikobeurteilung mit Verfahren 1 (dem einfachsten Verfahren) und wendet Verfahren 2 oder 3 nur dann an, wenn die Voraussetzungen oder Lastfälle aus Verfahren 1 nicht zutreffen. Die europäische Norm DIN EN 1005-2 gilt für die manuelle Handhabung hinsichtlich Heben bzw. Senken von Lasten mit einer Masse von mindestens 3 kg und für das Tragen über eine Distanz von weniger als 2 m. Die europäische Norm DIN EN 1005-2 gilt nicht für das Halten von Gegenständen ohne Gehen, das Schieben oder Ziehen von Gegenständen, handgeführte Maschinen oder die manuelle Lastenhandhabung in sitzender Körperstellung. Die tatsächliche Masse des zu handhabenden Gegenstandes umfasst auch alle mit ihm zusammenhängenden Teile wie Verpackung, Batterien oder volle Magazine. Zu ihr gehören auch die für die manuelle Handhabung benötigten technischen Hilfsmittel. Die Lage des Masseschwerpunkts wird durch die Masseverteilung des Gegenstandes bestimmt. Soweit möglich, sollte der Masseschwerpunkt des Gegenstandes in der Mitte zwischen beiden Händen und so nahe wie möglich am Körper liegen. Eine Verlagerung des Masseschwerpunkts innerhalb des Gegenstandes während der Handhabung sollte so weit wie möglich vermieden werden. Die Gegenstände sollten so kompakt wie möglich konstruiert werden. Anhand der Risikoindex-Berechnung kann die Gestaltungsempfehlung abgeleitet werden, dass ein niedrigeres Risikoniveau bei der manuellen Handhabung von Lasten erreicht werden kann, wenn die tatsächliche Masse reduziert bzw. von Anfang an (z.B. bei der Gestaltung neuer Arbeitsplätze) gering gehalten wird. Die Massegrenze RML ist für ein bestimmtes Set an Arbeitsbedingungen definiert als das Gewicht einer Last, das nahezu alle gesunden Arbeitspersonen über eine bestimmte Zeit (z.B. 8 Stunden) ohne erhöhte Gefahr von Rückenverletzungen bewältigen können. Die Massegrenze RML bestimmt anhand einer multiplikativen Verknüpfung von Bezugsmasse Mref und den neun gezeigten Multiplikatoren eine Maximallast und kann daher sozusagen als zulässige Masse bezeichnet werden. Die europäische Norm DIN EN 1005-2 gibt Gestaltungsempfehlungen für manuelle Handhabung von Lasten auf niedrigem Risikoniveau. Der vertikale Abstand V zwischen dem Mittelpunkt beider Hände und dem Fußboden sollte zwischen 60 cm und 90 cm variiert werden können, der Idealwert beträgt 75 cm. Der horizontale Abstand H zwischen den Mittelpunkten beider Fußgelenken und beider Händen sowie die Hubdistanz D sollten 25 cm nicht überschreiten. Der Asymmetriewinkel A sollte 0 Grad betragen und die Griffqualität als gut beurteilt werden können. Die Hubfrequenz F sollte kleiner gleich 0,2 Hübe pro Minute sein. Einhändiges Arbeiten, Arbeiten zu zweit und Nebenarbeiten sind zu vermeiden. Modellbasis: • Modell des muskulo-skeletären Ansatzpunkten am Knochen) Systems (incl. Muskeln, Sehnen und • Dynamik: Berechnung von Bewegungen anhand des Kraftverlaufs in einzelnen Muskeln bzw. Berechnung des Kraftverlaufs in Muskeln anhand von Bewegungen Funktionalität: • Setzen von Markerpunkten (für Bewegungserfassung) • Optimierungsfunktionen für Muskelrekrutierung und Bewegungsabläufe (bspw. Balance) • Programmierung erfolgt über die Scriptsprache AnyScript • Möglichkeiten zur Auswertung (Grafik, numerisch), z.B. direkte Berechnung der Muskelbelastung