NATUR Garten Brand Anfangs waren es nur ganz wenige Pflanzen des wunderschönen Riesen-Bärenklaus, der aus Südwestasien nach Mitteleuropa verpflanzt wurde. Aber heute – hundert Jahre später – sind sie zu einer unerwünschten und aggressiven Plage geworden. Text: Wohlert Wohlers A n Flussufern, Bahndämmen, Wegrändern sind sie zu sehen und können zu gefährlichen Hautreizungen führen. Die feinen Haare auf den Blättern und Stängeln des Riesen-Bärenklaus oder der Herkulesstaude brechen bei Berührung ab. Wenn der daraus austretende Pflanzensaft auf die nackte Haut kommt, wird sie für UVStrahlung sensibilisiert, was zu Verbrennungen dritten Grades führen kann. Foto: Agentur Blickwinkel Winterhart und aggressiv Dabei fing alles ganz wunderschön an. In den 70er- und noch den 80er-Jahren sah man die bis zu vier Meter hohe Staude neben Bungalows in eleganten, kahlen Vorgärten stehen. Die Herkulesstaude, wissenschaftlich Heracleum mantegazzianum, bildet einen dicken Stängel mit einer grossen Dolde, die einen Durchmesser von bis zu einem halben Meter hat. Diese Blütenstände bleiben den Winter über stehen und Garten NATUR gefährlicher Riese dass die erste Berührung kaum wehtut und nicht mit der Reizung einer Brennnessel zu vergleichen ist. Nur jahrelange Geduld hilft Nach ersten schlimmen Vorfällen verschwanden diese schönen Stauden schnell aus den Gärten, aber sie hinterliessen eine Erbschaft, die jeweils mehrere Tausend Samen umfassen konnte. Eine effektive Bekämpfung ist innert kurzer Zeit nicht möglich. Geduld ist gemäss der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forst- wirtschaft (BBA) im deutschen Braunschweig angebracht. Die BBA führt schon seit mehr als zwei Jahren Bekämpfungsversuche durch. Eine optimale Lösung fand sie bisher nicht. Sobald sich eine starke, lange Wurzel ausgebildet hat, ist eine Bekämpfung sehr schwierig. Und: Eine drei Meter hohe Staude hat eine Pfahlwurzel, die ebenso tief in den Boden reicht. Eine frühe Bekämpfung ist deshalb angebracht. Im Privatgarten sollte man die kleine Pflanze mit einem Spaten oder einem Messer samt Wurzel entfernen. Hat sich die Pfahlwurzel Fotos: René Berner sehen mit Schnee bedeckt wunderschön aus. Aber sie haben es in sich. Denn jede Dolde kann mehrere Tausend Samen produzieren und sich so im Garten ausbreiten. Jeder, der beim Rasenmähen mit nackten Beinen an die Blätter kommt, kennt nachher die gefährliche Wirkung des Bärenklaus. Bei den dadurch verursachten Verbrennungen dauert es bis zu sechs Wochen, bis sie wieder völlig abgeheilt sind. Verstecken sich kleine Kinder an heissen Sommertagen halbnackt unter den Blättern, können die Verbrennungen durchaus lebensgefährlich sein. Fatal ist, Natürlich | 8-2006 15 Von der Blüte bis zum Samen: Der Riesenbärenklau vermehrt sich rasch schon zu tief in den Boden gegraben, ist ein Ausstechen nicht mehr möglich, sondern nur ein Abschneiden. Der verbleibende Rest der Wurzel kann aber wieder treiben. Nur mit jahrelanger Geduld kann man die Pflanze aus dem Garten wieder entfernen. Acht Jahre währender Kampf Das Gleiche passiert jetzt auch an Bahndämmen oder Flussufern und in Naturschutzgebieten. Die Pflanze breitet sich weiter aus, zudem ist sie sehr konkurrenzfähig. Durch die grossen Blätter deckt sie alles andere ab. Fingerhut, seltene Orchideen und andere lieb gewordene, einheimische Pflanzen wachsen im Schatten des Bärenklaus nicht mehr. Die BBA hat bei ihren Versuchen mit Unkrautbekämpfungsmitteln und mit einem Heissschaumverfahren gearbeitet. Dabei werden Wasser und eine Art Sirup heiss aufgeschäumt wie die Milch beim Kaffee und die Pflanze damit eingehüllt. Natürlich stirbt sie ab, aber häufig nicht vollständig. Ein Teil der Wurzel überlebt und treibt wieder aus. Dann muss das Prozedere nochmals, manchmal sogar mehrmals, durchgeführt werden. Es gibt Fälle aus Privatgärten, wo es acht Jahre dauerte, bis die Pflanze endlich verschwunden war. Mit Herbiziden übrigens kann die Staude nicht vollständig abgetötet werden, es sei denn, sie ist noch klein. Auch für Tiere gefährlich Die Biologische Bundesanstalt ist nicht sehr optimistisch, dieses lästige Kraut jemals wieder loszuwerden. «Viele Neo- phyten, pflanzliche Neubürger, haben sich hier angesiedelt», so Peter Zwerger vom Institut für Unkrautforschung. «Immerhin haben wir in den letzten 200 Jahren viele neue Pflanzen in Wald und Flur bekommen. Aber nicht alle werden zum Problem.» (Siehe «Natürlich» 5-05.) Die Diskussion, ob der Begriff Unkraut zutrifft oder man lieber Wildkraut sagen möchte, ist in diesem Fall hinfällig. Dazu ist die Pflanze einfach zu gefährlich. Es handelt sich übrigens bei der Körperreaktion nicht um eine Allergie. Der Fachmann spricht von Phyto-Photodermatitis, die von dem Pflanzeninhaltsstoff Furocumarin ausgelöst wird. Dieser Inhaltsstoff ist nicht nur für den Menschen gefährlich, sondern kann auch bei Tieren zu starken Reaktionen führen. Erkrankungen bei Ziegen im Schnauzenbereich sind bereits bekannt. Kühe und Schafe reagieren wahrscheinlich ähnlich. Normaler Bärenklau ist harmlos Bei der Bekämpfung sollte auf jeden Fall darauf geachtet werden, dass die Pflanzen keine Samen ausbilden. Das heisst, die Dolden müssen immer abgeschnitten Garten NATUR und entsorgt werden. Dabei hat die Pflanze die Fähigkeit, selbst unten direkt an der Erde kleine Blütenstände zu bilden, die zur Verbreitung der Pflanze führen, wenn man nicht aufpasst und sie abreifen lässt. Eine bei uns vorkommende einheimische Verwandte, der Bärenklau Heracleum sphondylium, ist wesentlich kleiner als die Riesen-Herkulesstaude und wird höchstens ein Meter fünfzig hoch. Sie ist ebenfalls stark behaart – aber ungefährlich. ■ Steckbrief Name: Riesen-Bärenklau Synonyme: Herkulesstaude, Russenkraut Herkunft: Kaukasus Standort: Oft verwildert an Wald- und Wegrändern auf feuchten nährstoffreichen Böden. Merkmale: Bis über 3,5 Meter hohe Pflanze mit bis zu 10 Zentimeter dicken rot gesprenkelten Stängeln. Blätter: 3-zählig, zerschnitten; Einzelblätter 5-schnittig, zugespitzt. Blüten: weiss, bis 50 Zentimeter breite Dolden. Sie blühen Juli bis September. Giftigkeit: giftig bis sehr giftig, die ganze Pflanze und besonders der Saft Symptome: Zuerst brennende und juckende Rötung. Nach rund 20 bis 48 Stunden scharf begrenzte Entzündung der Haut mit Juckreiz, Rötung, Blasenbildung. Die Wunden heilen langsam ab und können eine narbenähnliche Hyperpigmentierung hinterlassen. Erste Hilfe: Nach Berührung der Pflanzen unbedingt Sonnenlicht meiden. Natürlich | 8-2006 17