Leseprobe Kleinkindernährung Lehrskript prob e In diesem Kapitel erfolgt die praktische Umsetzung der Kleinkindernährung anhand der Ernährungsempfehlungen verschiedener Institutionen. Da zurzeit kein einheitliches Konzept als Orientierungshilfe für die Kleinkindernährung existiert, werden verschiedene wissenschaftlich anerkannte Pyramidenmodelle der Ernährungsberatung vorgestellt, die alle jedoch auf denselben Grundlagen der Kleinkindernährung basieren. Die Konzepte unterscheiden sich lediglich in der grafischen Darstellung ihrer didaktischen Hilfsmittel. Gemeinsamkeit besteht jedoch darin, dass die Lebensmittelgruppen, die den Sockel bzw. die Basis einer Pyramide bilden, mengenmäßig einen größeren Anteil in der Ernährung einnehmen als Lebensmittelgruppen der Pyramidenspitze. Auch die Ampelfarben grün (= reichlich), gelb (= mäßig) und rot (= in Maßen) sind in allen Pyramidenmodellen enthalten und kennzeichnen darüber hinaus die Mengenanteile farblich. 2.1 Mahlzeitenpyramide – optimiX® Lese OptimiX® ist die Abkürzung für Optimierte Mischkost und wurde vom Forschungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund (FKE) entwickelt. Es handelt sich hierbei um ein präventives Ernährungskonzept, das für Kinder zwischen einem und 18 Jahren geeignet ist. So schließt es sich nahtlos an den Ernährungsplan für das erste Lebensjahr an. Es basiert sowohl auf mahlzeiten- als auch auf lebensmittelbezogenen Empfehlungen. Somit wird nicht nur wissenschaftlichen, sondern auch praktischen Kriterien Rechnung getragen. Die einzelnen Lebensmittelgruppen werden hier auf fünf Mahlzeiten „verteilt“. Über diese mahlzeitenbezogenen Empfehlungen wird eine Orientierung gegeben, welche Lebensmittel in welcher Mahlzeit gut zu kombinieren sind. In diesem mahlzeitenbezogenem Konzept sind in der dreidimensional dargestellten Ernährungspyramide fünf Mahlzeiten vorgesehen – entsprechend den traditionellen Ernährungsgewohnheiten in Deutschland: ─ eine warme Hauptmahlzeit ─ zwei kalte Hauptmahlzeiten ─ zwei Zwischenmahlzeiten In vielen Familien wird die warme Hauptmahlzeit traditionell als warmes Mittagessen eingenommen. Je nach Alltagssituation innerhalb der Familie kann diese ohne weiteres gegen die kalte Hauptmahlzeit am Abend getauscht werden. Seite 19 von 104 prob e Lehrskript Abbildung 1 – Dreidimensionale optimiX®-Pyramide (Forschungsinstitut für Kinderernährung Dortmund FKE, 2008) Lese Die dreidimensionale Mahlzeitenpyramide stellt auf jeder Seite einen Mahlzeitentyp dar und visualisiert die Lebensmittelgruppen innerhalb der jeweiligen Mahlzeit. Zusätzlich ist eine Pyramidenseite der Bewegung zugesprochen. Für die warme Hauptmahlzeit bilden beispielsweise Kartoffeln, Nudeln, Getreide (Reis, Hirse, Couscous, etc.) oder Hülsenfrüchte die Sättigungsgrundlage. Täglich werden diese durch eine große Portion Salat oder Gemüse ergänzt. Nur dreimal pro Woche steht Fleisch und einmal wöchentlich Fisch auf dem Speiseplan. In kleiner Mengeneinheit ist Öl ebenfalls Bestandteil dieser Mahlzeit, z. B. als Bratfett. Dennoch nehmen Fleisch und Fisch nicht den Hauptteil einer Mahlzeit ein, sondern sollten eher als die eigentliche Beilage betrachtet werden. Demgegenüber sind drei fleisch- bzw. fischfreie Mahlzeiten pro Woche in diesem Ernährungskonzept vorgesehen. Als Beispiele wären hier Nudeln mit Tomatensauce, Gemüsesuppe, KartoffelGemüse-Auflauf zu nennen. Seite 20 von 104 prob e Lehrskript Abbildung 2 – optimiX®: Warme Hauptmahlzeit (Forschungsinstitut für Kinderernährung Dortmund FKE, 2008) Lese Neben der einen warmen Hauptmahlzeit sind zwei kalte Hauptmahlzeiten vorgesehen. Die mengenmäßig wichtigste Lebensmittelgruppe ist die der Milchprodukte, wie beispielsweise fettarme Trinkmilch, fettarmer Jogurt, Buttermilch. Dazu kommen Obst oder Gemüse sowie Brot oder Getreide(flocken). Auch eine kleine Portion Wurst oder Ei und Streichfett sind Bestandteile der beiden kalten Hauptmahlzeiten. Beispiele für eine kalte Hauptmahlzeit: ─ Müsli: Getreideflocken mit Obst und Milch ─ Brot: Vollkornbrot mit Frischkäse und Gurkenscheiben, Streichfett ─ Brötchen: Vollkornbrot mit Käse und Tomate, Streichfett ─ Baguette: Baguette mit Tomate und Ei, Streichfett Abbildung 3 – optimiX®: Kalte Hauptmahlzeiten (Forschungsinstitut für Kinderernährung Dortmund FKE, 2008) Seite 21 von 104 Lehrskript prob e Ergänzt werden die drei Hauptmahlzeiten von zwei Zwischenmahlzeiten am Vor- und Nachmittag. Diese bestehen hauptsächlich aus Obst oder Gemüserohkost. Fettarme Milch und Milchprodukte sowie Brot und Getreide(flocken) vervollständigen die jeweilige Zwischenmahlzeit. Beispiele: Jogurt mit Obst, Rohkost mit Kräuterdip, Obst mit einem Stück Rosinenbrötchen. Im optimiX®-Konzept werden keine Verbote ausgesprochen und somit werden auch Süßigkeiten oder Knabbereien in Maßen toleriert. Lese Abbildung 4 – optimiX®: Zwischenmahlzeiten (Forschungsinstitut für Kinderernährung Dortmund FKE, 2008) Zu jeder Mahlzeit wird zusätzlich ein energiefreies oder -armes Getränk angeboten. Anfang der 1990er Jahre wurde das Konzept optimiX® entwickelt und seitdem immer wieder an aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse angepasst. Innerhalb dieser Optimierungen wurde in 2010 auch der geringere Energieverbrauch in den Speiseplänen berücksichtigt und neu berechnet. Bisher wurde zur Berechnung des Energiebedarfs eine mäßige körperliche Aktivität zugrunde gelegt. In der aktuellen Fassung erfolgte die Berechnung auf Basis geringer körperlicher Energie und der tägliche Energiebedarf wurde somit um 12 Prozent reduziert. Durch Interpolation erfolgte die Anpassung der Verzehrmengen für die einzelnen Lebensmittelgruppe, welche in Tabelle 4 – Altersgemäße Verzehrmengen für Lebensmittelgruppen dargestellt sind. Seite 22 von 104 Lehrskript prob e Alter (Jahre) 1 2-3 Gesamtenergie kcal/Tag 850 950 Getränke ml/Tag 600 700 Brot, Getreide(flocken) g/Tag 80 120 Kartoffeln1 g/Tag 100 120 Gemüse g/Tag 120 150 Obst g/Tag 120 150 Milch, -produkte2 ml(g)/Tag 300 330 Fleischwaren g/Tag 30 35 Eier Stück/Woche 1-2 1-2 Fisch g/Tag 25 35 Öl, Butter, Margarine g/Tag 15 20 Süßes, Knabberartikel max. kcal/Tag 85 95 1 oder Nudeln, Reis, Hirse, etc. 2 100 ml Milch entsprechen ca. 15 g Schnittkäse oder 30 g Weichkäse Tabelle 4 – Altersgemäße Verzehrmengen für Lebensmittelgruppen (Forschungsinstitut für Kinderernährung Dortmund FKE, 2012) In der optimiX®-Pyramide handelt es sich bei den Lebensmittelmengen nur um Richtwerte. Demzufolge sind keine Portionsgrößen vorgegeben; es wird lediglich verdeutlicht, von welcher Lebensmittelgruppe zu einer Mahlzeit mehr und von welcher weniger gegessen werden soll. Lese Wichtig hingegen ist das Verhältnis der Lebensmittelgruppen untereinander. Die drei Regeln des optimiX®-Konzepts sind einfach: Abbildung 5 – Drei Regeln von optimiX® Seite 23 von 104 Lehrskript 5% 17 % 78 % prob e Die prozentuale Gewichtung der Lebensmittelgruppen an der Gesamternährung verteilt sich dabei wie folgt: Fett- und zuckerreiche LM: sparsam Tierische LM: mäßig Pflanzliche LM und und Getränke: reichlich Abbildung 6 – Lebensmittelgruppen und ihr Anteil an der Gesamternährung Süßes und Knabberartikel zählen zu den geduldeten Lebensmitteln und werden bis zu maximal 10 Prozent der Gesamtenergie in einer abwechslungsreichen Ernährung toleriert. 2.2 aid-Ernährungspyramide Während in dem vom FKE entwickelten Ernährungskonzept optimiX® mahlzeitenbezogene Empfehlungen formuliert werden, stellt die aid-Ernährungspyramide die Tagesverzehrmenge als Portionsbausteine dar. Diese ist ebenfalls für Kinder ab einem Jahr konzipiert und schließt somit nicht nur Kleinkinder, Kinder und Jugendliche, sondern auch Erwachsene mit ein. Lese Die aid-Ernährungspyramide ist ein vom aid infodienst Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz e.V. (aid) vereinfachtes Modell, das der Orientierung auf einen Blick dient und die Empfehlungen der DGE und des FKE zur Kinderernährung berücksichtigt. Sie ist nach Lebensmittelgruppen aufgebaut und gibt Richtmengen für den Verzehr vor. Die Farben der Lebensmittelgruppen in der Pyramide spiegeln die Ampelfarben wider – entsprechend der optimierten Mischkost des FKE. Infolgedessen sind die drei Regeln des optimiX®-Konzepts in den Empfehlungen der aidPyramide ebenfalls enthalten. Ergänzt wird die aidTagesübersichtspyramide um die Angabe von HandPortionsgrößen, die in der mahlzeitenbezogenen optimierten Mischkost nicht vorgesehen sind. Die Anzahl der täglichen Lebensmittelportionen der aid-Pyramide entspricht im Wesentlichen den für den Tag aufsummierten Verzehrmengen der Lebensmittelgruppen in den Mahlzeitenempfehlungen des optimiX®-Konzepts des FKE. Nach der 6-5-4-3(+1)-2-1Portionsregel im aid-Modell ergeben sich täglich 22 Lebensmittelportionen. Seite 24 von 104 Lehrskript prob e Portionen Lebensmittelgruppe 6 Getränke 5 Gemüse, Salat, Rohkost und Obst 4 Brot, Getreide, Beilagen (z. B. Kartoffeln) 3 Milch und Milchprodukte +1 Fleisch, Wurst, Fisch oder Ei 2 Koch- und Streichfette 1 Extras (Süßes, fette Snacks) wird toleriert Insgesamt ergeben sich also täglich 22 Lebensmittelportionen: 6+5+4+3(+1)+2+1. Lese Tabelle 5 – Das 6-5-4-3-2-1 Prinzip in der aid-Pyramide (aid infodienst Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz e. V., 2012), (aid infodienst Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz e. V., 2009) Abbildung 7 – aid-Ernährungspyramide (aid infodienst Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz e. V., 2012) 2.2.1 Portionsgrößen in der aid-Ernährungspyramide In der aid-Pyramide wird als Portionsgröße das sogenannte Handmaß gewählt. So wird – wie bereits in Kapitel 5.2.2.1 Kampagne „5 am Tag“ ausgeführt – die Hand als einfache Messhilfe verwendet, um individuell angepasste und „mitwachsende“ Vorgaben praktisch umzusetzen. Dabei entspricht eine Hand voll – in einigen Ausnahmen zwei Hände zur Schale geformt – einer Portion. Zudem sind übliche Mengenangaben wie beispielsweise eine Scheibe Brot ebenfalls geeignet. Seite 25 von 104 Lehrskript Hinsichtlich der Empfehlungen innerhalb der aid-Pyramide werden folgende Richtwerte für Portionsgrößen angegeben: prob e Lebensmittelgruppe Portionsgröße: Getränke: ein Glas, das in eine Hand passt. Lese Obst und Gemüse: eine Hand für großstückiges Obst oder Gemüse (z. B. Apfel, Mandarine, Kohlrabi); zwei Hände zur Schale geformt für kleinstückiges oder zerkleinertes Obst oder Gemüse (z. B. Blattsalat, Gurkenstücke, Erdbeeren) Brot: eine fingerdicke Scheibe, die in eine gesamte Handfläche mit ausgestreckten Fingern passt. Müsli: zwei Hände zu einer Schale geformt Beilage: zwei Hände voll zu einer Schale geformt Milch: ein Glas, das in eine Hand passt. Käse: eine Scheibe Jogurt: ein Becher Fleisch, Fisch: Portion entspricht der Größe eines Handtellers Eier: pro Stück Streich- und Bratfett: ein Esslöffel Süßes und Knabberartikel: eine Hand Tabelle 6 – Handmaß für Portionsgrößen (aid infodienst Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz e. V., 2012), (aid infodienst Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz e. V., 2012), (aid infodienst Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz e. V., 2009) Zusammenfassend sind für das didaktische aid-Modell die Ampelfarben, die Aufteilung in visualisierte Portionsbausteine und das praktikable Handmaß charakteristisch. Zudem ist die Botschaft der weltweiten Gesundheitskampagne „5 am Tag“ einprägsam integriert. Seite 26 von 104