Kooperationsunterstützung und Werkzeuge für die

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Junginger, M.; Loser, K.-U.; Hoschke, A.; Krcmar, H. (2003), Kooperationsunterstützung und Werkzeuge für die
Dienstleistungsentwicklung: Die pro-ervices Workbench, In: Bullinger, Hans-Jörg; Scheer, August-Wilhelm (Hrsg.): Service
Engineering - Entwicklung und Gestaltung innovativer Dienstleistungen, Berlin: Springer Verlag, S. 591-617.
Kooperationsunterstützung und Werkzeuge für
die Dienstleistungsentwicklung: Die pro-services
Workbench
Junginger, Markus1
Loser, Kai-Uwe2
Hoschke, Arndt3
Krcmar, Helmut1
1
Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, Universität Hohenheim
Informatik & Gesellschaft, FB Informatik, Universität Dortmund
3
Institut für Arbeitsphysiologie an der Universität Dortmund
2
Inhalt
1 Einleitung
2 Herausforderung Kooperation
3 Kooperationsunterstützung
4 Unterstützung von Akteuren im Service Engineering
4.1 Rollen, Aufgaben und Materialien
4.2 Workbench-Konzept
5 Werkzeuge der Service Engineering-Workbench
5.1 Prozessmodellierung im Service Engineering
5.2 Synchrone Sitzungsunterstützung im Service Engineering
5.3 Beispielszenario eines Dienstleistungskooperationsprozesses
6 Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
4
Abstract
Entgegen dem Verständnis vieler Phasenmodelle, die Service Engineering als eine
starre sequenzielle Folge von Entwicklungsschritten erscheinen lassen, betrachten
wir die Entwicklung von Dienstleistungen als einen flexiblen kooperativen Prozess. In diesem Beitrag wird ein Konzept entwickelt, wie das Service Engineering
durch den integrierten Einsatz von Kooperationswerkzeugen in einer softwaregestützten Workbench unterstützt werden kann. Existierende Systeme zur synchronen und asynchronen Kooperation liefern einen wichtigen Beitrag für ein informiertes Service Engineering, bei dem die notwendigen Informationen zusammengetragen werden und die unterschiedlichen Perspektiven der Beteiligten berücksichtigt werden.
1
Einleitung
Service Engineering ist ein kooperativer Prozess an dem unterschiedlichste Personenkreise beteiligt sind: Kunden, externe Vertragspartner für die Erbringung und
die beteiligten Mitarbeiter eines Dienstleistungsunternehmens bilden mit ihren
unterschiedlichen Sichtweisen auf und Erwartungen an Dienstleistungen ein komplexes Geflecht von Rollen, die an der Entwicklung beteiligt sind. Bruhn [1] betrachtet diese Rollen in erster Linie unter der Fragestellung der Kommunikationspolitik und beschreibt dafür eine Reihe von Lücken, die durch geeignete interne
und externe Kommunikationsmaßnahmen zu überbrücken sind. In einigen dieser
Kommunikationsmaßnahmen wird man über bloße Informierungsmaßnahmen
hinaus denken müssen und eine aktive Beteiligung anstreben. Das sind die Bereiche in denen Kooperation stattfindet. Die aktive Mitarbeit der beteiligten Mitarbeiter beispielsweise ist bei der Definition von Dienstleistungsspezifikationen, bei
der Ausrichtung der Marktkommunikation, bei der Erhebung der Kundenerwartungen oder der Gestaltung des Erbringungsprozesses von Dienstleistungen vielfach angezeigt.
5
Service Engineering kann die Entwicklung von Dienstleistungen als Prozess betrachten, der durch Kooperation geprägt ist, und in dessen Verlauf die Bearbeitung geeigneter Materialien koordiniert und geplant wird. Die dazu vorgeschlagenen Prozessmodelle reichen von Wasserfallprozessen bis hin zu zyklischen Modellen [2]. In der Realität von Dienstleistungsunternehmen finden sich meist sehr
spezifische Vorgehensweisen, die Bestandteile aus den unterschiedlichen Ansätzen kombinieren um den Eigenarten der Domäne und den internen Gegebenheiten
des Unternehmens gerecht zu werden. Die Gestaltungsebenen solcher Konzepte
sind dabei die Organisationsform, die Arbeitsplätze, die Qualifikation der Mitarbeiter, die zu verwendende Technik und das Leistungsversprechen als solches.
Bei allen Gestaltungsdimensionen können bessere Ergebnisse erzielt werden,
wenn schon frühzeitig die unterschiedlichen Sichten auf eine Dienstleistung, welche die unterschiedlichen Rollen haben, einbezogen werden.
Für die technische Unterstützung der dazu notwendigen Kooperation stehen bereits viele Lösungen zur Verfügung, die in unterschiedlichen Kontexten verwendet werden können und in vielen Unternehmen bereits Bestandteil der alltäglichen
Arbeit sind. An diese existierenden Installationen von Kooperationsunterstützung
können speziellere Lösungen für die Unterstützung bei der Entwicklung von
Dienstleistungen angekoppelt werden. Im Projekt pro-services1 werden über derartige Kooperationsplattformen spezielle Werkzeuge zur kooperativen Prozessgestaltung, zur Sitzungsunterstützung, zur modularen Dienstleistungsgestaltung
(siehe weiteren Beitrag in diesem Band) und Werkzeuge für die Managementmethode „Partizipatives Produktivitätsmanagement“ PPM [3] in einer Service Engineering Workbench integriert.
Der folgende Abschnitt thematisiert zunächst die Herausforderungen des Service
Engineerings an eine solche Kooperationsplattform, die vor einem konkreten
Hintergrund aus dem Bereich der IT-Dienstleistungen erläutert werden. Anschließend wird kurz der State-of-the-Art von Kooperationssystemen beschrieben, die
insbesondere die asynchrone Zusammenarbeit unterstützen. Aus der Betrachtung
der beteiligten Rollen, Aufgaben und verwendeten Materialien im Service Engineering wird dann ein Architekturkonzept abgeleitet. Zwei Werkzeuge werden
1
Das Projekt pro-services wird gefördert vom BMBF Fördernummer 01HG0066/0067.
6
konkreter beschrieben und in einem exemplarischen Szenario wird gezeigt, wie
die Kooperation zwischen unterschiedlichen Beteiligten gefördert wird. Der letzte
Abschnitt fasst den Beitrag zusammen und gibt einen Ausblick.
2
Herausforderung Kooperation
Die Entwicklung neuer Dienstleistungen und die Weiterentwicklung eines bestehenden Dienstleistungsportfolios ist eine Kernkompetenz für die Erhaltung oder
die Schaffung einer herausragenden Wettbewerbsposition eines Dienstleistungsunternehmens. Im Zentrum der Bemühungen steht die Entwicklung eines Leistungsversprechens, das für Kunden möglichst attraktiv erscheint, gegenüber Mitbewerbern am Markt konkurrenzfähig ist und im internen Leistungserstellungsprozess eine effektive und effiziente Erbringung erlaubt. Grundlage für eine systematische Unterstützung der Dienstleistungsentwicklung ist daher die Betrachtung der Herausforderungen im Service Engineering und die darauf aufbauende
Entwicklung eines Konzepts für eine softwarebasierte Unterstützung unter dem
Fokus der Kooperationsunterstützung. Im Folgenden werden zunächst die zentralen Herausforderungen bei der Dienstleistungsentwicklung herausgearbeitet und
am Beispiel von IT-Dienstleistungen im Bereich des Application Hosting, dem
Betrieb von Kundensystemen durch einen Dienstleister in seinen Rechenzentren,
exemplarisch beleuchtet.
Die Identifikation der Herausforderungen für eine erfolgreiche Dienstleistungsentwicklung lassen sich in Anlehnung an die Triebkräfte des Wettbewerbs [4]
systematisieren. So wird die Entwicklung neuer Dienstleistungen primär durch
das Ziel der Befriedigung von Kundenanforderungen und durch den Wettbewerb
innerhalb einer Dienstleistungssparte getrieben. Ebenso wird die Dienstleistungsentwicklung durch das Aufkommen substitutiver Produkte initiiert. Hier können
beispielsweise Systemdienstleistungen genannt werden, die bisher einzeln erbrachte Leistungen ersetzen oder integrieren. Eine weitere Herausforderung ist die
Konkurrenzfähigkeit etablierter Dienstleister mit neuen Wettbewerbern. Diese
machen sich oftmals neue Dienstleistungsideen oder technologische Innovationen
zu Nutze um in bestehende Märkte einzudringen. Eine wichtige Rolle spielen
ebenso die Lieferanten für das Service Engineering. So ist mit Ausnahme von
7
reinen Beratungsdienstleistungen fast immer die Nutzung von Vorprodukten unerlässlich. Auch müssen bei (Weiter-)Entwicklungen von Dienstleistungen aktuellste Produkte durch den Dienstleister eingesetzt werden. Die Verfügbarkeit modernster Technologien, Verfahren und Methoden ist ja gerade ein zentraler Vorteil, den sich Dienstleistungskunden versprechen. Einen Überblick über die Triebkräfte und Herausforderungen gibt Abbildung 1.
• Rasche technologische
Innovationen
• Integration in
Wertschöpfungsnetze
• Bündelung von
Komplementärprodukten
Lieferanten
Lieferanten
• Integration bestehender
Leistungen in neue
Dienstleistungsbündel
• Digitalisierung von
Leistungen
Wettbewerber
Wettbewerber
WettbewerbsWettbewerbsintensität
intensität
Ersatzprodukte
Ersatzprodukte
• Dienstleistungsinnovationen
• Economies of Scale
• Reputation
• Konzentration
• Customer Lock-In
Kunden
Kunden
• Dienstleistungsqualität
• Individualisierung und
Customizing
• Wirtschaftlichkeit
• Globale Verfügbarkeit
• Vergleichbarkeit der
Leistungen
• Steigende Kundenanzahl
• Vertrauen in Dienstleister
Abbildung 1: Triebkräfte und Herausforderungen des Service Engineerings
Besonderes Merkmal bei der Dienstleistungsentwicklung ist die Berücksichtigung
des externen Faktors, also diejenigen (Produktions-)Faktoren, die vom Nachfrager
der Leistung zur Verfügung gestellt werden und an denen oder mit denen eine
Leistung erbracht wird [5]. So ist beispielsweise bei IT-Dienstleistungen die bestehende Systemlandschaft und technische Infrastruktur des Kunden zu berücksichtigen. Die Dienstleistung muss folglich in hohem Maße an Kundenbedürfnisse
und den externen Faktor anpassbar sein. Dieser Umstand macht es bei der Entwicklung erforderlich mögliche spätere Kundenwünsche und externe Rahmenbedingungen der Kunden zu antizipieren und zu berücksichtigen. Die Anpassung
eines Leistungsangebots wird auch oftmals mit dem Begriff Customizing bezeichnet. So müssen beim Application Hosting grundsätzlich Systemverfügbarkeiten,
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Systemantwortzeiten und Reaktionszeiten über Service Level konfigurierbar sein
oder die Anbindung von proprietären Drittsystemen über Schnittstellen bei der
Implementierung realisierbar sein. Der Dienstleister steht hier vor einem Dilemma: Einerseits muss er systematisch (teil-) standardisierte Leistungen entwickeln,
mit denen er im Wettbewerb seine Leistungsbereitschaft signalisieren kann, andererseits muss er flexibel genug sein, kundenindividuelle Lösungen zu implementieren. Eine mögliche Lösung zwischen den beiden Extremen hochstandardisierter
Dienstleistungen und integraler kundenspezifischer Leistungen, sind modulare
Service Architekturen, die eine optimale Anpassung und Konfiguration standardisierter Bausteine den Kundenbedürfnissen entsprechend erlauben.
Die Entwicklung von Dienstleistungen ist auch vor dem Hintergrund überregional
und global operierender sowie verteilt organisierter Dienstleistungsunternehmen
problematisch. So werden die Leistungen oftmals in unterschiedlichen Ländern
vertrieben und betrieben, die Dienstleistungsentwicklung ist jedoch zentralisiert.
Um bei der Entwicklung von Dienstleistungen eine optimale Kundennähe erreichen zu können ist jedoch eine möglichst nahe Kopplung zwischen Vertrieb,
Marketing, Betrieb sowie Kunden und des für die Entwicklung zuständigen Bereiches unerlässlich. So müssen Erfahrungen aus dem laufenden Geschäft heraus
genauso berücksichtigt werden wie länderspezifische und kulturelle Gegebenheiten. Insbesondere wenn es sich um wissensintensive immaterielle Dienstleistungen handelt, ist die Berücksichtung kulturkreisspezifischer Eigenheiten ein wesentlicher Erfolgsfaktor bereits im Vertrieb. Auch die Einbindung von Partnern
auf Lieferantenseite und auf Vertriebsseite ist zunehmend ein wichtiger Erfolgsfaktor beim Service Engineering. Insbesondere wenn in Wertschöpfungsnetzen
Systemprodukte entwickelt werden, muss eine enge Zusammenarbeit bei der Entwicklung in geeigneter Weise sichergestellt sein. Hier müssen sämtliche einzubindenden Teilprodukte aufeinander abgestimmt werden und Erfahrungen bei der
Erbringung dieser Leistungen möglichst unmittelbar in die Weiter- und Neuentwicklung von Dienstleistungen eingebracht werden. Besonders deutlich wird
diese Abhängigkeit beim Application Hosting. Das Dienstleistungsunternehmen
muss ein funktionsfähiges Systemprodukt aus bezogener Hardware und Software
entwickeln und betreiben sowie dem Kunden einen geeigneten Service anbieten.
Schnelle Rückkopplungsmöglichkeiten zwischen diesen Partnern sind unerlässlich.
9
Während der Schwerpunkt der Wertschöpfung bei materiellen Gütern in der Produktion liegt, so erbringt ein Dienstleistungsunternehmen seine Leistung über den
gesamten Lebenszyklus einer Dienstleistung hinweg, was auch bei einem Vergleich der Zahlungsströme offensichtlich wird [6]. Der Schwerpunkt der Wertschöpfung von Dienstleistungen ist über den gesamten Leistungszeitraum anteilig
aufzuteilen. Der Ertrag einer Dienstleistung wird erst durch die permanente Befriedigung der Kundenbedürfnisse erzeugt und bspw. durch monatliche aufwandsbezogene Zahlungen sichergestellt. Wesentliche Risiken sind die im Vergleich zu Investitionsgütern vermuteten niedrigeren Wechselkosten auf Seiten des
Kunden sowie die erwartete Geschäftsentwicklung des Kunden. So sind
Dienstleistungen wesentlich flexibler anzupassen als Investitionsgüter, die einmal
gekauft materiellen Bestand haben. Solche Situationen muss der Dienstleister
erkennen und in der Lage sein, sein Leistungsangebot flexibel in alle Richtungen
anzupassen. Voraussetzung hierfür ist der permanente Kundenkontakt nicht nur
durch operative Einheiten sondern auch durch die dem Key-Account Management
vergleichbare Kunden- oder Service-Manager die Veränderungen beobachten und
Neu- und Weiterentwicklungen eines Leistungsangebots initiieren können.
Die erfolgreiche Bewältigung vorausgehend genannter Herausforderungen macht
vielfältige Kooperationen notwendig. Am Beispiel der Entwicklung und Pilotierung einer Application Hosting Dienstleistung kann man sich die Kooperationsbeziehungen während der Entwicklung und des Betriebes einer Dienstleistung vergegenwärtigen. Im Rahmen einer Interaktionsanalyse [7] wird deutlich, dass es
sich um eine Vielzahl besonders wissensintensiver Kooperationsbeziehungen
unter den zahlreichen Akteuren handelt (vgl. Abbildung 2).
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Vertrieb
Vertriebswerkzeuge
Verkauf
Implementierungsauftrag
Marketing
Service
Ideen
Kunden
Implementierung
Customizing
Produktstrategie
System
Konfiguration
VertriebsUnterstützung
Entwicklungstests
Service
Ideen
Management
LeistungsportfolioEntwicklung
Innovationen
Leistungsbündelung
Rückmeldung
Projektmanagement
DienstleistungsEntwicklung
Service Level
Reporting
Betriebsübergabe
Problemmeldung
Schulung
Betrieb
Support
Lieferanten
TroubleShooting (2nd)
TroubleShooting (3rd)
Call Center
Abbildung 2: Interaktionsnetz bei der Entwicklung von IT-Dienstleistungen
Die Darstellung verdeutlicht: Zur erfolgreichen Bewältigung der Herausforderungen des Service Engineerings ist eine Unterstützung der Akteure bei der Zusammenarbeit unerlässlich. Welche technischen Lösungen dafür zur Verfügung stehen
wird im nächsten Kapitel beschrieben.
3
Kooperationsunterstützung
Für die Unterstützung der Arbeit an gemeinsamen Materialien stehen unterschiedlichste Systeme zur Verfügung. Solche kooperationsunterstützenden Systeme sind
eng mit den Begriffen CSCW (Computer-Supported Cooperative Work) und
Groupware gekoppelt – für einen Überblick über das Thema steht ein weites
Spektrum an Literatur zur Verfügung (z.B. [8, 9]). Weit verbreitet sind Systeme,
über die Dokumente effektiv verteilt und verwaltet werden können. Diese werden
heute als Intranet-, Dokumentenmanagement und Wissensmanagementlösungen
mit jeweils unterschiedlichem Fokus vermarktet (DominoDoc, Livelink, Hyper-
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wave, BSCW etc.). Im Folgenden werden Funktionen einer Klasse von Systemen
beschrieben, die unterschiedlichste Kooperationsunterstützungen anbieten und im
Kern ähnliche Eigenschaften besitzen.
Die Basisfunktionalität der genannten Systemklasse ermöglicht es mehreren Nutzern Dokumente verteilt im System abzulegen, zu klassifizieren und wiederzufinden. Unter diesem Aspekt können solche Systeme als Shared Workspace Systeme bezeichnet werden. Die Nutzerschnittstelle ist häufig webbasiert und ermöglicht so einen flexiblen Zugang zu den Dokumenten. Eine besondere Eigenschaft,
die von großem Nutzen ist, ist dass neben den eigentlichen Dokumenten auch
Metadaten also beschreibende Daten, wie Autoren, Thema, Dokumentenart etc.
verwaltet werden können, die flexibel einzustellen sind. Auf dieser Datenbasis
kann dann flexibel gesucht werden: nach Metadaten, Bezeichnungen und durch
Volltextsuche. Einmal verwendete Suchanfragen können häufig wie Dokumente
als Objekt abgespeichert werden und wiederholt ausgeführt werden. Zu dieser
Shared Workspace-Funktionalität gehören weitere wesentliche Aspekte wie Benutzerrechte, die den Zugriff auf die unterschiedlichen Bereiche steuern und der
Schutz von Dokumenten die bearbeitet werden. Diese sind vor versehentlicher
Änderung von weiteren Mitarbeitern geschützt (Locking). Ebenso können Versionen von Dokumenten verwaltet werden.
Die bis hierhin genannte Funktionalität stellt bereits eine wichtige Basis für das
Service-Engineering zur Verfügung: Die unterschiedlichen Dokumente und Arbeitsergebnisse von Beteiligten können damit zentral verwaltet und untereinander
ausgetauscht werden. Die Arbeit an diesen Dokumenten kann dadurch koordiniert
werden und der verteilte Zugriff ist sichergestellt. Durch flexible Suchen können
Dokumente in unterschiedlichem Kontext angezeigt werden und stehen damit für
weitere Arbeiten zur Verfügung. Über die Rechtevergabe wird es möglich, Dokumente in einem Kontext zur Ansicht, in dem anderen zur Bearbeitung zur Verfügung zu stellen. Im Beispiel der Kooperationsbeziehungen bei ITDienstleistungen findet z.B. der Betrieb die Service-Level-Agreements, die der
Vertrieb getroffen hat, entsprechend im System vor oder Lieferanten einer TeilDienstleistung können sich vorab über derzeit notwendige und über zukünftig
gewünschte Spezifikationen informieren.
12
Auf Basis dieser Kernfunktionalität sind wiederum unterschiedlichste Funktionalitäten möglich, die bestimmte Aspekte der Ablage weiter verbessern können:
Neben Dokumenten können Diskussionen gestartet werden. Es können beispielsweise zu abgelegten Dokumenten Kommentare abgegeben werden und diese
können wiederum kommentiert werden. Solche Diskussionsforen können beispielsweise dazu dienen Aushandlungen vorzubereiten, beliebige Anmerkungen
von unterschiedlichen Akteuren zu sammeln oder Begründungen (Design Rationale) für bestimmte Entscheidungen zu dokumentieren.
Prozesse lassen sich mit einer Workflowfunktionalität unterstützen: beispielsweise können Prüfschritte für Risikomanagement automatisch angestoßen werden,
wenn entsprechende Konzeptdokumente für Dienstleistungen fertiggestellt werden. Weniger formal steuernd kann auch über sogenannte Push-Dienste und
Notifications ermöglicht werden, dass andere Beteiligte die Bearbeitung von
Dokumenten wahrnehmen. Über diese Funktion können Dokumente und Benachrichtigungen an bestimmte Adressaten versandt werden. Dies kann sowohl innerhalb des Systems erfolgen oder aber auch durch Integration mit E-Mail-Systemen.
Diese Funktion fällt in den Bereich der Awarenessdienste: den Nutzern werden
bestimmte Tätigkeiten von Beteiligten sichtbar gemacht. Dies ist bei zeitlich/räumlich entkoppelten Systemen ein wichtiger Baustein, um die Zusammenarbeit sicherzustellen. Erst wenn der Betrieb der IT-Dienstleistung mitbekommt,
dass neue Vereinbarungen mit einem Kunden getroffen worden sind, können
diese auch eingehalten werden. Dabei ist wichtig zu beachten, dass in Systemen
dafür sowohl eher starre Mechanismen wie Workflow zur Verfügung stehen, die
eine bestimmte Form der Koordination sicherstellen können, als auch eher flexible
Mechanismen, die eine Zusammenarbeit eher ermöglichen als formal regeln.
Nicht jede Zusammenarbeit ist sinnvoll vorherzusehen und formal festzulegen. Zu
den dazu notwendigen Awarenessdiensten sind auch Ticker zu zählen, die auf
ganz informellem Wege über Aktivitäten und Neuigkeiten im System informieren.
Weitere Funktionen, die von vielen Groupware-Produkten unterstützt werden sind
Gruppenterminkalender und Aufgabenlisten. Darüber können Gruppen und
Projektkalender geführt werden, um z.B. gemeinsame Treffen zu koordinieren,
die Projektplanung transparent zu machen sowie Aufgaben zuzuweisen und direkt
mit den Dokumenten zu verbinden. Das kann bspw. bei der Koordination von
Projektteams für neue Dienstleistungen eingesetzt werden.
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Um die Arbeit mit den Systemen zu Unterstützen sollte eine möglichst nahtlose
Integration in die Arbeitsumgebung der Nutzer möglich sein. Die unterschiedlichen Technologien der Systeme haben hier spezifische Vor- und Nachteile. Webbasierte Systeme sind hier einerseits plattformübergreifend und verringern Installationsaufwand, sind aber andererseits häufig eher umständlich zu bedienen. Um
die Arbeit in Windowsumgebungen handlicher zu machen existieren dazu verschiedene Möglichkeiten: durch entsprechende Add-Ins kann beispielsweise aus
Officeapplikationen direkt auf Dokumente zugegriffen werden ohne zusätzliche
Up-/Downloadschritte. Ebenso besteht über spezielle Client-Applikationen ein
direkterer Zugriff auf Dokumente. Offene Protokolle wie beispielsweise das WebDAV-Protokoll [10] erlauben es, Kooperationsserver wie Fileserver (mit
erweiterten Funktionen, wie Locking und Metadaten) zu benutzen.
Die genannte Vielfalt an Funktionalität zur Unterstützung kooperativer Arbeit ist
heute in unterschiedlicher Ausprägung in vielen Plattformen entweder direkt zu
finden oder sie stehen als zusätzliche Komponenten zur Verfügung. Insbesondere
seien hier Groupware-Lösungen wie Lotus Notes/Domino und Microsoft Exchange genannt, aber auch viele Dokumenten-, Content- und Wissensmanagementlösungen umfassen derartige Funktionen [11]. Lotus Notes/Domino und
Microsoft Exchange werden dabei vielfach eher als Entwicklungsplattform gesehen, für die einerseits eine große Bandbreite unterschiedlicher zusätzlicher Funktionalität zur Verfügung steht, andererseits können auf deren Basis flexibel sehr
spezielle Systeme für die Kooperation im Unternehmen entwickelt werden. Abbildung 3 zeigt die genannten typischen Funktionen noch einmal im Überblick.
Dabei sind sie den Aufgaben Kommunikation, Koordination, Kooperation im
engeren Sinne zugeordnet.
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Kommunikation
Diskussionen
Email
Versionierung
Ticker
Terminkalender
Metadaten
Locking
Push-Dienste
Notifications
Rechtevergabe
Shared
Workspace
Kooperation
Todo-Listen
Workflow
Koordination
Abbildung 3: Typische Funktionen von asynchronen
Kooperationsplattformen im Überblick.
4
Unterstützung von Akteuren im Service Engineering
Um eine Unterstützung der Akteure im Service Engineering bei der Erfüllung
ihrer komplexen Aufgaben und Interaktionen zu ermöglichen, können sie in verschiedenen Rollen klassifiziert und diesen Rollen entsprechende Aufgaben
zugewiesen werden. Kooperationsunterstützung im Service Engineering heißt die
Arbeit unterschiedlicher Akteure an gemeinsamem Material in unterschiedlichem
Kontext sicherzustellen.
15
4.1
Rollen, Aufgaben und Materialien
Basierend auf einer differenzierten Aufgabenanalyse der Akteure in der Dienstleitungsentwicklung im Rahmen des Forschungsprojektes pro-services in den Domänen IT-Dienstleistungen, Facility Management, Beratung, Schulungsdienstleistungen sowie industrieller Serviceleistungen können den Akteuren allgemeine
Rollen in der Dienstleistungsentwicklung zugeordnet werden. Im Vergleich zu
den in Abbildung 2 dargestellten Akteuren sind diese Rollen domänenübergreifend zu verstehen und daher auch allgemeiner gefasst. Dabei sind nicht nur die
beim Dienstleister selbst angesiedelten Akteure zu berücksichtigen, sondern auch
Kunden und Lieferanten, die einen wesentlichen Teil bei der Entwicklung und
Erbringung von Dienstleistungen beitragen. Einen Überblick über diese Rollen
gibt Tabelle 1.
Rolle
Beschreibung
Architekt
Ist der prinzipielle Entwickler einer neuen Dienstleistung und ist in diesem Prozess zumeist auch der Koordinator der anderen Beteiligten. Zu
seinem Aufgabenbereich gehört auch die Dokumentation der Dienstleistungen und die Überwachung von später anfallenden Modifikationen.
Entwickler/
Implementierer
Sie entwickeln, testen und implementieren Teilleistungen einer Dienstleistungsarchitektur nach der Planung des Architekten. Sie sind zuständig für die (technische) Spezifikation der Leistung.
Management
Die Entscheidung über Entwicklung, Erbringung und Veränderung einer
Dienstleistung wird getroffen und eventuell notwendige Modifikationen
der Prozesse oder Personalstrukturen müssen entschieden werden
(bspw. Geschäftsbereichs-Verantwortliche).
Marketing
Hier gilt es in die Entwicklung der Dienstleistung Erkenntnisse über den
Markt und etwaige Konkurrenten einfließen zu lassen und später die
erfolgreiche Kommunikation des Produkts an die Kunden sicherzustellen.
Vertrieb
Er ist für den Verkauf der Dienstleistungen zuständig. In dieser Funktion
hat er auch den direkten Kontakt zum Kunden und ist für die Pflege
dieser Schnittstelle und den Abgleich der Anforderungen zuständig.
Controlling
Bereits während der Entwicklung einer Dienstleistung muss ein entsprechendes Geschäftsmodell entwickelt werden, dessen Einhaltung während der Lebensdauer der Dienstleistung verifiziert werden muss.
Dienstleistungserbringer
Sie erbringen die Dienstleistung für den Kunden allein, im Verbund mit
anderen Dienstleistern oder gemeinsam mit Zulieferern und liefern
Daten über Produktivität und Zufriedenheit.
Lieferant
Liefert einzelne Bestandteile oder komplette Services die in die Dienstleistung integriert werden und ist dabei auf reibungslose Kommunikation
angewiesen. Kann bereits an der Entwicklung einer neuen Dienstleistung beteiligt sein.
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Kunde
Als Abnehmer der Dienstleistung soll sie auf seine Bedürfnisse zugeschnitten sein und er kann daher auch bereits an der Entwicklung einer
neuen Dienstleistung beteiligt sein. Außerdem kann er durch verändertes Verhalten Anstoß zu Neuentwicklungen oder Modifikationen geben.
Tabelle 1: Rollen in der Dienstleistungsentwicklung
Um eine erfolgreiche und systematische Entwicklung, Durchführung und
Anpassung von Dienstleistungen zu ermöglichen, müssen diese neun Rollen kooperativ die anfallenden Aufgaben und Probleme bewältigen und die vorhandenen
Informationen austauschen. Um diesen Prozess zu unterstützen, bietet die Workbench verschiedene Räume, in denen jeweils spezifischen Rollen Werkzeuge zur
Unterstützung zur Verfügung gestellt werden. Die semantische Struktur der
Workbench soll einen möglichst intuitiven Einstieg in das Service Engineering
und das Durchführen konkreter Service Engineering-Projekte ermöglichen. Daher
ist es sinnvoll, dass die Struktur der Workbench einem einheitlichen Leitgedanken
folgt, den sich Benutzer einfach zu eigen machen können und der es erlaubt, die
Funktionalität der Workbench vollständig daran auszurichten. Schwabe/Hertweck/Krcmar [12] nennen für das Design von CSCW-Umgebungen drei
grundsätzliche Ansätze: die Prozessorientierung, die Materialorientierung sowie
die Kontextorientierung, an dem sich auch die pro-services Workbench orientiert.
Im kontextorientierten Ansatz richtet sich die Telekooperationsumgebung an
Arbeitszusammenhängen der Beteiligten aus. Dabei definiert ein Kontext eine
Menge von Kooperationspartnern, Materialien, Aktivitäten und Werkzeugen sowie Verbindungen zu anderen Kontexten. Ein Arbeitskontext steht idealerweise
auch für definierte Formen der Öffentlichkeit von Kooperation, weil sich auf
diesem Weg komplexe Zugriffsrechte und auch der Status von Materialien anschaulich abbilden lassen. Der kontextorientierte Zugang versucht einen Mittelweg zwischen der großen Flexibilität des materialorientierten Ansatzes und der
starken Strukturierung des prozessorientierten Ansatzes zu finden. Besonders
leicht wird der Zugang zur Software, wenn die Kontexte real existierenden Arbeitskontexten der Benutzer entsprechen oder dieser Zugang anschaulich erklärt
werden kann. Eine geeignete Metapher zur Veranschaulichung sind dabei Räume
[13]. Räume definieren auch in nicht-technischen Umgebungen Arbeits- und Kooperationszusammenhänge. Sie definieren Inklusion und Exklusion von Beteiligten sowie die Bearbeitungs- und Ablageorte für Materialien. Daher werden die
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Kontexte des Service Engineerings über die Raummetapher in der Workbench
repräsentiert.
Für die Unterstützung der wichtigsten Aufgaben des Service Engineerings wird
die Implementierung von insgesamt sieben Räumen vorgeschlagen, die im folgenden kurz beschrieben werden:
Raum Service Engineering(SE)-Gestaltung: Im Raum der Service-Engineering
Gestaltung geht es um die Art und Weise, in der im Unternehmen Dienstleistungen entwickelt werden. Bei den Tätigkeiten in diesem Raum handelt es sich nicht
um Alltagsgeschäft: es geht weder um die Entwicklung noch um die Erbringung
einer konkreten Dienstleistung. Es geht vielmehr darum - vom Einzelfall abstrahierend – Prozessbeschreibungen, Methoden und Artefakte zu gestalten, die zu
Dienstleistungsentwicklungsprozessen im Unternehmen beitragen.
Raum Geschäftsmodell: Im Geschäftsmodellraum erarbeiten Akteure Ziele und
Rahmenbedingungen aus betriebswirtschaftlicher Sicht für die technischorganisatorische Konzeption, Implementierung und Erbringung einer Dienstleistung. Ein Geschäftsmodell beschreibt, auf welche Art und Weise mit einer umzusetzenden Dienstleistungsidee Einnahmen generiert werden können. Dazu konkretisiert ein Geschäftsmodell das Wertversprechen des Dienstleisters gegenüber
seinen Kunden, die Einnahmemodelle und beschreibt Annahmen über Wachstum
und Skalierung. Letztere zeigen zum einen den geplanten Wachstumspfad über
den Lebenszyklus auf und machen gleichzeitig Vorgaben für die Ausgestaltung
der für die Umsetzung benötigten Ressourcen. Neben einer Skizzierung dieser
Ressourcen benennt ein Geschäftsmodell zudem das Netzwerk möglicher oder
notwendiger Partner, das die Ressourcen bereitstellt. Im Vordergrund der Kooperation in diesem Raum steht die Untersuchung der betriebswirtschaftlichen Rentabilität einer Dienstleistungsidee, bzw. einer Dienstleistung im Rahmen des Reengineering.
Raum Konzeption: Im Konzeptionsraum wird eine Dienstleistung, eine Servicearchitektur und die zugehörigen Prozesse detailliert entworfen und getestet. Der
Konzeptionsraum wird in unterschiedlichen Situationen verwendet. Dazu gehören
die Neuentwicklung oder Veränderung einer Servicearchitektur, das Customizing
18
von Dienstleistungen und die Neukonzeption oder das Reengineering eines einzelnen Dienstleistungsmoduls.
Raum Implementierung: In diesem Raum geht es um die Arbeitsvorbereitung,
Arbeitsplatzgestaltung und Schulung. Dort werden alle Aktivitäten durchgeführt,
die notwendig sind, um die entwickelte Dienstleistungsarchitektur und das Geschäftsmodell zum „going life“, d.h. zur Marktreife oder zur Einführung eines
neuen Releases zu bringen. Hierbei wird die entwickelte Dienstleistungsarchitektur duplizierbar gemacht, es werden Vertriebs- und Marketingaktivitäten vorbereitet, die entsprechenden Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt, Schulungen der
Mitarbeiter durchgeführt und die organisatorische Implementierung sichergestellt.
Im Zentrum steht hierbei die Bereitstellung der für die Leistungserbringung notwendigen Ressourcen und die Festlegung der organisatorischen Prozesse, wie
bspw. Vertriebsprozesse, Betriebsprozesse, Serviceprozesse, Einführungsprozesse. Dieser Raum ist hierbei die Schnittstelle zwischen der Entwicklung einer
Dienstleistung und dem am Markt ausgeübten Leistungsversprechen einerseits
und der Erbringung der Leistung gegenüber dem Kunden andererseits. Zudem gilt
es Richtlinien, Vorschläge und Normen zur Arbeitsplatzgestaltung und Ergonomie darzustellen und die Sammlung von „Best practice Modellen“ und Anregungen aus arbeitspsychologischer Sicht zu ermöglichen, die dann Eingang in entsprechende Schulungen bzw. Schulungsmaterialien finden.
Raum Evaluation: In diesem Raum wird die Güte der Dienstleistungserbringung
und die Einhaltung von vereinbarten Spezifikationen überwacht. Dabei werden
sowohl Prozesse (Längsschnitt) als auch Teams (Querschnitt) evaluiert und die
Ergebnisse zur stetigen Optimierung der zu erbringenden Dienstleistungen genutzt. Durch den Einsatz von Instrumenten zur Produktivitätsoptimierung können
Produktivität und Arbeitsprozesse effizient gesteuert werden und autonome
Teams erhalten notwendige Rückmeldungen über ihre Ergebnisse. Dem Anwender stehen dabei verschiedene Instrumente zur Planung und Durchführung der
Evaluation zur Verfügung, so dass ein speziell auf seinen Service abgestimmter
Evaluationsprozess gestaltet werden kann.
Raum Infothek: In der Infothek findet sich der Zugang zu Informationen, die im
Unternehmen zur Verfügung stehen. Dabei kann es sich um den Zugriff auf informative Artefakte (Dokumente, Formulare, Prozessbeschreibungen etc.) han-
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deln oder aber um das Auffinden von Personen, die über gesuchte Kompetenzen
und Informationen verfügen. Ein zentraler Bestandteil der Infothek ist ein Kategorienschema, das eine effiziente und integrierte Suche nach Artefakten und Personen unterstützt.
Raum Sitzung: Der Sitzungsraum wird von allen Beteiligten am Service Engineering immer dann verwendet, wenn sowohl im inhaltlichen als auch im zeitlichen
Sinne gemeinsam Ergebnisse für alle Aktivitäten des Service Engineerings erarbeitet werden sollen. Der Sitzungsraum bietet eine Funktion, die in allen Phasen
des Dienstleistungsentwicklungsprozesses sinnvoll genutzt werden kann. Er dient
der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Sitzungen im Allgemeinen, sowie der Unterstützung von elektronischen Sitzungen.
Die Einbindung eines individualisierbaren Portals ermöglicht darüber hinaus einen benutzerspezifischen Zugang zur Workbench, der eine Vorgruppierung der
Räume für den Anwender ermöglicht und ihnen einen Überblick über zur Verfügung stehende Werkzeuge und Aufgaben verschafft.
Die Systematisierung der Rollen und Aufgaben im Service Engineering, die im
kontextorientierten Ansatz durch die Bildung von Räumen im Sinne eines gemeinsamen Arbeitskontextes unterstützt werden, erlaubt die Arbeit an und mit
gemeinsamem aufgabenspezifischem Material. Hierbei werden den Akteuren
Materialtypen und Vorlagen, basierend auf Best-Practice Prozessen, zur Verfügung gestellt. So haben Materialien ihren Ursprung in den oftmals gleichnamigen
Räumen, wie bspw. die Beschreibung eines Geschäftsmodells im Geschäftsmodellraum, sie sind jedoch auch in allen anderen Räumen im dortigen Arbeitskontext mit dedizierten Rechten oder Inhalten verfügbar. Für die Bearbeitung dieser
Materialien werden neben den Kooperationsfunktionen der Workbench auch
spezifische Werkzeuge bereitgestellt, die eine Arbeit mit den Materialen unterstützen. Beispielsweise sind Werkzeuge zur Verwaltung und Visualisierung von
Service-Architekturen oder zur Beschreibung von Service-Prozessen zu nennen
(vgl. hierzu auch Kapitel 5).
20
4.2
Workbench-Konzept
Für die Unterstützung des Service Engineerings durch Kooperationswerkzeuge
wird eine Drei-Ebenen Architektur vorgeschlagen. Auf der obersten Akteursebene
werden den unterschiedlichen Akteuren die vorhergehend beschriebenen Rollen
zugeordnet, sie bilden den Ausgangspunkt für das Rechtekonzept und den aufgabenspezifischen Zugriff auf die Materialien bei der Dienstleistungsentwicklung.
Auf der zweiten Ebene, der Werkzeugebene, werden unterschiedliche Arbeitskontexte in Räumen zusammengefasst, in denen aufgabenspezifisch Materialien mit
geeigneten Werkzeugen bearbeitet werden. Die Basis bildet die Datenebene, auf
der die Materialien gespeichert werden und für die Arbeit in unterschiedlichen
Räumen zur Verfügung stehen. Einen Überblick gibt Abbildung 4.
Akteursebene
Marketing
Rollen
Vertrieb
Lieferant
Management
DL-Erbringer
Kunde
ServiceArchitekt
Controlling
personalisierter Zugang (Portal)
Werkzeugebene
Räume
Sitzung
SEGestaltung
Evaluation
Geschäftsmodell
Infothek
Implementierung
Konzeption
raumspezifische Sichten
Datenebene
gemeinsames
Material
Legende:
Rolle
Geschäftsmodell
Raum
ServiceArchitektur
ServiceModul
ServiceProzess
Protokoll
Material
Abbildung 4: Drei-Ebenen Konzept
Im Zentrum des Arbeitskontextes steht die gemeinsame Arbeit an Materialien in
den Räumen. Hier werden semi-strukturierte Kooperationskontexte definiert, in
denen die Arbeit an einer zu entwickelnden Dienstleistung aufgabenbezogen und
21
kooperativ durchgeführt wird. In einem Raum wird das relevante Material samt
zugehöriger Werkzeuge zur Bearbeitung bereitgestellt. Die Nutzung der Raummetapher hat den Vorteil, dass die Anwender möglichst viel ihres existierenden Arbeitsverständnisses aus der realen Arbeitswelt auf die Anwendung der Workbench
übertragen können. Daneben stehen ihnen ergänzend zu den bisherigen Möglichkeiten, Material bearbeiten zu können, aufgabenbezogene Software-Werkzeuge
zur Verfügung, welche die Arbeit am gemeinsamen Material unterstützen.
Am Beispiel der Entwicklung eines Geschäftsmodells für eine Dienstleistung wird
die Notwendigkeit der flexiblen Verfügbarkeit unterschiedlicher Räume deutlich.
So erfolgt die Entwicklung eines Wertversprechens im Geschäftsmodellraum.
Hier stehen Kalkulationstools und Tools zur systematischen Beschreibung der
Komponenten eines Geschäftsmodells zur Verfügung. Ausgangspunkt dieser
Entwicklung ist die Dienstleistungsidee, die in einer gemeinsamen Strategiesitzung mit dem Top-Management, Service-Entwicklern und Marketing im Sitzungsraum entwickelt wird. Aufbauend auf einem Geschäftsmodell wird im Entwicklungsverlauf eine Dienstleistungsarchitektur im Konzeptionsraum entwickelt.
Das Service Engineering ist hinsichtlich der Zusammenarbeit der Akteure nicht
als determinierte sequenzielle Abfolge von Aktivitäten zu betrachten. Vielmehr
sind in unterschiedlichen Phasen je nach Komplexität der angestrebten Leistung
Rückkopplungen mit anderen Arbeitskontexten nötig, wie beispielsweise eine
Meilensteinsitzung im Sitzungsraum zum Entwicklungsstand des Geschäftsmodells. Auch wenn eine Dienstleistung bereits implementiert ist und am Markt
angeboten wird, kann die Verbesserung des Geschäftmodells eine Aufgabe des
Service Engineerings sein und muss entsprechend durch einen Zugang zum Geschäftsmodellraum sichergestellt werden.
Eine wichtige Bedeutung hat die grundlegende Ausgestaltung der unterschiedlichen Räume der Service-Workbench. In ihnen müssen kontextspezifische Software-Werkzeuge zur Verfügung gestellt werden, die eine Bearbeitung der Materialien und Daten in geeigneter Weise unterstützen. So ist beispielsweise bei der
Service-Engineering Gestaltung ein Modellierungswerkzeug notwendig, das die
Darstellung von Entwicklungsprozessen in geeigneter Weise unterstützt. Zur
Sicherstellung dieser Arbeit ist die Festlegung grundlegender Arbeitsaufgaben
und Arbeitsabläufe im Rahmen der Service-Engineering Gestaltung in einem
22
Raum unerlässlich. Einen Überblick über die grundsätzliche Wahrnehmung der
Raumgestaltung aus Akteurssicht und der Materialflüsse gibt Abbildung 5.
Sitzung
Arbeitsbereich
RaumNavigation
Teamablage
Werkzeuge
Aufgaben
Dokumentenmanagement
(Sicht)
persönlicher
Schreibtisch
persönlicher
Schreibtisch
XOR
XOR
Material
Version
n
Material
Version
n+1
Abbildung 5: Konzeption eines Raumes und Materialflüsse
Nach dem Login in einen Raum findet ein Akteur entsprechend seiner Rolle eine
angepasste Arbeitsumgebung vor. Im Zentrum steht hierbei der persönliche
Schreibtisch, worauf grundsätzlich mit Hilfe der Werkzeuge, wie sie im folgenden
Kapitel näher beschrieben werden Materialien bearbeitet werden. Die Materialien
werden hierfür aus dem Dokumentenmanagement, über eine raum- und rollenspezifische Sicht präsentiert, und in unterschiedlicher Weise für die Bearbeitung zur
Verfügung gestellt. Grundsätzlich können diese Materialien in Einzelarbeit auf
einem eigenen persönlichen Schreibtisch eines Akteurs oder in gemeinsamen
Sitzungen gleichzeitig von mehreren Akteuren bearbeitet werden. Über die Teamablage werden Dokumente dann zur Weiterbearbeitung an weitere Akteure weitergeleitet oder zur Einsicht freigegeben. Für Sitzungen stehen spezifische Werkzeuge für synchrone Situationen zur Verfügung. Auf dem persönlichen Schreibtisch ist es einem Akteur möglich beliebig viele versionierte Kopien des Ursprungsdokuments zu bearbeiten, ohne dass diese Dokumente für andere sichtbar
sind. Dies ist wichtig, wenn beispielsweise ein neues Geschäftsmodell entwickelt
werden soll. Hier muss genügend Raum existieren um den Akteuren eine vertrauliche Umgebung für experimentelle Versionen eines Materials zur Verfügung zu
23
stellen. Nach dem Abschluss der Bearbeitung eines Materials wird dieses entweder als aktualisierte Version bereitgestellt oder aber als gänzlich neue Version
veröffentlicht.
5
Werkzeuge der Service Engineering-Workbench
Aufbauend auf den Funktionen der Kooperationsplattform werden für das Service
Engineering spezifische Werkzeuge integriert, welche die effiziente Planung,
Konzeption und Evaluation von Dienstleistungen in geeigneter Weise unterstützen. Im Rahmen des pro-services Projekts wird ein Modellie-rungswerkzeug mit
einer Kooperationsplattform spezifisch für das Service Engi-neering verbunden,
ebenfalls wird ein Sitzungsunterstützungssystem, also eine Kooperationsplattform
für synchrone Kooperation am gleichem Ort integriert. Darüber hinaus wird zur
Produktivitätsmessung und Evaluation die Methode PPM (Partizipatives Produktivitätsmanagement) speziell für die Leistungsmessung von Dienstleistungen unterstützt. Mit den Werkzeugen soll insbesondere die Entwick-lung von Geschäftsmodellen und Dienstleistungen mit modularen Service-Architekturen ermöglicht werden. Einen Überblick über die in die Kooperations-plattform zu
integrierenden Werkzeuge gibt Tabelle 2.
Werkzeugname
Beschreibung
Prozessmodellierung
Analyse, Planung und Umsetzung wird durch Prozessmodellierung unterstützt. Präsentation und Anpassung von Prozessmodellen in Sitzungen. Enge Koppelung an asynchrone Kooperationsplattformen. Spezielle Analysen: z.B. Kundeninteraktion identifizieren.
(SeeMe)
Sitzungsunterstützung
(GroupSystems)
Unterstützung synchroner Sitzungen mit den Funktionalitäten:
Agenda, Brainstorming, Kategorisierung, Abstimmung, elektronische Protokollerstellung und Exportfunktion in Workbench. Moderationsleitfäden für die Bereiche Modularisierung, Geschäftsmodellentwicklung, Strategieentwicklung.
Geschäftsmodellentwicklung
Interaktive Entwicklung von Geschäftsmodellen auf Basis von
Best-Practice Prozessen mit den Partialmodellen: Wertversprechen, Ressourcen, Partner&Lieferanten, Einnahmen, Netzwerk,
Wettbewerb und Kalkulation.
Modulare
Servicearchitekturen
Unterstützung der Entwicklung, Verwaltung und Arbeit mit modularen Servicearchitekturen. Merkmale: Konfigurationsmanagement, kundenorientiertes Customizing und LeistungsportfolioManagement.
24
Evaluation
(PPM)
Partizipative Entwicklung, Dokumentation und Auswertung von
Feedbacksystemen zur Produktivitätssteuerung. Dezentrale
Datenverwaltung und automatisierte Generierung von Auswertungen zur Unterstützung von autonomen Teams.
Tabelle 2: Werkzeuge der pro-services Workbench
Ein wesentlicher Aspekt dabei ist, dass die mit den Werkzeugen erstellten Materialien und Dokumente möglichst nahtlos in eine Kooperationsplattform eingebunden werden, damit sie für die weitere Arbeit in anderen Räumen zur Verfügung
stehen. So ist beispielsweise die Verfügbarkeit der Ergebnisse einer Strategiesitzung für die darauf aufbauende Entwicklung eines Geschäftsmodells für eine neue
Dienstleistung notwendig. Im umgekehrten Fall können Sitzungen mit dem
System geplant und vorbereitet werden und Funktionen wie die Vorbereitung
einer Agenda, das Suchen geeigneter und erforderlicher Teilnehmer, deren
Vorabinformation und das Finden von Terminen unterstützt werden.
Neben der Integration von Werkzeugen ist als ein wesentlicher weiterer Aspekt
hier noch die Anbindung existierender Produktivsysteme an eine Kooperationsplattform zu nennen. Für die Bewertung und Gestaltung neuer Dienstleistungsangebote und die Verbesserung der aktuellen Dienstleistungsangebote sind Daten
aus der Dienstleistungserbringung hilfreiche Informationsquellen. Im Dienstleistungsumfeld ist die Integration von CRM-Lösungen ein besonders relevantes
Thema.
In den folgenden beiden Abschnitten wird am Beispiel zweier bisher im Projekt
erprobten Werkzeuge skizziert, wie die Prozessmodellierung und Sitzungsunterstützung im Service Engineering mit einem Kooperationssystem zusammenspielen
können. Die Implementierung der Kooperationsplattform und Realisation der
Schnittstellen befindet sich derzeit in der Realisationsphase, so dass an dieser
Stelle noch kein tieferer Einblick möglich ist.
5.1
Prozessmodellierung im Service Engineering
Für die Planung, Analyse und Einführung von Dienstleistungsprozessen, Aufgaben die vorwiegend in den Räumen „SE-Gestaltung“ und „Implementierung“
geleistet werden, sind Modellierungswerkzeuge nützliche Instrumente. Die Er-
25
gebnisse von Modellierungsaktivitäten stehen aber direkt nicht einem (asynchronen) Gruppenprozess zur Verfügung. Das Sammeln von Rückmeldungen und
Anmerkungen, die Aushandlung von Lösungen mit den Beteiligten wird in den
gängigen Prozessmodellierungswerkzeugen nur schlecht unterstützt. Entsprechend
ist es sinnvoll die Funktionalität von kooperationsunterstützenden Plattformen für
diesen Zweck zu nutzen. Dies kann für unterschiedlichste Aufgabenbereiche erfolgen. Die Bekanntgabe und Verteilung kann auf einfache Weise mit solchen
Plattformen unterstützt werden, in dem die Dokumentenablagefunktionalität beispielsweise für Grafikexports von Modellen genutzt wird. Weitere Funktionen
stehen dann z.B. zur Kommentierung solcher Diagramme zur Verfügung. Für die
Sammlung konkreter Rückmeldungen ist es aber auch sinnvoll eine feinere Granularität zu wählen und Beschreibungen von Elementen und z.B. hierarchische
Strukturen und Relationen zwischen Elementen in eine Navigationsstruktur in
einem Dokumentenmanagementsystem zu übertragen. Dort können dann Kommentare an die entsprechende Stelle gehängt werden und auch beschreibende
Texte direkt modifiziert und ergänzt werden.
Dazu ist es notwendig die Struktur von Modellen wie sie in Metamodellen beschrieben wird zum Teil in das Kooperationssystem zu exportieren und dort zum
Aufbau von Strukturen und Dokumenten zu benutzen. Ein solcher Austausch lässt
sich auf der Basis von XML erreichen. Auch der entsprechende Rückimport ist
auf dieser Basis möglich, so dass die Kommentare und Änderungen auch in geeigneter Weise im Modellierungswerkzeug repräsentiert werden können. (vgl.
Abbildung 6)
26
Dokumentenstruktur im
Kooperationssystem
1
1
2
4
6
7
3
5
2
Modellierungswerkzeug
3
1
4
6
7
XML
2
4
6
3
5
7
5
Abbildung 6: Erzeugung und Modifikation von Strukturen im Modellierungswerkzeug und in der Kooperationsplattform
Analysen von Modellen können in ähnlicher Weise auf einer Kooperationsplattform zur Verfügung gestellt werden und so z.B. einem gemeinsamen Interpretationsprozess zur Verfügung stehen, in dem die notwendigen Schlussfolgerungen
getroffen werden. Solche Analysen können in einem moderierten Prozess auch
dazu verwendet werden, bestimmte Aspekte und Eigenschaften von Dienstleistungen in den Vordergrund von Diskussionen zu stellen und Modelle und Prozesse mit Hinblick auf verschiedene dienstleistungsrelevante Zieldimensionen zu
untersuchen. Ein Beispiel hierfür ist die Frage des externen Faktors (also der Präsenz, Verfügbarkeit etc. des Objekts, an dem eine Dienstleistung durchgeführt
wird) und die daraus resultierende angepasste Gestaltung des Dienstleistungsprozesses, die sich auf diesen Kundenkontakt hin orientieren soll. Die Ergebnisse
einer solchen Analyse sollten dazu dem kooperativen Prozess zur Verfügung
stehen.
27
Abbildung 7: Screenshot des Modellierungwerkzeugs SeeMe (Beispiel: Workflow
„PDF-Erzeugung“) [14]
5.2
Synchrone Sitzungsunterstützung im Service Engineering
Wesentliches Element des Raumes „Sitzung“ ist die Integration eines ElectronicMeeting Systems (EMS) [15]. Der Fluss der Dokumente zwischen synchroner
Arbeit während Sitzungen und asynchroner Arbeit in den anderen Räumen kann
durch die Integration des EMS in die Workbench ohne Medienbrüche organisiert
werden. Neben Terminabsprachen und Planungsdokumenten, beispielsweise für
die Agenda von Treffen, finden sich im asynchronen System auch alle inhaltlich
relevanten Dokumente. Diese können direkt in das EMS übernommen werden und
stehen dort für das Treffen zur Verfügung. Weitere Arbeitsergebnisse aus einem
Brainstorming z.B. stehen unmittelbar nach der Sitzung jedem zur Verfügung. Ein
positiver Effekt ist hier vor allen Dingen durch die Vermeidung von Medienbrüchen zu erwarten: Plakate und Notizen müssen nicht zusätzlich gescannt oder
fotografiert und in das System übertragen werden.
So wird zur Unterstützung synchroner Sitzungen bei der Dienstleistungsentwicklung das EMS GroupSystems eingesetzt. Hier werden Funktionen wie Agen-
28
daerstellung, elektronisches Brainstorming, Kategorisierung, Abstimmung, Alternativenanalyse und die automatische Protokollierung unterstützt. Einen Einblick
in die Funktionsweise geben untenstehende Abbildungen [16].
Abbildung 8: GroupSystems Agenda /Brainstorming (Beispiel)
Die Technische Lösung dieses Integrationsproblems ist wiederum ähnlich dem der
Modellierung. Einerseits kann man Dokumente ablegen, die Ergebnisse dokumentieren. Die Realisierung einer feineren Granularität kann aber wiederum gleichzeitig zu einem höheren Nutzen führen, weil die Möglichkeiten der Kooperationsplattform besser ausgeschöpft werden können. Also können hier beispielsweise
hierarchische Strukturierungen, wie sie mit Mindmaps dargestellt werden in analoge Strukturen in der Plattform überführt werden. Jeder einzelne Beitrag eines
systemunterstützten Brainstormings, kann dadurch als Idee in einem Diskussionsforum auftauchen. Ideen lassen sich dann beispielsweise auch bei weiteren Mitarbeitern, Kunden und Partnern zur Diskussion stellen, so dass dort zusätzliches
Feedback eingeholt werden kann.
29
5.3
Beispielszenario eines
Dienstleistungskooperationsprozesses
Um zu verdeutlichen, wie die unterschiedlichen Komponenten einer Workbench
die Entwicklung von Dienstleistungen unterstützen können, wird an dieser Stelle
ein exemplarisches Szenario aus der Dienstleistungsentwicklung beschrieben. In
der Beschreibung des Ablaufs finden sich die verwendeten Funktionen der Kooperationsplattform (vgl. Abbildung 3), verwendete Werkzeuge und die Räume in
denen gearbeitet wird.
Bei einem IT-Dienstleister wird geplant das Application Hosting Angebot um ein
weiteres Produkt zu ergänzen. Die Leistung einen Kooperations-Server zu hosten
soll zukünftig das Angebot erweitern. Um die nötigen Planungen für dieses Angebot durchzusprechen treffen sich einige Partner, nachdem sie auf der Kooperationsplattform
einen
entsprechenden
Termin
gefunden
hatten
(Gruppenterminkalender): Ein Vertriebsmitarbeiter hat bereits einen Kunden, der
dieses Angebot nachgefragt hat, Mitarbeiter aus dem Marketing soll die gesamte
Angebotspalette aufeinander abstimmen und ein Mitarbeiter aus dem
Rechnerbetrieb und der Abteilung Rechnereinrichtung sind ebenfalls beteiligt.
Ziel des Treffens ist es die Dienstleistung genauer zu beschreiben und offene
Fragen zu erarbeiten, die in der Nacharbeit zu klären sind. Dabei stehen die
Anforderungen des konkreten Kunden zunächst im Vordergrund. Die Sitzung und
deren Ergebnisse des Treffens werden mit dem EMS, das im Sitzungsraum der
Workbench zur Verfügung steht, gesammelt und stehen direkt im Anschluss allen
Teilnehmern in der Kooperationsplattform (Shared Workspace) zur Verfügung.
Aus dem Treffen resultierten auch eine Reihe von Aufgaben, die in einer Aufgabenliste gesammelt wurden. Insbesondere sollten bestimmte Detailfragen geklärt
werden. Durch die Kooperation mit den technischen Abteilungen sind einige
Details als Fragen an den Kunden und an den Softwareanbieter aufgeworfen worden. Die entsprechenden Fragen werden nach dem Treffen von den Technikern
detailliert und dem Vertriebsmitarbeiter über die Plattform zugeleitet (PushDienste), der die Klärung mit dem Kunden und dem Softwareanbieter durchführt.
Das Ergebnis wird wieder entsprechend dokumentiert (Shared Workspace). Nach
zwei Zyklen der Klärung mit dem Kunden stehen genügend Informationen zur
Verfügung um das Angebot inhaltlich und preislich zu gestalten. Dazu ist auch
30
bereits von Mitarbeitern der Rechnereinrichtung und des Betriebs eine grobe
Vorgehensweise mit einem Prozessmodellierungstool (Konzeptionsraum) beschrieben und diskutiert worden. Es soll ein weiteres Treffen geben, bei dem der
Prozess genauer ausgestaltet werden soll. Das Marketing und der Vertrieb sind
nicht unmittelbar betroffen, sollen aber die Prozessbeschreibung vorab entsprechend prüfen (Shared Workspace). Im Raum „Infothek“ wird nach bestimmten
Begriffen gesucht, um Mitarbeiter mit entsprechenden Erfahrungen zu finden, die
in der Diskussion beteiligt werden sollten. Im Unternehmen findet sich dazu aber
niemand, der bereits Erfahrungen mit dem gewünschten oder einem ähnlichen
System hat. Entsprechend wird ein Partner in einem kooperierenden Beratungsunternehmen gebeten, der sich bereits mit entsprechenden Systemen auskennt, an
den Gesprächen teilzunehmen. Zur Vorinformation können einige der Dokumente
von dem Partner in der Kooperationsplattform eingesehen werden (Shared
Workspace). Einige Anmerkungen hat der Partner sofort und kann sie in dem
System entsprechend einfügen (Diskussion).
Bei dem Treffen wird dann über den Ablauf der Dienstleistung detailliert gesprochen. Wobei die vielen wertvollen Hinweise im EMS gesammelt werden und
anschließend von einem Mitarbeiter zur Korrektur der Modelle für das Vorgehen
verwendet werden (Shared Workspace). Allen wird das abschließende Dokument
noch mal zur Prüfung im System zugeleitet (Notification). Erst nachdem bestimmte Personen dem Ergebnis abschließend zugestimmt haben, wird der Prozess freigegeben (Workflow) (Konzeptionsraum).
Das aktuelle Ergebnis des Dienstleistungsgestaltungsprozesses ist ein Angebot für
einen konkreten Kunden und eine detaillierte Vorgehensweise zur Erbringung
dieser Dienstleistung. Nachdem die Leistung beauftragt und ausreichend Erfahrungen aus der Erbringung vorhanden sind, soll das Angebot verallgemeinert
werden, um es leichter anderen Kunden anbieten zu können. Dazu werden in
Zusammenarbeit der technischen Abteilungen und dem Vertrieb die Angebotsbestandteile und Auswahlalternativen in eine Checkliste mit entsprechenden Preismodellen umgewandelt und dazugehörende Vertragsbausteine entwickelt (Konzeptionsraum). Die Vertragsbausteine werden von einem Rechtsanwalt geprüft
(Push Dienste). Zusätzlich wird das Prozessmodell von einem Mitarbeiter vor
dem Hintergrund der gemachten Erfahrungen aus der Praxis korrigiert und für
weitere Kunden verallgemeinert. Neben den konkreten Dokumenten für den Pi-
31
lotkunden stehen also im Anschluss an den Prozess auch allgemeine Dokumente
zur Gestaltung des Angebots mit einem Kunden zur Verfügung. Einen Überblick
der Kooperationsbeziehungen in und zwischen den Räumen aus dem dargestellten
Beispiel wird in Abbildung 9 gegeben.
Geschäftsmodell
Manage ment
Marketing
Sitzungsraum
Vertrieb
Evaluation
Implementierung
DL Erbringer
DL Erbringer
Marketing
Vertrieb
Konzeption
Service Archit.
DL Erbringer
Marketing
Abbildung 9: Interaktionsnetz in den Räumen zum Szenario
An diesem exemplarischen Ablauf zeigen sich schon viele unterschiedliche notwendige und hilfreiche Kooperationsschritte und wie sie sich durch die skizzierten
technischen Systeme fördern lassen. Die Förderung der Innovationsbereitschaft ist
beispielsweise vordringlich als kulturelles Phänomen zu betrachten, das aber
durch ein entsprechendes kooperatives Milieu gefördert wird. Bestimmte Kooperationen können auf derartigen Plattformen sichergestellt werden (Rechtsabteilung, Controlling, Risikoabschätzungen), andere werden möglich und unterstützt
(externe Partner). Am Beispiel kann man erkennen, dass die Kooperation unterschiedliche Sichten in den Entwicklungsprozess eines Dienstleistungsangebots
einbezieht was sich auf unterschiedliche Ebenen mit Bezug auf die Herausforderungen auswirkt:
32
-
Prozesse der Erbringung sind frühzeitig schon mit anderen Prozessen zu
integrieren.
-
Wirtschaftlichkeit, Risiken etc. lassen sich frühzeitig im Angebot berücksichtigen.
-
Erbringende Abteilungen und Vertrieb/Marketing können Hand in Hand an
der Planung und Erbringung einer hochwertigen Dienstleistung arbeiten.
-
Customizing und Individualisierung zeigen sich in einem solchen Prozess
nicht als Gegensatz zu Standardisierung. Durch die Unterstützung kooperativer Prozesse besteht die Möglichkeit eines effizienten Ausgleichs.
Eine starke Kooperation der unterschiedlichsten Beteiligten in Dienstleistungsunternehmen vermag auf unterschiedlichen Ebenen zu einer guten Dienstleistung
beizutragen. Technische Kooperationsplattformen sind dazu sicherlich nicht als
hinreichend anzusehen, vielmehr können solche Plattformen dazu beitragen, die
zeitlich/räumlichen Randbedingungen zu überwinden und Kooperation auch dort
zu ermöglichen, wo sie ohne solche Möglichkeiten nur sehr eingeschränkt möglich ist.
6
Zusammenfassung und Ausblick
In der Service Engineering-Workbench wird die Entwicklung neuer Dienstleistungen für die beteiligten Akteure mit der Bereitstellung einer Kooperationsumgebung und die Integration notwendiger Werkzeuge unterstützt. Das Service Engineering wird hierbei nicht als ein starrer Workflow-Prozess verstanden sondern
stellt mit dem Raumkonzept für das Service Engineering einen Zugang über typische Arbeitskontexte zur Verfügung. Hier werden entsprechend der Rolle, die
einem Akteur zugewiesen ist, Werkzeuge und Materialien kontextspezifisch bereitgestellt. Die konkreten Aufgaben für die Entwicklungstätigkeiten sind im
Raum gekapselt und können vom Akteur unter Zuhilfenahme der Werkzeuge und
Kooperationsinstrumente individuell ausgeführt werden. Durch die Verfügbarkeit
dieser semi-strukturierten Umgebung wird den Akteuren bei ihrer Entwicklungstätigkeit ein hohes Maß an Freiheit für die kreative Realisierung einer Dienstleistungsidee gegeben. Gleichzeitig wird sichergestellt, dass notwendige Instrumente
33
und Informationen in angemessener Weise zur Verfügung stehen. Weiter kann die
Unterstützung des Service Engineering durch die Implementierung domänenspezifischer Aufgaben und Entwicklungsprozesse in die Workbench konkretisiert
werden. Im pro-services Projekt wird bspw. in den Domänen IT-Dienstleistungen,
Schulungsdienstleistungen, Beratung und Facility Management gearbeitet.
Die Bewältigung der eingangs genannten Herausforderungen im Wettbewerb der
Dienstleistungsbranche können durch den Einsatz der Service Engineering Workbench auf effiziente Art und Weise unterstützt werden. Letztendlich ist hierbei die
Flexibilität und Innovationskraft eines Dienstleisters der entscheidende Erfolgsfaktor. Besondere Bedeutung bei der Realisation dieser Dienstleistungsinnovationen hat der Aufbau von Human-Resources in der Rolle des Service-Architekten.
Er stellt sicher, dass Dienstleistungsideen in angemessener Zeit und höchster
Qualität zu Dienstleistungsprodukten entwickelt werden.
Literaturverzeichnis
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