Fachhochschule Aargau Nordwestschweiz Nachdiplomkurs Betriebswirtschaft und Marketing Regina Jenni Die Bedeutung eines Marketing- und Kommunikationskonzepts für einen kleinen Berufsverband im Sozial- und Bildungsbereich dargestellt am Beispiel des Deutschschweizer Logopädinnen- und Logopädenverbandes DLV Abschlussarbeit der Fachhochschule Aargau Nordwestschweiz, Departement Soziale Arbeit, Abteilung Weiterbildung eingereicht im Mai 2003 zum Erwerb des Zertifikats «Betriebswirtschaft und Marketing» Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 2 2. Grundsätzliche Gedanken zur Bedeutung des Marketings 3 2.1. Der Berufsverband als "Selbsthilfe-NPO" 3 2.2. Der Marketing Mix im 4-P-Modell 4 2.3. Die Bedeutung der Anspruchsgruppen (Stakeholder) 6 2.4. Die vier Felder des NPO-Marketings 6 2.5. Image und Identität (Corporate Identity) 8 3. Marketing- und Kommunikationsbedarf des DLV 10 (Situations-Analyse) 3.1. Der DLV in seinem Umfeld und mit seiner Geschichte 10 3.2. Sinn und Zweck eines Marketing- und Kommunikationskonzeptes 11 3.3. Marketing- und Kommunikationsziele 11 3.4. Anspruchsgruppen und Zielpublikum 13 3.5. Inhalte und Botschaften 14 3.6. Kommunikationsträger und Kommunikationsmittel 15 3.7. Beurteilung der Ausgangslage 16 4. Wichtige Punkte eines Marketingkonzepts für den DLV 17 (Strategie) 4.1. Grundgedanken zur Konzeptentwicklung 17 4.2. Zielsetzung 18 4.3. Dialoggruppen 18 4.4. Kommunikationsinhalte 20 4.5. Qualitätskriterien und Leitsätze 20 4.6. Gewichtung 21 5. Folgerungen für den DLV (Umsetzung) 23 5.1. Ständige Kommission für Marketing und Kommunikation 23 5.2. Bestehendes pflegen und weiterentwickeln 23 5.3. Koordination der Aktivitäten 24 5.4. Kick-off-Veranstaltung 25 5.5. Wirkungs- und Erfolgskontrolle 25 6. Schlussgedanken 27 Verwendete Quellen 28 Anhang: Statuten, Leitbild, Jahresbericht 2003 29ff 1 RJ03 1. Einleitung Der "Deutschschweizer Logopädinnen- und Logopädenverband" (DLV) ist ein Verein im Sinne von Art. 60ff des Schweizerischen Zivilgesetzbuches. Mitglieder sind die regionalen und kantonalen Deutschschweizer Berufsverbände. Die Logopädinnen und Logopäden dieser Kantonal- und Regionalverbände sind gleichzeitig Mitglieder des DLV. Der deutschschweizer Dachverband besteht in dieser Form seit 1985, nachdem der Versuch, einen gesamtschweizerischen Dachverband zu gründen, scheiterte. Mit einem begrenzten Mitgliedervolumen von ca. 1500 Logopädinnen und Logopäden, den stark föderalistischen Strukturen und den beschränkten finanziellen Mitteln sind den Möglichkeiten dieses Berufsverbandes Grenzen gesetzt. Der Verband ist getragen von sehr engagierten Logopädinnen und Logopäden, die 1996 für den Verband ein Leitbild sowie Aussagen zur Verbandspolitik (siehe Anhang) erarbeiteten. Nur ein Jahr später wurden aufgrund dieses Leitbildes die Statuten (siehe Anhang) überarbeitet und verabschiedet. Um eine möglichst hohe Partizipation zu erreichen, wurde die Delegiertenversammlung auf rund 100 Mitglieder erweitert. Dem Vorstand von bis zu 9 Mitgliedern steht eine Geschäftsstelle zur Seite, die zur Zeit mit einer 50% Stelle für die Geschäftsleitung und 50% Sekretariat dotiert ist. In Kommissionen und Arbeitsgruppen, die aus aktiven und an den spezifischen Themen interessierten Mitgliedern bestehen, werden aktuelle Geschäfte vorbereitet. In den Aussagen zur Verbandspolitik definierte der DLV, passend zum Leitbild, unter Punkt 5 Öffentlichkeitsarbeit als Basisdienstleistung. Schon seit längerem besteht verbandintern der Wunsch, ein eigentliches "PR-Konzept" für den Verband zu erarbeiten. So wurde vor einem halben Jahr eine Arbeitsgruppe gebildet, die den Auftrag erhielt, sich dieser Frage anzunehmen. Ich wurde angefragt mitzuarbeiten und sagte gerne zu, weil ich mir erhoffte, Neues zu lernen und vor allem Wissen aus dem geplanten NDK «Betriebswirtschaft und Marketing» direkt anwenden zu können. In dieser Arbeit will ich nun das theoretisch gelernte Wissen über Marketing praktisch umsetzen und am Beispiel des Deutschschweizer Logopädinnen und Logopädenverbandes anwenden. Als Grundlage dient mir meine bald 25-jährige Berufserfahrung als Logopädin und die durch meine Tätigkeit als Ausbildnerin und Supervisorin erworbenen Feldkenntnisse. Aktuell ergänzt wird dies durch die in der "Arbeitsgruppe PR" erarbeitete Situationsanalyse und den in der Diskussionsrunde entstandenen Ideenpool. Folgenden Fragen soll in dieser Arbeit nachgegangen werden: - Welchen Stellenwert hat Marketing für einen Berufsverband wie den DLV? - Welchen Marketing und Kommunikationsbedarf hat dieser Berufsverband? - Wie müssten die wichtigsten Punkte einer Marketingstrategie definiert werden? - Welche konkreten Umsetzungsideen lassen sich aus diesen Überlegungen ableiten? 2 RJ03 2. Grundsätzliche Gedanken zur Bedeutung des Marketings für einen Berufsverband "Marketing ist ein Prozess im Wirtschafts- und Sozialgefüge, durch den Einzelpersonen und Gruppen ihre Bedürfnisse und Wünsche befriedigen, indem sie Produkte und andere Dinge von Wert erzeugen, anbieten und miteinander austauschen." (Kotler/Biemel 1999, zit. in Frey 2002, 8) Wenn man von der obigen Definition zum Begriff Marketing ausgeht, kann man sich zu Recht fragen, was ein Berufsverband damit zu tun hat. Und doch, ein Berufsverband setzt sich ja aus Menschen zusammen, die gemeinsame Bedürfnisse und Wünsche, gemeinsame Interessen haben. Sie wollen zum Beispiel für ihren Berufsstand bessere Arbeitsbedingungen aushandeln. Sie wollen sich für die Qualität ihres Berufes stark machen. Sie wollen den Nutzen ihres Berufsstandes in der Öffentlichkeit bekannt machen. Im Leitbild des DLV kommen diese Wünsche in den obersten Verbandszielen (Punkt 3, siehe Anhang) klar zum Ausdruck. Damit ist der Schritt klein zur 'Produktion': Der Verband entwickelt ein aktuelles Berufsbild und baut eine Dokumentationsstelle auf. Er vernetzt sich mit anderen Interessensgruppen, nimmt Einfluss auf aktuelle politische Prozesse, erarbeitet Richtlinien für Anstellungsmodalitäten, entwickelt ein Papier zur Qualitätsentwicklung, etc. All diese Produkte werden den Mitgliedern und weiteren Interessierten angeboten. Da aber ein Berufsverband nur ein Organ ist und letztlich durch die Aktivitäten einzelner Mitglieder getragen wird, muss es zu einem aktiven Austausch untereinander kommen. Marketing, in diesem Sinne verstanden, findet also einfach statt. Ein Berufsverband betreibt Marketing, ob er will oder nicht. Deshalb geht es wohl weniger um die Frage, ob Marketing wichtig sei. Vielmehr stellt sich die Frage, wie das Marketing eines Berufsverbandes optimiert werden kann, damit die Verbandsziele im Dienste der Mitglieder und deren 'Kunden' erreicht werden können. Welches sind die Merkmale einer guten Marketingstrategie für einen Berufsverband? Was muss dabei beachtet werden? 2.1. Der Berufsverband als "Selbsthilfe-NPO" In einem Berufsverband sind die Mitglieder die primären und direkten Nutzniesser. Die Organisation erbringt spezifische Leistungen für ihre Mitglieder. Sie fördert und vertritt die wirtschaftlichen und berufspolitischen Interessen der Mitglieder. Ein Berufsverband kann so gesehen als privatwirtschaftliche Bedarfswirtschaft bezeichnet und in die Gruppe der Selbsthilfe-NPO eingereiht werden. (vgl. Putschert 2001: 53) Die Organisation Berufsverband deckt also einen Eigenbedarf ihrer Mitglieder. Die Mitglieder sind somit auch die direkten Kunden. Sie bestimmen demokratisch (direkt) über 3 RJ03 die Leistungen oder erzwingen durch indirektes Verhalten (Wahl der Organe, Bereitstellen von Finanzmitteln, Eintritt/Austritt, Apathie) mitgliedergerechte Entscheide der Leitungsorgane. Die Organisation 'produziert' neben Individualgütern viele Kollektivgüter, die der ganzen oder einem grossen Teil der Berufsgruppe zugute kommen. Dabei profitieren auch jene Berufsleute, die nicht Mitglied des Verbandes sind und also keinen finanziellen Beitrag leisten (Trittbrettfahrer). Als Finanzierungsquellen stehen primär die Mitgliederbeiträge zur Verfügung. Eventuell können durch den Verkauf von bestimmten Dienstleistungen zusätzliche Geldquellen geschaffen werden. In den Leitungsorganen (Vorstand) sitzen ehrenamtlich tätige Mitglieder (Milizer). Einzelne Teilaufgaben können im Arbeitsvollzug vergeben werden. Diese Möglichkeit ist aber stark von der Grösse des Verbandes und den damit zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln abhängig. Leisten Profis einen Teil der Arbeit, z.B. eine Geschäftsstelle, müssen diese eng mit den Miliz-Führungsgremien zusammenarbeiten, was nicht selten zu Schwierigkeiten führen kann. Weiter ist es in einer "Selbsthilfe-NPO", wie einem Berufsverband schwierig, den Erfolg zu kontrollieren. Indikatoren für die Gesamteffizienz sind nicht vorhanden, eine Zieloperationalisierung und Nutzenmessung ist erschwert. Gewisse Zielerreichungen können über den Jahresbericht und das Tätigkeitsprogramm abgeleitet werden. Die Organisationsstruktur ist föderalistisch aufgebaut. Häufig sind die Kompetenzregelungen unklar und es gibt oft keine zentrale Steuerungskompetenz. Die Abstimmung zwischen der Zentrale und Dezentrale findet auf der Basis von Freiwilligkeit und Goodwill statt. Es sind komplizierte Verhandlungs- und Abstimmungsprozesse notwendig. In so einem Umfeld fehlt es meist an einer passenden Marketing-Infrastruktur und vor allem fehlt es an einer geeigneten Marketing-Strategie. (vgl. Purtschert 2001: 58ff) 2.2. Der Marketing Mix im 4-P-Modell Im klassischen Marketing müssen die "vier P"s: Product, Price, Promotion, Place stimmen. Wie können diese vier klassischen Marketingelemente für einen Berufsverband verstanden werden? Ein Berufsverband ist eine "Sinnorganisation". Die sinnvolle Sache steht im Vordergrund: eine erhöhte Attraktivität und ein höheres Ansehen des Berufes soll erreicht werden. Durch die Stärkung der Identifikation der Berufsleute kann gemeinsam effizienter und effektiver für berufspolitische Anliegen wie angemessene Lohn- und Arbeitsbedingungen gekämpft werden. Auf diesem Hintergrund sind die "vier P"s genauer zu betrachten 4 RJ03 Product Price Berufsbild, Mitgliederbei- Anstellungs- träge, Zeit für bedingungen, Mitarbeit Rechtshilfe etc. Promotion Place Kommunikation Kommunikations- mit allen An- wege spruchsgruppen 1. Produkt- oder Leistungsangebot (Product): Der Verband erarbeitet ein gemeinsames Berufsbild, verhandelt mit Arbeitgebern über Lohnforderungen, bietet rechtliche Unterstützung bei Arbeitsproblemen an, führt eine Dokumentationsstelle usw. Alle 'produzierten Produkte' dienen dem übergeordneten Ziel, die Attraktivität des Berufes zu steigern. Viele dieser Produkte sind letztlich Kommunikationsleistungen. Mit den Mitgliedern müssen die Ziele abgesprochen werden. Mit möglichen Kostenträgern müssen Verträge ausgehandelt werden. Den Leistungsbeziehern muss das Angebot attraktiv kommuniziert werden. 2. Preispolitik (Price): Die Mitglieder zahlen einen Mitgliederbeitrag für die Leistungen des Verbandes. Sie müssen überzeugt sein, dass es sich lohnt, diesen Betrag zu zahlen. Ebenso müssen für die anfallenden Arbeiten Mitglieder aktiviert werden, Zeit zur Verfügung zu stellen. Dazu ist eine offene Kommunikationskultur notwendig. 3. Kommunikationspolitik (Promotion): Die Mitglieder des Verbandes müssen die Leistungen kennen. Ebenso muss das Angebot dieser Berufsgruppe der Öffentlichkeit sowie den Politikern und den potentiellen Klienten bekannt sein. 4. Distribution (Place): Das Angebot des Verbandes muss am richtigen Ort, bei den richtigen Menschen und zum richtigen Zeitpunkt bekanntgemacht werden. Die Kommunikationswege müssen bekannt sein und definiert werden. 5 RJ03 So gesehen ist für einen Berufsverband im Marketing-Mix die Kommunikation der Leistungsangebote (Promotion) am stärksten zu gewichten. Eine Marketingstrategie in diesem Sinne verstanden, ist letztendlich eine Kommunikationsstrategie. 2.3. Die Bedeutung der Anspruchsgruppen (Stakeholder) Im NPO-Bereich kann Marketing als Management von wichtigen Austauschbeziehungen verstanden werden (vgl. Purtschert 2001: 92). Dazu ist es notwendig, dass verschiedene Anspruchsgruppen (Stakeholder) definiert sind. Für einen Berufsverband im Sozial- und Bildungsbereich sind dies neben der angesprochenen Berufsgruppe sicher auch deren Klienten, die allgemeine Öffentlichkeit, die Ausbildungsinstitutionen, die politischen Behörden, die potentiellen Auftraggeber, sowie Berufs- und Interessensgruppen, die sich in ähnlichen Bereichen bewegen. All diese Gruppierungen müssen angemessen in einer Marketingstrategie Beachtung finden. Dabei muss das zu erreichende Ziel sorgfältig im Auge behalten werden. Warum will resp. muss man wen worüber informieren? Wer soll in einen bestimmten Prozess wann einbezogen werden? Bei wem will man was erreichen? Insofern gibt es keinen eindeutigen Kundenkreis. Dieser muss je nach Thematik definiert werden. Vielmehr wird es oft darum gehen, die traditionelle Marketing-Philosophie durch eine Partizipations-Philosophie zu ergänzen. So werden über partizipative Willensbildungsprozesse möglichst alle von den Entscheiden Betroffenen einbezogen. Das führt in aller Regel zu eine Horizonterweiterung und damit zu Lernprozessen. Damit werden letztlich die Erwartungshaltungen beeinflusst, was eine kooperativeres Angehen beim Lösen von Problemen ermöglicht. (vgl. Purtschert 2001: 92f) 2.4. Die vier Felder des NPO-Marketings Public Relation, Werbung und Öffentlichkeitsarbeit sind im herkömmlichen Marketing kommunikative Instrumente im Dienste der Promotion. Wie bereits erläutert, kommt in NPOs der Kommunikation ein besonderer Stellenwert zu. Die Kommunikationsleistung ist nicht einfach Mittel zum Zweck (wie im Profit-Maketing), sondern ist häufig sogar das eigentliche Produkt. (vgl. Frey 2002: 47) Im folgenden Modell nach Frey (2002: 46) wird dem Umstand, dass Kommunikation das zentrale Marketinggeschäft ist, Rechnung getragen. Mit Blick auf einen Berufsverband im Sozial- und Bildungsbereich wurden leichte Anpassungen vorgenommen. 6 RJ03 Beziehungs-Marketing Sozial-Marketing Imagepflege Sensibilisierungskampagnen Interessenwahrung mit dem Ziel der Verhaltens- Lobbying änderung und des Wertewandels Public Relation Öffentlichkeitsarbeit Dienstleistungs-Marketing Beschaffungs-Marketing Informationen zu Angeboten, Mitgliederwerbung Produkten und Dienstleistungen Mittelbeschaffung Kundenpflege Freiwilligenarbeit Werbung Fundraising Für einen Berufsverband sind vor allem die oberen beiden Felder von zentraler Bedeutung. Im Bereich des Beziehungs-Marketing gilt es zwei Ebenen zu beachten. Einerseits die Ebene der sich vereinigten Berufsgruppe: Eine gezielte Imagepflege ist eine wichtige Voraussetzung, um einen Berufsstand attraktiv erscheinen zu lassen. Nach innen (Mitglieder) bedeutet das eine vermehrte Auseinandersetzung mit der eigenen Berufsidentität (Corporate Identity) und das Ausarbeiten von Qualitätsstandards. Nach aussen (Leistungsbezieher und Kostenträger) muss dann diese Identität kongruent und ansprechend kommuniziert werden. Die zweite Ebene ist der Verband selbst (sie wird leicht von den Verbandsmitgliedern übersehen): Der Verband muss sich über ein Leitbild klaren Grundsätzen und Zielen verschreiben und so nach innen bei den Mitgliedern das eigene Image aufbauen. Das Erarbeiten eines Corporate Design kann die Entwicklung der Corporate Identity unterstützen. Mit dieser gestärkten Identität kann ein Berufsverband kompetenter und klarer bei Verhandlungspartnern auftreten und seine Anliegen anbringen. Ein gezieltes Lobbying hilft mit, die gesteckten Ziele sicherer zu erreichen. Regelmässige Kontakte zu wichtigen Kommissionen und politischen Schlüsselfiguren erleichtern es einem Verband seinen berufspolitischen Anliegen Gehör zu verschaffen. 7 RJ03 Mit dem Sozial-Marketing und den damit verbundenen Sensibilisierungskampagnen werden nachhaltige Verhaltensänderungen angestrebt. Ein Berufsverband, der sich im sozialen Bereich betätigt, muss es sich mit zur Aufgabe machen, die Gesellschaft für die Anliegen ihrer Klienten zu sensibilisieren. Er macht sich so zum Anwalt der Schwächeren. Diese Art der Öffentlichkeitsarbeit verfolgt in erster Linie eine Besserstellung der sozial benachteiligten Klienten und erst in zweiter Linie die eigenen berufspolitischen Ziele. Dienstleistungs-Marketing ist gerade auch für einen Berufsverband von grosser Wichtigkeit. Um die nötige Mitgliederbindung aufrecht zu erhalten, müssen konkrete Produkte geschaffen werden (z.B. eine Rechtsberatungsstelle, ein Internetportal, Dokumentationen). Dabei müssen die verschiedenen Anspruchsgruppen im Auge behalten und als Kunden wahrgenommen werden. Das Beschaffungs-Marketing gestaltet sich im Rahmen eines Berufsverbandes als relativ kleiner Bereich. Primär werden die finanziellen Mittel über die Mitgliederbeiträge eingebracht. Diese werden aber nur ausreichend fliessen, wenn die anderen drei Marketingbereiche gut bearbeitet werden. Einzelne Projekte könnten über Spenden und Sponsoring finanziert werden. Nicht zu unterschätzen sind die Zeit- und Knowhow-Beiträge von den ehrenamtlich Tätigen in einem Verband. Die geleistete Arbeit kommt einer Naturalspende gleich, die es mit geeigneten Mitteln zu beschaffen gilt. Die Motivation von Freiwilligen, diesen Beitrag zu leisten, muss von der Organisation passend abgegolten werden. Über eine hohe Identifikation mit der Organisation ist es leichter, Mitglieder für die Mitarbeit zu gewinnen. Hier schliesst sich der Kreis mit dem Beziehungsmarketing. 2.5. Image und Identität (Corporate Identity) Eine Organisation wie ein Berufsverband muss laufend kommunizieren und übermittelt so ein Bild über ihre Organisationspersönlichkeit. Sie baut damit ihr Image auf. Neben Kommunikationsaktivitäten (Corporate Communication CC) tut sie dies mit ihrem Erscheinungsbild (Corporate Design CD) und ihrem Verhalten als Organisation (Corporate Behaviour CB). Diese drei Aspekte machen die Unternehmenspersönlichkeit (Corporate Identity CI) aus. (vgl. Zeiter 2003: 42) Zur Corporate Identity könnte man auch noch als vierten Bereich die Corporate Culture (vgl. Frey 2002) dazuzählen. Damit ist der Umgang untereinander gemeint. Diese vier Aspekte sollten möglichst kongruent sein, damit eine klare Identität entstehen kann. 8 RJ03 Corporate Corpora- Behaviour te Corporate Identity Corporate Corporate Communication Culture Verbände, die mitgliedschaftlich strukturiert sind, sind Kooperationen. Die Lösung bestimmter Aufgaben wird von den Mitgliedern an den Verband delegiert . Durch die kollektive Erfüllung dieser Aufgaben entsteht eine kollektive (Teil-) Identität der Mitglieder. Purtschert (vgl. 2001: 145ff) spricht in diesem Zusammenhang von der verbandstypischen Kooperationsidentität (Cooperative Identity COOPI). Er bezeichnet damit "diejenigen Identitätsmerkmale einer Organisation, die sich aus den kooperativen Manifestationen der Organisation und ihrer Mitglieder ergeben." (ebd. 2001: 146) Um die Ziele eines Berufsverbandes erreichen zu können, ist ein gutes Image von zentraler Bedeutung. Dieses entsteht, wenn die Leitvorstellungen, die Aussen - und die Innensicht zu einer hohen Identität gelangen. Für einen Berufsverband kann so einerseits das Verbandsleitbild und andererseits die Erarbeitung eines Berufsbildes wichtige Leitplanken setzen. Wenn sich alle Massnahmen und Handlungen daran orientieren, kann dies sicher zu einer verbesserten Corporate Identity und damit zu einem guten Image beitragen. Noch einmal wird deutlich, wie wichtig die Kommunikation ist, die sowohl intern wie auch extern geführt werden muss. Jeder Berufsverband müsste also über ein Marketing- und Kommunikationskonzept verfügen, das die erwähnten Aspekte einbezieht und alle Anspruchsgruppen im Auge behält. 9 RJ03 3. Marketing- und Kommunikationsbedarf des DLV (Situations-Analyse) Die bisherigen eher allgemein gehaltenen Ausführungen sollen nun konkret bezogen auf den Deutschschweizer Logopädinnen- und Logopädenverband (DLV) angewendet werden. 3.1. Der DLV in seinem Umfeld und mit seiner Geschichte Wie bereits einleitend erwähnt, ist der DLV ein Berufsverband, der die Interessen einer bestimmten Berufsgruppe, die der Logopädinnen und Logopäden, wahrnimmt. Diese Fachleute bieten Abklärung, Therapie und Beratung für Menschen aller Altersgruppen mit Sprach- und Kommunikationsproblemen an. Sie sind einerseits in einem (heil)pädagogischen und anderseits in einem medizinischen Umfeld tätig. Die Finanzierung der angebotenen Leistungen geschieht fast ausschliesslich über öffentliche Gelder. Der Bund bezahlt über die Invalidenversicherung (IV), Kantone und Gemeinden über die Schulausgaben, bei den Versicherungen sind Kranken- und Unfallkassen zuständig. Nur ein verschwindend kleiner Teil (vernachlässigbar) wird privat bezahlt. In diesem Umfeld kommt dem Verband eine zentrale Bedeutung zu. Er muss mit den verschiedenen Kostenträgern laufend im Gespräch bleiben und immer wieder neu die Konditionen aushandeln. Neben der Finanzierung geht es dabei aber auch um Anstellungsbedingungen. Logopädinnen und Logopäden arbeiten vorwiegend in öffentlichen Institutionen (Schulen, Therapiezentren, Spitälern, u.a.). Diese Institutionen und Organisationen verfügen über unterschiedliche Anstellungsreglemente, anhand derer eine Einstufung der anzustellenden logopädischen Fachkraft vorgenommen wird. So werden nicht selten recht unterschiedliche Arbeitsverträge ausgehandelt. Hier kann der Berufsverband mithelfen, Rahmenbedingungen und Minimalanforderungen zu definieren. Die meisten Logopädinnen und Logopäden arbeiten im Schulbereich. Gerade im Bildungsbereich ist in der Schweiz die kantonale Hoheit von grosser Bedeutung. So kann bezüglich der Anstellungsbedingungen nur der jeweilige Kantonalverband Verhandlungspartner sein. Deshalb war dieser für viele Mitglieder immer schon wichtig. Die Kantonalverbände sind aber häufig sehr klein (der kleinste Mitgliederverband zählt 6 Mitglieder, der grösste 400) und daher in ihren Ressourcen beschränkt. Das Bewusstsein, dass ein Dachverband die Mitgliederverbände in ihren Bemühungen unterstützen könnte, entstand erst allmählich. Die Wichtigkeit sich in einem übergeordneten Verbund zusammenzuschliessen wurde erkannt. Nachdem 1988 der Schweizer Berufsverband der Logopäden (SBL) scheiterte, wurde der Deutschschweizer Logopädinnen- und Logopädenverband (DLV) als Dachverband der deutschschweizer Kantonal- und Regionalverbände gegründet. Dieser konnte schon bald den Mitgliederverbänden geeignete Instrumente wie das Berufsbild oder eine Arbeitszeiterfassung zur Verfügung 10 RJ03 mente wie das Berufsbild oder eine Arbeitszeiterfassung zur Verfügung stellen, sowie gezielte Hilfen bei Verhandlungen anbieten. Die Bedeutung des DLV als Dachverband ist aber nach wie vor bei vielen Basismitgliedern nicht gross im Bewusstsein. Noch immer stellen Mitglieder lieber ihre Zeitressourcen einem kantonalen Verband zur Verfügung als dem DLV. Hier sind die Strukturen überschaubarer und der Austausch unter den Kolleginnen und Kollegen ist einfacher herzustellen. Grundsätzlich kann aber der DLV trotzdem mit vielen engagierten und motivierten Mitgliedern rechnen. Gerade weil die Anstellungsbedingungen und die Finanzierung der Leistungen nicht generell geregelt sind, ist fast jeder Logopädin und jedem Logopäden das gemeinsame berufspolitische Vorgehen ein Anliegen. Dies zeigt sich auch, wenn man die jeweiligen Jahresberichte des DLV und seiner Mitgliederverbände liest: es wird viel getan! 3.2. Sinn und Zweck eines Marketing- und Kommunikationskonzepts für den DLV? Hat man Einblick in die vielfältigen Verbandsaktivitäten vor allem der Kantonalverbände, fällt auf, wie an verschiedenen Orten mit grossen Aufwand dieselbe Arbeit geleistet wird, wie wenig Basismitglieder (vor allem diejenigen, die im Schulbereich tätig sind) über die Kantonsgrenze hinaus blicken und wie viele Ressourcen einfach brachliegen. Eine Ende 2002 durch die Geschäftsstelle des DLV durchgeführte Umfrage bei den Mitgliederverbänden bestätigte, dass bereits viel im Bereich Öffentlichkeitsarbeit getan wird, dass in verschiedenen Arbeitsgruppen an ähnlichen Themen gearbeitet, dass aber niemand über ein eigentliches PR-Konzept, geschweige denn eine Marketingstrategie verfügt. In der Konsequenz bedeutet dies, dass die Mitgliederverbände auch untereinander kaum etwas von ihren unterschiedlichen Angeboten und Aktivitäten kennen. Als Konsequenz stellt sich da die Frage nach Möglichkeiten der Ressourcenoptimierung und des Wissenstransfers. Einem Dachverband wie dem DLV käme hier sicher eine wichtige Funktion zu. Dies wurde von den Entscheidungstragenden im Vorstand und der Geschäftsleitung erkannt. So entstand die Idee, einer Arbeitsgruppe diese 'Probleme' zur Bearbeitung zu übergeben. Nach den bisherigen Ausführungen und denen im vorangegangen Kapitel, ist es naheliegend, die Erarbeitung eines Marketing- und Kommunikationskonzepts für den DLV ins Auge zu fassen und damit einen wichtigen Schritt in die angestrebte Richtung zu gehen. 11 RJ03 3.3. Marketing- und Kommunikationsziele des DLV Stellt man sich die Frage, welches die konkreten Ziele von Marketing und Kommunikation im DLV sein müssen, sind vier übergeordnete Ziele zu nennen: Stärkung der Vertrauensbasis, Intensivierung des Informationsflusses, Optimierung der Vernetzung und Positionierung des Berufes. Diesen vier Oberzielen sollten auch die weiteren, unten aufgeführten Ziele dienen. Vertrauensbasis Informationsfluss Vernetzung Positionierung intern und extern intern und extern optimieren des Berufs stärken stärken intensivieren • Attraktivität des DLV als Verband steigern • Neue Mitglieder gewinnen • Mitglieder zur Mitarbeit motivieren • Dienstleistungen des DLV kommunizieren • Ständigen Wandel im Umfeld wahrnehmen, kommunizieren und sich neu ausrichten • Corporate Identity: gemeinsames Selbstverständnis weiterentwickeln • Kontakt untereinander erleichtern und Zusammenarbeit fördern • Arbeitssituation erhalten, sichern und verbessern (Rahmenbedingungen, Tarife, Status...) • Stellenwert der Logopädie als Fachgebiet stärken • Meinungsbildungsprozesse beeinflussen • Zugang zu logopädischen Angeboten gewährleisten • Betroffene erreichen, aufklären, unterstützen • Lobbying für Sprachbehinderte unterstützen 12 RJ03 3.4. Anspruchsgruppen und Zielpublikum Für den Berufsverband müssen die Logopädinnen und Logopäden selbst im Zentrum stehen. Sie tragen den Verband, sind aber auch die direkten Nutzniesserinnen und Nutzniesser der erarbeiteten 'Produkte'. Neben den Klienten und Kunden der Logopädinnen und Logopäden, welche die direkten Leistungsbezieher dieser Berufsgruppe sind, ist vor allem die allgemeine Öffentlichkeit im Auge zu behalten. Diese muss einerseits für die Bedürfnisse von sprachbehinderten Menschen sensibilisiert werden, anderseits ist zu bedenken, dass in unserem demokratischen System die Meinungsbildungsprozesse in der Öffentlichkeit einen wichtigen Einfluss auf die politischen Entscheide haben. Weiter sind die politischen Gremien und die Kostenträger in die Kommunikationsprozesse einzubeziehen. Die Zusammenarbeit und der Austausch mit den Ausbildungsinstitutionen führen zu einer gemeinsamen Berufsidentität. Nicht zu unterschätzen sind auch andere Berufs- und Interessensgruppen. Der Austausch mit ihnen kann die eigene Identität stärken und zu sinnvollen Kooperationen führen. Öffent- Klienten lichkeit Kunden Andere Berufsund Interes- Logopädinnen Politische sensgruppen und Logopäden Gremien Ausbildungs- Kostenträger institutionen 13 RJ03 Was das konkret für den DLV bedeuten könnte, ist mit der folgenden Aufzählung illustriert: • Logopädinnen und Logopäden : Mitgliederverbände, Einzelmitglieder, Nichtmitglieder, Vorstand, Delegierte, Studentinnen, Logopädische Berufsverbände in der welschen und italienischen Schweiz sowie im Ausland, usw. • Klientinnen und Klienten, Kunden und Kundinnen : Schüler und Schülerinnen, Aphasiker und Aphasikerinnen, Eltern, Angehörige, usw. • Politische Behörden : Schulpflegen, Kantonale Bildungsdepartemente, Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK), nationale Kommissionen, Sanitätsdirektorenkonferenz (SDK), usw. • Kostenträger : Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV), Santésuisse, Kantone, Gemeinden usw. • Ausbildungsinstitutionen : SAL Zürich, HfH Zürich, HPI Fribourg, ISP Basel • Öffentlichkeit : Frau X, Herr Y, Medien, Presse, usw. • Andere Berufs- und Interessensgruppen : andere Fachpersonen im Bildungs- Sozialund Gesundheitsbereich, Mütterberatungsstellen, Berufsberatungsstellen, Elternvereinigungen, Selbsthilfegruppen, Schweizerische Zentralstelle für Heilpädagogik (SZH), schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Logopädie (SAL), Internationale Vereinigungen, usw. 3.5. Inhalte und Botschaften Als Berufsverband will der DLV primär berufspolitische Anliegen kommunizieren und damit seinen Mitgliedern eine direkte Dienstleistung erbringen. Daneben wären Sensibilisierungskampagnen für das Phänomen der Sprachbehinderung eine zusätzliche Aufgabe. Eingeordnet in vier Gruppen sind hier mögliche Inhalte zusammengestellt. • Positionierung : Berufsbild, Leitbild, Statuten, Leistungsbereiche, Nutzen der logopädischen Tätigkeit, Arbeitsfelder, Qualitätssicherung, Tätigkeitsbereiche, Ethische Fragen, Ausbildungsvoraussetzungen, u.a. • Informationen intern : Verbandsaktivitäten Entwicklungstendenzen, Positionierung (siehe oben), u.a. extern : Sprachstörungen, Beruf, Dienstleistungen, Positionierung (siehe oben), Verbandsaktivitäten u.a. • Dienstleistungen : Stellenangebote, Praktikumsstellenvermittlung, Fortbildungsangebote, Rezensionen, Berichte, Fachartikel, Dokumentationen u.a. 14 RJ03 • Sensibilisierung : Sprachentwicklung, Umgang mit Kommunikationsstörungen, Sprachverlust u.a. 3.6. Kommunikationsträger und Kommunikationsmittel In einem Marketingkonzept eines Berufsverbandes müssen die tragenden Elemente des Verbandes als Informationsträger genutzt werden. Beim DLV sind dies einerseits die Verbandsorgane und anderseits die Mitglieder als Einzelpersonen aber auch die Mitglieder in den jeweiligen Untergruppierungen. Verbandsorga- Mitglieder • Vorstand • Geschäftsstelle • Delegiertenversammlung • Kommissionen und Arbeitsgruppen • Mitgliederverbände • Einzelmitglieder • Regionalgruppen • Interessensgruppen Natürlich stünde auch der Weg offen, eine professionelle Marketingfirma für diese Arbeit einzubeziehen. Nach den obigen Ausführungen sollte dies aber nur punktuell und als unterstützende Hilfe geschehen. Mit dem eingekauften professionellen Knowhow sollten die vorhandenen Ressourcen optimaler genutzt werden können. Diese zentrale Aufgabe sollte aber keinesfalls delegiert werden. Gerade über die Mitarbeit an Kommunikationsprozessen, über das sich Beteiligen an einzelnen Marketingaufgaben werden Synergien geschaffen und die Verbandsidentität gestärkt. Betrachtet man die einzusetzenden Mittel, sind neben dem persönlichen Engagement der Kommunikationsträger auch der Einsatz von Publikationen, Materialien und Medien denkbar. Hier tauchen die bekannten Werbeträger auf. Für den DLV könnten dies folgende Möglichkeiten sein: • Persönliches Engagement und/oder Teilnahme : Vorträge, öffentliche Auftritte, Versammlungen, Sitzungen, Anlässe, Ausstellungen, Kongresse, Tagungen, Veranstaltungen anderer Anbieter, Elternkurse u.a. 15 RJ03 Abgesehen davon, dass Mitglieder selbst aktiv obige Gefässe nutzen und anbieten, ist es nicht zu unterschätzen, dass allein durch die Teilnahme an bestimmten Veranstaltungen eine Wirkung erzeugt werden kann. • Publikationen : Prospekte, Protokolle, Journale, Informationsblätter, Briefe, Artikel, Dokumentationen, u.a. Für eine so spezialisierte Berufsgruppe sind Publikationen, die neben den Verbandsinhalten auch fachliche Inhalte transportieren ein wichtiger Kommunikationsträger. • Materialien : Kleber, Buchzeichen, Postkarten, Geschenke u.a. • Medien : Radio, Fernsehen, Video, Film, Telefon, Internet u.a. 3.7. Beurteilung der Ausgangslage für ein Marketing- und Kommunikationskonzept des DLV Dem Jahresbericht 2002 des DLV (siehe Anhang) kann man entnehmen, was im vergangenen Jahr alles getan wurde, um die Verbandsziele zu erreichen. Viele der aufgelisteten Aktivitäten entsprechen möglichen Marketingmassnahmen. Würde man dazu noch alle Jahresberichte der Mitgliederverbände lesen, könnte man eine weitere Fülle an Tätigkeiten finden, welche die erwünschten Kommunikationsprozesse in Gang setzen und in Gang halten. Bei genauer Betrachtung stellt man fest, dass bis heute im DLV auch ohne Marketingkonzept vieles richtig gemacht wurde. Schon jetzt stellen engagierte Mitglieder dem Verband ihre Zeit, ihr Engagement und ihr Wissen zur Verfügung. Viele Impulse und Zielsetzungen kommen von der Basis, die das Frontgeschehen direkt wahrnimmt und den laufenden Bedarf feststellt. Die bisherigen Aktivitäten waren aber primär durch ein reaktives Verbandsverhalten geprägt. Mit einem Marketingkonzept könnte eine aktivere Strategie verfolgt werden. Die Ressourcen könnten besser genutzt werden, weil Synergien bewusster gesucht und hergestellt würden. Nicht bloss das kurzfristig Wichtige und Dringende stünde im Vordergrund, sondern auch die längerfristigen Ziele und die nachhaltige Wirkung des aktuellen Einsatzes. Für den DLV muss also nicht viel Neues erfunden werden. Vielmehr kann das Vorhandene möglichst vollständig erfasst, gruppiert, vernetzt und zu den gesteckten Zielen in Bezug gesetzt werden. Die Kenntnis von Marketingtheorien und -modellen sind dabei unterstützende Werkzeuge, die mithelfen, die notwendigen kurz- und langfristigen Konsequenzen abzuleiten. Mit ihnen können die vorhandenen Ressourcen im Auge behalten , bezogen auf die Zielsetzungen, vernetzt und eingesetzt werden. 16 RJ03 4. Wichtige Punkte eines Marketing- und Kommunikationskonzepts für den DLV (Strategie) Nachdem nun klar wurde, dass mit einer eigenen Marketing- und Kommunikationsstrategie ein Berufsverband seine Ziele besser erreichen könnte, sollen hier die wichtigsten Punkte einer solchen Strategie, bezogen auf den DLV, besprochen werden. 4.1. Grundgedanken zur Konzeptentwicklung Konzepte sind "Ent-würfe". Sie sind eine gedankliche Vorwegnahme anzustrebender zukünftiger Zustände. Sie sind also einerseits eine Art "Vision" und anderseits ein "Plan". Es wird darin die Vorstellung einer wünschenswerten Zukunft formuliert, es werden aber auch Mittel und Wege skizziert und handlungsleitende Werte und Normen aufgestellt. Ein Konzept hat den Charakter von verbindlichen Festlegungen für die eigene Organisation. Ausgehend von der Darstellung der IST-Situation wird ein Bild in eine unbestimmte Zukunft hinein projiziert. Es handelt sich also nicht um eine Planung im üblichen Sinn. Für die Erreichung der postulierten Ziele bedarf es ergänzend noch einer Konkretisierung in einem Detailplan. (vgl. Graf 2000: 14f) Ein Konzeptraster hilft, sich bei der Entwicklung eines Konzepts zu orientieren. Welche Teile wie ausführlich bearbeitet werden müssen, hängt aber von der jeweiligen Situation und dem gerade laufenden Prozess ab. "In diesem Sinne ist das Konzept analog zum Trainingsplan eine Guideline, ein Strategieplan, der für jede Unternehmung wieder neu formuliert werden muss." (Zeiter 2003: 17) Ein Konzept besteht aus einem Analyseteil, einem Strategieteil und einem Massnahmenteil. Für ein Kommunikationskonzept schlägt Zeiter (vgl. 2003: 18ff) folgende Teilthemen vor, die in einer passenden Form bearbeitet werden müssen: Analyse: Ausgangslage und Situationsanalyse Strategie: Zielsetzungen, Dialoggruppen, Kommunikationsinhalte und Strategie Massnahmen: Massnahmen, Budget, Organisation und Erfolgskontrolle Was bedeutet dies nun für ein Marketing- und Kommunikationskonzept für den DLV? Im vorausgehenden Kapitel wurde die Ausgangslage und eine kurze Situationsanalyse aufskizziert (3.1.). Da im zur Zeit laufenden Konzeptentwicklungsprozess die Situationsanalyse gleich zu Folgerungen führte, sind in diesem Kapitel bereits Aussagen zur Zielsetzung (3.2. und 3.3.), zu den Dialoggruppen (3.4.) sowie zu den Kommunikationsinhalten (3.5.) zu finden. Diese sind gleichzeitig auch Bestandteil des Strategieteils. Gestützt auf die bereits erarbeiteten Inhalte werden diese im Folgenden noch etwas erweitert diskutiert. 17 RJ03 4.2. Zielsetzung Neben den formulierten Basis- und Teilzielen (siehe 3.3.) sollte eine Marketing- und Kommunikationsstrategie des DLV folgenden überdachenden Zielsetzungen dienen: • Das Vertrauen in den Dachverband DLV ist intern und extern sehr gross. • Der DLV wird intern und extern als starker Dialogpartner in Bezug auf alle relevanten Fragen im Berufsfeld Logopädie wahrgenommen. • Die Aktivitäten und das dadurch erworbene Image des DLV zeigen den Nutzen der logopädischen Tätigkeit auf und tragen zur Steigerung der Attraktivität des Berufes Logopädin/Logopäde bei. • Die vorhandenen Ressourcen werden optimal genutzt und eine hohe Vernetzung wird angestrebt. Alle laufenden und geplanten Aktivitäten müssen an diesen übergeordneten Zielen und den dazugehörigen Basis- und Teilzielen gemessen werden. Eine Beurteilung, welche Ziele zur Zeit stark im Vordergrund stehen und welchen zu wenig Beachtung geschenkt wird, kann so leicht vollzogen werden. Gleichzeitig dient diese Zielüberprüfung auch dazu, 'unnötige' und 'unspezifische' Aktivitäten zu eruieren und allenfalls darauf zu verzichten. Gerade in Anbetracht der beschränkten Mittel (Finanzen und Freiwilligenarbeit) kommt dem eine wichtige Bedeutung zu. Damit der Verband sich nicht in diesen grossen Zielsetzungen verliert und sich und seine Mitglieder damit überfordert, wäre eine wichtige Zusatzaufgabe laufend zu leisten: Diese groben Ziele müssten in Teilzielen, die kurz- und mittelfristig zu erreichen sind, konkretisiert werden. Dabei ist darauf zu achten, dass sie positiv formuliert sind und sich am Endzustand orientieren (vgl. Zeiter 2003: 63). Je konkreter sie gefasst sind, umso leichter fällt die spätere Erfolgskontrolle. 4.3. Dialoggruppen Ziel-, Anspruchs- und Dialoggruppen sind Begriffe, die zum Teil synonym gebraucht werden. Sie betonen aber jeweils einen anderen Aspekt der Unternehmenskommunikation. Mit 'Zielgruppen' werden Teile der Bevölkerung gemeint, auf welche die Kommunikationsmassnahme 'abzielt'. Beim Begriff 'Anspruchsgruppen' steht das Bedürfnis von Käufern im Zentrum. Mit dem Begriff 'Dialoggruppen' will man das angestrebte Ziel betonen, mit den verschiedenen Teilgruppen in einen Dialog zu kommen. (vgl. Zeiter 2003: 65) Im Kapitel 3.4. sind die für den DLV relevanten Anspruchs- resp. Dialoggruppen aufgeführt. Für einen Berufsverband müssen dies in erster Linie die Mitglieder selbst sein, d.h. in diesem Fall die Logopädinnen und Logopäden der deutschen Schweiz. Da der DLV 18 RJ03 ein Dachverband ist, ist der Kommunikation mit und innerhalb den kantonalen Mitgliederverbänden oberste Priorität einzuräumen. Der DLV wird nur bestehen, wenn die Mitgliederverbände und deren Mitglieder seinen Sinn und Zweck einsehen. Der DLV muss also etwas anbieten, was der einzelne kantonale Verband nicht leisten kann. Wenn es zum Beispiel gelingt den Dialog unter den Kantonalverbänden zu intensivieren und damit Synergien herzustellen, ist bereits viel erreicht. Wenn sich daraus gemeinsame Strategien für ähnliche Probleme und Fragestellungen in den Kantonen entwickeln, würde das die gemeinsame Identität und damit die ganze Berufsgruppe stärken. Die anderen aufgeführten Zielgruppen kommen je nach aktuellen berufspolitischen Anliegen mehr oder weniger zum Tragen. Mit den Kostenträgern, wie auch mit politisch relevanten Gremien muss ein permanenter Kontakt hergestellt werden, damit die laufenden politischen Veränderungen einbezogen und wo nötig neue Verhandlungen aufgenommen werden können. Damit dieser Dialog gezielt gestaltet werden kann, müssen die anzusprechenden Kommunikationspartner präzise definiert werden. In welchen Kommissionen werden wichtige Weichen gestellt? Welche Personen sind Entscheidungsträger? Besondere Beachtung muss dabei den Personenwechseln, z. B. nach Wahlen, geschenkt werden. Wie können aufgebaute Beziehungsstrukturen erhalten werden? Wie kommt man mit neuen Personen in einen raschen und effizienten Dialog? Für den DLV ist es auch wichtig, den Klientinnen und Klienten resp. den Kundinnen und Kunden von Logopädinnen und Logopäden, also Menschen mit Sprachbehinderungen und deren Angehörigen ein leicht zugängliches Informationsangebot zu machen. Wenn es darüber hinaus auch gelingt, mit diesen Menschen in einen direkten Dialog zu kommen, könnten wichtige Anregungen in die Planung der Verbandsaktivitäten einfliessen. Der gute Kontakt zu den Ausbildungsinstitutionen muss eine Selbstverständlichkeit sein, werden doch hier Veränderungen für das Berufsbild generiert und nicht zuletzt auch zukünftige Mitglieder 'produziert'. Ein starker Berufsverband kann durch eine aktive Kommunikationsstrategie sicher Einfluss nehmen und frühzeitig sich anbahnende Veränderungen erkennen. Mit beschränkten eigenen Ressourcen gilt es haushälterisch umzugehen. Deshalb sind bezüglich der Dialog- resp. Anspruchsgruppen folgende Punkte zu bedenken (vgl. Zeiter 2003: 69f): • Intern vor extern: Bevor nach aussen kommuniziert wird, müssen die internen Partner genügend einbezogen werden. • Prioritäten setzen: Aus naheliegenden Gründen sollte man sich auf die wichtigeren Dialoggruppen konzentrieren. Es können nie alle gleichermassen berücksichtigt werden. 19 RJ03 • Mehrfachzugehörigkeiten berücksichtigen: Da Menschen oft zu mehreren Dialoggruppen gleichzeitig gehören, erübrigt es sich unter Umständen, für jede Gruppierung spezielle Kommunikationsmassnahmen zu ergreifen. 4.4. Kommunikationsinhalte Im Kapitel 3.5. sind mögliche Kommunikationsinhalte für den DLV aufgeführt. Übergeordnet könnten folgende Kernbotschaften als Leitplanken für ein Kommuniationskonzept formuliert werden: • Der DLV stärkt die Positionierung und die Attraktitivität des Berufes Logopädin/Logopäde. • Der DLV bietet für Mitglieder und extern Interessierte umfassende Informationen zu allen relevanten Themen im Berufsfeld Logopädie an. • Das Dienstleistungsangebot des DLV orientiert sich an den Bedürfnissen seiner Mitglieder und der weiteren relevanten Anspruchsgruppen. • Der DLV kennt Möglichkeiten und hilft aktiv mit, für die Anliegen von Menschen mit Sprachbehinderungen zu sensibilisieren. • Die logopädische Tätigkeit ist ein wichtiges Angebote im Rahmen der sozialen Leistungen. (Nutzen) Kernbotschaften werden nicht in diesem Wortlaut direkt kommuniziert. Sie stehen hinter den effektiven Äusserungen und sollten diese indirekt transportieren. Nicht zu vergessen ist, dass Kernbotschaften vor allem durch das Verhalten kommuniziert werden (Kongruenz). Wird ein spezifisches Thema angegangen, lohnt es sich, die jeweiligen dazugehörigen Botschaften auch dialoggruppenspezifisch festzulegen. Je klarer und präziser diese Botschaften formuliert sind, umso besser können sie kommuniziert werden. Aber auch hier gilt: weniger ist mehr. 4.5. Qualitätskriterien und Leitsätze Will ein Berufsverband wie der DLV zukünftig ein eigenes Marketing- und Kommunikationskonzept installieren, so müssen auch Qualitätskriterien für die Strategie festgelegt werden. Für jede geplante Massnahme sollen diese als Leitlinien dienen. Für das Marketing- und Kommunikationskonzept des DLV könnten die Qualitätskriterien folgendermassen aussehen: 20 RJ03 • Kongruenz: Die verschiedenen Massnahmen orientieren sich an den übergeordneten Zielen des Verbandes. • Vernetzung: Die verschiedenen Aktivitäten ergänzen sich und werden in einem grösseren Zusammenhang diskutiert und eingeordnet. • Optimierung: Die vorhanden Ressourcen (personell und finanziell) werden optimal genutzt und flexibel eingesetzt. Es wird auf einen guten Kosten-Nutzen-Effekt geachtet. Synergien werden angestrebt und genutzt. • Nachhaltigkeit: Die Aktivitäten werden gezielt, zukunftsorientiert und proaktiv gestaltet. Dabei wird den langfristigen Auswirkungen besondere Beachtung geschenkt. • Professionalität: Das Erscheinungsbild der einzelnen Massnahmen orientiert sich an professionellen Anbietern. Wenn notwendig, wird entsprechendes Knowhow eingekauft. Gerade weil der DLV ein kleiner Verband mit begrenzten Ressourcen ist, könnten die folgenden übergeordneten Leitsätze in der Umsetzung eine hilfreiche Orientierung sein: • Jeder auch noch so kleine Beitrag kann ein Schritt in die angestrebte Richtung sein. • Aushandlungsprozesse sind wichtig und notwendig. Sie sollen mit viel Offenheit geführt werden. • Es wird ein respektvoller Umgang mit Verschiedenheit (orientiert an den übergeordneten Zielen) angestrebt. • Qualität wird gegenüber Quantität vorgezogen. 4.6. Gewichtung Neben den übergeordneten Leitideen muss man sich in einer Marketing- und Kommunikationsstrategie auch Gedanken zu den Schwerpunkten, der Intensität, dem zeitlichen Verlauf sowie den Budgetmöglichkeiten machen. In einem Berufsverband werden die Schwerpunkte einerseits von den aktuellen berufspolitischen Fragestellungen und Problemen bestimmt sein. Hier muss darauf geachtet werden, dass eine proaktiv gestaltende Grundhaltung zum Tragen kommt. Anderseits müsste ein Verband wie der DLV in seiner Marketingstrategie klare Schwerpunkte auch in Bezug auf die Identitätsbildung als Dachverband legen. Das Zusammenführen der Mitgliederverbände muss durch eine aktive Kommunikationspolitik permanent ein Thema sein. Die Intensität hängt sicher von den zur Verfügung stehenden Ressourcen ab. Bei beschränkten Möglichkeiten darf man sich nicht dazu verführen lassen, möglichst immer 21 RJ03 etwas Weniges zu tun. Eine Dauerberieselung führt in der Regel nicht zu den gewünschten Effekten. So dürfte es sinnvoller sein, punktuell intensivere Massnahmen vorzusehen und dann mit Pausen zu arbeiten. Als Kommunikationsfachleute sollten Logopädinnen und Logopäden wissen, dass ein guter Dialog auch von den Pausen lebt. Die Verarbeitung von Informationen braucht Zeit und für die Aufnahme neuer Informationen braucht es Leerräume. Werden die aktuell anzustrebenden Ziele mit geeigneten Massnahmenpaketen koordiniert, können intensiven Aktivitätsphasen wieder ruhige Zeiten folgen, ohne dass der rote Faden verloren geht. Vermutlich lassen sich die Mitglieder auch leichter zu zeitlich klar begrenzten intensiven Einsätzen motivieren, als wenn Langzeitaufgaben anstehen. Da bei solchen zeitlich begrenzten Einsätzen leicht erworbenes Wissen und Knowhow wieder verloren geht, müssen geeignete Gegenmassnahmen ergriffen werden. Bei der Planung des zeitlichen Ablaufs muss gut darauf geachtet werden, dass ein Jahresprogramm weder für den Vorstand noch die Mitglieder überladen wird. Bei der konkreten Planung der Massnahmen sind die Gegebenheiten im weiteren Umfeld unbedingt mit einzubeziehen. So sind unter anderem auch die geplanten Aktivitäten der Mitgliederverbände zu berücksichtigen sowie aktuelle Themen im politischen und gesellschaftlichen Umfeld. Bei einem aktuellen Budgetvolumen von ca. Fr. 300'000.- (siehe Jahresrechnung) sind im Moment Aufwand und Ertrag praktisch deckungsgleich. Sollten für die geplanten Marketing- und Kommunikationsmassnahmen zusätzliche finanzielle Mittel nötig sein, könnte dies wohl fast nur über erhöhte Mitgliederbeiträge akquiriert werden. Dazu wäre aber innerhalb des DLV noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten, was wiederum primär eine Kommunikationsaufgabe wäre. Momentan ist davon auszugehen, dass mit den vorhandenen finanziellen Mitteln gearbeitet werden muss. Hingegen können sicher für attraktive zeitlich begrenzte Projekte Mitglieder zur unentgeltlichen Mitarbeit gewonnen werden. Innerhalb des BeschaffungsMarketings muss man sich deshalb auch diesbezüglich eingehend Gedanken über geeignete Massnahmen machen. 22 RJ03 5. Folgerungen für die Zukunft des DLV (Umsetzung) "Die Strategie definiert die Vorgehensweise, welche zur Erreichung der Kommunikationsziele eingesetzt wird. Sie bildet die Brücke vom bisher theoretischen Denkgebilde in die Welt der Praxis." (Zeiter 2003, 77) Nachdem in den bisherigen Ausführungen die Ausgangslage aufskizziert und daraus Folgerungen für eine mögliche Marketing- und Kommunikationsstrategie für den DLV abgeleitet wurde, gilt es nun konkrete Folgerungen für nächste Schritte zu ziehen. 5.1. Ständige Kommission für Marketing und Kommunikation "Damit Marketing als eine der drei prägenden Management-Orientierungen in der NPO auch tatsächlich wirksam in die Praxis umgesetzt werden kann, muss es im Führungssystem einer Organisation verankert sein. Dies bedeutet Internalisierung der Marketing-Philosophie in der Denkhaltung der Mitarbeitenden (Haupt- und Ehrenamt) sowie klare Verankerung in der Organisationsstruktur (Marketing-Organisation). Weiter muss Marketing im System der Führungsinstrumente sinnvoll eingebettet sein." (Purtschert 2001: 85) So gesehen wäre eine erste sehr wichtige Konsequenz aus den bisherigen Überlegungen, dass der DLV-Vorstand eine neue ständige Kommission ins Leben ruft, die das Marketing- und Kommunikationskonzept weiterentwickelt und vor allem dessen Umsetzung plant und überwacht. In dieser Kommission müsste neben einem Vorstandsmitglied sicher auch die Geschäftsleitung vertreten sein. Mögliche Aufgaben dieser Kommission könnten sein, die jeweilige Jahresplanung unter dem Aspekt des Marketings und der Kommunikation zu betrachten und entsprechende Rückmeldungen an die zuständigen Stellen zu machen. Ebenso müssten sie Erfolgskontrollen (siehe 5.5.) bezüglich durchgeführten Massnahmen einfordern. Vor allem aber die Erreichung der übergeordneten Ziele (siehe 3.3. und 4.2.) mit geeigneten Instrumenten überprüfen. Sie könnten auch besonders gelungene Aktivitäten 'prämieren' und das Engagement von besonders aktiven Mitgliedern honorieren. 5.2. Bestehendes pflegen und weiterentwickeln Ein wichtiger Umsetzungsschritt in Richtung der gewünschten Marketingstrategie wäre die bewusste Pflege des bereits Vorhandenen. Hier einige Möglichkeiten, die zum Teil schon in dieser oder ähnlicher Weise geplant sind: 23 RJ03 Das Leitbild muss laufend reflektiert und allenfalls wieder angepasst werden. Ebenso muss das Berufsbild (wurde gerade aktualisiert) immer wieder neu überarbeitet werden. Das Erscheinungsbild (Logo, Briefköpfe, Beschriftungen, usw.) muss einheitlich sein und einen grossen Wiedererkennungseffekt erzielen. Um dies zu erreichen könnte ein organisationsspezifisches Handbuch zusammengestellt werden, in dem verschiedene Gestaltungs- und Verfahrensmerkmale für die unterschiedlichen Verwendungszwecke festgehalten werden. Längerfristig sollte auch eine Vereinheitlichung der Erscheinungsbilder der Mitgliederverbände angestrebt werden. Dabei muss die kantonale Individualität, aber auch die Gemeinsamkeit mit dem Dachverband deutlich werden. Ein regelmässiger Tag der Logopädie (zum Beispiel alle zwei bis drei Jahre) könnte für eine gemeinsame Sensibilierungskampagne in der Öffentlichkeit genutzt werden und würde gleichzeitig nach Innen identitätsbildend wirken. Über ein gezielteres Lobbying könnte sicher noch mehr und effizienter Einfluss genommen werden. Dafür müssten wichtige Beziehungen zu Gremien und Schlüsselfiguren, themen- und anliegenbezogen, genau definiert werden. Ergänzend dazu müssten die vorhandenen Beziehungsnetze analysiert werden. Eine gezielte Strategie im Bereich Lobbying könnte diese Beziehungsstrukturen nachhaltiger nutzen und weiter ausbauen. Eine weitere Idee zum Ausbau des Bestehenden wäre, engagierten und zu Einsätzen bereiten Mitgliedern einen individuellen oder gruppenspezifischen "Support" zu organisieren und anzubieten. In der Verbandspolitik erfahrenere Mitglieder oder Mitglieder mit Spezialkenntnissen werden gezielt gesucht und für diese Unterstützungsfunktion beigezogen. Die Schwelle für 'Neulinge' wäre damit sicher tiefer angesetzt und es müssten nicht immer 'die Gleichen' die Arbeit machen. Gleichzeitig wäre der interne Wissenstransfer sowie die Ressourcennutzung optimiert. 5.3. Koordination der Aktivitäten Der DLV müsste es sich zur Aufgabe machen, anstehende sinnvolle Koordinationen anzuregen, zu initieren und zu begleiten. So könnte zum Beispiel ein gemeinsamer Internet-Auftritt mit einem gemeinsamen Erscheinungsbild angestrebt werden. Es macht wenig Sinn, dass jeder Mitgliederverband eine eigene Homepage entwickelt. Kleine Verbände können sich das meist nicht leisten. Da könnten die Ressourcen sinnvoll zusammengeführt werden. 24 RJ03 Dasselbe gilt für Flyers von logopädischen Fachstellen. Auch hier existiert eine Vielfalt an inhaltlicher und formaler Verschiedenheit. Ohne alles gleichschalten zu wollen, wäre es im Sinne einer gemeinsamen Corporate Identity wünschenswert, etwas mehr Ähnlichkeit und Vergleichbarkeit zu schaffen. Es ist nicht einzusehen, warum jede Gruppierung wieder von vorne anfängt und mit hohem personellem und zum Teil finanziellem Einsatz ein qualitativ nicht besseres Produkt als die bereits Vorhandenen entwickelt. Weiter müssten die Aktivitäten der kantonalen Mitgliederverbände koordiniert werden. Eine Möglichkeit wäre die Einführung einer "Meldepflicht" an die Geschäftsstelle. Über alle geplanten Aktivitäten müsste rechtzeitig informiert werden. Die Geschäftsstelle würde diese Informationen sammeln, ordnen und wo nötig koordinieren. Ebenfalls würde sie auf bereits vorhandene Unterlagen und Erfahrungen hinweisen, Hilfsmaterialien zur Verfügung stellen und allfällige Doppelspurigkeiten aufdecken. Für den Aufbau dieser Koordinationaufgabe müsste genügend Zeit einberechnet werden, muss doch ein effizientes Informationssystem entwickelt und eine übersichtliche Dokumentationsstelle eingerichtet werden. Es wäre zu prüfen, ob die Mitgliederverbände auch je einen oder eine 'Marketing- und Kommunikationsverantwortliche(n)' stellen müssten, der resp. die diese Koordinationsaufgabe miterfüllt. 5.4. Kick-off-Veranstaltung Um diese wichtigen Schritte gehen zu können, muss zu Beginn eine erste gezielte Marketing- und Kommunikationsmassnahme durchgeführt werden: eine Kick-offVeranstaltung. Als bestehendes Gefäss innerhalb der momentanen Strukturen bietet sich die alljähliche Konsultativkonferenz an. Hier werden jeweils aktuelle Themen mit den zuständigen und interessierten Mitgliedern diskutiert. Für das Thema Marketing und Kommunikation müssten neben den Präsidentinnen und Präsidenten der Mitgliederverbände auch die jeweiligen Ressortleiterinnen und -leiter Öffentlichkeitsarbeit eingeladen werden. An dieser Konsultativkonferenz würde das vorliegende Marketingverständnis und das damit verbundene Marketing- und Kommunikationskonzept vorgestellt und diskutiert. Über die Entwicklung einer gemeinsamen Grundhaltung könnten dann weitere Schritte geplant werden. 5.5. Wirkungs- und Erfolgskontrolle Zum Schluss soll noch ein wichtiger letzten Punkt erwähnt werden, der in der Weiterentwicklung der konkreten Marketing und Kommunikationsmassnahmen nicht vergessen 25 RJ03 werden sollte: Wie und woran werden die Wirkungen und der Erfolg der durchgeführten Marketing- und Kommunikationsmassnahmen gemessen? Für einen Berufsverband wie den DLV gibt es sicher einige allgemeine Indikatoren wie der Mitgliederbestand, die Rekrutierung von Vorstands-, Kommissions- und Arbeitsgruppenmitgliedern, die Anzahl der Beteiligten an Veranstaltungen, Art und Anzahl der Anfragen an die Geschäftsstelle, Zugriffe auf die Internetseite, usw. Dies alles sind quantitativ messbare Grössen und daher relativ einfach erfassbar. Daneben ist aber bei der Planung einzelner Massnahmen auch immer die Frage zu stellen, woran man deren erfolgreiche Wirkung messen kann. Neben quantitativen Indikatoren sind auch qualitative Aspekte zu berücksichtigen. Nicht immer ist dies so leicht möglich, was häufig dazu verleitet, sich die Frage der Erfolgskontrolle erst gar nicht zu stellen. (vgl. Zeiter 2003: 105ff) Wird die Wirkungs- und Erfolgskontrolle bezüglich der Marketingmassnahmen aber immer wieder thematisiert, bietet sich eine grosse Chance aus den gemachten Erfahrungen zu lernen. Ob die Aktivität erfolgreich oder nicht durchgeführt werden konnte, ob Ziele erreicht wurden oder nicht, immer können Folgerungen für die Zukunft gezogen werden. Es ist nicht nur wichtig die Erreichung der gesteckten Ziele zu messen, sondern sich auch zu fragen, was von dem was man getan hat, zu diesem Ergebnis führte. Neben der Erhebung von Kennzahlen können Instrumente wie Umfragen, Feedbackgruppen, gezielte Interviews, Ablaufanalysen, Auswertung der eingegangenen Korrespondenz und anderes mehr die Erfolgskontrolle unterstützen. Um diese Auswertungsprozesse und deren Ergebnisse in folgenden Planungen nutzen zu können, wäre es wichtig, dass diese schriftlich festgehalten und für andere zugänglich gemacht werden. 26 RJ03 6. Schlussgedanken Wie wir gesehen haben, muss das Marketingverständnis aus dem kommerziellen Bereich für den NPO-Bereich modifiziert werden. Es lassen sich dort aber hilfreiche Modelle finden, die sich für diesen Zweck eignen. Ob dann letztendlich von 'Öffentlichkeitsarbeit', 'PR' oder 'Marketing' gesprochen wird, ist weniger relevant. Viel entscheidender ist das dahinterstehende mehr oder weniger differenzierte Grundverständnis. Für einen Berufsverband wie den DLV gehört Öffentlichkeitsarbeit schon immer zur Kernaufgabe. Im Alltagsverständnis wird dieser Begriff aber meist etwas undifferenziert verstanden. Zusätzliche Aspekte wie zum Beispiel Mitgliederwerbung, Lobbying u.a. m. entfallen. Die Arbeitsgruppe PR, die vom DLV-Vorstand beauftragt wurde ein Konzept zu erarbeiten, setzte sich eingehend mit dem vorhandenen Alltagswissen auseinander. Schon bald waren wurde der Punkt erreicht, wo klar wurde, dass viel mehr zu diesem Thema gehörte als erst gedacht. Durch meine persönliche Auseinandersetzung mit dem vermittelten Stoff aus dem NDKKurs über Marketing an der FHA in Brugg wurde mir die Vielschichtigkeit dieser Managementaufgabe bewusst. Angeregt durch die interessanten Unterrichtseinheiten und die dazugehörigen schriftlichen Unterlagen, entstand diese Arbeit. Die hier ausgewählten Modelle und Theorien sollen auch Marketing-Laien helfen, rasch ein differenzierteres Verständnis für den Bereich Öffentlichkeitsarbeit, PR und Kommunikation zu entwickeln. Persönlich bin ich überzeugt, dass geeignete Theoriemodelle hilfreiche Stützen für die Alltagsbewältigung sein können. Wie weit dies hier auch auf den bearbeiteten Themenkreis zutrifft, wird die Zukunft weisen. Die konsequente Umsetzung der beschriebenen Marketingstrategie wird zu einem längerfristigen Organisationsentwicklungsprozess führen: die bisherige Aufgabenverteilung zwischen den Mitgliederverbänden und dem Dachverband muss diskutiert und allenfalls neu geregelt werden. Der Dachverband muss die übergeordneten Geschäfte verstärkt übernehmen können und die Mitgliederverbände müssen sich auf die kantonalen Anpassungen und die Aktivierung der Basismitglieder konzentrieren. Meiner Meinung nach kann im aktuellen berufspolitischen Umfeld nur ein starker Dachverband der Logopädie hilfreich dienen. Ich hoffe deshalb sehr, dass ich mit dieser Arbeit einen Beitrag für die wichtige Weiterentwicklung des DLV leisten kann. Für mich persönlich profitierte ich viel. Ich möchte mich für den anregenden Unterricht und die hilfreichen Literaturhinweise bei Urs Frey bedanken. Vor allem aber geht ein grosses Dankeschön an meine Kolleginnen aus der "AG-PR-DLV": Rita Estermann, Sandra Mazzoni, Monika Minar und Hanna Rohrer. Mit ihnen konnte ich interessante Diskussionsrunden verbringen und bekam für diese Arbeit neben vielen inhaltlichen und formalen Anregungen auch gute moralische Unterstützung. 27 RJ03 Verwendete Quellen Bogner, Franz (1990) Das neue PR-Denken. Überreuther, Wien Frey, Urs (1997) Richtig kommunizieren mit der Öffentlichkeit. Frey, Urs (2002) Organisationsentwicklung und Kommunikation. Skript zum NDK-Modul "Marketing" an der Fachhochschule Aargau in Brugg im Frühjahr 2003 Fischer, Walter (2000) Sozialmarketing in Non-Profit-Organisationen. Ein Handbuch. Orell Füssli, Zürich. Graf, Pedro; Spengler Maria (2000) Leitbild- und Konzeptentwicklung. ZIEL, Augsburg, 3. Aufl. Luthe. Detlef (1994) Öffentlichkeitsarbeit für Nonprofit-Organisationen. Eine Arbeitshilfe. Maro, Augsburg. Purtscher, Robert (2001) Marketing für Verbände und weitere Nonprofit-Organisationen. Haupt, Bern. Schwarz, Peter; Purtschert, Robert; Giroud Charles (1999) Das Freiburger Management-Modell für Nonprofit-Organisationen. Haupt, Bern, 3. Aufl. Zeiter, Nicole (2003) Neue Konzepte für die erfolgreiche PR-Arbeit. Der Leitfaden für die Praxis. Huber, Frauenfeld. Anhang • Leitbild und Verbandspolitik, Statuten des DLV • Jahresbericht des DLV 2003 Autorin: Regina Jenni, Supervisorin BSO und Logopädin Rauchensteinstr. 4, 5200 Brugg AG [email protected] 28 RJ03