Spezielle Fragen der Milchrindhaltung Fruchtbarkeit und Trächtigkeit Inhalt 1. 2. 3. 4. 5. 6. Einleitung Grundlagen Brunsterkennung und Künstliche Besamung Strategische Fruchtbarkeitsprogramme Trächtigkeitsfeststellung Geburt Ziel: Jede Kuh jedes Jahr ein Kalb 1. Einleitung Trächtigkeit ist Vorraussetzung für die Funktionsfähigkeit der Milchdrüse. Aber: Ist eine überproportionalen Milchproduktion auch mit einer guten Fruchtbarkeitsleistung vereinbar? Antwort: Ja, wenn alle Rahmenbedingungen hinsichtlich der Sicherung der Bedürfnisse und des Wohlbefindens möglichst optimal gestaltet sind. Einflussfaktoren auf die Fruchtbarkeit Infektionen Besamung Spermaqualität Besamungstechnik Genetik Klima Fütterung Fruchtbarkeit Allgemeines Management Quelle: entnommen aus „Ausbildungsmappe Rinderhaltung“ für die überbetriebliche Ausbildung an der Landesanstalt für Landwirtschaft, Forsten uns Gartenbau (Zentrum für Tierhaltung und Technik) in Iden – Sachsen-Anhalt Wo und wann fängt gute Fruchtbarkeit eigentlich an? Aufzucht Färse Besamung Trockenstehen Besamung Aufzucht Kalb Puerperalphase Brunstbeobachtung Fütterung Abkalbung Kuhkomfort Hygienemanagement Genetik etc. 2. Grundlagen 2.1. Aufbau und Funktion des weiblichen Genitaltraktes 2.2. Brunst Geschlechtsreife: – äußert sich durch die Brunst bei der Färse – Eintritt abhängig von Rasse und Intensität der Aufzucht – durchschnittlich mit etwa 7-9 Monaten Zuchtreife: – Erstbesamungsalter: beim Erreichen von 2/3 des Gewichts der ausgewachsenen Kuh (also bei 350-420 kg LG) – bei intensiver bis normaler Aufzucht im Alter von 13-18 Monaten Brunst: – – – – Zyklus von 21 (18-24) Tagen Dauer von 1-2 Tagen unterteilt in 3 Zeitabschnitte: Vorbrunst, Hauptbrunst, Nachbrunst Steuerung erfolgt durch Hormone, die in verschiedenen Drüsen gebildet und über das Blut an das entsprechende Zielorgan abgegeben werden 2.2. Brunst Quelle: Die Landwirtschaft, Band 2: Tierische Erzeugung; BLV Verlagsgesellschaft München, Landwirtschaftsverlag Münster-Hiltrup, 1999 2.3. wichtige Hormone im Sexualzyklus GnRH Gonadotropes Releasing Hormon wird im Hypothalamus (Zwischenhirn) gebildet, wirkt auf die Hypophyse (Hirnanhangdrüse) und löst dort die Produktion von FSH und LH aus FSH Follikelstimulierendes Hormon wird in der Hypophyse gebildet und stimuliert das Wachstum und die Reifung von Follikeln am Eierstock LH Luteinisierendes Hormon wird in der Hypophyse gebildet, bewirkt die Endausreifung des Follikels und löst, wenn es in hoher Konzentration im Blut vorliegt (LH-Peak), den Eisprung (Ovulation) aus; außerdem wird die Progesteronbildung in den Zellen des Gelbkörpers stimuliert 2.3. wichtige Hormone im Sexualzyklus Östrogen Progesteron Prostaglandin Follikelhormon oder Brunsthormon wird im heranreifenden Follikel gebildet und bewirkt die typischen inneren und äußeren Brunsterscheinungen Gelbkörperhormon oder Trächtigkeitsschutzhormon wird im Gelbkörper gebildet und unterdrückt die Freisetzung von GnRH und damit auch FSH und LH, so dass es zu keiner erneuten Brunst kommt; außerdem bereitet es die Gebärmutterschleimhaut auf eine Einnistung der Embryonen vor Hormon, welches den Zyklus beendet (PGF2α) wird in der Gebärmutterschleimhaut gebildet, falls es zu keiner Einnistung eines Embryos in die Gebärmutterschleimhaut kommt (ab dem 16. Tag des Zyklus); bewirkt den Abbau des Gelbkörpers (Progesteronspiegel fällt→Freisetzung von GnRH→ erneute Brunst) Hormonverläufe 2.4. Reproduktionszyklus Zwischenkalbezeit Zwischentragezeit / Güstzeit Trächtigkeitsdauer Trockenstehzeit Rastzeit biol. Rast 0 Kalbung 42 60 80 1.Bes. 2.Bes. 120 TU+ 365 Tage Kalbung 2.5. Fruchtbarkeitskennzahlen • Rastzeit: 60-85 Tage • Güstzeit: 85-125 Tage • Zwischenkalbezeit: 365 bis 405 Tage • Erstbesamungserfolg: > 55 % EBE = (Anzahl tragender Tiere nach EB / Anzahl EB) * 100 EB Färsen EB Kühe • Besamungsindex: > 70 % > 40 % 1,5-2,0 BI = (Anzahl aller Besamungen / Anzahl aller tragenden Tiere) * 100 • Trächtigkeit: 9 Monate (275 – 290 Tage, je nach Rasse; HF 280-282 Tage) • Trockenstehzeit: 6 – 8 Wochen 3. Brunsterkennung und Künstliche Besamung 3.1. Methoden der Brunsterkennung • tägliche mehrmalige visuelle Beobachtung (äußere Brunstanzeichen) in den Ruhephasen – unter Nutzung von Brunstkalender und Aktionslisten • Hilfsmittel: – Pedometer oder Respaktoren (Aktivitätsmessung) – Aufsprung-Markierungshilfen (Farbspray, Brunstpflaster, Farbkapseln) – Suchbulle – Milchprogesterontest – Hormoneinsatz zur Brunst und Ovulationssynchronisation 3.2. Künstlichen Besamung (KB) Vorteile • Bekämpfung von Deckseuchen Biotechnische Methode mit dem größten Einfluss auf die Rinderzucht (tragende Säule eines Zuchtprogramms) • Stärkere Nutzung guter Bullen • Leistungsprüfung auf breiter Basis → verbesserte Methoden der Selektion • Rationalisierung der Vatertierhaltung • genaue Angabe des Trächtigkeitsdatums Nachteile • • • • Zeitaufwand der Brunsterkennung, die durch den Tierhalter durchgeführt werden muss Geringere Brunsterkennungsund -nutzungsrate erhöhter Besamungsaufwand 3.3. Besamungstechnik Besamung unter rektaler Kontrolle (Quelle: Top Agrar Fachbuch, Rinderbesamung mit Erfolg, 2003) 4. Strategische Fruchtbarkeitsprogramme 4.1. Brunstsynchronisation (Prostaglandin-Programm) Tag 1: Injektion von Prostaglandin (PGF2α) Rückbildung des Gelbkörpers und Beginn eines neuen Zyklus evtl. Brunst am 3./4. Tag (Kontrolle durch Besamer!) Tag 14: Injektion von Prostaglandin (PGF2α) Rückbildung des Gelbkörpers und Beginn eines neuen Zyklus Brunst am 16./17. Tag (Kontrolle durch Besamer!) Brunstbeobachtung weiterhin nötig, aber gezielter und effektiver! Brunstnutzungsrate steigt! 4.2. Ovulationssynchronisation (OvSynch-Programm) Tag 1: Injektion von GnRH Bildung einer neuen Follikelwelle Tag 7: Injektion von Prostaglandin Gelbkörperrückbildung und Beginn eines neuen Zyklus Tag 9: Injektion von GnRH Follikelreifung und Ovulation nach 24 – 32 Stunden Tag 10: terminierte Besamung ca. 16 Stunden nach GnRH-Injektion Brunstbeobachtung nicht zwingend notwendig. Stille Brunst und Zysten behandelbar! Aber: Kosten! 5. Trächtigkeit 5.1. Methoden der Trächtigkeitsfeststellung • Genaue Beobachtung zwischen 19.-23. d nach der letzten Besamung • Progesterontest über die Milch (am 20.-22. d ): Ist der Progesteronwert hoch, befindet sich ein Gelbkörper am Eierstock, der auf eine Trächtigkeit deuten kann. • Ultraschall (Darstellung des Fruchtwassers) bereits zwischen 12. und 20. d möglich. Embryo erst ab 25. d darstellbar • Manuelle Untersuchung über den Enddarm ab dem 40. d. Beurteilt werden Lage und Größe der Gebärmutter Trächtigkeit zwischen 6. -8. Woche: Einseitige Gebärmutterhornvergrößerung „Eihautgriff“ 5.2. Trockenstellen • 8-6 Wochen vor dem errechneten Kalbedatum • Nur eutergesunde Kühe trockenstellen (Schalm-Test und BU) • Systemische Behandlung bei akuten und subakuten Mastitiserkrankungen • Anwendung antibiotischer Trockensteller (z.B. Orbenin) und Zitzenversiegler • Mutterschutzimpfung zur Erhöhung des Antikörper-Spiegels gegen E.coli sowie Rota- und Coronaviren ( Kolostrum) • 2 Fütterungsguppen in der Trockensteh-Phase • Ab 2. Woche a.p. bis zur Geburt Fütterungsumstellung und Milchfieberprophylaxe Gewichtsentwicklung des Fötus Quelle: entnommen aus „Ausbildungsmappe Rinderhaltung“ für die überbetriebliche Ausbildung an der Landesanstalt für Landwirtschaft, Forsten uns Gartenbau (Zentrum für Tierhaltung und Technik) in Iden – Sachsen-Anhalt 6. Geburt Vorbereitungsphase: • Hormonsignal nach vollendeter Entwicklung durch das Kalb selbst • Produktion von Östrogenen, Prostaglandinen und Relaxin durch die Plazenta Sichtbare Geburtszeichen: • Auflockerung der Bänder und Gelenke im Beckenbereich • Schwellung der Schamlippen • Zähflüssiger Schleim • Die Zitzen füllen sich mit Milch • Unruhe und häufiges Hinlegen und Wiederaufstehen • Kot und Urin werden in kleinen Mengen abgegeben Normale Geburtsposition: • Vorderendlage • Gestreckte Haltung (Nasenspiegel liegt auf dem Fesselgelenk) Geburtsstadien 1. Öffnungsphase (Stadium I; 8-16 h) Öffnung des Gebärmutterkanals und des Muttermundes 2. Austreibungsphase (Stadium II, Färsen 4 – 6 h, Kühe 2 h) Blasensprung und Austreibung des Kalbes durch Presswehen (Oxytocin) 3. Nachgeburtsphase (Stadium III, max. 8 Stunden) Ausstoßung der Nachgeburt „Die goldenen Regeln der Geburtshilfe“ • • • • Stress und Schmerzen vermeiden Ruhe und Geduld sind die besten Geburtshelfer Hygiene beachten! Keine voreilige Zughilfe („Feierabendsyndrom“ in Lohnarbeitsbetrieben) • Regeln der sachgemäßen Zughilfe beachten Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! Fragen? Literatur- und Quellenangaben • • • • • • • Neue Landwirtschaft 11/2006 Die Landwirtschaft, Band 2: Tierische Erzeugung; BLV Verlagsgesellschaft München, Landwirtschaftsverlag Münster-Hiltrup, 1999 Bostedt, Hartwig: Fruchtbarkeitsmanagement beim Rind; DLG-Verlag, 2003 Top Agrar Fachbuch, Rinderbesamung mit Erfolg, 2003 Unterlagen des BLAK-Seminars zum Thema Fruchtbarkeitsmanagement in Milchviehbeständen (08.01.-09.01.2007) „Ausbildungsmappe Rinderhaltung“ für die überbetriebliche Ausbildung an der Landesanstalt für Landwirtschaft, Forsten uns Gartenbau (Zentrum für Tierhaltung und Technik) in Iden – Sachsen-Anhalt Ausbildungsmappe „Grundlehrgang Tierproduktion“ für die Überbetriebliche Ausbildung im Landwirtschaftszentrum Haus Düsse (Ostinghausen, Bad Sassendorf)