Einführung in die Klassiker der Soziologie

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Proséminaire Sociologie 1999/2000 [D. Sudan]
Verfasser: [email protected]
Einführung in die Klassiker der Soziologie
Inhalt dieser Arbeit: a) Gedanken über die Bedeutung der Klassiker in der Soziologie, b) Eine kurze
Einführung von Marx, Weber und Durkheim.
Gedanken über die Bedeutung der Klassiker in der Soziologie
Dazu ein kurzes Vorwort: Die Anregung zu diesem Thema sowie der Anreiz für die eigenen Gedanken
dazu stammen aus dem Buch „Klassiker der Soziologie“ (vgl. Literaturhinweise).
Eine persönliche Annäherung an die (Geschichte der) Soziologie
Soziologie und ihre Klassiker; für mich ist der Zusammenhang zwischen diesen beiden Elementen
nicht immer sehr einfach zu verstehen (des öfteren sogar eher nur sehr schwer..). Von der ersten
Soziologie-Vorlesung an, fragte ich mich die ‚alten’ Soziologen auch heute noch einen so starken
Einfluss haben. Wieso werden diese sogenannten 'Klassiker' immer wieder zitiert und als
Interpretationshilfen zu Rate gezogen? Die grösste Mühe hatte ich allerdings mit der Tatsache, dass
man in der heutigen Zeit, wo so vieles anders ist als zum Beginn der Soziologie im 19. Jahrhundert,
sich noch so stark mit alten Ideen auseinandersetzt, die eigentlich auf ihre Gründungszeit bezogen
sind. Irgendwie war meine gedankliche Einstellung in einer Weise von der technischen Entwicklung
geprägt, welche auf der Idee beruht, dass die neuen technischen Errungenschaften in den meisten
Fällen besser sind, als die vorhergehenden (z.B. geringerer Energieverbrauch, höhere Leistung etc.).
Dieses technische Verständnis projizierte ich wohl in zu starkem Masse auch auf die
Geisteswissenschaft Soziologie. Trotzdem denke ich, dass es eigentlich doch Parallelen der
Naturwissenschaft und der Soziologie gibt, die mir helfen können ein besseres Verständnis für die
Soziologie aufzubringen. Nämlich sind technische Erneuerungen immer nur möglich, wenn etwas das
bereits vorher bestanden hat, weiterentwickelt wurde. Es ist nicht so, dass aus dem nichts plötzlich
technische Wunderwerke entstehen können. Der zeitliche Faktor, im Zusammenhang mit etwas
bereits bestehenden, führt zur Entwicklung.
Ähnlich verhält es sich eigentlich in der Soziologie. Durch den Umstand, dass gewisse Klassiker ihre
Ideen und Paradigmen entwickelten, konnte erst eine zeitliche Entwicklung der Soziologie entstehen,
die in das mündete, womit ich in meinem Soziologiestudium in Kontakt komme. Diesbezüglich sind die
Klassiker der Soziologie die Basis für das, was jetzt besteht. „Sie (die Beiträge der soziologischen
Klassiker) stellen ‚mustergültige’, vorbildliche Schriften bereit, sie repräsentieren das kulturelle
Gedächnis des Faches und liefern zugleich in ihrer historischen Abfolge die Lebensgeschichte dieser
Disziplin. Auch die Soziologie kann nicht ohne ihr Gedächnis und ihre Geschichte fruchtbringend
weiterleben.“ (Literaturhinweis 1). Dieses Zitat bekräftigt meine (zugegebenermassen nicht ganz
naheliegende) Annäherung von einem technischen Standpunkt aus, an die Geschichte resp. Klassiker
der Soziologie.
In die gleiche Kerbe schlagen auch folgende Aussagen: „Die Werke der soziologischen Klassiker,
oder genauer: deren immer wieder zu bearbeitenden Konzepte, Begriffe, Hypothesen und
Forschungsergebnisse sind dazu da, die Energie für das Herdfeuer der soziologischen Forschung in
Gegenwart und Zukunft zu liefern.“ und „Die soziologischen Klassiker liefern eine besondere Art
kultureller Energie: sie brennen, ohne zu verbrennen. Sie stellen uns jene Werke bereit, die offenbar
nie ihre Ruhe finden werden.“ (Literaturhinweis 1).
Dieser Schritt des 'Erkennen' war der erste in einer Abfolge von mehreren Schritten zum besseren
Verständnis der Klassiker der Soziologie und warum wir uns in der Soziologie mit diesen Klassiker
‚herumschlagen’ müssen. Doch einiges Kopfzerbrechen macht mir auch heute noch die Tatsache,
dass die verschiedenen Theorien der Klassiker der Soziologie schon vor relativ langer Zeit entstanden
sind, als die Gesellschaft noch anders funktionierte. Für mich stellt sich damit zwangsläufig die Frage,
inwiefern ich diese Konzepte, Begriffe, Hypothesen und Forschungsergebnisse in das heutige aktuelle
Tagesgeschehen einbeziehen kann? Zwei mögliche Antworten auf diese Fragen könnten lauten:
„..eine Sammlung klassischer soziologischer Beiträge muss vom Bewusstsein ihrer Zeitgebundenheit
und Zeitbedingtheit geprägt sein“ und „Das Interesse gilt der Vergangenheit als einer „Dienerin“ für
praktische Unternehmungen und Vorhaben in der Gegenwart. Die Vergangenheit soll mithelfen,
soziale und individuelle Identität in der Gegenwart zu konstruieren.“. Aber irgendwie bin ich gegenüber
der 'Kompatibilät' der alten Texte und Theorien für unsere Gesellschaft doch noch ein bisschen
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kritisch eingestellt. Stelle ich mir nämlich vor es gäbe eine Art Zeitmaschine, mit der man Personen
durch Raum und Zeit schicken könnte, und würden man zum Beispiel Weber in das 21. Jahrhundert
transferieren, würde der Diskurs mit ihm und seinen Ideen meiner Meinung nicht klappen da die
Veränderung in der Gesellschaft zu enorm geworden sind.
Einverstanden, mein Gedankengang mit der Zeitmaschine ist recht abwegig. Aber durch solche
Gedankenexperimente versuche ich mehr zu meinem Verständnis der Soziologie hinzu zu gewinnen.
In diesem Fall ist das Gedankenexperiment aber eher mehr Verwirrung stiftend. Andererseits fördern
folgende zwei Aussagen mein Verständnis der Soziologie gleich wieder ein bisschen: „Zentrale
Funktion soziologischer Klassiker ist es, Richtschnur und Richtlatte für den Weiterbau des
gegenwärtigen und zukünftigen Hauses der Soziologie bereitzustellen.“ und „Die Suche nach dem
gedanklichen Kern einer wissenschaftlichen Disziplin ist kein Spezifikum der Soziologie. Die Moderne
des ausgehenden 20. Jahrhunderts läuft generell in die Gefahr, immer mehr eine Kunst der
Erinnerung zu werden.“ (Literaturhinweis 1)
Kurze Einführung folgender Klassiker: Max Weber, Emile Durkheim
und Karl Marx
I Maximilian Weber [1864-1920]
Trennung von Tatsachen und Wertung
I.1 Kurzer biographischer Überblick
Karl Emil Maximilian Weber wurde am 21. April 1864 in Erfurt (Deutschland) geboren und starb
sechsundfünfzig Jahre später in München. Als Kind einer grossbürgerlichen Gesellschaft wuchs er im
Umfeld eines ökonomischen, politischen und gesellschaftlich sehr gut situierten Umfeld auf, und
absolvierte mehr oder weniger einen „standardisierten Lebenslauf eines jungen Mannes aus ‚gutem
Hause’“ (Literaturhinweis 1). Nach dem Besuch einer Privatschule und dem Gymnasium, nahm er ein
Universitätsstudium (Jurisprudenz, Nationalökonomie, Agrargeschichte, Philosophie, Theologie,
Habilitation für Römisches Recht und Handelsrecht) in Angriff. Dabei befasste er sich in seinem
Studium hauptsächlich mit den Auswirkungen des Kapitalismus, welches das beherrschende Thema
der Nationalökonomiker wie z.B. Adam Smith und Karl Marx war.
Im Auftrag des Vereins für Sozialpolitik (für welchen er sich recht stark engagierte), erstellte Weber die
Studie ‚Die Verhältnisse der Landarbeiter im ostselbischen Deutschland’, welche unter anderen seinen
wissenschaftlichen Ruf begründete.
Die intensiven Studien von Weber hatten ihre negativen Folgen: In den Jahren zwischen 1897 bis
etwa 1904 folgten Phasen völliger Erschöpfung, tiefer Depressionen und Aufenthalten in Sanatorien.
Im Jahre 1903 verliess er wegen gesundheitlichen Gründen das universitäre Lehreramt, in welchem er
seit etwa 1894 aktiv. In der Folge befasst er sich intensiv mit der Frage nach den Ursprüngen des
Kapitalismus und wird daneben auch im publizistischen Bereich tätig.
1913 beginnt er an seinem soziologischen Hauptwerk (‚Wirtschaft und Gesellschaft’) in dem er den
Idealtypus als soziologischen Unterscheidungsbegriff einführt.
Im folgenden möchte ich skizzenhaft auf drei Punkte eingehen, die meiner Meinung nach zu den
Kernthesen der Theorien von Max Weber gehören.
I.2 Die Soziologie versus die Naturwissenschaft & Max Webers Einflüsse auf die Soziologie
Beim einem flüchtigen Vergleich zwischen der Geisteswissenschaft Soziologie und einer
Naturwissenschaft wie zum Beispiel der Physik fragt man sich, was eigentlich der Unterschied in
diesen Disziplinen sein könnte, weil er auf den ersten Blick nicht sehr augenfällig ist.
In dieser Beziehung hat Weber eine klare Unterscheidung der zwei Disziplinen eingeführt. Er legt
grossen Wert auf die Feststellung, dass der Mensch ein Wesen mit Bewusstsein ist und deshalb in
Funktion von Wertvorstellungen, Glauben und geistiger Einstellung handelt. Damit sind die
Handlungen des Mensches nicht einfach nur kausale Folgen einer vorangehenden Aktion, wie dies
die Naturwissenschaft beschreiben würde, sondern die Reaktion des Menschen wird eben durch das
Bewusstsein 'katalysiert'. Damit ist der Soziologe mit dem Problem der verschiedenen
Wertvorstellungen jedes einzelnen Menschen konfrontiert, und muss in jedem Fall individuell auf die
Person bezogen (nach dessen Wert- und Normvorstellungen) den Sinn rekonstruieren, welcher diese
Personen ihrem Handeln gaben. In anderen Worten: Damit eine soziale Aktivität verstanden werden
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kann, muss der Soziologe sich in den Handelnden hineinversetzen (es stellt sich die Frage nach
dessen Motivation und Handlungssinn) um so die soziale Handlung zu untersuchen → Trennung von
Tatsachen und Wertung.
Während die Naturwissenschaft somit nur auf Kausalität und Logik eingeht (und dabei das subjektive
auszuschliessen versucht), muss die Soziologie vor allem der Faktor des Bewusstseins/Subjektivität in
Betracht ziehen.
Noch eine kurze Anmerkung: Max Weber gehörte zu jenen Soziologen, die nicht davon ausgingen
jemals zu einer umfassenden und erschöpfenden Antwort zu gelangen. In seinen Augen war die
Untersuchung des Zusammenspiel von Individuum und Gesellschaft (Mikro- und Makrosoziologie)
eine der wichtigen Aufgaben der Soziologie.
I.3 Die Theorie vom "Idealtypus"
Was ist der Idealtypus und was für einen Nutzen hat er?
Der Idealtypus ist ein Werkzeug, welches bei der soziologischen Arbeit von Nutzen sein soll. Damit
der Soziologe gewisse Phänomene die er beobachtet in allgemeine Regeln umwälzen kann, bedient
er sich des Idealtypus. Der Idealtypus ist eigentlich die Sammlung signifikanter Züge einer sozialen
Gruppe. Idealtypus = theoretische Konstruktion.
Es bleibt anzumerken, dass der Idealtypus ein utopischer Begriff ist, welcher man in der Realität
nirgends finden wird, gerade weil es ein konstruierter Begriff ist. Die Beziehung zwischen Idealtypen
und tatsächlich existierenden Realtypen ist relativ problematisch und muss in jeden Fall individuell
hergestellt werden.
Auszug aus Webers eigener Definition des Idealtypus: „Der Idealtyp ist ein konstruierter Begriff, eine
gedanklich zugespitzte, überprägnante Idee, die aus der Komplexität der Wirklichkeit einige konstitutiv
erscheinende Faktoren als ‚rein’ ausgeprägt hervorhebt, sie also im logischen (nicht moralischen!)
Sinne ‚ideal’ erscheinen lässt..“
II Émile Durkheim [1858-1917]
Soziales lässt sich nur durch Soziales erklären
II.1 Kurzer biographischer Überblick
Geboren ist Emile Durkheim am 15. April 1858 in Epinal (Frankreich) als Sohn eines Rabbiner. Nach
Abschluss seines Studiums arbeitet er als Lehrer bis er 1885 ein Stipendium bekommt, mit welchem
er in Deutschland weiterstudieren geht. Nachdem er nach Frankreich zurückkehrte verfasste er zwei
Artikel über seine universitären Erfahrungen in Deutschland, die ihn rasch bekannt machen und ihm
zu einer Position in der Sozialwissenschaft und Pädagogik an der Uni Bordeaux verhelfen.
Während seiner Zeit in Bordeaux verfasst Durkheim drei seiner grossen Werke ( „Über soziale
Arbeitsteilung“ (1893) „Die Regeln der soziologischen Methode“ (1895) und den „Selbstmord“ (1897) )
und gründet eine eigene Schule „École durheimienne) sowie die Zeitschrift „l’Année sociologique“.
Unterstützt wird Durkheim dabei von seiner Frau, die ihm Haus- und Erziehungsarbeit abnimmt, sowie
bei seiner Schreibarbeit behilflich ist.
Nachdem er 1902 an die Sorbonne berufen wird, leidet seine wissenschaftliche Produktivität unter der
grossen politischen und akademischen Anstrengung. Trotzdem verfeinert er seine Grundideen weiter,
und publiziert „Die elementaren Formen des religiösen Lebens“ (1912).
Durch den ersten Weltkrieg verliert Durkheim einer seiner Söhne sowie viele seiner jungen Talente an
seiner Schule. Dies trifft ihn sehr hart. Von diesem Schlag kann er sich nicht mehr erholen, worauf er
am 15. November 1917 stirbt.
II.2 Politisch und historischer Kontext
Weil zur Lebenszeit von Durkheim Frankreich eine tiefe soziale Krise (keine stabile politische Lage,
grosse vorherrschende soziale Ungleichheit, und konservativer Einfluss der kath. Kirche auf das
Erziehungssystem) durchmachte, wollte er sich und seinen Zeitgenossen Abhilfe verschaffen. Diese
Abhilfe versprach sich Durkheim in Form von einer Real- und Moralwissenschaft; durch die Soziologie.
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II.3 Zentrale Fragen und die Ziele von Durkheim
Folgende zentrale Fragen beschäftigten Durkheim:
- Wie müsste eine gerechte Gesellschaft aussehen, welche die soziale Ordnung ermöglicht und
individuelle Freiheit ermöglicht?
- Kann die Soziologie (als eine rationale, positive und empirische Wissenschaft) zu dieser ‚gerechten
Gesellschaft’ ihren Teil hinzufügen?
- Wie müssten die Konturen einer individuellen Moral aussehen?
Diese Fragen standen im Zusammenhang, mit drei Zielen, die Durkheim mit grossem Eifer verfolgte:
1) Die Einrichtung der Soziologie als Fachdisziplin an Frankreichs Universitäten
2) Eine Diagnose der modernen Gesellschaft
3) Die Entwicklung einer neuen und zeitgemässen Moral (damit der seit 1789 gespaltenen
französischen Nation zu neuer Solidarität verholfen werden konnte)
Unter diesen Gesichtspunkten definierte Durkheim die Soziologie als „Wissenschaft von den
Institutionen, deren Entstehung und Wirkungsart“ (Durkheim). Dabei sollte sich die Soziologie aber
nicht nur auf politische Einrichtungen beschränken.
II.4 Kleiner Überblick über die Hauptwerke von Durkheim
Anmerkung: Durkheim bedient sich einer ‚Argumentationsstrategie’ nach folgendem Schema; Als
erstes setzt er sich mit alternativen Ansätzen auseinander (welche nicht-sozialer Natur sind), im
zweiten Teil unterbreitet er seine eigene Erklärung, und im dritten Teil zieht er die praktischen
Schlussfolgerungen.
Titel
De la division du travail social
[Über soziale Arbeitsteilung]
(1893)
Inhalt/These
Bei diesem Thema geht es in groben Zügen um den
Zusammenhang zwischen Arbeitsteilung die verschiedenen
Arten der sozialen Kohäsion als direkte Folge.
Die Idee ist, dass je individueller die Gesellschaftsmitglieder
werden (Individualisierung als Folge von Differenzierung und
Spezialisierung der eigenen Fähigkeiten) desto weniger
können sie in ein einheitliches Kollektivbewusstsein integriert
werden.
Hält man sich diese Idee vor Augen und vergleicht man
archaische mit modernen Gesellschaften, findet man zwei
Arten von sozialer Kohäsion: Einerseits ‚Mechanische
Solidarität’ und andererseits ‚Organische Solidarität’.
Mechanische Solidarität> findet man in archaischen
Gesellschaften, die aus kleinen, segmentär differenzierten
Einheiten bestehen, welche ein starkes Kollektivbewusstsein
resp. eine Solidarität aus Ähnlichkeit erzeugt. Der Einzelne
wird direkt in die Gemeinschaft integriert.
Organische Solidarität> findet man in modernen
Gesellschaften. Sie bindet den Einzelnen indirekt in die
Gesellschaft, indem der Einzelne durch seine berufliche
Tätigkeit integriert wird.
Règles de la méthode sociologique
[Die Regeln der soziologischen
Methode]
(1895)
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Die organische Solidarität gibt damit eine Antwort auf die
Frage von Durkheim: „Wie geht es zu, dass das Individuum,
obgleich es immer autonomer wird, immer mehr von der
Gesellschaft abhängt?" Die Antwort dazu lautet: durch die
Arbeitsteilung.
Durkheim entwickelt Regeln, des soziologischen Vorgehens.
Darunter fallen u.a. folgende Prämissen: Objektivität der
Beobachtung; Untersuchung des Aufbau des Sozialtypus; Die
soziale Handlung soll losgelöst vom Handelnden untersucht
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werden (Dieser Punkt soll eine klare Schranke zwischen der
Soziologie und der Psychologie darstellen. Soziales muss
durch Soziales erklärt werden!)
Bei dieser These von Durkheim geht es darum, dass der
Selbstmord eigentlich als eine grundlegend private und
individuelle Entscheidung gilt. Wenn jedoch der Nachweis
einer gesellschaftlichen Bedingtheit dafür gelingt, ist das ein
Beweis für die Existenz des Sozialen und damit der Notwendigkeit der Soziologie.
Le Suicide
[Selbstmord]
(1897)
II.5 Ansätze/Theorien von Durkheim
• Soziales kann nur durch soziales erklärt werden
Soziale Phänomene können lediglich durch soziale Faktoren erklärt werden. NICHT durch
- Naturgesetze (Vermeiden von Begriffen der Naturwissenschaft)
- Psychologische Erklärungen (Gefühle, Affekt etc.)
Soziologie ist nicht bloss Interaktionslehre: Gesellschaft ist mehr als die blosse Summe der darin
lebenden Individuen (Bsp. Familie: Eine Familie ist mehr als die blosse Interaktion zwischen Vater –
Mutter – Kinder. Es gibt eine kollektive Identität, nach aussen treten die Individuen der Familie als
Kollektiv auf).
• Kollektives Bewusstsein
- Gesamtheit der Glaubensvorstellungen und Gefühle, die allen Mitgliedern einer Gesellschaft
resp. Gruppe gemeinsam sind
- Bewusstsein ist überindividuell, aber trotzdem auch in einzelnen Individuen verankert
Mensch wird erst durch kollektives Bewusstsein zum Menschen und zum Mitglied der Gesellschaft
(Mensch im sozialen Korsett).
Kollektives Gedächtnis: Das kollektive Bewusstsein wird dank dem kollektiven Gedächtnis von
Generation zu Generation weitergegeben.
III Karl Marx [1818-1883]
Theorie des sozialen Wandels: Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die
Geschichte von Klassenkämpfen
III.1 Kurzer biographischer Überblick
Am 5. Mai 1818 wurde Karl Marx in Trier (Deutschland) in einer jüdischen Familie geboren. Sein Vater
war Rechtsanwalt, der zur protestantischen Staatskirche von Preussen konvertierte.
Marx absolvierte das Gymnasium und studierte Recht, Philosophie und weitere der Philosophie
verwandte Fächer. Nachdem Studium wurde ihm eine akademische Laufbahn aus politischen
Gründen verwehrt und so fristete er als Journalist und Autor ein eher kärgliches Leben.
Von 1843 bis zu seinem Tode am 14. März 1883 verbrachte er fast den ganzen Rest seines Lebens
ausserhalb Deutschlands. Zunächst ging er nach Paris, dann nach Brüssel und zuletzt nach London.
Eine wichtige Person im Umfeld von Marx, lernte er 1844 in Paris kennen. Seit der ersten Begegnung
mit Friedrich Engel, einem 1820 geborenen Autor und Fabrikbesitzer, verband die beiden eine
lebenslange Freundschaft. Zwei weitere prägende Faktoren im Leben von Karl Marx waren die
Theorien von Hegel und die Entdeckung des Sozialen. Hegels Philosophie beherrschte die Köpfe und
Ideen der Generationen nach dem Tod von Hegel im Jahre 1831, so auch jener von Marx.
III.2 Theorie des sozialen Wandels
Um diese Theorie besser verstehen zu können, muss man sich den Ausgangspunkt der Theorie vor
Augen halten. Marx ging davon aus, dass die Geschichte (der Menschheit) erkennbaren Gesetzen
folgt. Er ging somit von der Annahme aus, dass es so etwas wie 'Gesetze' in der Geschichte gibt, mit
dessen Hilfe man die Zusammenhänge von Ursachen und Wirkungen in der Geschichte erklären
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könnte, um letzten Endes die künftige Entwicklung (zumindest andeutungsweise) voraussagen zu
können.
Dieser Gewande der Gesetzmässigkeit kommt nicht von ungefähr, sondern kommt von der Anlehnung
an die Naturwissenschaftler, welche ebenfalls mit diesem Prinzip forschten und zu Erfolgen kamen.
Marcs Theorie besagt nun, dass die Geschichte durch Wechselwirkung, einerseits von den
Geschichte zugrundeliegenden Strukturen und andererseits durch organisierte Kräfte, vorangetrieben
wird. Unter 'der Geschichte zugrundeliegenden Strukturen' versteht Marx die Produktivkräfte und die
Produktionsverhältnisse (Begriffdefinitionen am Ende dieses Abschnitts). Der Kern der Theorie ist nun,
dass diese Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse von sozialen Gruppen (oder von Marx auch
'Klassen' genannt) vertreten werden. So gibt es die Klasse derjenigen, die ein Interesse an der
Verteidigung der bestehenden Produktionsverhältnisse haben (Bourgeoisie), während es eine andere
Klasse gibt, die eine Veränderung dieser Strukturen fordert (Proletariat).
Da die Vereinbarkeit zwischen Produktionskräften und Produktionsverhältnissen mit der Zeit immer
wie kleiner wird, gibt es als Folge einen verschärften Kampf der Klassen. Jeder Klassenkampf führt
am Ende zu einer gewaltsamen Eskalierung, also zu einer Revolution. Folgen dieser Revolution sind:
Die bisher unterdrückte Klasse (die zugleich die Chance neuer Produktivkräfte repräsentiert) ersetzt
die bis anhin herrschende Klasse und setzt die neuen Produktionsverhältnisse durch.
Produktivkräfte: Antriebskräfte der Entwicklung
Produktionsverhältnisse: Eigentumsverhältnisse, Organisationsformen (vor allem des Wirtschaftens),
Stand der technischen Entwicklung (Anmerkung: industrielle Revolution war prägend für den Begriff
der Produktionsverhältnisse!)
Wichtig im Bezug zu dieser Theorie scheinen mir dabei folgende zwei Ergänzungen:
1) Marx wendet seine Theorie des Wandels zunächst auf historische Gesellschaftsformen (an
→ "Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen" (Erster Satz
de kommunistischen Manifests von Marx und Engel). Es lassen sich aber schon hier gewisse
Probleme bei der Anwendung der Theorie auf die Gesellschaft erkennen; so ist zum Beispiel nicht in
allen Fällen geschichtlicher Ereignisse eine revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft erkennbar.
2) Findet die Umgestaltung der Gesellschaft je ein Ende, und falls ja, wie sieht die finale Gesellschaft
aus? In dieser Frage bezieht sich Marx auf Hegel, welcher ein Ende der Geschichte kennt. Die
kapitalistische Gesellschaft wäre die letzte, auf welche die Theorie des Wandels eine Anwendung
findet. Das Proletariat übernimmt dabei die Produktionsmittel, eliminiert die Bourgeoisie und
verwirklicht schliesslich als letzte der auftretenden sozialen Klassen die 'klassenlose Gesellschaft'. In
dieser nun 'kommunistische Gesellschaft' würde es nach Marx keine weiteren Revolutionen oder
Klassenbildungen mehr geben, weil sich die Gesellschaftsstruktur mit den Produktionskräften im
Einklang ständig verändere. Erst in dieser Gesellschaft kann sich ein Individuum frei von materiellen
und geistigen Zwängen entfalten.
III.3 Auswirkungen von Marx und seiner Theorie
Obwohl heute klar wird, dass die Voraussagen von Marx in manchen Punkten nicht richtig war (z.B.
nicht in allen Fällen der historischen Gesellschaftsentwicklung ist eine revolutionäre Umgestaltung der
Gesellschaft erkennbar) ist Marx für die heutige Soziologie noch von grosser Bedeutung, weil er
wichtige Fragen aufgeworfen hat, die eigentlich immer wieder neu gestellt werden können. Ein paar
Fragen, wie noch immer ihre Gültigkeit haben:
- Inwieweit hat die Klassenlage Einfluss auf die Art und Struktur des Denkens?
- Welchen Einfluss nehmen ökonomische Faktoren auf das übrige soziale Geschehen und welche
Wechselwirkungen bestehen zwischen Wirtschaft und Gesellschaft?
- Was ist die Funktion des sozialen Konfliktes in der Gesellschaft? Wie werden Gesellschaften
zusammengehalten, obwohl Teile davon in dauerndem Konflikt miteinander stehen?
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Literaturhinweise:
1) Klassiker der Soziologie. Von Auguste Compte bis Norbert Elias. Dirk Kaesler (Hrsg.), München
1999.
2) Internet: http://www.hdg.de/lemo/html/biografien/WeberMax/index.html
3) Les essentiels Milan: La Sociologie. Patrcik Champagne. Editions Milan.
4) Grundkurs Soziologie (6.Auflage). H.P. Henecka,Opladen 1997.
weitere Quellen:
5) Vorlesung 'Britische Sozialanthropologie 1999/2000 bei CH. Giordano
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