Molekulares Profiling / Individualisierung von GI Tumoren. Konsequenzen für Standards, Studien und Therapien der Zukunft Prof. Dr. med. Andrea Tannapfel Ruhr-Universität Bochum, Institut für Pathologie Das Verständnis der molekularen Veränderungen, die der Entstehung gastrointestinaler Tumoren zugrunde liegen, ist innerhalb der letzten Jahre stetig gewachsen. Inzwischen sind eine ganze Reihe von zielgerichteten Therapien gegen diese molekularen Mechanismen entwickelt worden. „Zielgerichtet“ sind diese Therapien deshalb, weil sie nur diejenigen Tumorzellen zerstören sollen, die die spezifischen molekularen Alterationen besitzen. Um die in Frage kommenden molekularen Alterationen zu analysieren, wurden Assays entwickelt, die einzelne Gene oder Proteine im Tumorgewebe nachweisen – oder aber in einem experimentellen Ansatz multiple „Targets“ untersuchen. Dieses „Molekulare Profiling“ kann spezifische Genexpressionsmuster, deregulierte intrazelluläre Pathways oder aber Signaltransduktionskaskaden auf Gen-, mRNAund/oder Proteinebene untersuchen. Für nahezu alle gastrointestinalen Tumoren (Magen, Kolon, Pankreas) sind sogenannte „driver mutations“ identifiziert worden, Mutationen, die essentiell für die maligne Transformation erscheinen, und die zielgerichtet „individualisiert“ therapiert werden können. Das molekulare Profiling der Pathologie zur individualisierten Tumortherapie umfasst vier unterschiedliche Aspekte: - Akquisition und Prozessierung des Gewebes - Klassifizierung der Tumoren unter besonderer Berücksichtigung der Tumorheterogenität - Entwicklung robuster spezifischer Assays - klinische Evaluation und parallele Entwicklung der molekularen Marker und Medikamente (companion diagnostics). Molekulares Profiling kann an Paraffingewebe, häufiger an fresh frozen-Biopsien durchgeführt werden und auf unterschiedlichen Techniken, von der Sanger1 Sequenzierung, des Pyrosequencings, der Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISHTesting) Multiplex-Genotyping bis hin zum sog. Next-generation-Sequencing beruhen. Um klinisch anwendbar zu sein, sollte die durchschnittliche Turn Around Time (TAT) zwei bis vier Wochen nicht überschreiten. Erste Daten zeigen, dass in 50 bis 80% der Patienten Alterationen gefunden werden, die zielgerichtet therapiert werden können. Tumorheterogenität Die genetische Heterogenität eines Tumors spiegelt sich auch im Phänotyp wider. So können beispielsweise in Magenkarzinomen unterschiedliche histologische Subtypen innerhalb eines einzelnen Tumors vorkommen. Es ist bekannt, dass Primärtumor und Metastasen durchaus genetisch heterogen sein können. Darüber hinaus verändert sich ein individueller Tumor innerhalb der unterschiedlichen Therapierichtlinien. Werden Tumorbiopsien untersucht, enthalten sie einen „Zellmix“ aus malignen Zellen, normalen Zellen, Stromazellen, Entzündungszellen und Nekrose. Daher sind kleine Tumorbiopsien oder auch Zytologien nicht notwendigerweise repräsentativ für den Gesamttumor. Akquisition und Prozessierung des Gewebes Allen zugrunde liegenden Techniken gleich ist die Notwendigkeit, adäquates Tumorgewebe zu untersuchen, eine möglichst geringe Kontaminierung von normalen bzw. nekrotischen Zellen ist ebenso wichtig wie die morphologische Bestätigung der Tumordiagnose. In diesem Zusammenhang ist wichtig, die Problematik der Tumorheterogenität zu diskutieren, darüber hinaus eine Festlegung zu treffen, ob Primärtumor oder Metastasen analysiert werden sollen. Um biopsieassoziierte Komplikationen bei z.B. metastasierten Patienten zu vermindern, wird mehr und mehr auf minimal invasive Biopsien zurück gegriffen (Zytologien, zirkulierende Tumorzellen), letztendlich basieren einzelne Studien auf serumfreier DNA. Obwohl früher die Ergebnisse von Zytologie-basierten Verfahren eher enttäuschend waren, konnte in letzter Zeit gezeigt werden, dass z.B. aus serumfreier DNA reproduzierbare Ergebnisse gewonnen werden konnten. Eine weitere wichtige Überlegung ist die Standardisierung der Methoden der Fixation und der Gewebsverarbeitung („Präanalytik“). Insbesondere Untersuchungen, die an formalinfixiertem Gewebe 2 durchgeführt wurden, müssen auf qualitativ schlechte DNA (durch crosslinking, Degradierung) zurückgreifen, was zu artifiziellen Mutationsergebnissen führen kann. Entwicklung robuster spezifischer Assays Die meisten Pathologen benutzen Methoden des direkten Gensequenzierens, um die bisher relevanten Mutationen gastrointestinaler Tumoren nachzuweisen (z.B. K-ras) oder analysieren eine Amplifikation von Her-2/neu mittels FISH-Testing. Generell gilt jedoch, dass kapillarbasierte DNA-Sequenzierungsmethoden lediglich eine geringe Zahl von genetischen Alterationen sichtbar machen können und zumeist eine insuffizient niedrige Sensitivität besitzen, um niedrig frequente Mutationen in Biopsien nachzuweisen. Zwischenzeitlich sind eine ganze Reihe von Methoden (multiplexed panels) entwickelt worden, die einen höheren Durchsatz als konventionelle Kapillar-Elektrophoresenplattformen ermöglichen. Zukünftig wird es durch das Next Generation Sequencing (NGS) gelingen, simultane Genalterationen nachzuweisen. Durch die unterschiedlichen bisher entwickelten NGS-Verfahren wird es möglich sein, Target-Sequenzen von Nukleinsäuren, die von Interesse sind, schnell zu detektieren und auch chromosomale Alterationen oder Amplifikationen in einer hoch auflösenden Technik reproduzierbar nachzuweisen. Die routinemäßige Anwendung des NGS wird aktuell noch durch die relativ hohen Kosten der Datenspeicherung und -auswertung limitiert. Klinische Evaluation der molekularen Marker und Therapieformen Die meisten bisher gefundenen zielgerichteten Therapien sind lediglich bei einer Untergruppe der Patienten wirksam, daher ist es wichtig, Phase 3-Studien durchzuführen, die spezifisch diese Problematik adressieren. Moderne Studiendesigns müssen entwickelt werden, um parallel multiple zielgerichtete Therapien in selektionierten Patienten mit gastrointestinalen Tumoren durchzuführen. 3