2016-06 sicher ist sicher

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Autoren:
Carsten Diekel (BGHM)
Björn Müller (BGHM)
Elektromagnetische Felder
Elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder werden allgemein als
„Elektromagnetische Felder“ bezeichnet und liegen in einem Frequenzbereich
zwischen 0 Hz und 300 GHz. Elektromagnetische Felder gehören in den Bereich der
nicht ionisierenden Strahlung (NIR - Non-Ionizing Radiation), da sie aufgrund ihrer zu
geringen Energie keine Elektronen aus Atomen oder Molekülen entfernen können.
Der technologische Fortschritt führt im privaten und beruflichen Alltag zu einer
stetigen Zunahme von Emissionen dieser Felder.
Zu den Grundlagen
Bei elektromagnetischen Feldern wird zwischen statischen und dynamischen Feldern
unterschieden. Dynamische Felder lassen sich in niederfrequente und hochfrequente
Felder weiter unterteilen.
Statische Felder, auch Gleichfelder genannt, sind zeitlich konstant. Deshalb können
das elektrische und das magnetische Feld getrennt voneinander betrachtet werden.
Das elektrische Feld steht in Relation zur Spannungshöhe U und das magnetische
Feld zur Stromstärke I.
Dynamische Felder sind hingegen zeitveränderlich. Dabei sind das elektrische und
das magnetische Feld miteinander in Relation. Die Zusammenhänge zwischen der
elektrischen und der magnetischen Feldstärke ergeben sich aus den Maxwellschen
Feldgleichungen, dem Induktions- und Durchflutungsgesetz. Das Induktionsgesetz
beschreibt die Erzeugung einer Spannung durch einen sich zeitlich ändernden
magnetischen Fluss innerhalb einer Leiterschleife. Dass ein stromdurchflossener
elektrischer Leiter von einem Magnetfeld umgeben wird, belegt das
Durchflutungsgesetz. Die in sich geschlossenen magnetischen Feldlinien
umschließen den elektrischen Leiter ringförmig.
Statisches elektrisches Feld
Charakteristisch für ein elektrisches Feld ist die elektrische Feldstärke E. Sie wird in
der Einheit Volt pro Meter [V/m] ausgedrückt. Elektrische Felder entstehen z. B. bei
Potentialdifferenzen zwischen zwei Leitern und besitzen die Eigenschaft, Kraft auf
eine positive Ladung q auszuüben.
=q∗
Befindet sich ein leitfähiger Körper in einem elektrischen Feld, so treten am
Außenbereich des Körpers starke Verzerrungen auf. Das Innere des leitfähigen
Körpers bleibt hingegen feldfrei.
Statisches magnetisches Feld
Wird ein elektrischer Leiter mit Gleichstrom durchflossen, bewegen sich durch ihn
elektrische Ladungen und es entsteht um ihn ein magnetisches Feld. Dieses Feld
wird durch die magnetische Flussdichte B in der Einheit Tesla [T] ausgedrückt. Sie ist
auch ein Maß für die Induktion. Ein magnetisches Feld übt die Kraft F auf eine
positive Ladung q aus, die sich mit der Geschwindigkeit v bewegt.
=q∗(
∗
)
Statische elektrische Felder spielen bei industriellen Verfahren eine geringe Rolle –
im Gegensatz zu statischen magnetischen Feldern. Sie werden z. B. bei
Magnetplatten in Linearantrieben eingesetzt und hohe Gleichströme finden in der
Galvanik oder der Elektrolyse Anwendung.
Große Relevanz haben statische Magnetfelder auch in der Forschung und Medizin:
Die Anwendungsgebiete reichen von der Magnetspektroskopie bis hin zur
Magnetresonanztomografie.
Dynamische Felder
Schließlich gibt es noch dynamische Felder, bei denen sich die Spannung und der
Strom zeitlich ändern. Die elektrischen und magnetischen Felder weisen dadurch
keinen konstanten Wert mehr auf und ihre Frequenz ändert sich entsprechend der
verursachenden Spannung oder des Stromes.
Die Frequenz gibt die Anzahl der Schwingungen pro Sekunde oder den Kehrwert der
Periodendauer T an (siehe Bild 1) und trägt die Einheit Hertz [Hz].
=
1
Zeitabhängige Größen werden als Effektiv- oder Spitzenwerte beschrieben. Bei
Umrechnungen ist der Faktor √2 entsprechend zu berücksichtigen.
=
=
√2
√2
Bild 1: Dynamische Felder. Quelle: BGHM
Im hochfrequenten Bereich findet man oft auch die Angabe der Wellenlänge λ. Die
Wellenlänge ist als Quotient aus der Ausbreitungsgeschwindigkeit c der
elektromagnetischen Welle und der Frequenz berechenbar. Dabei ist die
Ausbreitungsgeschwindigkeit im Vakuum am größten und entspricht der
Lichtgeschwindigkeit.
λ=
Bei dynamischen Feldern gibt es eine weitere Unterteilung in niederfrequente und
hochfrequente Felder.
Niederfrequente Felder (bis 100 kHz)
Auch bei niederfrequenten dynamischen Feldern findet eine getrennte Betrachtung
von elektrischen und magnetischen Feldern statt. Für das elektrische Feld besteht
nur eine Abhängigkeit von der Spannung U und vom Abstand d, für das magnetische
Feld entsprechend vom Strom I und vom Abstand d. Bedingt durch die
geometrischen Abmessungen sind niederfrequente Felder in der Regel an ihre
Quelle gebunden. Die Abnahme der Felder erfolgt je nach Quelle mindestens
umgekehrt proportional zum Abstand (Linienleiter). Bei Mehrleitersystemen und
Spulen ist die Abnahme umgekehrt proportional zum Quadrat des Abstandes (1/r²).
Die Feldlinien elektrischer Felder haben einen Anfang und ein Ende. Sie lassen sich
deshalb in der Praxis relativ einfach beeinflussen. So bietet elektrisch leitfähiges
Material gegenüber elektrischen Feldern eine sehr gute Abschirmung.
Bild 2: Elektrische Feldlinien. Quelle: BGHM
Magnetische Felder haben hingegen in sich geschlossene Feldlinien und lassen sich
daher schlecht abschirmen. Sie durchdringen daher nahezu ungehindert viele
Materialien. Eine weitere Eigenschaft ist die schnelle Abnahme des Feldes mit
zunehmendem Abstand.
Bild 3: Magnetische Feldlinien. Quelle: BGHM
Hochfrequente Felder (ab 100 kHz)
Im Hochfrequenzbereich sind die elektrische und magnetische Feldkomponente eng
miteinander verknüpft. In Abhängigkeit von der Feldquellengeometrie lösen sich
hochfrequente Felder von ihrer Quelle ab und können sich dadurch über große
Entfernungen ausbreiten. Deshalb spricht man auch von elektromagnetischen
Wellen. In Ausbreitungsrichtung wird dabei Energie transportiert.
Abhängig vom Abstand zur Feldquelle liegen unterschiedliche Feldeigenschaften vor.
Es wird zwischen Nahfeld und Fernfeld unterschieden. Im Nahfeld treten zwischen
den Feldkomponenten häufig Phasenunterschiede auf. Das elektrische und
magnetische Feld sind in etwa um 90° zueinander verschoben, was entsprechend
berücksichtigt werden muss. Daher müssen im Nahfeld beide Feldkomponenten
betrachtet werden.
Praktische Fernfeldbedingungen liegen vor, wenn der Abstand zur Quelle das dreibis vierfache der Wellenlänge λ beträgt (abhängig von der Art der Quelle). Bei
Fernfeldbedingungen sind das elektrische und magnetische Feld in Phase. Die
Felder stehen senkrecht aufeinander und verlaufen senkrecht zur
Ausbreitungsrichtung (Transversalwellen). Dabei verhalten sich die Feldstärken
proportional zum Kehrwert des Abstandes [1]1/r. Die Leistungsflussdichte nimmt
dadurch quadratisch mit 1/r² ab.
Im Fernfeld sind das elektrische Feld E und das magnetische Feld H über den
Feldwellenwiderstand des freien Raumes Z0 (377 Ω ≈ 120πΩ) miteinander und jedes
mit der Leistungsflussdichte S verbunden. Mit der Kenntnis einer Größe lassen sich
hier die anderen ebenfalls bestimmen.
=
²
=
²∗
Wirkungen
Elektromagnetische Felder verursachen unmittelbare und mittelbare Wirkungen.
Unmittelbare Wirkungen sind Effekte, die direkt durch ein elektromagnetisches Feld
auf den Körper einwirken. Bei den mittelbaren Wirkungen besteht eine Gefährdung
durch Energien, die durch EMF an elektrisch leitfähigen Gegenständen erzeugt
werden (z. B. Entladungseffekte beim Berühren von Gegenständen). Des Weiteren
fallen hierunter unerwünschte Wirkungen auf Körperhilfsmittel, wie aktive und
passive Implantate (z. B. Herzschrittmacher und Endoprothesen).
Unmittelbare Wirkungen
Diese Art von Wirkungen beziehen sich auf niederfrequente magnetische Felder, da
äußere elektrische Felder nur sehr geringe Feldstärken im Körpergewebe erzeugen.
Die Reizschwellen werden hier nicht überschritten. Der menschliche Körper verhält
sich in statischen und niederfrequenten Feldern wie ein elektrischer Leiter. Die
Bewegung des Körpers im statischen Feld sowie jede zeitliche Änderung des Feldes
im niederfrequenten Bereich erzeugen im Körper elektrische Gewebefeldstärken.
Die durch Induktion erzeugte Gewebefeldstärke hat einen Körperstrom zur Folge und
beeinflusst die Ladungsträger im menschlichen Körper. In ihm existieren natürliche
körpereigene Ströme. Die von außen provozierten Körperströme können bei
ausreichender Größe die vorhandenen körpereigenen Ströme überlagern. Damit ist
auch eine potenzielle Beeinflussbarkeit von elektrisch gesteuerten Körperfunktionen
gegeben (z. B. Muskelstimulation). Die Wirkungen sind dabei abhängig von der Höhe
der Gewebefeldstärke, von der Frequenz und der Einwirkdauer.
Physiologische Effekte werden nur dann unterstellt, wenn eine Veränderung der
Gewebefeldstärke auftritt. Zur Stimulation und Erregung von Nervenzellen müssen
Reizschwellen überschritten werden. Das Gewebe des peripheren Nervensystems
(PNS) und des zentralen Nervensystems (ZNS) weisen unterschiedliche
Reizschwellen auf. Die Schwelle des Gewebes des ZNS liegt um das 20 - 40-fache
[2] unter der Schwelle des Gewebes des PNS.
Bei zu kurzer zeitlicher Änderung (kurzer Impuls) der Gewebefeldstärke kann selbst
bei hohen Gewebefeldstärken keine Stimulation oder Erregung ausgelöst werden.
Lange zeitliche Änderungen der Gewebefeldstärke lösen Stimulationen nur bei
Überschreiten der Reizschwelle aus.
Frequenzen mit bis zu einigen hundert Hertz können bei jeder Überschreitung der
Reizschwelle Nervenzellen erregen. Für Frequenzen im kHz-Bereich ist neben der
Überschreitung der Reizschwelle die Einwirkdauer relevant. Meist tritt die Erregung
erst nach einigen Schwingungen ein und kann Sinnesorgane, Muskel- und
Nervenzellen beeinflussen. Effekte wie ein metallisches Geschmacksempfinden,
Schwindel, Magnetophosphene, Kribbeln und Zucken sind möglich, ebenso eine
Beeinflussung der Herzfunktion bei sehr starken Feldern.
Bei sehr hohen elektrischen Feldern sind unter Umständen Hautoberflächeneffekte
wie Kribbeln oder Haarvibrationen möglich.
Hochfrequente elektromagnetische Felder übertragen Energie. Wird der menschliche
Körper einem elektromagnetischen Feld exponiert, absorbiert der Körper Energie.
Wie tief das elektromagnetische Feld in den Körper eindringt, ist von der Frequenz
des Feldes und der Gewebeart abhängig (Frequenzabhängigkeit). Die Eindringtiefe
ist umso geringer, je höher die Frequenz ist: Bei 2,4 GHz beträgt die Eindringtiefe nur
noch 6 mm [3]. Oberhalb von 10 GHz ist die Eindringtiefe auf die Oberfläche des
Körpers begrenzt.
Die vom Gewebe absorbierte Energie wird in Wärme umgewandelt. Dies kann z. B.
durch Orientierungspolarisation von Wasserdipolen erfolgen. Die Wärmemenge im
Körper wird mit der Energieumwandlung erhöht. Hieraus resultiert eine Erhöhung der
Körpertemperatur. Mehr als 42 °C können für einen Menschen tödlich sein. Deshalb
darf die Thermoregulationsfunktion des Körpers nicht überlastet werden.
Temperaturerhöhungen bis zu 1 °C gelten dabei als tolerierbar.
Da die menschliche Körperstruktur inhomogen ist, können Erwärmungen lokal sehr
unterschiedlich ausfallen. In Geweben mit schwacher Durchblutung sind Wärmestaus
möglich und können zu einer auf wenige Gramm Körpergewebe beschränkten
Überhitzung führen. Das Auge ist hierfür besonders anfällig: Sehr hohe Energien
können zu einer Kataraktbildung führen.
Als Basisgröße zur Bewertung eines elektromagnetischen Feldes wird die
spezifische Absorptionsrate SAR in W/kg verwendet. Sie bildet das Maß für die vom
Körpergewebe absorbierte Energie. Ganzkörper-SAR-Werte von bis zu 4 W/kg [4]
führen bei erwachsenen Menschen zu einer durchschnittlichen Temperaturerhöhung
von weniger als 1 °C.
Mittelbare Wirkungen
Als mittelbare Wirkungen können Körperströme und Berührungsspannungen im
niederfrequenten elektromagnetischen Feld auftreten. Dazu kann es bei Annäherung
an elektrisch leitfähigen Teilen kommen, die isoliert stehen und eine Aufladung
erfahren haben. Kommt es zu einer Annäherung oder Berührung folgt eine Entladung
und ein Strom kann über den Körper zur Erde fließen.
Bei hochfrequenten elektromagnetischen Feldern kann es an leitfähigen Gebilden zu
Funkenüberschlägen oder Entladungserscheinungen kommen. Diese können die
Ursache für die sogenannte Hochfrequenzverbrennung sein [4]. Durch
Funkenüberschlag kann ein vorhandenes zündfähiges Gasgemisch explodieren.
Bei sehr hohen statischen magnetischen Feldern ist noch mit einer Projektil-Wirkung
auf Objekte aus ferromagnetischem Material zu rechnen. Diese Objekte erfahren
durch die enorme Kraftwirkung erhebliche Beschleunigungen. Diese „Geschosse“
können schwere Verletzungen beim Auftreffen auf den Menschen verursachen.
Implantate
Eine weitere mittelbare Wirkung von niederfrequenten und hochfrequenten
elektromagnetischen Feldern ist die mögliche Beeinflussung aktiver und passiver
Implantate. Immer mehr Menschen erhalten sie zur physiologischen und
neurophysiologischen Unterstützung. Die Altersspanne dieser Gruppe weitet sich
durch medizinischen Fortschritt aus und betrifft daher heutzutage alle
Erwerbspersonen: Von jung bis alt, von Auszubildenden bis hin zu Personen
„60plus“.
Neben den unterstützenden Funktionen der Implantate haben elektromagnetische
Emissionen am Aufenthaltsort der Implantat tragenden Person möglicherweise
Beeinträchtigungen zur Folge. Dabei sind die Art der elektromagnetischen
Einwirkung und die Implantat-Art relevant. Im Hinblick auf die Implantate muss
zwischen passiven und aktiven Implantaten unterschieden werden.
Passive Implantate
Diese Implantate werden überwiegend aus Metall, wie z. B. Titan, Gold, Edelstahl
oder Platin hergestellt. Sie werden als Endoprothesen, also als künstliche Hüft-,
Knie- oder Schultergelenke eingesetzt. Aber auch Schienen und Stabilisatoren,
Nägel und Schrauben, Stents oder Schädelplatten zählen dazu.
Auf passive Implantate mit ferromagnetischen Anteilen üben statische magnetische
Felder u. U. eine Kraft aus, mit Dislokationen als mögliche Folge. Influenzieren oder
induzieren niederfrequente elektrische oder magnetische Felder Körperstromdichten,
können sich diese an metallischen Implantaten erhöhen. Dadurch erwärmen sich das
Implantat und das umgebende Gewebe.
Ein hochfrequentes elektromagnetisches Feld kann die gleiche Wirkung erzielen. In
diesem Fall ist die Lage des Implantats relevant, da sich mit steigender Frequenz die
Eindringtiefe ändert.
Aktive Implantate
Diese Implantate besitzen im Unterschied zu passiven eine Energieversorgung und
Elektronik. Sie müssen teilweise zur optimalen Funktion elektrophysiologische
Signale aufnehmen und verarbeiten. Die bekanntesten aktiven Implantate sind
Herzschrittmacher und Defibrillatoren. Aber auch hier schreitet die Technik fort. So
sind längst Hirnschrittmacher, Blasenschrittmacher, Insulinpumpen usw. in die
Medizintechnik eingezogen.
Beeinflussung
Benötigen aktive Implantate für ihren Betrieb elektrophysiologische Messwerte, sind
sie durch elektromagnetische Felder grundsätzlich leichter zu beeinflussen als rein
programmgesteuerte Systeme.
Über die Beeinflussung von Implantaten wie Neurostimulatoren, Insulinpumpen usw.
liegen derzeit keine allgemeingültigen Erkenntnisse vor. Zur Eruierung möglicher
negativer Einflüsse sollte der Implantat-Hersteller unbedingt kontaktiert werden.
Die Beeinflussung von Herzschrittmachern und Defibrillatoren ist hingegen heute gut
bekannt und soll daher nachfolgend erläutert werden. Herzschrittmacher und
Defibrillatoren werden beeinflusst, falls ein elektrisches Signal mit ausreichender
Dauer, Spannung und relevanter Signalform am Eingang dieser Geräte
wahrgenommen wird. Solche Signale können von externen elektrischen und
magnetischen Feldern in die implantierten Elektroden eingekoppelt werden.
Die Höhe der Störspannung ist im Wesentlichen abhängig von der Bauart
verwendeter Elektroden, der Lage implantierter Elektroden im Körper, der Amplitude,
der Frequenz und der Modulation des externen Feldes. Eine direkte Einstreuung in
das Implantat ist ebenfalls möglich. Das Gehäuse ist für statische und
niederfrequente Magnetfelder fast völlig durchlässig. Die magnetische Feldstärke
innerhalb des menschlichen Körpers entspricht der Feldstärke am selben Ort ohne
Anwesenheit des Körpers. In den Implantaten verbaute Magnetschalter werden
insbesondere durch statische magnetische Felder beeinflusst. Das kann bei
Defibrillatoren zur ungewollten Therapieunterbrechung führen.
Eine detaillierte Beurteilung bietet die DGUV Information 203-043 „Beeinflussung von
Implantaten durch elektromagnetische Felder - Eine Handlungshilfe für die
betriebliche Praxis“. [5] Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollte eine
individuelle Beurteilung entsprechend der DGUV-Information durchgeführt werden. In
den meisten Fällen ergeben sich höhere Störschwellen als nach den Angaben der
Implantat-Hersteller. Dabei sind die Sicherheitsfaktoren noch immer ausreichend. Es
ist auch eine gesellschaftliche Aufgabe, möglichst viele Implantat-Trägerinnen und
-Träger im Arbeitsprozess zu halten.
Grenzwerte/Schutz der Bevölkerung und Beschäftigten
Grundlegend sind biologische Wirkungen auf den Menschen und Einflüsse auf
Implantate möglich. Aus diesem Grund sind gesetzliche Regelungen zur Begrenzung
der Exposition erforderlich. Für die Bevölkerung gilt die 26. Verordnung zum
Bundesimmissionsschutzgesetz „Elektromagnetische Felder“. An Arbeitsplätzen gilt
als nationale Regelung derzeit noch die DGUV Vorschrift 15 „Elektromagnetische
Felder“. Durch Verabschiedung der EU-Richtlinie 2013/35/EU steht eine EMFVerordnung vor der Umsetzung. Die Unterschiede zwischen DGUV-Vorschrift 15 und
EU-Richtlinie werden im nächsten Abschnitt erläutert.
EU-Richtlinie 2013/35/EU
In der EU-Richtlinie (EU-RL) 2013/35/EU sind Mindestanforderungen zum Schutz der
Gesundheit und Sicherheit von Arbeitnehmern vor Einwirkungen von
elektromagnetischen Feldern an Arbeitsplätzen beschrieben. Die Umsetzung in
deutsches Recht in Form einer „EMF-Verordnung“ soll bis zum 01.07.2016 erfolgen.
Um die Forderungen der Verordnung für die praktische Umsetzung zu konkretisieren,
werden Technische Regeln nachfolgen.
Bisher regelt die DGUV Vorschrift 15 „Elektromagnetische Felder“ diesen Bereich. Es
lassen sich aber bereits jetzt Unterschiede zur EU-Richtlinie (EU-RL) feststellen, die
eine Neubewertung von Arbeitsplätzen erforderlich machen werden. Sowohl in der
EU-RL als auch in der Unfallverhütungsvorschrift (UVV) werden der Frequenzbereich
von 0 Hz bis 300 GHz geregelt. Jedoch unterscheiden sich die Schutzkonzepte. Die
UVV verwendet ein 4-Zonenkonzept (Bild 7), unterteilt in Gefahrbereich, Bereich
erhöhter Exposition, Expositionsbereich 1 und Expositionsbereich 2.
Bild 4: 4-Zonen-Schutzkonzept nach UVV 0 Hz ≤ f ≤ 300 GHz [6]. Quelle: DGUV
Regel 103-013
In der EU-RL werden Auslöseschwellen und sensorische sowie gesundheitliche
Grenzwerte festgelegt (Bild 6 und 7). Die Expositionsgrenzwerte müssen eingehalten
werden. Dazu reicht der Nachweis aus, dass relevante Auslöseschwellen
eingehalten worden sind. Dies wird in der Regel durch Messungen am Arbeitsplatz
geschehen. Werden die Auslöseschwellen hingegen überschritten, ist die Einhaltung
der Expositionsgrenzwerte durch numerische Berechnungsverfahren nachzuweisen.
Dieser rechnerische Nachweis ist auch nach der UVV (Einhaltung der Basiswerte)
bei Überschreiten des zulässigen Wertes für den Bereich erhöhter Exposition zu
erbringen.
[
Bild 5: Schutzkonzept Auslöseschwelle /Expositionsgrenzwert nach EU-RL
1 Hz ≤ f ≤ 10 MHz. Quelle: BGHM
Bild 6 einfügen: Schutzkonzept Auslöseschwelle/Expositionsgrenzwert nach EU-RL
100 kHz ≤ f ≤ 300 GHz. Quelle: BGHM
Expositionsgrenzwerte und Basiswerte beruhen auf den ICNIRP-Empfehlungen
(International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection). Die
Expositionsgrenzwerte der EU-RL entsprechen den Neuerungen (1 Hz – 100 kHz)
von 2010. [7; 8]
In der UVV und in der EU-Richtlinie findet eine Unterscheidung zwischen
nichtthermischen Wirkungen (UVV: 0 Hz bis 91 kHz, EU-RL: 0 Hz bis 10 MHz) und
thermischen Wirkungen (UVV: 29 kHz bis 300 GHz, EU-RL: 100 kHz bis 300 GHz)
statt. [9; 10]
Um einen möglichen Handlungsbedarf durch die zukünftige EMF-Verordnung
erkennen zu können, sind in den folgenden Grafiken die Auslöseschwellen der EURL den zulässigen Werten der UVV gegenübergestellt.
Bild 7: Magnetische Flussdichten. Quelle: BGHM
Bild 8: Elektrische Feldstärken. Quelle: BGHM
Magnetische Felder
Auf Bild 8 ist zu erkennen, dass die hohe Auslöseschwelle (gesundheitliche Wirkung)
der EU-RL bis zu einer Frequenz von 2356 Hz keine Verschärfung darstellt. Sie liegt
bis etwa 1500 Hz deutlich über den zulässigen Werten für den Bereich erhöhter
Exposition der UVV.
Im Frequenzbereich zwischen 2356 Hz und 61,76 kHz ist die hohe Auslöseschwelle
der EU-RL hingegen kleiner als die zulässigen Werte des Bereiches erhöhter
Exposition (100 µT EU-RL zu 127,3 µT) der UVV. Diese geringe Abweichung wird
keine wesentlichen Änderungen zur Folge haben. Eine Neubewertung des
Arbeitsplatzes ist wohl eher unwahrscheinlich.
Die Auslöseschwelle für thermische Wirkungen ab 100 kHz wurde bis 30 MHz
gegenüber den zulässigen Werten des Expositionsbereiches 1 der UVV teilweise
deutlich reduziert. Für diesen Frequenzbereich ist eine Neubewertung für
Arbeitsverfahren, wie z. B. HF-Löten oder induktives Härten, erforderlich. Ab einer
Frequenz von 30 MHz sind Auslöseschwelle und zulässiger Wert für den
Expositionsbereich 1 gleich.
Elektrische Felder
Bis 1 MHz sind die hohen Auslöseschwellen kleiner als die zulässigen Werte des
Bereiches erhöhter Exposition, teilweise auch kleiner als die zulässigen Werte des
Expositionsbereiches 1 der UVV. Eine neue Bewertung wird erforderlich.
In der Praxis treten bis 100 kHz bei Arbeitsverfahren in der Holz- und Metallindustrie
keine nennenswerten elektrischen Felder auf. Deshalb wird dort die Absenkung
wenig Relevanz haben. Bei Arbeitsverfahren mit Frequenzen zwischen 100 kHz und
10 MHz kann ein elektrisches oder magnetisches Feld dominieren. Hier ist eine
Bewertung durchzuführen.
Oberhalb einer Frequenz von 1 MHz sind die Verläufe Auslöseschwelle und
zulässiger Wert des Expositionsbereiches 1 gleich. Neubewertungen werden nicht
erforderlich. Typische Maschinen im hochfrequenten Bereich sind z. B. HFSchweißanlagen in der Kunststoffindustrie und HF-Trockner in der Holzindustrie.
Gepulste Felder
Bei gepulsten Feldern, wie z. B. beim Widerstandsschweißen, treten in der Regel
magnetische Felder mit sehr hohen Flussdichten auf. Die zulässigen Werte der UVV
werden meist überschritten, sodass der Nachweis über die Einhaltung der
Basiswerte mit numerischen Berechnungsverfahren erfolgen muss. Für den Beleg
der Einhaltung der Expositionsgrenzwerte der EU-RL wird das voraussichtlich
ebenso der Fall sein.
Das Inkrafttreten der geplanten „EMF-Verordnung“ kann Neubewertungen an einigen
Arbeitsplätzen und Arbeitsbereichen zur Folge haben. Dadurch können sich neue
Schutzmaßnahmen oder Änderungen an solchen wie z. B. Sicherheitsabstände,
Aufenthaltsdauern, Abgrenzungen, Kennzeichnungen oder Unterweisungen ergeben.
Für die Branchen Holz und Metall unterstützen die Beschäftigten der
Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) Arbeitgeberinnen und –geber sowie
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Mitgliedsbetriebe mit fachlichen Beratungen bei
den Neubewertungen.
Veröffentlichung
Erschienen im Juni 2016 in der Zeitschrift „sicher ist sicher“, Ausgabe 06/2016.
Kontakt
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kontaktieren Sie uns gerne per E-Mail an [email protected]
Hinweise zu den Autoren
Dipl.-Ing. Carsten Diekel ist Aufsichtsperson und Leiter des Sachgebiets Elektrotechnik der
BGHM.
Björn Müller ist Elektrotechniker und Mitarbeiter im Sachgebiet Elektrotechnik der BGHM.
Literatur
[1] Moltrecht, E.: Formeln und Tabellen für Nachrichtenelektroniker. Hrsg.: Wilhelm
Bing Verlag, Korbach 1977
[2] Börner, F.; Brüggemeyer, H.; Eggert, S.; Fischer, M.;Heinrich, H.; Hentschel, K.;
Neuschulz, H.: Elektromagnetische Felder am Arbeitsplatz (Forschungsbericht F
400). Hrsg.: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Bonn 2010
[3] Brüggemeyer, H.; Dickob, H.; Eggert, S.; Fischer, M.;Friederich, G.; Möbius, U.;
Reidenbach, H.D.; Ruppe, I.; Wolf, F.: Leitfaden Nichtionisierende Strahlung,
Elektromagnetische Felder. Hrsg.: Fachverband für Strahlenschutz, Köln 2005
[4] Börner, F.: IFA-Report 5/2011 Elektromagnetische Felder an Anlagen,
Maschinen und Geräten. Hrsg.: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV),
Berlin 2011
[5] DGUV Information 203-043: Beeinflussung von Implantaten durch
elektromagnetische Felder, eine Handlungshilfe für die betriebliche Praxis. Hrsg.:
Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Berlin 2009
[6] DGUV Regel 103-013: Elektromagnetische Felder. Hrsg.: Deutsche Gesetzliche
Unfallversicherung (DGUV), Berlin 2001
[7] Guidelines for limiting exposure to time-varying electric and magnetic fields (1 Hz
to 100 kHz). Health Phys. 99 (2010) Nr. 6, S. 818-836
[8] Guidelines for limiting exposure to time-varying electric, magnetic and elektromagnetic fields (up to 300 GHz). Health Phys. 74 (1998) Nr. 4, S.494-522
[9] DGUV Vorschrift 15: Elektromagnetische Felder. Hrsg.: Deutsche Gesetzliche
Unfallversicherung (DGUV), Berlin 2001
[10] Richtlinie 2013/35/EU des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 26. Juni 2013 über Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit
und Gesundheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch physikalische
Einwirkungen (elektromagnetische Felder) (20. Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels
16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG), Brüssel 2013
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