Autoren: Carsten Diekel (BGHM) Björn Müller (BGHM) Elektromagnetische Felder Elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder werden allgemein als „Elektromagnetische Felder“ bezeichnet und liegen in einem Frequenzbereich zwischen 0 Hz und 300 GHz. Elektromagnetische Felder gehören in den Bereich der nicht ionisierenden Strahlung (NIR - Non-Ionizing Radiation), da sie aufgrund ihrer zu geringen Energie keine Elektronen aus Atomen oder Molekülen entfernen können. Der technologische Fortschritt führt im privaten und beruflichen Alltag zu einer stetigen Zunahme von Emissionen dieser Felder. Zu den Grundlagen Bei elektromagnetischen Feldern wird zwischen statischen und dynamischen Feldern unterschieden. Dynamische Felder lassen sich in niederfrequente und hochfrequente Felder weiter unterteilen. Statische Felder, auch Gleichfelder genannt, sind zeitlich konstant. Deshalb können das elektrische und das magnetische Feld getrennt voneinander betrachtet werden. Das elektrische Feld steht in Relation zur Spannungshöhe U und das magnetische Feld zur Stromstärke I. Dynamische Felder sind hingegen zeitveränderlich. Dabei sind das elektrische und das magnetische Feld miteinander in Relation. Die Zusammenhänge zwischen der elektrischen und der magnetischen Feldstärke ergeben sich aus den Maxwellschen Feldgleichungen, dem Induktions- und Durchflutungsgesetz. Das Induktionsgesetz beschreibt die Erzeugung einer Spannung durch einen sich zeitlich ändernden magnetischen Fluss innerhalb einer Leiterschleife. Dass ein stromdurchflossener elektrischer Leiter von einem Magnetfeld umgeben wird, belegt das Durchflutungsgesetz. Die in sich geschlossenen magnetischen Feldlinien umschließen den elektrischen Leiter ringförmig. Statisches elektrisches Feld Charakteristisch für ein elektrisches Feld ist die elektrische Feldstärke E. Sie wird in der Einheit Volt pro Meter [V/m] ausgedrückt. Elektrische Felder entstehen z. B. bei Potentialdifferenzen zwischen zwei Leitern und besitzen die Eigenschaft, Kraft auf eine positive Ladung q auszuüben. =q∗ Befindet sich ein leitfähiger Körper in einem elektrischen Feld, so treten am Außenbereich des Körpers starke Verzerrungen auf. Das Innere des leitfähigen Körpers bleibt hingegen feldfrei. Statisches magnetisches Feld Wird ein elektrischer Leiter mit Gleichstrom durchflossen, bewegen sich durch ihn elektrische Ladungen und es entsteht um ihn ein magnetisches Feld. Dieses Feld wird durch die magnetische Flussdichte B in der Einheit Tesla [T] ausgedrückt. Sie ist auch ein Maß für die Induktion. Ein magnetisches Feld übt die Kraft F auf eine positive Ladung q aus, die sich mit der Geschwindigkeit v bewegt. =q∗( ∗ ) Statische elektrische Felder spielen bei industriellen Verfahren eine geringe Rolle – im Gegensatz zu statischen magnetischen Feldern. Sie werden z. B. bei Magnetplatten in Linearantrieben eingesetzt und hohe Gleichströme finden in der Galvanik oder der Elektrolyse Anwendung. Große Relevanz haben statische Magnetfelder auch in der Forschung und Medizin: Die Anwendungsgebiete reichen von der Magnetspektroskopie bis hin zur Magnetresonanztomografie. Dynamische Felder Schließlich gibt es noch dynamische Felder, bei denen sich die Spannung und der Strom zeitlich ändern. Die elektrischen und magnetischen Felder weisen dadurch keinen konstanten Wert mehr auf und ihre Frequenz ändert sich entsprechend der verursachenden Spannung oder des Stromes. Die Frequenz gibt die Anzahl der Schwingungen pro Sekunde oder den Kehrwert der Periodendauer T an (siehe Bild 1) und trägt die Einheit Hertz [Hz]. = 1 Zeitabhängige Größen werden als Effektiv- oder Spitzenwerte beschrieben. Bei Umrechnungen ist der Faktor √2 entsprechend zu berücksichtigen. = = √2 √2 Bild 1: Dynamische Felder. Quelle: BGHM Im hochfrequenten Bereich findet man oft auch die Angabe der Wellenlänge λ. Die Wellenlänge ist als Quotient aus der Ausbreitungsgeschwindigkeit c der elektromagnetischen Welle und der Frequenz berechenbar. Dabei ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit im Vakuum am größten und entspricht der Lichtgeschwindigkeit. λ= Bei dynamischen Feldern gibt es eine weitere Unterteilung in niederfrequente und hochfrequente Felder. Niederfrequente Felder (bis 100 kHz) Auch bei niederfrequenten dynamischen Feldern findet eine getrennte Betrachtung von elektrischen und magnetischen Feldern statt. Für das elektrische Feld besteht nur eine Abhängigkeit von der Spannung U und vom Abstand d, für das magnetische Feld entsprechend vom Strom I und vom Abstand d. Bedingt durch die geometrischen Abmessungen sind niederfrequente Felder in der Regel an ihre Quelle gebunden. Die Abnahme der Felder erfolgt je nach Quelle mindestens umgekehrt proportional zum Abstand (Linienleiter). Bei Mehrleitersystemen und Spulen ist die Abnahme umgekehrt proportional zum Quadrat des Abstandes (1/r²). Die Feldlinien elektrischer Felder haben einen Anfang und ein Ende. Sie lassen sich deshalb in der Praxis relativ einfach beeinflussen. So bietet elektrisch leitfähiges Material gegenüber elektrischen Feldern eine sehr gute Abschirmung. Bild 2: Elektrische Feldlinien. Quelle: BGHM Magnetische Felder haben hingegen in sich geschlossene Feldlinien und lassen sich daher schlecht abschirmen. Sie durchdringen daher nahezu ungehindert viele Materialien. Eine weitere Eigenschaft ist die schnelle Abnahme des Feldes mit zunehmendem Abstand. Bild 3: Magnetische Feldlinien. Quelle: BGHM Hochfrequente Felder (ab 100 kHz) Im Hochfrequenzbereich sind die elektrische und magnetische Feldkomponente eng miteinander verknüpft. In Abhängigkeit von der Feldquellengeometrie lösen sich hochfrequente Felder von ihrer Quelle ab und können sich dadurch über große Entfernungen ausbreiten. Deshalb spricht man auch von elektromagnetischen Wellen. In Ausbreitungsrichtung wird dabei Energie transportiert. Abhängig vom Abstand zur Feldquelle liegen unterschiedliche Feldeigenschaften vor. Es wird zwischen Nahfeld und Fernfeld unterschieden. Im Nahfeld treten zwischen den Feldkomponenten häufig Phasenunterschiede auf. Das elektrische und magnetische Feld sind in etwa um 90° zueinander verschoben, was entsprechend berücksichtigt werden muss. Daher müssen im Nahfeld beide Feldkomponenten betrachtet werden. Praktische Fernfeldbedingungen liegen vor, wenn der Abstand zur Quelle das dreibis vierfache der Wellenlänge λ beträgt (abhängig von der Art der Quelle). Bei Fernfeldbedingungen sind das elektrische und magnetische Feld in Phase. Die Felder stehen senkrecht aufeinander und verlaufen senkrecht zur Ausbreitungsrichtung (Transversalwellen). Dabei verhalten sich die Feldstärken proportional zum Kehrwert des Abstandes [1]1/r. Die Leistungsflussdichte nimmt dadurch quadratisch mit 1/r² ab. Im Fernfeld sind das elektrische Feld E und das magnetische Feld H über den Feldwellenwiderstand des freien Raumes Z0 (377 Ω ≈ 120πΩ) miteinander und jedes mit der Leistungsflussdichte S verbunden. Mit der Kenntnis einer Größe lassen sich hier die anderen ebenfalls bestimmen. = ² = ²∗ Wirkungen Elektromagnetische Felder verursachen unmittelbare und mittelbare Wirkungen. Unmittelbare Wirkungen sind Effekte, die direkt durch ein elektromagnetisches Feld auf den Körper einwirken. Bei den mittelbaren Wirkungen besteht eine Gefährdung durch Energien, die durch EMF an elektrisch leitfähigen Gegenständen erzeugt werden (z. B. Entladungseffekte beim Berühren von Gegenständen). Des Weiteren fallen hierunter unerwünschte Wirkungen auf Körperhilfsmittel, wie aktive und passive Implantate (z. B. Herzschrittmacher und Endoprothesen). Unmittelbare Wirkungen Diese Art von Wirkungen beziehen sich auf niederfrequente magnetische Felder, da äußere elektrische Felder nur sehr geringe Feldstärken im Körpergewebe erzeugen. Die Reizschwellen werden hier nicht überschritten. Der menschliche Körper verhält sich in statischen und niederfrequenten Feldern wie ein elektrischer Leiter. Die Bewegung des Körpers im statischen Feld sowie jede zeitliche Änderung des Feldes im niederfrequenten Bereich erzeugen im Körper elektrische Gewebefeldstärken. Die durch Induktion erzeugte Gewebefeldstärke hat einen Körperstrom zur Folge und beeinflusst die Ladungsträger im menschlichen Körper. In ihm existieren natürliche körpereigene Ströme. Die von außen provozierten Körperströme können bei ausreichender Größe die vorhandenen körpereigenen Ströme überlagern. Damit ist auch eine potenzielle Beeinflussbarkeit von elektrisch gesteuerten Körperfunktionen gegeben (z. B. Muskelstimulation). Die Wirkungen sind dabei abhängig von der Höhe der Gewebefeldstärke, von der Frequenz und der Einwirkdauer. Physiologische Effekte werden nur dann unterstellt, wenn eine Veränderung der Gewebefeldstärke auftritt. Zur Stimulation und Erregung von Nervenzellen müssen Reizschwellen überschritten werden. Das Gewebe des peripheren Nervensystems (PNS) und des zentralen Nervensystems (ZNS) weisen unterschiedliche Reizschwellen auf. Die Schwelle des Gewebes des ZNS liegt um das 20 - 40-fache [2] unter der Schwelle des Gewebes des PNS. Bei zu kurzer zeitlicher Änderung (kurzer Impuls) der Gewebefeldstärke kann selbst bei hohen Gewebefeldstärken keine Stimulation oder Erregung ausgelöst werden. Lange zeitliche Änderungen der Gewebefeldstärke lösen Stimulationen nur bei Überschreiten der Reizschwelle aus. Frequenzen mit bis zu einigen hundert Hertz können bei jeder Überschreitung der Reizschwelle Nervenzellen erregen. Für Frequenzen im kHz-Bereich ist neben der Überschreitung der Reizschwelle die Einwirkdauer relevant. Meist tritt die Erregung erst nach einigen Schwingungen ein und kann Sinnesorgane, Muskel- und Nervenzellen beeinflussen. Effekte wie ein metallisches Geschmacksempfinden, Schwindel, Magnetophosphene, Kribbeln und Zucken sind möglich, ebenso eine Beeinflussung der Herzfunktion bei sehr starken Feldern. Bei sehr hohen elektrischen Feldern sind unter Umständen Hautoberflächeneffekte wie Kribbeln oder Haarvibrationen möglich. Hochfrequente elektromagnetische Felder übertragen Energie. Wird der menschliche Körper einem elektromagnetischen Feld exponiert, absorbiert der Körper Energie. Wie tief das elektromagnetische Feld in den Körper eindringt, ist von der Frequenz des Feldes und der Gewebeart abhängig (Frequenzabhängigkeit). Die Eindringtiefe ist umso geringer, je höher die Frequenz ist: Bei 2,4 GHz beträgt die Eindringtiefe nur noch 6 mm [3]. Oberhalb von 10 GHz ist die Eindringtiefe auf die Oberfläche des Körpers begrenzt. Die vom Gewebe absorbierte Energie wird in Wärme umgewandelt. Dies kann z. B. durch Orientierungspolarisation von Wasserdipolen erfolgen. Die Wärmemenge im Körper wird mit der Energieumwandlung erhöht. Hieraus resultiert eine Erhöhung der Körpertemperatur. Mehr als 42 °C können für einen Menschen tödlich sein. Deshalb darf die Thermoregulationsfunktion des Körpers nicht überlastet werden. Temperaturerhöhungen bis zu 1 °C gelten dabei als tolerierbar. Da die menschliche Körperstruktur inhomogen ist, können Erwärmungen lokal sehr unterschiedlich ausfallen. In Geweben mit schwacher Durchblutung sind Wärmestaus möglich und können zu einer auf wenige Gramm Körpergewebe beschränkten Überhitzung führen. Das Auge ist hierfür besonders anfällig: Sehr hohe Energien können zu einer Kataraktbildung führen. Als Basisgröße zur Bewertung eines elektromagnetischen Feldes wird die spezifische Absorptionsrate SAR in W/kg verwendet. Sie bildet das Maß für die vom Körpergewebe absorbierte Energie. Ganzkörper-SAR-Werte von bis zu 4 W/kg [4] führen bei erwachsenen Menschen zu einer durchschnittlichen Temperaturerhöhung von weniger als 1 °C. Mittelbare Wirkungen Als mittelbare Wirkungen können Körperströme und Berührungsspannungen im niederfrequenten elektromagnetischen Feld auftreten. Dazu kann es bei Annäherung an elektrisch leitfähigen Teilen kommen, die isoliert stehen und eine Aufladung erfahren haben. Kommt es zu einer Annäherung oder Berührung folgt eine Entladung und ein Strom kann über den Körper zur Erde fließen. Bei hochfrequenten elektromagnetischen Feldern kann es an leitfähigen Gebilden zu Funkenüberschlägen oder Entladungserscheinungen kommen. Diese können die Ursache für die sogenannte Hochfrequenzverbrennung sein [4]. Durch Funkenüberschlag kann ein vorhandenes zündfähiges Gasgemisch explodieren. Bei sehr hohen statischen magnetischen Feldern ist noch mit einer Projektil-Wirkung auf Objekte aus ferromagnetischem Material zu rechnen. Diese Objekte erfahren durch die enorme Kraftwirkung erhebliche Beschleunigungen. Diese „Geschosse“ können schwere Verletzungen beim Auftreffen auf den Menschen verursachen. Implantate Eine weitere mittelbare Wirkung von niederfrequenten und hochfrequenten elektromagnetischen Feldern ist die mögliche Beeinflussung aktiver und passiver Implantate. Immer mehr Menschen erhalten sie zur physiologischen und neurophysiologischen Unterstützung. Die Altersspanne dieser Gruppe weitet sich durch medizinischen Fortschritt aus und betrifft daher heutzutage alle Erwerbspersonen: Von jung bis alt, von Auszubildenden bis hin zu Personen „60plus“. Neben den unterstützenden Funktionen der Implantate haben elektromagnetische Emissionen am Aufenthaltsort der Implantat tragenden Person möglicherweise Beeinträchtigungen zur Folge. Dabei sind die Art der elektromagnetischen Einwirkung und die Implantat-Art relevant. Im Hinblick auf die Implantate muss zwischen passiven und aktiven Implantaten unterschieden werden. Passive Implantate Diese Implantate werden überwiegend aus Metall, wie z. B. Titan, Gold, Edelstahl oder Platin hergestellt. Sie werden als Endoprothesen, also als künstliche Hüft-, Knie- oder Schultergelenke eingesetzt. Aber auch Schienen und Stabilisatoren, Nägel und Schrauben, Stents oder Schädelplatten zählen dazu. Auf passive Implantate mit ferromagnetischen Anteilen üben statische magnetische Felder u. U. eine Kraft aus, mit Dislokationen als mögliche Folge. Influenzieren oder induzieren niederfrequente elektrische oder magnetische Felder Körperstromdichten, können sich diese an metallischen Implantaten erhöhen. Dadurch erwärmen sich das Implantat und das umgebende Gewebe. Ein hochfrequentes elektromagnetisches Feld kann die gleiche Wirkung erzielen. In diesem Fall ist die Lage des Implantats relevant, da sich mit steigender Frequenz die Eindringtiefe ändert. Aktive Implantate Diese Implantate besitzen im Unterschied zu passiven eine Energieversorgung und Elektronik. Sie müssen teilweise zur optimalen Funktion elektrophysiologische Signale aufnehmen und verarbeiten. Die bekanntesten aktiven Implantate sind Herzschrittmacher und Defibrillatoren. Aber auch hier schreitet die Technik fort. So sind längst Hirnschrittmacher, Blasenschrittmacher, Insulinpumpen usw. in die Medizintechnik eingezogen. Beeinflussung Benötigen aktive Implantate für ihren Betrieb elektrophysiologische Messwerte, sind sie durch elektromagnetische Felder grundsätzlich leichter zu beeinflussen als rein programmgesteuerte Systeme. Über die Beeinflussung von Implantaten wie Neurostimulatoren, Insulinpumpen usw. liegen derzeit keine allgemeingültigen Erkenntnisse vor. Zur Eruierung möglicher negativer Einflüsse sollte der Implantat-Hersteller unbedingt kontaktiert werden. Die Beeinflussung von Herzschrittmachern und Defibrillatoren ist hingegen heute gut bekannt und soll daher nachfolgend erläutert werden. Herzschrittmacher und Defibrillatoren werden beeinflusst, falls ein elektrisches Signal mit ausreichender Dauer, Spannung und relevanter Signalform am Eingang dieser Geräte wahrgenommen wird. Solche Signale können von externen elektrischen und magnetischen Feldern in die implantierten Elektroden eingekoppelt werden. Die Höhe der Störspannung ist im Wesentlichen abhängig von der Bauart verwendeter Elektroden, der Lage implantierter Elektroden im Körper, der Amplitude, der Frequenz und der Modulation des externen Feldes. Eine direkte Einstreuung in das Implantat ist ebenfalls möglich. Das Gehäuse ist für statische und niederfrequente Magnetfelder fast völlig durchlässig. Die magnetische Feldstärke innerhalb des menschlichen Körpers entspricht der Feldstärke am selben Ort ohne Anwesenheit des Körpers. In den Implantaten verbaute Magnetschalter werden insbesondere durch statische magnetische Felder beeinflusst. Das kann bei Defibrillatoren zur ungewollten Therapieunterbrechung führen. Eine detaillierte Beurteilung bietet die DGUV Information 203-043 „Beeinflussung von Implantaten durch elektromagnetische Felder - Eine Handlungshilfe für die betriebliche Praxis“. [5] Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollte eine individuelle Beurteilung entsprechend der DGUV-Information durchgeführt werden. In den meisten Fällen ergeben sich höhere Störschwellen als nach den Angaben der Implantat-Hersteller. Dabei sind die Sicherheitsfaktoren noch immer ausreichend. Es ist auch eine gesellschaftliche Aufgabe, möglichst viele Implantat-Trägerinnen und -Träger im Arbeitsprozess zu halten. Grenzwerte/Schutz der Bevölkerung und Beschäftigten Grundlegend sind biologische Wirkungen auf den Menschen und Einflüsse auf Implantate möglich. Aus diesem Grund sind gesetzliche Regelungen zur Begrenzung der Exposition erforderlich. Für die Bevölkerung gilt die 26. Verordnung zum Bundesimmissionsschutzgesetz „Elektromagnetische Felder“. An Arbeitsplätzen gilt als nationale Regelung derzeit noch die DGUV Vorschrift 15 „Elektromagnetische Felder“. Durch Verabschiedung der EU-Richtlinie 2013/35/EU steht eine EMFVerordnung vor der Umsetzung. Die Unterschiede zwischen DGUV-Vorschrift 15 und EU-Richtlinie werden im nächsten Abschnitt erläutert. EU-Richtlinie 2013/35/EU In der EU-Richtlinie (EU-RL) 2013/35/EU sind Mindestanforderungen zum Schutz der Gesundheit und Sicherheit von Arbeitnehmern vor Einwirkungen von elektromagnetischen Feldern an Arbeitsplätzen beschrieben. Die Umsetzung in deutsches Recht in Form einer „EMF-Verordnung“ soll bis zum 01.07.2016 erfolgen. Um die Forderungen der Verordnung für die praktische Umsetzung zu konkretisieren, werden Technische Regeln nachfolgen. Bisher regelt die DGUV Vorschrift 15 „Elektromagnetische Felder“ diesen Bereich. Es lassen sich aber bereits jetzt Unterschiede zur EU-Richtlinie (EU-RL) feststellen, die eine Neubewertung von Arbeitsplätzen erforderlich machen werden. Sowohl in der EU-RL als auch in der Unfallverhütungsvorschrift (UVV) werden der Frequenzbereich von 0 Hz bis 300 GHz geregelt. Jedoch unterscheiden sich die Schutzkonzepte. Die UVV verwendet ein 4-Zonenkonzept (Bild 7), unterteilt in Gefahrbereich, Bereich erhöhter Exposition, Expositionsbereich 1 und Expositionsbereich 2. Bild 4: 4-Zonen-Schutzkonzept nach UVV 0 Hz ≤ f ≤ 300 GHz [6]. Quelle: DGUV Regel 103-013 In der EU-RL werden Auslöseschwellen und sensorische sowie gesundheitliche Grenzwerte festgelegt (Bild 6 und 7). Die Expositionsgrenzwerte müssen eingehalten werden. Dazu reicht der Nachweis aus, dass relevante Auslöseschwellen eingehalten worden sind. Dies wird in der Regel durch Messungen am Arbeitsplatz geschehen. Werden die Auslöseschwellen hingegen überschritten, ist die Einhaltung der Expositionsgrenzwerte durch numerische Berechnungsverfahren nachzuweisen. Dieser rechnerische Nachweis ist auch nach der UVV (Einhaltung der Basiswerte) bei Überschreiten des zulässigen Wertes für den Bereich erhöhter Exposition zu erbringen. [ Bild 5: Schutzkonzept Auslöseschwelle /Expositionsgrenzwert nach EU-RL 1 Hz ≤ f ≤ 10 MHz. Quelle: BGHM Bild 6 einfügen: Schutzkonzept Auslöseschwelle/Expositionsgrenzwert nach EU-RL 100 kHz ≤ f ≤ 300 GHz. Quelle: BGHM Expositionsgrenzwerte und Basiswerte beruhen auf den ICNIRP-Empfehlungen (International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection). Die Expositionsgrenzwerte der EU-RL entsprechen den Neuerungen (1 Hz – 100 kHz) von 2010. [7; 8] In der UVV und in der EU-Richtlinie findet eine Unterscheidung zwischen nichtthermischen Wirkungen (UVV: 0 Hz bis 91 kHz, EU-RL: 0 Hz bis 10 MHz) und thermischen Wirkungen (UVV: 29 kHz bis 300 GHz, EU-RL: 100 kHz bis 300 GHz) statt. [9; 10] Um einen möglichen Handlungsbedarf durch die zukünftige EMF-Verordnung erkennen zu können, sind in den folgenden Grafiken die Auslöseschwellen der EURL den zulässigen Werten der UVV gegenübergestellt. Bild 7: Magnetische Flussdichten. Quelle: BGHM Bild 8: Elektrische Feldstärken. Quelle: BGHM Magnetische Felder Auf Bild 8 ist zu erkennen, dass die hohe Auslöseschwelle (gesundheitliche Wirkung) der EU-RL bis zu einer Frequenz von 2356 Hz keine Verschärfung darstellt. Sie liegt bis etwa 1500 Hz deutlich über den zulässigen Werten für den Bereich erhöhter Exposition der UVV. Im Frequenzbereich zwischen 2356 Hz und 61,76 kHz ist die hohe Auslöseschwelle der EU-RL hingegen kleiner als die zulässigen Werte des Bereiches erhöhter Exposition (100 µT EU-RL zu 127,3 µT) der UVV. Diese geringe Abweichung wird keine wesentlichen Änderungen zur Folge haben. Eine Neubewertung des Arbeitsplatzes ist wohl eher unwahrscheinlich. Die Auslöseschwelle für thermische Wirkungen ab 100 kHz wurde bis 30 MHz gegenüber den zulässigen Werten des Expositionsbereiches 1 der UVV teilweise deutlich reduziert. Für diesen Frequenzbereich ist eine Neubewertung für Arbeitsverfahren, wie z. B. HF-Löten oder induktives Härten, erforderlich. Ab einer Frequenz von 30 MHz sind Auslöseschwelle und zulässiger Wert für den Expositionsbereich 1 gleich. Elektrische Felder Bis 1 MHz sind die hohen Auslöseschwellen kleiner als die zulässigen Werte des Bereiches erhöhter Exposition, teilweise auch kleiner als die zulässigen Werte des Expositionsbereiches 1 der UVV. Eine neue Bewertung wird erforderlich. In der Praxis treten bis 100 kHz bei Arbeitsverfahren in der Holz- und Metallindustrie keine nennenswerten elektrischen Felder auf. Deshalb wird dort die Absenkung wenig Relevanz haben. Bei Arbeitsverfahren mit Frequenzen zwischen 100 kHz und 10 MHz kann ein elektrisches oder magnetisches Feld dominieren. Hier ist eine Bewertung durchzuführen. Oberhalb einer Frequenz von 1 MHz sind die Verläufe Auslöseschwelle und zulässiger Wert des Expositionsbereiches 1 gleich. Neubewertungen werden nicht erforderlich. Typische Maschinen im hochfrequenten Bereich sind z. B. HFSchweißanlagen in der Kunststoffindustrie und HF-Trockner in der Holzindustrie. Gepulste Felder Bei gepulsten Feldern, wie z. B. beim Widerstandsschweißen, treten in der Regel magnetische Felder mit sehr hohen Flussdichten auf. Die zulässigen Werte der UVV werden meist überschritten, sodass der Nachweis über die Einhaltung der Basiswerte mit numerischen Berechnungsverfahren erfolgen muss. Für den Beleg der Einhaltung der Expositionsgrenzwerte der EU-RL wird das voraussichtlich ebenso der Fall sein. Das Inkrafttreten der geplanten „EMF-Verordnung“ kann Neubewertungen an einigen Arbeitsplätzen und Arbeitsbereichen zur Folge haben. Dadurch können sich neue Schutzmaßnahmen oder Änderungen an solchen wie z. B. Sicherheitsabstände, Aufenthaltsdauern, Abgrenzungen, Kennzeichnungen oder Unterweisungen ergeben. Für die Branchen Holz und Metall unterstützen die Beschäftigten der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) Arbeitgeberinnen und –geber sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Mitgliedsbetriebe mit fachlichen Beratungen bei den Neubewertungen. Veröffentlichung Erschienen im Juni 2016 in der Zeitschrift „sicher ist sicher“, Ausgabe 06/2016. Kontakt Sollten Sie als Medienvertreterin oder -vertreter auf Autorensuche für Fachartikel oder Themen sein, kontaktieren Sie uns gerne per E-Mail an [email protected] Hinweise zu den Autoren Dipl.-Ing. Carsten Diekel ist Aufsichtsperson und Leiter des Sachgebiets Elektrotechnik der BGHM. Björn Müller ist Elektrotechniker und Mitarbeiter im Sachgebiet Elektrotechnik der BGHM. Literatur [1] Moltrecht, E.: Formeln und Tabellen für Nachrichtenelektroniker. Hrsg.: Wilhelm Bing Verlag, Korbach 1977 [2] Börner, F.; Brüggemeyer, H.; Eggert, S.; Fischer, M.;Heinrich, H.; Hentschel, K.; Neuschulz, H.: Elektromagnetische Felder am Arbeitsplatz (Forschungsbericht F 400). Hrsg.: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Bonn 2010 [3] Brüggemeyer, H.; Dickob, H.; Eggert, S.; Fischer, M.;Friederich, G.; Möbius, U.; Reidenbach, H.D.; Ruppe, I.; Wolf, F.: Leitfaden Nichtionisierende Strahlung, Elektromagnetische Felder. Hrsg.: Fachverband für Strahlenschutz, Köln 2005 [4] Börner, F.: IFA-Report 5/2011 Elektromagnetische Felder an Anlagen, Maschinen und Geräten. Hrsg.: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Berlin 2011 [5] DGUV Information 203-043: Beeinflussung von Implantaten durch elektromagnetische Felder, eine Handlungshilfe für die betriebliche Praxis. Hrsg.: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Berlin 2009 [6] DGUV Regel 103-013: Elektromagnetische Felder. Hrsg.: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Berlin 2001 [7] Guidelines for limiting exposure to time-varying electric and magnetic fields (1 Hz to 100 kHz). Health Phys. 99 (2010) Nr. 6, S. 818-836 [8] Guidelines for limiting exposure to time-varying electric, magnetic and elektromagnetic fields (up to 300 GHz). Health Phys. 74 (1998) Nr. 4, S.494-522 [9] DGUV Vorschrift 15: Elektromagnetische Felder. Hrsg.: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Berlin 2001 [10] Richtlinie 2013/35/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch physikalische Einwirkungen (elektromagnetische Felder) (20. Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG), Brüssel 2013