Drohung mit School-Shooting: Annäherung an Ego-States

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Drohung mit School-Shooting:
Annäherung an Ego-States
Dorothea Nosiska
23. Forensisch-psychiatrische Tagung Wien
Ein Fall von verhindertem Amok
Dorothea Nosiska
Thomas Stompe
23. Forensisch-psychiatrische Tagung Wien
Dorothea Nosiska, 23. Forensisch–psychiatrische Tagung in Wien
Ein Fall von verhindertem Amok
Dorothea Nosiska
Thomas Stompe
23. Forensisch-psychiatrische Tagung Wien
Dorothea Nosiska, 23. Forensisch–psychiatrische Tagung in Wien
Amokläufe in Schulen
School Shootings
Wegen dem häufigen Gebrauch von Schusswaffen.
Dorothea Nosiska, 23. Forensisch–psychiatrische Tagung in Wien
Amokläufe in Schulen

USA – Littleton, 1999

Finnland – Jokela 2007 und Kauhjoki 2008

Deutschland – Erfurt 2002, Emsdetten 2006
St. Augustin 2009, Winnenden 2009

Brasilien – Rio de Janeiro 2011: ein 24-Jähriger dringt mit Handfeuerwaffen in eine Schule
von Rio de Janeiro, tötet 13 Menschen, 22 Verletzte und erschoss sich danach selbst.
Jugendliche Amokläufer töteten an ihren Schulen Dutzende Menschen.
Öffentlichkeit und Politik reagierten mit Entsetzen, Unverständnis und mit Forderungen
PC-Gewaltspiele zu verbieten, Waffengesetze zu verschärfen, mediale Berichterstattung
einzudämmen.
Zit. n. Huck, W.: Amok, School Shooting und zielgerichtete Gewalt, 2012
Dorothea Nosiska, 23. Forensisch–psychiatrische Tagung in Wien
Amokläufe in Schulen
 Ein präventives Handlungskonzept kann nur dann entwickelt
werden, wenn die Motive der Schul-Amokläufer versucht
werden zu verstehen.
 Wichtig wird es sein „die Logik dieser Aggressionen und ihre
Regeln aufzudecken, nach denen sie entstehen“.
 Es handelt sich um einen neuen Tätertyp, der sich
grundsätzlich vom Bild herkömmlicher jugendlicher Straftäter
unterscheidet.
Zit. nach Bauer (2011) aus Huck (2012): Amok, School Shooting
und zielgerichtete Gewalt. MWV-Verlag
Dorothea Nosiska, 23. Forensisch–psychiatrische Tagung in Wien
Retrospektive Analysen
 Die meisten Schul-Amoktäter wiesen Ereignisse wie
Schulabbrüche oder Schulausschlüsse im Vorfeld auf,
sie hatten Schwierigkeiten mit dem persönlichen Versagen
fertig zu werden.
 Meist gab es Warnsignale, die den Taten vorausgingen.
(Bondü und Scheithauer, 2009)
Dorothea Nosiska, 23. Forensisch–psychiatrische Tagung in Wien
Retrospektive Analysen
Deutsche Experten wie Hoffmann et al. (2009) und Robertz (2004, 2007), sowie Experten des
National Research Council in den USA fanden Warnsignale und folgende Gemeinsamkeiten:

Alle Täter waren männlich.

Fast alle hatten ungehinderten Zugang zu Waffen.

Allen Tätern gemeinsam war eine Bereitschaft zu Selbstmord, die sie zu 78 % artikulierten.

Die Täter wiesen in überdurchschnittlichem Maße Anzeichen für psychiatrische
Erkrankungen auf, wie Depressionen oder Schizophrenie.

98 % der Täter hatten im unmittelbaren Vorfeld der Tat einen signifikanten Verlust oder eine
Niederlage erlitten, 71 % hatten das Gefühl ausgegrenzt und gemobbt worden zu sein.

In 81 % der Schul-Amoktaten hatte der Täter vorher eine Person in das Ansinnen eingeweiht.

59 % hatten einen intensiven Konsum von Gewaltmedien.

Ein Drittel der Täter stirbt, Schul-Amoktäter nehmen oft ihr eigenes Leben in Kauf.
Dorothea Nosiska, 23. Forensisch–psychiatrische Tagung in Wien
Merkmale für School Shooting nach
Hoffmann, Roshdi und Robertz (2009)
 Die Opfer sind Schüler, Lehrer und andere in der Schule beschäftigte
Personen.
 In anderen Fällen scheint es darum zu gehen, so viele Personen wie
möglich zu töten.
 Die Taten werden lange im Vorfeld geplant, sie folgen bestimmten
Vorbildern.
 Potentielle jugendliche Täter entwickeln über die Zeit
Gewaltphantasien und wollen sie schließlich in die Realität umsetzen.
 Zur Ausdifferenzierung der Gewaltphantasien setzen sich die
Jugendlichen mit gewalthaltigen Medieninhalten auseinander.
 Kurz vor der Tatumsetzung erlitten die Jugendlichen Schädigungen in
ihren sozialen Beziehungen (Mobbing).
Dorothea Nosiska, 23. Forensisch–psychiatrische Tagung in Wien
Merkmale für School Shooting nach
Hoffmann, Roshdi und Robertz (2009)
 School Shootings sind Tötungen und Tötungsversuche von
Jugendlichen in einem direkten Bezug zu einer schulischen
Einrichtung.
 Die Täter sind in der Regel Schüler oder suspendierte oder
ehemalige Schüler der betroffenen Schule.
 School Shooter besuchen meist mittlere oder höhere Schulen
und haben Leistungsprobleme.
 Sie zeigen oft eine depressive und narzisstische Problematik.
Dorothea Nosiska, 23. Forensisch–psychiatrische Tagung in Wien
Diagnosen und
Klassifikationsversuche nach ICD-10
 Die psychischen Probleme vieler aggressiver Jugendlicher können im
psychiatrischen Sinne als seit der frühen Jugend bestehende
„Störungen des Sozialverhaltens“ diagnostisch eingeordnet werden:
 F 9 Verhaltens-und emotionale Störung mit Beginn in der Kindheit und
Jugend
 F 91.1 Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden sozialen Bindungen
 F 91.3 Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem, aufsässigem
Verhalten
 Unter dem Einfluss mangelnder erzieherischer Steuerung und
Vernachlässigung kann sich bei der Personengruppe eine antisoziale
Persönlichkeit herausbilden (F 60.2).
Dorothea Nosiska, 23. Forensisch–psychiatrische Tagung in Wien
Diagnosen und
Klassifikationsversuche nach ICD-10
 Dem gemäß sind sogenannte School-Amokläufer als
„Jugendliche in einer adoleszenztypischen Krise“ zu beschreiben.
Dorothea Nosiska, 23. Forensisch–psychiatrische Tagung in Wien
Phasen der Adoleszenz
(Salge, Analytische Psychotherapie zwischen 18 und 25, Berlin Heidelberg 2013
•
Frühe Adoleszenz (13. bis 16. LJ)
•
Mittlere Adoleszenz (16. bis 18. LJ)
•
•
Spätadoleszenz (18 bis 21 Jahre)
Postadoleszenz (21 bis 25 Jahre)
Dorothea Nosiska, 23. Forensisch–psychiatrische Tagung in Wien
Entwicklungsaufgaben
(Salge, Analytische Psychotherapie zwischen 18 und 25, Berlin Heidelberg 2013),
•
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•
•
•
Neue tragfähige Beziehungen zu Gleichaltrigen
Ökonomische Unabhängigkeit
Entwicklung und Verfolgung eines eigenen Lebensentwurfs
Anerkennung der Tatsache des „Auf sich gestellt seins“
Verzicht auf bzw. Integration von Omnipotenz- und Grandiositätsvorstellungen
Entwicklung eines reifen Ich-Ideals
Entwicklung einer stabilen persönlichen Identität
Bereitschaft und Fähigkeit zu sozialer Verantwortung und politischem Handeln
Erleben von Trauer und Abschied und die Anerkennung von verstreichender
Lebenszeit als einer Lebenstatsache
Modulation und Stabilisierung einer eigenen Moralität
Akzeptanz des eigenen Körpers , Fähigkeit zu Intimität und Partnerschaft
•
Zit.n. Christoph Gruber, Oberarzt, Psychosomatische Klinik Windach
Dorothea Nosiska, 23. Forensisch–psychiatrische Tagung in Wien
Psychopathologisch relevante
Krankheitsbilder
Adler (2000) schlägt bei Amokläufern und School Shootern drei
Krankheitskategorien vor:
 Schizophrene Jugendliche bekämpfen aus einer Wahnvorstellung
heraus „böse Mächte“.
 Depressive Jugendliche, die beispielsweise durch eine subjektiv
schandhafte Tat die Ehre der Familie befleckt hätten, um den
Nahestehenden weitere Schmach zu ersparen, wollen sie sich töten.
Oder: Reaktion auf zu unrecht erfahrenes Leid: Rache
 Narzisstisch auffällige Jugendliche, hoch kränkbar, Wechsel zwischen
Kränkungserleben & Ohnmachtsgefühlen sowie narzisstischen
Kompensationsversuchen (Allmachtsgefühlen).
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Psychopathologisch relevante
Krankheitsbilder
 Erleben von Demütigung, Spott und schulischem Misserfolg führt oft zu
einer Flucht in Fantasiewelten von Grandiosität und Macht, oftmals
Flucht in mediale Welten.
 Das „Aufstauphänomen“ kann sich dann explosionsartig in heftiger
Aggression entladen.
 School Shooting wird von den meisten Experten als eine
„Exitstrategie“ bezeichnet, mit der Möglichkeit, durch die
Erniedrigung anderer den eigenen Selbstwert wiederherzustellen.
 Es stellt sich die Frage: Bestand schon im Vorfeld der Tat eine
Depression, war diese erkennbar?
 Waren die Handlungsweisen noch Ausdruck „normaler
Überzeugungen“ oder schon Ausdruck „überwertiger Ideen“ oder
eines „wahnhaften Geschehens?“
Dorothea Nosiska, 23. Forensisch–psychiatrische Tagung in Wien
Psychopathologisch relevante
Krankheitsbilder
Das Phänomen „Wahn“ kann bei vielen psychopathologischen
Zustandsbildern vorkommen (Stompe, 2010).
 In der frühen Phase der Wahnstimmung – gen. „Trema“ nach Conrad
(2002) – zeigt sich eine deutliche Isolierung und Kontaktstörung des
Jugendlichen aufgrund eines wiederholten Scheiterns an der Realität.
Ein angemessenes Coping ist nicht möglich.
 Statt einer eindeutigen Psychose scheinen zahlreiche School Shooter
unmittelbar vor der Tat eine kurzzeitige Vermischung von Realität und
Irrealität zu erleben, dieses Erleben schreibt Lempp (2009) eher einer
überbordenden Phantasie als einer klassischen psychischen Störung
zu.
 Diese Phantasien können jedoch eine wahnhafte Form annehmen
und im weiteren Verlauf in eine Schizophrenie einmünden.
Dorothea Nosiska, 23. Forensisch–psychiatrische Tagung in Wien
Psychopathologisch relevante
Krankheitsbilder
Lempp (2009) geht davon aus, dass sich die Täter immer mehr in
„Nebenrealitäten“ verlieren, in eine „emotionale Sackgasse“ geraten
und „Wahnwelt“.
 Dieser „psychotische Ausnahmezustand“ wäre nach Lempp nicht
allein das Ergebnis persönlichen „Wahnsinns“, sondern zugleich eine
Reaktion auf die Umwelt.
 Nur beides zusammen, der „verwundbare Täter“ und eine als
„beängstigend und brutal empfundene Mitwelt“ erzeugen die
hochexplosive Einengung, die dann zu Schulamok führt.
Lempp R (2009)Nebenrealitäten. Jugendgewalt aus Zukunftsangst. Verlag für
Polizeiwissenschaft.
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Psychopathologisch relevante
Krankheitsbilder
 Theoriebildung nach Nijenhuis et al. (2006, 2009):
Die Unmöglichkeit traumatische Ereignisse zu integrieren führt zu einer
„strukturellen Dissoziation“ in unterschiedliche mentale Zustände.
 Die Dissoziative Identitätsstörung (F 44.8) ist gekennzeichnet durch
Persönlichkeitsaufspaltungen mit unterschiedlichen
Aktionssystemen, auffallend ist ein Wechsel zwischen
unterschiedlichen Persönlichkeitsanteilen (states).
Dorothea Nosiska, 23. Forensisch–psychiatrische Tagung in Wien
Täter-Introjekte und Aggression
 Peichl (2010) geht von „Täterintrojekten“ aus, einhergehend mit
früher Traumatisierung und Vernachlässigung.
 Die „Täterintrojekte“ betätigen sich als „innere Kritiker“ oder „innere
Verfolger“.
 Je hasserfüllter und ablehnender eine wichtige Bezugsperson auf
das Kind reagiert, umso stärker der „traumatogene Stresspegel“ im
Kind.
 Das Kind schaltet auf „Dissoziation“ als Schutzmechanismus, es
kommt zu einer Aufspaltung des Selbsterlebens.
Dorothea Nosiska, 23. Forensisch–psychiatrische Tagung in Wien
Theorie der strukturellen Dissoziation
Aufspaltung des Selbsterlebens nach Nijenhuis (2009):
Die wichtigste „Aufspaltung im Selbsterleben“ ist die zwischen
 „Alltagssystem“ und
 „Verteidigungssystem“
Das Alltagssystem gewährt die Funktionsfähigkeit
Das Verteidigungssystem dient dem Schutz bei Bedrohungen.
Sogenannte „Ego States“ haben eigene Wahrnehmungen, Motivationen und
Rollen innerhalb der Gesamtpersönlichkeit.
Die Aufgabe der „Ego-States“ besteht darin, sich mittels Projektion und
Identifikation gegenüber dem Aggressor zu schützen.
Es gibt „Ego-States“ die Formen von Flucht repräsentieren und
„Ego-States“ die ängstlich, wütend oder harmonisierend reagieren.
Dorothea Nosiska, 23. Forensisch–psychiatrische Tagung in Wien
Ein Fall von verhindertem Amok
Dorothea Nosiska
Thomas Stompe
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Ein Fall von verhindertem Amok
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Thomas Stompe
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