Weitere Files findest du auf www.semestra.ch/files DIE FILES DÜRFEN NUR FÜR DEN EIGENEN GEBRAUCH BENUTZT WERDEN. DAS COPYRIGHT LIEGT BEIM JEWEILIGEN AUTOR. Universität Bern: Einführung in die Soziologie Prof: Zürcher, Wetzel HS 2007 Zusammenfassung: Einführung in die Soziologie 2. Vorlesung (Lektüre Kap. 1 Joas): Die soziologische Perspektive Soziologie untersucht mit empirischen Forschungsmethoden und Theorien die soziale Organisation des menschlichen Lebens in verschiedenen Dimensionen (dabei sind menschliche Beziehungen wichtig); zentral: wie beeinflussen sich verschiedene Aspekte des sozialen Lebens gegenseitig? (Handlungen der Individuen aus dem Kontext verstehen) Soziologische Phantasie (nach C. Wright Mills): Erfahrungen in Zusammenhang zu unserer sozialen Umwelt stellen („Kräfte“, die nicht unter unserem Einfluss stehen: wie Verhältnisse bei der Geburt etc.), strukturelle Zusammenhänge und Muster erkennen (mittels systematischer Untersuchungen von Einstellungen und Verhaltensmustern, deren (un-) beabsichtigte Folgen) Menschen eingebunden in soziale Zusammenhänge individuelle und gesellschaftliche Probleme besser verstehen Sozialstruktur ist ein Muster von Beziehungen, Positionen und Mengen von Individuen, „Grundgerüst“ der sozialen Organisation (Gesellschaft als Struktur, die Positionen bereitstellt und Beziehungen zwischen Positionen festlegt: gibt Handlungsmöglichkeiten, stabil trotz Personalwechsel • Beziehungen relativ stabile, kontinuierliche Muster der Interaktion zwischen Menschen (gegenseitige Abhängigkeit) • Positionen (Status) anerkannte Plätze im Netz sozialer Beziehungen, verbunden mit Verhaltenserwartungen („Rollen“) • Individuenmengen z. B. Mitgliederzahl einer Gruppe, wichtiger als relative Grösse Unterschied Sozialstruktur – Personal (Individuen) Struktur bestimmt Möglichkeiten, aber Individuen beeinflussen auch die Struktur Quelle der Stabilität im sozialen Leben, Veränderungen aber durch strukturelle Faktoren Sozialstruktur (als unterschied zur Struktur der einzelnen Bereiche): relativ stabile Gliederung einer Bevölkerung, nach verschiedenen Kriterien: -demographische Struktur: Alter, Geschlecht -territoriale Struktur: Verteilung im Raum -vertikale Struktur: soziale Ungleichheit -Beschäftigungsstruktur: Sektoren und Berufsgruppen etc. Soziales Handeln nicht instinktives oder reflexhaftes Verhalten, das sich auf andere Menschen bezieht und von Bedingungen (die andere Menschen geschaffen haben) abhängt (ausgeführt von Gruppen oder Individuen), „Menschwerdung“ ist ein sozialer Prozess, Handlungen können neue Beziehungen oder Handlungszwänge schaffen Kultur sind die Muster von Weisen des Denkens, Verstehens, Bewertens und Kommunizierens (Sprache, Moral, Technik, Fertigkeiten als kulturelle Elemente, erlernt durch soziale Beziehungen), Kultur stellt Ressourcen des gemeinsamen Denkens und Handelns (z. B. das wichtigste davon die Sprache), liefert Kriterien zur Bewertung einer Handlung (z. B. Abtreibung), ermöglicht Entwicklung neuer Technologien (durch gesellschaftlich organisierten Vorrat an Informationen) existiert nur als sozialer Sachverhalt, Kultur oder Teil der Kultur kann nur sein, was mehreren Menschen gemeinsam ist, ihre Elemente können nur im sozialen Austausch erworben werden; Mensch als kultivierungsbedürftiges Wesen, kulturgesteuertes Wesen, nicht biologisch determiniert, muss sich die eigene Welt selbst herstellen. Macht (stehts relativ; im Bezug auf andere) ist die Fähigkeit eines sozialen Akteurs, den Gang der Ereignisse oder die Struktur einer sozialen Organisation zu bestimmen, kann auch gegen den Willen anderer Akteure (Macht erster Art, z. B. ein Polizist der einen Delinquenten verhaftet) ausgeübt werden oder um ihren Willen zu bestimmen (Macht der zweiten Art, z. B. Werbung, Staat), Macht kann von Individuen oder Gruppen ausgeübt werden (von sozialen Akteuren), Geld verleiht eine Form von Macht, in der Soziologie ist auch die Macht ganzer Sozialsysteme wichtig (z. B. USA – Äthiopien): gemeint ist die Diskrepanz zwischen Niveaus der technischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung bezeichnet stets ein soziales Verhältnis, immer in Verbindung zu anderen Menschen, Grundeigenschaft von sozialen Beziehungen, Grunddimension des sozialen Lebens: jede Beziehung impliziert auch ein Machtverhältnis. Funktionale Integration Eigenschaften der Sozialstruktur sind funktional miteinander verknüpft, nicht isoliert. Was in einem Teil der Gesellschaft passiert, beeinflusst, was in einem anderen Teil geschieht, und wird wiederum selbst davon beeinflusst. Frühe Soziologie: biologische Analogie, Gesellschaft verglichen mit einem Organismus (Gesellschaft aber weniger stark integriert, trotzdem beeinflussen sich die Teile wechselseitig) • Funktion bezeichnet den Beitrag, den jede soziale Beziehung, Position, Organisation, jeder Wert, jede Eigenschaft einer Gesellschaft für das soziale System als Ganzes leistet • In einem funktional integrierten System wird jeder Teil von seinen Beziehungen zu den anderen Teilen beeinflusst und ist von ihnen abhängig. Ein soziales Teilsystem, welches das effiziente Funktionieren des gesamten Systems unterminiert st „dysfunktional“. Integration: Frage nach den Mechanismen, die Teilbereiche, Individuen miteinander in Beziehung setzen, zu einem koordinierten Ganzen zusammensetzen funktionale Integration: kennzeichnend für moderne Gesellschaften, welche keine zentrale Ordnungsinstanzen kennen: welche Wirkung haben Einzelne / Teilbereiche auf die Gesellschaft als Ganze? Soziologie als Wissenschaft Ziel der Wissenschaft: Verständnis der Welt erweitern und vertiefen. Die wissenschaftliche Methode systematische Naturbeobachtung, objektive Interpretation der Wahrnehmungen, Suche nach Kausalbeziehungen und logische Ordnung des Wissens mittels Theorien, auch die Soziologie hat ihre Wurzeln in der „wissenschaftlichen Revolution“ des 17. Jh, zwei Grundprinzipien: empirische Beobachtung (Erwerben und verifizieren von empirischen Daten durch die fünf Sinne ev. mit Erweiterungen) und logische Analyse (rationale Erklärung in logischer Form) man strebt verifizierbares Wissen an (nicht auf Autorität, Tradition oder Konsens begründetes) durch Wissenschaften enormer Wissenszuwachs, aber nicht perfektes Wissen (immer unvollständig, durch neue Erkenntnisse in Zweifel gezogen oder durch Wissenschaft nicht beantwortbar) unterschiedliche kulturelle Standpunkte, Sprache, unterschiedliche Sicht der Dinge führen zu unterschiedlichen Erkenntnissen, Herausforderung in der Soziologie: beobachtete Gesellschaft lässt sich nicht vom beobachtenden Forscher ablösen, soziale Realität verändert sich laufend, sozialwissenschaftliche Beobachtungen sind teilweise Interpretationen von Menschen, die selbst ihre Realitäten interpretieren und erschaffen. Empirische Beobachtung Beobachtungen in Daten (Informationen, die für die Beantwortung soziologischer Fragen in besonderer Weise nützlich sind) 1) Abstraktion (relevante Merkmale abstrahieren) 2) Interpretation (Handlungen von Individuen verstehen, ihre Motive erkennen) 3) Replikation (Untersuchung muss in anderer Umgebung mit anderen Probanden wiederholbar sein) Logische Analyse 1) Fragen der Untersuchung bestimmen (Analyseeinheiten als ausdifferenzierte Teile eines grösseren, komplexeren Ganzen) 2) Ermittlung der Beziehungen zwischen den Analyseeinheiten 3) Theorienbildung (eine Theorie ist der systematische Versuch, Beziehungen explizit zu machen und deren Wirkungen zu erklären, basierend auf Gesetzeshypothesen und Fakten, die durch empirische Beobachtung gewonnen werden, im Idealfall durch Rückkehr zur empirischen Beobachtung testbar) Soziale Tatsachen Methode der Soziologie: so viele Daten als möglich erheben, im fortlaufenden Prozess des sozialen Lebens aus aussergewöhnlichen Ereignissen lernen (soziale Gesetzmässigkeiten und Muster treten so hervor) soziale Tatsachen sind dabei relativ beständige Eigenschaften der sozialen Realität, die den Handlungen der Indviduen einen Rahmen setzen, Eigenschaften des sozialen Lebens, nicht in isolierten Individuen lokalisierbar (BSP für eine solche Tatsache: Wirtschaft; die nicht von einer Einzelperson konzipiert oder beherrscht wird, aber von Einzelpersonen beeinflusst werden kann, einige Personen haben grossen Einfluss, andere sind marginalisiert, aber alle „betroffen“, anderes BSP: Raten sozialer Phänomene, Prozentsätze von Fällen einer Population pro Zeiteinheit, Gesamtraten enthüllen soziale Gesetzmässigkeiten, weiteres BSP: Sprache) soziale Tatsachen sind stabil, aber nicht uveränderlich Die Anfänge der Soziologie liegen im späten 18. und anfangs des 19. Jahrhunderts (Zeit des sozialen Wandels, allmählicher Beginn der modernen Ära) Drei entscheidende Faktoren: Entstehung der urbanen, kapitalistischen Industriegesellschaft (physische und soziale Landschaft veränderten sich im Lauf der industriellen Revolution, Land-Stadt-Wanderung änderte die traditionellen Sozialbeziehungen, eine Klasse kapitalistischer Unternehmer verdrängt Landaristokratie), „Entdeckung“ kultureller Unterschiede (Fernhandel, Kolonialisierung, stellt „Überlegenheit“ der westlichen Kultur in Frage, wissenschaftliches Interesse richtet sich auf andere Kulturen und Epochen), politische und geistige Umwälzungen (amerikanische und französische Revolution) Sozialphilosophie besagte, wie eine Gesellschaft sein sollte; aber: Ansätze einer Wissenschaft zu gesellschaftlichen Prozessen schon im 17. und 18. Jahrhundert Themen der Soziologie: Prozesse des sozialen Wandels, Faktoren, die eine Gesellschaft zusammenhalten, Ähnlichkeiten und Unterschiede verschiedener Gesellschaftstypen Klassische soziologische Theorien (aus heutiger Sicht Begründer einer neuen Wissenschaft, damals stand aber der praktische Nutzen im Zentrum: Probleme der Gesellschaft lösen, evolutionistische Theorien hatten starken EInfluss) Soziologie als enzyklopädische Universalwissenschaft: Comte, Marx, Spencer Intellektuelle Bewältigung der grossen Transformation zwischen 1750 und 1850, Revolutionen und Gegenrevolutionen, Modernisierung, Traditionsvernichtung als zielgerichteter Fortschrittsprozess, mittels Analyse der Geschichte Gesetzmässigkeiten in der Menschheitsentwicklung aufdecken (gegenwärtige und zukünftige Entwicklung erklären, Soziologie als allumfassende Wissenschaft, Szientismus (Glaube, dass gesellschaftliche Entwicklung dank der Einsichten der Soziologie gesteuert werden kann) Comte: (frz. Rev.) forderte systematische Analyse der Gesetze des sozialen Lebens, mit dem Ziel einer besseren Gesellschaft, suchte nach einem Instrument um sozialen Wandel zu steuern verwendete als erster den Begriff „Soziologie“ Spencer: Soziologie analog zur biologischen Evolution, parallele Struktur- und Funktionsänderungen in der Biologie und in der Gesellschaft, Evolutionstheorie hat allgemein grossen Einfluss auf die frühe Soziologie Erst Mitte 19. Jahrhundert wurde die Soziologie als eigenständige wissenschaftliche Disziplin an europäischen Universitäten anerkannt, seit Anfang des 20. Jh waren US-amerikanische Wissenschaftler wichtig in der Soziologie Adam Smith: interessierte sich für die Kräfte, die eine Gesellschaft zusammenhalten (für ihn sind nicht Macht und Autorität des Herrschers dabei zentral für Kohäsion, sondern funktionale Integration durch Marktkräfte und wechselseitige wirtschaftliche Abhängigkeit), nach seiner Argumentation führen durch Eigennutz motivierte Entscheidungen zur effizienten Produktion und damit zum Anstieg des gesellschaftlichen Wohlstandes, Wettbewerb als „unsichtbare Hand“, die Wirtschaft steuert Jeremy Bentham: Mensch will überall Lust maximieren und Schmerz minimieren, gegen Smith Ansicht (Eigennutzen wird addiert zu Gesamtwohl), grösstes öffentliches Wohl (entspricht nach ihm dem grössten Nutzen zu den geringsten Kosten) durch „sichtbare Hand“, durch wissenschaftlich geplantes Regierungshandeln, Kooperation zwischen sozialen Akteuren nicht selbstverständlich (Konflikte) Rational-Choice-Ansatz: nach Smith und Bentham, noch heute einflussreich, individuelle Entscheidungen sind wichtig für die Ausprägung sozialer Tatsachen, angewendet auf Marktentscheidungen, individuelle Entscheidungen, ebenfalls wichtig für Analysen staatlicher Politik (Gewinner und Verlierer eines neuen staatlichen Programms ermitteln) Kritik an der Theorie: Soziale Gesetzmässigkeiten und Muster lassen sich nicht als Aggregat individueller Handlungen erklären) Karl Marx: (Spaltung in Klassen mit unvereinbaren Interessen, Klassenkampf) wichtigstes Merkmal der Industriegesellschaften: die kapitalistische Struktur (Produktionsmittel in Privatbesitz zur Erzielung von Profit) nach Marx ist der Kapitalismus sehr produktiv, breitet ich schnell aus, aber auch eine für Krisen anfällige Wirtschaftsform, staatliche Macht wichtig um Wirtschaftssystem aufrecht zu erhalten und allfällige Rebellen zu verhindern, Zeitgenossen von ihm akzeptierten seine Theorien nicht vollständig, viele unterstützten aber die These, dass kapitalistische Sozialstruktur zu einer ungleichen Machtverteilung in der Gesellschaft führt und das Individuen als einzelne schwach sind, aber an Stärke gewinnen, wenn sie sich kollektiv organisieren Soziologie als akademische Disziplin und universitäres Lehrfach: Durkheim, Weber, Pareto Geschichte nicht mehr als auf ein Ziel gerichteter Fortschrittsprozess (Ende der Fortschrittsgewissheit), Dynamik der Moderne; „das Neue“, dessen Quelle das Individuum wird: gestaltendes Subjekt und gestaltetes Objekt der Gesellschaft gleichzeitig (nicht mehr Menschheitsentwicklung steht im Zentrum, sondern Verhältnis Individuum-Gesellschaft), Bedeutung des subjektiven Erlebens und der Grenzen der Rationalität (neben rationalen auch irrationale Komponenten des Interesses eines Menschen) Ziel der Soziologie nicht mehr die umfassende Erklärung und Prognose der Menschheitsgeschichte, sondern ein Beitrag zum Verständnis einer komplexen, widersprüchlichen gesellschaftlichen Wirklichkeit) Soziologie als akademische Fach- und Einzeldisziplin mit spezifischen Methoden und abgegrenzten Wirklichkeitsbereichen Emile Durkheim: gegen die marxsche Theorie, dass Ökonomie die Basis der Sozialstruktur sei und gesellschaftliche Spaltung in Klassen damit unvermeidlich, war ebenfalls an Kräften interessiert, die Gesellschaft zusammenhalten, nach ihm die soziale Solidarität Max Weber: soziale Tatsachen mit wissenschaftlichen Methoden analysieren, für Weber (nicht wie bei Durkheim) sind soziale Tatsachen schlicht das aggregierte Resultat der sozialen Handlungen von Individuen Soziologie als „deutendes Verstehen“ der Ursachen, subjektives Situationsverständnis, „Verstehende Soziologie“ (Standpunkt des Akteurs verstehen etc.) Kritik: bei Weber: Generalisierungen über Typen grosser Organisationen George Herbert Mead: Fokus auf die subjektive Erfahrung der Individuen und die daraus entstandene gemeinsame Definition einer Wirklichkeit (Sozialpsychologie), mikrosoziologisch, untersuchte anthropologische Grundlagen und Entwicklung der Kommunikationsfähigkeit und Interaktion Moderne Soziologische Theorien: (soziologische Klassiker als „retrospektive Konstruktion“) Talcott Parsons’ Grand Theory: Bildung dieses Kanons der klassischen Soziologie (begründet auf Durkheim, Weber und Pareto), entwickelte Theorie: die Rolle der Normen und Werte für das menschliche Handeln und Entstehung und Gewährleistung sozialer Ordnung wichtig, Kritik an Rational-Choice-Ansatz und nutzenorientiertem Handeln, (gescheiterter) Versuch einer einheitlichen soziologischen Theorie (sein Ansatz: rationale Wahlhandlungen, ökonomisches Handeln nur ein Spezialfall des sozialen Handelns, Markt ein Spezialfall der Vergesellschaftung, Ökonomie folglich nur ein Teilbereich der Soziologie) Nach dem 2. WK übernahm die amerikanische Soziologie (Parsons Theorie) eine weltweit führende Rolle (unter dem Begriff des Strukturfunktionalismus, zwischen 1945 und 1960), Kritik am Strukturfunktionalismus: Gegensätze und Konflikte in einer Gesellschaft werden oft (wie die marxistische Tradition ebenfalls) ausgeblendet, Idividuum als gestaltetes Element, nicht aber als mitgestaltendes Subjekt Soziologie gegen Ende der 60er in rapidem Aufschwung, geriet mitten in kulturelle Umwälzungen, Bild: Soziologie ist seither kein einheitliches Fach mehr, „Zersplitterung“, gegenwärtig: Synthesen aus verschiedenen Theorien, Bemühung zu Koexistenz. Theoretische Arbeit: abstrakte Fragen wie z. B. nach dem genauen Charakter menschlichen Handelns, Grundformen sozialer Ordnung etc., Problem der Sozologie: Kluft zwischen Theoretikern und empirischen Forschungsarbeiten Thematischer Schwerpunkt in der Aktualität: Gender, geschlechterspezifische Soziologie Soziologie als Fachdisziplin: Zwei wegleitende Ansätze Durkheim: Soziologie als Wissenschaft von den sozialen Tatsachen, vergleichbar mit Naturwissenschaften, Objekt der Betrachtung hat Gegenstandscharakter, d. h. existiert unabhängig vom Menschen, Ziel: soziale Tatsachen aus dem Alltag isolieren, beobachten, messen, Logik und Funktion für die Gesellschaft als Ganzes erklären Methodologischer Holismus: Primat der Gesellschaft, soziale Phänomene aus dem Kontext der Gesellschaft erklären Weber: Soziologie als Wissenschaft vom sozialen Handeln, untersucht nicht primär Fakten und Tatsachen, sondern Vorstellungen, Bedeutungen und Interpretationen, welche Menschen haben, methodologischer Individualismus: Primat des handelnden Individuums, soziale Phänomene unter Einbezug der handelnden Individuen erklären, Soziologie als geistes-historische Wissenschaft. Vier Paradigmen: Holismus Strukturfunktionalistisches Paradigma; Tradition von Comte Spencer, Durkheim und Parsons Materialistisches Paradigma (Tradition von Marx) Individualismus Interpretatives Paradigma (Weber, Mead) Ökonomisches Paradigma und elementare Verhaltenstheorie (rational choice) 3. Vorlesung (Lektüre Kap. 2 Joas): Das Wissen von der Gesellschaft Vorgehensweise der Soziologen, um Antworten auf offene Fragen zu erhalten (wie werden Informationen gesammelt, Hypothesen aufgestellt, Aussagen auf Wahrheitsgehalt überprüft, sind die jeweiligen Erkenntnisse verallgemeinerbar), welche Art von Wissen strebt die Soziologie an? Quantitative Forschung quantifizierbare Informationen durch repräsentative Befragung (grosse Zahl Befragte soll jeweilige Population möglichst gut „abbilden“) mit oft standardisierten Fragen (ermöglicht Vergleich der Antworten) und vorformulierten Antworten Theoriebezug zu Naturwissenschaften, rational choice, etc. Nomothetisch: von Raum und Zeit unabhängige Gesetze formulieren, ahistorisch Erkenntnisziel: Formulierung von wenn-dann-Aussagen nach bestimmten Aforderungen Forschungsverfahren: Erfassung von Kriterien, die vorgängig festgelegt werden, Generalisierung durch repräsentative Zahl von Fällen Defizite: Problematik des Gesetzesbegriffes, nicht verstandene statistische Regelmässigkeiten, Scheinkorrelationen etc. Qualitative Forschung: hermeneutisch-interpretatives Wissenschaftsverständnis will verstehen (Motive, Anlässe, Gefühle etc.), intensive Befragung (Gespräch) „offenes“ anstelle von standardisiertem Interview Theoriebezug: Geisteswissenschaften, interpretatives Paradigma (symbolischer Interaktionismus und Phänomenologie) Idiographisch: historisch, verstehen, beschreibend und wertend Erkenntnisziel: Rekonstruktion und Verstehen von Sinnsetzungsprozessen und Bedeutungszuschreibungen, Nachvollzug von Motiven und Intentionen Erklärungsstrategie: deutendes Hineinversetzen, Nachbilden, Nacherleben und Interpretieren von Sinnsetzungsprozessen Qualitative Forschungsverfahren: vollständige Beschreibung, Prozesscharakter etc. Defizite: Mangelnde Explikation und Dokumentation der Interpretationsregeln, der Randbedingungen (Eingeschränkte intersubjektive Überprüfbarkeit) Beide Strategien: Datenerhebung, Informationsgewinnung mit verschiedenen Methoden, zur Datenauswertung haben beide Strategien verschiedene Ansätze entwickelt, unmittelbare Erkenntnisziele der beiden Strategien sind unterschiedlich, doch ihre Methoden können sich ergänzen (sind nicht widersprüchlich, die jeweiligen wissenschaftlichen Positionen, die damit verknüpft sind, werden als gegensätzlich angesehen: in der Wissenschaftstheorie, die sich setzt mit Möglichkeiten und Grenzen wissenschaftlicher Erkenntnis, Kriterien für Qualität und Überprüfbarkeit auseinandersetzt, haben sich unterschiedliche Traditionen entwickelt: „verstehen“ (qualitativ) gegen „erklären“ (quantitativ) Gegenstandsbezug: Besonderheit der Soziologie im Vergleich zu Naturwissenschaften etc: Alltagsthemen, Vertrautheit ermöglichen Anknüpfungspunkte, aber auch Hindernisse, Soziologie stellt einen Teil der Gesellschaft dar, die sie untersucht, ist quasi in eigenes Objekt der Betrachtung eingebunden. Der Gegenstand ihrer Untersuchungen verändert sich laufend. (und z. B. muss ein Forscher sein eigenes Handeln und Wirken bedenken, er kommuniziert mit dem Objekt seiner Betrachtung, nicht wie ein Physiker), auch soziologische Beobachtungen sind als solche unerkannt möglich, häufiger aber werden sie durch Interaktion erreicht. Nicht nur einzelner Forscher steht in Beziehung zu dem Objekt, sondern die ganze Soziologie als institutionalisierte wissenschaftliche Disziplin steht mit Gesellschaft in reflexivem Verhältnis, Soziologie hat anderes Verhältnis zu ihrem Gegenstandsbereich als Naturwissenschaften, unklar ist, welche methodologischen Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sind. Konzepte wissenschaftlichen Erklärens und Verstehens Verschiedene Theorien um Ereignisse, Sachverhalte zu erklären (ein Ereignis B wird auf ein vorangegangenes Ereignis A zurückgeführt, oder im alltäglichen Gebrauch: es werden z. B. Verhaltensregeln „erklärt“), zwei Grundmodelle • Pattern model: in einen Sinnzusammenhang ordnen (qualitatives erklären), Deutungswissen • Deductive model: als zwingende Folge eines bestimmtem Sachverhalts (quantitative Forschung: deduktives Erklären), deduktive Beziehungen finden, technologisch oder strategisch umsetzbares Wissen Diese beiden Modelle schliessen sich nicht aus, spezifische Forschungsvorhaben stützen sich aber primär auf eines der beiden. Deduktiv-nomologisches Erklärungsmodell; Quantitative Forschungsstrategie Zentral: wenn-dann- bzw. je-desto-Aussagen mit intersubjektiv überprüfbaren Zusammenhängen: nomologisch von grie. Nomos (Gesetz) und Deduktion: logischer Schluss aus Bedingungen. Hempel/Oppenheim H/O-Modell: Hempel und Oppenheim haben formale Eigenschaften und Kriterien entwickelt, die Aussagen erfüllen müssen, um mit deduktivem Schluss zu einer gehaltvollen Erklärung zu werden: Explanandum (das zu erklärende Ereignis), Hypothese (oder auch Wenn-dann-Aussage, in diesem Ansatz hat dies den Status eines Gesetzes oder einer gesetzesartigen Aussage, der zweite Fall wenn man von der Unwahrheit der Aussage ausgeht), Anspruch der universellen Gültigkeit: zeitliche und räumliche Unabhängigkeit ist eine formale Voraussetzung (formuliert notwendige Verbindung zwischen These und Explanandum aus, nicht zufälliges Ereignis) nach H/O-Modell ist ein Explanandum erklärt, wenn es sich aus einem Gesetz mit Hilfe einer oder mehrerer so genannter Rand- oder Antezedenzbedingungen deduzieren (logisch ableiten) lässt. (mit diesen Bedingungen drückt man aus, dass „Ursache“ oder „Sachverhalt“ gegeben ist) Subsumptionsmodell der Erklärung: erklärungsbedürftiger Sachverhalt unter allgemeines Gesetz subsumiert Gesetzesbegriff und Wahrheitsanspruch: Deduktion nur ohne zeitliche und räumliche Einschränkung möglich, und keine zufällige Koinzidenz, sondern notwendiges Zusammentreffen, aber auch nicht unbedingt Kausalität. (also Korrelation aber nicht Kausalität). Ein Gesetz AB kann nie zweifelsfrei bewiesen werden, also nicht verifizieren aber falsifizieren ist möglich: wenn Antezedenzbedingungen gegeben sind, Ereignis aber nicht eintritt ist Aussage widerlegt (andernfalls wäre sie „bestätigt“) Falsifikation von Hypothesen ist ein wichtiger Bereich der Wissenschaft Theorien und statistische Erklärungen: Explananda sind häufig nur mit umfangreicheren Theorien (aus verschiedenen Gesetzen, Aussagen mit logischen Ableitungen) erklärbar, bis jetzt wurden Gesetze und Aussagen deterministisch verstanden (also immer wenn A , dann B) in diesem Falle kann sich eine Falsfizierung auf eine Aussage stützen, trotzdem gilt, dass eine Hypothese oder Theorie erst verworfen wird, wenn sie durch eine besser bewährte ersetzt werden kann. Hypothesen können auch probabilistisch aufgefasst werden (wenn A dann B mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit, B wahrscheinlicher als Nicht-B, Explanandum wird nicht deduziert sondern mit Wahrscheinlichkeit vershen Statistik) liefert instrumentell verwertbares Wissen (strategisches Handeln) Erklärung durch Sinnverstehen: Qualitative Sozialforschung Weber: Soziologie sei „eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf iund in seinem Wirkungen ursächlich erklären will“ („Verstehen“ von Sinnzusammenhängen bei ihm als „Erklären des tatsächlichen Ablaufs des Handelns“) „kausal gültige Deutungen“: im Idealfall eine Wahrscheinlichkeitsregel, dass auf einen bestimmten Vorgang ein bestimmter anderer folgt (steht nicht unbedingt im Gegensatz zu H/O-Modell, trotzdem entwickelte sich die „Verstehensmethodologie als gegensätzlich zum deduktiv-nomologischen Modell). Grundzüge der Verstehensmethodologie sind aber weitaus schwieriger zu erklären, weil verschiedene Varianten bestehen und sie nicht normiert oder standardisiert sind, aber: erklären durch erfassen der subjektiven Perspektive der Akteure (also durch intensive Befragung oder Beobachtung, aber beschränkt auf kleine Anzahl Personen, deshalb „Kriterium der Variabilität“ wichtig: repräsentative Auswahl der Befragten). Zentral sind beim Ansatz zum Sinnverstehen, also hauptsächlich bei der qualitativen Forschung, auch die jeweilig eigenen Deutungen und Erklärungen der Akteure, liefert identitätsbildendes Deutungswissen (kommunikatives Handeln). „Erklären“ und „Verstehen“: Zwischenbilanz: beide Ansätze haben übereinstimmende aber auch voneinander abweichende Aspekte (z. B. Auswahl der Individuen nach quantitativer Forschung zufällig, wobei in der qualitativen (nach dem kritischen Rationalismus) eine nach Merkmalen ausgerichtete gezielte Auswahl vertretbar ist). Der zweite Ansatz leistet jedoch mehr (fördert Fremd- und Selbstverstehen, analytische Interpretation, Darlegung der subjektiven Perspektive), während der erste Ansatz sich auf Entdecken und Beweisen von Hypothesen konzentriert (also Reduktion von Handlungsmotiven auf entweder rationale Nutzensabwägung oder reflexartiges Handeln wie im ersten Ansatz ist nicht erlaubt im zweiten Ansatz). Die verschiedenen Arten von Wissen die jeweils gewonnen werden sind relevant für verschiedene Anwendungssituationen. Max Weber: die Verbindung von Erklären und Verstehen Empirische Sozialforschung muss auch verstehen (nicht wie Nat.Wissenschaften), da sie sich mit denkenden, interpretierenden etc. Individuen beschäftigt Deuten: Sinn eines sozialen Handelns nacherlebend verständlich machen Verstehen: Bedeutung und Funktion vom sozialen Handeln in Sinnzusammenhang erfassen Erklären: mögliche Ursachen prüfen, sinnhaft und kausal adäquat erklären Sinnhaft adäquat: in Sinn und Bedeutung nachvollziehend verstandener Handlungsverlauf Kausal adäquat: in der Realität mit hoher Wahrscheinlichkeit beobachtbare Regelmässigkeit eines Handlungsverlaufs Aufgabe der Sozialwissenschaften: soziales Handeln deutend verstehen und ursächlich erklären Interpretatives Paradigma und Hermeneutik: Verstehen: Vorgang, der einer Erfahrung Sinn verleiht, Sinn: subjektives Bewusstsein bezieht Erfahrung auf etwas anderes (Verweisungszusammenhänge, die Handlungen, Personen, Zukünftiges, Vergangenes etc. in verschiedenen Arten aufeinander beziehen, Bedeutungsrelationen, funktionale Zusammenhänge, Ursache-Wirkung etc.) diese Art des Verstehens ist alltäglich und gehört in der Soziologie zu den Konstruktionen erster Ordnung, daraus entwirft der Sozialwissenschaftler Konstruktionen zweiter Ordnung, diese sind kontrollierte methodisch überprüfte und überprüfbare, verstehende Rekonstruktionen der Konstruktionen erster Ordnung. doppelte Hermeneutik (ursprünglich: die Kunst der Interpretation, Geisteswissenschaften mit Verstehen und Interpretieren andere Methodik als Naturwissenschaften) warum untersucht Soziologie mit Konstruktionen zweiter Art? Grundlagentheoretische Positionen: existenzielle Phänomenologie von Alfred Schütz, Symbolischer Interaktionismus von Mead (drei Prämissen: 1. Menschen handeln auf Grundlage von zugeschriebenen Bedeutungen, 2. Bedeutungen werden erlernt, natürliche Situationen zur Beobachtung sind künstlich arrangierten vorzuziehen, 3. In jeweilige Handlungssituation ein Deutungsmuster einbringen interpretatives Paradigma von Wilson: Menschen handeln im Alltagsleben auf der Basis von gemeinsamen Bedeutungen, daraus folgt, dass ein Forscher die Perspektive des Akteurs in einer konkreten Situation einnimmt und dieselbe Methode anwenden. Dokumentarische Interpretation: jede beobachtbare Erscheinung als ein „Muster“ ansehen (z. B. Sätze eines Gesprächs als Streit oder als Diskussion) Hermeneutischer Zirkel: Text soll Bedeutungen vermitteln, die der Leser nur mit Vorwissen, oder andere Interpretation als der Verfasser beabsichtigt hatte. Differenz von Natur- und Geisteswissenschaften Hintergrundwissen zu Hypothesen unterscheidet sich in den beiden Wissenschaftsformen entscheidend, in der Soziologie ist Hintergrundwissen strittig; „Verträglichkeitsthese“ von Stegmüller: intentionale Tiefenanalyse und nomologische Methode müssen differenziert werden, schliessen sich aber nicht gegenseitig aus Forschungsprozess im Überblick Methoden um an Informationen zu gelangen, vor allem in der quantitativen Forschung wird nach folgendem Schema vorgegangen: 1. klare Problemdefinition und Literaturrecherche 2. Wahl eines Forschungsdesigns: welche Daten, Untersuchungseinheiten, Fallstudie (Einzeluntersuchung) oder repräsentative Untersuchung, Feldforschung (Akteure in natürlicher Umgebung untersuchen) oder Laborexperimente, Querschnitterhebung (einmalige Erhebung in bestimmtem Zeitraum) oder Längsschnitterhebung (wiederholt), Panel-Studie (Personen mehrmals interviewt), Analyse von Zeitreihen, Prozessanalysen (retrospektive Befragung), Kohortenanalysen (bei unterschiedlichen Altersgruppen), Sekundäranalyse (vorhandene Datensätze erneut analysieren) qualitativ: Feldforschung, Fallstudie und Prozessanalyse quantitativ: Bevölkerungsumfrage (Häufigkeitsverteilungen in der Bevölkerung, darauf statistische Analyseverfahren) 3. Operationalisierung von Begriffen und Hypothesen (z. B. überprüfbare Hypothesen im Vorfeld formulieren) bei der qualitativen Forschung nicht die Norm, aber bei quantitativer: Kausalhypothesen entwickeln und überprüfen, Indikator (Verbindung Konstrukt und beobachtbarer Sachverhalt, das Herstellen dieser Verbindung nennt man Operationalisierung), Problem der Gültigkeit: Kann man den ausgewählten Indikator auf das gewählte theoretische Konstrukt anwenden? Problem der Zuverlässigkeit: Würde bei einer Wiederholung dasselbe Resultat erzielt? ( quantitative Forschung: Reliabilitätskoeffizient 4. Datenerhebung 5. Datenanalyse 6. Schlussfolgerungen und Forschungsbericht: Zusammenfassung, Vergleich etc. Problem der Theorie und Empirie Verschränkung von diesen beiden Ansätzen ein schwierig einzulösendes Ideal -grosse Theorien (Durkheim, Marx etc) scheitern nicht an der Realität, weil sie zu allgemein formuliert sind, Lösung: middle range theories als System von empirisch überprüfbaren und theoretisch begründeten Hypothesen -theoretische Aussagen unterbestimmt, Bedeutungszuschreibung variiert -empirische Sozialforschung entwickelte ich weitgehend unabhängig von Theorien -Verwaltungsstaat im 17. Jh, Demographie -grosse Erhebungen zur Lage der Bevölkerung im 19. Jh, nach 1850 -zwischen 1850 und 1920 im Rahmen der universitären Moral- und Sozialstatistik -ab 1920 mit Statistik als eigenständiger sozialwissenschaftlicher Fachbereich Der Forschungsprozess: theoretische Explikation des Problems (Wissensgegenstand, Konzeptualisierung einer Untersuchung Methode, Stichprobe, Auswertung), systematische Kontrolle und Dokumentation aller Schritte und Entscheide Überprüfbarkeit, Geltung Entdeckungszusammenhang (wertgebunden): Ziel und Motivation der Untersuchung, nicht kontrolliert oder systematisch, von Interessen geleitet Exploration: Wissensstand und Eingrenzung der Problemstellung: Festlegung des Gegenstandes, Abgrenzung, Formulierung der Fragestellung, Problem- und Gegenstandsbenennung in wissenschaftlicher Form (was, in welchem Zeitraum, mit welchen Daten, welcher Datenzugang) Begründungszusammenhang (wertfrei): systematische, kontrollierte, begründete, dokumentierte Entscheide intersubjektive Überprüfung. Angewandte Forschungsregeln, Instrumente, Datenerhebung, -verarbeitung, -analyse, regelgeleitete Interpretation, Forschungsdesign: Wahl der Methode und Untersuchungseinheit, Darstellung der Resultate, Diffusion der Resultate durch Publikation, Wirkung und Verwendung der Resultate Häufige Fehler: theoretisch nicht begründeter Einbezug von Variablen (implizite Gesetze), keine Hypothesen oder Erklärungen, keine theoretische Begründung für Zusammenhände (die mittels statistischer Prüfkriterien festgestellt wurden) Vom Begriff zur Messung: deskriptive Begriffe: direkt beobachtete Sachverhalte z. B. Personen und Gegenstände; theoretische Begriffe: nicht direkt beobachtbar: Bildung, soziale Schicht, Wohlstand, Zufriedenheit etc. Operationalisierung von theoretischen Begriffen: 1) Dimension festlegen 2) Indikatorenbildung: beobachtbare und messbare Merkmale festlegen, welche den Begriff in verschiedenen Dimensionen abbilden; fundamentales (Zuweisung ergibt sich aus dem Objekt) und normatives Messen (Zuweisung erfolgt nach Regeln), Skalierungen (Messniveaus: nominales, ordinales, intervall- und rationales Messen) 3) homogenes und multiples Indikatorenuniversum 4) Ausprägung der Indikatoren und deren Messung festlegen 5) Validität des Indikators 6) Reliabilität des Indikators prüfen Rolle des Sozialforschers: keine Bewertung während Untersuchung, eigene Werte und Normen reflektieren und kontrollieren, „going native“ vermeiden, Blick von Aussen (ohne Interessensverbindung) 4. Vorlesung (Lektüre Kap. 5 Joas): Sozialisation Sozialisation: Prozess des Erlernens von Fähigkeiten gesellschaftsfähiges Individuum Vergesellschaftung und Individualisierung des Einzelnen gleichzeitig Anthropologische Vorbedingungen: Bedeutung von Sozialisationsprozessen für menschliche Entwicklung -Formbarkeit des Menschen: Mensch im Gegensatz zu Tieren in eines sich wandelnden Umwelt, diese Besonderheiten sind durch Instinkte allein nicht zu bewältigen lernen -„Instinktreduktion“ oder „Formbarkeit“ und „Weltoffenheit“, Persönlichkeit kommt erst durch Sozialisation zustande Formbarkeit des Menschen, Weltoffenheit, zweite „sozio-kulturelle“ Geburt Verhältnis Anlage-Umwelt: „zweiter Geburtsvorgang“ baut auf Anlage und Erlernen auf -Soziobiologie (Anlagetheorie): wichtiger sind die biologischen Anlagen, sogar bestimmte Bestandteile unseres sozialen Verhaltens auf Anlage zurückführen -Umwelttheoretiker (auch Soziologie): Anteil der Umwelt höher, Verweis auf Variabilität Anlage-Umwelt Frage hat politische Konsequenzen (erster Ansatz: Klassen als natürlich, Selektion und Sozialdarwinismus, zweiter Ansatz: Ungleichheiten haben gesellschaftliche Ursachen) Wechselwirkung zwischen einer Vielzahl von organischen und sozialen Bedingungen über einen längeren Zeitraum (z. B. Sprachfähigkeit generell, welche Sprache konkret) Bedeutung der frühen Kindheit: Familie als wichtigste Sozialisationsinstanz (weil Einflüsse in der frühen Kindheit wichtig sind) Deprivationsstudien: Mangel an sozialen Anregungen seitens der Umwelt kann zu Störungen führen Sozialisation und Gesellschaft: Sozialisatorischer Einfluss der Gesellschaft: Gesellschaft spielt in der Sozialisation eine wesentliche Rolle (unterschiedliche Gesellschaftsstrukturen führen zu unterschiedlichen „Ergebnissen“, unterschiedliche Zeiten auch, BSP: Enkelkinder-Grosseltern), Aspekte des Sozialisationsbegriffes: situative Randbedingungen, sozialisatorisches Lernen besteht nicht aus einseitiger kausaler Einflussnahme der Umwelt auf ein passives Kind, sondern Interaktion (Kind selbst hat aktiven Anteil) drei relevante Dimensionen: materiell (und haben physische Eigenschaften), symbolische Bedeutung im Kontext der jeweiligen Kultur, Menschen und deren Erwartungen drei sehr unterschiedliche Gegebenheiten, die zu unterschiedlichen Erfahrungen und Anforderungen führen Sozialisation: lernen sich in der Gesellschaft zu orientieren, findet nicht nur unter dem Einfluss von pädagogischen Institutionen statt, sondern in allen gesellschaftlichen Situationen, durch Interaktion Sozialisationsinstanzen: verfolgen in der Regel keine pädagogische Absicht, also Unterschied Sozialisation – Erziehung (intentionales, zielgerichtetes und geplantes Handeln von gebildetem Personal in einem institutionellen Kontext) dagegen Sozialisation als die Gesamtheit aller Lernprozesse (aufgrund der Interaktion des Individuums mit seiner Umwelt) stattfinden, gleichgültig ob geplant oder nicht. Erziehung ist Teil des Sozialisationsprozesses, aber letzterer ist der weitere Begriff. Dieser Prozess ist nicht planbar, ergibt sich aus der Gesamtheit der gesellschaftlichen Lernprozesse in verschiedenen Kontexten, die Sozialisatorischen Einflüsse der Gesellschaft sind aber nicht sehr eindeutig, können sogar widersprüchlich sein, finden nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt dar, sondern dauern das Leben lang (dabei ist das Individuum nicht bloss passiv, dies führt zu einer komplexen Wechselwirkung zwischen verschiedenen Erfahrungen, lernendes Subjekt als komplexes System; Psychologie), keine einheitliche Theorie zur Sozialisation Sozialisation und soziale Ungleichheit: Sozialisation verläuft in verschiedenen Gesellschaften sehr unterschiedlich ab, hängt von der konkreten sozialen Lebenswelt ab (in modernen Gesellschaft gibt es eine Vielzahl davon: unterschiedliche Werte-, Normensysteme etc.), Differenzierung Land – Stadt (relativ stabiles Netz sozialer Beziehungen, Kinder mit aktiver Rolle in überschaubarer Umgebung, Traditionalität auf dem Land gegen andere äussere Umwelt, nicht einheitlicher Raum, sondern lauter Inseln, soziale Beziehung definiert durch Funktion, höheres Mass an Abstraktion, Symbole, erhöhte Kommunikation in der Stadt), Differenzierung nach Sozialisationsbedingungen (Schichtung der Gesellschaft, Eltern übertragen ihr Verhalten auf Kinder, grundlegende Differenz zwischen Wertesystem anhand der Lebenslage der Eltern, z. B. Sprachgebrauch), dritte Differenzierung nach Geschlecht (auch unbeabsichtigte Sozialisation nach Rollen) Gilligan: geschlechterspezifische Sozialisation Bedeutung der Sozialisation für die Gesellschaft: Basis aller Gesellschaften ist das soziale Handeln (erfordert Kenntnisse im Umgang mit der jeweiligen materiellen Wirklichkeit, die Fähigkeit der Menschen effektiv zu interagieren; diese Fähigkeiten müssen im Sozialisationprozess erworben werden und hängen von den konkreten Bedingungen ab), grundlegende Voraussetzung für soziales Handeln ist ein Konsens (wer soll was wie tun, Übereinstimmung der Betrachtung der sozialen Lebenswelt, der allgemeinen Werte und Verhaltensnormen; in totalitären Systemen können diese aus Angst vor Sanktionen angenommen werden, oder unter einem „sanften Zwang“ wenn diese Gemeinsamkeiten verinnerlicht sind oder unter dritter Möglichkeit Konsens frei ausgehandelt Piaget. Minimale Bedingungen für das Funktionieren einer Gesellschaft, die Individuen durch Sozialisation erwerben), durch Sozialisation entstehen auch Ungleichheiten zwischen Menschen, Gesellschaft offensichtlich kein homogenes Ganzes, sondern Struktur oder System mit unterschiedlichen Beziehungen, Positionen, Funktionen etc., die Fähigkeiten die in einer bestimmten Funktion erwartet werden, erwirbt man über Sozialisation, also weist diese einen gemeinsamen und einen jeweils unterschiedlichen spezifischen Anteil auf, Problem der Allokation: ausgebildete Individuen fehlen oder nicht genügend Arbeitsmöglichkeiten für Ausgebildete, Diskrepanzen auf dem Arbeitsmarkt, ein weiteres Problem sind die Ungleichheiten der Teilhabe am Prozess der politischen Willensbildung, an Macht, Ressourcen und Lebenschancen etc, die durch unterschiedliche Sozialisation entstehen können. Bedeutung der Sozialisation für sozialen Wandel: Kritik am Strukturfunktionalismus (der Sozialisation kommt nur die Bedeutung einer Vorbereitung auf eine bestimmte Funktion zu, nach Parson) wegen abweichendem Verhalten (vorgegebene Normen werden nicht befolgt) könnte mit der strukturfunktionalistischen Ansicht sozialer Wandel nicht erklärt werden, Funktion für die Gesellschaftstheorie besteht also nur zum Teil daraus, dass dieser Begriff das Funktionieren einer bestimmten Gesellschaft zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt erklärt, vielmehr geht es um die Frage, welche Auswirkungen in der Gesellschaft tatsächlich (ungeplant) eine sozialisierte Generation später in entsprechenden Positionen handelt weitere gesellschaftliche Entwicklung hängt also wesentlich von der früheren Sozialisierung der gesellschaftlichen Akteure ab. Sozialisationsbegriff kann auch retrospektiv verwendet werden(zur Analyse historischer Ereignisse, z. B. Nationalsozialismus und autoritäre Sozialisation) Sozialisierung dient also keineswegs, wie Strukturfunktionalismus behauptet, zur Erhaltung eines Systems, sondern kann auch zu dessen Auflösung führen. Instanzen der Sozialisation in der Kindheit: verschiedene Instanzen mit unterschiedlichen Einflüssen und Zielen (latente Funktion: Normen etc. die unbewusst weitergegeben werden), Sozialisation hat keinen genauen Weg, (oder Ziel) wichtigste Instanzen in der Kindheit sind Familie, Schule, Gleichaltrige und Massenmedien (relative Bedeutung variiert nach Gesellschaft, Struktur etc.) Familie (primäre Sozialisation): erste soziale Umwelt (in der Moderne übernimmt z. T. die Schule diese Aufgabe, Probleme), Fernsehen hat grossen Einfluss auf Rolle der Familie im Prozess, Familie bleibt aber primäre Sozialsationsinstanz, persönliche Beziehungen, Normen und Werte, Zusammenleben in einer Gruppe, erkennen von Ungleichheiten in Grösse, Erfahrung, Toleranzgrenzen, Übergangsphasen und Veränderungen der Familienstruktur, kultureller Hintergrund der Eltern Familie führt Kind in eine Position in der Gesellschaft Gleichaltrige (peers): erste Erfahrungen in gleichberechtigten Beziehungen (Beziehungen Kinder-Erwachsene immer asymmetrisch) peer-groups idealer Rahmen für das Erlernen von Normen, Reziprozität etc. Konzept der Freundschaft, Massstab für eigenes Verhalten und zur Bewertung der Verhaltensweisen anderer. Grundschule: Sozialisation in gleichgeschlechtlichen Gruppen, frühe Adoleszenz: Abgrenzung von Eltern, späte Adoleszenz: Sozialisation der Peer-Group und Familie verläuft oft parallel interkulturelle Unterschiede zwischen Peer-Groups Massenmedien: wichtige Sozialisationsinstanzen (Probleme: z. B. Vermittlung von Stereotypen, Unterentwicklung der Sprache etc.) positive Effekte: soziales Verhalten wie Teilen oder Interagieren fördern, nicht nur passiv Schule (sekundäre Sozialisation): Ziel Bildung und Erziehung, aber Sozialisation als „heimlicher Lehrplan“, Regeln akzeptieren, zwar formelle Gleichheit, aber soziale Differenzierungen Problem: heute stattfindende Sozialisation nicht angemessen für Zukunft Sozialisation im Erwachsenenalter (Tertiäre Sozialisation): (galt lange Zeit als blosse Ergänzung) Anpassung an sozialen Wandel, jede Veränderung bringt neue Sozialisation mit sich (z. B intensiv: Einwanderung in anderes Land, „zweite Kindheit“, Kinder auch Einfluss auf Sozialisation der Eltern), „Resozialisierung“ wenn dies gegen frühere Sozialisierung geschieht Berufliche Sozialisation: berufliche Sozialisation, nach Arbeit spezifisch, antizipatorische Sozialisation (Vorbereitung): Widerstand gegen Veränderungen akzeptieren, mehrdeutige Situationen am Arbeitsplatz, menschliche Organisation mit Schwächen Wahlmöglichkeiten und Konstruktion der persönlichen Identität: Sozialisation variiert nach verschiedenen Gruppen (Alter, Geschlecht etc.) aber auch innerhalb dieser Gruppen Sozialisation als Aufbau einer persönlichen Identität, fortlaufender Prozess Funktionen der Sozialisation: Handlungsfähigkeit, Integration, Persönlichkeitsausbildung Drei klassische Beispiele zur Sozialisation: Freud (erste Jahrhunderthälfte): Dynamik der Sozialisation und Sozialisation als Lebenslanger Kampf; Es nimmt Triebe auf und gibt ihnen Ausdruck, Lustprinzip und Triebbefriedigung, amoralisch (bis ca. 6. Lebensjahr) Ich vermittelt zwischen Es, Ich (rationaler Teil des Selbst) und Überich mit der Aussenwelt, Realitätsprinzip, Überich tritt an die Stelle der Elterninstanz, verinnerlichte Gebote etc. einer Kultur, moralisce Normen einer Gesellschaft, Gewissen vermittelt von Autoritäten ich sucht sichere Mittel zur Befriedigung von Es ohne Überich zu schaden, Ich und Überich entstehen erst durch soziale Prozesse, Kind bei Geburt amoralisch und irrational, durch das Ich entsteh ein Bewusstsein, Persönlichkeit des Kindes durch Triebe (Es) Mead: Perspektivenübernahme (role-taking), signifikante Symbole (Gesten und später Sprache, unerlässlich für soziale Organisation) aus frühen sozialen Interaktionen entsteht Sruktur des Ich: Subjekt-Ich (Urheber unserer Gedanken und Handlungen) und Objekt-Ich (Komponente, die wahrnimmt und reagiert) Kinder haben Objekt-Ich, wenn sie sich selbst als Objekt wahrnehmen können, aber noch kein Begriff für Subjekt-Ich, Spiele mit signifikant Anderen führen zur Wahrnehmung der generalisiert Anderen (Perspektivenübernahme, Role-Taking) Piaget: Aufbau kognitiver Strukturen, kognitive Grundlage verinnerlicht durch einen Entwicklungsprozess über mehrere Stufen, Assimilation/Diskrepanz führen zu Akkomodation, Kinder als egozentrisch durch Interaktion mit Peers sehen sie Normen des sozialen Handelns ein, Sensumotorik (o-3,Koordination, praktische Intelligenz, Objektpermanenz), präoperationales Stadium (2-7, Vorstellungs- und Sprechvermögen, Egozentrismus, Regeln befolgen zur Bedürfnisbefriedigung, Zwang, moralischer Realismus) Konkretoperational (7-11, Dezentrierung, kooperative Phase, Regeln durch Einsicht befolgen, moralische Autonomie), Formales Stadium (ab 12, logisches Denken, über Abstraktionen nachdenken, nicht nur Konkretes) Durkheim und Freud: lebenslanger Kampf, Piaget und Mead als allmähliches Verschmelzen von Individuum und Gesellschaft; in beiden Ansätzen hat Individuum eine aktive Rolle 5.Vorlesung (Lektüre Kap. 3): Kultur Gruppenidentität durch Abgrenzung (dagegen Anomie, „Orientierungslosigkeit), Gesamtheit der Verhaltenskonfigurationen und Symbolgehalte einer Gesellschaft Kulturschock: 1)Euphorie (eigene Kultur nicht in Frage gestellt) 2)Entfremdung (Kontaktschwierigkeiten, man gibt sich daran die Schuld) 3)Eskalation (Schuldzuweisung an das Fremde) 4)Missverständnisse (aufgrund kultureller Unterschiede) 5) Verständigung (Unterschiede abbauen, Normen erlernen) Kulturbegriffe: von lat. „Colere“ Antike: agrarische Sicherung des menschlichen Lebens, magische Sicherung Cicero: cultura animi: Natur durch Bearbeitung verändert Freud: was uns von Tieren entfernt, dient dem Schutz des Menschen und der Regelung der Beziehungen (Kultur im sozialen Sinn: soziales Erbe, nicht nur nicht-materielle Kultur) Gegensatz Kultur – Natur (Freud, Weber) Identität generiert aus dem Anderen Funktionen: Orientierung sozialen Handelns, Integration, Funktion von sozialen Handeln Gegenbegriffe: Barbarei, Anfang 19. Jh: Entgegensetzung Kultur (D)-Zivilisation (AM, GB) Kultursoziologie systematisches Verständnis von Kultursystemen, Naturalismus und Ökonomismus: kultursoziologische Studien bringen geschichtliche und kulturelle Kausalitäten ins Spiel, zwei Dimensionen der Kultursoziologie 1)Gruppe spezieller Soziologien (z. B. Musik-Soziologie etc) 2)umfassende Perspektive: Mensch als Kulturwesen, alle sozialen Tatsachen als kulturell vermittelt die Gesamtheit der erlernten Normen und Werte, des Wissens und der Artefakte, der Sprache und der Symbole die ständig zwischen Menschen einer gemeinsamen Lebensweise ausgetauscht werden (z. B. auch Liebe „kulturell geformt“) Emotionen beherrschen und den Kulturellen Erwartungen anpassen (z. B. Hostessen die Lächeln etc.), aufgeteilt in „Elitekultur“ und „populäre Kultur“ (triviale Alltagswelt) cultural studies und Kulturwissenschaft: Vereinigung der kulturellen Aspekte vieler Wissenschaften unsere Gefühle in hohem Masse kulturelle Schöpfungen, aber Mensch nicht determiniert Spielräume und Rahmen für Handlungen und deren Bewertung, niemals statisch Elemente der Kultur: historisch und lokal verschieden, aber alle die gleichen Grundelemente: Wissen, Sprache, Symbole, Werte, Normen, Artefakte, Habitusformen Materielle und nichtmaterielle, objektive und subjektive Kultur – Verkörperungen: Zwei Aspekte der Kultur: materiell (Artefakte, Körperkonzepte) und immateriell (abstrakte menschliche Schöpfungen, z. B. Werte, Regierungsformen etc.) aber ohne eindeutige Trennlinie Simmel: individuell/subjektive bzw. sachlich/objektive Kultur Objektive Kultur: materielle Kulturelemente Subjektive Kultur: Möglichkeit der einzelnen Individuen, Aneignung der kulturellen Produkte verfeinern(nach Simmel relativ im Niedergang, wegen grosser Steigerung der objektiven K.) Wert: von einer Mehrheit geteilte allgemeine Vorstellung darüber, was gut oder schlecht ist, bestimmend für Lebensstile, manche können sich gegenseitig verstärken oder kollidieren sozialer Änderungsdruck der Werte kann entstehen (bei wiederholten Konflikten) Inglehart: Wertewandel; Zunehmende Ablösung „materialistischer“ in „postmaterialistische“ oder „postmoderne“ Werte: unmittelbare Lebenssicherung, ethnozentrische Überbetonung der Werte ersetzt durch liberale Einstellung; nicht plausibel: zunehmende Toleranz führt nicht unbedingt zur Überwindung des Materialismus (eher Konsummaterialismus) Latente Veränderungen: von Positionen und Ansichten mit Blick auf Werte („der neue Geist des Kapitalismus“) Norm: spezielle Richtlinie, Regel, die besagt wie man sich in verschiedenen Situationen verhalten soll (schriftlich: Gesetze, nicht fixiert: Sitten und Bräuche) verpflichtende Verhaltenserwartung, im Rahmen der Sozialisation erlernt, erwünschte Gleichförmigkeit auf Basis des durchschnittlichen Verhaltens, variieren von Gesellschaft zu Gesellschaft, oftmals Situationsbezogen Bräuche: konventionell eingewöhnte Alltagsregeln, denen man ohne Nachdenken gehorcht Sitten: Bräuche mit langer Eingelebtheit, Verletzungen von Normen etc. können Sanktionen nach sich ziehen, intensivere Reaktionen aber beim Verstoss gegen sittliche Gebote Gebote: zentrale, grundlegende Bestandteile des Zusammenlebens, Ausdruck der am meisten hochgehaltenen Werte viele Normen sind als Gesetze oder Verordnungen formalisiert, von der Legislative beschlossen, Durchsetzung mit staatlicher Sanktionsmacht Symbole: Gegenstände, Gesten, Töne, die auf etwas anderes als nur sich selbst verweisen, komplexere Verweisungszusammenhänge als Zeichen, Kulturen haben oft Schlüsselsymbole Zeichen: Träger einer relativ einfachen Bedeutung Zeichen und Symbole beruhen beide auf Vereinbahrungen Sprache: lautlich produziertes System phonetischer Zeichen, Anwendung beruht auf konventionell festgelegten Regeln und erzeugt Bedeutungen, Abhängigkeit von der Fähigkeit zur Sprache, Sprache signalisiert hierarchischen Status oder regionale bzw. soziale Herkunft Wissen: Gesamtheit von Fakten, Annahmen und praktischen Fähigkeiten, die Menschen im Laufe ihres Lebens sammeln (wie man etwas macht, Kenntnisse über räumliche Gegebenheiten, andere Menschen, bestimmte Ereignisse Wissen und Macht als notwendiges Verhältnis, Wissensgesellschaft („Wissensexplosion“), praktisches Wissen (schwer zu versprachlichen, im gesellschaftlichen Leben wichtig) Bedeutung von Kultur: Beispiele aus der Forschung Bourdieu: Klassenspezifischer Geschmack Zusammenhang von kulturellem Konsum und sozialer Ungleichheit, Analyse im modernen Frankreich, kultureller Konsum wichtig für Reproduktion der sozialen Ungleichheit?, gegen tradiertes Verständnis Geschmack als Naturgabe, Beobachtung: soziale Positionen haben Einfluss auf Praktiken und Objekte des kulturellen Konsums ökonomische und kulturelle Ressourcen und Geschmack bestimmen Lebensstil (klassenspezifische Sozialisation manifestiert sich in ästhetischen Vorlieben) distinguierter Geschmack der oberen Schichten (legitimer Geschmack), mittlerer Geschmack des Kleinbürgertums und populärer Geschmack der Unterschichten Zusammenhang von Kultur und Ungleichheit: Kapital ungleich verteilt, hat symbolische Macht (Distinktion) Kulturelle Praktiken: entstehen aus sozialer Ungleichheit, legitimieren/erzeugen soziale Ungleichheit (=Reproduktion sozialer Ungleichheit) Weber: kulturelle Grundlagen des Protestantismus Zusammenhang Kultur (Protestantismus) – Ökonomie (Kapitalismus): statistisches Material: Wachstum des Kapitalismus rasch in protestantischen Gebieten (These: Gewinnstreben ableiten aus Glaubensvorstellungen des Protestantismus) Verwandtschaft von protestantischer Ethik mit kapitalistischem Geist: zweckrationales Handeln, religiöse Motivierung fällt weg, kapitalistische Handlungsweise etabliert sich Kulturelle Unterschiede und Integration Kulturelle Integration: Funktionale Integration der Kultur in Gesellschaft, Verletzbarkeit hochintegrierter Gesellschaften, moderne Gesellschaften mit unterschiedlich starker Integration, Integration in diesem Fall immer als graduell, Unumkehrbarkeit eines Pluralismus der Lebensstile, Weltdeutungen und Wertpositionen (starke Integration, wenig Widersprüchlichkeit, aber Wandlungen in einem Teilbereich können zum Gleichgewichtsverlust eines ganzen Systems führen) moderne, westliche Gesellschaften nicht sehr stark integriert (Menschen unterschiedlicher ethnischer, sozialstruktureller etc. Herkunft) Kulturelle Unterschiede und Subkulturen: Gründe für das Aufrechterhalten kultureller Unterschiede: Mitglieder der dominanten Kultur schränken Chancen auf Assimilation von Minderheiten ein, Mitglieder von Minderheiten können dagegen opponieren, dass ihre abweichende Identität durch Assimilation aufgelöst werden könnte Subkultur: eine bestimmte Untergruppe/Teilmenge der sozialen Akteure einer Kultur, die sich im Hinblick auf zentrale Normen deutlich von der „herrschenden“ Kultur abgrenzt, auch Gegenkultur (z. B. Jugendliche als Abgrenzung gegen Erwachsene und Kinder) verschiedene Arten: Tradierung (Minderheiten, Migration), Ausgrenzung (delinquente etc), sozialstrukturelle (z. B. Armut oder Elite), Ausstiegskulturen (Flucht etc.) Produktion der Kultur: soziales Handeln erzeugt permanent Kultur, kreative Leistungen und Innovationen sind nicht einzelnen zuzuschreiben, sondern Produkt sozialer Interaktion und institutioneller Rahmenbedingungen, viele Entwicklungen (in Mode, Kunstgeschmack) geplant (mit Hilfe soziologischer Marktforschung) Adorno/Horkheimer: Analyse der Kulturindustrie Kultur wird nicht mehr fraglos hingenommen, „problematisch“, „Dialektik der Aufklärung“, „Kulturindustrie“: das globale und zugleich ausdifferenzierte Netzwerk der Kulturvermittlung (Ergebnis planvollen und ökonomisch kalkulierten Handelns, Kulturgüter werden zu Waren, Menschen zu Konsumenten von Kulturgütern, Kultur wird seriell standardisiert hergestellt, manipulative Wirkung der Massenmedien) Kritik an der pessimistischen Kulturkritik: „cultural studies“, Verschiebung der Aufmerksamkeit: -von Produktion auf subjektive Aneignung der Kulturgüter -von Hochkultur auf Alltags- oder Populärkultur -von manipulativer Wirkung der Massenmedien auf Bildungs- und Demokratisierungschancen durch massenmediale Kulturverbreitung -„Nebeneinander“ oder synkretisch-plurales „Durcheinander“ unterschiedlichster Stile und Ausdrucksmittel Wandlungen der Kulturen in der Gegenwart Massenmedien und kulturelle Globalität: Indirektheit (Ablösung der unmittelbaren Interaktion), Erlebnisgesellschaft Kulturelle Globalität: aus der massenmedialen Vernetzung resultiert eine Internationalisierung der Kultur, die auch durch Wanderungsbewegungen, Migrations- und Flüchtlingsströme zustande kommt, lokale Kulturen zunehmend überformt durch eine globale Kultur, Prozesse der kulturellen Verbreitung mit Machtgefälle verbunden, (Expansion grosser Reiche aber schon in der Vergangenheit, der Prozess verläuft aber im 20. Jh beschleunigt) Vereinheitlichung des Geschmacks, synkretische Vermischung von globalen und lokalen Elementen „Glokalisierung“ Fazit: lokal handeln, global denken Postmoderne Zwei Tendenzen zur Kulturentwicklung: Verallgemeinerung/Generalisierung und Vervielfachung/Pluralisierung Postmoderne: Lyotrad: Differenzierung, Ästhetisierung und Pluralisierung, Zitationscollagen literarischer Werke, ästhetisierende Sprachspiele, Elektrizismus der architektonischen Formgebung Kontroverse Moderne – Postmoderne Reflexivitätssteigerung durch kulturellen Synkretismus in der Postmoderne, Vermischung der Kulturen, Rituale etc. Beck: zweite Moderne, reflexive Modernisierung 9. Vorlesung (Lektüre Kap. 9): Soziale Ungleichheit; Stand – Klasse – Schicht Soziale Ungleichheit, Schichtung, Milieus: Erklärungen für soziale Ungleichheit und ihre Beständigkeit, die Folgen ungleicher Lebensbedingungen und Lebenschancen, Formen und Dimensionen sozialer Ungleichheit in modernen Gesellschaften Soziale Ungleichheit: nach Hradil „die mehr oder mider vorteilhaften Lebens- und Handlungschancen, die Menschen durch gesellschaftlich hervorgebrachte Bedingungen dauerhaft vorgegeben sind. institutionalisierte oder strukturierte Besser- oder Schlechterstellungen auf Dauer einzelner Menschen, Gruppen oder ganzer Gesellschaften Hauptdimensionen: Reichtum, Macht Prestige, Bildung Ursachen, Determinanten, Auswirkungen? Individuelle (Geschlecht, Grösse etc) und zufällige Begünstigungen (Lottogewinn), entscheidend sind die jeweiligen gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Strukturen und Institutionen, Werteorientierungen und Ideologien AM: Ideologie der Leistungsgesellschaft, „erworbener“ Status (nur beschränkt richtig: Status der Eltern, der „zugeschriebene“ Status und andere Faktoren) Klassen: Gesellschaft aufgeteilt in Gruppen, in irgendeiner Weise geordnet, hierarchische Schichten, eine Gruppe von Menschen, die sich durch bestimmte gemeinsame Merkmale (vor allem ökonomische), häufig auch durch ein Zusammengehörigkeitsgefühl auszeichnen, betont Ausbeutungsverhältnis mehr als Milieu, Stand etc. Stände: Gemeinschaften, die sich durch bestimmte Formen der Lebensführung und durch eine spezifisch positive oder negative Einschätzung der „Ehre“ bestimmt sind (BSP: verarmter Adel, Neureiche) Schicht: als Oberbegriff für verschiedene (historische) Typen sozialer Ungleichheit Schichtung: vertikale Gliederung einer Gesellschaft nach ungleichheitsrelevanten Merkmalen (horizontal nach Alter, Geschlecht etc.) Status: zugeschrieben (soziale Herkunft, Status der Eltern) oder erworben (Ergebnis individueller Leistungen und Anstrengungen) Soziale Mobilität: Bewegung von Einzelpersonen zwischen Klassen und Schichten Vertikal: ändern des Beziehungsraums innerhalb dieser Klassen, Auf- oder Abstieg, Veränderung der beruflichen Stellung Räumlich: territorial, Bewegung von Einzelpersonen im geographischen Raum Horizontale: Veränderung eines Berufes, ohne dass sich Zugehörigkeit zu einer Schicht ändert Operationalisierung der Ungleichheit: Soziale Herkunft, Einkommen und Vermögen, Berufsposition, Bildung Die Schweiz, eine Meritokratie? Meritokratie: Vergabe von Positionen und Belohnungen nach erbrachten Leistungen und Fähigkeiten, enger Zusammenhang zwischen Bildung und beruflicher Tätigkeit Aber: Nationale Herkunft, Geschlecht etc. wichtig Inter-generationelle und intra-generationelle Mobilität unwahrscheinlich (Vergleich zu den Eltern bessere bzw. schlechtere Position). Marx: Klassen und Klassenkampf Theoretische Überlegung über das Wesen des Kapitalismus Antagonismus: Interessensgegensatz zwischen Proletarier (besitzlose Lohnabhängige) und Grund- oder Kapitaleigentümer, Klassen als Ausdruck von Produktions- und Eigentumsverhältnissen und Stellung zu den Produktionsmitteln, Arbeiterklasse muss zu einer revolutionären Klasse werden, um die Ausbetung zu verhindern, dies führt nach Marx letztlich zu einer klassenlosen kapitalistischen Gesellschaft, enger Zusammenhang (im Gegensatz zu Weber) zwischen Klasselage und Klasseninteresse oder –bewusstsein (durch die ökonomische Lage entsteh gemeinsames Interesse, Weber ging nicht von einem Kausalzusammenhang aus: Problem des Verhältnisses objektiver Strukturen zu Bewusstsein und Handlungen) Ursachen von Ungleichheit nicht mehr natürlich oder religiös, sondern in Verhältnis zu Produktionsmitteln “realer“ Kommunismus weicht von Ideal ab, staatliche Bürokratien auch heute noch Fokus auf vertikale Ungleichheit / Gliederung Max Weber: Klassen, Stände und Parteien: Soziale Ungleichheit beruht nicht nur auf Besitz- und Einkommensverhältnissen (ökonomische Ungleichheit also nicht einziges Strukturprinzip), zweidimensionales Modell eines ökonomischen und ständischen Prinzips, Lebensstile ebenso bedeutsam für gesellschaftliche Gliederung, Parteien als dritte Form der Machtverteilung Klasse: Stellung in der Produktion, Stände: Stellung in der Konsumption, Lebensstil Weber verbindet ökonomische und kulturelle Dimension der Ungleichheit, dies führt später zu Lebenschance und Schichtungstheorie (Geiger) Ungleichheit und Integration: funktionalistische Schichtungstheorie Moore und Davis im Anschluss an Spencer und Durkheim Kritik an Marx: Ungleichheit kann zu funktionaler Integration führen (ökonomische Anreize) Diese Theorie zieht die Marxsche Ansicht der klassenlosen Gesellschaft als Ziel der Entwicklung in Zweifel, Gesellschaftliche Ungleichheit als funktional notwendig um beispielsweise jemanden zu einer langen Ausbildung zu motivieren es ist aber schwierig, funktionale Bedeutung von Berufen objektiv zu bewerten theoretische Begründung und Legitimation der Meritokratie die Theorie ignoriert Macht, vererbten Reichtum und deren Einfluss auf den Arbeitsmarkt sie fragt ebenfalls nicht danach, wer von der Ungleichheit profitiert Fazit: Soziale Ungleichheit und Schichtung sind kein Zufallsprodukt, keine folge individueller Unterschiede oder zufällig verteilt, sondern durch gesellschaftliche Mechanismen bedingt, also strukturiert und institutionalisiert, aber einige Individuelle Faktoren haben Einfluss auf unsere Lebenschancen (BSP: Geschlecht) Sozialer Raum und Lebensstile: Bourdieu Mehrdimensionalität sozialer Ungleichheit, neben ökonomischem Kapital auch soziales und kulturelles (Inkorporiertes / Bildung, Objektiviertes / materielle Güter, Institutionalisiertes / staatlich anerkannte Titel), diese Kapitalarten sind abhängig voneinander, Vermittlungsinstanz zwischen Klassenlage und Lebensstil ist Habitus (Grundorientierung, spezifische Weltsicht, verfestigtes Wahrnehmungs- und Bewertungsschema, ein System von Grenzen), Lebensstile offenbaren sich vor allem im klassenspezifischen Geschmack (herrschende Klasse: „legitimer“ Geschmack) Individualisierung, Lebenslagen und Milieus: Beck und Hradil Individualisierungsthese: Modell der Klassen- oder Schichtungsgesellschaft wegen Bildungsexpansion und ansteigendem Massenwohlstand am verblassen, Herauslösen aus sozialen Kontexten, Prozesse sozialer und regionaler Mobilität Lebenslage (nach Hradil): Schichtungs- und Klassenmodelle reichen in der postmodernen Gesellschaft nicht mehr aus, um vielfältige Unterschiede zu erklären, Ungleichheiten wie Alter, Geschlecht etc. gewinnen an Wichtigkeit, Lebenslagen als „die Gesamtheit ungleicher Lebensbedingungen eines Menschen, die durch das Zusammenwirken von Vor und Nachteilen in verschiedenen sozialen Ebenen zustande kommen Betonung der Mehrdimensionalität sozialer Ungleichheit, Pluralisierung von Lebenslagen, Korrektur von der vertikalen Gliederung einer Gesellschaft: neben- und überlagerte Lebenslagen Problem der Brücke zwischen objektiven Strukturbedingungen (Lebenslagen) und ungleichen Lebenschancen der einzelnen: Vermittlungsinstanz „soziales Milieu“ (Gruppe von Menschen, die Lebensbedingungen oder Haltungen aufweisen, aus denen sich gemeinsame Lebensstile herausbilden), Milieuanalyse zielt auf den ganzen Menschen Erlebnisgesellschaft und soziale Milieus: Schulze, Vester Vester: Ausgangspunkt spezifische Bedingungen westlicher Überfluss- und Konsumgesellschaften, er will soziokulturelle Folgen eines massiv gestiegenen Massenwohlstandes erfassen, Ästhetisierung des Alltagslebens, soziale Milieus entstehen in der Erlebnisgesellschaft durch Beziehungswahl (Symbole wichtig), fünf Milieus: 1)Nievaumilieu: Kontemplation und Perfektion, 2) Harmoniemilieu: Gemütlichkeit, keine Extreme, 3)Integrationsmilieu: Aura der Durchschnittlichkeit, 4) Selbstverwirklichungsmilieu: gegen Konventionen, 5)Unterhaltungsmilieu: Spannungsschema vor allem horizontale Gliederung der Gesellschaft, Pluralisierung der Klassengesellschaft neuere Modelle der sozialen Ungleichheit vor dem Hintergrund der allgemeinen Wohlstandssteigerung (Bildungsexpansion, Mobilität, Massenkonsum) zogen Klassen- und Schichtungsmodelle in Zweifel (auch Gruppen auf der selben Stufe haben unterschiedliche Stile, etc. horizontale Differenzierung), Lebensstil ist „zur freien Wahl“ geworden (Vorstrukturierung objektiver Lebensbedingungen hat immer mehr an Prägkraft verloren) Politische Soziologie und die Dimension sozialer Ungleichheit: Kreckel unter dem Aspekt der Globalisierung werden „alte“ Kriterien wieder wichtiger: Bildung, Beruf, Einkommen etc. alle strukturierten sozialen Ungleichheiten haben mit Kräftekonstellationen oder Machtverhältnissen zu tun (neue Ungleichheiten lassen sich nicht mehr nur in Schichtungsmodelle gliedern), Vorschlag Zentrum-Peripherie-Metapher: Spannungsfeld zwischen Kräftekonzentration im Zentrum und Kräftezersplitterung in der Peripherie, dabei zentral: Begriff des sozialen Handelns (sinnhafte Orientierung der Handelnden, materialische und symbolische Komponenten) materieller Reichtum (Geld), symbolisches Wissen (Zeugnis), hierarchische Organisation (Rang) und selektive Assoziation (Zugehörigkeit) Armut Definition und Messung geringes Einkommen, keine Arbeit, nicht vorhandene Netzwerke und Freunde, nicht zureichende Bildung, objektive Kriterien: Nettoäquivalenzeinkommen (verfügbares Einkommen und Personen in einem Haushalt), meistens relativ, als arm gilt, wer weniger als 60% des Mittelwerts der Einkommen der gesamten Bevölkerung erzielt Kritik: lebenswertes Leben hängt nicht nur vom Einkommen ab, sondern von Ausstattung mit Wohnraum, Nahrung, Gesundheit, Freunden etc., „Fremdklassifikation“: Begriff der neuen Armut: immer mehr arbeitslose im erwerbstätigen Alter sind auf Sozialhilfe angewiesen, Kinderhaben steigert Armutsrisiko, Armut kann dauerhaft oder vorübergehend sein, problematische Formulierung „die Armen“:: keine homogene Gruppe, Armutsdynamik Armut und Lebenschancen: Armut beeinflusst Chancen unmittelbar: Mängel bei Ernährung, Gesundheit, Bildung, soziale Ausgrenzung, Reproduktion der Armut über Generationen, höherer Bildungsabschluss nach wie vor als Schutz gegen Armut neue Unterklasse von dauerhaft Ausgegrenzten (USA, FR) 10. Vorlesung (Lektüre Kap. 11 Joas): Soziale Ungleichheit: Geschlecht körperliches und gesellschaftliches Geschlecht, Komponenten: anatomisch (Körper), mental (Bewusstsein) und sozial (Gesellschaft) Fragen über die Rollen von Männer und Frauen in der Gesellschaft, Geschlecht als Analysekategorie in der Soziologie, Forschungsgegenstand der Geschlechtersoziologie Geschlechtsrollen: Verhaltungserwartungen, die zwischen Mann und Frau unterschiedlich sind Historisch: Wandel in den letzten 250 Jahren, Geschlecht ursprünglich als Herkunft, Abstammung, Familie, Konstruktion von Gemeinsamkeiten, ab 18. Jh: veränderte Sicht, Zwei-Geschlechtlichkeit entwickelt sich, Konstruktion von Gegensätzen (vorher graduelle Unterschiede der Frau zum Mann, dann „ein anderes Wesen“), komplementäre und sich kontrastierende Geschlechtscharaktere, biologischer Determinismus, Semantik der Differenz, Überbetonung der Geschlechterdifferenz, zweite Hälfte des 20. Jh: strikte Interpretation der Geschlechterrollen geht zurück, von der Geschlecherdifferenzforschung zur Erforschung des Geschlechterverhältnisses Geschlecht als Ergebnis von Interaktionen oder verfestigte Strukturkategorie? Gesellschaftliche Konstruktion des Geschlechts: Gender Sex/Gender: Frauenforschung: natürliche Geschlechterzugehörigkeit (sex: körperlich sichtbare, physiologische Geschlechterzugehörigkeit) und kulturelle Bedeutung des Geschlechts (gender: Vielfalt sozialer und kultureller Bedeutungen in Form von Positionen etc.) beruht auf der Alltagsannahme der Zweigeschlechtlichkeit mit fünf Prämissen: Binarität (es gibt zwei und nur zwei Geschlechter), äusserliche Zeichen (entscheiden über Zugehörigkeit), Exklusivität (es gibt nur eine „richtige“ Zugehörigkeit), Askription (zugeschrieben), Invarianz (Wechsel sind nicht vorgesehen) (Sex/Gender aus der amerikanischen Sexualwissenschaft der 50er Jahre) Entkoppelung Gender/Sex bewirkte, dass soziale Ungleichheit nicht nur Aufgrund natürlicher Unterschiede entstehen, feministische Kritik am biologischen Determinismus Doing Gender: Vorgang der Herstellung, Hervorbringung von Geschlecht, sozial geleitete Aktivitäten, die bestimmten Handlungen Bedeutung unterlegen, Herstellung von Zweigeschlechtlichkeit und Geschlechterzugehörigkeit im Alltag, Strukturierung alltäglicher Aktionen, Sex und Gender beide als soziale Tatsache äussere und innere Zugehörigkeit fallen nicht unbedingt zusammen (Transsexualität, stellen die fünf Prämissen in Frage), Garfinkel: Geschlecht als Lehr- und Aneignungsprozess was unter Geschlecht verstanden wird variiert beträchtlich zwischen Kulturen, keine exakten Kriterien zur Geschlechterbestimmung in unserer Gesellschaft verlassen wir uns dabei auf biologische Kriterien, Alltagsannahme der Zweigeschlechtlichkeit, Expertenwissen mit höchster Autorität Ethnomethodologie: beide, sex und gender, als soziale Tatsache beide Ansätze lassen institutionellen Rahmen ausser Acht (Geschlecht in einem institutionellen Rahmen unterschiedlich verankert) biologische Zugehörigkeit determiniert nicht Sein und Handeln, Fühlen biologisches Kontinuum wird in Entweder-Oder aufgespaltet Geschlechterverhältnisse: Verteilung von Ressourcen und Mach auf beide Geschlechter Geschlechterstereotype: tief verwurzelte Vorstellungen über männliches / weibliches Verhalten, Eigenschaften, Tätigkeiten, aber grob vereinfacht, generalisiert Geschlechtsrollen: Summe der von einem Individuum erwarteten Verhaltensweisen und Einstellungen, wird zusätzlich während Sozialisation erlernt, verinnerlicht führen sie zu Geschlechteridentität Geschlechtersozialisation: Entstehung und Entwicklung männlicher bzw. weiblicher Persönlichkeiten durch Verinnerlichen von Geschlechterrollen / Geschlechteridentität, Selbstsozialisation (inhaltlicher Wissenserwerb, motivative Identifikation) Arrangement der Geschlechter: Schnittstelle von Interaktion und Sozialstruktur Goffman: Codierungsverfahren, Geschlecht als Grundlage eines zentralen Codes, Anordnung der Geschlechter Sameness Taboo: Tabuisierung der Ähnlichkeiten der Geschlechter, Angst vor Verwischung Geschlechterunterschiede und ihre Erklärung Unterschied zwischen einer weiblichen Orientierung an interpersoneller Integration und einer männlichen an individualistisch-sachbezogener Zielverwirklichung (z. B. Frauen als fürsorglich und Männer als aggressiv) Soziobiologie und feministische Moraldebatte untersuchen Stabilität der Differenzannahme Soziobiologie: Eigenschaften vererbt, Darwinismus, Differenzen als universell und genetisch fixiert Moraldebatte: universal mothering: Eigenschaft der Fürsorge erworben, aber sehr früh Eigenschaften sind keine biologischen Konstanten nicht universell an Geschlecht gebunden beide Modelle können Stabilität der Differenzannahme nicht erklären plausibler: soziokulturell-historische Perspektive mit Ausgangspunkt in Rollenerwartungen und –unterschieden (historische Perspektive: Aufklärung: alle gleich, also diente die Natur zur Unterscheidung) Sozialisation: auf bewusste Erziehung sind Differenzannahmen nicht zurückzuführen, bedeutsamer: Selbstsozialisation Lernprozesse beim Geschlechtserwerb: mittels impliziter Lernprozesse (aus Alltagserfahrungen etc., geschlechterspezifische Stereotype werden schon in früher Kindheit wahrgenommen, motivale Identifikation mit dem eigenen Geschlecht, soziokognitive Entwicklung, persönliche Aneigung kulturell vorgegebener Geschlechtsnormen, Kinder beginnen Geschlechterzugehörigkeit als konstantes Merkmal zu begreifen, soziale Kontrolle durch Gleichaltrige, später Normen kritisch überdenken Resistenz von Geschlechterstereotypen: öffentliche Wahrnehmung von Frauen beginnt sich zu wandeln, jedoch ist Geschlechterstereotypisierung resistent, kategorialer Denkhabitus: Geschlecht als natürliche Kategorie erlernt Aufrechterhaltung der Stereotype legitimiert Reproduktion der Unterschiede Gründe für Resistenzen: eingeübte Denkgewohnheiten, frühe Habitualisierung / Sozialisation, ständige Interaktion und Reproduktion, „im Unbewussten verankert“, Legitimation von Ungleichheitsstrukturen am deutlichsten zeigt sich Diskriminierung bei: Einkommensungleichheit, ungleiche Verteilung der Hausarbeit, häusliche Gewalt Faktoren des Wandels: bessere Bildung, veränderte rechtliche Stellung der Frauen, Zunahme der Dienstleistungsberufe, Notwendigkeit zweier Einkommen, Anstieg der Scheidungsrate, Wandel in den Einstellungen Sozialkonstruktivismus und Poststrukturalismus: Binarität ist nicht gegeben, Unterschied ein Ergebnis von gesellschaftlicher Konstruktionsweise des Geschlechts, Geschlechterdifferenz als sozial und kulturell konstruiert radikal, kulturdeterministisch pragmatische These: biologische Unterschiede prägen unsere Potenziale, determinieren aber nicht die Entwicklungsmöglichkeiten oder das Verhältnis des Geschlechter demnach erklären biologische Differenzen die Unterschiede im Geschlechterverhältnis nicht hinreichend Hartnäckigkeit und Wandel der Geschlechterungleichheit Diskriminierung und Ungleichheit dauern an Faktoren des Wandels: grundlegende soziale Revolution unserer Zeit Segregation der Geschlechter in der Arbeitswelt: Segregation und Lohndiskriminierung in der Arbeitswelt weltweit noch immer verbreitete Phänomene, geschlechterspezifische Trennung nimmt nicht automatisch ab, wenn sich soziale und politische Position der Frau verändert, zwei Formen der Segregation: horizontale Segregation / getrennte Tätigkeitsfelder, vertikale Segregation / Verteilung der hierarchischen Position Segregierte Berufe: wenn der Anteil eines Geschlechts unter 30 Prozent liegt Gemischte Berufe: zwischen 30 und 70 % Dissimilaritätsindex: gibt an wie viele Frauen oder Männer für eine gleiche Verteilung Beruf wechseln müssten Berufe werden mehr oder weniger als männer- bzw. frauentypisch identifiziert und stereotypisiert, Durchschnittseinkommen der Männer ist überall höher Segregation als Mechanismus zur Produktion und Reproduktion sozialer Ungleichheit (Frauen: niedrigere Lohnklasse, Teilzeit) Erklärung dafür: strukturorientierte (Sozalisationstheorien: liegt in der primären Sozialisation) und subjektorientiert (akteurtheoretisch: Ursache sind individuelle Präferenzen) Ansätze, oder: Frauen können in Pflegeberufen etc. ihr Wissen einsetzen. Humankapitaltheorien: Frauen mit Kindern können am besten „weibliche“ Berufe mit der Familie kombinieren beide Ansätze können nicht erklären, warum kinderlose Mütter auch in „weiblichen Tätigkeitsfeldern“ arbeiten und warum Frauen geringere Einkommen haben strukturorientiert: Ursache nicht in individuellen Entscheidungen, Geschlechterwechsel eines Berufes mit Prestigeverlust Frauen und Männer bei der Arbeit: Frauen haben es in „Männerberufen“ schwierig, aber nicht umgekehrt doing gender while doing the job: geschlechterspezifische Darstellung während der Arbeit Familie und Beruf: Diskriminierung in zeitlicher Perspektive: „zweite Schicht“: Frauen arbeiten nach der Erwerbsarbeit zu Hause Mehrspurigkeit der sozialen Konstruktion von Geschlecht Geschlechterverhältnisse sind in Bewegung geraten, Lebensentwürfe für Frauen heute unterscheiden sich wesentlich von denen hundert Jahre früher, Gleichstellung ist in Reichweite Fazit und Ausblick: „steckengebliebene Revolution“, Phänomen der „zweiten Schicht“ verbreitet sich immer mehr, „Freizeitlücke“ zu Hause Geschlechterrollenwandel verlief bisher assymmetrisch BSP: Wäsche Stereotyp: Tradition, Wäsche als Zuständigkeitsbereich der Frauen Identität oder Rolle: traditionsbestände, mythlogische Verbindung von Weiblichkeit und Reinheit, weiblicher Körperbezug, männliche Körperferne Sozialisation: Waschmittelwerbung Doing Gender: spezifisch weibliche Rolle einnehmen 11. Vorlesung (Lektüre Kap. 10): Ethnizität und Nation Fremde sind wir uns selbst der Anteil des Anderen / Fremden im Aufbau der eigenen Identität, der Mensch als „anthropologisches Fluchttier“ Rasse biologische Kategorie, bezieht sich auf körperliche Merkmale einer Personengruppe (haut- oder Haarfarbe, Grösse etc.), stiftet naturalisierte Zugehörigkeit und Differenz, Begriff entstammt der Anthropologie des 19. Jahrhunderts, heute als politisch diskreditiert und unhaltbar, Kritik: es gibt nur eine Rasse, die menschliche Ethnie Gruppen, die sich selbst eine kollektive Identität zuschreiben und dadurch eine „vorgestellte Gemeinschaft“ bilden, nur durch Selbst- und Fremdzuschreibung, fordert unter Umständen ein bestimmtes Verhalten von Individuen, Bild der Geschlossenheit und des Zusammenhalts, kulturelle Kategorie, Gruppe, die sich durch kulturelle Praktiken und Einstellungen von anderen unterscheidet, sozialer Typus der Wir-Gruppen, Begriff der Grenze, grenzziehend, aber weiter als Nation (zentrale Instanz und Gewaltmonopol fehlen), Ethnie ist familienübergreifend, also weiter als Verwandtschaft, und familienumfassen (familiäre Transmission), stiftet kulturelle Zughörigkeit und Differenz -Essentialistischer Ethniebegriff: Einheit kommt durch gemeinsame Sprache, Kultur und Abstammung zustsnde -formalistischer Ethniebegriff: Ethnie verdankt sich der kollektiven Selbst- und Fremdbeschreibung, nicht aber der objektiven Gegebenheit kultureller Merkmale (emsich=kulturimmanentes Merkmal) Ethnizität kann zum Konflikt führen Minderheiten: Bevölkerungsgruppen, die durch ein Merkmal, das der Mehrheit fehlt, abgegrenzt werden können (Religion, Abstammung, Muttersprache, sexuelle Orientierung etc.), Verbindung zum modernen Staat, wenn sie bewusst an ihrem Status festhalten, werden sie zu Wir-Gruppen Kulturelle Vielfalt und ethnische Differenzierung in modernen Staaten kollidiert das Ideal der kulturellen Einheit oft mit der Wirklichkeit der kulturellen Vielfalt, Ethnozentrismus wird häufig gefördert durch Ideal der kulturellen Einheit, Glaube, die eigene Kultur sei anderen überlegen, die Illusion einer kulturellen Homogenität entsteht auch aus der Neigung, die Komplexität zu reduzieren Kasten: endogame, soziale Gruppen, die ihre Familienordnungen intern in rechtlicher For regulieren, jeweils höher- oder tieferstehend, Berufe für sich reserviert Nationalitäten im sowjetischen System und heute noch in seinen Nachfolgestaaten Bezeichnung der Gruppen, die zumindest ein einer regionalen Einheit den Status einer sog. Titularnation hatten (in Vielvölkerstaaten: das Volk, von welchem die Bezeichnung für alle Staatsbürger dieses Landes namensgebend ist), hohes Willkürpotenzial, schliessen Gruppen von Rechten aus (im Unterschied dazu: individuelle Rechtsgarantie in modernen Staaten) Nation: die vorgestellte Ordnung mit reziproken Verpflichtungen und familienerfassenden Zugehörigkeitsregeln, die einen überzeitlichen Charakter beansprucht und auf einen vorhandenen oder erstrebten Staat hin orientiert ist, begrenzt, souverän, stiftet soziopolitische Zugehörigkeit und Differenz, Bildung der Zugehörigkeit anhand der Kategorien Ethnie und Nation: Gemeinsamkeit kultureller oder körperlicher Merkmale ist keine notwendige Bedingung für Ein- oder Ausschluss und die Entstehung einer Wir-Gruppe (Operation der Unterscheidung konstituiert solche Gruppen, nicht die Erkennung von Unterschieden) ethnische oder kulturelle Homogenität nicht Grund nationaler Kohäsion, sondern der gemeinsame Rechtsraum Nationalismus: politische Überzeugung, die dem Zusammenhalt moderner Gesellschaften zugrunde liegt (Nation sei eine grundlegende soziale und kulturelle Einheit, dem bestehenden oder ersehnten Nationalstaat gehöre höchste Loyalität), Forderung ach ethnischer Homogenität verbunden mit dem Nationenkonzept Nationalismus Moderne Nationalstaaten: politisch souveräne Staaten, lösten im 18. Und 19. Jh die feudalaristokratiosche-absolutistische Staaten ab, basieren auf der Vorstellung einer ethnisch kulturellen Einheit der Nation und Nationalkultur, moderne Nationen machen das „Management von Heterogenität“ notwendig Aktuelle Herausforderungen: supranationale Organisation von Wirtschaft und Politik, Ethnische Heterogenität statt Fiktion der Homogenität, Kritik des Ethnozentrismus, postnationale Konstellation und Globalisierung Staatsbürgerschaft: kennzeichnend aus der Staatsangehörigkeit sich ergebende Rechte einer natürlichen Person in dem Staat, Regeln, Staar legt Regeln für Erwerb und Verlust, Regeln und Pflichten fest, Rechte (Schutz, Abwehr), Pflichten (Wehrpflicht, Steuerpflicht etc.) Modelle ethnischer Integration in Einwanderungsgesellschaften Einwanderung und Integration: D, CH, AU nach USA gegenwärtig die wichtigsten Einwanderungsziele, Integration: Aufnahme in die Sozialstruktur einer Gesellschaft, verschiedene Ebenen der Integration: ökonomisch, kulturell, sozial und politisch, Problematisierung, Anerkennung der gleichen konfliktregelnden Institutionen Akkulturation: Übernahme von Bestandteilen einer fremden Kultur durch Individuen oder komplette Gesellschaften anderer Kulturzugehörigkeit, meist zweiseitig verlaufender Prozess Assimilation: (mögliche Form von Akkulturation) Anpassung (von Minderheiten) an Werte und Normen einer als homogen vorgestellten Mehrheitsgesellschaft, Ziel: möglichst vollständige Eingliederung der Minderheiten, abgeschwächt: sozioökonomische Integration, die den Zugang zu den Statuslinien der Gesellschaft umfasst Multikulturalismus/Kultureller Pluralismus: gleichberechtigte Koexistenz unterschiedlicher Kulturen, die sich gegenseitig respektieren, Effekt: Vergrösserung der kulturellen Vielfalt, politisch umstritten, aber in der globalisierten Welt alternativlos. Ethnische Ungleichheit: einige Differenzierungen Vorurteil: positive oder negative Voreingenommenheit gegenüber Personen aufgrund realer oder vorgestellter Merkmale: Gestützt durch selektive Wahrnehmung und Generalisierung (Klischee und Stereotype) Rassismus: Doktrin, derzufolge biologisch fassbare Unterschiede Gruppen definieren könnten und die so definierten „Rassen“ einander über- bzw. unterlegen seien. Diskriminierung: Ungleichbehandlung von Individuen oder Gruppen (im sozialen Handeln, durch rechtlich-administrative Regelungen) nach Maßgabe bestimmter Wertvorstellungen oder aufgrund unreflektierter Vorurteile Negative Diskriminierung: Benachteiligung aufgrund spezifischer Gruppenzugehörigkeit Positive Diskriminierung: Bevorzugung aufgrund spezifischer Gruppenzugehörigkeit Konflikte: Auseinandersetzungen zwischen ethnischen Gruppen werden häufig stereotyp begründet (Fremdheit der anderen oder deren angebliche Schädlichkeit werden als Ursache angegeben), die Gruppen werden dabei intern zusammengeschmiedet (neue Führer), Konkurrenz um materielle Ressourcen oder Prestige Möglichkeiten und Institutionen der Konfliktlösung: gewaltsame Konfliktbewältigung als die schlechteste (Vernichtung der einen Seite, genozid), Entziehen und Ausweichen, Überführung in rechtliche Verfahren (Anerkennung der gleichen Konflikt regelnden Instiutionen) Klientelismus: eine knappe Ressource wird vom Patron verwaltet, hierarchisch organisiert; Gabe und Gegengabe (je schwächer gesellschaftliche Institutionen zur Konfliktlösung sind, desto eher Menschen Zuflucht in klientelischen Nezten) 12. Vorlesung (Lektüre Kap. 23 Joas): Soziale Bewegung und kollektive Aktionen Kollektive Aktionen: kollektives Verhalten als unscharfer Sammelbegriff, in den USA ab den 1920er Jahren, von der Massenpsychologie geprägt, als Inbegriff kollektiven Verhaltens gilt die Panik oder Massenhysterie, aber auch Moden, Aufstände, Revolution etc., rationale Verhaltenskontrolle und Organisation wird ihnen abgesprochen, selektive Wahrnehmung des Konservativen spiegelt sich Aufruhr, Protest etc. zur Wiederherstellung der rechtmässigen Ordnung Chiliastische Bewegungen: utopischer Überschuss religiöser Errlösungsbewegungen Darauf folgen differenziertere Sichtweisen: „Kollektive Aktion“, aktiver, zielgerichteter Aspekt kollektiven Handelns gewinnt an Bedeutung, Begriff der Masse wird als höchst differenzierte Erscheinungsform angesehen, Blumer: collective behaviour, vier verschiedene Formen von Menschensammlungen: casual (gemeinsame Aufmerksamkeit durch ein ungewöhnliches Ereignis), conventional (bestimmter Zweck), expressive (emotional), acting (Handlungswunsch), nicht jede Menge ist Teil einer sozialen Bewegung, aber das Herbeiführen sozialen Wandels als Kriterium für soziale Bewegung, präsentiert sich oft als handelnde Menge durch den Akt des Protests, politisches Verhalten, weicht von konventionellem, institutionalisierten Verhalten ab, Individuen und kollektive Akteure verbinden aber beide Arten Protest: rechtlich legitime, wenn nicht immer legale, sondern begrenzte Regelverletzungen einplanende unkonventionelle Form der politischen Partizipation, tendenziell ein Akt der Privilegierten öffentliche, kollektive Handlungen nichtstaatlicher Träger, die Widerspruch oder Kritik zum Ausdruck bringen mit der Formulierung eines gesellschaftlichen oder politischen Anliegens, Protestgruppen können auf eine Vielzahl von Aktionen zurückgreifen, sind aber stark von den situativen Randbedingungen und Interaktionsdynamiken abhängig, moderne Kommunikationsmittel können eingesetzt werden, beschleunigter Globalisierungs- und Internationalisierungsprozess vernetzt soziale Bewegungen immer stärker auch grenzüberschreitend, z. T. auch mediengerechte Inszenierung der Proteste, Protestformen grosser Risikobereitschaft (Hungerstreik) bis zum minimalen Engagement (Unterschrift), hochgradig integriert und institutionalisiert (Klagen) oder originell und spektakulär, häufigste davon sind Protestmarsch und –kundgebung Proteste sind das Ergebnis organisierter Anstrengungen im Rahmen verschiedener sozialer Bewegungen. Revolutionen als Lokomotiven der Geschichte Verhältnis zwischen konventioneller und unkonventioneller politischer Partizipation als Ausdruck moderner Demokratien Kollektives Handeln: gemeinsames Handeln von Menschen in der Verfolgung von gemeinsamen Zielen oder Interessen (geplant, rational, sinnhaft) Soziale Bewegungen: kollektive Aktionen können spontan entstehen (Panik, Streit etc.; Anwendungsfeld für Massenpsychologie), können aber auch planvoll eingesetzt werden; Streiks, Demos etc. freiwillige Partizipation, geringe Formalisierung Begriff und Merkmale: Soziale Bewegungen stellen soziale Gebilde aus miteinander vernetzten Personen, Gruppen und Organisationen dar, die (mehr oder weniger gestützt auf kollektive Identitätsgefühle) mit gemeinsamen Aktionen Protest ausdrücken, um soziale bzw. politische Verhältnisse zu verändern oder um sich vollziehenden Veränderungen entgegenzuwirken, Protest in Gestalt defensiver Reaktionen (bei kulturellen Bewegungen mit Hauptziel der Veränderung des Bewusstseins) oder offensiver Formen (bei politischen Bewegungen, bestimmte Zielgruppen, oftmals die Regierung), Differenz zum Normaltyp von Organisationen: soz. Bewegungen sind selber keine Organisationen, keine klare Mitgliedschaftszuschreibungen, nicht eindeutig von Umwelt abgrenzbar, relativ unbestimmte Gebilde (Aktivisten, Teilnehmer, Unterstützer, Sympathisanten), keine Durchstrukturierung horizontaler und vertikaler Differenzierung von Positionen und Rollen, starke Dezentralisierung (einzelne Aktionsgruppen, von denen soziale Bewegungen ausgehen, sind relativ stark autonom, kein organisatorisches Zentrum), kollektive Handlungsfähigkeit allein aus dem inneren Engagement ihrer Anhänger (Verbindung von individuellen Motiv mit kollektivem Zweck, einzige Möglichkeit um Akteure langfristig zu binden), Geld und Macht fehlen, um Unterstützung zu kaufen, gelten in struktureller Hinsicht eher als Netzwerke (anstelle Organisationen), ihre Stärke kann in der Unbestimmbarkeit liegen (Wucht von Massenaktionen), Schwäche in strategischen Belangen, Selbstkontrollkapazität nicht hoch entwickelt, eignen sich mehr zum Anstossen / Blockieren als zum Steuern von sozialem Wandel Typologien: Einzweckprotestbewegungen vs. Systemzweckprotestbewegungen (vier Typen nach Aberle): Transformationsbewegungen (System), Reformbewegungen (einzelne Bereiche der Gesellschaft), Erlösungsbewegungen, Alternativbewegungen (individuell) Bewegungstypen nach Kriesi: interne oder externe Orientierung (auf sich selbst oder auf Umwelt), instrumentell oder indentitär (mit Aktion etwas erreichen gegen Gruppengefühl etc.), Subkulturelle Bewegungen (identitär, intern), instrumentelle Bewegungen (instrumentell, extern) und countercultural (identitär und extern) Drei Beispiele für gesellschaftlich folgenreiche Bewegungen Arbeiterbewegung: 19. Jh, Verelendung des Lohnabhängigen Proletariats, Systematisierung des Streiks als zentrales Kampfmittel, interne Richtungsstreitigkeiten in der Bewegung über Sozialismus, Drohpotenzial des Bewegung, erster vollständiger Durchbruch in Oktoberrevolution in Russland 1917, 1918 in Deutschland Kaiserreich beseitigt, Gemessen an Marxscher Prognose der sozialistischen Werterevolution ins die Bewegung aber gescheitert (zwingende Verelendung des Proletariats), roher Manchester-Kapitalismus wurde zwar überwunden und eine Reihe von (heute selbstverständlichen) Rechten (wie Streik, betriebliche Mitbestimmung etc) wurden durchgesetzt Frauenbewegung: organisierter Protest von Frauen im 19. Jh, erste Frauenvereine und – zeitschriften, Ziel: aktive Teilhabe der Frau am öffentlichen Leben, Ausbildung und Wahlrecht, auch Frauenbewegung hatte innere Differenzen (bürgerliche – proletarier), Zugehörigkeit zum jeweiligen ideologischen Lager, also zur Partei, war wichtiger, symbolische Aufwertung der Frauenrolle im Nationalsozialismus (Unterbindung der protestierenden politischen Aktivität der Frauen) Späte 60er: neue Frauenbewegung im Zuge der Studentenbewegung, Kampagne gegen 218, Ausbau der Bewegungsinfrastruktur für Frauen (Magazine, Cafes etc.), später auf wenige Organisationskerne zusammengeschrumpft, stärkere Berücksichtigung von „Fraueninteressen“ erfolgreich, aber Frauenbewegung immer noch weit entfernt von ihren grundsätzlichen Zielen (Gleichstellung, Ende der Diskriminierung etc.) dauerte ca. 150 Jahre Umweltbewegung: bereits im 19. Jh (im Zuge der Industrialisierung, Verstädterung, die Eingriffe in die Natur darstellten), bewirkte z. B. besondere Schutzgebiete, Propagierung einer einfachen Lebensweise, romantisierende Ästethisierung der Natur (unter dem Nationalsozialismus erstmals staatliche Anerkennung), aber schlagartige Wende erst um 1970, später Umweltschutz weithin als ökonomische Bremse, zahlreiche örtliche Gruppen, die aber immer wieder zu grösseren regionalen oder gar bundesweiten Kampagnen zusammenfanden, Bemühen um konstruktive Problemlösung (erneuerbare Energiequellen, Verkehrspolitik), Wirkungsbilanz ist schwierig zu ziehen (nach Kriterium der Verbesserung der Umweltqualität, aber nicht jede Verbesserung kann der Bewegung zugeordnet werden), in 90er liess der politische Druck, der von der Bewegung ausgegangen ist, nach, im Verlauf von wenigen Jahren ist dann Umweltschutz zu einer politischen Dauer- und Routineaufgabe geworden, die aber oft noch hoch geschätzt wird kaum eine Bewegung hat in so kurzer Zeit so viele Spuren im gesellschaftlichen Alltag und in der Politik hinterlassen Erklärungen und theoretische Ansätze: kollektive Aktionen und soziale Bewegung fanden im 19. Jh in der Soziologie die steigende Aufmerksamkeit zeitgenössischer Beobachter „Aufstand der Massen“: kollektive Aktionen galten als Zeichen des Zerfalls der alten Ordnung, LeBon: Masse als Ansammlung, die Kontrolle verliert und irrational handelt, Verlust der Selbstkontrolle der Masse, Gewaltbereitschaft und Irrationalität, Regression des Individuums auf vorzivilisatorisches Niveau, Führer kollektives Verhalten wird zum Gegenstand der Massenpsychologie (massenpsychologische Zusammenbruchstheorien) kollektive Aktionen sind aber mehr, als unvermittelte Reaktionen triebhafter Bedürfnisse Deprivation und die sozialen Bedingungen von Solidarität: Kollektive Aktionen als soziale Handlungen weil sie sinnhaft orientiert sind, kollektiv, verweisen auf Gründe, Produkte der Gesellschaft (soziale Tatsache im Sinne Durkheims), Zusammenhang von kollektiven Aktionen und gesellschaftlichen Problemen (Missstände) revolutionäres Mobilisierungspotenital, Reaktionen auf soziale Deprivation Deprivation: gesellschaftliche Lagen, die einem Kollektiv von Menschen notwendige materielle, aber auch ideelle Mittel entziehen Davies / Gurr: relative Deprivation, Frustration Frustration als Voraussetzung für nachfolgende Unruhen, Aufstände etc. (BSP: frz Revolution) Existenz von gesellschaftlichen Problemen, die von bestimmten Bevölkerungsgruppen als Missstände wahrgenommen werden, erhöhen die Wahrscheinlichkeit ihrer kollektiven Aktion, aber ob es tatsächlich dazu kommt, hängt von einer Reihe weiterer Bedingungen ab, (nach Marx ermöglicht erst ein Klassenbewusstsein die gemeinsame Definition einer Situation und die Organisation sozialen Handelns, Grundbedingung dafür sei, dass die Deprivierten in Beziehung zueinander stehen, deshalb auch Industrieproletariat als Subjekt des Klassenkampfes, wegen ihrer Interaktion; Deprivation, Organisation, Bewusstsein) Tilly: Organisation, Mobilisierung, Gemeinsame Interessen, Gelegenheit Smelser: Strukturelle Förderlichkeit, strukturelle Spannungen, Verbreitung allgemeiner Überzeugungen, Auslösungsfaktoren, Organisation, soziale Kontrolle Soziale Netzwerke: erscheinen als unabdingbare strukturelle Voraussetzungen für die Entwicklung und Stabilisierung sozialer Beziehungen, soziale Gruppierungen unterschiedlicher Dichte und Grösse, Bewegungen stellen mobilisierte Netzwerke von Netzwerken dar Programme und Ideologien: Menschen handeln nicht aufgrund ihrer Situation, sondern der Definition ihrer Situation (womöglich empfinden Betroffene ihre Situation nicht als deprivierend) relative Deprivation relevant, Protestbereitschaft kann sich auch durch Steigen der Erwartungen ergeben (BSP: Frauenbewegung, Emanzipationsansprüche sind erheblich gestiegen) soziales Handeln durch Sinnkonstruktion der Beteiligten bestimmt Organisation und Unternehmertum: Ablauf ihrer Aktionen alles andere als spontan, sondern geplant; moderne Kommunikationstechniken (Internet), Soziologie: hinter sichtbaren Ereignissen die Strukturen analysieren Revolutionen: Barrington-Moore-Thesis: Geschichtsmächtigkeit der ländlich-agrarischen Bevölkerungsmehrheit, drei Wege in die Moderne in Abhängigkeit zur gesellschaftlichen Stellung der Bauern: -Modernisierung von unten: buergerlich-demokratische Revolution -Modernisierung von oben: faschistisch-totalitäre Revolution -Sozialistische Bauernbefreiung: kommunistische Revolutionen