2 Krankheit verantwortlich sein kann. Schließlich können auch Erdkabel, die hier nicht berücksichtigt wurden, einen Anteil an den Auswirkungen im Wohnbereich haben, auch wenn sie nur 0,8 % der 380- bis 220-kV-Leitungen ausmachen. Die Autoren meinen: Gesetzt den Fall, dass die Ergebnisse der Studie auf elektromagnetische Felder als Ursache zurückzuführen sind, bedeutet das für die Bevölkerung nach den heutigen Daten ein geringes Risiko, da es innerhalb der 50-m-Zone nur wenige Fälle von Alzheimer (0,22 %) und seniler Demenz (0,21 %) gibt. Aber man schätzt, dass die Zahl 2–8-fach höher liegen würde, wenn statt der Totenscheine exakte klinische Diagnosen vorliegen würden. Und außerdem wird bei manchen Personen Alzheimer nicht als Todesursache erkannt. Schlussfolgerung der Autoren: Alzheimer-Krankheit und senile Demenz sind erhöht, aber die Ergebnisse sind mit Vorsicht zu betrachten, da keine biologischen Mechanismen bekannt sind. Da kein biologischer Mechanismus bekannt ist, geht man bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) seit 2007 davon aus, dass es keine Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen elektromagnetischen Feldern und ALS bzw. Alzheimer gibt. Quelle: Huss A., Spoerri A., Egger M., Röösli M.: Residence Near Power Lines and Mortality From Degenerative Diseases: Longitudinal Study of the Swiss Population. American Journal of Epidemiology, 5. Nov. 2008; doi: 10.1093/aje/kwn297 Niederfrequenzforschung Gehörschäden durch niederfrequente Felder? Starke elektromagnetische Felder können sich bei manchen Menschen akustisch und/oder physiologisch bemerkbar machen. In diesem Experiment wurde untersucht, wie sich niederfrequente elektrische Felder verschiedener Frequenz zusammen mit zwei konstanten Tönen auf das Innenohr von Kaninchen auswirken. Elektrische Signale spielen in jeder Zelle eine wichtige Rolle und auch die Kommunikation zwischen den Zellen wird durch elektrische Prozesse gesteuert. Wir haben dauerhafte 50-HzQuellen in unserer Umgebung, die vielleicht Auswirkungen auf das Hörorgan haben. Manche Menschen nehmen starke Felder wahr, die Betroffenen merken ein Klicken im Ohr. Hörfunktionen können direkt gemessen werden, dabei bedient man sich z. B. der Messung von DPOAE (s. S. 4). Diese Experimente hier sollten klären, wie sich 2 verschiedene Feldstärken auf die Funktion des Hörorgans auswirken. Durch Aussendung zweier verschiedener Töne wird im Innenohr eine Reaktion hervorgerufen, die DPOAE. Nach 5 Tagen der Eingewöhnung wurden zwei Gruppen von je 10 weiblichen erwachsenen Kaninchen (Gewicht 3–4 Kilo) elektrischen 50-Hz-Feldern von 5,068 kV/m und 10,182 kV/m ausgesetzt. Diese Feldstärken stellen die Grenzen dar, bei denen Reaktionen erfasst und keine Schädigung nachgewiesen werden können. Die Felder wirkten 14 Tage lang 3 Stunden pro Tag ein bei gleichzeitiger Einwirkung von 2 konstanten Tönen mit verschiedenen Frequenzen (1,0–8,0 kHz). An beiden Ohren wurden dann die DPOAE-Amplituden gemessen. Die Reaktionen der Hörorgane wurden am Tag vor der EMFBehandlung (Kontrolle, Tag 0) sowie 6 und 14 Tage nach Beginn der Behandlung aufgezeichnet. Die Tiere waren während der Messungen betäubt, während der Messungen wurden Augenreflexe und Atmung überwacht. Beim Vergleich der Elektrosmog-Report 14 (12) – Dezember 2008 Messungen von Tag 0 und an Tag 6 und Tag 14 konnte man sehen, dass die beiden Gruppen ein ähnliches Muster zeigten. Niedrigere Frequenzen vermindern die DPOAE-Amplituden, z. T. statistisch signifikant, höhere steigern sie zwischen 1,5 und 4,0 kHz. Die Ergebnisse der Studie zeigen z. T. signifikante und z. T. nicht-signifikante Unterschiede durch Einwirkung von 50-HzFeldern. Das könnte auf schädliche Einflüsse auf das CortiOrgan hindeuten. Man legt zwei verschiedene Mechanismen zugrunde, einen mechanischen und einen elektrophysiologischen. Die Resonanzfrequenzen könnten den Kationenfluss (den Einstrom von Kationen durch Kationenkanäle in die Zelle) so verändern, dass in der Cochlea Ionenfluss und konzentration in den Zellen, die die Bewegung der Haarzellen kontrollieren, beeinflusst werden und der Stoffwechsel dadurch anders reagiert (Helmholtz-Resonanz-Theorie). So könnte die veränderte Innenohr-Reaktion auf die 50-Hz-Einflüsse an den Membranen zurückgehen. EMF können, nach den Ergebnissen zu urteilen, die Hörfunktionen beeinflussen. So könnten Menschen, die von hohen Feldern umgeben sind, ein erhöhtes Risiko für Gehörschäden haben. Weitere Untersuchungen in größerem Umfang könnten das aufklären. Bisher ist dies die erste Untersuchung zu Wirkungen elektromagnetischer Felder auf das Hörorgan. Quelle: Budak B, Budak GG, Öztürk GG, Muluk NB, Apan A, Seyhan N (2008): Effects of extremely low frequency electromagnetic fields on distortion product otoacoustic emissions in rabbits. Auris Nasus Larynx; doi: 10.1016/j.anl.2008.04.011 Niederfrequenzwirkung Mechanische Signalübertragung durch elektrische Felder In dieser Arbeit wird ein neuer Mechanismus vorgestellt, der bei der Einwirkung von elektrischen Feldern physiologischer Stärke auf Zellen und Gewebe entsteht und dort eine Veränderung hervorruft. Nach Berechnungen des Autors sorgen mechanische Dreh- und Scherkräfte für Veränderungen an Membranmolekülen, wenn elektrische Felder einwirken, was Auswirkungen im Zellinnern und auf die Kommunikation zwischen den Zellen hat. Physiologische elektrische Feldstärken (ca. 100 V/m) spielen eine Rolle bei vielen biologischen Prozessen, z. B. bei Wundheilung, Zelldifferenzierung, Embryonalentwicklung und Zellwanderung. Neben der Elektrodiffusion/Osmose und der spannungsinduzierten Öffnung und Schließung der in der Membran liegenden Ionenkanäle (s. ElektrosmogReport 5/2008) gibt es offensichtlich einen weiteren Mechanismus, der für Signalübertragung zwischen Zellen und Zellkompartimenten verantwortlich ist. Der Autor dieser theoretisch-physikalischen Arbeit, F. X. Hart, hatte 2006 bereits vorgeschlagen, dass dieser zusätzliche Mechanismus an den Integrinen (stabförmigen Glycoproteinen, die in der Membran verankert sind und mit dem Zellskelett im Zellinnern verbunden sind) angreift, wenn elektrische Felder einwirken. Das resultierende mechanische Drehmoment, das auf die Moleküle ausgeübt wird, pflanzt sich fort auf das Zellskelett im Zellinnern und von dort bis hin zum Zellkern, in dem die Genregulation beeinflusst werden kann. In dieser Arbeit werden Berechnungen durchgeführt, welche Kräfte einwirken durch das mechanische Drehmoment, das durch die elektrischen Felder auf die negativ geladenen Moleküle entsteht. 3 Elektrische Felder physiologischer Stärke von ca. 100 V/m sind beteiligt an verschiedenen Prozessen in den Zellen, z. B. beim spannungsabhängig gesteuerten Öffnen und Schließen der Ionenkanäle, die u. a. Calcium in die Zelle ein- und ausströmen lassen. Die Anwendung von 200 V/m und mehr und Frequenzen von 1–10 Hz führt zu verschiedenen Reaktionen wie die Neuverteilung der Oberflächenrezeptoren, Reorganisation der Mikrofilamente, Calcium-Einstrom oder Makrophagenwanderung. Die elektrischen Felder erzeugen ein Drehmoment in den Integrinen, und diese Drehimpulse werden auf Glycocalyx (Zellhülle, Netzwerk aus Glycoproteinen und Polysacchariden) und Aggrecane (gelartig vernetzte Glycosaminoglycane in Knorpelgewebe) übertragen, so dass es zu einer Fortpflanzung der Signale in die Umgebung kommt. Drehund Scherkräfte in der Membran an den Integrinen führen zu Druck auf die benachbarten Moleküle in der Umgebung. Diese Umgebung ist zum einen das Zellinnere, zum anderen der extrazelluläre Raum, durch den die Verbindung zu den benachbarten Zellen hergestellt ist. Es besteht also sozusagen eine Kopplungskette zwischen Glykoproteinen, Zellmembran, Zellskelett und Extrazellulärem Raum. Die Glycoproteine sind alle verbunden mit dem Zellskelett, so dass mechanische Drehund Scherkräfte auf bestimmte Moleküle sich auf alle Strukturen auswirken. Die Überleitung der mechanischen Drehmomente, die durch elektrische Felder entstehen, von den Glycoproteinen auf andere Zellstrukturen ist ein Mechanismus, der die Veränderungen in den Zellen und dem extrazellulären Raum gut erklären kann. Wenn die elektrischen Felder auf die Glycoproteine einwirken, werden diese in Schwingung versetzt. Die Amplitude bleibt konstant bis etwa 1 Hz, nimmt aber schnell ab bei Frequenzen zwischen 1 und 1000 Hz, je nach Viskosität der umgebenden Flüssigkeit. Dieser Prozess könnte zusätzlich zur spannungsabhängigen Steuerung der Ionenkanäle und der Elektrodiffusion bzw. Osmose bei Einwirkung elektrischer Gleichfelder eine Rolle spielen und eine weitere Komponente bei physiologischen Prozessen sein. Dass der beschriebene Mechanismus ein anderer ist als die Elektrodiffusion/Osmose und die spannungsabhängige Ionenkanalregulation zeigen beispielsweise Leberzellen, die keine spannungsgesteuerten Ca-Kanäle haben, aber trotzdem auf elektromagnetische Felder reagieren. Quelle: Hart FX (2008): The Mechanical Transduction of Physiological Strength Electric Fields. Bioelectromagnetics 29, 447–455 Information/Politik/Öffentlichkeitsarbeit vorkommenden Feldintensitäten liegen im Mittel weit unter den gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerten. Bei Einhaltung der Grenzwerte ist nach derzeitigem wissenschaftlichen Kenntnisstand eine Gesundheitsgefährdung ausgeschlossen. Dies gilt auch für ungeborene Kinder.“ Weiter heißt es, am Arbeitsplatz müsse individuell geprüft werden, da dort die Feldstärken höher sein können. Zu Unfruchtbarkeit gibt es folgende Auskunft: „Zusammenfassend kann hierzu gesagt werden, dass für hochfrequente elektromagnetische Felder der unterschiedlichsten Quellen (z. B. Radar, Diathermiegeräte, Mobilfunk, etc.) ausschließlich thermische, also wärmebedingte Wirkungen auf männliche Geschlechtsorgane nachgewiesen wurden. Unterhalb der Grenzwerte, und somit ohne thermische Effekte, können fruchtbarkeitsschädigende Einflüsse der Felder aus dem vorliegenden Wissen nicht abgeleitet werden.“ Zu WLAN wird noch geforscht. Bei der Frage, ob elektromagnetische Felder schädlich sind, wird lediglich auf das Leukämierisiko eingegangen. „Bei Erwachsenen ergab sich kein Nachweis dafür, dass bei langandauernder Exposition gegenüber niederfrequenten Feldern ein erhöhtes Risiko, an Krebs zu erkranken, existiert. Anders stellt sich die Situation in Bezug auf die Leukämieerkrankung bei Kindern dar. In einigen epidemiologischen Studien wurde bei Kindern, die über längere Zeit Magnetfeldern ausgesetzt waren, die deutlich unter dem Grenzwert lagen, ein geringfügig aber signifikant erhöhtes Risiko, an Leukämie zu erkranken, gefunden. Wenn hier wirklich ein ursächlicher Zusammenhang bestünde, wäre allerdings höchstens 1 % der Leukämiefälle bei Kindern durch eine erhöhte Exposition gegenüber niederfrequenten Magnetfeldern zu erklären. Von den jährlich ca. 600 Leukämiefällen bei Kindern in Deutschland würden also in diesem Fall höchstens 6 auf die Magnetfeld-exposition zurückzuführen sein. Wie bei allen epidemiologischen Studien ist durch den statistischen Zusammenhang auch hier eine Ursache-Wirkungs-Beziehung nicht nachzuweisen. Ein biologischer Wirkungsmechanismus, der die Entstehung von Leukämie oder die Förderung des Wachstums von Leukämie-Zellen durch niederfrequente Magnetfelder erklären würde, konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Allgemein sind die Auslöser für Leukämie-Erkrankungen bei Kindern nicht bekannt, so dass bei der Auswertung der Studien möglicherweise wesentliche Risikofaktoren nicht berücksichtigt werden konnten. Da dieser statistische Zusammenhang sich aber auch in neueren Studien zeigte, wird dieses mögliche Risiko sehr ernst genommen und gibt Anlass zu Vorsorgemaßnahmen.“ Quelle: www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/3518.pdf Alles kein Problem? Kurzmeldungen Eine neue Veröffentlichung der Bundesregierung befasst sich mit Umweltbelastungen, die möglicherweise Schädigungen bei Neu- und Ungeborene hervorrufen können oder die Fruchtbarkeit beeinträchtigen. Oberfeldstudie gerichtlich geklärt Unter Beteiligung von Robert-Koch-Institut (RKI), Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Umweltbundesamt (UBA) und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) wurde eine Schrift veröffentlicht, die den Titel „START INS LEBEN – Einflüsse aus der Umwelt auf Säuglinge, ungeborene Kinder und die Fruchtbarkeit“ trägt. Unter anderen Umwelteinwirkungen wird auch zu elektromagnetischen Feldern bzw. nicht-ionischer Strahlung Stellung genommen. Zu drei Fragen gibt es Antworten: Ob Mobilfunkstrahlung zu Unfruchtbarkeit führen kann, ob Ungeborene gefährdet sind und ob elektromagnetische Felder schädlich sind. Zitate zu den Antworten: „Die in der Umwelt Die gerichtliche Auseinandersetzung um die so genannte Oberfeldstudie ist beendet. Der Konflikt zwischen Dr. Gerd Oberfeld vom Referat Gesundheit, Hygiene und Umweltmedizin des Landes Salzburg und der Mobilkom Austria wurde mit einem Vergleich am 03.11.2008 beigelegt. Laut einer Pressemitteilung der Mobilfunkfirma hat diese mit mehreren Fakten bewiesen, dass es dort keine C-Netz-Anlage gegeben hat und Dr. Oberfeld das zur Kenntnis nimmt. Wie Oberfeld mittelte, ist seine weitere Forschungsarbeit davon nicht beeinträchtigt. Quelle: www.diagnose-funk.org BNetzA kann Frequenzzuteilung vornehmen Mit einer Pressemitteilung am 04.11.2008 informiert die Bundesnetzagentur darüber, dass sie die Frequenzen im 2,6-GHzBand nach ihren Plänen vergeben kann. Damit ist ein RechtsElektrosmog-Report 14 (12) – Dezember 2008