Schlussbericht zur Fledermauserfassung auf dem Gelände der ZEGG Forschungs- und Bildungszentrum GmbH in Bad Belzig/Landkreis Potsdam-Mittelmark Auftraggeber: ZEGG Forschungs- und Bildungszentrum GmbH R.-Luxemburg-Str. 89 14806 Bad Belzig Auftragnehmerin: Dr. Beatrix Wuntke Umweltforschung, -bildung und -beratung Kirschenallee 1a 14550 Groß Kreutz/Havel OT Schenkenberg Unter Mitarbeit von M. Ebersbach/Potsdam Groß Kreutz, den 21.11.2011 Inhalt Seite Anlass und Aufgabenstellung 3 Erfassungs- und Auswertungsmethodik 3 Ergebnisse 4 Kurzüberblick zur Ökologie der nachgewiesenen Fledermausarten 7 Zusammenfassung, Bewertung 8 Literatur 9 Karten 10 2 1. Anlass und Aufgabenstellung In Vorbereitung eines Bebauungsplanes für das ZEGG-Gelände in Bad Belzig wurde eine Erfassung geschützter Tierarten (Brutvögel, Fledermäuse) beauftragt. Neben einer Recherche zu bereits vorliegenden Daten sollten in der Saison 2011 zur Erfassung der Fledermäuse eine Tagesbegehung zur Quartiererfassung und 3 spätabendliche/nächtliche Kartierungsgänge zur Erfassung der Nutzung des Gebietes durchgeführt werden. 2 Erfassungs- und Auswertungsmethodik Vor Beginn der Freilandarbeiten wurden beim Naturschutzbund Deutschland, beim Landesumweltamt Brandenburg, in der regionalen Literatur und im Internet vorhandene Daten zum Gebiet und seiner näheren Umgebung recherchiert. Die Erfassung der Fledermäuse erfolgte mittels Fledermausdetektorbegehungen. Dabei wurde das gesamte Gelände ab Dämmerungsbeginn begangen und es wurden alle verhörten Fledermäuse protokolliert. Bei Unsicherheiten in der Artbestimmung erfolgte eine Aufnahme der Rufe für eine Artbestimmung am Computer. Bei einer Tagesbegehung wurden die Bäume auf dem Gelände auf potentielle Fledermausquartiere (alte Spechthöhlen, Spalten, abgeplatzte Rinde) hin überprüft. Zugängliche Spalten und Höhlungen wurden mittels Taschenlampe und, wenn nötig, Endoskop auf Anwesenheitsspuren von Fledermäusen kontrolliert. Die erhobenen Daten wurden in eine Karte eingetragen und diese anschließend in ArcView 3.2 digitalisiert. Erfassungstechnik im Detail Detektor Die Fledermauserfassung erfolgte mit einem Detektor, der auch über einen Aufzeichnungsmodus verfügt. Fledermausdetektoren wandeln die im Ultraschallbereich liegenden und damit für den Menschen nicht hörbaren Ortungsrufe der Fledermäuse in hörbare Laute um. Da Ortungsrufe artspezifisch sind, kann anhand der Rufe eine Artbestimmung vorgenommen werden. Insbesondere bei jagenden Tieren, die mit hoher Intensität rufen, ist eine Bestimmung bereits im Freiland möglich. Bei überfliegenden Tieren ist aufgrund der kurzen Hörbarkeit die Bestimmung schwieriger. Hier kann die Aufzeichnung der Laute mit anschließender computergestützter Analyse eine Artbestimmung ermöglichen. 3 Endoskop Ein Endoskop ermöglicht einen Einblick in das Innere von Baumhöhlen und Spalten. Das eingesetzte Endoskop ist ein medizinisches Endoskop der Firma Pentax. Es verfügt über einen flexiblen, 1 m langen Fiberschlauch von 12 mm Durchmesser, dessen vorderes Ende vom Okular aus in 2 Ebenen bewegt werden kann. So können auch verzweigte Spalten untersucht werden. Tab.1 stellt die Kartierungstermine und entsprechenden Witterungsbedingungen zusammen. Tab. 1: Übersicht der Fledermauskartierungstermine ZEGG/Bad Belzig 2011 Datum Tageszeit Wetter 15.4. tags, Baumhöhlenerfassung wolkig 6.5. abends/nachts sternenklar, 7°C 24.7. abends/nachts wolkig, 15°C 17.8. abends/nachts sternenklar, 17°C 3 Ergebnisse Die Datenrecherche ergab keine Kenntnisse zur Fledermausfauna des Plangebietes und seiner unmittelbaren Umgebung. Weder in der Literatur noch beim Landesumweltamt gibt es dokumentierte Fledermausnachweise. In der 2008 erschienenen Fledermausfauna Brandenburgs findet sich für den Messtischblattquadranten 3841-2, in dem das Plangebiet liegt, nur ein Fund eines Kleinabendseglers (Teubner et al. 2008). Bei der Baumkontrolle wurden 6 alte Obstbäume mit potentiellen Fledermausquartierhöhlen erfasst sowie zwei Kiefern mit alten Spechthöhlen und eine Eiche, an der ein Vogelnistkasten befestigt war. Da Fledermäuse (bspw. Langohren) auch Vogelkästen als Quartier nutzen, wurde dieser Nistkasten als potentielles Quartier mit erfasst. Die endoskopische Kontrolle der Spalten und Höhlungen in den Obstbäumen ergab keine Hinweise auf die Anwesenheit von Fledermäusen. Die beiden Spechthöhlen befanden sich in mehreren Metern Höhe und konnten daher nicht mit dem Endoskop überprüft werden. Hier fand bei den nächtlichen Detektorbegehungen eine Kontrolle auf ein- bzw. ausfliegende Fledermäuse statt, jedoch auch diese war negativ. An dem Vogelnistkasten konnten auch keine Fledermäuse beobachtet werden. Darüber hinaus wurde aufgrund eines Hinweises der Unteren Naturschutzbehörde der nahegelegene Trafoturm, an und in dem sich künstliche Fledermausquartiere befinden, kontrolliert. Abgesehen von einigen Kotkrümeln, die auf eine gelegentliche Anwesenheit einzelner Tiere hinweisen, fanden sich jedoch keine Spuren von Fledermäusen. 4 Abb. 1: Alter Obstbaum mit Höhlen und Spalten, die als Fledermausquartiere geeignet wären Die nächtlichen Detektorbegehungen erbrachten Nachweise mehrerer Fledermausarten, die das Gelände als Jagdgebiet nutzen (s. Karten 1 und 2). Es konnten Großer Abendsegler (Nyctalus noctula), Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus), Mückenfledermaus (Pipistrellus pygmaeus) und Langohrfledermäuse (Plecotus spec.) eindeutig bestimmt werden. Die Analyse von Aufnahmen weiterer Tiere ergaben Fransenfledermäuse (Myotis nattereri) und Rauhautfledermäuse (Pipistrellus nathusii). Einige Aufnahmen konnten allerdings nicht genauer als bis zur Gattung Myotis bestimmt werden. Hier kommen Kleine und Große Bartfledermaus, Wasserfledermaus und Fransenfledermaus in Frage. Allerdings können Wasserfledermäuse ausgeschlossen werden. Wasserfledermäuse sind sehr eng an Gewässer gebunden. Über dem Gewässer auf dem Gelände wurden aber nur jagende Zwergfledermäuse registriert und ansonsten sind in der Umgebung keine geeigneten Gewässer vorhanden. 5 Abb. 2: Waldweg im Südteil des Geländes, hier jagten regelmäßig Fransen- und Rauhautfledermäuse Tab. 2 listet die nachgewiesenen Arten und ihren Schutzstatus nach den Roten Listen Deutschlands und Brandenburgs sowie der FFH-Richtlinie der EU auf. Alle einheimischen Fledermäuse sind nach der Bundesartenschutzvorordnung (BArtVO) „besonders geschützt“ und nach dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) „streng geschützt“. Tab. 2: Festgestellte Fledermausarten und Schutzstatus RL - Rote Liste, FFH – Fauna-Flora-Habitatrichtlinie der EU RL-Kategorien: 1 – vom Aussterben bedroht; 2 – stark gefährdet, 3 – gefährdet, G – Gefährdung anzunehmen, D – Daten defizitär, V – Vorwarnliste Art RL D (2009) RL BRB FFH Breitflügelfledermaus G 3 Anhang IV Braunes Langohr V 3 Anhang IV Graues Langohr 2 2 Anhang IV Zwergfledermaus - 4 Anhang IV Rauhautfledermaus - 3 Anhang IV Mückenfledermaus D noch nicht bewertet Anhang IV Fransenfledermaus - 2 Anhang IV Große Bartfledermaus V 2 Anhang IV Kleine Bartfledermaus V 1 Anhang IV Großer Abendsegler V 3 Anhang IV 6 Für den Abendsegler wurden auch Balzplätze ermittelt. Dort sitzen zur Paarungszeit (August bis Oktober) männliche Tiere in Baumhöhlen und locken mit Paarungsrufen Weibchen an. Da an den Standorten der balzenden Abendseglermännchen vorher keine Höhlen erfasst wurden, befinden sich dort offensichtlich im oberen Kronenbereich der Laubbäume noch kleinere Höhlenquartiere. 4 Kurzüberblick zur Ökologie der nachgewiesenen Fledermausarten Die Breitflügelfledermaus (Eptesicus serotinus) jagt in baum- und strauchbestandenem Gelände. Sie nutzt Quartiere in Gebäuden (vor allem Dachböden). Das Braune Langohr (Plecotus auritus) ist primär im geschlossenen Waldbestand, gelegentlich aber auch in Ortschaften (Gärten, Parks) sowie in nicht zu dichten Hecken anzutreffen. Diese Art jagt überwiegend Schmetterlinge und Zweiflügler, teils über offenen Flächen, teils in der Strauchschicht von Wäldern, nahe der Vegetation, von deren Oberfläche Beuteinsekten abgesammelt werden (so genanntes „gleaning“) (Fuhrmann 1991). Das Graue Langohr (Plecotus austriacus) ist im Jagdverhalten ähnlich. Als Quartier nutzen die beiden Langohrarten sowohl Gebäude (Dachböden, Holzverschalungen) als auch Höhlen im Wald (Spechthöhlen, aber auch Nistkästen). Zwerg-, Mücken- und Rauhautfledermäuse (Pipistrellus pipistrellus, P pygmaeus. bzw. P. nathusii) jagen in wenigen Metern Höhe über offenen Vegetationsflächen, erstere auch vor Gebäudewänden. Zwerg- und Mückenfledermäuse sind typische Siedlungsbewohner, die ihre Quartiere in und an Gebäuden haben. Die Fransenfledermaus (Myotis nattereri) ist eine typische Waldfledermaus und jagt bevorzugt innerhalb von Waldgebieten. Sie nutzt Baumhöhlen und Nistkästen als Quartier, wird aber auch in Spalten an und in Gebäuden angetroffen. Bartfledermäuse (Myotis mystacinus/brandtii) gelten hinsichtlich der Jagdgebiete ebenso als Waldfledermäuse (Schober & Grimmberger 1987), die entlang von Hecken- und auch Baumreihen jagen. Ihre Sommerquartiere suchen sie aber auf Dachböden. Der Große Abendsegler (Nyctalus noctula) als hoch jagende Art überfliegt sowohl die geschlossene, als auch die offene Landschaft. Die Tiere jagen in einer Höhe von 5 – 20 m über dem Boden (Kronwitter 1988), andere Beobachtungen weisen auf Flughöhen über 150m hin. Dabei jagen die Tiere gezielt in großen Gruppen schwärmende Insekten (Arnold & Sachteleben 1993). Abensegler sind Baumhöhlenbewohner, die nicht nur zur Wochenstubenzeit sondern auch zur Winterruhe in Baumhöhlen angetroffen werden können. 7 5 Zusammenfassung, Bewertung Es wurden bei 4 Begehungen insgesamt 6 Fledermausarten sicher und 4 weitere mit hoher Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Das Artenspektrum ist typisch für dörflichen Siedlungsbereich im Übergang zu LaubMischwald. Das abwechslungsreich strukturierte Gelände mit Sträuchern, verschiedenen Bäumen und Gartenpflanzen bietet verschiedensten Insekten und anderen Wirbellosen Lebensraum, die wiederum die Nahrungsgrundlage für verschiedene Fledermausarten bilden. Alle festgestellten Arten stehen auf der Roten Liste Brandenburgs, wobei als Hauptursache ihrer Bestandsrückgänge Quartiermangel durch Gebäudesanierungen und Fällungen von Höhlenbäumen sowie die Beseitigung bzw. negative Beeinträchtigung von Lebens/Nahrungsräumen durch Einsatz von Pestiziden und Ausräumung der Agrarlandschaft benannt werden. Da sich keine Hinweise auf bedeutsame Fledermauswochenstuben auf dem Gelände fanden, sind für die Bewertung vor allem die nachgewiesenen Balzquartiere des Großen Abendseglers und die zur Insektenjagd stark frequentierten Bereiche des Plangeländes bedeutsam (s. Karte 2). Die beiden nahe am Hauptgebäude gelegenen Balzplätze werden durch die geplanten Bauarbeiten nicht betroffen, obwohl sie innerhalb geplanter Bauflächen liegen. Den Planungen der ZEGG GmbH zufolge bleiben die rund um das Hauptgebäude vorhandenen Böschungen mit Gehölzbewuchs erhalten. An diesem Gebäude sind lediglich Sanierungs- und Ausbaumaßnahmen vorgesehen. Der südliche Balzplatz am Wasserbecken liegt außerhalb der Bauflächen des Bebauungsplans, so dass durch Bauvorhaben verursachte Beeinträchtigungen ausgeschlossen werden können. Sollten Baumfällungen unumgänglich sein, wird eine Fällung im Spätherbst empfohlen. Unmittelbar vor der Fällung sollten die betroffenen Bäume auf aktuellen Fledermausbesatz kontrolliert werden. Werden durch die geplanten Bauarbeiten bedeutsame Jagdgebiete (s. Karte 2) beeinträchtigt, so kann durch die weitere Ausgestaltung des naturnahen Charakters der verbleibenden Flächen mit dichten Gebüschen aus heimischen Gehölzen insbesondere in weniger frequentierten Randbereichen und Offenhaltung bspw. der alten Obstbaumwiese im Westen des Plangebietes Ersatz/Ausgleich geschaffen werden. Offenhaltung bedeutet dabei ein Verhindern von Baum- und Strauchaufwuchs, so dass Wildgräser und Stauden weiterhin einen blüten- und damit insektenreichen Lebensraum bilden, der wiederum den nachgewiesenen Fledermausarten als Jagdgebiet dienen kann. 8 Der vor dem Hauptgebäude befindliche Keller bietet sich für die Schaffung eines Fledermauswinterquartiers an. Dabei lässt sich ein solches Winterquartier mit einer Nutzung als Lagerraum o.ä. durchaus vereinbaren. Sichere Winterquartiere sind in der heutigen, ausgeräumten Kulturlandschaft auch selten zu finden, daher wäre die Schaffung eines solchen Quartiers im Rahmen der Ausgleichsmaßnahmen sehr zu begrüßen. 9 6 Literatur ARNOLD, A. & SACHTELEBEN (1993): Die Fledermäuse im Raum Bayreuth. Ber.naturwiss. Ges. Bayreuth 22: 173 - 212. DOLCH, D., T. DÜRR, HAENSEL, G. HEISE, M. PODANY, A. SCHMIDT, J. TEUBNER. & K. THIELE (1992): Rote Liste der Säugetiere (Mammalia): 13-20. In: Ministerium für Umwelt und Raumordnung des Landes Brandenburg (Hrsg.): Gefährdete Tiere im Land Brandenburg. Rote Liste. Potsdam, Unze-Verlag. FUHRMANN, M. (1991): Untersuchungen zur Biologie des Braunen Langohrs (Plecotus auritus L., 1758) im Lennebergwald bei Mainz. – Diplomarbeit Universität Mainz. HAUPT, H., G. LUDWIG, H. GRUTTKE, M. BINOT-HAFKE, C. OTTO & A. PAULY. (RED.) (2009): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands. Band 1: Wirbeltiere. Bundesamt für Naturschutz, Bonn-Bad Godesberg, Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (1) KRONWITTER, F. (1988): Population structure, habitat use and activity patterns of the Noctule bat, Nyctalus noctula, SCHREBER, 1774 (Chiroptera: Vespertilionidae) revealed by radio-tracking. – Myotis 26: 23 - 85. Bonn SAURE, C. & J. SCHWARZ (2005): Methodische Grundlagen. In: DER LANDESBEAUFTRAGTE FÜR NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE / Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (Hrsg.): Rote Listen der gefährdeten Pflanzen und Tiere von Berlin. CD-ROM. SCHOBER, W. & E. GRIMMBERGER (1987): DIE Fledermäuse Europas: kennen – bestimmen – schützen. 2. Aktualisierte u. erw. Auflage, Kosmos, Stuttgart. TEUBNER, J., J. TEUBNER, D. DOLCH & G. HEISE (2008): Säugetierfauna des Landes Brandenburg – Teil 1: Fledermäuse. Natursch. Landschaftspfl. Bbg. 1,2 (17). Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie). ABI. EG Nr. L 305/42 Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG) vom 29.07.2009 (BGBI. I S. 1193) in der geänderten Fassung vom Okt. 2011. 10 7 Karten Karte 1: Alle 2011 erfassten Fledermausbeobachtungen (Plangebiet violett umrandet) 11 Karte 2: Festgestellte Jagdgebiete (grün umrandet) und Balzplätze (blau umrandet) 12 Karte 3: Auf Vorhandensein von Fledermäusen kontrollierte Höhlenbäume (grüne Symbole) 13