- 1/91 - Messtechnik (Modul B09) Prof. Dr.-Ing. Th. Reck Stand WS 2012/13 Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 2/91 - Inhaltsverzeichnis 1 2 3 Literatur Begriffe Maßeinheiten 3.1 SI-Einheiten 4 Messfehler 4.1 Fehlerarten 4.2 Systematische Fehler 4.3 Zufällige Fehler 4.3.1 Mittelwert 4.3.2 Standardabweichung 4.3.3 Vertrauensbereich 4.4 Fehlergrenzen 4.5 Fehlerfortpflanzung der Fehlergrenzen 5 Messverfahren 5.1 Einfluss von Messgeräten auf den Messkreis 6 Kenngrößen und Mittelwerte periodischer Signale 6.1 Kenngrößen 6.2 Linearer Mittelwert (Arithmetischer Mittelwert) 6.3 Gleichrichtwert (Gleichrichtmittelwert) 6.4 Effektivwert (Quadratischer Mittelwert) 6.5 Scheitelfaktor 6.6 Formfaktor 7 Analoge Messgeräte 7.1 Drehspulinstrument 7.1.1 Messbereichserweiterung mit Neben- und Vorwiderstand 7.2 Dreheisenmessinstrument 7.2.1 Spannungsbereichserweiterung 8 Leistungsmessung 8.1 Theoretische Grundlagen der Leistungsmessung 8.1.1 Zusammenfassung wichtiger Kenngrößen 8.1.2 Sinusförmige Verläufe von Spannung und Strom 8.1.3 Sinusförmiger Spannung- und nichtsinusförmige Stromverlauf 8.1.4 Nichtsinusförmige Verläufe von Spannung und Strom 8.2 Messgeräte 8.2.1 Elektrodynamisches Messinstrument 8.2.2 Time Division Multiplikator (TDM) 9 Digitalmultimeter (DMM) 9.1 Auflösung 9.2 Fehlerangaben 9.3 Aufbau und Funktionsweise 9.4 Messschaltungen 10 Universalzähler 10.1 Frequenzmessung 10.2 Frequenzverhältnismessung 10.3 Periodendauermessung 10.4 Zeitintervall- und Impulsbreitenmessung 11 Oszilloskop 11.1 Analogoszilloskop 11.2 Aufbau und Funktion des Oszilloskops 11.3 Tastkopf Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck 4 6 7 7 9 9 10 11 11 11 11 12 12 15 15 18 18 22 22 23 24 24 25 26 26 28 29 30 30 30 30 31 33 33 33 35 37 37 37 38 39 40 40 41 41 42 44 44 44 50 - 3/91 - 12 Messbrücken 12.1 Abgleichverfahren 12.1.1 Gleichstrommessbrücken 12.1.2 Wechselstrommessbrücken 12.2 Ausschlagverfahren 13 Sensorprinzipien 13.1 Temperaturmessung 13.1.1 Widerstandsthermometer 13.1.2 Thermoelement 13.2 Kraftmessung 13.2.1 Dehnungsmessstreifen (DMS) 13.3 Messung der magnetischen Flussdichte 13.3.1 Hallgenerator 13.3.2 Feldplatte 14 Anhang 14.1 Komplexe Rechnung 14.2 Zeigerdarstellung harmonischer Größen 14.3 Ortskurve 14.4 Bodediagramm 14.4.1 Übertragungsverhalten von Vierpolen 14.4.2 Komplexer Frequenzgang 14.4.3 Frequenzgänge von Vierpolen 14.4.4 Grundglieder Messtechnik B09 52 52 52 54 58 59 59 59 62 67 67 71 71 72 73 73 76 78 83 84 85 88 89 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 4/91 - 1 Literatur Grundlagen der Elektrotechnik Hagmann, Gert AULA-Verlag Wiesbaden Aufgabensammlung zu den Grundlagen der Elektrotechnik Hagmann, Gert AULA-Verlag Wiesbaden Grundlagen der Elektrotechnik Moeller, Fricke, Frohne, Vaske B.G. Teubner Stuttgart Beispiele zu Grundlagen der Elektrotechnik Fricke, Moeller, Ptassek, Schuchardt, Vaske B.G. Teubner Stuttgart Elektrotechnik Paul, R. Band I: Elektrische Erscheinungen und Felder Band II: Netzwerke Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, New York, Tokyo Theoretische Elektrotechnik und Elektronik Küpfmüller, Kohn Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, New York, Tokyo Halbleiter-Schaltungstechnik Tietze, Schenk Springer Verlag Berlin Analoge Schaltungen Seifert Verlag Technik GmbH Elektrische Messtechnik Patzelt, Schweinzer Springer Verlag Wien PC-Messtechnik Schwetlick Vieweg Verlag Braunschweig Elektrische Messtechnik Stöckl, Winterling Teubner Verlag Stuttgart Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 5/91 - Grundlagen der elektrischen Messtechnik Frohne, Ueckert Teubner Verlag Stuttgart Elektrische Messtechnik Schrüfer Hanser Verlag München Taschenbuch der elektrischen Messtechnik Tränkler Oldenbourg Verlag München Elektrische und elektronische Messtechnik Felderhoff Hanser Verlag München Elektrische Messtechnik Bergmann Vieweg Verlag Braunschweig Handbuch der industriellen Messtechnik Profos, Pfeifer Oldenbourg Verlag München Signalübertragung Lüke Springer Verlag Berlin Elektronische Messtechnik Schmusch Vogel Buchverlag Elektrische Messtechnik Pfeiffer VDE Verlag Übungen zur Elektrischen Messtechnik Schoen, Pfeiffer VDE Verlag Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 6/91 - 2 Begriffe Messen heißt vergleichen. Es wird dabei eine Größe quantitativ erfasst und festgestellt, wie oft eine Maßeinheit in der zu messenden Größe enthalten ist. Die zum Messen eingesetzten Messgeräte erweitern dabei den unseren Sinnen zugänglichen Wahrnehmungsraum. So sieht z.B. das Auge nur diejenigen elektromagnetischen Schwingungen, die sich im Wellenlängenbereich von 0,38 bis 0,78 µm bewegen, während entsprechenden Messgeräten ein Messbereich über 18 Zehnerpotenzen zugänglich ist. Die hier behandelte elektrische Messtechnik befasst sich mit der Messung elektrischer Größen und aller anderen Größen, die sich in elektrische Größen umformen lassen. Mit Hilfe von Sensoren oder Aufnehmern werden nichtelektrische Größen in elektrische umgeformt und damit der elektrischen Messung zugänglich. Die Grundbegriffe der Messtechnik sind in DIN 1319 Teil 1 Allgemeine Grundbegriffe Teil 2 Begriffe für die Anwendung von Messgeräten Teil 3 Begriffe für die Messunsicherheit und die Beurteilung von Messgeräten und Messeinrichtungen festgelegt. Wichtige Begriffe sind: Die Messgröße ist die zu messende physikalische, chemische oder sonstige Größe. Der Messwert ist der mit Hilfe einer Messeinrichtung ermittelte Wert der Messgröße. Es wird das Produkt aus Zahlenwert und Einheit der Messgröße angegeben (z.B. U = 2,1 V). Messgröße = Zahlenwert ⋅ Einheit Das Messverfahren nutzt bestimmte Eigenschaften oder Wirkungen des Messobjektes aus, um in einer geeigneten Messeinrichtung die untersuchte Messgröße mit einer definierten Maßeinheit in Beziehung zu setzen. Die Messeinrichtung (auch Messanordnung oder Messanlage genannt) ist die Gesamtheit aller Teile, mit denen ein auf einem bestimmten Messprinzip beruhendes Messverfahren verwirklicht wird. Besteht die Messeinrichtung aus einem einzigen Teil, so spricht man von einem Messgerät. Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 7/91 - 3 Maßeinheiten Damit man messen kann, sind vorher Einheiten zu definieren. Zunächst haben sich die Einheiten an den Menschen (z.B. Fuß, Elle) bzw. an seiner Umgebung (Erdumfang, mittlerer Sonnentag) orientiert. Dabei gab es jedoch Schwierigkeiten mit der Anwendung dieser Einheiten. Schon Maxwell (18311879) hat empfohlen, auf Quantenmaße überzugehen, die überall und jederzeit durch Experimente nachvollziehbar sind. 3.1 SI-Einheiten 1960 wurde von der Generalkonferenz für Maß und Gewicht das “Systeme International d’Unites” empfohlen, das inzwischen weltweit eingeführt und in der Bundesrepublik Deutschland gesetzlich vorgeschrieben ist. Diese Basiseinheiten sind nach DIN 1301 oder ISO 1000: Gebiet Mechanik Elektrotechnik Thermodynamik Optik Chemie Messtechnik Basisgröße Länge Masse Zeit Stromstärke Temperatur Lichtstärke Stoffmenge Formelzeichen l m t I T IL n B09 Basiseinheiten Einheitenzeichen Meter m Kilogramm kg Sekunde s Ampere A Kelvin K Candela cd Mol mol Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 8/91 - 1 Meter ist die Länge der Strecke, die Licht im Vakuum während des Intervalls von (1/299 792 458) Sekunden durchläuft (1983). 1 Kilogramm ist die Masse des Internationalen Kilogrammprototyps (1889). 1 Sekunde ist das 9 192 631 770-fache der Periodendauer der dem Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustands von Atomen des Nuklids 133Cs entsprechenden Strahlung (1967). 1 Ampere ist die Stärke eines zeitlich unveränderlichen elektrischen Stromes, der durch zwei im Vakuum parallel im Abstand l m voneinander angeordnete, geradlinige, unendlich lange Leiter von vernachlässigbar kleinem, kreisförmigen Querschnitt fließend, zwischen diesen Leitern je 1m Leiterlänge elektrodynamisch die Kraft 0,2 10-6 N hervorrufen würde (1948). 1 Kelvin ist der 273,16te Teil der thermodynamischen Temperatur des Tripelpunktes des Wassers (1967). 1 Candela ist die Lichtstärke in einer bestimmten Richtung einer Strahlungsquelle, die monochromatische Strahlung der Frequenz 540 ⋅ 1012 Herz aussendet und deren Strahlstärke in dieser Richtung (1/683) Watt durch Steradiant beträgt. 1 Mol ist die Stoffmenge eines Systems bestimmter Zusammensetzung, das aus ebenso vielen Teilchen besteht, wie Atome in (12/1000) kg des Nuklids 12C enthalten sind. Bei Benutzung des Mol müssen die Teilchen spezifiziert werden. Es können Atome, Moleküle, Ionen, Elektronen usw. oder eine Gruppe solcher Teilchen genau angegebener Zusammensetzung sein (1971). Diese Einheiten bilden ein kohärentes System, d.h. aus diesen Grundeinheiten abgeleitete Einheiten lassen sich mit dem Zahlenfaktor 1 umrechnen, z.B. [v] = [s/t] = 1 m/s In der Elektrotechnik beschränkt man sich oft auf das aus m, kg, s, A bestehende Teilsystem (MKSA). Nachstehend sind einige abgeleitete SI-Einheiten angegeben, die einen besonderen Namen haben. Physikalische Größe 3.1.1.1 Frequenz Kraft Druck Energie, Arbeit, Wärmemenge Leistung el. Ladung el. Spannung el. Kapazität el. Widerstand el. Leitwert mag. Fluss mag. Flussdichte, Induktion Induktivität Hertz Newton Pascal Joule Hz N Pa J Watt Coulomb Volt Farad Ohm Siemens Weber Tesla W C V F Ω S Wb T W ⋅ A-1 C ⋅ V-1 V ⋅ A-1 A ⋅ V-1 V⋅s Wb ⋅ m2 m2 ⋅ kg ⋅ s-3 A⋅s m2 ⋅ kg ⋅ s-3 ⋅ A-1 m-2 ⋅ kg-1 ⋅ s 4 ⋅ A2 m2 ⋅ kg ⋅ s-3 ⋅ A-2 m-2 ⋅ kg-1 ⋅ s3 ⋅ A2 m2 ⋅ kg ⋅ s-2 ⋅ A-1 kg ⋅ s-2 ⋅ A-1 Henry H Wb ⋅ A-1 m2 ⋅ kg ⋅ s-2 ⋅ A-2 Messtechnik SI-Einheit Symbol für Einheit durch SIEinheiten ausgedrückt N ⋅ m-2 N⋅m J ⋅ s-1 B09 durch SIBasiseinheit ausgedrückt s-1 m ⋅ kg ⋅ s-2 m-1 ⋅ kg ⋅ s-2 m2 ⋅ kg ⋅ s-2 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 9/91 - 4 Messfehler Fehlerfreies Messen ist nicht möglich. Messobjekt und Messgerät stehen stets in Wechselwirkung und beeinflussen sich gegenseitig. Fehler lassen sich aufgrund ihrer Ursachen in systematische Fehler und zufällige Fehler unterteilen. 4.1 Fehlerarten Der absolute Fehler Fabs ist definiert zu: Fabs = XA - XW mit XA = angezeigter Wert und XW = wahrer Wert Der relative Fehler Frel ist definiert zu: Frel = Fabs X A − X W = XW XW Bei analog anzeigenden Messgeräten ist es üblich, als relativen Anzeigefehler FArel den absoluten Fehler der Anzeige Fabs auf den Messbereichsendwert XM zu beziehen. FArel = Fabs X A − X W = XM XM Relative Fehler haben die Einheit „1“ („dimensionslos“); sie können auch in Prozent angegeben werden. Bei diesen Definitionen ist zu beachten, dass der wahre Wert Xw unbekannt ist! Beispiel: Ein Strom hat den wahren Wert IW=1,50A. Ein analog anzeigendes Messgerät mit dem Skalenendwert IM=2,5A zeigt IA=1,47A. Wie groß sind absoluter Fehler Fabs, relativer Fehler Frel und relativer Anzeigefehler FArel? Systematische Fehler: Betrag und Vorzeichen des Fehlers sind bekannt. Messwert kann/muss korrigiert werden. Entstehung durch Belastung des Messobjektes mit dem Messgerät, Fehler der Messmethode und Fehler in der Messwertumformung. Zufällige Fehler: Betrag und Vorzeichen des Fehlers sind unbekannt. Messwert kann nicht korrigiert werden. Mit statistischen Methoden kann ein „zuverlässiger“ Messwert gewonnen werden. Ursachen sind z.B. Störeinflüsse, Kontaktprobleme oder falsches Ablesen der Messinstrumente. Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 10/91 - 4.2 Systematische Fehler Ein systematischer Fehler entsteht z.B. durch den Innenwiderstand Ri eines Amperemeters, der eine Änderung des Stromes I während der Messung verursacht. Systematischer Fehler bei einer Strommessung Ohne Amperemeter fließt der Strom I: I= U0 R0 + R Mit Amperemeter fließt infolge des Messgeräteinnenwiderstands ein kleinerer Strom Ii: Ii = U0 R0 + R + Ri Daraus folgt der Zusammenhang zwischen dem Strom I und dem angezeigten Strom Ii: I= R0 + R + Ri ⋅ Ii R0 + R Der angezeigte Messwert Ii muss noch mit einem Korrekturfaktor multipliziert werden, um den systematischen Fehler zu korrigieren. Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 11/91 - 4.3 Zufällige Fehler Zufällige Fehler lassen sich mit Methoden der Statistik behandeln. Durch mehrfaches Messen der gleichen Größe mit gleichen oder mit verschiedenen Verfahren erhält man infolge der zufälligen Fehler unterschiedliche Messergebnisse. Die Auswertung dieser Ergebnisse mit Hilfe der Statistik ermöglicht Schlüsse auf die Größe des wahren Wertes und die Messunsicherheit. 4.3.1 Mittelwert Wiederholt ein Beobachter die gleiche Messung mit denselben Mitteln unter gleichen Bedingungen, so haben alle Einzelwerte gleiches statistisches Gewicht. Der Mittelwert X berechnet sich dann aus den n Einzelwerten X1 bis Xn nach X = 1 n ⋅∑ Xi n i =1 Dieser Wert ist der optimale Wert in dem Sinne, dass die Summe aller Abweichungsquadrate von diesem optimalen Wert zu einem Minimum wird. 4.3.2 Standardabweichung Man kennzeichnet die statistische Schwankung der Einzelwerte um den Mittelwert durch die mittlere quadratische Abweichung, die sog. Standardabweichung s=+ n 1 ⋅∑ n − 1 i =1 (X i − X ) 2 Die relative Standardabweichung sr = s / X ist der Quotiert aus der Standardabweichung und dem Mittelwert. 4.3.3 Vertrauensbereich Der Mittelwert wird häufig als das Messergebnis einer Messreihe angeben. Dieser Wert entspricht nicht dem wahren Wert der Messgröße. Mit den Methoden der Statistik lassen sich zwei Grenzwerte (Vertrauensgrenzen ν) angeben, innerhalb derer der wahre Wert mit einer gewissen statistischen Sicherheit P zu erwarten ist. Der Vertrauensbereich liegt zwischen t X - ν und X + ν mit ν= ⋅s n Der Vertrauensfaktor t als Funktion von P und der Anzahl der Messungen n ist nachfolgender Tabelle zu entnehmen. DIN 1319 empfiehlt, der Angabe des Vertrauensbereichs die statistische Sicherheit P = 95% zugrunde zu legen. n 3 6 10 20 100 Messtechnik t / √ n für P = 68,3% 0,76 0,45 0,34 0,23 0,10 t / √ n für P = 95% 2,5 1,05 0,72 0,47 0,20 B09 t / √ n für P = 99% 5,7 1,6 1,03 0,64 0,26 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 12/91 - Beispiel: Bei wiederholten Messungen desselben Widerstandes werden folgende Werte abgelesen: R1=783,9Ω; R2=784,3Ω; R3=785,2Ω; R4=784,8Ω; R5=784,1Ω; R6=785,2Ω Bestimme den Vertrauensbereich ν für eine statistische Sicherheit von P = 95% und gebe das Messergebnis an. 4.4 Fehlergrenzen Fehlergrenzen sind die bei Nennbedingungen zulässigen äußersten Abweichungen des Messwertes vom richtigen Wert. Hersteller von Messgeräten geben Garantiefehlergrenzen an und garantieren damit, dass der Fehler des Gerätes innerhalb der Fehlergrenzen liegt. Bei anzeigenden Messgeräten werden die Fehlergrenzen auf den Messbereichsendwert bezogen und ergeben so die Klassenzahl, die in Prozent angegeben wird. Geräteart Feinmessgeräte Betriebsmessgeräte 4.5 Klassenzahl 0,1 0,2 1,5 2,5 0,02 1 0,5 5 Fehlerfortpflanzung der Fehlergrenzen Wird ein Messergebnis aus mehreren Messwerten gebildet, so gehen die einzelnen Fehler, mit denen die Messwerte behaftet sind, in das Messergebnis ein. Oft sind nur die maximal möglichen Fehler ohne Angabe des Vorzeichens durch die sog. Fehlergrenzen der einzelnen Messwerte gegeben. In diesem Fall kann die Fehlerfortpflanzung mit Hilfe des totalen Differentials abgeschätzt werden. Sind n Messgrößen X1, X2, ..., Xn mit dem zu ermittelnden Ergebnis über die Funktion Y = f(X1, X2, ..., Xn) verknüpft, so kann mit Hilfe des totalen Differentials der maximale Fehler ∆Y bestimmt werden. ∂Y ∂Y ∂Y ∆X 2 + ... + ∆X n ∆Y = ± ∆X 1 + ∂X 2 ∂X n ∂X 1 Beispiel: Berechnung der Scheinleistung S S = U⋅I S entspricht Y U entspricht X1 I entspricht X2 ∂S ∂S ∆S = ± ⋅ ∆U + ⋅ ∆I ∂I ∂U ∆S = ±[| I⋅∆U| + |U⋅∆ I|] Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 13/91 - Voltmeter: Amperemeter: Spannungsmessbereich: Strommessbereich: Spannungsmesswert: Strommesswert: Klasse 0,5 Klasse 1,0 UMB = 100V IMB = 5A UM = 80V IM = 3A Daraus ergibt sich: 0,5 ⋅ 100V = 0,5V 100 1,0 ∆I = ⋅ 5 A = 0,05 A 100 ∆U = ∆S = ±[| 3A⋅0,5V| + |80V⋅0,05A|] = ± 5,5VA ∆S/S = ± 5,5VA / 240VA = ± 0,023 = ± 2,3% Multiplikation Y = X1 ⋅ X 2 ∆X 1 ∆X 2 ∆Y = ± + Y X2 X1 Es addieren sich die relativen Einzelfehler. Division Y= X1 X2 ∆X 1 ∆X 2 ∆Y = ± + Y X2 X1 Es addieren sich die relativen Einzelfehler. Addition Y = X1 + X 2 ∆Y 1 = ± Y X 1 + X 2 ∆X 1 ∆X 2 ⋅ ⋅ X1 + ⋅ X 2 X2 X1 Der relative Fehler des größeren Summanden geht stärker in das Ergebnis ein. Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 14/91 - Subtraktion Y = X1 − X 2 1 ∆Y = ± Y X 1 − X 2 ∆X 1 ∆X 2 ⋅ ⋅ X1 + ⋅ X 2 X2 X1 Der relative Fehler des größeren Summanden geht stärker in das Ergebnis ein. Wenn die Messwerte nahezu gleich sind, wird der Gesamtfehler sehr groß. Da es in der Praxis unwahrscheinlich ist, dass alle Fehler der einzelnen Geräte an der gleichen (positiven oder negativen) Fehlergrenze liegen, wird zusätzlich die sog. wahrscheinliche Fehlergrenze XW definiert. ∂Y = ± ∑ ⋅ ∆X i i =1 ∂X i n XW 2 Bei dieser wahrscheinlichen Fehlergrenze wird aber nicht mehr garantiert, dass der Messwert innerhalb dieser Grenzen liegt. Eine Wahrscheinlichkeit für das Einhalten dieser Grenzen kann nicht angegeben werden. Aufgabe: Es soll die Leistung an einem ohmschen Widerstand R gemessen werden Der Widerstand sei genau bekannt und habe den Wert R = 1Ω. Der Spannungsabfall beträgt U = 12V und die Spannung wurde mit einem Spannungsmesser der Klasse 1 im 30V-Bereich gemessen. Bestimmen Sie die Leistung und die maximale Unsicherheit. Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 15/91 - 5 5.1 Messverfahren Einfluss von Messgeräten auf den Messkreis In Messschaltungen werden die Aufteilung von Strömen und Spannungen durch die Messgeräte, z.B. den Spannungsabfall an Strommessgeräten oder den Strombedarf der Spannungsmessgeräte, verändert. Die auftretenden Messfehler können korrigiert werden. Stromrichtige Schaltung Es wird gleichzeitig Spannung und Strom am bzw. im Widerstand gemessen, wobei das Voltmeter einen falschen Messwert anzeigt. Der Spannungsmesswert Uv ist: Uv = U + RA ⋅ I Der Spannungsabfall am Innenwiderstand RA des Amperemeters wird mitgemessen! Mit dem Innenwiderstand RA des Amperemeters kann der korrigierte Spannungswert am Widerstand nach U = Uv - RA ⋅ I ermittelt werden. Spannungsrichtige Schaltung Die Spannung wird direkt am Widerstand R gemessen, aber der Strom Iv durch das Voltmeter ist ein Fehlerstrom, der vom Amperemeter mitgemessen wird! IA = I + IV Mit dem Innenwiderstand Rv des Voltmeters ergibt sich der korrigierte Stromwert durch den Widerstand R nach I = IA - U/Rv Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 16/91 - Es stellt sich die Frage, wann Schaltung a) bzw. Schaltung b) verwendet wird. Allgemein wird bei einem großen Widerstandswert R die stromrichtige Schaltung bei einem kleinen Widerstandswerte R die spannungsrichtige Schaltung verwendet. Es gilt: R > RV ⋅ R A stromrichtige Schaltung R < RV ⋅ R A spannungsrichtige Schaltung Beispiel Bei der spannungsrichtigen Schaltung wird die 2-Draht oder 4-Drahtschaltung verwendet. Mit der 4-Drahtschaltung wird der Einfluss der Leitungswiderstände eliminiert und die Spannung Ux direkt am Widerstand Rx gemessen. Dies ist besonders bei niederohmigen Rx wichtig. Rx sei ca. 80Ω Strommesser: Messbereichsendwert 1A Spannungsmesser: Messbereichsendwert 40V Beide Geräte haben die Klasse 0,5 • Innenwiderstand RA = 2Ω Innenwiderstand Rv = 5kΩ Welche Messschaltung? R < RV ⋅ R A = 10kΩ 2 = 100Ω spannungsrichtige Schaltung Angezeigte Messwerte mit spannungsrichtiger Schaltung: IA = 0,42A • UX = 35,5V Berechnung des Widerstands Rxo ohne Korrektur: RX 0 = Messtechnik U X 35,5V = = 84,52Ω 0,42 A IA B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 17/91 - • Korrektur des systematischen Fehlers infolge des Messgeräteinnenwiderstands Rv: RX = • UX 35,5V = = 85,98Ω I A − U X / RV 0,42 A − 35,5V / 5kΩ Der absolute (systematische) Fehler ist Fabs = 84,52Ω – 85,98Ω = -1,46Ω • Der relative (systematische) Fehler ist Frel = Fabs / 85,98Ω = -0,0169 = -1,69% • Garantierte (relative) Fehlergrenzen: RX ≈ UX IA ∆U X ∆R X ∆I A = ± + RX IA UX • = ± 0,2V + 0,005 A = ±0,0175 = ±1,75% 35,5V 0,42 A Garantierte (absolute) Fehlergrenzen: ∆Rx = ±0,0175 · 85,98Ω = ± 1,50Ω Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 18/91 - 6 Kenngrößen und Mittelwerte periodischer Signale 6.1 Kenngrößen Für elektrische Vorgänge unterscheidet man die in der Abb.6.1.1 dargestellten Stromarten (gilt auch für Spannungen). i i I i i i t a) i i~ t b) I t c) t d) Abb.6.1.1: Stromarten a) Gleichstrom I b) Sinusförmiger Wechselstrom i mit Scheitelwert î c) Nicht sinusförmiger, periodischer Wechselstrom i d) Mischstrom i = I + i~ Beim Wechselstrom i nach der Abb.6.1.2 ändern sich Größe und Richtung periodisch mit der Zeit t, d.h. nach Ablauf der Periodendauer T wiederholt sich der Verlauf von i. i T t1 t1+T t i(t1) i(t1+T) T Abb.6.1.2: Zeitlicher Verlauf einer periodischen Wechselgröße i Mit der ganzen Zahl n gilt für eine periodische Wechselgröße: f(t) = f(t + nT) Der lineare Mittelwert einer reinen Wechselgröße ist während einer Periode Null. Wechselstrom lässt sich leicht transformieren, d.h. bei der Energieverteilung den jeweiligen Erfordernissen, z.B. hohe Spannung bei der Übertragung und kleine Spannung bei der Anwendung, anpassen. Da er in Mehrphasensystemen die Erregung von Drehfeldern und somit den einfachsten Motor- und Generatorausbau bei größten Leistungen ermöglicht, werden über 90% der elektrischen Energie als Wechselstrom erzeugt und verteilt. Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 19/91 - Erzeugung einer Wechselspannung In der Energietechnik werden Wechselspannungen in den Generatoren der Kraftwerke erzeugt. Außerdem werden Wechselrichter verwendet, die Gleichstrom in Wechselstrom umformen. Die Erzeugung von Wechselspannungen in den Generatoren wird grundsätzlich durch das Induktionsgesetz beschrieben. Durch Bewegung elektrischer Leiter im Magnetfeld, i.a. Rotation, wird mechanische Energie in elektrische umgeformt. Rotiert eine Leiterschleife oder eine Spule mit N Windungen (ergibt eine höhere Spannung) mit der Winkelgeschwindigkeit ω (=dα/dt) im magnetischen Feld B, so ändert sich der mit der Spule verkettete Fluss r r $ ⋅ sin ωt Φ ( t ) = B ⋅ A = B ⋅ A ⋅ sin α ( t ) = B ⋅ A ⋅ sin ωt = Φ zeitlich nach Betrag und Richtung. Entsprechend ist auch die in der rotierenden Spule induzierte Quellenspannung u0 = N ⋅ dΦ( t ) = ω ⋅ N ⋅ B ⋅ A ⋅ cos ωt = u$0 ⋅ cos ωt dt nicht konstant, sondern eine Wechselspannung. Für ihren Scheitelwert gilt: $ u$0 = ω ⋅ N ⋅ B ⋅ A = ω ⋅ N ⋅ Φ Bei Wechselstromgeneratoren wird die erzeugte Spannung unmittelbar entnommen. Auch bei Gleichstrommaschinen wird bei der Drehung des Ankers in der Spule zunächst eine Wechselspannung erzeugt; mit Hilfe des Kommutators (Stromwender) wird die Wechselspannung in eine "Gleichspannung" umgerichtet. Die Verläufe für den Fluss Φ(t) und die Spannung u0 sind in der Abb.6.1.3 dargestellt. Bei sinusförmigem Flussverlauf erhält man einen cosinusförmigen Spannungsverlauf. Der Fluss Φ(t) und die Spannung u0 zeigen zu verschiedenen Zeiten t ihre Scheitelwerte und Nulldurchgänge. Man sagt, diese beiden Größen haben eine unterschiedliche Phasenlage; sie sind gegeneinander phasenverschoben. Für die Wechselspannung gilt: u0 = u$0 ⋅ cos(ωt ) = u$0 ⋅ sin( ωt + π2 ) Allgemein wird eine sinusförmige Wechselgröße folgendermaßen angegeben: x = x$ ⋅ sin( ωt + ϕ ) Φ(t) u0 π/2 π 3π/2 2π ωt Abb.6.1.3: Erzeugung einer Wechselspannung Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 20/91 - Diese Funktion besitzt zum Zeitpunkt t = 0 den Wert x ( t = 0) = x$ ⋅ sin ϕ und geht um den Nullphasenwinkel ϕ früher als die Sinusfunktion sin(ωt) durch Null. Es ist dabei auf das Vorzeichen des Winkels zu achten. In der Abb.6.1.4 ist z.B. der Nullphasenwinkel der Spannung ϕu = 60° und der des Flusses ϕΦ = -30°. Der Phasenwinkel ist eine gerichtete Größe, die positive und negative Werte annehmen kann und daher mit einem Zählpfeil gekennzeichnet werden muss. Er wird positiv angegeben, wenn seine Pfeilspitze in die positive Winkel-Zählrichtung weist, d.h. man muss den Zählpfeil vom positiven Nulldurchgang aus zur Ordinatenachse richten. Φ(t) T u0 ωt ϕu ϕΦ ϕuΦ =ϕu -ϕΦ ϕΦu=ϕΦ -ϕu Abb.6.1.4: Nullphasenwinkel und Phasenverschiebung Die Phasenverschiebung zwischen zwei Sinusfunktionen f1(t) und f2(t) mit den Phasenwinkeln ϕ1 und ϕ2 wird ebenfalls mit einem Zählpfeil gekennzeichnet. Dabei muss stets angegeben werden, welche der beiden Größen als Bezugsgröße gelten soll. In der Abbildung gilt: Die Spannung u0 eilt gegenüber dem Fluss Φ(t) um den Phasenwinkel ϕuΦ = ϕu - ϕΦ = 60° - (-30°) = 90° = π/2 vor (Richtungspfeil ϕuΦ weist von u0 nach Φ(t)); u0 geht um π/2 früher durch Null als Φ(t). Eine Sinusschwingung wiederholt sich nach Ablauf des Winkels 2π = 360° = ωT. Mit der Kreisfrequenz (Winkelgeschwindigkeit) ω gilt für die Periodendauer: T = 2π / ω Der Kehrwert der Periodendauer heißt Frequenz f: f = 1 / T Einheit: [f] = 1 / s = Hz = Hertz Wichtige Frequenzen bzw. Frequenzbereiche sind z.B. 50/3 Hz = 16 2/3 Hz für Fernbahnen, 50Hz für elektrische Energieversorgungsnetze (60Hz in USA), ferner 0,3kHz bis 3,4kHz pro Sprachkanal in der Fernsprechtechnik, 16Hz bis 20kHz in der Elektroakustik, 100kHz bis 10GHz in der Nachrichtentechnik. Die Kreisfrequenz ω = 2π f = 2π / T unterscheidet sich nur durch den Faktor 2π von der Frequenz f und besitzt die Einheit [ω] = 1 / s (nicht Hz!). Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 21/91 - Beispiel: ˆ ⋅ sin(ωt − π ) . In einer Spule mit N = 30 ändert sich der Fluss nach der Funktion Φ(t ) = Φ 2 $ Es gilt: Φ = 0, 7Vs und f = 50 Hz. Es sind die Periodendauer T und die Zeitfunktion u0 der induzierten Quellenspannung zu bestimmen. T = 1 / f = 1 / 50 Hz = 0,02 s = 20 ms Mit der Kreisfrequenz ω = 2π f = 314 s −1 erhält man: u0 = N ⋅ dΦ (t ) ˆ ⋅ ω ⋅ cos(ωt − π ) = 6,6kV ⋅ sin(314 s −1 ⋅ t ) = N ⋅Φ 2 dt Beispiel: Eine Spule (z.B. Rahmenantenne) hat die Fläche A = 900cm2 und die Windungszahl N=50. Sie wird von einer elektromagnetischen Welle mit dem Scheitelwert der magnetischen Feldstärke H$ = 0,1µA / cm und der Frequenz f = 5 MHz senkrecht und homogen durchsetzt. Wie groß ist der Scheitelwert u$0 der in dieser Antenne induzierten Spannung? Mit der Permeabilität der Luft µ 0 = 1, 256 ⋅ 10 −8 H / cm ergibt sich der Scheitelwert der Induktion: B$ = µ 0 ⋅ H$ = 12, 56 ⋅ 10−12 T Die Feldgrößen von elektromagnetischen Wellen sind verglichen mit den entsprechenden Größen elektrischer Maschinen extrem klein! Der Scheitelwert des Flusses ergibt sich nach: $ = B$ ⋅ A = 1, 13 ⋅ 10 −12 Vs Φ Daher wird mit der Kreisfrequenz ω = 2 π ⋅ f = 31, 4 ⋅ 106 s −1 der Scheitelwert der induzierten Spannung: $ = 1, 77mV u$0 = N ⋅ ω ⋅ Φ Diese Spannung kann in Empfängern der Nachrichtentechnik nach entsprechender Verstärkung ausgenutzt werden. Bei UKW-Antennen tritt nur eine Spannung von wenigen µV auf. Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 22/91 - Da eine Wechselgröße ihren Zeitwert fortlaufend zwischen Null und positivem bzw. negativem Scheitelwert ändert, und die Angabe der Zeitfunktion i.a. kompliziert ist, möchte man die Zeitfunktion durch einen einzigen kennzeichnenden Wert beschreiben. Man könnte z.B. den Scheitelwert der Spannung benutzen, der die größte elektrische Feldstärke und somit elektrische Beanspruchung bestimmt. Der Scheitelwert des Stromes bestimmt ebenfalls die mechanische Beanspruchung, da die magnetischen Kräfte auf stromdurchflossene Leiter linear (Leiter im Magnetfeld) oder quadratisch (Kraft zwischen zwei Leitern) vom Strom abhängt. Bei nichtsinusförmigen Verläufen sagt der Scheitelwert nichts über den Verlauf der Funktion aus. Da der Verlauf aber allein maßgebend ist für die summarischen Wirkungen, z.B. der Energie (Erwärmung), werden Kenngrößen definiert, die die mittleren Wirkungen unabhängig von der Kurvenform wiedergeben. Man unterscheidet allg. für zeitabhängige periodische (auch nichtsinusförmige) Wechselgrößen folgende Kenngrößen (gelten entsprechend für Spannungen). 6.2 Linearer Mittelwert (Arithmetischer Mittelwert) T 1 i = ⋅ ∫ i ⋅ dt T 0 Bei einem reinen Wechselstrom, z.B. i = iˆ ⋅ sin(ωt ) , ergibt die Integration über eine Periode T den Wert Null, da die Flächen der positiven und negativen Halbschwingung gleich groß sind. Der lineare Mittelwert ist für Gleich- und Mischgrößen von Null verschieden. Beispiel: T 1 ˆ iˆ i = ⋅ ∫ i ⋅ sin(ωt ) ⋅ dt = T 0 T 6.3 t =T iˆ 1 ⋅ − ⋅ cos(ωt ) = − ⋅ [cos(ωT ) − cos(0)] = 0 T ⋅ω ω t =0 Gleichrichtwert (Gleichrichtmittelwert) T i = 1 ⋅ i ⋅ dt T ∫0 Einen einseitig gerichteten Ladungstransport erhält man, wenn der Wechselstrom z.B. mit Dioden (Ventilen) gleichgerichtet wird. Weisen z.B. bei einem sinusförmigen Strom beide Halbschwingungen dieselbe Stromrichtung auf (Zweiweg-Gleichrichtung), so wird der Mittelwert über den Betrag des Stromes |i| Gleichrichtwert genannt. Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 23/91 - Beispiel: Gleichrichter-Brückenschaltung In Gleichrichter-Schaltungen ist die Ladungsmenge Q vom Gleichrichtwert des Stromes abhängig. Aufgabe: Bestimmen Sie für einen sinusförmigen Wechselstrom das Verhältnis von Gleichricht- zu Scheitelwert. i 2 Ergebnis: = ≈ 0,637 iˆ π Beispiel: Ein Wechselstrom mit dem Scheitelwert î = 10A fließt durch die Gleichrichter-Brückenschaltung. Welche Ladungsmenge Q wird während der Zeit t = 2h befördert? Es gilt: i = 0,637 ⋅ iˆ = 6,37 A Q = i ⋅ t = 6,37 A ⋅ 2h = 12,74 Ah 6.4 Effektivwert (Quadratischer Mittelwert) T 1 I= ⋅ ∫ i 2 ⋅ dt T 0 Für die meisten Wirkungen des elektrischen Stroms ist die zu dem Verbraucher übertragene elektrische Energie W = U·I·t und daher die Leistung P = U·I = I·R·I maßgebend. Somit ist die Wärmewirkung dem Quadrat des Stroms proportional. Der Effektivwert eines Wechselstroms verursacht die gleiche Wärmewirkung in einem ohmschen Verbraucher wie ein Gleichstrom gleichen Betrags. Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 24/91 - Abb.6.4.1: Effektivwert Aufgabe: Berechnen Sie den Effektivwert eines sinusförmigen Stroms. Ergebnis: I= iˆ 2 ≈ 0,707 ⋅ iˆ Das Ergebnis gilt allg. für sinusförmige Wechselgrößen. 6.5 Scheitelfaktor FS = iˆ I Als Scheitelfaktor bezeichnet man das Verhältnis von Scheitelwert zu Effektivwert. Für sinusförmige Größen gilt: FS = 2 ≈ 1,414 6.6 Formfaktor FF = I i Als Formfaktor bezeichnet man das Verhältnis von Effektivwert zu Gleichrichtwert. Er wird u.a. zur Beurteilung der Kurvenform bei nichtsinusförmigen Wechselgrößen herangezogen. Für sinusförmige Größen gilt: Messtechnik FF = π 2⋅ 2 B09 ≈ 1,11 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 25/91 - 7 Analoge Messgeräte Diese Geräte werden hier nur kurz behandelt. In der Praxis werden diese Geräte nur noch selten eingesetzt. Beschriftung von Messwerken Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 26/91 - 7.1 Drehspulinstrument Drehspule (eine Windung) W = Windungszahl Das elektrische Moment ist im homogenen Magnetfeld (B ist konstant über den gesamten Winkelbereich) unabhängig vom Ausschlagwinkel. Kraft : F = I·W·l·B Drehmoment: MI = 2·F·d/2 = I·W·A·B mit A= Spulenfläche Damit das Moment MI nicht wie beim Gleichstrommotor zu einer dauernden Drehung der Spule führt, wird diese durch eine Feder festgehalten. Das von der Feder ausgeübte Moment nimmt mit dem Ausschlagwinkel α zu. Es gilt für das Direktionsmoment der Feder MD = α·D, wobei D die Drehfederkonstante ist. Der Zeiger stellt sich im stationären Fall so ein, dass MI = MD gilt. Der Dauerausschlag wird daher α = I·W·A·B/D Die Stromempfindlichkeit S ist daher S = α/I = W·A·B/D 7.1.1 Messbereichserweiterung mit Neben- und Vorwiderstand Mit dem Messwerk können nur Ströme und Spannungen in einem engen Bereich gemessen werden (z.B. 100µA bzw. 50mV). Durch Vor- und Nebenwiderstände lassen sich die Messbereiche erweitern. Nebenwiderstand Soll ein Strommesser mit dem Messbereich-Endwert IM und dem inneren Widerstand RM zur Messung des größeren Stromes I = n⋅IM verwendet werden, so schaltet man einen Nebenwiderstand RN parallel, der den Teilstrom IN = I - IM aufnimmt. Es gilt: RN / RM = IM / IN Hiermit und mit IN = I - IM = n ⋅ IM - IM = IM ⋅ (n-1) wird der notwendige Nebenwiderstand: RN = (IM / IN) ⋅ RM = (IM ⋅ RM) / (IM ⋅ (n-1)) = RM / (n-1) Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 27/91 - Bei der Ablesung ergibt sich der insgesamt fließende Strom I dann durch Multiplikation der abgelesenen Stromstärke IM mit dem Faktor n. I IN RN I URN IM A RM Strommesser mit Nebenwiderstand Aufgabe: Ein Strommesser mit dem Messbereich IM = 10mA und dem inneren Widerstand RM = 10Ω soll für die Messung von Strömen bis I = 3A verwendet werden. Wie groß muss der Nebenwiderstand sein? Vorwiderstand Ähnlich wird der Messbereich-Endwert UM eines Spannungsmessers mit dem inneren Widerstand RM zur Messung der höheren Spannung U = n ⋅ UM durch einen Vorwiderstand RV vergrößert, der die Teilspannung UV = U - UM aufnimmt. Es gilt: RV / RM = UV / UM I RV UV UM RM U V Spannungsmesser mit Vorwiderstand Hiermit und mit der Spannung UV = U - UM = n ⋅ UM - UM = UM ⋅ (n-1) wird der notwendige Vorwiderstand: RV = [(UM ⋅ (n-1)) / UM] ⋅ RM = (n-1) ⋅ RM Mit diesem Vorwiderstand ergibt die Ablesung nach Multiplikation mit n die anliegende Spannung. Aufgabe: Mit einem Spannungsmesser mit dem Messbereich UM = 3V und dem inneren Widerstand RM = 1000Ω sollen Spannungen bis U = 150V gemessen werden. Welcher Vorwiderstand RV ist erforderlich? Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 28/91 - 7.2 Dreheisenmessinstrument Man erkennt die Spule, die vom Messstrom durchflossen wird. Im Zentrum der Spule befinden sich zwei Weicheisenplättchen. Eines davon ist am Spulenkörper befestigt, das andere an der Zeigerwelle. Der Messstrom erzeugt ein Magnetfeld welches beide Eisenplättchen gleichsinnig magnetisiert. Dadurch wird das drehbar angeordnete Plättchen abgestoßen - der Zeiger bewegt sich. Aufbau und Wirkungsweise Die Kraft Fa der sich abstoßenden Eisenplättchen ist proportional dem Quadrat der magnetischen Flussdichte B Fa ~ B 2 Damit wird das Ablenkmoment bei einem Radius r zu Ma ~ r· B 2 Da der magnetische Kreis zum größten Teil aus Luft besteht, sind Flussdichte und Strom durch das Messwerk zueinander proportional B ~ ii. Wie beim Drehspulinstrument ist das von der Rückstellfeder ausgeübte Moment proportional dem Ausschlagwinkel α, so dass gilt α ~ ii2 Ist die Frequenz des Messstromes hoch genug (f > 15Hz), so bildet die Massenträgheit des beweglichen Organs den Mittelwert und es verbleibt das Effektivwertquadrat des Stromes T α~ 1 2 ⋅ ∫ ii ⋅ dt = T 0 I 2 i Durch entsprechende Formgebung der Bleche wird erreicht. Messtechnik α ~ Ii B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 29/91 - Der Effektivwert des Stromes wird auch bei nicht sinusförmigem Stromverlauf angezeigt, sofern die Oberschwingungen des Messstromes den Frequenzbereich des Instruments nicht überschreiten (zulässig z.B. 1 kHz) 7.2.1 Spannungsbereichserweiterung Sind Spannungen zu messen, so muss die Impedanz der Feldspule ZS = RS + jωL beachtet werden, da sich bei Messbereichserweiterungen mit Widerständen ein komplexer Spannungsteiler ergibt. Die Erweiterung kann mit einem RC-Glied vorgenommen werden. Es wird dabei versucht, den Spannungsteiler frequenzunabhängig zu machen. Der eingekreiste Teil stellt die Spule des Messwerks dar. Es gilt für den komplexen Widerstand an den Eingangsklemmen: Z = RS + jωL + R C = RS + jωL + R 1 + jωRC Die Aufteilung in Real- und Imaginärteil ergibt: Z = RS + R 1 + (ωRC ) 2 R 2C + jω L − 2 1 + (ωRC ) Durch konstruktive Maßnahmen kann erreicht werden, dass (ωRC ) << 1 wird. 2 Das vorgeschaltete RC-Glied ist so zu bemessen, dass L = R2·C ist. Damit verschwindet der Imaginärteil und der Realteil ist unabhängig von der Frequenz. Z ist nicht mehr komplex und wird Z = Rs + R Der Nachteil dieses Messgerätes ist sein hoher Eigenverbrauch, der zwischen 0,1 und 1 W liegen kann (zum Vergleich Drehspulinstrument: 10-5 W). Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 30/91 - 8 Leistungsmessung Bezüglich der Definition der Leistungskenngrößen wird auf die DIN 40110 verwiesen. Schwerpunktmäßig werden die Benennungen bei sinusförmiger Spannung und nichtsinusförmigem Strom behandelt. 8.1 8.1.1 Theoretische Grundlagen der Leistungsmessung Zusammenfassung wichtiger Kenngrößen Augenblicksleistung: p(t) = u(t) ⋅ i(t) Wirkleistung: P= 1 ⋅ T t +T ∫ p(t ) ⋅ dt t Scheinleistung: S=U⋅I Blindleistung: Q = S 2 − P2 Leistungsfaktor: λ= 8.1.2 P S Sinusförmige Verläufe von Spannung und Strom Es gelte: u (t ) = uˆ ⋅ sin(ω ⋅ t ) Wirkleistung: P= Mit P= und T T 1 uˆ ⋅ iˆ ⋅ ∫ u (t ) ⋅ i (t ) ⋅ dt = ⋅ ∫ sin(ω ⋅ t ) ⋅ sin(ω ⋅ t + ϕ ) ⋅ dt T 0 T 0 sin(α)⋅sin(β) = 0,5⋅[cos(α-β) - cos(α+β)] S=U⋅I Blindleistung: Q = S 2 − P2 = Leistungsfaktor: Messtechnik λ= ergibt sich: T uˆ ⋅ iˆ uˆ ⋅ iˆ ⋅ ∫ cos(ϕ ) − cos(2 ⋅ ω ⋅ t + ϕ ) ⋅ dt = ⋅ cos(ϕ ) = U ⋅ I ⋅ cos(ϕ ) 2 ⋅T 0 2 Scheinleistung: Mit i (t ) = iˆ ⋅ sin(ω ⋅ t + ϕ ) (U ⋅ I )2 − (U ⋅ I )2 ⋅ cos 2 (ϕ ) = U ⋅ I ⋅ sin(ϕ ) sin 2 ( x) + cos 2 ( x) = 1 P = cos(ϕ ) S B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 31/91 - 8.1.3 Sinusförmiger Spannung- und nichtsinusförmige Stromverlauf Es wird vorausgesetzt, dass der Strom periodisch (gleiche Periodendauer wie die Spannung) ist und daher nach einer Fourier-Reihenentwicklung durch eine Summe von Sinusschwingungen dargestellt werden kann. Dieser Fall ist für die Praxis wesentlich, da häufig von näherungsweise sinusförmiger Netzspannung ausgegangen werden kann. Die Ströme sind üblicherweise nichtsinusförmig und periodisch. u (t ) = uˆ ⋅ sin(ω ⋅ t ) Es gelte: ∞ i (t ) = I 0 + ∑ iˆn ⋅ sin(n ⋅ ω ⋅ t + ϕ n ) und n =1 Um die Leistungen ausrechnen zu können, muss zunächst die Orthogonalitätsbeziehung behandelt werden. Es gilt für m, n ∈ N: = 0 für m ≠ n sin( m ⋅ ⋅ t ) ⋅ sin( n ⋅ ⋅ t + ) ⋅ dt ω ω ϕ n ∫0 ≠ 0 für m = n T Unter Beachtung der Orthogonalitätsbeziehung ergibt sich nach der Definitionsgleichung für die Wirkleistung: T [ ] 1 P = ⋅ ∫ u ⋅ sin(ω ⋅ t ) ⋅ I 0 + iˆ1 ⋅ sin(1 ⋅ ω ⋅ t + ϕ1 ) + iˆ2 ⋅ sin(2 ⋅ ω ⋅ t + ϕ 2 ) + ... ⋅ dt = U ⋅ I 1 ⋅ cos(ϕ1 ) T 0 Die Scheinleistung ergibt sich zu: ∞ S = U ⋅ I = U ⋅ I 02 + ∑ I n2 n =1 Die Blindleistung Q = S 2 − P 2 ist eine reine Rechengröße. Sie wird üblicherweise von digitalen Leistungsmessgeräten errechnet. Analog arbeitende Leistungsmesser zeigen aufgrund ihrer Bauart nur die Grundschwingungsblindleistung Q1 an: Q1 = U ⋅ I1 ⋅ sin(ϕ1) Zwischen Blindleistung und Grundschwingungsblindleistung besteht folgender Zusammenhang: ( ) Q = S 2 − P 2 = U 2 ⋅ I 02 + I 12 + I 22 + I 32 + ... − U 2 ⋅ I 12 ⋅ cos 2 (ϕ1 ) ( ) ( ) Q = U 2 ⋅ I 12 1 − cos 2 (ϕ1 ) + U 2 ⋅ I 02 + I 22 + I 32 + ... = Q12 + D 2 D wird als Verzerrungs(blind)leistung bezeichnet und durch die Oberschwingungen (und evtl. dem Gleichanteil) des Stromes erzeugt. Sie ist nicht von den Phasenlagen der Stromoberschwingungen abhängig. Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 32/91 - Für den Leistungsfaktor ergibt sich: λ= P U ⋅ I 1 ⋅ cos(ϕ1 ) I 1 = = ⋅ cos(ϕ1 ) S U ⋅I I Aufgabe 2.1: Der Widerstand R der Schaltung beträgt 20Ω und die sinusförmige Spannung u(t) hat einen Effektivwert von 100V. a) Bestimmen Sie den Strom i(t) durch den Widerstand R sowie sämtliche Leistungen bei geschlossenem Schalter S. b) Bestimmen Sie den Strom I durch den Widerstand R sowie die Leistungen (P, S, Q, D) des Transformators bei geöffnetem Schalter S (ideale Dioden). Aufgabe 2.2: Eine Glühlampe (Nennleistung P=100W) wird über einen Dimmer betrieben. Die Netzspannung UN(t) (U=230V) kann als sinusförmig vorausgesetzt werden. Der Dimmer ist als verlustfreier Schalter zu betrachten, mit dem die Spannung UG(t) an der Glühlampe über den Anschnittwinkel ϑ gesteuert werden kann. a) Berechnen Sie den Effektivwert Iϑ des Stromes i(t) als Funktion des Anschnittwinkels ϑ b) Für den Fall ϑ = 90° (=π/2) ist der Effektivwert I90 des Stromes zu berechnen c) Ermitteln Sie Schein-, Wirk- und Blindleistung der Quelle (Netz) für ϑ = 90° Aufgabe 2.3: Zeigen Sie, dass bei sinusförmiger Spannung und bei nichtsinusförmigem Strom (ohne Gleichanteil) die Blindleistung mit folgender Gleichung ausgedrückt werden kann: Q= Messtechnik (U ⋅ I1 ⋅ sin(ϕ1 ) )2 + U 2 ⋅ (I12 + I 22 + I 32 + ...) = (U ⋅ I1 ⋅ sin(ϕ1 ) )2 + D 2 B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 33/91 - 8.1.4 Nichtsinusförmige Verläufe von Spannung und Strom In diesem Fall lassen sich die Größen nach einer Fourier-Reihenentwicklung durch u (t ) = U 0 + uˆ1 ⋅ sin(1 ⋅ ω ⋅ t + ϕ1u ) + uˆ 2 ⋅ sin(2 ⋅ ω ⋅ t + ϕ 2u ) + uˆ 3 ⋅ sin(3 ⋅ ω ⋅ t + ϕ 3u ) + ... i (t ) = I 0 + iˆ1 ⋅ sin(1 ⋅ ω ⋅ t + ϕ1i ) + iˆ2 ⋅ sin( 2 ⋅ ω ⋅ t + ϕ 2i ) + iˆ3 ⋅ sin(3 ⋅ ω ⋅ t + ϕ 3i ) + ... ausdrücken und die Wirkleistung errechnet sich unter Beachtung der Orthogonalitätsbeziehung zu P = U 0 ⋅ I 0 + U 1 ⋅ I 1 ⋅ cos(ϕ1u − ϕ1i ) + U 2 ⋅ I 2 ⋅ cos(ϕ 2u − ϕ 2i ) + U 3 ⋅ I 3 ⋅ cos(ϕ 3u − ϕ 3i ) + ... Allgemein ergibt sich der Teilleistungsterm Pn, der durch die n-te Oberschwingung aus Strom und Spannung gebildet wird, zu Pn = U n ⋅ I n ⋅ cos(ϕ n ) 8.2 8.2.1 Messgeräte Elektrodynamisches Messinstrument Beim elektrodynamischen Messwerk ist - verglichen mit dem Drehspulmesswerk - der Dauermagnet durch einen Elektromagneten ersetzt. bewegliche Spule, durchflossen von i2, W2 Windungen, Fläche A Die von dem Strom i1 durchflossene feststehende Spule (mit W1 Windungen) erzeugt im Luftspalt mit der Breite a die magnetische Induktion B1(t): B1 (t ) = Messtechnik µ 0 ⋅ W1 B09 a ⋅ i1 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 34/91 - Wird die bewegliche Spule von dem Strom i2 durchflossen, so entsteht ein elektrisches Moment Mel(t): µ ⋅ W ⋅ A ⋅ W2 M el (t ) = B1 ⋅ A ⋅ W2 ⋅ i 2 = 0 1 ⋅ i1 ⋅ i2 a Für das Direktionsmoment mit der Federkonstante D und dem Ausschlagwinkel α gilt: MD(t) = D ⋅ α(t) Der Zeiger stellt sich so ein, dass Mel = MD gilt. Für den Ausschlagwinkel folgt: α (t ) = µ 0 ⋅ A ⋅ W1 ⋅ W2 a⋅D ⋅ i1 ⋅ i2 Wird die Drehspule durch einen vor geschalteten Widerstand Rv zum Spannungspfad, so gilt für den Strom i2 bei einem Spulenwiderstand Ri: i2 = u2 / (Rv + Ri) Der Ausschlagwinkel ist somit direkt proportional zur Augenblicksleistung: α (t ) = µ 0 ⋅ A ⋅ W1 ⋅ W2 a ⋅ D ⋅ ( Rv + Ri ) ⋅ i1 ⋅ u 2 = K ⋅ p(t ) Es sei ωo die Eigenfrequenz des Messwerks, dann können zwei Fälle unterschieden werden: 2⋅ω < ωo: Die Augenblicksleistung p(t) wird angezeigt 2⋅ω > ωo: Durch die Massenträgheit des beweglichen Organs erfolgt eine Mittelwertbildung und die Anzeige der Wirkleistung P nach T α = Messtechnik K ⋅ p(t ) ⋅ dt = K ⋅ P T ∫0 B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 35/91 - 8.2.2 Time Division Multiplikator (TDM) TDM ist ein elektronisches Leistungsmessverfahren. Blockschaltbild TDM Rv = Verbraucherwiderstand Komp. = Komparator Inv. = Inverter Ri = Strommesswiderstand Gs = Sägezahngenerator TP = Mittelwertbildner Die Funktionsweise lässt sich anhand des folgenden Bildes veranschaulichen. Es werden eine Gleichspannung U, ein Gleichstrom I und ein ohmscher Verbraucher Rv angenommen. Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 36/91 - Die Sägezahnspannung Us mit der Periodendauer T wird mit der zum Strom I proportionalen Spannung Ui verglichen. Daraus ergeben sich die Zeiten T1 bzw. T2 = (T – T1). Der Mittelwert der Spannung UM ist dann der Wirkleistung proportional. Es gilt: Ui T1 − T2 = T U S max Der Mittelwertbildner ergibt: UM t1 t2 1 1 = ⋅ ∫ U V ⋅ dt + ∫ − U V ⋅ dt = ⋅ [U V ⋅ T1 − U V ⋅ T2 ] T t 0 t1 T UM = Ui Ri T1 − T2 ⋅UV = ⋅UV = ⋅ PV = K ⋅ PV T U S max U S max Bei Wechselgrößen u(t) und i(t) muss die Frequenz f = 1/T wesentlich größer sein als die höchsten Frequenzanteile der Eingangssignale, die richtig erfasst werden sollen, damit die Änderung der Änderung der Eingangssignale während einer Periode T vernachlässigbar klein bleibt. Zur Messung der Leistung bei der Netzfrequenz fN = 50 Hz wird beispielsweise mit f = 1/T = 5kHz ... 10kHz gearbeitet. Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 37/91 - 9 9.1 Digitalmultimeter (DMM) Auflösung Digitalmultimeter (DMM) werden heute für Spannungs-, Strom- und Widerstandsmessungen mit Auflösungen bis zu 8 ½ Stellen angeboten. Hierbei werden folgende Begriffe verwendet: Auflösung = Messbereich /Anzeigeumfang Hätte beispielsweise ein DMM einen Spannungsbereich von ±10V und 2000 unterscheidbare Stufen (Anzeigeumfang = 2000), so wäre die Auflösung (d.h. die Bedeutung der letzten Stelle) 20V / 2000 = 10mV. Jede Stelle, die nicht von 0 bis 9 variieren kann, wird üblicherweise als "halbe" Stelle bezeichnet. Beispiele für DMMs Anzeigeumfang 1 999 6 000 240 000 190 000 000 9.2 Stellenzahl 3½ 3½ 5½ 8½ Fehlerangaben Verschiedene Angaben sind gebräuchlich: Fehlergrenze = ± (Y% vom Endwert + N·Digits) Fehlergrenze = ± (X% vom Messwert + N·Digits) Fehlergrenze = ± (X% vom Messwert + Y% vom Endwert + N·Digits) Beispiel: Ein DMM hat eine Fehlergrenze im Spannungsmessbereich von ± (0,1% vom Messwert + 6·Digits). Der Anzeigeumfang ist 5000. Es wird die Spannung 4V im 5V-Bereich und im 50VBereich gemessen. Bestimmen Sie die jeweiligen Messfehler. Lösung: Die Auflösung beträgt im 5V-Bereich 5V/5000 = 1mV (= 1·Digit = Bedeutung der kleinsten Stelle) und im 50V-Bereich 50V/5000 = 10mV. Damit ergeben sich die Fehlergrenzen zu FG = ±(0,1 ⋅ 4V / 100 + 6 ⋅ 1 mV) = ±10 mV FG = ±(0,1 ⋅ 4V / 100 + 6 ⋅ 10 mV) = ±64 mV Man erkennt, dass die Angabe der Digits ihre Entsprechung bei der Klassenangabe bei analog anzeigenden Messgeräten hat. Auch bei DMMs muss der Bereich möglichst gut ausgenutzt werden, damit die Messunsicherheit möglichst klein bleibt. Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 38/91 - 9.3 Aufbau und Funktionsweise Blockschaltbild Verstärker/Teiler Meistens haben die DMMs im Spannungsmessbereich einen konstanten Eingangswiderstand von 10MΩ. Die Abbildung zeigt den Eingangsspannungsteiler eines DMMs. Der Eingangsstrom in den Verstärker kann vernachlässigt werden. Effektivwertformer Die Bildung des Effektivwertes erfolgt entsprechend der Definitionsgleichung für den Effektivwert T U= Messtechnik 1 ⋅ ∫ u 2 (t ) ⋅ dt T 0 B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 39/91 - Beispiel: Gegeben sei die nachfolgende Schaltung zur Bestimmung des Effektivwertes. Leiten Sie den Zusammenhang zwischen Ua und ue(t) her. 9.4 Messschaltungen DMMs enthalten zur Widerstandsmessung eine Konstantstromquelle. Es wird bei bekanntem Strom der Spannungsabfall über dem Prüfobjekt ermittelt und daraus der Widerstandswert ermittelt. Zweidrahtmessung RL seien die unvermeidlichen Zuleitungswiderstände. Der Konstantstrom IG fließt sowohl durch das Prüfobjekt Rx als auch durch die Zuleitungswiderstände RL. Die Messspannung UM wird um den Spannungsabfall an den Zuleitungswiderständen zu groß gemessen. Es gilt UM = IG (Rx + 2 RL) Der Widerstand wird um 2 RL zu groß gemessen. Sind relativ kleine Widerstände (mΩ-Bereich) zu messen, so ist die Vierdrahtmethode vorzuziehen. Nicht alle DMMs verfügen über diese Möglichkeit. Vierdrahtmessung Der Konstantstrom IG fließt weiterhin durch Rx und 2 RL. Es ist UM = URx, da die „äußeren“ Spannungsanschlussleitungen stromlos sind und daher an ihnen keine Spannungen abfallen können. Es gilt UM = IG Rx Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 40/91 - 10 Universalzähler Universalzähler zur Frequenz- und Zeitmessung benötigen einen sehr genauen Referenzoszillator, dessen Frequenz zum Vergleich herangezogen wird. Diese Schaltungseinheit wird als Zeitbasis bezeichnet. Sie bestimmt im Wesentlichen die Messunsicherheit. Der Frequenzzähler zählt die Anzahl Nx der Perioden der unbekannten Frequenz fx während einer durch die Zeitbasis festgelegten Zeitspanne To: fx = Nx / To = Nx⋅fo Wird die Zeit To zu 1s, 1ms oder 1µs gewählt, dann gibt Nx die Frequenz in Hz, kHz oder MHz an. Der Zeitintervallzähler zählt die Anzahl Nx der Perioden der Zeitbasisfrequenz fo während der unbekannten Zeitspanne ∆tx: ∆tx = Nx⋅To = Nx / fo Wählt man für die Zeit To Werte wie 1s, 1ms oder 1µs, dann gibt Nx das Zeitintervall entsprechend in s, ms oder µs an. Universalzähler gestatten in der Regel: Frequenzmessung Frequenzverhältnismessung Periodendauermessung Zeitintervall- und Impulsbreitenmessung 10.1 Frequenzmessung Blockschaltbild eines Frequenzzählers Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 41/91 - Die Abbildung zeigt das Blockschaltbild eines Frequenzzählers. Das Frequenzsignal gelangt (nach Verstärkung oder Abschwächung) an einen Pulsformer, der aus dem Eingangssignal eine Pulsfolge bildet. Die Triggerschwelle des Pulsformers ist einstellbar. Dies ermöglicht den Triggerfehler infolge von Störspannungen zu reduzieren. Die Öffnungszeit der Torschaltung wird durch die Zeitbasis festgelegt. Vor dem Öffnen des Tores (Schalter schließen) wird der Zähler zurückgesetzt. Nach dem Schließen des Tores (Schalter öffnen) wird der Zählerstand in den Speicher übernommen und angezeigt. Damit wechselt die Anzeige nur, wenn sich nach einem Messzyklus ein veränderter Zählerstand ergibt. Die Frequenzzählung wiederholt sich periodisch. Die Messbereichsanpassung lässt sich durch Wahl der Zeitbasisfrequenz fa vornehmen. Die Zeitbasisfrequenz fa wird durch Frequenzteilung aus der quarzstabilisierten Generatorfrequenz fr abgeleitet. Die Bestimmungsgleichung für die Frequenzmessung lautet demnach: fx = N / Ta = N ⋅ fa Der relative Fehler der Frequenzmessung ergibt sich aus den Fehlern der Zeitbasisfrequenz fa und dem Zählwert N. Nach den Regeln der Fehlerfortpflanzung bei der Multiplikation ergibt sich der relative Fehler zu: ∆f ∆f X ∆N = ± a + fX N fa Der absolute Zählfehler ∆N kann maximal ±1 betragen. Daraus resultiert der relative Fehler: ∆f ∆f X 1 = ± a + fX N fa Der relative Fehler des quarzstabilisierten Oszillators kann klein gehalten werden (< 1ppm), der relative Zählfehler sinkt mit steigender Zahl N, d.h. mit steigender Frequenz fx. 10.2 Frequenzverhältnismessung Diese Messung lässt sich mit wenigen Änderungen zu der Frequenzmessung realisieren. Statt der Zeitbasisfrequenz fa wird eine externe Vergleichsfrequenz fv eingespeist. Die Messung erfolgt ansonsten wie bei der Frequenzzählung. Es gilt: fx / fv = N 10.3 Periodendauermessung Um die Periodendauer Tx eines Signals zu erfassen, müssen im Vergleich zur Frequenzmessung lediglich die Rollen des Zeitbasissignals fz und des Eingangssignals fx vertauscht werden, d.h. die Torzeit Tx wird vom unbekannten Signal fx mit der Periodendauer Tx bestimmt, während der Zähler die N Perioden der Zeitbasis fz registriert. Es gilt: Tx = N⋅Tz = N / fz Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 42/91 - Blockschaltbild zur Periodendauermessung Der relative Messfehler errechnet sich prinzipiell wie bei der Frequenzmessung: ∆TZ ∆T X 1 = ± + TX N TZ Der Zeitbasisfehler kann klein gehalten werden (< 1ppm), der relative Zählfehler sinkt mit steigendem N, d.h. mit steigender Periodendauer. 10.4 Zeitintervall- und Impulsbreitenmessung Die Torzeit, während der die Impulse der Zeitbasis gezählt werden, wird durch die steigende und fallende Flanke des Eingangssignals bestimmt. Mit der Periodendauer Tz der Zeitbasis ergibt sich aus dem Zählerstand N des Zählers die Impulsbreite: ∆tx = N ⋅ Tz = N / fz In gleicher Weise lassen sich Zeitintervalle messen. Hierbei öffnet ein Startimpuls das Tor und ein Stoppimpuls schließt es wieder. Die Zeit dazwischen wird als Impulszahl N angezeigt. Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 43/91 - Blockschaltbild der Impulsbreitenmessung Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 44/91 - 11 Oszilloskop 11.1 Analogoszilloskop Das Oszilloskop ist ein universelles „Spannungsmessgerät“ zur Analyse dynamischer Signale. Alle Oszilloskope sind in Aufbau und Bedienung vergleichbar. Einsatzmöglichkeiten des Oszilloskops: • • • • Gleichspannungsmessung Wechselspannungsmessung, Zeit-, Phasenmessung, Darstellung von Einzelsignalen X-Y Darstellungen (Lissajous) 11.2 Aufbau und Funktion des Oszilloskops Das Oszilloskop ist ein „Spannungsmessgerät“. Mit seiner Hilfe können Gleichspannungen und zeitabhängige Spannungssignale graphisch dargestellt und ausgewertet werden. Im Einzelnen bietet das Oszilloskop folgende Möglichkeiten: • • • • • bildliche Darstellung von Signalformen Spannungsmessung Zeitmessung Frequenzmessung Phasenmessung Die Darstellung und Auswertung der zu messenden Signale erfolgt auf einem Bildschirm von 10x8 Skalenteilen. Üblich ist die Darstellung des zeitlichen Spannungsverlaufes u(t), d. h. die Spannung u(t) wird vertikal (y - Achse) und die Zeit t horizontal (x - Achse) dargestellt. Das Standardoszilloskop kann zwei Signale u1(t) und u2(t) gleichzeitig abbilden. Dies erlaubt den direkten Vergleich zweier Signale bezüglich ihrer Signalform, Amplitude und Phasenlage. Selten kommt die Möglichkeit zum Einsatz, zwei Signale voneinander abhängig darzustellen. In diesem Fall, dem sog. XY-Betrieb ist u1 = f(u2). Die zu messende Signalform wird bildlich dargestellt. Störungsursachen, wie z.B. Überlagerungen von Störfrequenzen oder anderen Unregelmäßigkeiten des Signals, sind auf dem Bildschirm für das Auge des Betrachters unmittelbar erkennbar. Der Bildschirm des Analogoszilloskops besteht aus einer Mattscheibe, deren beschichtete Rückseite durch einen Elektronenstrahl zum Leuchten angeregt wird. Der Elektronenstrahl wird in der Braunschen Röhre erzeugt und durch zwei Paare von Ablenkplatten in X- und YRichtung ausgelenkt. Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 45/91 - 16 17 S A Y X W 10 Eingang 34 23 Eingang 4 Verstärker 2 27 30 Verstärker 1 24 Vereinfachtes Prinzipschema des Analogoszilloskops An eine Kathode, dem sog. Wehnelt-Zylinder (W), wird eine Gleichspannung von ca. 2000 V angelegt. Die Anode (A) und die Beschichtung des Leuchtschirmes (S) liegen auf Erdpotential. Es kommt zur Elektronenemission vom Wehnelt-Zylinder über die gelochte Anode zum Schirm. Beim Auftreffen des Elektronenstrahles auf die Beschichtung des Schirmes setzt sich die kinetische Energie der Elektronen in Licht und Wärme um, auf dem Schirm erscheint ein Lichtfleck. Die Intensität des Strahls und damit des Leuchtflecks ist von der Spannung am Wehnelt-Zylinder abhängig. Sie kann vom Bediener variiert werden [16]. Zur besseren Fokussierung des Strahles und damit zur Erzeugung eines möglichst scharfen Leuchtfleckes dient die elektrostatische Linse. Auch deren Spannung kann vom Bediener variiert werden, um eine scharfe Abbildung zu erhalten [17]. Vertikale Ablenkung (Y-Achse) des Elektronenstrahls Das zu messende Signal wird an eine Eingangsbuchse [23 oder 34] angeschlossen und über den zugehörigen Verstärker [24 oder 30] an die Y-Ablenkplatten angelegt. Im Bereich der Platten entsteht dadurch ein elektrostatisches Feld, das den Strahl vertikal auslenkt. Ohne weitere Maßnahmen würde eine darzustellende Wechselspannung als Punkt sichtbar, der sich auf und ab bewegt. Bei einer Frequenz über 30 Hz würde man eine senkrechte Linie sehen. Um den zeitlichen Verlauf der Spannung sehen zu können, muss der Elektronenstrahl zusätzlich (zeitabhängig) in x-Richtung bewegt werden. Dazu wird eine geeignete im Gerät erzeugte Sägezahnspannung [10] an die X-Ablenkplatten gelegt, die den Elektronenstrahl periodisch vom linken zum rechten Bildrand führt. Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 46/91 - Horizontale Ablenkung (X-Achse) des Elektronenstrahls Sägezahngenerator Üblicherweise soll eine Spannung als Funktion der Zeit dargestellt werden, d.h. der Leuchtfleck wird gleichförmig in x- Richtung abgelenkt. Diese Anforderung wird erfüllt, indem eine sägezahnförmige Spannung an die X-Ablenkplatten angelegt wird. Bei der Spannung -ÛS zu Beginn der Rampe befindet sich der Leuchtfleck am linken Rand des Bildschirms. Mit steigender Spannung bewegt er sich zum rechten Bildschirmrand, den er erreicht, wenn die Spannung des Sägezahnes gleich +ÛS ist. Mit dem folgenden sehr schnellen Spannungsabfall erreicht der Leuchtfleck wieder den Ausgangsort. Damit der zurückschnellende Lichtfleck die Darstellung nicht stört, wird der Elektronenstrahl während der Rücklaufzeit deaktiviert. Der Sägezahn allein liefert aber noch keine befriedigende Abbildung: Wenn die Frequenz der Sägezahnspannung nicht auf die Frequenz des Eingangssignals abgestimmt ist, wird bei jedem Durchlauf der Rampe ein anderer Abschnitt der Funktion dargestellt. Darstellung einer periodischen Funktion bei Betrieb des Sägezahngenerators ohne Triggerung Es ist also zu fordern, dass die Sägezahn-Funktion stets in demselben Punkt der darzustellenden Funktion beginnt. Nur dann werden die gleichen Abschnitte aufeinander abgebildet und es entsteht ein stehendes Bild des Eingangssignals. Um dies zu erreichen, wird der Sägezahngenerator durch den sog. Trigger gestartet. Triggerung Der Trigger hat die Aufgabe, den Durchlauf des Sägezahngenerators in dem Augenblick zu starten, in dem das Messsignal einen definierten Wert hat. Die erforderlichen Kriterien werden vom Benutzer eingestellt: 1. ein bestimmter Wert der Spannung des Messsignals (Triggerlevel) 2. die steigende oder fallenden Flanke des Messsignals Erfüllt die Spannung am Eingang des Oszilloskops beide Kriterien, dann startet der Trigger den Sägezahngenerator. Dies geschieht für den Bediener unsichtbar mittels eines Rechteckimpulses. Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 47/91 - UE Messsignal: Das darzustellende Signal wird über die Eingangsbuchse [23 oder 34] angeschlossen. Der gewünschte Triggerlevel UTr und die gewünschte Flanke (hier: steigende Flanke) werden eingestellt. Der hinterlegte Bereich der Kurve soll dargestellt werden. UTr UT Triggerausgang: Der Trigger erkennt die Werte des Eingangssignals, die die eingestellten Kriterien (hier: Triggerlevel Utr und Flanke steigend) erfüllen und gibt jeweils einen Rechteckimpuls an den Sägezahngenerator weiter. Sägezahngenerator: Der Sägezahn wird durch den Rechteckimpuls des Triggers ausgelöst. Er startet am Fußpunkt der Rampe, d. h. die Darstellung beginnt am linken Bildschirmrand. US Sägezahnspannung: hohe Ablenkgeschwindigkeit (steile Rampe) US Sägezahnspannung: geringe Ablenkgeschwindigkeit (flache Rampe) Darstellung eines Signals bei verschiedenen Ablenkgeschwindigkeiten. Liegt kein Signal am Oszilloskop an oder findet der Trigger nicht die gesuchten Parameter zum Start des Sägezahngenerators, dann bleibt der Bildschirm dunkel. (Beispiel: Es wird eine Gleichspannung von 1 V angelegt. Der eingestellte Triggerlevel ist 1,5 V. Da das Eingangssignal niemals den Triggerlevel erreicht, wird der Sägezahngenerator nicht gestartet.) Um dennoch eine Darstellung zu erhalten, gibt es eine Automatikfunktion des Triggers: In der Betriebsart „Auto“ wird der Triggerlevel automatisch eingestellt und der Sägezahngenerator gestartet, wenn der Trigger kein verwertbares Signal erkennt. Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 48/91 - Ankopplung des Messsignals Spannungen bestehen oft aus Gleich- und Wechselkomponenten. Das Oszilloskop bietet die Möglichkeit, einen evtl. störenden Gleichanteil aus der Darstellung herauszufiltern. Die Ankopplungsarten (Signal, Signal ohne Gleichanteil, kein Signal) kann durch Einstellung eines Schalters gewählt werden. Kopplungsschalter AC Messsignal DC Eingangsbuchse GND DC GND AC Ein Messsignal wird an den Eingang des Oszilloskops angelegt. Je nach Stellung des Ankopplungsschalters auf Position GND, DC, AC erhält man die entsprechende Abbildung auf dem Schirm. Die Betriebsart GND legt den Eingang des Oszilloskop auf Masse. Das Eingangssignal ist vom Gerät abgekoppelt. Auf diese Weise kann die Position der Nulllinie festgestellt werden. In der Betriebsart DC wird das Signal direkt an den Y-Verstärker angelegt. Es werden Gleichund Wechselspannungsanteile der Eingangsspannung auf dem Bildschirm dargestellt. In der Betriebsart AC wird das Signal mit einem Hochpass gefiltert. Es werden nur die Wechselspannungsanteile der Eingangsspannung sichtbar. Gleichspannungsanteile werden unterdrückt. Dies kann notwendig sein, wenn einer hohen Gleichspannung ein geringer Wechselanteil überlagert ist. Soll nur der Wechselanteil untersucht werden, würde bereits eine geringe Verstärkung dazu führen, dass das Signal nicht mehr auf den Bildschirm passt. Durch die Betriebsart AC wird der (uninteressante) Gleichspannungsanteil unterdrückt und es bleiben die Wechselanteile übrig. Diese oszillieren jetzt um die Nulllinie und können entsprechend verstärkt werden. Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 49/91 - Verstärkung des Messsignals Die Größe der Abbildung auf dem Bildschirm wird durch die Einstellung der Verstärkung [24 und 30] bestimmt. Diese wird vom Benutzer in Stufen eingestellt. Die Einheit der Verstärkerskala ist Volt/DIV. DIV ist die Abkürzung von Division = Teilung, die die Einteilung des Bildschirmes durch Rasterlinien meint. In seltenen Fällen kann eine stufenlose Verstärkung erforderlich sein (Vergleich von Signalformen). Für diese Anwendung kann ein stufenloses Potentiometer entriegelt werden. Die Verstärkung ist nicht mehr kalibriert! Zweikanaldarstellung Das Standard-Oszilloskop kann zwei Signale gleichzeitig darstellen. Aus diesem Grund gibt es zwei Eingangsbuchsen [23] und [34] und zwei Y-Verstärker [25] und [30]. Es handelt sich also um ein Zweikanaloszilloskop. Allerdings gibt es nur einen Elektronenstrahl und nur ein Ablenkplattenpaar für die Y-Darstellung. Um trotzdem zwei Signale abbilden zu können, wird der Elektronenstrahl abwechselnd von beiden Kanälen benutzt. Dafür sind zwei Betriebsarten vorgesehen: Alternate-Betrieb: Die Umschaltung erfolgt immer nach einem vollständigen Durchlauf des Sägezahngenerators. D.h. mit jedem Durchlauf der Rampe des Sägezahngenerators wird nacheinander Kanal 1 und beim folgenden Durchlauf Kanal 2 abgebildet. Bei sehr niedrigen Ablenkgeschwindigkeiten führt diese Betriebsart zu einem sehr unruhigen Bild, da für das menschliche Auge erkennbar wird, dass die Funktionen abwechselnd erscheinen (Abbildungsfrequenz < 25 Hz). Chop-Betrieb: (chop: engl.: zerhacken) Die Darstellung wird sehr schnell zwischen den beiden Kanälen hin und her geschaltet, um bei niedrigen Frequenzen des Eingangssignals ein flackerfreies Bild zu erhalten. Bei sehr hohen Frequenzen führt die Umschaltung zu sichtbaren Störungen der Bildqualität. X-Y Darstellung Neben der Zeitsignaldarstellung kann mit dem Standard-Oszilloskop auch eine X-Y Wiedergabe realisiert werden. Zu diesem Zweck wird die Funktion XY-Ablenkung am Oszilloskop aktiviert. Der Sägezahngenerator ist ausgeschaltet und Kanal 2 des Oszilloskops wird an die XAblenkplatten angelegt. Werden keine Messsignale an die Eingangsbuchsen angelegt, ist nur ein Leuchtfleck zu sehen. Werden an die beiden Eingangskanäle Messsignale gelegt und stehen die Frequenzen zweier harmonischer Schwingungen in einem ganzzahligen Verhältnis zueinander, dann entstehen sog. Lissajous-Figuren. Sie dienen der Frequenz und Phasenanalyse. Darstellung einer Lissajous-Figur (horizontal : U1 = sin(ωt), vertikal : U2 = sin(3 ωt)) Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 50/91 - Speicherfunktion Oszilloskope besitzen oft eine digitale Speicherfunktion. Mit der Store-Taste wird der Speicher eingeschaltet. Die Speicherfunktion verwendet einen Analog-Digital-Umsetzer. Im digitalen Betrieb wird das Eingangssignal in wählbaren Zeitabständen abgetastet. Dabei wird dem Messsignal ein diskreter Wert zugeordnet (Wertquantisierung). 11.3 Tastkopf Beim Anschluss von Messsignalen an Oszilloskope werden meist passive Tastköpfe benutzt. Die Eingangskapazität des Oszilloskops hat eine, für hohe Signalfrequenzen nicht zu vernachlässigende, Eingangskapazität, die die Eingangsimpedanz verringert. Tastköpfe, mit denen auch der Eingangsspannungsbereich erweitert wird, werden als frequenzkompensierter Spannungsteiler realisiert, um eine frequenzunabhängige Spannungsteilung zu gewährleisten. Oszilloskop mit Tastkopf (10:1 Teiler) Für das Übertragungsverhältnis der komplexen Eingangsspannung U1 und der am Oszilloskop anliegenden Spannung U2 ergibt sich folgender Ausdruck 1 + jω R S C S U1 RP = 1+ ⋅ U2 1 + jωRP C comp RS Hierbei soll in CS sowohl die Eingangskapazität des Oszilloskops als auch die Kapazität der Zuleitung enthalten sein. Für den Fall der Gleichheit der beiden Zeitkonstanten RS·CS = RP·Ccomp ist der Spannungsteiler frequenzunabhängig und es gilt U1 R = 1+ P U2 RS Nachstehendes Bild zeigt einen 10:1 Tastkopf, bei dem die Einstellung des Kondensators Ccomp durch Drehung erfolgen kann. Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 51/91 - Tastkopf Die Einstellung (Abgleich) erfolgt mit Hilfe eines im Oszilloskop eingebauten Rechteckgenerators. Der Tastkopf wird verstellt, bis ein optimales Übertragungsverhalten für das Rechtecksignal erreicht wird. Da das periodische Rechtecksignal aus sehr vielen Sinusschwingungen besteht, ist bei einem „guten“ Rechteckübertragungsverhalten von Frequenzunabhängigkeit der Spannungsteilung auszugehen. Lissajous - Figuren Messung erfolgt in XY – Darstellung x - Auslenkung x(t ) = u1 (t ) = uˆ1 ⋅ sin(ωt ) y - Auslenkung y (t ) = u 2 (t ) = uˆ 2 ⋅ sin(ωt + ϕ ) Für t = 0 oder für ω t = n π (n = 0, 1, 2, ...) ist x(t) = 0, d.h. diese Punkte liegen auf der y-Achse. y t =0 = uˆ 2 sin(ϕ ) Messtechnik u n d d am i t ergi b t s i ch d er W i n k el B09 y t =0 ˆ u 2 ϕ = arcsin Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 52/91 - 12 Messbrücken 12.1 Abgleichverfahren Man unterscheidet Gleichstrommessbrücken zur Widerstandsmessung und Wechselstrommessbrücken zur Impedanz-, Frequenz- und Klirrfaktormessung. 12.1.1 Gleichstrommessbrücken Wheatstone-Schaltung Der Abgleich ist gegeben, wenn das Nullinstrument die Spannung „Null“ anzeigt. Dann gilt: U2 = U4 Mit U2 R2 = U R1 + R2 R2 R4 = R1 + R2 R3 + R4 und U4 R4 = U R3 + R4 bzw. R2 ⋅ R3 + R2 ⋅ R4 = R1 ⋅ R4 + R2 ⋅ R4 folgt: R1 R3 = R2 R4 Somit ergibt sich die Abgleichbedingung: Ist ein Widerstand in der Brücke unbekannt (z.B. R1), so kann dieser aus R1 = R2 ⋅ R3 berechnet R4 werden. Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 53/91 - Beispiel: Schleifdrahtbrücke Es handelt sich bei dem Schleifdraht um einen homogenen Draht der Länge l = a + b. Der unbekannte Widerstand sei Rx. Schleifdrahtbrücke Die Abgleichbedingung lautet: R RX a = a = R2 Rb b bzw. R X = R2 ⋅ a l−a Aufgabe: a) Bestimme den maximalen Fehler ±∆Rx und den relativen Fehler ±∆Rx / Rx, falls bei der Schleifdrahtbrücke nur die Länge a einen Fehler aufweist. b) Für welchen Wert von a ist der relative Fehler am kleinsten, falls l=100cm und ±∆a=1cm ist? Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 54/91 - 12.1.2 Wechselstrommessbrücken Bei Wechselstrommessbrücken ist eine Speisung mit einer Wechselspannung erforderlich. Üblicherweise wird eine sinusförmige Spannung mit einer Frequenz von 1 kHz benutzt. Wechselstrommessbrücke Die Brücke ist abgeglichen, wenn das Nullinstrument die Spannung „ Null“ anzeigt. Dann gilt Z1 Z 3 = Z2 Z4 Z1 ⋅ Z 4 = Z 2 ⋅ Z 3 Diese Gleichung lässt sich durch Real- und Imaginärteil oder durch Betrag und Phase darstellen. Real- und Imaginärteil: (R1 + jX1) · (R4 + jX4) = (R2 + jX2) · (R3 + jX3) Gleichheit ist dann gegeben, wenn sowohl Realteil wie auch Imaginärteil gleich sind: R1 · R4 – X1 · X4 = R2 · R3 – X2 · X3 X1 · R4 + R1 · X4 = X2 · R3 + R2 · X3 Betrag und Phase: Z 1 ⋅ Z 4 ⋅ e j (ϕ1+ϕ 4 ) = Z 2 ⋅ Z 3 ⋅ e j (ϕ 2+ϕ 3) Gleichheit ist dann gegeben, wenn sowohl Betrag wie auch Phase gleich sind: Z1 ·Z4 = Z2 ·Z3 ϕ1 + ϕ4 = ϕ2 + ϕ3 Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 55/91 - Kapazitätsmessbrücke nach Wien Gemessen werden R2 und C2. R2 und C2 stellen einen verlustbehafteten Kondensator dar. Kapazitätsmessbrücke nach Wien Im Abgleichfall gilt: R1 ⋅ Mit Z1 = Z2 · R3 = Z1 · R4 1 j ⋅ ω ⋅ C1 1 R1 + j ⋅ ω ⋅ C1 1 j ⋅ ω ⋅ C2 Z2 = 1 R2 + j ⋅ ω ⋅ C2 R2 ⋅ und folgt: 1 1 R4 ⋅ R1 ⋅ j ⋅ ω ⋅ C2 j ⋅ ω ⋅ C1 = 1 1 R2 + R1 + j ⋅ ω ⋅ C2 j ⋅ ω ⋅ C1 R3 ⋅ R2 ⋅ R3 ⋅ R2 C2 R4 ⋅ R1 1 = ⋅ R1 + ⋅ ω ⋅ j C C1 1 1 ⋅ R2 + j ⋅ ω ⋅ C2 C 2 = C1 ⋅ R3 R4 Aus dem Vergleich der Imaginärteile folgt: R2 = R1 ⋅ R4 R3 Aus dem Vergleich der Realteile folgt: Der Abgleich kann durch Änderung von C1 und R1 erfolgen. Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 56/91 - Induktivitätsmessbrücke nach Maxwell Verlustbehaftete Induktivitäten, z.B. Z2, lassen sich mit der abgebildeten Brücke messen. Induktivitätsmessbrücke nach Maxwell Im Abgleichfall gilt: (R2 + j ωL2) R3 = (R1 + j ωL1) R4 Realteilvergleich: R2 · R3 = R1 · R4 R2 = R1 · R4 / R3 Imaginärteilvergleich: L2 · R3 = L1 · R4 L2 = L1 · R4 / R3 Ein Problem bei dieser Brücke ist die Beschaffenheit der Referenzinduktivität L1. Der Verlustwinkel dieser Referenzinduktivität muss kleiner sein als der Verlustwinkel der zu messenden Induktivität Z2, damit die Brücke abgleichbar ist. Eine Verbesserung stellt die Induktivitätsmessbrücke nach Maxwell-Wien dar. Hier ist anstelle einer Normalinduktivität eine Normalkapazität erforderlich, die einfacher herstellbar und präziser ist. Induktivitätsmessbrücke nach Maxwell-Wien Induktivitätsmessbrücke nach Maxwell-Wien Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 57/91 - 1 j ⋅ ω ⋅ C3 = R1 ⋅ R4 Im Abgleichfall gilt: (R2 + j ⋅ ω ⋅ L2 ) ⋅ 1 R3 + j ⋅ ω ⋅ C3 R3 ⋅ bzw. nach einer Umformung: L2 ⋅ R3 R ⋅R R ⋅R + 2 3 = R1 ⋅ R3 ⋅ R4 + 1 4 C3 j ⋅ ω ⋅ C3 j ⋅ ω ⋅ C3 Realteilvergleich: L2 = C3 ·R1 ·R4 Imaginärteilvergleich: R2 = R1 ·R4 / R3 Aufgabe: Gegeben sei eine Wien-Robinson Brücke zur Frequenzmessung Die Brücke ist so dimensioniert, dass gilt: R1 = 2·R2 R3 = R4 = R C3 = C4 = C Leiten Sie unter Benutzung der Abgleichbedingung die Gleichung für die Frequenz her. Wien-Robinson Brücke Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 58/91 - 12.2 Ausschlagverfahren Die Abbildung zeigt eine Wheatstonsche Messbrücke. Die Brücke soll mit der Spannung UB gespeist werden. Dann bilden die Widerstände R1, R2 bzw. R3, R4 jeweils nicht belastete Spannungsteiler. Für die Messspannung UM ergibt sich: R1 R3 U M = U 1 − U 3 = U B ⋅ − R1 + R2 R3 + R4 Sind die Widerstände gleich, so ist die Brücke abgeglichen und es gilt UM = 0V. Dies gilt auch für den Fall R1/R2 = R3/R4. Ändert sich der Widerstand R1 um ∆R1, so ergibt sich eine Änderung der Messspannung nach: R1 + ∆R1 R3 ∆U M = U B ⋅ − R1 + ∆R1 + R2 R3 + R4 Mit der Annahme R1/R2 = 1 und R3/R4 = 1 folgt: R + ∆R1 1 ∆U M = U B ⋅ 1 − = U B 2 ⋅ R1 + ∆R1 2 2 ⋅ R1 + 2 ⋅ ∆R1 − 2 ⋅ R1 − ∆R1 ⋅ 4 ⋅ R1 + 2 ⋅ ∆R1 Wegen 4 R1 >> 2 ∆R1 ergibt sich: ∆R1 ∆U M ≈ U B ⋅ 4 ⋅ R1 Wheatstonsche Messbrücke Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 59/91 - 13 Sensorprinzipien 13.1 Temperaturmessung Im Bereich der physikalischen Messtechnik sind Temperaturen die am häufigsten zu messenden Größen. Insbesondere in der Prozess- und Verfahrenstechnik stellt die Temperaturmessung das "messtechnische Rückrad" dar. Hier sollen die beiden wichtigsten Temperatursensoren Widerstandsthermometer und Thermoelement vorgestellt werden. 13.1.1 Widerstandsthermometer Beim Widerstandsthermometer wird ausgenutzt, dass der elektrische Widerstand R mit steigender Temperatur TM zunimmt (positiver Temperaturkoeffizient, PTC). Der Zusammenhang zwischen der Temperatur und dem Widerstand kann durch ein Polynom höherer Ordnung [ ] R(TM ) = R0 ⋅ 1 + A ⋅ (TM − T0 ) + B ⋅ (TM − T0 ) 2 + C ⋅ (TM − T0 ) 3 + ... beschrieben werden. Ro ist der Nennwiderstand, der für eine bestimmte Temperatur To gültig ist. TM ist die Temperatur des Widerstands und A, B, C... sind materialabhängige Konstanten. Die Terme höherer Ordnung werden je nach Genauigkeit der Messung berücksichtigt. Als Widerstandsmaterial hat sich in der industriellen Messtechnik Platin durchgesetzt. Zu seinen Vorteilen zählen die hohe chemische Beständigkeit, leichte Drahtherstellung und gute Reproduzierbarkeit. Die Eigenschaften sind in der europäischen Norm DIN EN 60 751 vollständig festgelegt, so dass für Platinmesswiderstände eine universelle Austauschbarkeit besteht. Beispielsweise gilt beim Pt100 Ro=100Ω bei To=0°C und der Messbereich erstreckt sich von -200°C bis 850°C. Bei der Festlegung der Grundwertreihe unterscheidet man zwei Temperaturbereiche, -200°C bis 0°C und 0°C bis 850°C. Für den Temperaturbereich von -200°C bis 0°C gilt ein Polynom dritten Grades: [ 2 R(TM ) = R0 ⋅ 1 + A ⋅ TM + B ⋅ TM + C ⋅ (TM − 100°C ) ⋅ TM 3 ] Für den Temperaturbereich von 0°C bis 850°C gilt ein Polynom zweiten Grades: [ R(TM ) = R0 ⋅ 1 + A ⋅ TM + B ⋅ TM Für die Koeffizienten gilt: 2 ] A = 3,9083 ⋅ 10 −3 ⋅ °C −1 B = −5,775 ⋅ 10 −7 ⋅ °C −2 . C = −4,183 ⋅ 10 −12 ⋅ °C −4 Der PT100 ist der am häufigsten eingesetzte Nennwiderstand. Nach der Norm werden auch Nennwiderstände mit 500Ω und 1000Ω angeboten, die eine höhere Empfindlichkeit E aufweisen. Es gilt: PT100: E ≈ 0,4Ω / K PT500: E ≈ 2,0Ω / K PT1000: E ≈ 4,0Ω / K Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 60/91 - Die Gleichungen geben die Abhängigkeit des Widerstands von der Temperatur an und nicht die Ermittlung der Temperatur aus dem gemessenen Widerstand. Für den Temperaturbereich von 0°C bis 850°C lässt sich eine geschlossene Gleichung für die Berechnung der Temperatur angeben: TM = − A ⋅ R0 + ( A ⋅ R0 )2 − 4 ⋅ B ⋅ R0 ⋅ (R0 − RM ) 2 ⋅ B ⋅ R0 Für den Temperaturbereich von -200°C bis 0°C lässt sich keine geschlossene Gleichung für die Berechnung der Temperatur angeben. Es muss ein numerisches Näherungsverfahren angewendet werden, z.B. das Newtonsche Näherungsverfahren. Beginnend mit einem beliebigen Startwert To werden die Iterationswerte nach der folgenden Gleichung berechnet: Ti +1 = Ti − ( ) R(Ti ) − RM R0 ⋅ 1 + A ⋅ Ti + B ⋅ Ti 2 + C ⋅ (Ti − 100°C ) ⋅ Ti 3 − RM = T − i 2 R ' (Ti ) R0 ⋅ A + 2 ⋅ B ⋅ Ti + C ⋅ 3 ⋅ Ti ⋅ (Ti − 100°C ) + Ti 3 ( ( )) Die Temperatur für diesen Bereich lässt sich auch aus der Grundwerttabelle ermitteln; nicht enthaltene Zwischenwerte müssen durch lineare Interpolation berechnet werden. Mit zwei benachbarten Temperatur-/Widerstandspaaren (T1/R1 und T2/R2) ober- bzw. unterhalb des gesuchten Wertes gilt: T −T TM = T1 + 2 1 ⋅ (RM − R1 ) R2 − R1 Für die Bestimmung des Widerstandswertes RM wird ein Konstantstrom I vorgegeben und der Spannungsabfall U am Widerstand ausgewertet. Um eine Erwärmung des Sensors zu vermeiden, muss ein möglichst kleiner Messstrom (üblicherweise I ≤ 1mA) gewählt werden. Folgende Schaltungen sind gebräuchlich. Bei der Zweileitertechnik Abb.5.1.1 speist die Stromquelle den Widerstand und die Spannung U setzt sich aus dem Spannungsabfall am Widerstand und den temperaturabhängigen Zuleitungswiderständen der Anschlusskabel zusammen. Dadurch entsteht ein systematischer Messfehler durch den Spannungsabfall an den Zuleitungen. U = I·(RPT100 + 2·RL) Abb.5.1.1: Zweileitertechnik Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 61/91 - Eine bessere Methode stellt die Dreileitertechnik Abb.5.1.2 dar. Durch Messung der Spannungen U1 und U2 lässt sich der Einfluss der Zuleitungswiderstände eliminieren. Voraussetzung hierfür ist, dass sowohl Hin- als auch Rückleiter gleichlang und von gleichem Material sind und dass sie denselben Temperaturen ausgesetzt sind. U1 = UPT100 + URL U2 = UPT100 + URL/2 UM = 2·U2 – U1 = UPT100 Abb.5.1.2: Dreileitertechnik Die optimale Messmethode ist die Vierleitertechnik Abb.5.1.3. Unter der Voraussetzung, dass die Spannung U stromlos gemessen werden kann, ist sowohl die Spannung am Messwiderstand als auch der Strom durch den Messwiderstand bekannt und damit der Widerstand bestimmbar. U = I·RPT100 Abb.5.1.3: Vierleitertechnik Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 62/91 - Die wichtige Kenngröße „Empfindlichkeit E“ ist die Widerstandsänderung ∆R bezogen auf die zugehörige Temperaturänderung ∆T. Beim Pt100 beträgt die Empfindlichkeit ca. 0,4Ω/K, wodurch sich bei einem Konstantstrom von I = 1mA eine Spannungsänderung pro Kelvin von etwa ∆U/K = 400µV/K ergibt. In der DIN EN 60 751 sind die Toleranzklassen angegeben. Die Toleranz in der Einheit Kelvin ergibt sich bei Einsetzen des Zahlenwertes der Widerstandstemperatur TM in °C nach: Klasse AA: Klasse A: Klasse B: Klasse C: ∆T = ±(0,10 + 0,0017 · |TM|) ∆T = ±(0,15 + 0,002 · |TM|) ∆T = ±(0,30 + 0,005 · |TM|) ∆T = ±(0,60 + 0,01 · |TM|) mit mit mit mit TM = -70°C bis 250°C TM = -200°C bis 650°C TM = -200°C bis 850°C TM = -200°C bis 850°C Die Klassen AA und A gelten nur für Drei- und Vierleitertechnik. Beispiel: Mit einem Pt100 Widerstandsthermometer der Klasse A wurde eine Temperatur von TM = -80°C gemessen. Damit ergibt sich die maximale Messunsicherheit (ohne Fehler des Messgerätes) zu ∆T = ±(0,15 + 0,002 ⋅ |-80|) = ±0,31 K, so dass das Messergebnis aufgrund der Sensorunsicherheit TM = (-80 ± 0,31)°C lautet. 13.1.2 Thermoelement Verbindet man zwei unterschiedliche elektrische Leiter aus den Materialien A und B und setzt diese einer Temperaturdifferenz aus, so wird eine sog. Thermospannung erzeugt (Abb.5.1.4). Der ursächliche physikalische Effekt wird Seebeck-Effekt genannt. Je nach verwendeten Materialien und den Temperaturen der Messstelle und Vergleichsstelle ergeben sich Thermospannungen, die üblicherweise im mV-Bereich liegen und in erster Näherung der Temperaturdifferenz zwischen Mess- und Vergleichstemperatur proportional ist. Abb.5.1.4: Thermoelement Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 63/91 - UthA = KA (Θ1 – Θ2) UthB = KB (Θ1 – Θ2) UAB = (KA - KB ) (Θ1 – Θ2) = KAB (Θ1 – Θ2) Mit Seebeck-Koeffizient Material A: Seebeck-Koeffizient Material B: Seebeck-Koeffizient Thermoelement: KA KB KAB = 1µV/K … 100µV/K Messstellentemperatur: Vergleichsstellentemperatur: Θ1 Θ2 Das thermoelektrische Verfahren ist nur für die Messung von Temperaturdifferenzen geeignet. Die Tab.5.1.1 zeigt die Thermospannung einiger Metalle für die Messstellentemperatur 100°C bezogen auf Platin als Messleitung und der Vergleichsstellentemperatur (Referenztemperatur) von 0°C. Material Konstantan Nickel Paladium Platin Kupfer Manganin Eisen Silizium Thermospannung Uth in mV/100K -3,40 -1,90 -0,28 0,00 +0,75 +0,60 +1,88 +44,80 Tab.5.1.1: Thermoelektrische Spannungsreihe für 0°C und 100°C Der Messkreis Abb.5.1.5 bestehe aus dem Thermoelement mit den Materialien A und B sowie der Messleitung aus dem Material C (z.B. Cu). Die Thermospannung Uth wird mit einem hochohmigen Messinstrument gemessen. Die Temperaturen der Vergleichssstellen ΘV1 und ΘV2 beeinflussen die Thermospannung. Die Messstellentemperatur sei ΘM. Abb.5.1.5: Thermoelement A-B mit Anschlussleitung C Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 64/91 - Für die Vergleichsstellentemperatur gilt: ΘV = ΘV1 = ΘV2 Durch die Thermoelektrische Spannungsreihe sind die Seebeck-Koeffizienten KA, KB und KC der Materialien A, B und C gegen Platin gegeben. Die Thermospannung Uth berechnet sich aus der Summe der vier Teilspannungen Uth1, Uth2, Uth3 und Uth4: Uth = Uth1 + Uth2 + Uth3 + Uth4 Mit Uth1 = KC ⋅ (ΘV – Θ0) Uth2 = KA ⋅ (ΘM – ΘV) Uth3 = KB ⋅ (ΘV – ΘM) Uth4 = KC ⋅ (Θ0 – ΘV) ergibt sich: Uth = (KA - KB ) (ΘM – ΘV) = KAB (ΘM – ΘV) Die entstehende Thermospannung hängt von der Temperaturdifferenz zwischen Messstelle und Vergleichsstelle ab! Die Übergänge (Anschlussstelle = Vergleichsstelle) zum Material C (z.B. Kupferleitungen) müssen auf gleicher und bekannter Temperatur Θv gehalten werden. Die folgenden Thermoelemente sind hinsichtlich der Thermospannung und deren Toleranzen weltweit (IEC), europäisch (EN) und national (DIN) genormt. Element Typ Fe-CuNi (EisenKonstantan) J MaximalTemp. °C 750 Cu-CuNi (KupferKonstantan) T 350 NiCr-Ni (NickelchromNickel) K NiCrSi-NiSi (NicrosilNisil) NiCr-CuNi (NickelchromKonstantan) definiert bis °C 1200 Grenzabweichungen Klasse 1 Klasse 2 Klasse 3 -40...750°C: ±0,004 T -40...750°C: ±0,0075 T - oder ± 1,5°C oder ± 2,5°C - 400 Klasse 1 Klasse 2 Klasse 3 -40...350°C: ±0,004 T -40...350°C: ±0,0075 T -200...40°C: ±0,015 T oder ± 0,5°C oder ± 1,0°C oder ± 1,0°C 1200 1370 Klasse 1 Klasse 2 Klasse 3 -40...1000°C: ±0,004 T -40...1200°C: ±0,0075 T -200...40°C: ±0,015 T oder ± 1,5°C oder ± 2,5°C oder ± 2,5°C N 1200 1300 E 900 1000 Klasse 1 Klasse 2 Klasse 3 Pt10Rh-Pt (PlatinRhodiumPlatin) S 1600 1540 Klasse 1 Pt13Rh-Pt (PlatinRhodiumPlatin) Pt30Rh-Pt6Rh (PlatinRhodiumPlatinRhodium) R 1600 1760 B 1700 1820 Tab.5.1.2: Messtechnik wie bei Typ K -40...800°C: ±0,004 T -40...900°C: ±0,0075 T -200...40°C: ±0,015 T oder ± 1,5°C oder ± 2,5°C oder ± 2,5°C 0...1600°C: ±[1+(T-1100°C)0,003] oder ± 1,0°C Klasse 2 -40...1600°C: ±0,0025 T oder ± 1,5°C Klasse 3 wie bei Typ S Klasse 1 Klasse 2 Klasse 3 600...1700°C: 600...1700°C: - ±0,0025 T oder ± 1,5°C ±0,005 T oder ± 4,0°C - Thermoelemente mit Temperaturbereiche und Grenzabweichungen nach DIN IEC 584 bzw. DIN EN 60584 B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 65/91 - Fe-CuNi (EisenKonstantan) Cu-CuNi (KupferKonstantan) Tab.5.1.3: L 900 900 0...900°C: ±0,0075 T ± 3,0°C U 600 600 0...600°C: ±0,0075 T ± 3,0°C Thermoelemente mit Temperaturbereiche und Grenzabweichungen nach DIN 43710 (nicht mehr gültig) In Tab.5.1.2 und Tab.5.1.3 sind Thermoelemente mit Messbereichen und Fehlerklassen angegeben. Es gelten jeweils die größeren Toleranzwerte. Die Thermoelemente Typ "L" und "U" sind in der alten Norm DIN 43710 angegeben und treten gegenüber den Typen „J“ und „T“ nach DIN EN 60584 in den Hintergrund. Die jeweiligen Elemente sind aufgrund unterschiedlicher Legierungen nicht kompatibel. Die Maximaltemperatur ist diejenige Temperatur, bis zu der eine Grenzabweichung festgelegt ist. Mit "definiert bis" ist die Temperatur gemeint, bis zu der die Thermospannung genormt ist. Die Empfindlichkeit von Thermoelementen ist i. Allg. geringer als die von Widerstandsthermometern. Beispielsweise beträgt die Empfindlichkeit eines Thermoelements vom Typ K etwa 40µV/K und damit nur 10% des Pt100-Wertes. Bei Thermoelementen, die für hohe Temperaturen geeignet sind (z.B. Typ S oder B), ist die Empfindlichkeit noch wesentlich geringer. Die Überbrückung größerer Entfernungen zwischen Messstelle und Messgerät wird mit sog. Ausgleichsleitungen realisiert. Diese Leitungen bestehen aus denselben Materialien wie die Schenkel des Thermoelements bzw. aus Materialien mit den gleichen thermoelektrischen Eigenschaften, so dass die Temperatur der Anschlussstelle keinen Einfluss auf das Messergebnis hat. Bekannt sein muss die Temperatur Θv der Vergleichsstelle, die sich üblicherweise direkt am Messgerät befindet. Die Temperatur Θv wird häufig mit Widerstandsthermometern erfasst. Abb.5.1.6: Thermoelement mit Ausgleichsleitungen Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 66/91 - Tab.5.1.4 zeigt die farbliche Kennzeichnung der Anschlussleitungen nach IEC 584. Thermoelement Fe-CuNi „J“ Cu-CuNi „T“ NiCr-Ni „K“ NiCr-CuNi „E“ NiCrSi-NiSi „N“ Pt10Rh-Pt „S“ Pt13Rh-Pt „R“ Pt30Rh-Pt6Rh „B“ Max.-Temperatur 750°C 350°C 1200°C 900°C 1200°C 1600°C 1600°C 1700°C Definiert bis 1200°C 400°C 1370°C 1000°C 1300°C 1540°C 1760°C 1820°C Plus-Schenkel Schwarz Braun Grün Violett Rosa Orange Orange Grau Minus-Schenkel Weiß Weiß Weiß Weiß Weiß Weiß Weiß Weiß Tab.5.1.4: Farbliche Kennzeichnung der Anschlussleitungen von Thermoelementen Aufbau von Thermoelementen Es gibt folgende Arten: Ungeschützt: Thermoelement ist ungeschützt, geringe thermische Trägheit, alle elektromagnetischen und umweltbedingten Störungen werden in das Messsystem eingeleitet. Mantelthermoelement geschützt: aber unisoliert, entsprechend der Eigenschaften des Mantelmaterials guter Umweltschutz des Thermoelementes, thermisch träger als ungeschütztes Thermoelement. Mantelthermoelement geschützt und isoliert: zusätzlich gegen Potentialunterschiede zwischen Messstelle und Messgerät geschützt. Aufbau eines industriellen Thermoelementes / Einsatz typisch in der Verfahrenstechnik Mantelrohrmaterialien: Metallisch bis 1150 °C und keramisch bis 1650 °C Typische Einbaufehler • Thermoelement taucht nicht ausreichend in das Messobjekt ein, es besteht keine innige Kontaktierung • Falsche Auswahl der Ausgleichsleitung • Falscher Anschluss der Werkstoffpaarungen • Zuleitung unterbrochen Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 67/91 - 13.2 Kraftmessung Zur Messung dieser physikalischen Größe sind Messungen mit Dehnungsmessstreifen (DMS) in Messbrücken und mit piezoelektrischen Aufnehmern üblich. 13.2.1 Dehnungsmessstreifen (DMS) Zunächst wird kurz auf die Wheatstonsche Messbrücke (Abb.5.2.1) eingegangen. Die Brücke soll mit der Spannung UB gespeist werden. Dann bilden die Widerstände R1, R2 bzw. R3, R4 jeweils nicht belastete Spannungsteiler. Abb.5.2.1: Wheatstonsche Brücke Für die Messspannung UM ergibt sich: R1 R3 U M = U 1 − U 3 = U B ⋅ − R1 + R2 R3 + R4 Sind die Widerstände gleich, so ist die Brücke abgeglichen und es gilt UM = 0V. Dies gilt auch für den Fall R1/R2 = R3/R4. Ändert sich der Widerstand R1 um ∆R1, so ergibt sich eine Änderung der Messspannung nach: R1 + ∆R1 R3 − ∆U M = U B ⋅ R1 + ∆R1 + R2 R3 + R4 Mit der Annahme R1/R2 = 1 und R3/R4 = 1 folgt: R + ∆R1 1 ∆U M = U B ⋅ 1 − = U B 2 ⋅ R1 + ∆R1 2 2 ⋅ R1 + 2 ⋅ ∆R1 − 2 ⋅ R1 − ∆R1 ⋅ 4 ⋅ R1 + 2 ⋅ ∆R1 Da i. Allg. 4 R1 >> 2 ∆R1 gilt, ergibt sich: ∆R1 ∆U M ≈ U B ⋅ 4 ⋅ R1 Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 68/91 - In der DMS-Technik kann von gleichen Widerständen (120Ω, 350Ω,...,1000Ω) ausgegangen werden und die Widerstandsänderungen sind relativ klein. Der DMS wird durch seinen kFaktor beschrieben. Dieser setzt die relative Widerstandsänderung zur relativen Längenänderung des DMS ins Verhältnis: ∆R k= ∆l R ∆R ∆l =k⋅ = k ⋅ε R l bzw. l mit ε = Dehnung Bei metallischen DMS ist der k-Faktor ca. 2 und aus den DMS-Datenblättern zu entnehmen. Damit kann die Spannungsänderung der Brückendiagonalen nach ∆U M ≈ UB ⋅ k ⋅ε 4 berechnet werden. Beispiel: An einem 70 cm langen Stab aus Gussstahl mit einem Querschnitt von 10 cm2 soll eine Kraft von 100 kN angreifen. Die zugehörige Normalspannung σ (mechanische Spannung) ist definiert als das Verhältnis von Kraft zu Fläche. σ= F 10 5 N N = −3 2 = 10 8 2 A 10 m m Nach dem Hookeschen Gesetz sind mechanische Spannung σ und Dehnung ε proportional über den Faktor E verbunden. Dieser Faktor wird als Elastizitätsmodul bezeichnet. Der Elastizitätsmodul für Gussstahl ist 2⋅1011 N/m2, so dass sich eine Dehnung ergibt von ε= σ E = 10 8 N m 2 = 5 ⋅ 10 − 4 = 500 ⋅ 10 −6 = 500 µm m 2 ⋅ 1011 N 2 m Wegen der angreifenden Kraft wird der Stahlstab um ∆l länger ∆l = ε ⋅ l = 5 ⋅ 10 −4 ⋅ 70cm = 0,35mm Es ergibt sich mit k = 2 und UB = 5V für eine Viertelbrücke: ∆U M = UB ⋅ k ⋅ ε = 1,25mV 4 Beim praktischen Einsatz wird ∆UM verstärkt. Bei einem Verstärkungsfaktor von 2000 ergibt sich eine Verstärkerausgangsspannung von 2,5V. Beim Messsystem ist üblicherweise der Proportionalitätsfaktor zwischen Kraft und erzeugter mechanischer Spannung anzugeben, damit die Anzeige in den Kurvenfenstern in N erfolgen kann. In diesem Beispiel ist also 100kN/2,5V=40kN/V als Faktor der Messkette anzugeben. Der Messbereich beträgt bei einem 10V-Eingangsbereich des Messsystems 400 kN. Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 69/91 - Alternativ ist die Brückenausgangsspannung je Volt Brückenversorgungsspannung anzugeben. In diesem Fall ist die Brückenempfindlichkeit ∆UM/UB = 1,25mV / 5V = 0,25 mV/V. Das bedeutet, dass sich je Volt Versorgungsspannung bei 100 kN eine Brückenausgangsspannung von 0,25 mV ergibt. Der Messeffekt kann weiter verstärkt werden, falls zusätzliche DMS (Halboder Vollbrücke) für die Messung verwendet werden. Kalibrierung von DMS-Schaltungen Die Messkette „DMS – Brückenschaltung – Verstärker“ wandelt die nichtelektrische Messgröße Dehnung in eine elektrische Spannung um. Zwischen den beiden Größen besteht folgender Zusammenhang: Dehnung = Kalibrierfaktor ⋅ gemessene elektrische Spannung Die quantitative Zuordnung zwischen Ausgang und Eingang der Messkette wird somit durch den Kalibrierfaktor hergestellt, der sich aus einem Kalibriervorgang ergibt: Kalibrierfaktor = gemessene Ausgangsspannung / bekannte, vorgegebene Dehnung In der DMS-Technik ist eine direkte Art der Kalibrierung nicht möglich, da sich eine Dehnung als Referenzwert für die Bestimmung des Kalibrierfaktors nur sehr schwer erzeugen lässt. Stattdessen finden andere Verfahren Anwendung: • • • Kalibrieren mit einem vom Messverstärker gelieferten Signal Kalibrieren mit einem Kalibriergerät direkte Nebenschlusskalibrierung Verstärkereigenes Kalibriersignal Einige Messverstärker enthalten Einrichtungen, mit denen ein definiertes Signal in den Messkreis eingespeist werden kann. Der Betrag des Kalibriersignals kann entweder im Dehnungsmaß µm/m oder in Brückenverstimmung mV/V angegeben sein. Da die Einspeisung erst am Verstärkereingang erfolgt, bezieht sich der gewonnene Kalibrierfaktor nicht auf die gesamte Messkette, sondern nur auf den Verstärkerteil ohne DMS und Zuleitungen. Kalibriergerät Um bei der Kalibrierung den Einfluss der Zuleitungen von der Messstelle zur Brücke zu erfassen, den die erste Kalibrierart unberücksichtigt lässt, kann man anstelle des DMS ein im Handel erhältliches Kalibriergerät (z.B. von der Fa. HBM, Abb.5.2.2) in die Messkette einfügen. Derartige Geräte simulieren Dehnungsänderungen durch Widerstandsänderungen. Sie sind auf Standard-Widerstandswerte (z.B. 120Ω) festgelegt und erlauben die Vorgabe einzelner Stufen durch einfaches Umschalten. Eine Messreihe, bei der zu vorgewählten Widerstandsänderungen (also Schalterstellungen) die zugehörigen Verstärkerausgangsspannungen registriert werden, liefert hier die Basis zur Bestimmung des Kalibrierfaktors, beispielsweise mittels linearer Regression. Dieser ist eventuell noch zu korrigieren, wenn nämlich der k-Faktor des DMS nicht mit dem des Kalibriergerätes von k = 2,00 übereinstimmt. Nach der Kalibrierung wird das Gerät aus der Messkette entfernt und der DMS angeschlossen. Messtechnik B09 28 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 70/91 - Abb.5.2.2: Beispiel eines DMS-Kalibrators für 120Ω und 350Ω DMS Nebenschlusskalibrierung Auch diese Kalibrierung arbeitet mit Widerstandsänderungen zur Simulation von Dehnungen. Sie erfolgt aber direkt am DMS durch Parallelschalten von bekannten Widerständen entsprechend der Gleichung ∆R1 ∆U M = U B ⋅ 4 ⋅ R1 Hierin stellt ∆R1 die Widerstandsänderung dar, die sich durch Parallelschalten des Widerstands Rs mit R1 ergibt. Es gilt R ⋅R ∆R1 = 1 S − R1 R1 + RS Damit wird die Dehnung 1 ∆R 1 RS ε= ⋅ = ⋅ − 1 k R k R1 + RS Für R1 = 120Ω, Rs = 220kΩ, k = 2 ergibt sich eine Dehnung ε = -268,55 µm/m. Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 71/91 - 13.3 Messung der magnetischen Flussdichte 13.3.1 Hallgenerator Bringt man senkrecht zur Stromrichtung bei einem vom Strom I durchflossenen Halbleiterblättchen zwei Elektroden an und lässt senkrecht dazu ein Magnetfeld B einwirken, so entsteht an den Elektroden eine Spannung b b 0 0 U H = ∫ E ⋅ ds = ∫ v ⋅ B ⋅ ds = RH ⋅ I ⋅B d RH : Hallkonstante d : Blättchendicke Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 72/91 - 13.3.2 Feldplatte Ein dünnes Blättchen aus Halbleitermaterial wird von einem Strom I durchflossen und senkrecht dazu von einem Magnetfeld B durchsetzt. Auf die Ladungsträger wird die Lorentzkraft ausgeübt (Betrag) F=evB Damit werden die Bahnen der Ladungsträger im Halbleiter verlängert und eine Widerstandsänderung erzeugt. Es gilt die Näherung R = R0 + a ⋅ B 2 Ro : Grundwiderstand a : Werstoffkonstante bzw. ∆R 2 ⋅ a ⋅ B 2 ∆B = ⋅ R R0 + a ⋅ B 2 B Der Widerstand ändert sich nichtlinear in Abhängigkeit der Flussdichte. Problematisch ist die Temperaturabhängigkeit des Materials Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 73/91 - 14 Anhang 14.1 Komplexe Rechnung In der komplexen Ebene werde ein Zeiger r als komplexe Zahl in Komponentenform eingetragen: r=a+jb Dies entspricht der Angabe von rechtwinkligen (kartesischen) Koordinaten a und b. Die positive reelle Achse wird nach rechts und die positive imaginäre Achse nach oben gezeichnet. In der Elektrotechnik wird die imaginäre Einheit mit dem Operator j = − 1 belegt. Die Komponentenform stellt die komplexe Summe von Realteil a = Re(r) und Imaginärteil b = Im(r) dar, wobei die Komponenten a und b jeweils positive und negative Zahlenwerte annehmen können. Komplexe Zahl Die Differenz r* = a – j b wird als konjugiert komplex bezeichnet. Die Unterstreichung des Formelzeichens wird zur Kennzeichnung einer komplexen Größe beibehalten. Neben den Komponenten a und b ist eine komplexe Zahl durch ihren Betrag r = |r| und ihren Winkel α bestimmt. Dies entspricht der Angabe von Polarkoordinaten. Für die polare Form r = a + j b = r cosα + j r sinα = r (cosα + j sinα) Betrag: r = r = a2 + b2 Winkel: α = arctan folgt: b a Mit der Euler-Gleichung e jα = cos α + j ⋅ sin α folgt die Exponentialform: r = r ⋅ e j⋅α = r∠α Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 74/91 * Der konjugiert komplexe Zeiger r = r ⋅ e j⋅α * = r∠α * hat auch den Betrag r, jedoch beim Phasenwinkel α* = - α das entgegen gesetzte Vorzeichen. Der Winkelfaktor ∠α für häufig vorkommende Winkel: α =0 e j ⋅0 = 1 α = +π 2 e α = −π 2 + j ⋅ π2 π e α = ±π e = j − j⋅ 2 =−j ± j ⋅π = −1 Der Vorsatz + j bedeutet eine Drehung um + π/2 = + 90°, der Vorsatz – j die Drehung um - π/2 = - 90° und das Minuszeichen eine Drehung um ± π = ± 180°. Für die Addition und Subtraktion von Zeigern benutzt man die Komponentenform und bei den übrigen Rechenoperationen vorzugsweise die Exponentialform. Es gilt für: r1 = a1 + j b1 und r2 = a2 + j b2 Addition: r1 + r2 = (a1 + j b1) + (a2 + j b2) = (a1 + a2) + j (b1 + b2) Subtraktion: r1 - r2 = (a1 + j b1) - (a2 + j b2) = (a1 - a2) + j (b1 - b2) Es gilt für: r 1 = r1 ⋅ e jα 1 = r1 ⋅ ∠α 1 Multiplikation: r 1 ⋅ r 2 = r1 ⋅ e jα 1 ⋅ r2 e jα 2 = r1 ⋅ r2 ⋅ e j (α 1+α 2) = r1 ⋅ r2 ⋅ ∠(α 1 + α 2 ) Division: r 1 r1 ⋅ e jα 1 r1 j (α 1−α 2) r1 = = ⋅e = ⋅ ∠(α 1 − α 2 ) r2 r2 r2 r2 e jα 2 und r 2 = r2 ⋅ e jα 2 = r2 ⋅ ∠α 2 Da das Produkt einer komplexen Zahl r3 = (c + j d) mit ihrem konjugiert komplexen Wert * r3* = (c – j d) stets eine reelle Zahl ergibt: r 3 ⋅ r 3 = (c + jd ) ⋅ (c − jd ) = (c 2 + d 2 ) , kann man den Nenner eines Bruches durch Erweitern mit dem konjugiert komplexen Wert zu einer reellen Zahl ergänzen. Anwendung bei der Division in Komponentenform: r= a + jb (a + jb ) ⋅ (c − jd ) (ac + bd ) + j (bc − ad ) = = = e+ j⋅ f c + jd (c + jd ) ⋅ (c − jd ) c2 + d 2 mit ac + bd c2 + d 2 bc − ad f = 2 c +d2 e= Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 75/91 - Es gilt für: r = r ⋅ e jα = r ⋅ ∠α n-te Potenz: r = r ⋅ e jα n-te Wurzel: n Beachte: n ( r = n r ⋅e ) n j αn = r n ⋅ e jnα = r n ⋅ ∠n ⋅ α = n r ⋅ ∠(αn ) Es gibt nur eine Potenz aber n verschiedene Wurzeln! Es gilt für: r = r ⋅ e jα = r ⋅ ∠α Differentiation: d r d r ⋅ e jα = = r ⋅ j ⋅ e jα = j ⋅ r = r ⋅ ∠(α + π2 ) dα dα Integration: ∫ r ⋅ dα = ∫ r ⋅ e ( ) jα ⋅ dα = r ⋅ 1j ⋅ e jα = 1j ⋅ r = − j ⋅ r = r ⋅ ∠(α − π2 ) Beachte: Differentiation entspricht einer Multiplikation des Zeigers mit j bzw. einer Drehung um + π/2 Integration entspricht einer Multiplikation des Zeigers mit - j bzw. einer Drehung um - π/2 Aufgabe: r1 = 6 + j 8 und r2 = 10 – j 15 Berechnen Sie: Reziprokwerte, Summe, Differenzen, Produkt, Quotienten, Quadratwurzel jeweils in Komponenten- und Exponentialform Ergebnisse: Messtechnik 1/r1 = 0,0602 – j 0,0799 1/r2 = 0,0307 + j 0,0461 r1 + r2 = 16 – j 7 r1 – r2 = - 4 + j 23 r2 – r1 = 4 – j 23 r1 ⋅ r2 = 180 – j 10,4 r1/r2 = - 0,183 + j 0,522 r2/r1 = - 0,597 – j 1,700 √r1 = ± 3,17 ∠26,5° √r2 = ± 4,25 ∠-28,15° B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 76/91 - 14.2 Zeigerdarstellung harmonischer Größen Der Zeitverlauf einer harmonischen Größe kann durch die Gleichung (1) beschrieben werden. u (t ) = uˆ ⋅ cos(ω ⋅ t + ϕ u ) (1) Bei der Berechnung elektrischer Schaltungen führt diese trigonometrische Darstellung zu sehr aufwendigen Rechnungen. Eine einfache Methode der Berechnung elektrischer Schaltungen ergibt sich, wenn die harmonischen Größen durch komplexe Zahlen dargestellt werden. Voraussetzung dafür ist, dass die eingeprägten Spannungen und Ströme harmonische Größen einer Frequenz sind und dass das Netzwerk nur aus ohmschen Widerständen, idealen Spulen und idealen Kondensatoren besteht und sich im stationären Zustand befindet. 1 ⋅ e jϕ + e − jϕ 2 1 sin ϕ = ⋅ e jϕ − e − jϕ 2j ( cos ϕ = Bekanntlich gilt: ) ( (2) ) Damit lässt sich die Zeitabhängigkeit in der Gleichung (1) auch schreiben: u (t ) = uˆ ⋅ 2 [e j (ωt +ϕ u ) ] = U2 ⋅ [e − j (ωt +ϕ u ) +e j (ωt +ϕ u ) − j (ωt +ϕ u ) +e ] (3) Der Ausdruck U ⋅ e j (ωt +ϕ u ) enthält einen zeitabhängigen und einen zeitunabhängigen Teil. Für den zeitunabhängigen Teil soll ein Zeiger eingeführt werden: U = U ⋅ e jϕ u (4) * Der Ausdruck U = U ⋅ e − jϕ u stellt den konjugiert komplexen Zeiger von U dar. Damit lässt sich die harmonische Spannung der Gleichung (3) wie folgt darstellen: u (t ) = Die Größe 1 2 ( ⋅ U ⋅e jωt * − j ωt +U ⋅e ) = 12 ⋅ ( 2 ⋅U ⋅ e j ωt * + 2 ⋅U ⋅ e − jωt ) (5) 2 ⋅ U lässt sich durch einen ruhenden Zeiger in der komplexen Ebene darstellen: Ruhender Zeiger Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 77/91 - Der Ausdruck 2 ⋅ U ⋅ e jωt stellt einen in der komplexen Ebene mit der Winkelgeschwindigkeit ω rotierenden Zeiger dar. Die Beziehung (5) lässt sich in der komplexen Ebene für den Zeitpunkt t = 0 wie folgt skizzieren: Rotierende Zeiger Für t ≠ 0 stellen die Summanden in Gleichung (5) gegensinnig rotierende Zeiger dar, deren Summe immer ein reeller Wert – die physikalische Größe u(t) – ist. Allgemein lässt sich die Summe zweier konjugiert komplexer Zahlen schreiben: * A + A = 2 ⋅ Re( A) mit (6) Re(A): Realteil von A Mit der Zusammenfassung von (6) kann Gleichung (5) geschrieben werden: ( u (t ) = Re 2 ⋅ U ⋅ e jωt ) (7) Die Gleichung (7) stellt den Zusammenhang zwischen der physikalischen Größe u(t) und ihrer Abbildung in der komplexen Ebene 2 ⋅ U ⋅ e jωt dar. ( ) Bei vielen Problemen der Elektrotechnik (stationärer Zustand bei harmonischen Erregergrößen, lineare Elemente) interessiert der zeitliche Augenblickswert nicht in erster Linie. Es genügt meist, Aussagen über den Effektivwert der Größen und über die Winkelbeziehungen zwischen ihnen zu machen. Diese Aussagen sind allein in den Zeigern enthalten. Zeigerdiagramme können nur Vorgänge einer bestimmten Frequenz wiedergeben, bei denen die Phasenbeziehungen zueinander erhalten bleiben. Sie stellen eine Momentaufnahme dar. Da bei sinusförmigen Größen das Verhältnis vom Scheitelwert zum Effektivwert durch den konstanten Scheitelfaktor bestimmt wird, und man in der Praxis i. Allg. mit Effektivwerten arbeitet, wird die Länge des Zeigers häufig nach dem Effektivwert festgelegt. Sinusförmige Wechselgrößen werden addiert oder subtrahiert, indem man ihre Zeiger nach Betrag und Phase geometrisch addiert oder subtrahiert. Bei Phasengleichheit ist die geometrische Summe gleich der algebraischen. Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 78/91 - 14.3 Ortskurve Bei kontinuierlicher Änderung einzelner Wirk- bzw. Blindwiderstände oder der Frequenz beschreiben die Spitzen der Zeiger der Impedanz Z und des komplexen Stroms I (bei fester Spannung U) oder der komplexen Spannung U (bei festem Strom I) sog. Ortskurven. Widerstands- und Spannungsortskurven bei Reihenschaltung a) Konstanter Blindwiderstand X mit veränderbarem Wirkwiderstand a⋅R mit a = 0 ... ∞ Impedanz: Z = a⋅R + j X Ortskurve Z = f(a) verläuft parallel zur positiven reellen Achse b) Konstanter Wirkwiderstand R und konstante Induktivität L mit veränderbarer Kreisfrequenz ω Impedanz: Z = R + j ωL mit ω = 0 .. ∞ Ortskurve Z = f(ω) verläuft parallel zur positiven imaginären Achse Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 79/91 - c) R = konstant; C = konstant; ω = variabel Impedanz: Z = R + 1/j ωC mit ω = 0 .. ∞ Ortskurve Z = f(ω) verläuft parallel zur negativen imaginären Achse Aufgrund des „komplexen Ohmschen Gesetzes“ U = Z ⋅ I unterscheidet sich die SpannungsOrtskurve U = f(a) bzw. U = f(ω) nur um einen konstanten komplexen Faktor I von der zugehörigen Impedanz-Ortskurve Z = f(a) bzw. Z = f(ω). Strom-Ortskurven bei Reihenschaltung a) X = konstant; ω = konstant; a⋅R = variabel „Komplexes Ohmsches Gesetz“: I = U / (a⋅R + j X) Der Strom I verläuft für a = 0 ... ∞ auf einem Halbkreis durch den Koordinaten-Nullpunkt. Die Strom-Ortskurve I = f(a) stellt eine Inversion der Impedanz-Ortskurve Z = f(a) bzw. der Spannungs-Ortskurve U = f(a) dar. Für Ortskurven gilt allgemein: Inversion einer Geraden parallel zu einer Halbachse ergibt einen Halbkreis durch den Nullpunkt mit dem Mittelpunkt auf einer Achse. Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 80/91 - b) R = konstant; C = konstant; ω = variabel U I= Es gilt: R + jω1C Aufgabe: Eine Reihenschaltung von R = 20 Ω und L = 0,5 H liegt an einer sinusförmigen Spannung mit U = 220 V. Es sollen die Ortskurven Z = f(ω) und I = f(ω) dargestellt werden. Lösungen: Z = f(ω) I = f(ω) Gerade parallel zur positiven imaginären Achse Halbkreis im 4.Quadranten Aufgabe: R = 1 kΩ C = 1 µF Zeichnen Sie die Ortskurve Ua/Ue. Stellen Sie das Verhältnis Ua/Ue im Bereich ω = 0 ... 10.000 1/s dar. Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 81/91 - Ortskurven bei Parallelschaltung a) Änderung der Belastung Y = a⋅G + j B I = U ⋅ Y = U⋅(a⋅G + j B) Ortskurve I = f(a) ist eine Gerade parallel zur positiven reellen Achse. b) Änderung der Kreisfrequenz i) Parallelschaltung von G und C Y = G + j ωC I = Y ⋅ U = G ⋅ U + j ωC ⋅ U Ortskurve I = f(ω) ist eine Gerade parallel zur positiven imaginären Achse. Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 82/91 - ii) Parallelschaltung von G und L Y = G + 1/jωL I = U ⋅ Y = U ⋅ G + U/jωL Ortskurve I = f(ω) ist eine Gerade parallel zur positiven imaginären Achse. Aufgabe: Parallelschaltung von G = 0,1 S und L = 0,5 mH mit U = 20 V. Bestimmen Sie I = f(ω). Lösung: Ortskurve parallel zur negativen imaginären Achse Aufgabe: Parallelschaltung von G = 0,1 S und L = 0,5 mH mit I = 2 A. Bestimmen Sie U = f(ω). Lösung: Messtechnik Ortskurve Halbkreis im 1.Quadranten B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 83/91 - 14.4 Bodediagramm • • • • Frequenzgangdarstellung mit Ortskurve bei Netzwerken u. U. aufwendig und ungenau (nichtlineare Frequenzteilung) Ortskurven stellen aber als Frequenzgang Betrag und Phase in einem Diagramm dar Darstellung der Frequenzkennlinien getrennt für Betrag und Phase führt zum Bodediagramm Ersetzen der häufigen Multiplikation durch einfache Addition nach Transformation Beispiel: Hochpass-Filter Ua R jωCR jωτ = = = 1 U e R + jωC 1 + jωCR 1 + jωτ ω ⋅τ Betrag: Ua = Ue Phase: ϕ = arctan (1 + (ω ⋅ τ ) ) 2 mit τ = R⋅C : Zeitkonstante in s mit ω⋅τ : Normierte Kreisfrequenz 1 ω ⋅τ ω⋅τ = 0 : Ua/Ue = 0 ω⋅τ → ∞ : Ua/Ue → 1 ωgr⋅τ = 1 : Ua/Ue = 1/√2 ≈ 0,707 ωgr⋅τ : Normierte Grenz-Kreisfrequenz ω⋅τ = 0 : ϕ = 90° ω⋅τ → ∞ : ϕ → 0° ωgr⋅τ = 1 : ϕ = 45° ωgr⋅τ : Normierte Grenz-Kreisfrequenz Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 84/91 - 14.4.1 Übertragungsverhalten von Vierpolen Messung 1: U 12 P1 = Rv Messung 2: P2 = U 22 Rv Das Verhältnis der Leistungen beschreibt das Übertragungsverhalten (Verstärkung, Dämpfung) des Vierpols: P2 U 22 = P1 U 12 Man arbeitet meistens mit den Logarithmen der Quotienten und macht den Ansatz: P p = lg 2 P1 U 22 = lg 2 U1 U = 2 ⋅ lg 2 Bel U1 Übliche Einheit: 1 dB (dezi Bel) = 0,1 Bel Daraus folgt: P U p = 10 ⋅ lg 2 dB = 20 ⋅ lg 2 dB P1 U1 Leistungsverhältnis Spannungsverhältnis 20 dB 100 10 10 dB 10 ≈ 3,16 (dimensionslos) 3 dB 2 √2 ≈ 1,41 0 dB 1 1 Beispiel: Vierpolkette p = 20⋅lg(Ua3/Ue1) dB = 20⋅lg(V1⋅V2⋅V3) dB = 20⋅lg(V1) dB + 20⋅lg(V2) dB + 20⋅lg(V3) dB = (P1 + P2 + P3) dB Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 85/91 - 14.4.2 Komplexer Frequenzgang V= • Ua Ue Betragsfrequenzgang (Amplitudenfrequenzgang): V= Ua Ue U V = 20 ⋅ lg a Ue • dB Phasenwinkelfrequenzgang (Phasenfrequenzgang): U a Im U ϕ = arctan e Re U a U e Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 86/91 - Beispiel: Hochpass-Filter Betragsfrequenzgang: V = 20 ⋅ lg ω ⋅τ (1 + (ω ⋅ τ ) ) 2 dB ω⋅τ → 0 : V → - ∞ dB ω⋅τ → ∞ : V → 0 dB ωgr⋅τ = 1 : V = - 3 dB ω⋅τ << 1: V = 20⋅lg(ω⋅τ) dB → Steigung = 20 dB/Dekade ω⋅τ >> 1: V = 0 dB Darstellung der Asymptoten Phasenfrequenzgang: 1 ω ⋅τ ϕ = arctan ω⋅τ << 1 : ϕ = 90° ω⋅τ >> 1 : ϕ = 0° ωgr⋅τ = 1 : ϕ = 45° Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 87/91 - Beispiel: Tiefpass-Filter 1 U 1 1 jω C V= a = = = 1 Ue 1 + jωRC 1 + jωτ R+ jω C Betragsfrequenzgang: V = 20 ⋅ lg 1 (1 + (ω ⋅ τ ) ) 2 dB ωgr⋅τ = 1 → ωgr = 1/τ → fgr = 1/(2π⋅τ) fgr : Grenzfrequenz f << fgr: V = 0 dB f >> fgr: V = 20⋅lg(1/2πf⋅τ) dB = - 20⋅lg(2πf⋅τ) dB → Steigung = - 20 dB/Dek. f = fgr: V = - 3 dB Darstellung der Asymptoten Phasenfrequenzgang: ϕ = ϕ Z − ϕ N = 0° − arctan(ω ⋅ τ ) = − arctan (2πf ⋅ τ ) f << fgr : ϕ = 0° f >> fgr : ϕ = - 90° f = fgr : ϕ = - 45° Es werden anstelle von Grenzfrequenz (fgr) auch die Begriffe Knickfrequenz (fK) oder Eckfrequenz (fE) benutzt. Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 88/91 - 14.4.3 Frequenzgänge von Vierpolen V =k⋅ ( jωτ D1 ) ⋅ ( jωτ D 2 ) ⋅ ... ⋅ (1 + jωτ Z 1 ) ⋅ (1 + jωτ Z 2 ) ⋅ ... ( jωτ I 1 ) ⋅ ( jωτ I 2 ) ⋅ ... ⋅ (1 + jωτ N 1 ) ⋅ (1 + jωτ N 2 ) ⋅ ... Beträge: K =k VDi = ωτ Di VZi = 1 + (ωτ Zi ) 2 VIi = ωτ Ii V Ni = 1 + (ωτ Ni ) 2 Phasen: ϕ k = 0° ϕ Di = 90° ϕ Zi = arctan(ωτ Zi ) ϕ Ii = 90° ϕ Ni = arctan(ωτ Ni ) mit i = 1, 2, 3, ... V =K⋅ VD1 ⋅ e jϕD1 ⋅ ... ⋅ VZ 1 ⋅ e jϕZ 1 ⋅ ... V ⋅ ... ⋅ VZ 1 ⋅ ... j [(ϕD1+...+ϕZ 1+...)−(ϕI 1+...+ϕN 1...)] = K ⋅ D1 ⋅e jϕI 1 jϕN 1 VI 1 ⋅ ... ⋅ V N 1 ⋅ ... VI 1 ⋅ e ⋅ ... ⋅ V N 1 ⋅ e ⋅ ... Daraus folgt für den Betragsfrequenzgang: V = 20⋅lg (K) + (20⋅lg VD1 + ... + 20⋅lg VZ1 + ...) – (20⋅lg VI1 + ... + 20⋅lg VN1 + ...) Daraus folgt für den Phasenfrequenzgang: ϕ = (ϕD1 + ... + ϕZ1 + ...) – (ϕI1 + ... + ϕN1 + ...) Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 89/91 - 14.4.4 Grundglieder V=k V = j ωτ V = 1 / j ωτ V = 1 + j ωτ V = 1 / (1 + j ωτ) Messtechnik B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 90/91 - Die Vierpol-Frequenzgänge lassen sich aus den folgenden fünf Grundgliedern entwickeln. Aus der Multiplikation wird durch die logarithmische Darstellung (Bodediagramm) eine Addition. V = V⋅∠ϕ = V1⋅∠ϕ1 ⋅ V2⋅∠ϕ2 = (V1 ⋅ V2)⋅∠(ϕ1+ϕ2) Es gilt: Die komplexe Multiplikation erfordert eine Multiplikation der Beträge und eine Addition der Phasenwinkel. Die Multiplikation wird auf eine niedrigere Rechenoperation (Addition) zurückgeführt, indem man die Größen logarithmiert (allg. transformiert). Die Beträge werden nach V = 20⋅lg(V) dB (für Spannungs-/Stromverhältnisse!) logarithmiert; die Phasenwinkel werden addiert, so dass ein linearer Maßstab beizubehalten ist. Um große Frequenzbereiche betrachten zu können, empfiehlt es sich, auch die Frequenz logarithmisch darzustellen, z.B. auf Logarithmenpapier. Die Zehnerpotenzen (Dekaden) haben dann einen konstanten Abstand. Beispiel: R1 = 9 kΩ R2 = 1 kΩ C = 17,684 nF V= Ua R2 = R1 ⋅ jω1C Ue R1 + V =k⋅ k= 1 jωC = + R2 ( R2 ⋅ R1 + R1 ⋅ 1 j ωC ( 1 jωC ) + R2 ⋅ R1 + 1 j ωC ) = R2 ⋅ (1 + jωCR1 ) R2 = ⋅ R1 + R2 + jωCR1 R2 R1 + R2 1 + jωCR1 R ⋅R 1 + jω C ⋅ 1 2 R1 + R2 1 + jωτ 1 1 + jωτ 2 R2 = 0,1 = −20dB R1 + R2 τ 1 = CR1 = 159,156 ⋅ 10 −6 s τ 2 = ωC ⋅ R1 ⋅ R2 = 15,9156 ⋅ 10 −6 s R1 + R2 ωτ 1 = 1 → f E1 = ωτ 2 = 1 → f E 2 = Messtechnik 1 2πτ 1 = 10 3 Hz 1 2πτ 21 = 10 4 Hz B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck - 91/91 - Aufgabe: R1 = 9 MΩ C1 = 1 pF ... 3 pF R2 = 1 MΩ C2 = 18 pF a) b) c) d) Berechnen Sie allg. den komplexen Frequenzgang V. Zeichnen Sie den Betrags- und Phasenfrequenzgang für C1 = 1 pF und C1 = 3 pF. Für welchen Wert von C1 sind Betrags- und Phasenfrequenzgang frequenzunabhängig? Warum sollte man bei Messungen mit dem Oszilloskop einen Tastkopf verwenden? Lösung: Messtechnik V= Ua R2 = ⋅ U e R1 + R2 1 + jωC1 R1 R ⋅R 1 + jω (C1 + C 2 ) 1 2 R1 + R2 B09 Prof. Dr.-Ing. Th. Reck