Universität Duisburg-Essen Fakultät für Geisteswissenschaften Institut für Germanistik Prof. Dr. Ulrich Schmitz Identität beim „authentischen“ Saussure und dem „späten“ Wittgenstein Sprachtheorien gegen mörderische Identitäten vorgelegt von Magnus Frank (2011) Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung ...............................................................................2 Einleitung .......................................................................................3 1. Identitäten ..................................................................................5 2. Identität bei Saussure .................................................................9 2.1 Form und Sinn .................................................................... 10 2.2 Drei falsche Identitäten ....................................................... 13 2.2.a Identität mit sich selbst.................................................. 15 2.2.b Intersubjektive Identität ................................................ 16 2.2.c Identität in der Zeit ........................................................ 17 3. Kontrastive Analyse - Identität bei Wittgenstein.....................19 4. Fazit..........................................................................................23 Literatur........................................................................................26 1 Vorbemerkung Diese Arbeit entstand im Rahmen des linguistischen Oberseminars „Wittgenstein oder Saussure“ von Prof. Schmitz im WS 09/10 an der Universität Duisburg-Essen. In diesem Arbeitszusammenhang ging es vor allem um einen Vergleich des Denkens über Sprache des „späten“ Ludwig Wittgenstein, stellvertretend durch seine „Philosophischen Untersuchungen“ (1953), und des „authentischen“ Ferdinand de Saussures, abseits des „Cours de linguistique générale“ (1931), d.h. der SaussureRezeption, die sich mit seinen unveröffentlichten und nicht autorisierten Schriften beschäftigt, dabei zu nennen vor allem „Wissenschaft der Sprache“ (2003) und „Linguistik und Semiologie“ (2003). Der besseren Lesbarkeit halber werden im weiteren Verlauf dieser Arbeit folgende Abkürzungen verwendet werden: LW = Ludwig Wittenstein; PU = Philosophische Untersuchungen; FdS = Ferdinand de Saussure; WdS= Wissenschaft der Sprache; LuS = Linguistik und Semiologie. Da im Folgenden Zitate durch Kursivschreibung gekennzeichnet sind, werden Stellen, die im Original kursiv gedruckt sind, von mir durch Unterstreichung hervorgehoben. 2 Einleitung Die Identität ist zunächst eine Frage von Symbolen und sogar von Äußerlichkeiten. Wenn ich in einem Parlament Menschen sitzen sehe, die einen mir verwandten Namen tragen, die die gleiche Hautfarbe oder die gleichen Neigungen bzw. die gleichen Schwächen haben, dann kann ich mich von ihm [dem Parlament, MF] repräsentiert fühlen. (Maalouf 2000, S.106) Ich werde mich in dieser Arbeit mit dem Begriff Identität entlang der Theorien des „späten“ Wittgenstein und des „authentischen“ Saussures beschäftigen. Dabei kommt dem Sprechen über Identitäten in den hoch aufgeladenen Debatten um Einwanderer und ihre Kinder, dabei vor allem muslimische, eine besondere Bedeutung zu (z.B. bei den Begriffen „der Westen“, „das Abendland“ oder „christlich-jüdische Tradition“). Denn durch Identitätszuschreibungen im Sinne eines „anders-als“ werden in der Gesellschaft Grenzziehungen vorgenommen und Privilegien können für bestimmte Gruppen gesichert werden. Dieses „anders-als“ stellt in Form des Begriffs Differenz das Fundament strukturalistischer Forschung dar, für welche gemeinhin Saussure als Begründer gilt. Durch dessen Hauptwerk „Cours de linguistique générale“ (1931) ist die strukturgebende Unterscheidung in Bezeichnendes und Bezeichnetes in die Philosophie und Soziologie des letzten Jahrhunderts eingegangen, herausgehoben sei dabei das Werk des Ethnologen Claude Lévi-Strauss (vgl. Keller 2011, S. 15). Dabei ergibt sich eine andere Sichtweise auf das doch recht starre strukturalistische Moment Saussures im „Cours“, wenn man sich ausschließlich mit den unveröffentlichten Schriften aus dem Nachlass Saussures beschäftigt. Denn in diesen liegt sein Denken viel näher an der Sprachtheorie seines vermeintlichen Widersachers Wittgenstein. Während Wittgensteins Sprachspiel, als das Fundament der Gebrauchstheorie der Bedeutung, dem System von Sprache Saussures im „Cours“ (Saussure nennt dieses System langue) entgegen steht, kann in den nachgelassenen Schriften Saussures hingegen eine Vereinbarkeit seiner (systemisch-)dynamischen Bedeutungstheorie mit Wittgensteins Gebrauchstheorie der Bedeutung festgestellt werden. 3 Wie sich das Verhältnis der Sprachtheorien beider Denker entlang des Begiffs Identität ausgestaltet, soll in dieser Arbeit gezeigt werden. Begründet durch den aktuellen soziopolitischen Relevanzrahmen des Begriffs Identität wurde zudem ein Untertitel für diese Hausarbeit gewählt, der auf Amin Maaloufs Essay „Mörderische Identitäten“ Bezug nimmt. In diesem Essay unternimmt Maalouf auf interpersonaler bzw. interkultureller Ebene den Versuch, die mörderisch-praktischen Konsequenzen von Identitätszuschreibungen aufzudecken. Dabei geht es ihm vor allem um die realpolitischen Konsequenzen aus vereinfachten Identitätszuschreibungen, bei denen die personale Identität eines Menschen auf National-, Religions- und/oder Ethnozugehörigkeit reduziert wird. Maalouf verlässt dabei nicht das Feld des InIdentitäten-Denkens, sondern plädiert vielmehr für eine Bewusstwerdung der Komplexität und Vielschichtigkeit des Begriffes Identität. Er selbst, als ein aus dem Libanon stammender Christ, der Frankreich als sein Zuhause bezeichnet, sieht sich nicht als komplexen Ausnahmefall einer homogenen Regel; sondern vielmehr entspreche sein Leben selbst der Regel von Lebenswelten in einer sich immer weiter globalisierenden und pluralisierenden Welt. Was seinen Fall jedoch besonders macht, ist der Umstand, dass die im Fokus der diskursiven Aufmerksamkeit stehenden und sich durch ihre begriffliche Identität vermeintlich ausschließenden Konstruktionen (namentlich: entweder Christ-Sein und Europäer-Sein oder Muslim-Sein und Orientale-Sein) samt zugehöriger Attribute ihre Funktionalität verlieren. Vor diesem Hintergrund wird in dieser Arbeit folgendermaßen vorgegangen werden: In einem ersten Schritt wird (1.) über die Relevanz des Begriffes Identität für die Sprachtheorien des „authentischen“ Saussures und des „späten“ Wittgenstein gesprochen werden, worauf (2.) eine genauere Analyse der Verwendung des Identitätsbegriffes in der Theorie des „authentischen“ Saussures folgt und an welche sich (3.) eine kontrastive Analyse des Identitätsbegriffs bei Wittgensteins entlang der Philosophischen Untersuchungen anschließt (3.). Abschließend werden in einem Fazit (4.) die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst und beurteilt. 4 1. Identitäten Mit Saussure kann die Frage nach der sozial-praktischen Bedeutung von Identitäten als wichtig herausgestellt werden, da durch sie die fundamentale Frage nach dem sinnvollen Vorgehen des Forschers gestellt wird: […] [es ist, MF] außerordentlich erstaunlich, daß es von Anfang an unmöglich ist, über gegebene INDIVIDUEN nachzudenken, um dann anschließend zu verallgemeinern; [es ist ebenso erstaunlich, MF] daß man <als Sprachwissenschaftler> im Gegenteil mit der Verallgemeinerung beginnen muß, wenn man etwas erhalten will, das dem entspricht, was anderenorts das Individuum ist. (FdS: WdS, S. 93) Saussure nimmt dabei den Weg über das Verhältnis von Individuum und Allgemeinheit, über welches sich für ihn zwei Aussagen treffen lassen. Erstens: Ein möglicher Identitätsträger ist entweder ein Individuum oder aber etwas Allgemeines; und zweitens: Das Individuelle hat das Allgemeine zur Bedingung. Das bedeutet, dass zuerst eine theoretische Verallgemeinerung getroffen wird, bevor aus der Praxis heraus ein individueller Identitätsträger mit diesem Allgemeinen verglichen und behauptet werden kann. Auch Wittgenstein reflektiert diese Arbeit des Forschers. Er tut dies jedoch aus ganzheitlich-philosophischer Perspektive, wofür zwei Aussagen meiner Ansicht nach zentral sind: Es gibt nicht eine Methode der Philosophie, wohl aber gibt es Methoden, gleichsam verschiedene Therapien. (LW: PU, §133) und Die bürgerliche Stellung des Widerspruchs, oder seine Stellung in der bürgerlichen Welt: das ist das philosophische Problem. (ebd., §125) 5 Die bei Saussure erkannte Bedingtheit des Individuellen wird bei Wittgenstein durch die von ihm beschriebene Stellung des Widerspruchs in der bürgerlichen Welt problematisiert, da das Bürgertum klassischerweise einen widerspruchsfreien Vernunftanspruch vertritt. Der Bürger versteht das Individuelle ausschließlich als Individuelles (so dass für alle Zeiten und Perspektiven gilt: a= a) und nicht als Ergebnis einer zuvor vollzogenen, wenn auch unbewussten, Verallgemeinerung (wodurch gelte: a folgt aus einem zeit-, kontext- und subjektabhängigen b; und somit a1 # a2 # a3 #...an). Denn würde der Bürger sich selbst den Widerspruch zugestehen, dass das Individuelle durch das Allgemeine bedingt ist, gäbe er sein konservatives Bürgertum und seine (im Wortsinne!) prädestinierte Stellung auf. Am Beispiel des bürgerlichen Sprechens über die Begabungen von Kindern lässt sich dies plausibilisieren: Der Bürger, wie ihn etwa der Soziologe Pierre Bourdieu in seinem Hauptwerk „Die feinen Unterschiede“ (1983) zeichnet, sieht in seinem Kind einen zu jeder Zeit mit sich selbst identischen Träger einer individuellen Begabung, da die Gabe einer Begabung die eigene vorteilhafte Stellung in der Gesellschaft quasi naturrechtlich legitimiert. Würde der Bürger stattdessen sehen, dass seine Begabungsannahme aus der meritokratischen Theorie deduktiv geschlossen wurde, wäre die bürgerliche Stellung aufgrund fehlender naturgegebener Legitimation in Gefahr und somit die individuelle (Begabungs-)Identität nicht mehr gegeben. Die naturrechtlich verstandene Begabung müsste dann als abhängig von sozialisatorischen Faktoren, wie etwa dem familialen Milieu, gesehen werden. Für die legitime Reproduktion der eigenen Stellung und der seiner Kinder muss der Bürger somit an die Begabungstheorie und die individuelle Identität seiner Kinder glauben, weil sich für ihn dadurch kein Widerspruch zwischen der eigenen privilegierten Stellung in der Gesellschaft und der dahinter liegenden Theorie ergibt. Wittgenstein spricht mit seiner Kritik an der bürgerlichen Stellung zum Widerspruch also etwas Gesellschaftskritisches aus, was der (bürgerliche) Saussure für seine Theoriebildung entlang des Verhältnisses von Individuellem und Allgemeinen deshalb auch „erstaunlich“ findet. Bezieht man dies auf den aktuellen soziopolitischen Relevanzrahmen, zeigen sich somit kulturell, religiös oder ethnisch ausgestaltete individuelle Identitäten, als Konstrukte einer vorhergehenden Kulturtheorie, entlang der die Subjekte eingeteilt werden können. Kinder von Menschen libanesischer Herkunft, wie etwa Maalouf, bleiben so in öffentlichen Diskursen qua ihrer Natur (oder auch 6 bürgerlicherweise) Libanesen, unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft, da die vorherrschende dichotome Kulturtheorie ihre Subsumierung unter die Gruppe der autochthonen Bevölkerung in den Nationalgesellschaften der europäischen Länder unmöglich macht. In Wittgensteins Werk ist es sodann der zentrale Anspruch an die Philosophie, die als Therapie fungieren soll, welcher das Denken über Identitäten generell legitimiert. Denn wenn Philosophie in der Lage ist, nicht-konsistente Identitäten zu entlarven, kann sie, so Wittgenstein, den einzelnen Menschen in seinem Denken und mit ihm die gesellschaftliche Kommunikation heilen. Während er diesen Umstand im Tractatus logico-philosophicus noch durch den rein theoretisch-abstrakten Weg in die Idealsprache, die keinen Raum mehr für Ungenauigkeiten lässt, vollziehen will, stellt er in den Philosophischen Untersuchungen das Wissen um die Undefinierbarkeit von Begriffen als Paradigma für ein geheiltes Bewusstsein heraus und setzt sich selbst somit als schreibenden Philosophen, der nicht nur abstrakt denkt, in die sozial-praktische Lebenswelt ein. Es ist „Die Verhexung unsres Verstandes durch die Mittel der Sprache“ (ebd. §110), die in den „Philosophischen Untersuchungen“ aufgedeckt werden soll, sprich: die inkonsistente Strukturierung unseres Denkens durch einen per Sprache vermittelten Glauben an Identitäten. Aus Saussures Werk heraus ergibt sich zudem eine interessante Verbindung zum Anliegen Maaloufs. Denn indem Maalouf das Denken über Identitäten nicht aufgibt, sondern für Komplexität plädiert, übernimmt er den Saussureschen Gedanken des Blickpunktes, auf den im Weiteren genauer eingegangen werden wird. Dieser Blickpunkt kann meiner Ansicht nach als praktisch-soziale Komponente des Denkens über Sprache und Identität angesehen werden. Demzufolge kann es kein Leben außerhalb eines Standpunktes (Blickpunktes) geben, was nach Saussure jedoch von allzu theoretisch agierenden Denkern unberücksichtigt gelassen wird. Wenn Maalouf also anstelle einer Absage an ein In-Identitäten-Denken die Bewusstmachung von Komplexität als politisches Ziel herausstellt, trägt er damit dem Saussureschen Gedanken des Blickpunktes Rechnung, der die soziale Welt in die theoretische Analyse von Sprache mit einschließt. 7 In dieser Arbeit wird deshalb versucht werden, sowohl Saussures theoretischsprachwissenschaftliche und dabei sozial-verankerte als auch Wittgensteins ganzheitlich-sprachphilosophische und dabei heilende Theorie der Identität zu beschreiben und zugleich auf den aktuellen sozio-politischen Relevanzrahmen zu verweisen. Vorgreifend kann dabei festgehalten werden, dass die gemeinhin unterstellte Unvereinbarkeit der Denkweisen Wittgensteins und Saussures über Sprache, die sich auch in dem ausschließenden „oder“ des Titels des linguistischen Oberseminars ausdrückte, nicht aufrechterhalten werden kann. Auf den Aspekt der Identität bezogen kann sogar behauptet werden, dass ein Vergleich Wittgensteins mit dem „authentischen“ Saussure die Unvereinbarkeit der beiden nicht nur aufhebt, sondern das „oder“ des Seminartitels in ein „und“ verkehrt, da sich die ausschließende Negativannahme des „oder“ gemeinhin auf einen Vergleich zwischen dem von den Saussureschülern Bally und Sechehaye herausgegebenen „Cours de linguistique générale“ 1 und dem „späten“ Wittgenstein2 der „Philosophischen Untersuchungen“ bezog. Bezieht man diese Theoriediskussion nun auf den Aspekt mörderischer Identitäten, wie Maalouf sie postuliert, wird deutlich, dass dies in der für den Zusammenhalt der Gesellschaft wichtigen Frage mündet, inwieweit ein fremd- oder selbstetikettierender Sprechakt (z. B. „Du bist Orientale“ oder „Ich bin Europäer“) mit einer dahinter liegenden Struktur der Differenz (sei sie ethnisch, kulturell oder religiös) sinnvoller Weise korrespondiert oder ob nicht das verallgemeinernde Theoriefundament der Kulturdifferenz der Wirklichkeit voraus geht und diese einer self-fulfilling prophecy gemäß zu (Un-)Gunsten mancher Gruppen strukturiert. Daraus ergibt sich weiterhin die Frage, auf welche Art und Weise und in wieweit eine Reflexion des von Wittgenstein 1 Es soll an dieser Stelle auf den Umstand, dass es sich beim „Cours“ um eine Rekonstruktion der Mitschriften Dritter (Studenten), die die drei Vorlesungen (1907-1911) Saussures über allgemeine Sprachwissenschaft besuchten, handelt, hingewiesen werden. (Vgl. das Nachwort von Peter Ernst zur dritten Auflage der „Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft“, S.302 f.) 2 In der Rede vom „frühen“ und „späten“ Wittgenstein sollten beide Hauptwerke (Tractatus logicophilosophicus“ und „Philosophische Untersuchungen“) jedoch nicht abgekoppelt voneinander betrachtet werden. Denn Wittgensteins Hauptgedanke der „Philosophischen Untersuchungen“, die Gebrauchstheorie der Bedeutung, die im Sprachspiel seine praktische Ausformulierung erlangt, in welchem die Bedeutung der Begriffe immer wieder aufs neue aus dem Gebrauch generiert wird, ist ein Produkt seines gescheiterten positivistischen Versuches im „Tractatus logico-philosophicus“, eine Sprachwelt zu beschreiben, die nicht sozial-praktisch ist.2 Zusätzlich könnte historisch-biographisch die Frage aufgeworfen werden, ob nicht auch die Erfahrung von zwei Weltkriegen ihre Spuren im Denken des einst positivistisch-idealistischen Philosophen hinterlassen hat. 8 eingeführten Sprachspiels als Theorie in der sozial-praktischen Wirklichkeit therapeutisch wirken könnte. 2. Identität bei Saussure Durch Bally und Sechehaye wurde bei Saussure eine starke Trennung zwischen Bezeichnendem (signifiant) und Bezeichnetem (signifié) im Denken über Sprache postuliert, aus der sich, wenn auch arbiträr, Identitäten (sprachliche Einheiten) ableiten lassen. So gilt klassischer Weise nach Saussure, dass […] die sprachliche Einheit etwas Doppelseitiges ist, das aus der Vereinigung zweier Bestandteile hervorgeht. (FdS 2001, S. 77) Aus dieser dichotomen Unterscheidung kann die Bedeutung des Systems als Grundlage von Sprache verstanden werden, und aus dem Systemgedanken heraus entwickelte sich zudem im Späteren die Theorieschule, die allgemein als Strukturalismus bezeichnet werden kann. Die Schüler und Mitarbeiter Saussures rekonstruieren also im „Cours“ derart das System, und damit ebenso die Begriffe Differenz, Bezeichnendes und Bezeichnetes, dass der dynamische Aspekt desselben in den Hintergrund geriet und stattdessen eine sich zwar in der Zeit verändernde, aber doch relativ starre Struktur der Sprache und ihrer Zeichen angenommen wurde. In den nachgelassenen Schriften tritt die Dynamik der Struktur von Sprache als System jedoch in den Vordergrund. Dies geschieht derart deutlich, dass die Grenzen zwischen der systemischen Sprachwissenschaft Saussures und Wittgensteins Gebrauchstheorie, die ganz ohne den Systemgedanken auskommt, jedoch als Theorie-Ersatz dafür das Sprachspiel einführt, oftmals verschwimmen. Dies soll im Weiteren genauer aufgezeigt werden. Nachdem im vorangegangen Kapitel die Relevanz des Begriffes Identität aufgezeigt wurde, soll nun die Verwendung desselben bei Saussure analysiert werden. Dabei wird in einem ersten Schritt eine Betrachtung der für Saussure fundamentalen Begrifflichkeiten Form und Sinn erfolgen. Woraufhin drei von Saussure postulierte 9 theoretisch mögliche, jedoch in der Praxis falsche Identitäten und die dazugehörigen vier Blickpunkte genauer in den Blick genommen werden. 2.1 Form und Sinn Für Saussure gibt es Bedingungen für das Sprechen über sprachliche Identitäten: Das absolut Besondere an einer sprachlichen Identität besteht darin, dass sie die Assoziation zweier ungleichartiger Elemente impliziert. (FdS: WdS, 76) Der Begriff Assoziation zeigt dabei die Bedeutung subjektiver Praxis gegenüber abstrakter Theorie an, denn etwas ist nicht assoziiert, sondern es wird assoziiert. Die beiden Elemente, von denen Sausure sodann spricht, sind Sinn und Form, die stets zusammen gedacht werden müssen, wenn Aussagen über Identität getroffen werden wollen. Ihre Ungleichartigkeit ist dabei keine natürliche Tatsache, sondern ergibt sich aus dem Ansinnen des Sprachwissenschaftlers, der die „Begriffe klassifiziert, um anschließend die Formen zu betrachten“. Dies gelingt jedoch nur theoretisch und nicht widerspruchsfrei praktisch, denn „in beiden Fällen verkennt er das, was <unzweifelhaft> Gegenstand seiner Untersuchung und seiner Klassifikationen ist, nämlich <ausschließlich> der Punkt, an dem die beiden Bereiche miteinander verbunden sind“ (ebd.). Sinn und Form sind somit aufgrund des deduktiven Vorgehens des Sprachwissenschaftlers nur theoretisch getrennt. Saussures Systembausteine langue, langage und parole zementieren aufgrund dieser Einsichten keine drei Welten, sondern stellen lediglich einen Perspektivwechsel (bzw. Blickpunktwechsel, um in Saussures Terminologie zu bleiben) dar. Doch nun sollen Form und Sinn genauer betrachtet werden: Es ist falsch <(und nicht durchführbar)> Form und Sinn einander entgegenzusetzen. <Dagegen ist es richtig>, lautliche Figur einerseits und Sinn-Form [forme-sens] andererseits einander entgegenzusetzen. (FdS: WdS, S. 75) 10 Diese Formulierung steht im Mittelpunkt des Vorwortes von Kapitel „I [Über das doppelte Wesen der Sprache]“ der „Wissenschaft der Sprache“. Sie trägt den Hauptgedanken Saussures in Bezug auf Identitätskonstruktionen (Entgegensetzungen), der im Weiteren einzeln ausformuliert werden soll, voraus. Dabei kann Form im voran stehenden Zitat nicht als „[…]eine lautliche Figur, die für das Bewusstsein der Sprecher bestimmt, d.h. zugleich existent und abgegrenzt ist.“ (ebd., S. 98) verstanden werden, wie Saussure es an anderer Stelle formuliert. Wenn es heißt, dass es falsch sei, „Form und Sinn einander entgegenzusetzen“, dann geschieht dies, um mit der gängigen Vorstellung zweier Welten (die Welt der materiellen Dinge und die Welt der Bedeutung) im Sinne einer augustinischen Abbildtheorie zu brechen.3 Saussure bedient sich im o. g. Zitat also zuerst einer für ihn falschen Verwendungsweise von Form in Funktion einer theoretischen Krücke, um durch ein alltägliches Verständnis seine Unterscheidung erläutern zu können.4 Anschließend entgegnet er dieser Denkweise jedoch berichtigend („<Dagegen ist es richtig>“), indem er an die Stelle einer Sinn(-Welt) und einer Form(-Welt), eine Sinn-Form(-Welt)5 setzt, der sich von zwei verschiedenen Standpunkten aus nähern lässt: von der Form aus (d. h. von der lautlichen oder graphischen Figur) oder aber vom Sinn aus (d. h. von der Sinn-Form). Die zuständigen Wissenschaften wären somit (von der Form aus) die Morphologie6 oder aber (vom Sinn aus) die Semantik. Beides zusammen fällt unter die Linguistik, oder in Saussures Worten: unter die Semiologie, welche die Linguistik umschließt.7 3 Wittgenstein zitiert für das kontrastive Einleiten seiner Gebrauchstheorie eine Stelle aus Augustinus’ Confessiones: „So lernte ich nach und nach verstehen, welche Dinge die Wörter bezeichneten, die ich wieder und wieder, an ihren bestimmten Stellen in verschiedenen Sätzen, aussprechen hörte.“ (LW: PU, §1). 4 Diesen Gedanken einer theoretischen Krücke entwickele ich in Analogie zum Problem der Rede vom Ding an sich im philosophischen System Kants. Kant wird meiner Ansicht nach für seine Erkenntnistheorie ungerechtfertigter Weise vorgeworfen, allein schon durch die Redeweise von „Dingen an sich“, eine Zwei-Welten-Theorie aufzustellen, der er im späteren auch durch die Einführung der dazu im Kontrast stehenden „Erscheinungen“ nicht mehr entfliehen könne. Bei Saussure verhält es sich meiner Ansicht in diesem Fall genauso. 5 Möglich wäre ebenso der Begriff Form-Sinn(-Welt). 6 „Definition: die Morphologie ist die Wissenschaft, die sich mit den Lauteinheiten befaßt, welche einem Teil der Vorstellung entsprechen, und sie befaßt sich mit der Gruppierung dieser Einheiten“ (FdS: LuS, S. 287). 7 „Man hat herausfinden wollen, ob die Linguistik zur Ordnung der Naturwissenschaften oder zu jener der historischen Wissenschaften gehört. Sie gehört zu keiner der beiden, sondern zu einer Abteilung der Wissenschaft, <die, wenn sie nicht existiert, existieren sollte unter dem> Namen Semiologie, das heißt Wissenschaft der Zeichen oder Untersuchung [étude] dessen, was sich ereignet, wenn der Mensch versucht, sein Denken mittels einer notwendigen Konvention zu bedeuten“ (FdS: LuS, S. 404). 11 Die Verwobenheit von Sinn und Form macht Saussure auch an anderer Stelle deutlich: Alles hängt voneinander ab. Man kann in der Morphologie also nicht unmittelbar von Identität sprechen, wenn man nur die Form oder [nur, MF] den Sinn betrachtet (ebd., S. 91) Saussure problematisiert dies ebenso in Bezug auf seine eigene Tätigkeit als Sprachwissenschaftler, dessen Tun immer auf <die <außerordentlich> schwierige <und heikle> Operation hinaus>[läuft, MF], Einheiten zu definieren (ebd., S.86). Von lautlicher Figur zu sprechen bedeutet demgemäß, (auch als Sprachwissenschaftler) den Standpunkt der physiologisch-akustischen (lautlichen) Form (Figur) einzunehmen, womit die soziale Differenz einbezogen ist, denn die lautliche Figur unterscheidet sich vom Laut dahingehend, dass sie mit Sinn befüllbar wird, der nur im Sozialen denkbar ist. Aus diesem Gedankengang ergibt sich ein generelles Problem im Umgang mit den Schriften des „authentischen“ bzw. des übersetzten „authentischen“ Saussures, welches auch in dem Umstand, dass die „authentischen“ Textfragmente durch ihn zu Lebzeiten nicht zur Veröffentlichung freigegeben wurden, deutlich wird. Denn einerseits wird, wie im vorausgegangenen Abschnitt, in der Rezeption der Fragmente versucht, Saussures Ausführungen kohärent zu lesen, andererseits schaffen es gleichartige Wortverwendungen doch immer wieder, Verwirrung zu stiften. Ein solches Beispiel ist die Verwendung des Begriffs lautliche Figur: Die Form außerhalb ihres Gebrauchs <gelten zu lassen>, heißt, sich mit der lautlichen Figur abgeben, für die Physiologie und Akustik zuständig sind […], was der beste Beweis für die völlige Unangemessenheit der Form [de l’être forme] außerhalb ihres Gebrauchs ist. (ebd., S. 91) Saussure beschreibt in dieser Formulierung die, in meinen vorherigen Ausführungen im Sozialen verankerte, lautliche Figur lediglich als das, was ich versucht habe, mit ihm als 12 akustisch-physiologischen Laut zu kennzeichnen. Der sich schwierig gestaltende Umgang mit den Fragment gebliebenen Nachlasstexten wird daraus ersichtlich. Es soll deshalb festgehalten werden, dass Form und Sinn in Saussures Theorie zwei miteinander verwobene Perspektiven (Blickpunkte) auf ein und dasselbe Zeichen bedeuten. Dieses Zusammenspiel, von dem die Rede über Identitäten abhängt, weil Identität etwas sich selbst gleich Bleibendes behauptet, ist nach Saussure wiederum selbst dynamischen Prozessen durch seinen Gebrauch in der sozialen Welt ausgesetzt, wie im weiteren Verlauf deutlich werden soll. Für gesellschaftliche Zusammenhänge ergibt sich die Bedeutung des dynamischen Verbundes aus Sinn und Form somit aus der Frage, inwiefern die Behauptung kultureller Identitäten den dynamischen Aspekt des Zusammenspiels von Sinn (kulturelle Zuschreibungen und Zugehörigkeiten) und Form (Etikettierungen wie „deutsch“, „türkisch“ etc.) fatalerweise übersieht. 2.2 Drei falsche Identitäten Mit Saussure kann zwischen drei theoretisch möglichen Identitäten unterschieden werden. Eine beispielhafte Aufstellung anhand des Begriffs cantāre finden wir im Nachlass Saussures: (1.) Identität cantāre cantāre (2.) Identität cantāre cantāre Sinn und Gebrauch Sinn und Gebrauch cantāre chanter (3.) Identität (FdS: LuS, S. 299) Ich bezeichne die verschiedenen Identitäten im Folgenden erstens als Identität mit sich selbst, zweitens als Intersubjektive Identität und drittens als Identität in der Zeit. Zugleich kann mit Saussure jedoch keine der drei genannten Arten von Identität sinnvoll behauptet werden, wenn damit eine Art vorsozialer „Existenz“ von Begriffen proklamiert wird, denn „es gibt im Bereich der Morphologie keinerlei andere Identität als die Identität einer Form in der Identität ihrer Gebrauchsweisen“ (FdS: WdS, S. 91). Weiterhin ist es nach Saussure „falsch zu meinen, es gebe <irgend>wo Formen <(die 13 für sich selbst)>, außerhalb ihres Gebrauchs existieren) <oder> irgendwo> Begriffe (<die für sich selbst>, außerhalb ihrer Repräsentation <existieren>)“ (ebd.). Diese „falsche“ Redeweise von Existenz drückt Saussure durch die Rede vom für sich selbst aus und entzieht selbiger die Berechtigung. Es hat dadurch den Anschein, als greife hier Saussure der Gebrauchstheorie Wittgensteins vor, wenn er die „Identität ihrer Gebrauchsweisen“ als die einzig vorstellbare Identität der Formen gelten lässt. Der Sprachwissenschaftler Saussure will jedoch im Gegensatz zu Wittgenstein theoretisch differenzieren – ohne dass diese Differenzierung in der sozialen Praxis aufrechterhalten werden könnte –, da die Begriffe Form, Zeichen, Bedeutung und lautliche Figur wichtige Instrumente seiner sprachwissenschaftlichen Theorie darstellen. Für Wittgenstein als dem Philosophen, der über Sprache auf einer Metaebene der sozialen Interaktion nachdenkt, ist es hingegen nicht nötig, diese differenzierten innersprachlichen Kategorien einzuführen, da von ihm die Bedeutung des Gebrauchs von Sprache als soziologisches Phänomen besonders betrachtet wird. Ein für Wittgenstein problematischer Akt innerhalb einer als Therapie fungierenden Philosophie ist sodann einer, in dem neue Bedeutungen durch Sprecher eingeführt werden, ohne auf das Gebrauchskorsett der Begriffe zu achten. Wittgenstein wählt für diesen Umstand den Begriff des Feierns: Denn die philosophischen Probleme entstehen, wenn die Sprache feiert. Und da können wir uns allerdings einbilden, das Benennen sei irgend ein merkwürdiger seelischer Akt, quasi eine Taufe des Gegenstandes. (LW: PU, §38) Es ist eine solche Bedeutungstaufe von Zeichen ex nihilo, welche das Sprachspiel zum Scheitern bringt, da verwendete Laute oder graphische Zeichen nicht sozial, sondern individuell oder monologisch mit Sinn befüllt werden können. Dass Wittgenstein zudem ganz allgemein und entpersonalisiert davon spricht, dass „die Sprache“ feiere und nicht die Sprechenden mit oder in der Sprache, scheint mir ein Verweis auf die seines Erachtens große Verbreitung dieses Phänomens des Feierns in der Philosophie zu sein. 14 2.2.a Identität mit sich selbst Für Saussure muss die erste (theoretische) Form der Identität, Identität mit sich selbst, praktisch aufgegeben werden, „weil es absolut unmöglich ist zu wissen, worum es sich handelt, außerhalb eines Blickpunkts, den man wählen muss.“ (FdS: LuS, S. 299). Die Bedeutung eines Begriffes wird also an einen Standpunkt (Blickpunkt) geknüpft, der vom Sprechenden, der sich als Subjekt innerhalb der sozialen Welt befindet, notwendiger Weise eingenommen wird: Man hat unrecht, wenn man sagt: Eine sprachliche Tatsache will von mehreren Gesichtspunkten aus betrachtet sein; selbst dann, wenn man sagt, bei dieser sprachlichen Tatsache werde es sich je nach Gesichtspunkt wirklich um zwei unterschiedliche Gegenstände [choses] handeln. Denn dann geht man von der Annahme aus, daß die sprachliche Tatsache außerhalb des Gesichtspunktes gegeben ist. Man muß sagen: Zu allererst gibt es Gesichtspunkte; <sonst> [ ] {und} ist es <schlicht> unmöglich, eine sprachliche Tatsache zu <erfassen>. (FdS: WdS, S. 77) Doch nicht nur die Bedeutung des Begriffes ist dadurch bestimmt. Der Begriff insgesamt, von Saussure im vorangegangenen Zitat als sprachliche Tatsache bezeichnet, konstruiert sich erst durch die Sinnzuschreibung aus einem Blickpunkt (Gesichtspunkt) heraus und ist losgelöst davon ein Produkt falschen Identitätsglaubens. Saussure unterscheidet dabei zwischen vier verschiedenen für ihn legitimen Gesichtspunkten, die eine genauere Betrachtung verdienen und sich auf die drei Arten der Identität beziehen lassen. Gesichtspunkt I bezieht sich dabei auf die Identität mit sich selbst, Gesichtspunkt II auf intersubjektive Identität und die Gesichtspunkte III und IV auf Identität in der Zeit. Ich beginne mit Blickpunkt I: I. Gesichtspunkt des Sprachzustandes für sich genommen, Nicht unterschieden vom Gesichtspunkt eines bestimmten Zeitpunkts […], […] [es folgt eine Aufzählung, MF] vom semiologischen Gesichtspunkt 15 […],[…] vom morphologischen <oder grammatischen> Gesichtspunkt […],[…] vom Gesichtspunkt der miteinander verbundenen Elemente. (Die Identitäten in diesem Bereich sind durch das Verhältnis von Bedeutung und Zeichen oder durch das Verhältnis der Zeichen untereinander festgelegt, was keinen Unterschied macht.) (ebd., S. 79 f.) Aus diesem ersten Gesichtspunkt (bzw. Standpunkt oder auch Blickpunkt) heraus wird eine Identitätsbeschreibung zum Ausdruck gebracht, die sich auf „für sich“ gleich bleibende Bedeutungen oder Zeichen bezieht. Dabei werden weder zeitliche (chronologische) noch semiologische (zeichentheoretische), noch formabhängige (morphologische) Unterscheidungen getroffen. Identität mit sich selbst kommt durch diesen ersten Blickpunkt somit für „das Verhältnis der Zeichen untereinander“ Bedeutung zu, denn um dieses Verhältnis untersuchen zu können, muss eine solche Identität postuliert werden. 2.2.b Intersubjektive Identität Die intersubjektive Identität wird durch den zweiten Gesichtspunkt in ihrer praktischen Bedeutung erläutert: II Gesichtspunkt der transversalen Identitäten, Nicht <unterschieden> vom diachronischen Gesichtspunkt […] vom phonetischen Gesichtspunkt […] vom Gesichtspunkt der isolierten Elemente (Die Identitäten in diesem Bereich sind <zuerst> <notwendig> durch die des vorhergehenden gegeben; werden aber danach <zur zweiten> Ordnung sprachlicher Identitäten, die nicht auf die vorhergehende zurückzuführen ist.) (ebd., S. 80) Das „Transversale“ Nichtzurückführbarkeit (Quere) von dieses einer Gesichtspunktes zweiten intersubjektiv besteht erlangten in seiner „Ordnung 16 sprachlicher Identitäten“ auf den ersten Gesichtspunkt, wobei dieser sich erst aus Identität mit sich selbst ergibt. Was ist aber mit einer zweiten Ordnung sprachlicher Identitäten gemeint? Saussure gibt an dieser Stelle nicht viele Hinweise. Im Sinne des Versuchs einer Herstellung von Kohärenz seines Gedankenganges macht es jedoch Sinn, diese zweite Ordnung als das durch den intersubjektiven Gebrauch in die Lebenswelt getretene Produkt der Identitätsbeschreibung mittels des ersten Gesichtspunktes zu deuten. Etwa analog zum Verhältnis von Theorie (I.) und Praxis (II.), in welcher die Praxis auf der Theorie aufbaut, aber darauf folgend eine eigenständige Sphäre bildet. Bezieht man dies auf unser Beispiel cantāre, so folgt aus Gesichtspunkt II, dass die intersubjektive Verwendungsweise von cantāre in der sozialen Lebenswelt mit all ihren Bedingungen diese zweite Ordnung ausmacht, die auf der in 1. Ordnung angenommenen begrifflichen Identität von cantāre mit sich selbst aufbaut, aber erst in zweiter Ordnung intersubjektiv an Dynamik gewinnt. 2.2.c Identität in der Zeit Die dritte theoretische Identität hängt schließlich mit den Perspektiven (Gesichtspunkten) III und IV zusammen, denn „<III und IV ergeben sich aus den legitimen Sichtweisen [ ] >“ (FdS: WdS, S. 80). Beginnen wir mit dem dritten Gesichtspunkt: III.<Anachronischer, künstlicher, gewollter> Gesichtspunkt […] Gesichtspunkt einer PROJEKTION einer Morphologie (oder eines ‚<früheren Sprachzustandes>’) auf eine Morphologie (oder auf einen anderen, <späteren> Sprachzustand. [schließende Klammer fehlt, MF] (Mittels der Untersuchung der transversalen Identitäten, II, zusammengenommen mit der morphologischen Untersuchung des ersten Zustandes – gemäß I, kann diese Projektion durchgeführt werden). (ebd.) Die entscheidende Frage bezüglich des dritten Gesichtspunktes muss sich um die Art der Beschreibung der von Saussure bewusst durch Großschreibung hervorgehobenen Projektion drehen. Wie schon in den Blickpunkten I und II sind seine Notizen, und deshalb wird auch von Notizen gesprochen, auch in diesem Punkt nicht gedanklich 17 abgeschlossen. Fehlende Satzzeichen sind ein weiterer formaler Beleg für die gedankliche Unabgeschlossenheit. Der dritte Gesichtpunkt ist eine Konsequenz aus einer legitimen Perspektiveinnahme der ersten beiden: Legitim, d.h. berechtigt, kann hier nur bedeuten: „den Umständen angemessen“, „adäquat“, jedoch als Rückschluss auf vorsoziale Identitäten von Begriffen keinesfalls „erlaubt“. Mit diesem „anachronischen, künstlichen und gewollten“ Gesichtspunkt werden Identitätszuschreibungen beschrieben, die sich stark auf das intendierte Herstellen von (Verwandtschafts-) Beziehungen zwischen Begriffen durch die Sprecher beziehen. Identität in der Zeit lässt sich aus diesem Gesichtspunkt heraus als etwas durch die Sprecher Projiziertes beschreiben, womit diese (kommunikative) Zwecke zu erreichen hoffen. Daran schließt der vierte Gesichtpunkt an: IV. <HISTORISCHER> Gesichtspunkt der <Festlegung> zweier <aufeinanderfolgender> Sprachzustände, jeweils zunächst für sich allein betrachtet und ohne einen den anderen unterzuordnenden, gefolgt von der Erklärung (ebd., S. 81) Dieser vierte, nach Saussure ebenso aus den ersten beiden legitimen Sichtweisen folgende, Gesichtspunkt betrifft die Identität in der Zeit in ihrem Kern. Aus diesem Gesichtspunkt heraus wird diese angenommen, um auch über verschiedene Zeitpunkte hinweg sich auf etwas Identisches beziehen zu können. Dabei gilt jedoch theoretisch: Was cantāre jetzt „ist“, wird es gleich nicht mehr „sein“, angenommen sein jetziges „Sein“ wäre im Sinne der Identität mit sich selbst jemals feststellbar gewesen. Diese konditionale Beziehung ist es, auf die Saussure mit seinem Sprechen über legitime Schlussfolgerungen zwischen den Gesichtspunkten hinaus will. Saussure resümiert sodann: [/3] Von diesen vier legitimen Gesichtspunkten (und wir gestehen, daß wir außerhalb derselben nichts anerkennen) werden allenfalls der zweite und der dritte kultiviert. [...] 18 Was dagegen <lebhaft> kultiviert wird, ist die beklagenswerte Verwechslung dieser unterschiedlichen Gesichtspunkte; (ebd.) Saussure macht deutlich, dass er sich des Umgangs mit Identitätskonstruktionen in der sozialen Welt bewusst ist. Unter „kultiviert“ muss m. E. an dieser Stelle „reflektiert“ verstanden werden, denn ähnlich wie bei Wittgenstein kommt durch Saussure im Weiteren ein therapeutischer Ansatz zum Tragen. Bei Wissenschaftlern, denen die verschiedenen praktischen Gesichtspunkte des Identitätsdenkens für ihre theoretische Arbeit nicht bewusst sind, erkennt dieser „einen wirklichen Mangel an Reflexion“ (ebd.), was zur Folge habe, dass sich dieses falsche, „beklagenswerte“, Denken „bis in Werke hinein, die höchsten wissenschaftlichen Anspruch erheben“ (ebd.), fortsetzt. Saussure gelingt es allein durch diesen ersten Punkt, wichtige Axiome positivistischer Wissenschaft aus den Angeln zu heben: Denn die als absolut aus der Wirklichkeit ablesbar, objektiv vorgestellte, Begriffsbedeutung ist nunmehr durch den Sprechenden und seine Verortung in der Lebenswelt (später wird Husserl diesen Begriff prägen) mitbestimmt. Wenn ein Sprecher cantāre gebraucht, hat er somit Einfluss auf die SinnForm des Begriffs. Und verwendet er den Begriff dabei aus einer der vier legitimen Blickpunkte heraus, ist für Saussure die Möglichkeit gewahrt, das falsche Identitätsdenken theoretisch wieder einholen zu können. Daraus folgt, dass der Gebrauch von Begriffen für dieselben konstituierend ist, wodurch Saussure mit Wittgensteins Theorie in diesem Punkt übereinstimmt. 3. Kontrastive Analyse - Identität bei Wittgenstein In Wittgensteins Theorie ist die Bedeutung eines Begriffs durch seinen Gebrauch im Sprachspiel allumfassend erklärt, im Gegensatz zu Saussures Theorie, die ihr begriffliches Werkzeug für die Erklärung aus der Unterscheidung theoretisch möglicher Identitäten und legitimer Blickpunkte entnimmt. Was sodann innerhalb eines einzelnen Sprachspiels passiert, hängt jedoch von der jeweiligen Rolle eines Begriffs ab: „Die Bedeutung eines Ausdrucks lässt sich demnach nur angeben, indem man die Rolle in einem Sprachspiel beschreibt“ (Schmidt 2005, S. 242). Schmidt bezieht sich an dieser Stelle auf §21 der Philosophischen Untersuchungen und hebt Wittgensteins 19 Verwendung des Begriffs der Rolle hervor, der sowohl Funktion als auch Konvention in sich einschließt und damit eine Brücke zwischen deskriptiver Sprachwissenschaft (Frage: was passiert im Sprachspiel?) und normativen Sozialwissenschaft bzw. Philosophie (Frage: wie sollte in den Sprachspielen der Gesellschaft gesprochen werden?) schlägt. Wittgenstein beschreibt dies anhand der Zwecke und Intentionen, nach denen man Dinge kategorisiert: Wie wir aber die Worte nach Arten zusammenfassen, wird vom Zweck der Einteilung abhängen,- und von unserer Neigung. Denke an die verschiedenen Gesichtspunkte, nach denen man Werkzeuge einteilen kann. Oder Schachfiguren in Figurenarten. (LW: PU, §17) Die Rolle ist es somit, welche bei Wittgenstein die Funktion des Gesichtspunktes bei Saussure einnimmt. Ihr funktionaler und konventionaler Charakter stellen dar, was bei Saussure die Notwendigkeit zur Einnahme einer Perspektive darstellt. Das teleologische Tun-als-ob es begriffliche Identitäten gebe, wird somit bei Saussure über den Blickpunkt und bei Wittgenstein über den Begriff der Rolle legitimiert. Beide geben auf theoretischer Ebene das Denken in Identitäten jedoch auf. Mit Wittgenstein könnte sodann Saussures Auflistung dreier Formen theoretisch möglicher Identitäten von Begriffen als nutzlos beschrieben werden, da alle drei überhaupt Identitäten behaupten. Dabei ließen sich die Identitätsannahmen aus den verschiedenen Blickpunkten auch als Sprachspiele auffassen, doch ist mit Wittgenstein die Redeweise von Identitäten m. E. an sich unangebracht, da Wittgenstein mit dem Identitätsdenken grundlegend brechen will. Wittgenstein demaskiert sodann die erste Form der Identität (Identität mit sich selbst) radikal durch die Grundhypothese der Philosophischen Untersuchungen, was er anhand von Augustinus Sprachtheorie und seiner Abbildtheorie der Bedeutung deutlich macht: Augustinus beschreibt, könnten wir sagen, ein System der Verständigung; nur ist nicht alles, was wir Sprache nennen, dieses System. (LW: PU, §3) 20 Bedeutungen von Wörtern in der Sprache können nach Wittgenstein nicht einfach auf ihre Funktion als Mittel der Verständigung reduziert werden. Tut man dies, und Augustinus behauptet es zumindest zu tun, unterstellt man gleichzeitig eine quasi mechanische Verwendungsweise von Begriffen. Dies gleicht einfacher Kommunikationsmodelle, die durch den wittgensteinschen Einwand aber doch eher an binäre Informatik als an menschliche Sprache erinnern: Person A sendet gedankliche Inhalte (transformiert in Sprache) zum Empfänger, Person B, welche diese wieder in gedankliche Information umwandelt. In diesem idealtypischen Kommunikationsmodell, welches in Zusammenhängen, die rein mechanisch funktionieren, seine Berechtigung finden kann8, werden der für Wittgenstein so wichtige Gebrauch von Sprache und damit einhergehend, die ihn umgebende soziale Welt außer Acht gelassen. An einer weiteren Stelle wird dieser Gedankengang gestützt: Das Paradox [der Ungleichheit von Sinn und Form, MF] verschwindet nur dann, wenn wir radikal mit der Idee brechen, die Sprache funktioniere immer auf eine Weise, diene immer dem gleichen Zweck: Gedanken zu übertragen – seien diese nun Gedanken über Häuser, Schmerzen, Gut und Böse, oder was immer. (ebd., §304) Denn dass das Sender-Empfänger-Informationsumwandlungsmodell funktioniert, unterstellt erstens eine bereits bestimmbare Information, zweitens eine regelhafte Transformation in Sprache, drittens eine ebenso regelhaft von statten gehende Rücktransformation in gedankliche Information (Wissen) und lässt viertens keinen Raum, um Situationskontexte von Kommunikation angemessen berücksichtigen zu können. „Ein ‚innerer Vorgang’ bedarf äußerer Kriterien“ (§580) schreibt Wittgenstein und nimmt dadurch Bezug auf das Verhältnis von Bewusstsein und (Um)welt. Der Hauptkritikpunkt greift jedoch tiefer: Was dem Kommunikationsmodell das Fundament raubt, ist die Subjektivität, und damit soll das von Christian Wolff kreierte und für uns selbstverständlich gewordene Kunstwort „Bewusstsein“ gemeint sein. 8 So wie alle Modelle durch ihren Anwendungsbereich bestimmt und vom wissenschaftlichen Subjekt ihrer Adäquatheit gemäß abgewogen werden müssen und nicht die Wirklichkeit selbst sein können. 21 Die Menschen sagen übereinstimmend: sie sehen, fühlen, etc. (wenn auch Mancher blind und Mancher taub ist). Sie bezeugen also von sich, sie haben Bewußtsein. (ebd., §416) Gerade durch den selbstverständlichen Umgang mit Sprache verlieren die Sprecher die Bewusstheit vom eigenen Bewusstsein und somit die Möglichkeit, den Eigenen Blickpunkt zu reflektieren. Ein Glaube an Identitäten lässt sich mit Wittgenstein daher als ein Defizit an (philosophischem) Bewusstsein beschreiben. Dieses Defizit wird aufgehoben, wenn das Sprachspiel als der bedeutungskonstituierende Raum von Begriffen erkannt wird: Wir führen die Wörter von ihrer metaphysischen, wieder auf ihre alltägliche Verwendung [im Sprachspiel, MF] zurück. (ebd., §116) Die Bedeutung von cantāre konstituiert sich somit erst durch das Vorhandensein und Verwendetwerden in der Welt. Eine Identität mit sich selbst kann demnach nicht gedacht werden, da ein solches Sprechen eine metaphysische Sphäre schafft, die Wittgenstein gerade umgehen will. Intersubjektive Identitäten und Identität in der Zeit können mit den gleichen Argumenten Wittgensteins abgelehnt werden, da die Argumentation das Sprechen über Identitäten allgemein betrifft. Die von Saussure aufgezählten legitimen Blickpunkte sind von Wittgenstein in seinem Postulat des Sprachspiels mit aufgenommen. Denn das Sprachspiel gestaltet sich als ein Spiel aus verschiedenen Perspektiven. Bedingung für das Gelingen ist lediglich das Beziehen der Sprechenden auf ähnliche Sprachspielregeln, so dass die Differenz zwischen Meinen und Sagen im Falle des Missverstehens eingeholt werden kann. Der Begriff Identität wird nicht benötigt. Wittgensteins Philosophie ist deshalb Therapie: Heilung der Essentialisierung von Begriffen, Heilung der Idealisierung von Begriffen und Heilung des Identitätsdenkens durch Relativierung und Kontextualisierung. In dem gescheiterten Tractatus logicophilosophicus versuchte er, das Essentielle, Ideale und Kontextlose in Sprache zu 22 finden, um das Denken zu befrieden; in den „Philosophischen Untersuchungen“ ist es nun das Bewusstwerden des notwendigerweise relativen Denkens, das diesen geheilten Zustand erreicht. Wittgenstein vollzog in seinem Denken zudem den Schritt hinein in die Gesellschaft, in der die Sprache gerade durch ihre intersubjektive Dynamik ihre größte Kraft, auch für das Denken, entwickelt. 4. Fazit Es soll gezeigt worden sein, dass den Sprachtheorien Wittgensteins und Saussures in den aktuell hoch aufgeladenen Debatten um die Verortung von Gesellschaftsmitgliedern, denen eine andere Identität als eine „abendländische“ zugesprochen wird, Relevanz zukommen kann. Denn während auf der einen Seite Amin Maalouf in seinem Essay „Mörderische Identitäten“ versucht, den vereinfachten Identitätszuschreibungen durch ein Plädoyer für das Erkennen von Komplexität zu begegnen, kann mit den Sprachtheorien des „authentischen“ Saussure und des „späten“ Wittgenstein der Begriff Identität generell als problematisch herausgestellt werden. Da sich die Auseinandersetzung mit den Nachlassschriften des „authentischen“ Saussure schwierig und teilweise auch verwirrend darstellte, ist es meiner Ansicht nach sinnvoll und legitim, die in dieser Arbeit herausgestellten Ergebnisse für eine bessere Übersicht anhand aufeinander aufbauender Thesen summarisch wiederzugeben: 1. Die Theorie des Philosophen Wittgenstein benennt das widerspruchsfreie Denken des Bürgertums als das zentrale gesellschaftliche Problem seiner Zeit; Saussure entlarvt in seiner Sprachtheorie selbiges Denken anhand der für ihn „erstaunlichen“ Bedingtheit des Individuellen durch das Allgemeine. 2. Für den authentischen Saussure lässt sich ein Zeichen nicht in Form- und Sinnwelt trennen. Stattdessen ist dieses unteilbar im Sinne einer Form-Sinn-Welt bzw. Sinn-Form-Welt; Wittgenstein, als nicht sprachwissenschaftlich agierender Philosoph, benötigt diese Termini nicht, da sein Sprachspiel als soziale Praxis von einer Metaebene aus beschreibend ist. 3. Was der Saussure des Cours entlang der Trennlinie zwischen Sinn und Form beschrieb, wird durch den authentischen Saussure durch den Begriff des Blickpunktes eingeholt. Durch diesen wird die Betrachtung von Begriffen aus 23 der Sinn- bzw. Formperspektive möglich, ohne zugleich eine Trennung beider Welten zu behaupten; für Wittgenstein ist dieser Blickpunkt innerhalb des Sprachspiels mitbedacht, da erst eine Perspektiveinnahme die Nachvollziehbarkeit der Sprechenden und das Aufeinanderbezugnehmen im Sprachspiel ermöglicht. 4. Das Zeichen als Form-Sinn-Konstruktion ist für den authentischen Saussure stets dynamisch, so dass dreierlei theoretisch mögliche Identitätsbehauptungen von Begriffen (Identität mit sich selbst, intersubjektive Identität und Identität in der Zeit) in der sozialen Praxis nicht aufrechterhalten werden können; in Wittgensteins Theorie ist die Behauptung begrifflicher Identitäten funktionslos. 5. Identität mit sich selbst ist für Saussure nicht gegeben, da es keine Zeichen gibt, die außerhalb ihres Gebrauchs existieren; Wittgenstein stimmt dem zu. 6. Intersubjektive Identität ist für Saussure nicht gegeben, weil der vom Sprechenden eingenommene Blickpunkt die dynamische Sinn-Form von Begriffen bestimmt; bei Wittgenstein ist es das Wissen um die Regeln des Sprachspiels, welches das Gelingen desselben bzw. Verstehen möglich macht. Dafür wird hingegen keine Annahme intersubjektiver Identität von Begriffen benötigt. 7. Identität in der Zeit ist durch die Dynamik der Zeichentheorie für Saussure auch chronologisch nicht haltbar; Wittgensteins Sprachspiel kennt dahingehend nur seinen eigenen zeitlichen Rahmen, in dem Identitätsannahmen ebenfalls nicht notwendig sind. 8. Die von Saussure als legitim herausgestellten Blickpunkte, welche sich entlang der drei theoretisch möglichen Identitätsannahmen ausrichten, schließen die soziale Praxis in seine sprachwissenschaftliche Theorie mit ein, da der Blickpunkt den Gebrauch von Begriffen zur Folge hat und sich auch erst aus diesem heraus rekonstruieren lässt; bei Wittgenstein ist es der Begriff der Rolle, mit welchem, ähnlich wie bei Saussures Blickpunkt, sowohl die Funktion von Begriffen im Sprachspiel als auch ihre Befüllung mit Sinn erklärt werden können. 9. Sowohl Saussure als auch Wittgenstein lehnen die Behauptung begrifflicher Identitäten ab. Während der authentische Saussure das Denken entlang begrifflicher Identitäten in der sozialen Praxis durch den Blickpunkt legitimiert, ist dies für Wittgenstein allenfalls implizit durch das Sprachspiel der Fall, in 24 welchem Identitätsannahmen aus dem Vollzug des Verstehens als legitim geschlossen werden könnten. Für beide Theoretiker ist somit der Gebrauch von Begriffen (im Sprachspiel bzw. aus einem Blickpunkt heraus) für eine Theorie der Bedeutung entscheidend. Abschließend auf den Untertitel dieser Arbeit rekurrierend lässt sich m. E. daher behaupten, dass benachteiligende Identitätskonstruktionen von Personen innerhalb gesellschaftlicher Diskurse mit Wittgenstein und Saussure theoretisch hinterfragt werden können. Ihr praktisches Zustandekommen innerhalb der intersubjektiven und institutionellen Sprachspiele könnte sodann rekonstruiert und für eine zukünftige reflexiv-widerspruchsvolle Praxis fruchtbar gemacht werden. 25 Literatur Bourdieu, Pierre (1982): Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt a. M. Keller, Reiner (2011): Diskursforschung. Wiesbaden. Maalouf, Amin (2003): Mörderische Identitäten. Frankfurt a. M. Saussure, Ferdinand de (2003): Linguistik und Semiologie. Frankfurt a. M. Saussure, Ferdinand de (2003): Wissenschaft der Sprache. Frankfurt a. M. Saussure, Ferdinand de (20013): Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft. Berlin. Schmidt, Stefan (2005): Die Herausforderung des Fremden. Interkulturelle Hermeneutik und konfuzianisches Denken. Darmstadt. Wittgenstein, Ludwig (2003): Philosophische Untersuchungen. Frankfurt a. M. Wittgenstein, Ludwig (20095): Logisch-philosophische Abhandlung. Tractatus-logico philosophicus. Frankfurt a. M. 26