Bündner Wald Jahrgang 67 | Oktober 2014 Geologie BUWA1405_001 1 03.10.14 10:52 Inhalt Geologie Editorial.................................................. 4 Das Ende des Lüschersees.......................... 44 4800 Millionen Jahre Bündner Wald............ 5 Von einem, der auszog, um von den Erdbeben, Massenbewegungen Steinen zu lernen...................................... 48 und Schutzwald........................................ 10 Keine Vergiftung unserer Böden durch Die Alpen – gestapelte Gesteinsdecken...... 14 Erdgasförderung........................................ 53 Graubündens Bodenschätze unter Protokoll der SELVA- der Lupe................................................... 19 Generalversammlung 2014........................ 55 Kristalle und Mineralien aus Böschungsstabilisierungssysteme erneut Graubünden.............................................. 26 auf dem Prüfstand..................................... 61 Radon in Graubünden............................... 29 Vorschau «Bündner Wald» Geothermie in Graubünden....................... 33 Dezember 2014......................................... 63 Geologieausstellung im Bündner Naturmuseum........................................... 40 Titelbild: Trittsiegel von Prosauropoden am Piz dal Diavel. (Bild: Schweizerischer Nationalpark / Hans Lozza) Bild Inhaltsverzeichnis: Längs- und Querschnitte eines Korallenstocks vom Murtersattel. (Bild: Schweizerischer Nationalpark / Hans Lozza) Bündner Wald 5 /2014 3 BUWA1405_003 3 01.10.14 08:41 4800 Millionen Jahre Bündner Wald Die Fotosynthese verwandelte die Erde einst in ein Kühlhaus. (Bild: M. Weidmann) Wenn man in geologischen Zeiträumen unfassbare viertausendsechshundert Millionen Jahre zurückblickt in die Zeit, als das Weltall die Erde gebar, blickt man auch zurück zu den Anfängen des Lebens, denn dieses ist mit der Entwicklung der Erde untrennbar verknüpft. Im Folgenden blicken wir zurück zum fundamentalen Anfang des Bündner Walds, zur «Erfindung» der Fotosynthese. Danach werfen wir einen Blick in die Zukunft – zum unausweichlichen, definitiven Ende des Bündner Walds, das die Erdwissenschaften schon heute recht klar voraussagen können. Treibhauseffekt und Fotosynthese Vor rund vier Milliarden Jahren bestand die Gashülle der Erde aus Gasen, welche die Vulkane in den Himmel husteten: Wasserdampf, CO2, Schwefelwasserstoff sowie Spuren von Stickstoff, Wasserstoff, Kohlenstoffmonoxid, Helium, Methan und Ammoniak (freien Sauerstoff gab es damals noch nicht). Diese Gashülle erzeugte einen natürlichen Treibhauseffekt, welcher die Erdoberfläche bereits damals so stark erwärmte, dass das Wasser in flüssiger Form vorlag. Damit schuf der Treibhauseffekt eine fundamentale Voraussetzung für die Entstehung und Entwicklung des Lebens – die Sonne allein hätte die Erde nicht über den Gefrierpunkt hinaus zu erwärmen vermocht. Vor rund 3,8 Milliarden Jahren «erfanden» Mikroorganismen die Fotosynthese, bei der als Abfallprodukt Sauerstoff entsteht. Diese biologische Innovation breitete sich in den Ozeanen während Jahrmillionen so stark aus, dass es vor rund 2,4 Milliarden Jahren zur «Grossen Sauerstoff-Katastrophe» kam: Von diesem Zeitpunkt an trat Sauerstoff in Flüssen, Meeren und in der Atmosphäre in freier Form (O2) auf. Warum bezeichnet man diese Entwicklung als «Katastrophe»? Einerseits deshalb, weil freier Sauerstoff für die anaeroben Lebewesen, die damals die Erde bevölkerten, tödlich war. Aus ihrer Sicht war die Freisetzung von Sauerstoff nichts anderes als eine globale Umweltverschmutzung, die ihr Massenaussterben zur Folge hatte. Andererseits war es deshalb eine Kata­ strophe, weil der Entzug von CO2 aus der Atmosphäre und die gleichzeitige Freisetzung von Sauerstoff in die Atmosphäre den wärmenden Treibhauseffekt zunehmend abschwächten. So begann vor rund 2,3 Milliarden Jahren eine globale Eiszeit, welche vermutlich mehrere Hundert Millionen Jahre dauerte. Sie war so intensiv, dass die Ozeane vollständig zufroren – die Erde erschien aus der Ferne betrachtet wie ein überdimensionaler Schneeball. Bündner Wald 5 /2014 5 BUWA1405_005 5 01.10.14 08:48 Dieser durch die Entwicklung des Lebens ausgelöste Beinahe-Kollaps des Treibhauseffekts vor 2,3 Milliarden Jahren ist kein Einzelfall. Mehrmals liessen weitere umwälzende Entwicklungen den Treibhauseffekt einbrechen und die Kälte sich ausbreiten. Zum Beispiel damals, als vor rund 700 Millionen Jahren die ersten mehrzelligen Pflanzen entstanden. Oder damals, als sich vor rund 400 Millionen Jahren aus den Wasserpflanzen die ersten einfachen Landpflanzen entwickelten. Karbon, Kohle, Kälte Und auch damals im Karbon-Zeitalter (vor 355 bis 300 Millionen Jahren), als es zu einer gewaltigen Ausbreitung der Biosphäre auf dem Festland kam; damals, als sich die riesigen Wälder des Karbons entwickelten, kam die Kälte. Denn zu dieser Zeit wurde in riesigen Kohlelagerstätten dermassen viel organischer Kohlenstoff gespeichert, dass die CO2-Konzentration in der Atmosphäre auf niedrige Werte absank, und die Wirksamkeit des Treibhauseffekts nachliess. In der Folge kam es zu einer ausgedehnten Vereisung der damaligen Südkontinente Australien, Indien, Antarktis, Afrika und Südamerika. Essenz dieses Rückblicks in die letzten 3,8 Milliarden Jahre: Mit der Fotosynthese kam der Sauerstoff, eine globale Umweltverschmutzung, ein Massenaussterben eine globale Eiszeit. Beinahe wurden die Lebewesen, die Fotosynthese betrieben, ein Opfer der Veränderungen, die sie auslösten. Evolutiv nachfolgende Lebensformen entdeckten das Abfallprodukt Sauerstoff als Rohstoff, mit dem sich gut leben lässt. Wir gehören auch zu diesen Lebensformen. Wir atmen den Sauerstoff ein, atmen CO2 als Abfallprodukt aus, und sind dem Bündner Wald dankbar, dass er als «Grüne Lunge» aus dem CO2 wieder Sauerstoff produziert. Eine klassische Win-win-Situation. Der natürliche Treibhauseffekt hat glücklicherweise alle umwälzenden Veränderungen des Lebens auf der Erde «überlebt» und ist noch heute aktiv. Ohne seine wärmende Wirkung würde die globale Mitteltemperatur statt plus 15 minus 18 Grad Celsius betragen. Die Tatsache, dass die «Lebensform Mensch» mit dem Abfallprodukt CO2 den Treibhauseffekt zurzeit verstärkt, ist ein spannender Kontrast zur Tatsache, dass andere Lebensformen in der Vergangenheit den Treibhauseffekt beinahe zum Erliegen brachten, indem sie der Atmosphäre CO2 entzogen. Die Wiedergeburt der Gletscher Wenn wir nun den Blick in die geologisch ferne Zukunft wenden, wird das bisschen menschgemachte CO2 irrelevant. Wilfried Haeberli, Professor am Geographischen Institut der Universität Zürich, schreibt 2004: «Das System Erde wird rund 50 000 Jahre brauchen, um den Einfluss des im 20. und Landpflanzen des Karbons. (Bild: aus Meyers Konversations-Lexikon, 1885-1890) 6 BUWA1405_006 6 01.10.14 08:48 21. Jahrhundert anthropogen verstärkten Treibhauseffekts auszubalancieren.» Das heisst: Bereits in geologisch sehr kurzer Zeit geht das Klima wieder den gewohnten eiszeitlichen Gang, den es vor rund 2,7 Millionen Jahren eingeschlagen hat. Wilfried Haeberli: «Innerhalb der nächsten Million Jahre ist mit mehreren Kaltzeiten von der Dimension und Charakteristik jungpleistozäner Glaziale zu rechnen.» In geologischer Bälde werden also die wiederauferstandenen Gletscher die Nachkommen der heutigen Bündner Bäume aus den Bergen vertreiben, so wie sie es in den letzten Millionen Jahren mit den Vorfahren der heutigen Bäume taten. Langfristig werden die Gletscher aber definitiv aussterben. Und langfristig werden die Nachkommen der Bündner Bäume unter etwas ganz anderem leiden als unter eiszeitlicher Kälte. Peter Ward, Professor für Paläontologie an der University of Washington in Seattle: «Der langfristige – und finale – Rückgang an atmosphärischem CO2 hat bereits begonnen. Der gegenwärtige Anstieg durch das Verheizen fossiler Brennstoffe ist ein bedeutungsloser Zacken in einer Kurve, die gnadenlos abwärts verläuft.» Gnadenlos weniger CO2. Und: Gnadenlos heisser. Dies sind die zentralen Probleme, die geologisch langfristig auf den Bündner Wald und die Bündner Gletscher zukommen. Weshalb? Die Sonne: Ende allen Lebens Die Sonne wird immer grösser, immer strahlender. Seit ihrer Geburt vor viereinhalb Milliarden Jahren hat sich ihre Energie-Einstrahlung auf die Erde um einen Drittel erhöht. Diese Zunahme wird auch in Zukunft anhalten. Mit einschneidenden Folgen: Auf der Erde wird es immer wärmer. Gestein verwittert zunehmend rascher. Dieser Verwitterungsprozess entzieht der Atmosphäre zunehmend rascher CO2. Die Fotosynthese verschärft diesen Prozess. In rund 800 bis 1000 Millionen Jahren ist Endzeit. Nicht nur für den Bündner Wald, sondern für alle Pflanzen auf diesem Planeten. Entweder deshalb, weil es dann in der Atmosphäre nicht mehr genug CO2 für die Fotosynthese geben wird. Oder deshalb, weil die globale Oberflächentemperatur über der für höhere Lebensformen kritischen Grenze von dreissig Grad Celsius liegen wird. Die Pflanzen werden also entweder an CO2-Mangel zugrunde gehen, an Hitze oder an beidem. Ohne Pflanzen wird es keinen Sauerstoff mehr geben und auch keine Biomasse. Mit den Pflanzen werden also auch die Tiere zugrunde gehen. ANZEIGE Schrift 7 Absatz 9 li/re 3 mm STIHL MotoMix – der schadstoffarme Kraftstoff für 2-Taktund 4-MIX Motoren STIHL MS 461 Die neue Kraft für Forst- und Landwirtschaft Volle Power für die Holzernte. Mit der STIHL MS 461 haben Sie den perfekten Partner für extreme Belastungen an Ihrer Seite. 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In etwa 1,2 bis 1,3 Milliarden Jahren wird dieser Wert überschritten; dann werden auch sie aussterben. In etwa 1,6 Milliarden Jahren ist dann auch für die letzten, zähesten Lebensformen, die sich am Grunde der Ozeane eine Überlebensnische einrichten konnten, Endzeit. Denn dann wird die Temperatur einen globalen Mittelwert von sechzig bis siebzig Grad Celsius erreichen. Die Ozeane werden zu verdunsten beginnen. Die Luftfeuchtigkeit wird ansteigen. Je grösser die Menge an Wasserdampf in der Atmosphäre, desto heisser ist es, und desto schneller verdunsten die Ozeane. So lange, bis sie ausgetrocknet sind. Nun wird die Oberflächentemperatur rund 250 Grad Celsius betragen. In etwa dreieinhalb bis sechs Milliarden Jahren wird es an der Erdoberfläche voraussichtlich über tausend Grad Celsius heiss sein – so heiss, dass die steinerne Haut der Erde zu schmelzen beginnt und Lava-Ozeane entstehen. Die Erde wird sich durch diese infernalische Hitze nicht aus der Ruhe brin- (Quelle: Wikipedia) gen lassen – denn schon heute sind 99 Prozent des Erdinnern heisser als 1000 Grad. Fazit Vor rund 3,8 Milliarden Jahren «erfanden» Mikroorganismen die Fotosynthese. Vor rund 300 Millionen Jahren brachte die Evolution die Samenpflanzen hervor – und damit die ersten Vorfahren des Bündner Walds. Vor 270 Millionen Jahren entstanden die Nadelbäume, und vor rund 100 Millionen Jahren entwickelten sich die Laubbäume. Davon ausgehend, dass in rund 800 bis 1000 Millionen Jahren definitiv Endzeit ist für die Pflanzen, ergibt sich eine Zeitspanne von rund 4800 Millionen Jahren Bündner Wald. Ein unfassbarer, unwirklicher, philosophischer Zeitraum. Ein 4800 Millionen Jahre alter Baum hätte einen Durchmesser von 9600 Kilometern, davon ausgehend, dass jeder Jahresring ein Millimeter breit ist. Im Vergleich dazu wäre ein Baum, der das Alter der Cheopspyramide repräsentiert, gerade mal 9,4 Meter dick. 8 BUWA1405_008 8 01.10.14 08:48 Doch nicht die Zeit zählt, sondern der extreme Wandel, welcher während dieser 4800 Millionen Jahre stattfindet. Das Wissen um diesen Wandel ermöglicht eine atemberaubende Gesamtschau auf die Entwicklung des Bündner Walds. Die Tatsache, dass wir Menschen zurzeit eine «langfristig nachhaltige Nutzung des Walds» anstreben, zeigt, wie unerwartet facettenreich dieser Wandel ist, wenn man von der Milliarden-Jahre-Gesamtschau ins Detail hineinzoomt. Quellen: – Christine Bounama, Werner von Bloh, Siegfried Franck: Das Ende des Raumschiffs Erde. Spektrum der Wissenschaft, Oktober 2004 –P eter Ward: Gaia’s böse Schwester. Spektrum der Wissenschaft, November 2009 – Wilfried Haeberli: Eishaus + 106a. Zu Klima und Erdoberfläche im Zürcher Weinland während der kommenden Million Jahre. April 2004 – Schutzgemeinschaft Deutscher Wald: Waldwissen. – Wikipedia Markus Weidmann Dipl. Natw. ETH (Geologe) Büro für erdwissenschaftliche Öffentlichkeitsarbeit, Chur [email protected] ANZEIGE Bündner Wald 5 /2014 9 BUWA1405_009 9 01.10.14 08:48 Graubündens Bodenschätze unter der Lupe Bodenschätze bilden die Basis unserer Gesellschaft: Alles, was nicht kultiviert oder gezüchtet werden kann, muss aus der Erde abgebaut werden. Welche Bodenschätze gibt es im Kanton Graubünden und welche werden genutzt? Wie wird bei der Rohstoffgewinnung in Graubünden Rücksicht auf die Umwelt genommen und werden sogar Rohstoffe aus Abfällen zurückgewonnen? Nebst der Industrie sind auch der Tourismus und das Kunstgewerbe auf Bodenschatzsuche. Was sind Bodenschätze? Bodenschätze sind mineralische Rohstoffe, die Grundlage unseres täglichen Lebens sind. Beispiele reichen von Beton über Salz, Kalk in Zahnpasta bis zu Kupfer in Mobiltelefonen oder Autos. Als mineralische Rohstoffe werden Minerale oder Gesteine (Mineralgemische) verstanden, die aus dem Untergrund gewonnen und aufbereitet werden. Oft werden vier Gruppen von mineralischen Rohstoffen unterschieden: Metalle, Industrieminerale, Energierohstoffe sowie Steine und Erden. Metalle können in elementarer Form auftreten, häufiger jedoch werden sie aus metallhaltigen Gesteinen, sogenannten Erzen, gewonnen. Industrieminerale lassen sich mit nur wenig technischer Aufbereitung direkt nutzen; Salz und Gips sind Beispiele. Energierohstoffe umfassen Erdgas, Erdöl oder Kohle. Die mengenmässig wichtigste Gruppe, die Steine und Erden, bezeichnen Rohstoffe aus Lockergesteinen (z. B. Sand, Kies) oder Festgesteinen (z. B. Schotter, Ton oder Kalk) und sind vor allem für die Bauindustrie von Bedeutung. Mineralische Rohstoffe sind in menschlichen Zeiträumen nicht erneuerbar. Sie bilden sich im Laufe der Erdgeschichte durch geologische Prozesse und erneuern sich über geologische Zeiträume, also über Jahrmillionen. Die Geologie bestimmt das Angebot Um Rohstoffe zu fördern, müssen zwei Bedingungen gegeben sein: Einerseits muss der Rohstoff in der Natur vorkommen und andererseits technisch erreichbar und rentabel abbaubar sein. Vorkommen mineralischer Rohstoffe sind generell stark an die regionale Geologie gebunden. Die Gesteinsvielfalt in Graubünden ist gross, da während der Alpenbildung verschiedene Gesteine zusammengepresst wurden. Im Vergleich zu anderen Weltregionen, wo über hunderte Kilometer dasselbe Gestein den Untergrund bilden kann, sind die Gesteinspakete in den Alpen komplex gelagert, verfaltet und in kleinräumige Stücke zerbrochen. Deshalb gibt es in Graubünden zwar viele Rohstoff-Vorkommen, jedoch nicht alle verfügen über die nötige Menge, Konzentration oder Qualität, um zu rentieren. Der Staat regelt die Nutzung Mit Ausnahme der Steine und Erden, die dem Grundeigentum zugeschrieben werden, sind mineralische Bodenschätze öffentlich und deren Nutzungsrechte liegen bei den Kantonen. Lediglich Graubünden überträgt diese Rechte den Gemeinden. An welchem Ort Rohstoffe abgebaut werden können, wird durch den kantonalen Richtplan festgelegt. Dieser strebt bei Materialabbau und -­ verwertung aus volkswirtschaftlichen und umweltrelevanten Gründen eine möglichst regionale Selbstversorgung an (Richtplan Kanton Graubünden 2009 ). Vor allem Steine und Erden sind als Baurohstoffe für die Talschaften von grosser wirtschaftlicher Bedeutung und gleichzeitig als «Massenrohstoffe mit beschränkter Wertschöpfung» auf kurze Transportdistanzen angewiesen. Soweit Graubündens elf Re­gionen geeignete Ressourcen aufweiBündner Wald 5 /2014 19 04_Mineralische_Rohstoffe_in_GR.indd 19 03.10.14 08:32 sen, sollen diese Potenziale langfristig für den Abbau sichergestellt werden (Richtplan Kanton Graubünden 2009 ). Umwelt, Gewässer, Natur- und Heimatschutzgesetz auf Bundesebene setzen weitere Rahmenbedingungen zur Standortwahl von Abbaustellen. heute nationale, kantonale und kommunale Schutzobjekte sowie raumplanerische Interessen in der Projektplanung berücksichtigt werden. Ziel der nachhaltigen Planung eines Abbaustandortes sind Lösungen, die von allen Interessengruppen getragen werden können (Bärtschi 2010 ). Nutzungskonflikte Die Eröffnung neuer Abbaustandorte verläuft selten reibungslos. Durch die Ansprüche, die verschiedene Interessengruppen wie Abbauunternehmen, Landwirtschaft, Umweltschutzverbände, Gemeinde oder Anwohner an einen Standort stellen, entstehen oftmals Nutzungskonflikte. Konflikte mit Waldnutzungen sind ein Beispiel. Während Abbauvorhaben noch vor einigen Jahrzehnten ohne grosse Einschränkungen durchgeführt werden konnten, müssen Wie nutzt Graubünden seine Bodenschätze? Schon seit der Steinzeit werden in Graubünden Bodenschätze genutzt. Während früher nebst Bausteinen auch Erze gewonnen wurden, spielen heute Steine und Erden die wichtigste Rolle. Kies und Sand (rund 1 Mio. m3 pro Jahr) sowie Kalk und Mergel für die Zementproduktion (ca. 0.65 Mio. m3 pro Jahr) sind klare Spitzenreiter. Gut 50 000 m3 Festgestein werden jährlich als Naturwerkstein, Schotter, Splitt oder für Aktuelle Abbaustellen von Fest- und Lockergesteinen sowie bedeutendere historische Erzabbaustellen im Kanton Graubünden. (Grafik: Schweizerische Geotechnische Kommission SGTK, 2014) 20 04_Mineralische_Rohstoffe_in_GR.indd 20 03.10.14 08:32 spezielle Zwecke verwendet. Rund 20 000 m3 Lehm werden pro Jahr für die Ziegel- und Backsteinproduktion gefördert (Richtplan Kanton Graubünden 2009 ). Energierohstoffe sowie Industrieminerale werden in Graubünden derzeit nicht abgebaut. Kies wie Sand am Meer Als wichtigster Zulieferer der Bauwirtschaft zählt die Sand-, Kies- und Betonbranche zu den existenzsichernden Bereichen der Volkswirtschaft. Die weitaus grösste Menge an Kies und Sand wird zur Herstellung von Beton verwendet. Weiter werden Sand und Kies sowie aus Grobkies gebrochener Splitt als Untergrund für Strassen und Wege eingesetzt. Rund 80 % gehen in den Tiefbau, 20 % in den Hochbau (VBBK 2014). Die Hauptabbaugebiete für Kies und Sand liegen im Churer Rheintal und den jeweiligen Hauptzuflussarmen, Vorder- und Hinterrhein. Es wird aber auch in Mittelbünden, beispielsweise am Furnabach im Prättigau an der Landquart bei Schiers, an der Albula sowie bei Maladers und Salouf abgebaut. Im Engadin befinden sich Abbaustellen bei Pontresina und Zernez (Dariz et al. 2010 ). Kies und Sand werden in Graubünden grösstenteils im Trockenabbau gewonnen. Die meisten Gruben bauen Kies und Sand in nacheiszeitlichen Fluss- oder Bachablagerungen in der Talsohle oder in Bachschuttkegeln ab. Nassabbau erfolgt aus Schwemmabla- ANZEIGE Vertrauen Sie dem Original! Nutzen Sie unsere jahrelange Erfahrung im Einsatz von Traktionswinden bei Vollerntern und Forwardern. Neu ab August: Forwarder 1510E mit Traktionswinde und 450 Metern Seilkapazität Ihr Spezialist für die vollmechanisierte Holzernte am Hang! Volktrans GmbH Neulöserweg 5 7205 Zizers Tel: 079 246 52 16 Mail: [email protected] www.volktrans.ch Bündner Wald 5 /2014 21 04_Mineralische_Rohstoffe_in_GR.indd 21 03.10.14 08:32 Ein Schwimmbagger fördert bei Untervaz Kies aus einer Tiefe von 4 – 6 m. (Bild: Christian Ludwig, 2014) gerungen von Stauseen sowie eiszeitlichen Schotterterrassen mittels Schwimmbaggern (R. Kündig et al. 1997 ). 30 bis 40 % der Bauabfälle werden heute zu Recyclingbeton aufbereitet und tragen so zu einem effizienteren Rohstoffkreislauf bei. Die begrenzten Kies- und Sandvor­räte können so bis zu einem gewissen Grad geschont werden. Zurzeit nicht verwertbare Stoffe müssen deponiert werden. Analog zur Rohstoff-Versorgung strebt der Richtplan eine regionale Autarkie an: Die elf Regionen Graubündens haben für gut erreichbare Deponiestandorte – meist ehemalige Abbaustellen – zu sorgen. Sack Zement ! Zement ist der wichtigste Baustoff unserer Gesellschaft: Bei der Energieproduktion (Wasserkraftwerke), der Mobilität (Infrastrukturen des Strassen- und Schienennetzes ) sowie im Hochbau ist Zement allgegenwärtig. Die geologischen Voraussetzungen ermöglichen es der Schweiz, ihren Bedarf an Zement selber zu decken, denn die natürlichen Hauptbestandteile Kalkstein und Mergel gehören zu den Rohstoffen, die hierzulande reichlich vorhanden sind. Auch Graubünden verfügt über gut bemessene Vorkommen dieser Rohstoffe. Mitte des 20. Jahrhunderts stieg mit dem Bau von Wasserkraftwerken der Bedarf an Zement in Graubünden erheblich an. Während Zement bis dahin via Bahn aus dem Unterland angeliefert wurde, konnte Ende der 50er-Jahre der Grundstein für ein Zementwerk im eigenen Kanton gelegt werden. Untervaz bot sich dabei aus geologischer wie aus verkehrstechnischer Sicht als geeigneter Standort an. Die Abbaugebiete am Fusse des Calanda verfügen heute über Rohstoffreserven für die nächsten 30 Jahre (Holcim 2010 ). Das Zementwerk Untervaz produziert rund 800 000 Tonnen Zement pro Jahr (Holcim 2010 ). Zu Beginn wurde der Zement vorwiegend in Graubünden abgesetzt, heute bleibt noch rund ein Fünftel im Kanton. Steinreiches Graubünden Nebst den Rohstoffen für die Zementproduktion werden in Graubünden weitere Festgesteine in knapp 20 Steinbrüchen abgebaut (siehe Karte). Das Gestein dient zur 22 04_Mineralische_Rohstoffe_in_GR.indd 22 03.10.14 08:32 Hauptsache zweierlei Anwendungen: Zum einen werden Festgesteine als Naturstein für die direkte Verwendung an Bauwerken oder für die Bildhauerei, zum anderen als Ausgangsmaterial für die mechanische Zerkleinerung zur Herstellung unterschiedlicher Gesteinskörnungen (Splitt und Schotter) verwendet. Als Natursteine werden verschiedene Gneise, aber auch Serpentinite aus Steinbrüchen ganz Graubündens gewonnen. Der Bedarf schwankt regional stark; einige SteinbruchBetriebe versuchen ihre Produkte auch international abzusetzen. Weltweite Bekanntheit erlangte der Valser Quarzit durch den Bau der Therme in Vals. Namhafte Architekten haben diesen Stein seither weltweit an Bauwerken eingesetzt. Das variantenreiche, grünlich-graue Gestein, bei dem es sich geologisch gesehen um einen Gneis Schotterbett der Rhätischen Bahn bei Chur bestehend aus zwei verschiedenen regionalen Gesteinstypen. (Bild: Schweizerische Geotechnische Kommission SGTK, 2014) handelt, ist auch in Bern auf dem Bundessowie als Gesteinsparkett auf dem Zürcher Sechseläutenplatz verlegt. Serpentinite werden heute im Puschlav sowie im Raum Disentis als besonders dekorative Natursteine in der Architektur oder für den Ofenbau abgebaut. In Graubünden sind Stützmauern aus Naturstein allgegenwärtig. Um dem Wildwuchs unterschiedlicher Stützmauertypen Einhalt zu gebieten und eine qualitativ hochstehende Baukultur zu wahren, werden die Gesteine möglichst nahe ihres Einsatzortes gewonnen und stammen aus passenden geologischen Formationen mit besonderem Augenmerk auf die Farbgebung (Figi, H., 2010 ). Eine gelungene Umsetzung findet man beispielsweise entlang des Marmorerasees, wo die Stützmauern die lokale Geologie mit Serpentinit und Grünschiefer widerspiegeln. Splitt und Schotter werden hauptsächlich für den Bau von Schienen- und Strassennetz verwendet. Die Rhätische Bahn bezieht ihren Schotter aus Steinbrüchen, die in möglichst kurzer Transportdistanz zu ihrem Schienennetz liegen, so z. B. aus dem Puschlav, dem Engadin sowie Mittelbünden. Festgesteine für spezielle Anwendungen werden im unterirdischen Steinbruch von Felsberg sowie im Steinbruch Crastatscha in Zernez gewonnen. Die dort abgebauten Gesteine werden gesamthaft respektive teilweise für die Herstellung von feuerfesten Dämmstoffen (Steinwolle) in Flums verwendet. Ziegelein, Ziegelein an der Wand... Anfang des 20. Jahrhunderts wurde im Kanton Graubünden in acht Ziegeleien Lehm abgebaut und zu Ziegeleierzeugnissen verarbeitet ( SGTK, 1907 ). Das schweizweite Verschwinden von Tonabbaustellen und deBündner Wald 5 /2014 23 04_Mineralische_Rohstoffe_in_GR.indd 23 03.10.14 08:32 ren verarbeitenden Ziegeleien machte auch vor Graubünden nicht halt. So ist heute nur noch eine Abbaustelle mit Ziegelei in Landquart in Betrieb. Seit 1863 werden dort für die Region Backsteine und Dachziegel aus Ton, Lehm und Mergel der nahe gelegenen Grube hergestellt. Die vollständig abgebauten Grubenbereiche werden zur Deponierung von sauberem Aushub­ material verwendet und anschliessend rekultiviert (Ziegelei Landquart 2014 ). Inserat Nach der Nutzung ist vor der Nutzung Im Gegensatz zu Verkehrswegen sind Abbaustellen zeitlich begrenzte Eingriffe in die Landschaft. Nach Stilllegung werden sie mit Florinett AG 2014 (10.01.2014) sauberem Aushubmaterial, das in grossen Mengen anfällt, verfüllt und rekultiviert. Das ursprüngliche Landschaftsbild wird dabei wieder hergestellt. Rekultivierungen können zudem einen Beitrag zur Schaffung vielfältiger Lebensräume und so zur Förderung der Biodiversität leisten. Aber auch andere Nutzungsformen sind denkbar: Für den stillgelegten Steinbruch Calinis in Felsberg sieht ein Konzept vor, Solarpanelen in die terrassierte Landschaft zu integrieren und damit jährlich mehr als 1 Mio. kWh erneuerbare Energie zu produzieren. Geologie als Tourismus-Rohstoff Bodenschätze lassen sich auch touristisch nutzen. Die Tektonikarena Sardona macht ANZEIGE Mit Hand und Herz am Holz Florinett AG Forstunternehmung Tel. 081 407 15 58 BERGHOLZ-ZENTRUM 7482 BERGÜN/BRAVUOGN Bergholz-Zentrum Florinett AG Sägerei Tel. 081 407 11 74 Tonewood Switzerland Florinett AG Instrumentenholz Tel. 081 407 21 34 www.florinett-holz.ch | www.tonewood.ch Unser Unternehmen ist FSC zertifiziert: für eine verantwortungsvolle Waldwirtschaft! 24 04_Mineralische_Rohstoffe_in_GR.indd 24 03.10.14 08:32 sich dabei die Glarner Überschiebung, eine UNESCO-geschützte geologische Gleitfläche, zu Nutze, um die Region touristisch zu fördern. Gesteinslehrpfade an geologisch attraktiven Standorten oder Goldwaschkurse im Vorderrheintal nutzen die lokalen Eigenheiten der Gesteine und locken viele Besucher an. Zahlreiche Bergbau-Museen, darunter das wohl Höchstgelegene der Schweiz auf der Alp Taspin im Schams, profitieren heute von längst stillgelegten Bergwerken mit ihren wechselvollen Geschichten und leisten einen Beitrag für den Tourismus, eine der tragenden Säulen der Bündner Volkswirtschaft. Rohstoffe für die Kunst In der Viamala-Schlucht lässt sich die von Wasser geschaffene Kunst am Stein eindrücklich erleben. Enorm ist die Vielfalt an Farben und Formen, die der Bündner Untergrund bietet. Zahlreiche Kunstschaffende lassen sich von Bündner Gesteinen inspirieren und verwenden diese als Grundlage für ihre Werke. Beispielsweise zermahlt der Künstler Urs Furrer auf der Suche nach ursprünglichen, natürlichen Farbpigmenten Gesteine zu Pulver und komponiert dieses zu stimmungsvollen Bildern. Rohstoffe im Kreislauf Die regionale Selbstversorgung mit mineralischen Rohstoffen verbunden mit möglichst kurzen Transportdistanzen sowie der haushälterische Umgang mit Ressourcen sind zukunftsweisende, im kantonalen Richtplan verankerte Grundsätze. Die Karte mit der Verteilung der Abbaustellen über den Kanton zeigt, dass Graubünden diese Grundsätze – sofern die erwähnten Rahmenbedingungen erlauben – auch in die Tat umsetzt. Mit der Förderung von Recyclingbaustoffen als Ersatz für Kies und Sand wird zudem eine Kreislaufwirtschaft angestrebt wie sie auch vom Bund gefordert wird. Denn Recycling ermöglicht Wertschöpfung aus Abfall durch die Gewinnung wichtiger Sekundärrohstoffe für die Produktion mit gleichzeitiger Schonung primärer Ressourcen. Zudem tragen durch das Recycling von Rohstoffen zahlreiche Unternehmen dazu bei, die Versorgungssicherheit der Wirtschaft zu erhöhen ( BAFU 2013 ). Nach diesem Vorsatz wird auch die Auf­ be­reitungsanlage zur Rückgewinnung von Me­tallen aus Haushaltskehricht in der kan­ tonalen Kehrichtverbrennungsanlage in Trimmis betrieben. So können trotz fehlen­ der rentabler Erzabbaustellen im Kanton Metalle als sekundäre Rohstoffe gewonnen und wiederverwendet werden. Die Referenzen zu diesem Artikel finden Sie unter: http://bit.ly/1wLoxI7 Donat Fulda Schweizerische Geotechnische Kommission SGTK ETH Zürich www.sgtk.ch Iwan Vitins Schweizerische Geotechnische Kommission SGTK ETH Zürich www.sgtk.ch Roger Widmer Schweizerische Geotechnische Kommission SGTK ETH Zürich www.sgtk.ch Bündner Wald 5 /2014 25 04_Mineralische_Rohstoffe_in_GR.indd 25 03.10.14 08:32 Von einem, der auszog, um von den Steinen zu lernen Urs A. Furrer nimmt den unterschiedlichen Duft der Steinpigmente wahr. (Bild: Heinz Erismann) Der Künstler Urs A. Furrer stellt in seiner Alp-­Werkstatt in Buchen im Prättigau Farbpigmente von einzigartiger Schönheit her. Den Rohstoff dazu findet er in den Bündner Bergen auf Schritt und Tritt. Sein Freund Yves Schumacher will diesem Geheimnis auf die Spur kommen und unterhält sich mit ihm über das Wunder der mineralischen Pigmente. Schumacher: Urs, man kennt dich hier als Stein- und Farbenmann. Andere sehen in dir einen Magier oder Alchemisten. Wer bist du? Furrer: Ich bin nur Künstler, also Handwerker, und weder Magier noch Geologe. Aber ich lasse mich von der Magie der Bündner Gesteine verzaubern und banne ihre wundervolle Substanz auf die Leinwand. Dieser Prozess geht bei mir selbstverständlich mit einer geistigen Arbeit einher. Mit Substanz meinst du wohl das Pigment. Jetzt musst du mir noch erklären, was Pigmente genau sind. Pigmente sind farbgebende Substanzen, die sich unter anderem durch ihre chemische Struktur, ihre Festkörpereigenschaften sowie durch ihre Kristallstruktur und die Teilchengrössen unterscheiden. Im Gegensatz zu den Farbstoffen sind diese im Anwen- dungsmedium nicht löslich. Aus Gesteinen und Erden erzeuge ich sogenannte anorganische Pigmente. Organische Pigmente stammen hingegen aus dem Tier- oder Pflanzenreich. Wie bist du überhaupt auf die Idee gekommen, Steine zu Pigmenten zu pulverisieren? Das war vor etwa 15 Jahren. Ich wollte die Farbe von Bündner Schiefer mit Acrylfarben mischen, mit denen ich mich damals noch herumschlug. Aber die Farbmischungen gingen immer wieder daneben, weil sie nie an die Strahlkraft des echten Schiefers herankamen. Deshalb fing ich versuchsweise an, Bündner Schiefer mit dem Hammer zu zertrümmern und die Körner so lange zu zerreiben und zu sieben, bis nur noch feinstes Steinmehl übrig blieb. Verarbeitest du dazu Gesteine, Steine oder Mineralien? In erster Linie Gesteine, weil Steine ja nur Bruchstücke davon sind. Gesteine bestehen immer aus zahlreichen einzelnen Minera­ lien, die miteinander im Verbund stehen. Die Zusammensetzung der Gesteine kann geringfügig schwanken und Farbtonveränderungen bewirken. Es gibt aber Gesteine wie beispielsweise den bei uns häufigen 48 BUWA1405_048 48 01.10.14 09:03 Calcit, dessen Weiss durch ein einziges Mineral geprägt ist. Wodurch entsteht eigentlich die Farbe des Gesteins? Oh, das ist eine schwierige Frage, die du besser einem Physiker stellst. Als Künstler weiss ich nur so viel: Der Farbreiz selbst entsteht durch Absorption und Remission, das heisst Streuung oder Reflexion bestimmter Frequenzanteile des sichtbaren Lichts. Der ganze Vorgang ist und bleibt für mich ein Wunder der Natur. Weiss man, wie viele Farbtöne im Erdreich verborgen sind? Grundsätzlich gibt es Gesteine in nahezu allen Farbtönen. Und jeder Farbton ist einzigartig. Einzigartig ist auch die Farbenvielfalt in den Bündner Bergen. In meiner Sammlung gibt es unter anderem Juliergelb, Puschlavgelb und Silvrettagelb. Und die Grüntöne heissen bei mir Clemgiagrün, Marmoreragrün, Natonsgrün oder Schamsgrün. Fast hätte ich die zauberhaften Rotund Rosatöne vergessen: Bärenrosa, Flixrot, Klostersrot oder Rheinwaldrosa. Ich liebe aber auch die unbunten Pigmente in den zartesten Grautönen. Davon besitze ich eine Palette mit rund 60 verschiedenen Pigmenten. Unter anderem gehört auch mein gleissend weisses Schijenstrahlweiss dazu, dessen Gesteine manchmal wie Reisszähne aus Bündner Weiden blicken. Weisser geht es nicht mehr . . . Und was ist mit schwarzem oder blauem Gestein? Schwarzes Gestein findet man beispielsweise im Flussbett der Nolla bei Thusis. Es handelt sich hierbei um Tonschiefer, das Pyritheinschlüsse und weisse Adern hat. Die schwarzen Bestandteile bestehen aus Graphit. Um eine richtig tiefschwarze Farbe zu erzeugen, muss ich aber auf andere Regionen oder auf organische Pigmente ausweichen. Aus dem Wallis erhielt ich von Roger Widmer, technischer Mitarbeiter der Schweizerischen Geotechnischen Kommission, einen rabenschwarzen Anthrazitbrocken, den ich zu Pigment pulverisiert habe. Dienlich sind mir auch Verkohlungsprodukte pflanzlicher oder tierischer Herkunft. Zum Beispiel Beinschwarz oder Rebschwarz. Gegenwärtig erzeuge ich ein abgrundtiefes Schwarz aus unvollständig verbranntem Arvenholz aus dem Kalkbrand in S-charl. Blaue Gesteine sind in den Bündner Bergen ausgesprochen selten. Bisher habe ich nur in der Val Ferrera in Gruoba oberhalb Schmelza, wo in alten Zeiten Kupfererz abgebaut wurde, klitzekleine Bröckchen blauen Azurits gefunden. Diese Kleinstmengen reichen für die Herstellung von Pigment aber bei Weitem nicht aus. So ist also die Farbvielfalt der Bündner Gesteine auf bestimmte Mineralien zurückzuführen? Ja, natürlich. Der Absorptionsvorgang erklärt sich mit dem chemischen Aufbau des betreffenden Gesteins. Die elektromagnetische Strahlung des Lichts wird durch gewisse Atome im Inneren des Gesteins beeinflusst. Farbgebend sind unter anderem Eisen, Chrom, Kupfer, Titan oder Nickel. Wenn die chemische Zusammensetzung des Gesteins eines dieser Elemente enthält, spricht man von selbstgefärbten oder idiochromatischen Steinen. Im Gegensatz dazu stehen fremdgefärbte Gesteine, die man allochromatisch nennt. Ihre Grundsubstanz ist theoretisch farblos. Das Vorhandensein von Spurenelementen oder strukturelle Defekte können eine selektive Absorption verursachen, und deshalb haben sie eine Farbwirkung. Bündner Wald 5 /2014 49 BUWA1405_049 49 01.10.14 09:03 1 2 50 3 BUWA1405_050 50 4 01.10.14 09:03 Legenden zu Seite 50 1) P igment-Kassette von Urs A. Furrer malinnädelchen erfolgt. In den Alpen vom Calanda und in der Val Punteglias soll es welche geben. – an sich schon ein Kunstwerk. 2) Mystisches Graubünden – eine Farbsymphonie aus zahlreichen Gesteinsarten komponiert. 3) Radiolarit aus der Alp Flix oberhalb von Sur verzaubert ein altes Heutuch. 4) Ein altes Nachthemd aus dem Prättigau, durchtränkt mit einem strahlend gelben KonglomeratPigment aus dem Domleschg. ( alle Bilder: zVg v. Urs A. Furrer) Stimmt es, dass sich mineralische Pigmente durch Erhitzung im Ofen farblich verändern lassen? Absolut. Das trifft namentlich auf Pigmente auf der Basis von Eisenoxid zu. Diese Möglichkeit war schon den Steinzeitmenschen bekannt, die die Höhle von Lascaux mit grossartigen Bildern ausschmückten. Die Pigmente fanden sie als Verwitterungsrückstände von Eisenverbindungen, die im Kalkmergel vorkommen. Auch die alten Meister des Mittelalters erzeugten braune bis tiefrote Pigmente, indem sie den Ocker erhitzten. In Zusammenarbeit mit einer Keramikerin bin ich gegenwärtig am Experimentieren. Im Brennofen, wo Temperaturen von über 1100 Grad Celsius herrschen, wandelt sich die Farbe der mit meinen Pigmenten beschichteten Objekte auf jeweils unerwartete und wundersame Weise. In Graubünden gibt es sicherlich auch farbige Schätze, die du noch aufstöbern möchtest. Ja, zum Beispiel Blauquarze, deren Färbung durch die Lichtstreuung an feinsten Tur- Dass du schöne, farbige Gesteine sammelst, verstehe ich gut. Warum nimmst du dir aber die Mühe, damit Pigmente herzustellen? Schliesslich können Künstler heute alle Farben fixfertig in Tuben kaufen. Stelle doch mal Probeanstriche mit angerührten Farben aus Naturpigmenten gegenüber einer handelsüblichen Tubenfarbe ! Die Ausstrahlung von mineralischen Naturfarben ist mit industriellen Produkten nicht zu vergleichen. Handelsfarben werden standardisiert. So will es der Markt. Das leuchtet ein. Erkläre mir nun bitte den Herstellungsprozess von Pigmenten in deiner Alp-Werkstatt. Der Prozess ist recht einfach. Zuerst zertrümmere ich die nach Hause geschleppten Gesteinsbrocken in einem Schredder. Alsdann wird das Granulat in meiner Steinmühle solange gemahlen, bis nur noch Steinmehl in einer Korngrösse von 63 Mikrometer und kleiner übrig bleibt. Mit Farbpigmenten alleine bringt man aber noch kein Bild zustande. Wie geht man mit dem Steinpulver um? Man nehme ein Bindemittel und rühre darin das Pigment ein. Welches Bindemittel empfiehlst du? Die Antwort hängt ganz von der Maltechnik der Anwenderinnen und Anwender ab. Grundsätzlich kommt jedes Bindemittel infrage. Ich selbst bevorzuge natürliche Medien wie Gummi arabicum oder Wasserglas. Für Fresken greift auch Kasein sehr gut, das bekanntlich aus Milch erzeugt wird. SelbstBündner Wald 5 /2014 51 BUWA1405_051 51 01.10.14 09:03 verständlich lassen sich mineralische Pigmente aber auch mit einem farblosen acrylischen Malmittel anrühren. Aber das ist nicht nach meinem Gusto – Acrylfarben basieren auf Kunststoffdispersionen und trocknen zu einem regelrechten Plastikfilm. In deinem Gestell sehe ich über 250 Fläschchen mit verschiedenen Farbtönen. Wie geht es nun weiter? Mein Zentrum und Lebensraum ist der Kanton Graubünden. Mein Ziel ist aber, bis zu meinem Lebensende jeden Schweizer Berg zu pulverisieren. Oder anders gesagt: Ich suche so lange, bis ich alle Farben der Schweiz auf meiner Palette habe. Im Augenblick verlasse ich zuweilen die Alpen und spüre auch im Schweizer Mittelland und in der Jurakette neue Steinfarben auf. Du bist offenbar nicht nur Künstler, sondern auch Alchemist. Ich wünsche dir noch viele spannende Farbentdeckungen. Danke für das Gespräch ! Urs A. Furrer [email protected] | www.art-depot.ch Yves Schumacher ys’c Communications GmbH Renggerstrasse 3, CH-8038 Zürich [email protected] ANZEIGE Fördern, heben, spannen, sichern: Umfangreiches Sortiment für Wald und Forst. Jakob AG, 3555 Trubschachen Tel. 034 495 10 10, Fax 034 495 10 25 eMail: [email protected] 52 BUWA1405_052 52 01.10.14 09:03 Vorschau «Bündner Wald» Dezember 2014 Bündner Wald und Klimawandel Der Klimawandel beeinflusst das Ökosystem Wald. Die globalen Auswirkungen schei­ nen skizziert. Doch was ist in den Bündner Wäldern zu erwarten? Wie können wir uns wappnen? Die WSL führte im Rheintal über mehrere Jahre Untersuchungen zur The­ matik, die nun spannende Antworten lie­ fern. Die gesamte nächste Ausgabe nimmt sich dieser Thematik an. Redaktion: Sandro Krättli Vorschau auf die nächsten Nummern: Februar 2015: Winter im Wald Redaktion: Jörg Clavadetscher April 2015: Versammlungsnummer St. Antönien Redaktion: Sandro Krättli Herausgegeben von Graubünden Wald, Amt für Wald und Naturgefahren Graubünden und der SELVA. Verleger: Südostschweiz Verlegerin: © Somedia (Südostschweiz Presse und Print Presse AG, Südostschweiz und Print AG), Print, CH-7007 CH-7007 Chur Sekretariat: SELVA, Chur Sekretariat: SELVA, Urs Rutishauser, Christophe­BTrüb, ahnhofplatz 1, ­Bahnhofplatz CH-7302 1, CH-7302 Landquart, Landquart, Telefon + 41 Telefon (0) 81 + 41 300 (0)22 8144, 300buendnerwald 22 44, buendnerwald Redaktoren: Jörg Redaktoren: Jörg Clava­detscher, Clava­ @ selva-gr.ch @ selva-gr.ch detscher, Revier forestal Revierdaforestal Val Müstair, da ValCH-7535 Müstair, CH-7535 Valchava,Valchava, Telefon + 41 Telefon (0) 81 + 41 858(0)588121, 858 forestal-muestair 58 21, forestal-muestair Sandro Krättli, @ bluewin.ch. @ bluewin.ch. TelefonSchiers, 81 300+ 41 24 11, (0) 81 sandro.kraettli 300 24 11, @ sandro.kraettli wn.gr.ch. Sandro Krättli, AWN GR, Sagastägstrasse 96, CH-7220 + 41 (0)Telefon AWN GR, Sagastägstrasse 96, CH-7220 Schiers, awn.gr.ch. Die @ aRedaktion Die behält Redaktion sich vor,behält Beiträge sichinvor, nicht Beiträge verlangter in nicht Formverlangter ohne Rückfrage Form ohne zu ändern. Rückfrage Herstellung: zu ändernSomedia Druckvorstufe Production, (Satz,Postfach Lithos, Belich508, : Südostschweiz CH-7007 (0) 81 255 Print, 51 11,Antonin Fax + 41 (0) 81Druck: Südostschweiz 255 51 05. Erscheint sechsmal Kasernenstrasse 1, tung) Presse Chur, und Print Telefon AG, + 41 Südostschweiz Friberg Presse und jährlich. Print AG, Süd­ostschweiz Auflage: 1700 Exemplare Print, Postfach Inserate: Somedia 508, Kasernenstrasse Promotion, 1, CH-7007 Neudorfstrasse Chur, Telefon 17, CH-7430 + 41 (0)Thusis, 81 255Telefon 51 11,+ 41 Fax (0) + 4181(0)650 81 00 70, Fax 255 + 41 52 89. (0)Erscheint 81 650 00 sechsmal 74, [email protected] jährlich. Auflage ­A1700 bonnementspreise: CHF 60.– (inkl. 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