Affektive Erkrankungen und Schizophrenie Dr. med. Walter Brogiolo Therapeutischer Leiter Akutpsychiatrie Affektive Störungen - Depression - Manie -> Bipolar affektive Störung (BAS) (= Manisch-Depressive Krankheit, MDK) Hauptsymptome einer Depression 1. Gedrückte Stimmung 2. Interesseverlust und /oder Freudlosigkeit 3. Verminderter Antrieb, erhöhte Ermüdbarkeit, Erschöpfung Andauernd während mindestens 2 Wochen Weitere häufige Symptome • Verminderte Konzentration u. Aufmerksamkeit • Vermindertes Selbstwertgefühl u. Selbstvertrauen, Gefühle der Wertlosigkeit, Starke Unsicherheit beim Treffen von Entscheidungen • Negative Zukunftsperspektiven, Hoffnungslosigkeit, Pessimismus • Innere Unruhe, Angst, psychomotorische Hemmung Einteilung Depressionen = Manisch-Depressive Krankheit Symptome der Manie • Gehobene oder gereizte Stimmung für mind. eine Woche mit gesteigerter Aktivität, Ruhelosigkeit oder unbändigem Tatendrang, Gesprächigkeit (Rededrang), Ideenflucht, vermindertes Schlafbedürfnis, Selbstüberschätzung • Verlust sozialer und sexueller Hemmungen mit unangemessenem, leichtsinnigem od. rücksichtlosem Verhalten, häufig auch Kaufrausch • Mit oder ohne psychotische Symptome (z. B. Verfolgungswahn, Grössenwahn) Einteilung Bipolar affektive Störung Affektive Störungen sind häufige und ernsthafte Krankheiten Depression: • • • • • • • • In westlichen Ländern erkranken jährlich 5% der Bevölkerung, laut WHO: weltweit jährlich 350 Millionen 20% erkrankt im Verlauf des Lebens, davon 2/3 Frauen, 1/3 Männer Können in jedem Alter beginnen, meistens zwischen 20. und 40. Lebensjahr. Die Hälfte der Patienten erleiden mind. eine weitere depressive Episode. 15% mit chronischem Verlauf, v.a. bei fehlender od. unzureichender Behandlung. Mit zunehmendem Alter kann die Episodenzahl zunehmen und die Symptomatik schwerer werden. Patienten mit wiederholten Depressionen haben ein deutlich höheres Risiko für körperliche Erkrankungen. Das Suizidrisiko (10 – 15%) ist hoch. Häufig erwähnen Pat. nicht von selbst diese Gedanken und erleben es als Entlastung darüber gesprochen zu haben. Deshalb sollte man immer gezielt nach Suizidgedanken fragen. Affektive Störungen sind häufige und ernsthafte Krankheiten Bipolare Störungen: • ̴ 4 % der Bevölkerung erkrankt im Verlauf des Lebens an einer bipolar Störung, (Frauen etwas häufiger als Männer, bipolar I ca. 0.5 - 1%, bipolar II ca. 1.1%, gesamtes Bipolar-Spektrum ca. 4 – 5% ) • Erkrankungsalter im Durchschnitt ca. 20 Jahre • Im Alter kann Episodenzahl zunehmen und die Symptomatik schwerer werden • Häufig: Substanzmissbrauch >50%, Angststörungen (inkl. PTBS) bis 70%, Persönlichkeitsstörungen 30 - 50% , ADHS 10% • Suizidversuche 25 -50%, Suizide (15%) • Auch deutlich höheres Risiko für körperliche Erkrankungen Berühmte Personen mit bipolar affektiver Störung Schizophrenie • Begriff bezeichnet eine Spaltung der Persönlichkeit (Eugen Bleuler, 1911) weil Grundfunktionen, die das Gefühl von Individualität, Einzigartigkeit und Entscheidungsfreiheit ausmachen, betroffen sind • Störung von Denken und Wahrnehmung sowie inadäquate/verflachte Affektivität • Bewusstsein und Intelligenz sind i. d. R. nicht beeinträchtigt (obwohl im Laufe der Jahre kognitive Defizite auftreten können) • Betroffene glauben oft, dass ihre Gedanken, Gefühle und Handlungen anderen bekannt sind • Häufig entsteht ein (Erklärungs-) Wahn, wonach irgendwelche, übernatürliche Kräfte ihre Gedanken und Handlungen in oft bizarrer Weise beeinflussen • Häufig akustische Halluzinationen (Stimmen), die Verhalten oder Gedanken kommentieren Schizophrenie - Symptome/Kriterien 1. Ich-Störungen (Gedankenlautwerden, -eingebung, -entzug oder -ausbreitung) 2. Inhaltliche Denkstörungen in Form von Kontrollwahn, Beeinflussungswahn, Gefühl des Gemachten, Wahnwahrnehmungen 3. Akustische Halluzinationen in Form kommentierender, dialogischer oder anderer Stimmen, die aus einem Teil des Körpers kommen 4. Anhaltender, kulturell unangemessener oder völlig unrealistischer (bizarrer) Wahn (z.B. das Wetter kontrollieren zu können oder im Kontakt mit Ausserirdischen zu stehen) 5. Anhaltende Halluzinationen jeder Sinnesmodalität 6. Formale Denkstörungen in Form von Gedankenabreissen oder Einschiebungen in den Gedankenfluss, was zu Zerfahrenheit, Danebenreden oder Wortneubildungen (Neologismen) führt 7. Katatone Symptome wie Erregung, Haltungsstereotypien oder Verharren in passiv gegebenen Körperstellungen (Flexibilitas cerea), Negativismus, Mutismus und Stupor 8. „Negative“ Symptome wie auffällige Apathie, Sprachverarmung, verflachter oder inadäquater Affekt, zumeist mit sozialem Rückzug und verminderter sozialer Leistungsfähigkeit 9. Sehr eindeutige und durchgängige Veränderungen bestimmter umfassender Aspekte des Verhaltens, die sich in Ziellosigkeit, Trägheit, einer „in sich selbst verlorenen Haltung“ und sozialem Rückzug manifestiert. Häufigkeit Schizophrenie • Ca. 1 auf 10‘000 Menschen erkrankt jährlich neu an Schizophrenie, in allen Kulturen der Welt • Jährlich leiden 0.5% der Bevölkerung daran • 1% der Bevölkerung erkrankt im Verlauf des Lebens, Männer und Frauen gleich häufig • Männer erkranken häufig zwischen dem 20. und 25. Lebensjahr. Frauen im Durchschnitt später (zwischen dem 25. und 30. Lebensjahr) • Verlauf: Bei 1/3 der Erkrankten bilden sich alle Symptome nach einer ersten Krankheitsphase vollständig zurück und sie sind geheilt, bei 1/3 kommt es zu wiederholten Schüben, beim letzten 1/3 ergibt sich ein chronischer Verlauf, welcher zu einer andauernden psychischen Behinderung führt. • Häufig zusätzliche Sucht- und körperliche Erkrankungen (HIV, Hepatitis, HerzKL, Diabetes, Adipositas, Zähne, etc.) • Das Suizidrisiko (10 - 15%) ist hoch Wie entstehen psychische Erkrankungen? Umwelt Depression Bipolare Störung Schizophrenie Gene Bekannte Risikofaktoren der Depression • • • • • • • • • Prädisponierende genetische Einflüsse Gestörte familiäre Umgebung in der Kindheit Sexueller Missbrauch in der Kindheit Früher Verlust enger Beziehungspersonen (z. B. Eltern), emotionale Vernachlässigung Prädisponierende Persönlichkeitszüge (z.B. geringes Selbstwertgefühl) Frühe Zeichen einer Angststörung oder Verhaltensstörung Geringe Bildungserfolge Exposition zu traumatischen Erlebnissen und widrigen Umständen Geringe soziale Unterstützung Bekannte Risikofaktoren der Depression • Alkohol- und Drogenmissbrauch • Frühere depressive Episode • Scheidung • Schwierigkeiten in der Partnerschaft • Kürzlich stressreiche Lebenssituationen (z. B. Kündigung, Schulden, Mobbing, Krankheit, Unfall, Verluste) Umweltfaktoren mit Risiko für Schizophrenie Familiär gehäuft Aufwachsen in der Stadt Cannabis Prenatale Infektionen / Malnutrition Perinatale Komplikationen Geburt während Wintermonaten Niedriger sozialer Status Migrationshintergrund Ledige, Geschiedene Therapieziele Linderung, Besserung und Kontrolle der Symptome Verhinderung rascher Rückfälle Verhinderung von Therapieresistenz Verhinderung von Chronifizierung Verhinderung von suizidalen Handlungen Wiedererlangung von sozialer Kompetenz mit Reintegration in Familie, Beruf und Gesellschaft Wie werden Depression, bipolare Störung und Schizophrenie behandelt? I. Medikamentöse Therapie Antidepressiva Antipsychotika (Neuroleptika) Beruhigungsmittel (Tranquilizer) Stimmungsstabilisierer (Mood-Stabilizer) II. Psychotherapie Kognitive Verhaltenstherapie Psychoedukation systemische Therapie Psychoanalyse Einzel- und Gruppenpsychotherapie III. Bewährte ergänzende Therapieformen - Wachtherapie (Schlafentzug) - Lichttherapie - Kreativtherapeutische Verfahren (Ergo- und Kunsttherapie) - Entspannungsverfahren und komplementärmedizinische Verfahren: - Progressive Muskelentspannung nach Jacobson - Autogenes Training - Biofeedback - Stressbewältigungstraining - Bewegungstherapie, Tai-Chi, o.a. - Massagen , Fussreflexzonenmassage - Hydrotherapie (z. B. Kneipp-Therapie) - Aromatherapie - Akupunktur Danke für Ihre Aufmerksamkeit!