Leseprobe - FARBE UND LACK

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Optische Prinzipien, Herstellung, Eigenschaften und Typen von speziellen Effektpigmenten
Optische Prinzipien, Herstellung,
Eigenschaften und Typen von
speziellen Effektpigmenten
Dr. Gerhard Pfaff
Pigmente sind aus Teilchen bestehende, im Anwendungsmedium praktisch unlösliche Substanzen, die als Farbmittel oder wegen ihrer korrosionshemmenden,
magnetischen, elektrischen oder elektromagnetischen Eigenschaften verwendet
werden [1]. Als Anwendungsmedium kommen unter anderem Lacke, Kunststoffe,
Druckfarben, Baumaterialien, keramische Erzeugnisse, Glas, Email und kosmetische Formulierungen in Frage.
Pigmente werden nach den optischen Prinzipien bei der Wechselwirkung mit Licht
unterschieden und in Klassen eingeteilt. Wichtige Pigmentklassen sind Weißpigmente, Buntpigmente, Schwarzpigmente und Effektpigmente, die alle wegen ihrer
farbgebenden Eigenschaften eingesetzt werden. Bei den Effektpigmenten unterscheidet man in einer vereinfachten Einteilung Metalleffektpigmente und Perlglanzpigmente. Es handelt sich bei den Effektpigmenten um Pigmente, die einem
Anwendungsmedium neben Farbe zusätzliche Eigenschaften wie z.B. Winkelabhängigkeit der Farbe (Changieren, Farbflop, Glanz) oder Textur verleihen [1]. Durch
die Ausprägung von Glanzeffekten in den Anwendungen fast aller dieser Pigmente
wird häufig auch der Begriff „Glanzpigmente“ verwendet. Glanzpigmente sind als
vorwiegend plättchenförmig ausgebildete Effektpigmente definiert. Sie lassen sich
parallel orientieren und zeigen dann durch Reflexion des Lichtes an den Pigmentplättchen einen charakteristischen Glanz [1].
Während der Begriff „Metalleffektpigmente“ die entsprechende Pigmentklasse
umfassend beschreibt, reicht die Einteilung „Perlglanzpigmente“ nicht aus, um die
anderen Effekt- bzw. Glanzpigmente in ihrer Vielfalt zu erfassen.
Metalleffektpigmente sind Glanzpigmente aus Metall, die sich parallel orientieren
lassen und dann einen durch Reflexion des Lichtes an den Metallplättchen erzeugten,
dem massiven Metall ähnlichen Glanz zeigen [1]. Im Unterschied dazu sind Perlglanzpigmente Glanzpigmente, die aus transparenten Plättchen mit hoher Brechzahl bestehen. Sie lassen sich ebenfalls parallel orientieren und zeigen dann einen
durch Mehrfachreflexion erzeugten charakteristischen Perlglanz. Perlglanzpigmente, die zudem Interferenzfarben aufweisen, werden auch als Perlmuttpigmente
oder Interferenzpigmente bezeichnet [1]. Interferenzpigmente sind per Definition
Effektpigmente, deren farbgebende Wirkung ganz oder vorwiegend auf dem Phänomen der Interferenz beruht [1].
Optische Prinzipien, Herstellung, Eigenschaften und Typen von speziellen Effektpigmenten
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In den letzten Jahren wurden neue Effektpigmente entwickelt, die zwar aus
transparenten Plättchen bestehen und mit auftreffendem Licht dem optischen
Phänomen der Mehrfachreflexion folgen, die aber andererseits keinen charakteristischen Perlglanz zeigen. Zudem wurde die Klasse der Effektpigmente um
Interferenzpigmente erweitert, die auf nichttransparenten Plättchen basieren.
Das hat die Einteilung komplizierter gemacht und dazu geführt, dass für diejenigen plättchenförmigen Effektpigmente, die nicht den Metalleffektpigmenten
zugerechnet werden können, der Begriff „spezielle Effektpigmente“ immer
mehr Verwendung findet [2]. Spezielle Effektpigmente sind demnach Perlglanzpigmente sowie transparente und nichttransparente Interferenzpigmente, die je
nach ihrer Zusammensetzung und Struktur im Anwendungsmedium zu perlglänzenden oder nichtperlglänzenden Effekten in Kombination mit Interferenzphänomenen führen.
Spezielle Effektpigmente sind natürliche oder synthetische Pigmente, die sich
durch hohen Glanz, Brillanz und irisierende Farbeffekte, basierend auf optisch
dünnen Filmen, auszeichnen. Der visuelle Eindruck entsteht durch Reflexion und
Ablenkung des Lichtes an dünnen Einfach- oder Mehrfachschichten. Er ist in der
Natur keineswegs auf Perlen und Muschelschalen beschränkt, wie viele faszinierende Beispiele bei Vögeln, Fischen, Edelsteinen, Mineralien oder Insekten zeigen.
Untersuchungen zum Verständnis der optischen Prinzipien des natürlichen Perlglanzes zeigen beispielsweise, dass die brillanten Farben auf strukturierte Biopolymere und auf Schichtstrukturen, die durch Biomineralisation entstehen, zurückgeführt werden können [3–5].
Abbildung 2.1 zeigt eine Gegenüberstellung der optischen Prinzipien bei der Wechselwirkung von Weiß-, Bunt- und Schwarzpigmenten sowie von Metalleffektpigmenten und Perlglanz- bzw. transparenten Interferenzpigmenten mit Licht.
Weiß-, Bunt- und Schwarzpigmente weisen typische Durchmesser von 0,1 bis
1 Nm auf. Sie sind damit zum Teil im Bereich der Lichtwellenlängen, einige
Schwarzpigmente – wie die Rußpigmente – liegen zum Teil auch noch deutlich darunter. Effektpigmente besitzen dagegen Teilchendurchmesser, die zumeist im Bereich von 5 bis 100 Nm, in einigen Fällen auch darüber, liegen. Sie
sind damit, bezüglich der mittleren Plättchen-Durchmesser, wesentlich größer
als die Lichtwellenlängen. Die Dicke der Plättchen liegt, von wenigen Ausnahmen abgesehen, unter 1 Nm, ebenso wie die Dicke von Interferenzschichten. Demzufolge weisen Effektpigmente in der Regel ein hohes Aspekt-Verhältnis (Verhältnis von Durchmesser zu Dicke der Plättchen) auf, das bis zu 200
betragen kann.
Die zumeist irregulär geformten Weiß-, Bunt- und Schwarzpigmente wechselwirken mit dem Licht hauptsächlich wie folgt (Abbildung 2.1):
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Optische Prinzipien, Herstellung, Eigenschaften und Typen von speziellen Effektpigmenten
Abbildung 2.1: Schematische Darstellung von einzelnen Partikeln des Typs: (A) Weiß-,
(B) Bunt-, (C) Schwarz-, (D) Metalleffekt- und (E) Perlglanzpigmet in einem Anwendungsmedium (z. B. Lack, Kunststoff, Druckfarbe, kosmetische Formulierung). Dargestellt sind
die typischen Wechselwirkungen, welche in einem großen Ensemble zu den unten
gezeigten beispielhaften Remissionsspektren (a – e) führen und die auch Grundlage zur
Klassifikation der Pigmente sind. (a) Titandioxid-Weiß, (b) Chromophthalrot, (c) RußSchwarz, (d) Aluminium-Silber, (e) Rutil auf Glimmer-Interferenzrot.
Optische Prinzipien, Herstellung, Eigenschaften und Typen von speziellen Effektpigmenten
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Weißpigmente (A): Die Pigmentpartikel streuen das gesamte auftreffende Licht in
alle Richtungen (diffuse Reflexion).
Buntpigmente (B): Die Pigmentpartikel streuen einen Teil des Lichtes und absorbieren wellenlängenselektiv einen anderen Teil des Lichtes (selektive Absorption).
Schwarzpigmente (C): Die Pigmentpartikel absorbieren alle Wellenlängen des für
das menschliche Auge sichtbaren Spektralbereichs (vollständige Absorption).
Die aus dünnen Metallplättchen (vorwiegend Aluminium) bestehenden Metalleffektpigmente (D) sind lichtundurchlässig und reflektieren das gesamte auftreffende Licht in eine Richtung. Die Pigmentpartikel wirken wie kleine Spiegel und
führen bei paralleler Ausrichtung im Anwendungsmedium zu einem spiegelnden
Metallglanz (Metallic-Effekt). Perlglanz- bzw. transparente Interferenzpigmente (E)
reflektieren nur einen Teil des auf die glatte Plättchenoberfläche auftreffenden
Lichtes direkt; ein weiterer Teil des Lichtes dringt in die transparenten Teilchen ein
und wird an Grenzflächen, z.B. im Innern des Pigments oder an der unteren Seite
der Plättchen, wiederum nur teilweise reflektiert. Der nun „übrig bleibende Rest“
verlässt die Teilchen und steht für weitere Reflexionen an anderen Effektpigmentpartikeln zur Verfügung (Mehrfach-Reflexionen). Die reflektierten Anteile des Lichtes führen durch ihre optische Überlagerung zu Interferenzphänomenen und die
Mehrfachreflexionen zum Erscheinungsbild des Perlglanzes. Der Brechzahlunterschied zwischen hochbrechendem Material des Pigments und dem Anwendungsmedium (bei letzterem meist 1,5 bis 1,6) spielt für diese optischen Vorgänge eine
entscheidende Rolle.
Perlglanzpigmente können bei geeignetem Pigmentschicht- und Lackschichtaufbau
den Glanz natürlicher Perlen nachstellen. Perlen und Perlmutt bestehen aus einer
Vielzahl alternierender transparenter Schichten unterschiedlicher Brechzahl und
haben zumeist wesentlich größere laterale Abmessungen als die in Perlglanzpigmenten realisierten Ausdehnungen. Es handelt sich dabei um CaCO3-Schichten
(hohe Brechzahl) und um Proteinschichten (niedrige Brechzahl). Sowohl bei Perlen
und Perlmutt als auch bei Perlglanzpigmenten wird der optische Effekt durch die
Interferenz von Lichtstrahlen, welche an den unterschiedlichen Grenzflächen
zumindest teilweise reflektiert werden, hervorgerufen.
Brechzahlunterschiede zwischen Schichten bzw. zwischen Schichten und dem
umgebenden Medium sind somit Voraussetzung für alle auf Interferenz basierenden
changierenden Farbspiele, die auch von Grenzflächen wie Luft/Ölfilm oder Ölfilm/
Wasseroberfläche bekannt sind. Bei Pigmenten sind diese Brechzahlunterschiede
durch die plättchenförmigen, hochbrechenden Schichten in den niedrigbrechenden
(optisch dünneren) Systemen wie Lacken, Druckfarben oder Kunststoffen realisiert.
Sind die Plättchen nun vorzugsweise parallel im Medium orientiert, kann für ein
einstrahlendes Lichtbündel die Interferenz durch die Wahl der Schichtdicken der
Pigmente geeignet eingestellt werden.
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Optische Prinzipien, Herstellung, Eigenschaften und Typen von speziellen Effektpigmenten
Prinzipiell gibt es synthetische und natürliche Perlglanz- und Interferenzpigmente,
transparente oder teilweise Licht absorbierende Typen. Die Pigmente können aus
einer Schicht (z.B. BiOCl) oder aus mehreren Schichten unterschiedlicher Brechzahl (z.B. TiO2 auf Glimmer) bestehen. Sie können gleiche oder unterschiedliche
Dicken der Plättchen aufweisen. In den weitaus meisten Fällen sind sie kristallin
(Pb(OH)2 · 2 PbCO3, BiOCl, TiO2 auf Glimmer).
2.1
Optische Prinzipien
2.1.1
Reflexion und Brechung an einer und mehreren Grenzflächen
Unser Auge kann Objekte nur dann registrieren, wenn elektromagnetische Wellen
mit Wellenlängen von 380 bis 780 nm (Licht), welche Informationen über die
Objekte enthalten, auswertbare Farbreize bewirken. Dieses ist nur dann möglich,
wenn das Objekt entweder selbst Licht emittiert (Selbstleuchter) oder es von einer
Primärlichtquelle bestrahlt und das eingestrahlte Licht dabei bezüglich Richtung,
Intensität und spektraler Zusammensetzung oder Phase modifiziert wird (Nichtselbstleuchter). Die Richtungsänderungen eines Lichtstrahls beim Auftreffen auf
ein Objekt mit Abmessungen (l >> L) werden durch das Reflexionsgesetz und das
Snellius’sche Brechungsgesetz beschrieben, wobei sich Ausbreitungsmedium des
Lichtstrahls und Objekt, auf das der Strahl auftrifft, durch unterschiedliche Brechzahlen auszeichnen müssen. Gemäß Abbildung 2.2 sind für die Beschreibung des
Lichtverlaufs folgende optische Gesetze heranzuziehen:
•
das Reflexionsgesetz, wonach Einfallswinkel E und Reflexionswinkel E’ gleich sind
(1) E = E’
das Snellius’sche Brechungsgesetz
(2)
sin (E’)
sin (E’’)
=
n1
n2
Die Brechzahlen n1 und n2 stellen ein Relativmaß für die Geschwindigkeit des
Lichtes v im betreffenden Medium dar. Die Brechzahl für das Vakuum ist mit n v =
c/v = 1 festgelegt. Damit erhalten die Brechzahlen aller anderen Stoffe Werte größer
als 1, da die entsprechenden Lichtgeschwindigkeiten diejenige im Vakuum stets
unterschreiten. Einige Beispiele für Brechzahlen unterschiedlicher Materialien sind
in Tabelle 2.1 zusammengestellt. Die vorhandene Abhängigkeit der Brechzahl von
der Wellenlänge des Lichtes und von der Temperatur kann für die hier vorgenommenen Betrachtungen vernachlässigt werden. Für anisotrope Stoffe kann man näherungsweise auf Mittelwerte zurückgreifen, oder es werden die in Richtung des
Einfallslotes geltenden Werte eingesetzt.
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Optische Prinzipien
Entsprechend dem Brechungsgesetz (2) wird der nicht reflektierte Anteil des einfallenden
Lichts (bei Vernachlässigung
von Absorption und Streuung)
beim Eintritt in ein optisch dichteres Medium zum Einfallslot
hin abgelenkt (E” < E’) (siehe
Abbildung 2.2). Tritt das Licht
hingegen in einen optisch dünneren Stoff ein, so wird der
Winkel zum Einfallslot vergrößert (E” > E’).
Stets liegen einfallender P1 - P0,
reflektierter P0 - P2 und gebrochener P0 - P3 Lichtstrahl in
einer Ebene. Beide Gesetze sind
Resultat des Fermat’schen Prinzips, nachdem die Lichtstrahlenwege zwischen P1 und P2 oder
P1 und P3 so gestaltet sind, dass
das Licht bei der Ausbreitung
eine minimale Zeit benötigt.
Die Gesetzmäßigkeiten (1) und
(2) gelten auch, wenn die einfallenden Lichtstrahlen aus unterschiedlichen Richtungen kommen, wenn die Grenzfläche selbst
unregelmäßig geformt ist bzw.
aus nicht geordneten Einzelelementen (d > L) besteht oder mehrere Grenzflächen hintereinander
nicht planparallel zueinander
sind. Alle diese drei Fälle treten
häufig einzeln oder in Kombination auf (z.B. bei diffuser Beleuchtung von Lackoberflächen, bei
Lackoberflächen mit ausgeprägter
Oberflächenwelligkeit und bei
Lackschichten mit desorientierten
vorzugsweise transparenten und
Tabelle 2.1: Brechzahlen verschiedener Stoffe [6]
Stoff
Vakuum, Luft
Brechzahl
1,0
Wasser
1,33
MgF2
1,37
SiO2
1,42 bis 1,48
Kunststoffe, Lacke
1,4 bis 1,7
Glimmer
1,5 bis 1,6
Al2O3
1,7
Guanin, Hypoxanthin
1,85
Basisches Bleicarbonat
2,0
Bismutoxidchlorid
2,15
Fe3O4 (Magnetit)
2,4
TiO2 (Anatas)
2,5
TiO2 (Rutil)
2,7
A-Fe2O3 (Hämatit)
2,9
Abbildung 2.2: Schematische Darstellung der
Strahlenwege bei Lichtreflexion und Lichtbrechung
an der Grenzfläche, die zwei Medien mit den Brechzahlen n1 und n2 voneinander trennt. I, R und T
sind hierbei die Richtungsvektoren der Lichtausbreitung im einfallenden, im reflektierten und im
gebrochenen Strahl. N ist der Normalenvektor der
Grenzfläche.
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Optische Prinzipien, Herstellung, Eigenschaften und Typen von speziellen Effektpigmenten
semitransparenten Interferenzpigmenten) und führen zu einer „diffusen Reflexion“. Nun
sind allerdings die Lichtstrahlen nicht mehr notwendigerweise in einer Ebene lokalisiert
und die Ausbreitungsrichtungen der Lichtstrahlen als Vektoren (siehe Bezeichnungen
in Abbildung 2.2) im Raum entsprechend dem Reflexionsgesetz
(3) R = 2 N cos(EI
und dem Brechungsgesetz
(4)T =
n1
I – cos(E’’–
n1
cos(E’ N
n2 n2
zu beschreiben (siehe ebenfalls Abbildung 2.2).
Erfolgt die Beleuchtung des Objekts nun durch viele Lichtstrahlen gleichzeitig, sind
als Grenzfälle entweder die völlig ungerichtete (diffuse) oder völlig gerichtete Einstrahlung zu unterscheiden. Diffuse Beleuchtung, die an einer ebenen Grenzfläche
reflektiert wird, bleibt diffus. Gerichtete Beleuchtung wird dagegen diffus reflektiert,
wenn die Grenzfläche unregelmäßig geformt ist, aus nicht geordneten Einzelelementen besteht oder wenn das Licht durch Streuprozesse umgelenkt wird.
Abbildung 2.3: Schematische Darstellung der Grenzsituationen bei der Reflexion bzw.
Streuung von Licht: (a) perfekter Spiegel (Spiegelreflexion), (b) perfekter Streuer (nur
Lichtstreuung), (c) reale Oberfläche (die Reflexionsindikatrix weist eine durch Streu- und
Reflexionsprozesse definierte geometrische Form auf).
Optische Prinzipien
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Beim Vergleich unterschiedlicher Materialien und unterschiedlicher Grenzflächenstrukturen fällt auf, dass raue, unebene Oberflächen Lichtstrahlen diffus nach allen
Seiten reflektieren, glatte Oberflächen dagegen im Idealfall alle Lichtstrahlen in
eine Vorzugsrichtung. Es gibt daher in der Praxis, z.B. in einem Lacksystem, fließende Übergänge zwischen den in Abbildung 2.3 dargestellten Situationen a (perfekter Spiegel, hoher Reflexionskoeffizient) und b (perfekter Streuer, gegenüber a
erniedrigter Reflexionskoeffizient). Die Form und Größe der in Abbildung 2.3 c
gezeigten Reflexionsindikatrix, also der räumlichen spektralen Intensitätsverteilung der reflektierten Strahlung, enthält nun alle relevanten Reflexionseigenschaften
der Probe, welche durch Streuung und Reflexion an den verschiedensten Grenzflächen – beginnend vom Klarlack bis hin zu den tief gelegenen gerade noch vom
Licht erreichbaren Pigmenten hervorgerufen werden.
Der Reflexionskoeffizient r(E) wird nun als Verhältnis von reflektierter Lichtintensität IR zur einfallenden Lichtintensität IE definiert und der Glanz G als Verhältnis
rg (Probe)/rg (perfekter Streuer) in spekularer Richtung bestimmt.
Hohe Glanzwerte sind daher auch Grund für starke und winkelabhängige Helligkeitseindrücke, die nicht nur an polierten Metallflächen auftreten, sondern auch an
den Grenzflächen transparenter Körper.
Die Reflexion von gerichtetem Licht an ebenen, nichtmetallischen Oberflächen (reine
reguläre Reflexion) wird mathematisch durch den Fresnel’schen Reflexionskoeffizienten r(E) ausgedrückt. Für nicht polarisiertes Licht ergibt sich die Beziehung:
(5)r(E) =
IR
IE
=
1
·
2
tg2 (E’ – E’’
tg2 (E’ + E’’
+
sin2 (E’ – E’’
sin2 (E’ + E’’
In Abbildung 2.4 ist die Abhängigkeit des Reflexionskoeffizienten r(E) vom Einfallswinkel E für unpolarisiertes Licht bei n2 = 1,5 und n1 = 1 dargestellt. Bei Einfallswinkeln unter 30° sind die r(E)-Werte mit etwa 0,04 praktisch konstant. Deshalb
kann man für diesen Bereich die einfachere, für senkrecht, d.h. in Richtung der
Flächennormalen einfallendes Licht (E = 0°) gültige Beziehung
2
(6) r(0°) =
n1 – n1
n2 + n2
anwenden. Daraus ergibt sich beispielsweise, dass ein aus Luft kommender Lichtstrahl bei nahezu senkrechtem Auftreffen auf Wasser zu 2 %, auf Lack zu 4 %, auf
basisches Bleicarbonat zu 11 % oder auf Rutil zu 21 % reflektiert wird. Abbildung
2.5 zeigt eben diese Abhängigkeit r(E = 0°) als Funktion von n2 bei n1 = 1.
Für die Größe des Reflexionskoeffizienten ist nach (6) nur der Unterschied der
Brechzahlen entscheidend, gleichgültig, ob der Lichtstrahl vom dichteren oder
vom dünneren Medium herkommt. Für den Fall, dass der zweite Stoff die höhere
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Optische Prinzipien, Herstellung, Eigenschaften und Typen von speziellen Effektpigmenten
Abbildung 2.4: Reflexionskoeffizient r(E) als Funktion des Lichteinfallswinkels E bei n2 =1,5
und n1 = 1,0 (nach Formel (5))
Abbildung 2.5: Reflexionskoeffizient r(E = 0°) als Funktion der Brechzahl n2 bei n1 = 1,0
(nach Formel (6))
Optische Prinzipien
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Abbildung 2.6: Reflexionskoeffizienten r(E = 0°) bei wachsender Anzahl von Grenzflächen
in einem Stapel. Obere Kurve nach Formel (7), untere Kurve nach Formel (8) berechnet,
d.h. Berechnung ohne und mit Vielfachreflexionen an einem Stapel von k optisch nicht
gekoppelten Grenzflächen
Brechzahl hat, ändert sich für den reflektierten Anteil das Vorzeichen des elektrischen Feldvektors, d. h., das Licht wird um eine halbe Wellenlänge in seiner
Phasenlage verschoben. An Grenzflächen zu Stoffen mit niedrigerer Brechzahl
tritt kein Phasensprung auf. Dieser Phasensprung bei Reflexion an optisch dichteren Medien spielt im Weiteren auch für das Interferenzverhalten von Schichten
eine wichtige Rolle.
In der Regel wird nur ein Bruchteil des auf eine Grenzfläche auffallenden Lichtes
reflektiert, während der Hauptanteil in das andere Medium eintritt bzw. dort hindurch tritt. Setzt man den ursprünglichen Lichtstrom IE = 1, dann ist der reflektierte
Anteil IR durch den Reflexionskoeffizienten r gegeben. Setzt das Licht seinen Weg
in einem völlig klaren und farblosen Medium fort und trifft dann auf weitere Grenzflächen, so wiederholt sich prinzipiell der Vorgang, der bereits an der ersten Grenzfläche aufgetreten ist. Allerdings ist nun die auf die zweite Grenzfläche auftreffende
Intensität schon durch die Reflexion an der ersten Grenzfläche gemindert, so dass
die Reflexionskoeffizienten der k-ten Grenzfläche r(k) sich zu dem der ersten
Grenzfläche r verhalten wie
(7) r(k) = 1 – (1 – r)k
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Optische Prinzipien, Herstellung, Eigenschaften und Typen von speziellen Effektpigmenten
Unter Berücksichtigung der Vielfachreflexionen zwischen den k parallelen Grenzflächen ergibt sich weiterhin
kr
(8) r(k) =
1+(k–l)r
Die daher rührende Zunahme der reflektierten Lichtintensität mit zunehmender
Anzahl von Grenzflächen (für den Fall E = 0) ist in Abbildung 2.6 gezeigt. Für
Effektpigmente ist k selbstverständlich geradzahlig.
2.1.2 Perlglanz- und Interferenzeffekte
Periodisch abwechselnde Schichten aus transparenten Medien mit unterschiedlicher Brechzahl sind das Bauprinzip natürlicher Perlen. Es handelt sich hierbei um
Schichten von Calciumcarbonat (Aragonit, n z 1,7) und Protein (n z 1,4). Somit
wird ein scharf begrenzt auftreffendes Strahlenbündel so reflektiert, dass zwar das
Reflexionsgesetz erfüllt ist, aber zugleich die gerichtete Beleuchtung diffuser
reflektiert wird, wodurch ein Eindruck allmählich abnehmender Helligkeit entsteht.
Für das Auge erhält der Glanz scheinbar eine dreidimensionale Charakteristik, weil
er teilweise aus der Tiefe des Objektes zu kommen scheint. Dieser Eindruck wird
durch die Kugelgestalt der Perle noch verstärkt. Die Gesamtheit dieser Eindrücke
wird mit dem Begriff „Perlglanz“ umschrieben.
Abbildung 2.7: Schematische Darstellung zu den Phasenbeziehungen von interferierenden
Lichtstrahlen (L1 und L2). Der „Umweg“ für L beträgt AD + DB – CB
Optische Prinzipien
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Ein weiteres bei Perlglanzpigmenten auftretendes Phänomen ist die Wechselwirkung zwischen Lichtwellen in Form von Interferenz. Die schematische Darstellung in Abbildung 2.7 soll zur Unterstützung der folgenden Diskussion
dienen.
Befindet sich eine planparallele Schicht mit der Brechzahl n2 in einem Medium
anderer Dichte, dann ist n1 = n3. Es wurde bereits erwähnt, dass ein Lichtstrahl
(L), der von der Grenzfläche zu einem optisch dichteren Medium (g1) reflektiert
wird, eine Phasenverschiebung um eine halbe Wellenlänge bzw. 180° erleidet. An
Grenzflächen zu Stoffen mit niedrigerer Brechzahl (g2) erfolgt hingegen kein
Phasensprung. Die Phasenverschiebung von L/2 für den erstgenannten Fall ist in
Abbildung 2.8 in Form einer Sinusschwingung dargestellt.
Die beiden reflektierten Teilstrahlen L1 und L2 treten bei räumlicher Überlagerung
(Superposition) miteinander in Wechselwirkung. Dabei kann es zu für das Auge
sichtbaren Interferenzerscheinungen kommen. Die Strahlen haben einen Gangunterschied, der sich aus dem Phasensprung L/2 von L2 und dem geometrischen/zeitlichen Umweg von L1 ergibt.
Der Umweg des Teilstrahles L1 beträgt bei senkrechtem Einfall 2d · n2. Das Produkt
d · n2 (allgemein d · n) wird als „optische Weglänge“ bezeichnet.
Abbildung 2.8: Phasenverschiebung um eine halbe Wellenlänge bei einer Sinuswelle
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