Übungen zur Vorlesung „Chemie für Biotechnologen“ Lösungen zu Blatt 1 Aufgabe 1 : a) Aminosäuren mit unpolaren Resten : Î aliphatische oder aromatische Kohlenwasserstoffreste Î Alanin, Valin, Leucin, Isoleucin, Prolin, Phenylalanin, Tryptophan, Methionin b) Aminosäuren mit ungeladenen polaren Resten : Î polare Gruppen im Rest (z.B. Hydroxy- (-OH), Thiol- (-SH) oder Amidogruppen (-C(O)NH2)), dadurch z.B. erhöhte Wasserlöslichkeit Î Glycin, Serin, Threonin, Cystein, Tyrosin, Asparagin, Glutamin c) Aminosäuren mit (bei pH 6-7) positiv geladenen Resten : Î basische Funktionen liegen bei pH 6-7 protoniert vor, das Molekül ist insgesamt positiv geladen (z.B. Aminogruppen : -NH2 + H+ -> -NH3+ ) Î Lysin, Arginin, Histidin d) Aminosäuren mit (bei pH 6-7) negativ geladenen Resten (saure Aminosäuren) : Î Die zusätzlichen Carboxylgruppen der beiden Vertreter dieser Gruppe sind bei pH 6-7 vollständig ionisiert und damit negativ geladen Î Asparaginsäure, Glutaminsäure Aufgabe 2 : In der FISCHERProjektion bei der die C-Kette senkrecht und das C-Atom mit der niedrigsten Positionsnummer oben steht, ist die Aminogruppe der L-Aminosäuren links, die der D-Aminosäuren rechts angeordnet. Dabei entspricht die L-Konfiguration der (S)-Konfiguration nach CAHN-INGOLD-PRELOG [CIP-Regeln, absolute Konfiguration], ausgenommen L-Cystein (s.u.), das aufgrund der Prioritätsregeln der (R)-Konfiguration entspricht. Isoleucin und Threonin besitzen ein weiteres Chiralitätszentrum und kommen in der Natur hauptsächlich nur als ein Diastereomer, (2S,3S)-Isoleucin und (2S,3R)-Threonin, vor. H N COOH COOH H2N 3 1 : Tryptophan HO H 1 2 H O H2N H CH2 CH2 NH2 4 NH NH CIP : (S) L H 4 1 H COOH N H COOH COOH 3 2 : Prolin NH H NH H2C H2C 2 D CIP : (R) HO 2 O OH 3 : Tyrosin H NH2 3 COOH COOH H2N 4 H2N H H CH2 CH2 OH OH 1 CIP : (S) 2 4 : Cystein SH 4 H2N 1 H COOH 3 CIP : (R) !!! COOH COOH H2N H L H2N H CH2 CH2 SH SH L Übungen zur Vorlesung „Chemie für Biotechnologen“ Lösungen zu Blatt 1 Aufgabe 3 : Bei der Titration von Alanin mit Natronlauge treten folgende Protonierungsgleichgewichte auf : O OH C H3N H CH3 Kation (H2A+) pK'1 - H+ + H+ O O C H3N H CH3 Zwitterion (HA) pK'2 - H+ + H+ O O C H2N H CH3 Anion (A-) Der pK-Wert für die erste Dissoziationsstufe, die Deprotonierung der α-Carboxylfunktion, wird mit pK‘1 bezeichnet, der für die α-Aminofunktion mit pK‘2. Für verdünnte Lösungen lässt sich der pH-Wert in guter Näherung mit der Henderson-Hasselbalch-Gleichung annähern : Für die erste Deprotonierung : Für die zweite Deprotonierung : Damit lässt sich der pH-Wert an jedem Punkt der Titrationskurve berechnen. Bei Zugabe von 0,5 und 1,5 Äquivalenten Natronlauge gilt pH=pK, da protonierte und deprotonierte Form jeweils zu gleichen Teilen vorliegen und der Logarithmusterm der Gleichung wegfällt. Der isoelektrische Punkt, pHIP ist der pH-Wert, bei dem die Anzahl der positiven Ladungen im Molekül gleich der Anzahl der negativen ist und das Molekül eine Nettoladung von 0 besitzt. Durch Auflösen der obigen H-HGleichungen nach [H2A+] und [A-] und Gleichsetzen erhält man folgende Beziehung für den Isoelektischen Punkt : Damit ergibt sich mit Hilfe der tabellieten pK-Werte für die Titrationskurve der folgende Verlauf : Zum « zkizzieren » des Verlaufes reicht die Kenntnis der Wendepunkte bei 0,5 und 1,5 Äq. NaOH und des pHI und des Titrationskurvenverlaufes einer schwachen zweibasigen Säure. Übungen zur Vorlesung „Chemie für Biotechnologen“ Lösungen zu Blatt 1 Die Titrationskurven von Aminosäuren mit einem ionisierbaren Rest sind komplizierter. Die Dissoziation am Rest wird mit dem pKR-Wert beschrieben. Durch die elektronische Wechselwirkung der Amino- und Carboxylgruppe am α-C-Atom ist die α-Carboxylgruppe « saurer » als eine Carboxylgruppe im Rest, umgekehrt ist eine Aminogruppe im Rest « basischer » als die am α-C-Atom. Dementsprechend wird bei Aminosäuren mit Carbonsäurefunktion im Rest zunächst die a-Carboxylgruppe, dann die im Rest deprotoniert : durch Nachbarschaft zur Aminogruppe saurer als die Carboxylgruppe im Rest O pK'1 OH C O C + H3N H CH2 O pK'R O -H H3N + H+ H -H H3N + H+ O H -H H2N + H+ H CH2 O O O C + CH2 OH O pK'2 O C + CH2 OH O O O Bei basischen Aminosäuren wird nach der Carboxylgruppe zunächst die αAminogruppe deprotoniert : durch Nachbarschaft zur Carboxylgruppe weniger basisch als die Aminogruppe im Rest O OH C H3N pK'1 O C + H CH2 NH3 -H + H+ O H3N pK'2 O C + H CH2 -H + H+ NH3 O H2N pK'R O H CH2 NH3 -H + H+ O C + H2N H CH2 NH2 Aufgabe 4 : a) Nachweis von Aminosäuren allgemein : 1. Markieren als gelbes 2,4-Dinitrophenyl-(DNP)-Derivat (Sanger-Methode) durch SNAr-Reaktion mit 2,4Dinitrofluorbenzol. Identifizierung z.B. durch dünnschichtchromatographischen Vergleich mit den bekannten DNP-Derivaten der Aminosäuren : 2. Markieren als intensiv fluoreszierende Dansylderivate durch Reaktion mit Dansylchlorid. Trennung und quantitative Bestimmung z.B. mittels HPLC : Übungen zur Vorlesung „Chemie für Biotechnologen“ Lösungen zu Blatt 1 3. Reaktion mit Ninhydrin ergibt einen blauvioletten Farbstoff : Ninhydrin bildet das im Schema dargestellte stabile Hydrat (der Carbonylverbindung), der erste Reaktionschritt ist eine Iminbildung (s. Aufgabe 5). Nach Decarboxylierung wird im dritten Schritt der Teil der ursprünglichen Aminosäure als Aldehyd abgespalten, der den (individuellen) Rest der trägt. Damit ist der aus dem entstandenen Amin durch neuerliche Iminbildung mit einem weiteren Ninhydrinmolekül entstehende Farbstoff nicht aminosäurespezifisch, was für photometrische Bestimmungen von Vorteil ist. (Zu photometrischer Konzentrationsbestimmung siehe Anhang zum Lambert-Beer’schen Gesetz) b) Analyse der Aminosäuresequenz in Peptiden : 1. Reduzieren aller Disulfid-Gruppen (z.B. mit Thioethanol), Alkylieren der entstehenden Sulfhydrylgruppen (z.B. mit Jodessigsäure) 2. Kopletthydrolyse einer Probe des Peptides, Bestimmung der Aminosäure-Zusammensetzung (z.B. Ionenaustauschchromatographie) 3. Bestimmung der N- und C-terminalen AS in einer Probe des Peptides. 4. Chemische oder enzymatische Zerlegung des Peptides in kleinere Peptide, Bestimmung deren Zusammensetzung (s.o.) und Sequenz (z.B. EDMAN-ABBAU s. nach) 5. Erneute Zerlegung des ursprünglichen Peptides durch andere chemische oder enzymatische Verfahren an anderen Stellen. Bestimmung der Zusammensetzung und Sequenz. 6. Vergleich der beiden Gruppen von Bruchstücken, Identifizierung von Überlappungen zur Bestimmung der Gesamtzsequenz. 7. Bestimmung der Position der Disulfidbrücken im Peptid. EDMAN-Abbau : Methode zum schrittweisen Abbau von Peptiden durch Reaktion der N-terminalen Aminosäure mit Phenylisothiocyanat (1) unter leicht basischen Bedingungen. Das entstehende Phenylthiocarbamyl-Derivat (2) des Peptides zerfällt beim Ansäuern in das Phenylthiohydantin-Derivat (3) der N-terminalen Aminosäure und das intakte Restpeptid. Das Phenylhydantoin lässt sich basisch wieder in Phenylisothiocyanat und N-terminale Aminosäure spalten. NH2 NH − Nδ C δ+ C S 1 NH2 pH=8 R1 R1 R1 O O H S HN H N O N S O NH Peptid 3 OH- N NH2 R2 R2 R1 O O Peptid R2 + Peptid 2 + O OH N C S Übungen zur Vorlesung „Chemie für Biotechnologen“ Lösungen zu Blatt 1 c) Zur Trennung von Aminosäuren. Î Chromatographische Methoden, Elektrophorese, ... (s. Vorlesung) Aufgabe 5 : Synthese von Valin nach Strecker : O NH + NH3 H - H2O HCN H Aldehyd NH2 CN H+ / H2 O H Imin NH2 COOH H 2-Amino-nitril α-Aminosäure Im ersten Schritt addiert sich der Ammoniak mit seinem freien Elektromenpaar an den elektrophilen Kohlenstoff der Carbonylgruppe. Das zwitterionische Produkt kann sich durch Deprotonierung am Stichstoff und Reprotonierung am Sauerstoff neutralisieren, durch Eliminierung von Wasser entsteht das Imin : O δ+ H δ− O OH NH3 + NH3 NH NH2 H H - H2O H Durch Addition von Cyanwasserstoff entsteht ein 2-Aminonitril. In diesem Schritt wird die Stereochemie am αKohlenstoff festgelegt. Da der Angriff auf beide Seiten des trigonal planaren Imins geleich warscheinlich ist, entsteht ein Racemat. NH H+ CN H NH2 NH2 CN H + H CN Nitrile (Cyanoverbindungen) lassen sich säurekatalysiert zu Carbonsäuren Hydrolysieren : Trennung von Aminosäureracematen z.B.: • Umsetzung mit chiralen Basen, Fraktionierte Kristallisation • N-Acetylierung des Racemates, Enzymatische Abspaltung der Acetylgruppe nur an der L-Aminosäure, Abtrennung der acetylierten D-Aminosäure, Durch Kochen mit Säure Racemisierung, Wiederholen des Vorganges -> s. Vorlesung Übungen zur Vorlesung „Chemie für Biotechnologen“ Lösungen zu Blatt 1 - Anhang Quantitative Behandlung der Absorption: Lambert-Beer'sches Gesetz Ein monochromatisches Strahlenbündel hinreichender Querausdehnung mit der Ausgangsintensität I0 durchdringe eine verdünnte Lösung der Dicke d eines absorbierenden Stoffs in einem nicht absorbierenden Lösungsmittel. Die durchgelassene Lichtintensität I Transmission = — I0 nimmt exponentiell mit steigender Konzentration des gelösten Stoffes oder bei konstanterKonzentration mit zunehmender Schichtdicke der Küvette ab: I = I0 · exp (- ε · d · c) Nach Logarithmieren und Umformen der Gleichung gilt: I0 2,3 · log — = ε · d · c = E I (2) Diese Gleichung drückt das Lambert-Beer-Gesetz aus, wobei I0: Intensität der Strahlung vor Eintritt in die Lösung I : Intensität der Strahlung nach Durchdringen der Schichtdicke d d : Schichtdicke der Lösung (z.B. Küvettenmaß) in cm c : Konzentration der absorbierenden Substanz in mol · l-1 ε : molarer Extinktionskoeffizient in l · mol-1 · cm-1 E : Extinktion Die durch die Gleichung (2) definierte physikalische Größe ε wird molarer Extinktionskoeffizient der absorbierenden Substanz bei der Wellenlänge l genannt und in der Einheit l · mol-1 · cm-1 angegeben. Im Idealfall ist ε eine unter definierten Meßbedingungen (Temperatur, Lösungsmittel, pH usw.) nur von der absorbierenden Substanz und der Wellenlänge l der monochromatischen Strahlung, nicht aber von c und d abhängige Konstante. Sie ist als Stoffkonstante für zahlreiche Substanzen tabelliert. Die Tatsache, daß viele organische Stoffe hohe ε-Werte haben, ermöglicht die Bestimmung von extrem niedrigen Konzentrationen. Dieser physikalische Vorteil wird in der Biochemie ausgenutzt und bildet die Grundlage der Spektrophotometrie. Gültigkeit des LAMBERT BEER'schen Gesetzes: a) nur für monochromatische Strahlung, d.h. die zur Messung der Lichtabsorption in der Probe verwendete elektromagnetische Strahlung darf nur eine Wellenlänge haben, b) nur für verdünnte Lösungen. Bei höheren Konzentrationen des absorbierenden Stoffes treten bei allen Stoffen Abweichungen vom linearen Zusammenhang zwischen E und c auf; diese Kurven sind gekrümmt, d.h. E ist dann auch von c abhängig. Ursache dieses Verhaltens sind Wechselwirkungen zwischen den absorbierenden Teilchen (Aggregation, Dissoziation u.ä.), veränderte Wechselwirkungen mit dem Lösungsmittel (Solvationsgrad u.ä.). Der Gültigkeitsbereich des linearen Zusammenhangs zwischen E und c muß im Einzelfall empirisch ermittelt werden. Aufgrund der großen Empfindlichkeit, des geringen Zeitaufwandes und der breiten Anwendbarkeit gehört die Spektrophotometrie als Analysemethode zu den im biochemischen Labor am häufigsten benutzten Techniken