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Schulterprothese
Das künstliche Schultergelenk
Anatomische Grundlagen
und Symptome
Das Schultergelenk ist ein Kugelgelenk mit einer Gelenkpfanne am Schulterblatt und einer
Gelenkkugel am Oberarm. Der Gelenkknorpel bedeckt sowohl die Gelenkpfanne als auch die Gelenkkugel und ermöglicht ein optimales Gleiten der Gelenkflächen. Im Gegensatz zur Hüfte ist
die Gelenkpfanne bei der Schulter nur flach ausgebildet und bedeckt lediglich einen geringen Teil
der Gelenkkugel. Dadurch wird dem Schultergelenk seine grosse Beweglichkeit ermöglicht.
Voraussetzung, dass dieses Gelenk gut funktioniert, ist deshalb ein intakter Weichteilmantel. Dazu
gehören sowohl die Gelenkkapsel mit den darin enthaltenen Bändern als auch die Sehnen
und die umgebende Muskulatur. Die Muskulatur besteht aus einer inneren Schicht, der Rotatorenmanschette, welche dem Gelenk eine aktive Stabilität verleiht, und aus einer äusseren
Schicht – dem kräftigen Deltoidmuskel. Sie sind für das aktive Anheben des Armes verantwortlich. In unmittelbarer Nachbarschaft zum Gelenk verlaufen Nerven und Gefässe, die den
Arm versorgen.
Verschiedene Erkrankungen können zu einer Zerstörung der Gelenkflächen führen. Die
häufigste Ursache ist die Schulterarthrose (Omarthrose). Dabei wird der Knorpel
abgenützt, und das Gelenk verliert durch knöcherne Anlagerungen an den Gelenkrändern
(sogenannte Osteophyten) zunehmend seine Passform. Weitere Ursachen für eine
Gelenkzerstörung sind entzündliche Erkrankungen wie die chronische Polyarthritis, Durchblutungsstörungen der Gelenkkugel (Nekrose), Unfallfolgen, eine chronische
Instabilität und ausgedehnte Sehnenrisse der Rotatorenmanschette.
Wer benötigt ein künstliches Schultergelenk (Schulterprothese)?
Der künstliche Gelenkersatz ist dann notwendig, wenn die Schädigung der Gelenkflächen
irreparabel ist, die Funktion eingeschränkt ist und die damit verbundenen Schmerzen
nicht mehr behandelbar sind. Der Zeitpunkt der Operation ist abhängig vom individuellen
Leidensdruck und vom Ausmass der Einschränkung der Lebensqualität. Ziel des
Eingriffs sind die Schmerzreduktion und die Wiederherstellung einer guten Schulterfunktion
für das tägliche Leben.
Welche diagnostischen Abklärungsschritte sind notwendig ?
In erster Linie werden konventionelle Röntgenaufnahmen in verschiedenen Projektionen
angefertigt. Auch eine Ultraschalluntersuchung (Sonographie) gehört zur Standarduntersuchung für die Beurteilung der Rotatorenmanschette. Unter Umständen sind noch
zusätzliche Abklärungen wie eine MRT (Magnetresonanztomographie) oder eine
CT (Computertomographie) notwendig.
Welche Prothese ist die richtige?
Es stehen verschiedene Implantate für unterschiedliche Erkrankungen zur Verfügung.
Die Komponenten bestehen am Oberarm meist aus Metalllegierungen oder aus
Titan. Auf der Pfannenseite werden häufig Kunststoffmaterialien (Polyäthylen) verwendet.
Die Komponenten können je nach Knochenqualität zementiert oder zementfrei verankert
werden. Wird nur die Oberarmkugel ersetzt, sprechen wir von einer Hemiarthroplastik, bei
gleichzeitigem Ersatz der Gelenkpfanne von einer Totalarthroplastik. Prinzipiell
werden drei Systeme verwendet: die anatomische Schulterprothese, der Oberflächenersatz
(schaftfreie Implantate) und die inverse Schulterprothese.
Die anatomische Schulterprothese
Bei einer Gelenkzerstörung mit unbeschädigter Rotatorenmanschette (Sehnenkappe) und
einer guten Muskelfunktion wird eine anatomische Hemi- oder Totalprothese eingesetzt.
Das Ziel bei der anatomischen Schulterprothese ist die Rekonstruktion der ursprünglichen
Anatomie bei gleichzeitiger Schonung der Sehnenansätze der Rotatorenmanschette.
Die Oberfläche des Oberarmknochens wird durch eine Metallhalbkugel ersetzt und mit
einem Schaft im Knochen verankert. Die Gelenkpfanne wird durch ein Kunststoffplättchen ersetzt und mit Zapfen am Schulterblatt befestigt.
Der Oberflächenersatz (schaftfreie Implantate)
Als Alternative zur konventionellen Totalprothese, welche über eine Schaftkomponente
verankert wird, gibt es häufig auch die Möglichkeit einer schaftfreien Prothesenimplantation. Dabei wird eine Metallhalbkugel ohne Schaft am Knochen fixiert. Diese
Methode kann sich vor allem bei veränderter Anatomie im Bereich des Oberarmschaftes (zum Beispiel durch fehlverheilte Frakturen) als hilfreich erweisen. Auch dieses
Implantat kann als Hemiprothese oder als Totalprothese verwendet werden.
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Die inverse Schulterprothese
Die inverse oder umgekehrte Schulterprothese stellt eine Sonderform des künstlichen Gelenkersatzes dar. Sie ermöglicht bei fortgeschrittenen Abnutzungserscheinungen des Knorpels und der
Sehnen (Rotatorenmanschette) eine schmerzlindernde Lösung. Dabei wird die Gelenkpfanne
am Schulterblatt durch eine Kunstgelenkkugel ersetzt und die Gelenkkugel am Oberarm durch eine
Kunstgelenkpfanne. Dieses System hat eine grössere Formschlüssigkeit und ergibt somit eine
verbesserte Stabilität. Durch diese Veränderung der Biomechanik wird die aktive Schulterbeweglichkeit auch bei gleichzeitigen Sehnendefekten wieder möglich, da der kräftige DeltoideusMuskel (äussere Muskelschicht) die fehlende Funktion der Rotatorenmanschette übernimmt.
Die aktive Aussendrehung des Arms kann jedoch durch dieses Implantat allein nicht wiederhergestellt werden. Unter Umständen sind gleichzeitige Muskelersatzoperationen in Erwägung
zu ziehen. Dieses Implantat eignet sich im Falle eines Prothesenwechsels auch sehr gut
als Revisionsprothese.
1 Anatomische Schulterprothese mit
Verankerung im Oberarmknochen
2 Schaftfreie anatomische Schulterprothese
3
3 Inverse Schulterprothese mit umgekehrter
Gelenkmechanik (der Kopf wird
zur Pfanne, die Pfanne zum Kopf)
Wie sieht die Nachbehandlung nach einer Operation aus ?
Der Arm wird nach der Operation in einem Schlingenverband (Orthogilet) ruhig
gestellt, nachts für ca. vier Wochen, tagsüber nur bei Bedarf. Bereits am ersten Tag
nach der Operation beginnt die Physiotherapie mit geführten Bewegungsübungen.
In der Regel erfolgt der Spitalaustritt nach Hause. Tagsüber kann der betroffene Arm
aktiv bewegt werden, sollte anfänglich jedoch noch nicht belastet werden. Die
Physiotherapie – kombiniert in Form von Trocken- und Wassertherapie – findet ca.
zweimal pro Woche über eine Dauer von insgesamt drei bis sechs Monaten statt.
Für die Hautnaht werden meistens selbst auflösende Fäden verwendet, die nicht entfernt
werden müssen. Eine spezielle Wundpflege ist nicht notwendig. Regelmässige ärztliche
Kontrollen erfolgen in der Regel nach sechs Wochen, drei Monaten, sechs Monaten und
nach einem Jahr.
Welche Risiken bestehen ?
Komplikationen während und nach der Operation sind nach dem künstlichen Gelenkersatz
der Schulter insgesamt selten.
Ein Infekt ist eine seltene (ca. 1 Prozent), jedoch gravierende Komplikation. Infektionen
können direkt im Anschluss an die Operation auftreten, aber auch erst viel später,
nach Monaten oder Jahren. Ursache für diese Spätinfektionen sind Bakterien, die über
die Blutbahn zum Implantat gelangen. In diesen Fällen kann es nötig sein, dass
das Kunstgelenk vorübergehend wieder entfernt werden muss. Nach der antibiotischen
Therapie ist der Wiedereinbau eines Kunstgelenks grundsätzlich möglich. Es ist
jedoch mit einer lang dauernden antibiotischen Therapie über Monate zu rechnen.
Verletzungen von Blutgefässen und Nerven, insbesondere des Nervus axillaris (Abb. 4),
welcher in unmittelbarer Nähe des Operationsgebietes verläuft, sind ebenfalls selten
(ca. 1 Prozent). Durch eine Dehnung des Nervenplexus während der Operation kann es
zu meist vorübergehenden Gefühlsstörungen oder Schwächen kommen.
Knochenbrüche treten ebenfalls sehr selten auf und können während derselben Operation
mit Cerclagedrähten oder Platten behandelt werden.
Luxationen (Auskugeln des Gelenks).
Wie sind die Erfolgschancen?
Inwieweit die Schulterfunktion verbessert werden kann, hängt nicht zuletzt mit dem Zustand vor
der Operation zusammen. Eine langjährig vorbestehende Bewegungseinschränkung führt
zu einer Verkürzung der Weichteile und auch zu einer Rückbildung der Muskulatur. Auch vorangegangene Operationen und Verletzungen spielen für die Prognose eine wichtige Rolle. In der
Mehrzahl der Fälle lässt sich jedoch eine ausgezeichnete Schmerzreduktion und häufig auch eine
Verbesserung von Funktion und Bewegungsumfang erreichen.
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4 Verlauf des Nervus axillaris in unmittelbarer Nähe zum Schulterblatt
Wichtig: Diese Informationen sind lediglich eine Ergänzung zum Gespräch mit dem Arzt und
zum persönlichen Behandlungsplan. Beachten Sie auch weitere Hinweise zu Komplikationen und
Nebenwirkungen auf dem Aufklärungsprotokoll.
In dieser Drucksache wird der Einfachheit halber die männliche Form verwendet. Die weibliche Form ist selbstverständlich immer mit eingeschlossen.
Autoren: Ärzteteam Orthopädie Obere Extremitäten
Bilder: Descience, Luzern, Bilddokumentation der Schulthess Klinik und Schaffner & Conzelmann, Basel
Schulthess Klinik
Orthopädie Obere Extremitäten
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