Lehrstuhl für Pharmazeutische/Medizinische Chemie

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Biologisch-Pharmazeutische Fakultät / Institut für Pharmazie
Lehrstuhl für Pharmazeutische/Medizinische Chemie
Medizinische Chemie
Chemische Quellen von Stickstoffmonoxid (NO Donoren)
Medizinische Chemie befasst sich mit dem Design, der Synthese und Entwicklung
biologisch aktiver Verbindungen, der Aufklärung und Interpretation ihres
Wirkungsmechanismus auf molekularer Ebene und der Biotransformation.
Medizinische Chemie und Pharmazeutische Analytik bilden zusammen die
Pharmazeutische Chemie.
Die überragende Bedeutung der Chemie in der Pharmazie resultiert aus der
Tatsache, dass alle Wirkstoffe chemische Verbindungen sind und die
therapeutischen Eigenschaften sich aus ihren chemischen und physikochemischen
Eigenschaften ergeben. Die Chemie begleitet den Wirkstoff auf seinem gesamten
„Lebensweg“. Dieser beginnt mit der Synthese bzw. Biosynthese (bei pflanzlichen
Wirkstoffen). Nach der Einnahme bestimmen die physikochemischen
Eigenschaften der Wirkstoffmoleküle deren Transport und Verteilung im
menschlichen Organismus. Die Wirkung selbst resultiert aus einer chemischen
Interaktion des Wirkstoffmoleküls mit einem biogenen Molekül im Körper (Target).
Solche Targets sind im wesentlichen Proteine (Rezeptoren, Ionenkanäle, Enzyme),
können aber auch Nukleinsäuren oder Lipide sein. Schließlich wird der Wirkstoff
nach erfolgter Wirkung aus dem Organismus entfernt, was wiederum durch
chemische Abwandlung erfolgt (Biotransformation, Metabolismus) mit dem Ziel,
kleinere bzw. gut wasserlösliche Fragmente zu erhalten, die leicht ausgeschieden
werden können.
Typischerweise werden in der wissenschaftlichen Medizinischen Chemie neue
Moleküle konzipiert (Design), hergestellt (chemische Synthese), in ihrer Struktur
und Reinheit gesichert und dann die Wechselwirkung mit dem Target bestimmt
(screening). Moderne medizinische Chemie beinhaltet also nicht nur die Synthese
potentieller Wirkstoffe, sondern auch deren in vitro pharmakologische
Untersuchungen, was wiederum die Etablierung und Nutzung geeigneter Assays
erfordert.
Die Funktion des Gases Stickstoffmonoxid (NO) als natürlicher Vasodilator, ist die
aufsehenerregendsten Entdeckungen der jüngeren medizinisch-naturwissenschaftlichen Forschung (Nobelpreise 1998). Therapeutika, wie die organische
Nitrate, deren Wirkprinzip die Abgabe von Stickstoffmonoxid (NO) ist, gibt es aber
schon lange. Glyceroltrinitrat z.B., wurde vor 160 Jahren als Sprengstoff konzipiert
(Nitroglycerin, Dynamit), ist aber auch ein Angina pectoris Medikament.
4 C3H5(NO3)3 → 12 CO2 + 10 H2O + 6 N2 + O2
H2C ONO2
1 L Flüssigkeit → 2200 L Gas
(Plötzlicher Zerfall, große Druckwelle
HC ONO2
H2C ONO2
1846: Synthese aus Glycerol und Salpetersäure/Schwefelsäure
1846: Erster Test: one drop at the tongue: terrible headache, read head, vasodilation
Aktuell wird am Lehrstuhl erforscht, wie aus organische Nitraten NO entsteht
(Bioaktivierung), wie die Beziehungen (SAR) zwischen den Molekülstrukturen der
Nitrate und der Blutgefäß-erweiternden Wirkungen sind und welche anderen
biologischen Eigenschaften NO Donoren aufweisen.
Bioactivation of high and low potency organic nitrates
Erstaunlicherweise werden einige, aber
nicht alle Nitrate durch die mitochondriale
Aldehyddehydrogenase (ALDH2) bioaktiviert, d.h. zu NO reduziert, und entwickeln
dann auch bei Mehrfachapplikation
Toleranz, d.h. Wirkungsabschwächung.
P.Wenzel, M.Oelze, M.Coldewey, M. Hortmann, A.Seeling, U. Hink, H. Mollnau, D. Stalleicken, H. Weiner,
J.Lehmann, H.Li, U.Förstermann, T.Münzel, A.Daiber, Arteriosclerosis, Thrombosis and Vascular Biology,
2007
In vitro Untersuchungen mit verschiedenartigen Nitraten an isolierten Blutgefäßen
Zeigen ein sehr breites Spektrum an vasodilatorischer Potenz [5,6].
Organbadexperimente an isolierten Gefäßpräparaten (in vitro)
Kraftaufnehmer
Volt
Volt
10
0
30
100
Eingang
0
0
30
100
14 different
mononitrates
Eingang
37°C
Arteria pulmonalis
vom Schwein
Vasorelaxant effects on pulmonary arteries
Brückenverstärker
10
% Relaxation
Was ist Medizinische Chemie?
25
50
75
37°C
Nachfolgend seien die wesentlichen Projekte medizinisch chemischer Forschung
am Lehrstuhl in Jena kurz angesprochen.
Organbad
100
Schreibsystem
-9
Carbogen
5. A.König, K. Lange, J. Konter, A. Daiber, D. Stalleiken, E. Glusa, J. Lehmann, J. Cardiocasc. Pharmacol, 2007
6. Koenig, A.; Roegler, C.; Lange, K.; Daiber, A.; Glusa, E.; Lehmann, J. Bioorg. Med. Chem. Lett. 2007, 17, 5881-85.
-8
-7
GTN
-6
-5
-4
-3
Concentration [logM]
ISDN
Alzheimer – Bessere Wirkstoffe?
Medizinische Chemie an der FSU Jena
Subtypselektive Dopaminrezeptor Antagonisten als
potentielle Antipsychotika und pharmacological tools
Psychosen vom Typ der Schizophrenien sind durch eine dopaminerge
Überschusssymptomatik gekennzeichnet. Dementsprechend werden sie mit
Dopaminrezeptor Antagonisten behandelt. Mit dem Benz-indolo-azecin LE 300
wurde eine Leitstruktur für eine neue Klasse von hochaffinen antagonistischen
Liganden an Dopamin-Rezeptoren gefunden (Highlights in Drug Discovery 2001).
Die Struktur wurde „activity guided“, d.h. mit zeitgleich erfolgendem screening
durch Radioligand-Bindungsexperimente mit humanen stabil klonierten
Dopaminrezeptoren (hD1-hD5) weiter optimiert. Dies führte dann z.B. zum D1Subtyp-selektiven Antagonisten LE 404 (Ki = 0,34nM (hD1), 19nM (D2L); Ki von LE
300: 2,3nM (hD1), 60nM (hD2L)) [1,2] und zum ersten picomolaren D5-selektiven
Liganden LE-PM 436 (Ki (hD5): 0,5nM) [3].
Die Alzheimer-Demenz (AD) ist eine chronisch fortschreitende Erkrankung mit
irreversiblen morphologischen und biochemischen Veränderungen des Gehirns.
Sie beginnt mit Gedächtnisstörungen, führt später zu einem totalen Verlust von
intellektuellen und praktischen Fähigkeiten und dann zur absoluten
Pflegebedürftigkeit. Für die mehr als 1 Million Erkrankten allein in Deutschland
sind die therapeutischen Möglichkeiten limitiert. Man behandelt in erster Linie mit
Inhibitoren der Cholinesterasen, um den Verlust an Acetylcholin-abhängiger
cerebraler Kommunikation zu kompensieren. Tacrin (Cognex®) ist ein guter Inhibitor, kann aber wegen seiner LeberH
ONO
N
Lebertoxizität nicht mehr eingesetzt
HN
NH
werden.
Wir haben nun eine Tacrin-NO
N
N
Donor-Hybridverbindung entwickelt,
die bei Erhalt der inhibitorischen
Hepatoprotektives
Lebertoxisches
Potenz eine wesentlich geringere
Tacrin-NO Donor Hybrid
Tacrin
Lebertoxizität zeigt [7]
2
2
R
≡
N
CH3
HO
N
N
H
LE 300
CH3
N
HO
CH3
Cl
LE 404
LE-PM 436
Struktur von LE 300 im Kristall (X-Ray)
Substanzen mit diesen Bindungsprofilen könnten
neuartige, nebenwirkungsärmere Antipsychotika
zur Behandlung der Schizophrenie sein [4].
Andererseits sind sie durch die bisher nicht
realisierte spezielle Subtypselektivität interessante
tools um D1- und D5-Rezeptorforschung zu
betreiben. Schließlich läßt sich nach Umwandlung in
PET-Liganden durch 11C-Markierung die Verteilung
der D1- und D5-Rezeptoren im Gehirn visualisieren.
1. B. Höfgen, M. Decker, P. Mohr, Astrid M. Schramm, M.U. Kassack, J. Lehmann, J.Med.Chem. (2006), 49(2), 760-769
2. C. Enzensperger, S. Kilian, M. Ackermann, A. Koch, K. Kelch, J. Lehmann, Bioorg.&Med. Chem. Letters (2007) 1399-1402
3. P. Mohr, M. Decker, Chr. Enzensperger, J. Lehmann, J. Med. Chem. (2006) 2110-2116
4. Patent: Neue hochaffine Dopaminantagonisten zur Behandlung der Schizophrenie und Verfahren zu ihrer Herstellung“
J. Lehmann, P. Mohr, P. Schweikert, M. Decker, B. Höfgen, DE 10 2005 025 625.2, (07.12.2006)
ß-Carboline zeigten sich ebenfalls als potente
+
N CH
3
Inhibitoren der Cholinesterase, und damit als potentielle
N
H
Alzheimer-Therapeutika [8]. Dies gilt vor allem für die
R = H, OH, CH3
nebenstehenden kationischen ß-Carbolinium-Derivate.
Da solche Substanzen im Menschen, aus Serotonin oder Tryptamin
biosynthetisiert und auch im Gehirn gefunden werden, kann man spekulativ
feststellen, dass der Mensch eigene Anti-Alzheimer Wirkstoffe herstellt.
N
N
Kontrolle
[11C]LE 300 im Gehirn (Pavian)
CH3
+9-MECAR
9-Methyl-β-carboline up-regukates the
appearance of differentiated dopaminergic
neurones in primary mesencephalic culture
Überraschend war unsere Entdeckung, dass
eine so einfache Verbindung wie 9-Methyl-ßcarbolin (9-MECAR) neuroprotektiv wirkt und
neuronales Wachstum stimulieren [9](s.
untern) kann. Erste Untersuchungen an
Ratten weisen auf eine verbesserte
Lernfähigkeit nach Applikation mit 9-MECAR
hin (cognition enhancer?!).
7. L. Fang, D. Appenroth, M. Decker, M. Kiehntopf, C. Roegler, T. Deufel, C. Fleck, S. Peng, Y. Zhang, J. Lehmann, Jochen, J. Med. Chem. (2008), 713-716.
8. S. Winter, J. Konter, S. Scheler, J. Lehmann; A. Fahr, Nitric Oxide 2008, 18
9. J. Hamann, C. Wernicke, J. Lehmann, H. Reichmann, H. Rommelspacher, G. Gille, Neurochemistry International (2008), 688-700.
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