Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2010/11 y, s .y y* Makroökonomik c* f(k) (n+δ)k s.f(k) Hinweis: Maßgeblich für die Klausur sind die in der Vorlesung vermittelten Inhalte. Die Folien erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Zum Verständnis der Folien ist ein Besuch der Vorlesung erforderlich. s.y* k* k 1 2 Literatur Vorlesung Mo. 10:15-11:45, Beginn 18.10.2010 (HS 10) • Blanchard, O. (2009) Macroeconomics, 5. Aufl. Übung, Di. 18:00-19:00, Beginn 26.10.2010 (HS 10) • Gärtner, M. (2009), Macroeconomics, 3. Aufl. • Jarchow, H.-J. (2010), Grundriss der Geldtheorie, 12. Aufl. Tutorien, Beginn 27.10.2010 1 2 3 4 5 6 • Lambsdorff, J. Graf und C. Engelen (2007), Das Keynesianische Konsensmodell, WiST, Wirtschaftswissenschaftliches Studium, August, S. 387-394. Mi 10-11 Uhr: SR 082 SP (50 Plätze) Do 8-9 Uhr: SR 034 WiWi (48 Plätze) Do 9-10 Uhr: SR 034 WiWi Do 18-19 Uhr: SR 033 WiWi (44 Plätze) Fr 9-10 Uhr: SR 211 NK (72 Plätze) Fr 12-13 Uhr: SR 211 NK • Mankiw, N. G. (2003), Macroeconomics. 5. Aufl. • Romer, David, (2006), Short-Run Fluctuations. Manuskript, University of California, Berkeley, S. 1-19; 44-70: http://elsa.berkeley.edu/~dromer/ • Taylor, J.B. und A. Weerapana (2009), Economics, 6. Aufl. 3 4 Verzeichnis der wichtigsten Symbole n Bev.wachstumsrate T Steuern a autonomer Konsum G Staatskonsum NKE Nettokapitalexp. T0 Pauschalsteuern A Prod.technologie BD Budgetdefizit C Konsum d. Haushalte c marg. Konsumquote i nom. Zinssatz H Humankapital I Nettoinvestitionen J‘ Importe von Gütern und Dienstleistungen J = J‘ zzgl. Faktorl. K Kapitaleinsatz k Pro-Kopf-Kapital Lr reale Geldnachfrage N Arbeitseinsatz NNE Nettonationaleink. Tr Transfers an Ausland P Verbraucherpreisindex V Vorleistungen π Inflationsrate πe erw. Inflation X‘ Exporte von Gütern und Dienstleistungen r realer Zinssatz X = X‘ zzgl. Faktorl. Yb Bruttoinlandsprodukt Y pot. Inlandsprodukt Yv verf. Einkommen Z Subventionen δ Abschreibungsrate D Abschreibungen E Ertragserwartungen e Wechselkurs ($/€) F Faktoreinkommen/ Wertschöpfung R staatl. Transfers S Ersparnis s marg. Sparquote (= Investitionsquote) t Steuersatz 5 6 I. Fallstudie USA I. Fallstudie USA I. Fallstudie USA Die Vereinigten Staaten von Amerika, 2009 BIP: 14256 Mrd. US $ Bevölkerung: 314 Mio. Pro-Kopf-Produktion: 45.300 US $ Preis Big-Mac: 3,73 US $ 7 8 • 1973-1980: Ölpreisschocks • 1984-90: Ankurbelung der Wirtschaft mit niedrigen Steuern • 1991: Rezession als Nachwirkung des Aktienpreisschocks von 1987 und erneut erhöhte Ölpreise aufgrund des Golfkrieges • 1992-2000: New Economy Boom • 2001-2007: Leben auf Pump • 2008-2009: Finanzkrise • Ab 2010: Rückkehr zu altem Wachstum oder fortwährende Rezession? I. Fallstudie USA I. Fallstudie USA • 1981-1983: Preisniveaustabilität wieder hergestellt • Mit ökonomischen Phasen korrespondieren auch ökonomische Lehrmeinungen. • Der Monetarismus zielt auf die Wichtigkeit stabiler Preise und ist Anfang der 80er Jahre prominent. • Der Glaube an die Rationalität Einzelner und die Innovationskraft des privaten Sektors beflügeln Steuersenkungen und Deregulierung Ende der 80er Jahre. • Neue Technologien bewirken einen ausgeprägten Optimismus in den 90er Jahren. 9 10 I. Fallstudie USA Ziel der Vorlesung Makroökonomik • Ein Festhalten an den alten gewünschten Wachstumsraten bewirkt eine Blasenbildung bei den Immobilienpreisen. Mit niedrigen Zinsen wird dies lange aufrecht erhalten. Aufgrund des Glaubens an die Rationalität Einzelner wird dies aber nicht als Blase erkannt. • Mit dem Beginn der Finanzkrise wird das Versagen des privaten Sektors erneut diskutiert und die Notwendigkeit der makroökonomischen Steuerung, der Keynesianismus, wird wieder weitgehend akzeptiert. 11 • Sie werden makroökonomische Daten verstehen lernen, inklusive ihrer Zusammenhänge. • Dies sind insbesondere Inlandsprodukt, Inflation, Zinsen, Wechselkurs, Leistungsbilanzdefizit und Budgetdefizit. • Für die kurzfristigen und langfristigen Determinanten dieser Größen werden Sie das Zusammenspiel von Unternehmen, privaten Haushalten, dem Fiskus, der Zentralbank und den entsprechenden Akteuren im Ausland erkennen. • Hierauf aufbauend werden Sie in die Lage versetzt, Prognosen zu erstellen und für eigene Planungen auszuwerten. 12 Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2010/11 Frenkel, M. und K.D. John (2006), Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, 6. Aufl. S. 21-25, 37-39, 50-52, 54-55, 56. y, s .y y* Pflichtlektüre: 1. Das Bruttoinlandsproduktf(k) c* (n+δ)k Zur Übung: VWL-Quiz http://www.wiwi.uni-passau.de/994.html s.f(k) s.y* k* k 14 Das Inlandsprodukt • Die Produktion wird nach Marktpreisen bewertet. • Das Bruttoinlandsprodukt ist ein Maß für die • Das Bruttoinlandsprodukt umfasst nur Güter und Dienste, welche gegenwärtig produziert werden, nicht solche der Vergangenheit oder Zukunft. Es bezieht sich dabei auf ein bestimmtes Zeitintervall (Jahr oder Quartal). gesamtwirtschaftliche Produktion. Diese entspricht in einer (geschlossenen) Volkswirtschaft den gesamten Einnahmen der Firmen (aus dem Verkauf von Endprodukten) und den Ausgaben der Haushalte. • Das Bruttoinlandsprodukt wird bestimmt durch den gesamten Marktwert aller Endprodukte an Gütern und Dienstleistungen, welche in einer bestimmten Periode in einem Land produziert werden. • Es beinhaltet sowohl „fassbare“ Güter (Nahrung, Kleidung, Autos) als auch „nicht-fassbare“ Dienstleistungen (Haarschnitt, Reinigungsservice, ärztliche Beratung). 15 • Es bezieht sich auf die Produktion innerhalb der geographischen Abgrenzung eines Landes. • Gezählt werden alle produzierten und legal auf Märkten gehandelten Güter. Vernachlässigt werden Güter, welche zu Hause produziert und konsumiert werden, ohne dabei über einen Markt ausgetauscht zu werden. • Illegal gehandelte Güter (z.B. Drogen) werden vernachlässigt. 16 • Es werden nur Endprodukte und nicht Vorleistungen einbezogen (so dass Doppelzählungen vermieden werden). • Vorleistungen sind solche Güter und Dienste, welche in der gleichen Periode im Produktionsprozess wieder verwendet werden (z.B. Zwischenprodukte, Rohstoffe, Hilfs- und Betriebsstoffe, Brenn- und Treibstoffe, Transportkosten, gewerbliche Mieten). • Beispiel der Brotproduktion (L steht für Lohn, G für Gewinn) Landwirte L 200 • Die produzierten Vorleistungen gehören nicht zum Inlandsprodukt, da sie im gleichen Zeitraum wieder im heimischen Produktionsprozess verbraucht werden. Getreide 300 Müller Bäcker Vorleist. 300 Mehl 500 G 100 L 100 Vorleist. 500 G 100 Brot 700 L 120 • Das Bruttoinlandsprodukt entspricht damit der Wertschöpfung. Von der Summe aller Produktionswerte (einschl. Vorleistungen) müssen sämtliche Vorleistungen abgezogen werden. • Produktionswert: 1500 G 80 • Vorleistungen: 800 17 Reales und Nominales Bruttoinlandsprodukt • Das nominale Bruttoinlandsprodukt misst die Produktion von Gütern und Diensten zu aktuellen Preisen. • Das reale Bruttoinlandsprodukt misst die Produktion von Gütern und Diensten zu konstanten Preisen. • Ein zutreffendes Bild der Produktion als Maßstab des Wohlstands eines Landes erfordert, dass das nominale BIP mit Hilfe des BIP-Deflators in das reale BIP umgerechnet wird. 19 • Wertschöpfung: 700 18 • Der BIP-Deflator misst das gegenwärtige Preisniveau relativ zum Preisniveau eines Basisjahres. • Ein Anstieg des BIP-Deflators bedeutet, dass ein Anstieg des nominalen BIP auf Preiserhöhungen und nicht auf eine gestiegene mengenmäßige Produktion zurück zu führen ist. • Ein Sinken des BIP-Deflators bedeutet, dass ein sinkendes nominales BIP aus Preissenkungen resultiert und nicht durch eine schrumpfende mengenmäßige Produktion bedingt ist. 20 Bruttoinlandsprodukt, Deutschland, real in Preisen von 2000 und nominal Das Bruttoinlandsprodukt als Wohlfahrtsindikator Mrd. € 640.0 125 620.0 120 600.0 115 580.0 • Das reale Bruttoinlandsprodukt ist das beste eindimensionale Maß für das Wohlergehen einer Gesellschaft. 110 560.0 540.0 105 520.0 100 500.0 95 480.0 • Als Pro-Kopf-Größe misst es das durchschnittliche Einkommen und die durchschnittlichen Ausgaben einer Person. 90 460.0 440.0 85 420.0 80 400.0 75 380.0 • Ein höheres Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt indiziert einen höheren Lebensstandard. 70 360.0 2010-01 2009-01 2008-01 2007-01 2006-01 2005-01 2004-01 2003-01 2002-01 2001-01 2000-01 1999-01 1998-01 1997-01 1996-01 1995-01 1994-01 60 1993-01 320.0 1992-01 65 1991-01 340.0 BIP nominal (pro Quartal) BIP real (2000=100) Quelle: Zeitreihendatenbank, http://www.bundesbank.de 21 Glaubst du denn, du wärst klüger als alle unsere Ökonomen, Statistiker und Minister? Unser Lebensstandard hat sich deutlich erhöht! Du merkst es bloß nicht, weil dies durch die erhöhten Kosten neutralisiert wurde. 22 • Aber das Bruttoinlandsprodukt ist nicht ein perfektes Maß des Glücksempfindens oder der Lebensqualität. Insbesondere fehlen Wertansätze für die folgenden „Güter“: - Der Wert der Freizeit. - Der Wert einer sauberen Umwelt und der Gesundheit. - Der Wert von Gütern und Diensten, welche nicht über den Markt ausgetauscht werden, z.B. freiwillige, unentgeltliche Arbeiten, gegenseitige Hilfestellungen in der Familie. Laxman, Times of India, - Der Wert einer gerechteren Verteilung der Einkommen. 23 24 • Das Bruttoinlandsprodukt weist aber eine hohe Korrelation mit anderen Messgrößen der Lebensqualität auf. Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung • Wir unterstellen eine geschlossene Volkswirtschaft, d.h. wir vernachlässigen das Ausland. • Wir vernachlässigen die ökonomische Aktivität des Staates. • Es existieren daher nur private Haushalte und Unternehmen. Arbeitskraft Lohn (700) Private Haushalte Vorleistungen (300) Unternehmen Zahlung (700) 25 • Folgende vereinfachende Annahmen gelten: • Private Haushalte produzieren nicht. Sie verausgaben ihre gesamten Einkommen vollständig. • Unternehmen bilden keine Ersparnisse. • Es entstehen im Produktionsprozess keine Gewinne. • Aufgrund der fehlenden Ersparnisbildung gibt es kein Vermögen. • Unternehmen produzieren nur Konsumgüter und Dienstleistungen, welche in der gleichen Periode abgesetzt werden. • Die Güter werden mit Hilfe menschlicher Arbeitskraft und Vorleistungen (Rohstoffe, Transportkosten, usw.) produziert. 27 26 Konsumgüter • F steht hierbei für das Faktoreinkommen • Inlandsprodukt = Wertschöpfung: 700 • Produktionswert: 1000 Einkommenskonto F 700 C 700 Produktionskonto V 300 28 • Entsprechend den wirtschaftlichen Funktionen in der betrachteten Volkswirtschaft existiert ein Einkommenskonto und ein Produktionskonto. • Das Produktionskonto soll hierbei die Produktion, Einkommensentstehung und Einkommensverteilung beinhalten. • Das Einkommenskonto erfasst die Einkommenserzielung, Einkommensumverteilung und Einkommensverwendung. • Anschaulich kann das Einkommenskonto als Konto der Einkommensbezieher (hier der privaten Haushalte) und das Produktionskonto als Konto der Produzenten (hier der Unternehmen) betrachtet werden. 29 • Die eingezeichneten Ströme sind Zahlungsströme (im Falle einer Kreditgewährung könnten wir auch von Forderungsströmen sprechen). • Der mit dem Symbol C versehene Strom bedeutet, dass den Produzenten aus dem Verkauf von Konsumgütern an die Einkommensbezieher von diesen Zahlungsmittel in Höhe von 700 zufließen. • Dem aus Konsumgüterverkäufen der Produzenten resultierenden Strom fließt ein gleich starker, aber entgegen gerichteter Strom von den Produzenten zu den Einkommensbeziehern entgegen. • Dieser bringt zum Ausdruck, dass die Produzenten an die Einkommensbezieher Löhne und Gehälter, so genannte Faktoreinkommen, zahlen. Mit dem zweiten Strom entsteht ein Kreislauf. 30 Darstellung in Kontenform • Die Faktoreinkommen beinhalten die so genannten Erwerbs- und Vermögenseinkommen. • Die Erwerbseinkommen sind die Arbeitnehmerentgelte und die Selbständigeneinkommen. Einkommenskonto Konsumausgaben 700 • Zu den Vermögenseinkommen gehören Zinsen und Mietzahlungen sowie die verteilten Gewinne in Form von Dividendenausschüttungen oder Gewinnentnahmen. 700 Produktionskonto Vorleist. Faktoreinkommen 300 Wertschöpfung – Löhne 700 300 Vorleist. 700 Konsumgüter • Wir hatten jedoch unterstellt, dass kein Vermögen angesammelt wurde. Daher besteht das Einkommen zunächst nur aus Erwerbseinkommen und wird hier als „Lohn“ bezeichnet. 31 32 • Unsere vereinfachende Annahme, private Haushalte würden nicht produzieren, soll nun aufgegeben werden. • Alle Unternehmungen gehören zum Sektor „private Haushalte“, sofern sie keine (quasi-) Kapitalgesellschaften sind (Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Genossenschaften, offene Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften). • Der Begriff „privater Haushalt“ wird gemäß einer Abgrenzung für die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union durch das europäische System volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (abgekürzt: ESVG; verbindlich für alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ab April 1999) vorgenommen. • D.h. alle Personengesellschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit zählen zu den privaten Haushalten (z.B. selbständige Landwirte, Einzelunternehmer im produzierenden Gewerbe, Handwerker, Händler, Gastwirte). • Zum Produktionswert der von privaten Haushalten erzeugten Güter gehören einerseits Dienstleistungen, die Hausangestellte, Reinigungspersonal, Butler u. ä. Erwerbstätige gegen Entgelt produzieren und an andere private Haushalte verkaufen. • Die Produktion dieser Personengesellschaften o.e.R. wird auf einem Produktionskonto der privaten Haushalte verbucht. 33 34 Darstellung in Kontenform Private Haushalte Unternehmen Produktionskonto Produktionskonto Wertschöpfung -Löhne 270 100 Dienstlst.an Haushalte 170 Konsumgüter Einkommenskonto Konsumausgaben 720 • Nun soll die Annahme aufgegeben werden, dass private Haushalte und Unternehmen nicht sparen und nicht investieren. Vorleist. 300 • Private Haushalte sparen dadurch, dass sie nur einen Teil ihres Faktoreinkommens für Konsum ausgeben. 300 Vorleist. Wertschöpfung 550 -Löhne 550 Konsumgüter Einkommenskonto • Das hiermit angesammelte Vermögen stellen sie für die Produktion den Unternehmen (oder den zu den Haushalten zählenden Personengesellschaften) zur Verfügung. • Hierfür erhalten sie dann Vermögenseinkommen, wie z.B. Zinsen oder Dividenden. 820 Faktoreinkommen Ausgaben für Dienstlst. 100 35 36 • Auf der Seite der Produzenten wird unterstellt, dass diese nicht nur Konsumgüter, sondern auch Investitionsgüter, d.h. dauerhafte Produktionsmittel wie maschinelle Anlagen, produzieren. • Unter Konsum (C) verstehen wir nun sämtliche Ausgaben der Haushalte für (Verbrauchs-) Güter und Dienste mit Ausnahme von Häusern, welche als Investition gezählt werden. • Demgegenüber zählen Ausgaben der Haushalte für langlebige Konsumgüter (Auto, Fernseher, Waschmaschine …) zum Konsum. • Investitionen (I) sind Ausgaben für Kapitalausstattung, Vorräte und Bauten (Häuser), also für Güter, welche nicht unmittelbar verbraucht werden. • Die Unternehmen erzielen Gewinne. • Unternehmen sparen dadurch, dass sie diese Gewinne nicht vollständig als Dividenden an die privaten Haushalte abführen. • Die Ersparnis der Unternehmen entspricht somit den einbehaltenen Gewinnen. • Diese werden verbucht als ein Einkommen, welches sich die Unternehmen auf ihr Einkommenskonto zuweisen. • Aufgrund der durch Nutzung eingetretenen Wertminderung des Anlagevermögens müssen Unternehmen ferner Abschreibungen verbuchen. 37 • Bei den Investitionen unterscheiden wir in - Bruttoanlageinvestition: gekaufte und selbst erstellte Anlagen wie Ausrüstungsinvestitionen (Maschinen, maschinelle Anlagen, Fahrzeuge, Betriebs- und Geschäftsausstattung), Bauinvestitionen (Wohn- und Verwaltungsbauten, gewerbliche Bauten, Straßen, Brücken etc.) und immaterielle Anlagegüter (wie Computerprogramme, Urheberrechte), und - Lagerinvestitionen: Zuwachs an eigenen halbfertigen und fertigen Erzeugnissen und den von anderen Unternehmungen gekauften und noch gelagerten Vorprodukten. 39 38 • Bezüglich der Investitionen sind folgende Begriffe zu unterscheiden: • Bruttoinvestition: Ib • Nettoinvestition: I • Lagerinvestition: IL • Reinvestition ~ D Ib 250 • (Brutto-) Anlageinvestition: IbA Reinvest. 150 D 150 IbA 210 I 100 IL 40 40 Darstellung in Kontenform Private Haushalte • Aus der Darstellung ist ersichtlich, dass zu manchen Posten eine Gegenposition fehlt. Hierfür ist ein Vermögensänderungskonto zu berücksichtigen. Unternehmen Produktionskonto Produktionskonto Wertschöpfung – Löhne – Zinsen – einbeh. Gewinne Investitionsgüter Abschreibungen Einkommenskonto Konsumausgaben Einkommenskonto • Wir betrachten nun zur Vereinfachung nur gesamtwirtschaftliche Konten, vernachlässigen also die Unterscheidung in private Haushalte und Unternehmen. • Eine Darstellung kann entweder in Form eines Flussdiagramms oder in Kontenform erfolgen. Faktoreinkommen Ersparnis – Löhne – Zinsen einbeh. Gewinne Ersparnis 41 Flussdiagramm einer einfachen Volkswirtschaft Einkommenskonto F 820 S 100 C 720 • Die den Haushalten und Unternehmen zufließenden Einkommen in Höhe von 820 werden in Höhe von 720 für Konsumzwecke ausgegeben und der Rest in Höhe von 100 wird gespart. • Die Ersparnis fließt dem Vermögensänderungskonto zu. Damit wird ein Teil der Bruttoinvestition in Höhe von 250 finanziert. Vermögensänderungskonto • Als Gedankenstütze kann man sich vorstellen, dass das Vermögensänderungskonto beim Produktionskonto Investitionsgüter in Höhe von 250 kauft und bezahlt. Ib 250 Produktionskonto 42 D 150 V 300 43 • Der nicht durch Ersparnisse finanzierte Teil der Bruttoinvestition in Höhe von 150 Einheiten wird durch Abschreibungen finanziert, genauer aus Abschreibungsgegenwerten. 44 Gesamtwirtschaftliche Konten einer einfachen Volkswirtschaft Produktionskonto Einkommenskonto Konsumausgaben 720 Brutto- und Nettoinlandsprodukt 820 Faktoreinkommen Vorleist. 300 Abschr. 150 300 Y=C+I=820 720 Wertschöpfung – Löhne 680 – Zinsen 140 Ersparnis 100 Vorleist. • Das Nettoinlandsprodukt lässt sich aus dem Produktionskonto ermitteln: 250 Konsumgüter Inv.güter • Es gilt ferner für das Bruttoinlandsprodukt Yb=Y+D=970 Vermögensänderungskonto Inv.güter 250 150 Abschr. 100 Ersparnis 45 46 Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2010/11 Gärtner, M. (2009), Macroeconomics, S. 240-271; 286290. y, s .y y* Pflichtlektüre: f(k) 2. Produktion und Wachstum c* (n+δ)k Mankiw, N. G. (2003), Macroeconomics. 5. Aufl. S. 180204; 208-222. s.f(k) s.y* k* k 47 48 • Der Lebensstandard, gemessen durch das reale Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, variiert stark zwischen Ländern. • Der Lebensstandard in den reichsten und in den ärmsten Ländern, gemessen durch das reale Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, unterscheidet sich ca. um den Faktor 100. 49 • Unter Produktivität versteht man die Menge an Gütern und Diensten, welche in einer Arbeitsstunde produziert werden. • Der Lebensstandard wird maßgeblich von der Produktivität der Arbeitskräfte bestimmt. Quelle: 50 Unter Produktionsfaktoren versteht man insbesondere: • Physisches Kapital • Humankapital • Natürliche Ressourcen • Technischer Fortschritt • Die Produktivität wird maßgeblich durch die verschiedenen Produktionsfaktoren bestimmt. 51 • (neuere Forschungen betonen auch „Sozialkapital“. Hiermit kann z.B. das gegenseitig entgegengebrachte Vertrauen gemeint sein. Solche Faktoren werden stärker in den Kulturwissenschaften betont und hier vernachlässigt.) 52 • Humankapital ist der ökonomische Begriff für das Wissen und die Fertigkeiten, welche Arbeiter durch Erziehung, Training und Erfahrung akquirieren und zur Produktionssteigerung einsetzen können. • Kapital ist ein aus der vergangenen Produktion stammender Faktor, welcher in die gegenwärtige Produktion eingeht. • Physisches Kapital ist der Bestand an Maschinen und Bauten, welcher in die Produktion von Gütern und Diensten eingeht. • Die Messung des Humankapitals ist schwierig. Näherungsweise werden hierfür die Ausgaben verwendet, welche getätigt werden, um den Arbeitskräften das Verständnis neuer Prozesse und Produkte zu vermitteln. 53 • Natürliche Ressourcen sind Produktionsfaktoren, welche von der Natur bereit gestellt werden. Beispiele hierfür sind Boden, Metalle oder Öl. Sie werden eingeteilt in • erneuerbare Ressourcen, wie z.B. Wälder oder Fischbestände, und • nicht erneuerbare Ressourcen, wie z.B. Kohle oder Mineralwasser. • Natürliche Ressourcen sind wichtig. Aber viele Länder mit wenig Ressourcen (Deutschland, Japan) können trotzdem einen hohen Lebensstandard erzielen. Rohstoffbesitzer wie Gabun, Nigeria oder Venezuela 55 sind hingegen teilweise ärmer. 54 • Technischer Fortschritt ist das Verständnis innovativer Produktionstechnologien und Organisationsmethoden (Prozessinnovationen) sowie verbesserter oder neuartiger Produkte (Produktinnovationen). • Humankapital ist im Gegensatz zu technischem Fortschritt fest mit einer Arbeitskraft verbunden. Es kann nicht käuflich erworben und transferiert werden. • Während die Erfindung der Schreibmaschine technischer Fortschritt ist, ist das Erlernen der ZehnFinger-Technik eine Form von Humankapital. • Für Humankapital müssen Ausgaben getätigt werden, um den Arbeitskräften das Verständnis neuer Prozesse 56 und Produkte zu vermitteln. II. Fallstudie China II. Fallstudie China II. Fallstudie China China, 2009 BIP: 33535 Mrd. Yuan Bevölkerung: 1345 Mio. Pro-Kopf-Produktion: 24920 Yuan Preis Big-Mac: 13,20 Yuan Wechselkurs: 6,80 Yuan/US $ 57 Die Produktionsfunktion • 1978: Privateigentum an landwirtschaftlichen Überschüssen. II. Fallstudie China 58 • Ökonomen verwenden oft eine Produktionsfunktion, um • 1984: Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen – dort Experimente mit eigenen Wirtschaftsgesetzen. Ausländische Investoren als Minderheitseigner willkommen. Schrittweise Preisliberalisierung und Aufhebung der Mengenplanung. • 1989-1992: Politische Krise. • 1992-2002: Privatisierung kleiner Staatsunternehmen und Bankenreform. Später Privateigentumsrechte und WTOBeitritt. • 1994-2010: Stetige Erhöhung der Devisenreserven auf derzeit 2500 Mrd. US $. Keine Aufwertung des Yuan. 59 das Verhältnis zwischen der Menge an Einsatzfaktoren und der erzielten (Brutto-) Produktionshöhe auszudrücken. Yb=AF(N, K, H), FN>0, FK>0, FH>0. • Hierbei indiziert Yb das Bruttoinlandsprodukt (die Produktion), A die Produktionstechnologie, N die Anzahl an Arbeitskräften, K die Menge an physischem Kapital, H die Menge an Humankapital und F() eine Funktion, welche diese Faktoren kombiniert. Auf die Berücksichtigung von Rohstoffen wird hier verzichtet. 60 • Produktionsfunktionen mit konstanten Skalenerträgen haben eine interessante Implikation. Ersetzen wir x durch 1/N, dann folgt: • Eine Produktionsfunktion hat „konstante Skalenerträge“, wenn für jede positive Zahl x gilt: xYb=AF(xN, xK, xH) Yb/N=AF(1, K/N, H/N)= Af(K/N, H/N). • Dies bedeutet, dass z.B. eine Verdoppelung aller Einsatzfaktoren zu einer Verdoppelung der Produktion führt. • Konstante Skalenerträge erscheinen plausibel: Wenn zu einer existierenden Betriebsstätte eine zweite, identische an einem anderen Ort und unter sonst gleichen Bedingungen erstellt wird, sollte diese die gleiche Produktion hervorbringen können. • Die Term 1 in der Funktion ist überflüssig. Wir können ihn auch weglassen und zur Unterscheidung der Funktion den Kleinbuchstaben, f(), verwenden. • Hierbei ist nun Yb/N die Produktion pro Arbeitskraft, K/N der Kapitaleinsatz je Arbeitskraft und H/N das Humankapital je Arbeitskraft. • Die Produktivität, Yb/N, wird also von den diversen ProKopf-Einsatzfaktoren sowie dem Stand der Technologie, A, bestimmt. 61 62 Die Frage der Konvergenz • Werden alle Pro-Kopf Einsatzfaktoren der gegebenen Produktionsfunktion verdoppelt, so ergibt sich nur ein unterproportionaler Anstieg: • Sind Länder mit niedrigem Einkommen durch höhere Wachstumsraten gekennzeichnet? • Falls dies so wäre, würden Einkommensunterschiede im Zeitverlauf abgebaut. Dies wird als catch-up-Effekt bezeichnet. AF(1, 2.K/N, 2.H/N) < 2.Yb/N • Dies ergibt sich, da die 1 sich nicht verdoppelt hat. • Ein solcher catch-up-Effekt würde sich einstellen, wenn „sinkende Grenzerträge“ vorliegen. • Werden Einsatzfaktoren nämlich mit steigendem Einsatz tendenziell unproduktiver, so hätten Länder mit geringer Ausstattung eine höhere Grenzproduktivität und damit einen Produktionsvorteil gegenüber reicheren Ländern. 63 • Konstante Skalenerträge einer Produktionsfunktion implizieren somit sinkende Grenzerträge der Pro-KopfProduktion. 64 Wachstum und Pro-Kopf-Inlandsprodukt in US-Staaten Quelle für Graphik: 65 Quelle: Barro und Sala-i-Martin (1995), Economic Growth, S. 28. 66 • Für das Solow-Wachstumsmodell unterstellen wir eine Cobb-Douglas-Produktionsfunktion, wobei wir natürliche Ressourcen vernachlässigen: • Konvergenz scheint aufgrund empirischer Evidenz dort vorzuliegen, wo Länder relativ ähnliche Ausgangsbedingungen haben. Yb=AF(N,K)=AKαN1-α , 0<α<1. • Für die Welt insgesamt liegt gemäß empirischer Evidenz keine Konvergenz vor. • Eine mögliche Begründung hierfür könnte darin liegen, dass Länder sich in wichtigen Voraussetzungen unterscheiden. • Diese Voraussetzungen wollen wir im Rahmen eines Wachstumsmodells darstellen. 67 • Hierbei indiziert Yb das Bruttoinlandsprodukt (die Produktion), A die Produktionstechnologie, N die Anzahl an Arbeitskräften und K die Menge an physischem und Humankapital. 68 b Yb=F(K,N) • Es liegen positive und abnehmende Grenzerträge beider Produktionsfaktoren vor. Es gilt z.B.: dYb/dK=AαKα−1N1-α>0; d2Yb/dK2= Aα(α−1) Kα−2N1-α <0. Arb e it • Es liegen konstante Skalenerträge vor: N0 A(xK)α(xN)1-α = AxαKαx1-αΝ1-α =xAKαN1-α=xYb. Kapital K 69 • Schreiben wir diese Funktion in Pro-Kopf-Terme um, so folgt mit k=K/N und y=Yb/N: y=Yb/N=F(K,N)/N= f(k). • Im konkreten Fall gilt: y=AKαN1−α/Ν = Akα . • Das Pro-Kopf-Einkommen, y, ist somit eine positive, aber abnehmende Funktion des Pro-Kopf-Kapitalstocks, k. • Mit der Funktion wird das Verhalten einer einzelnen Wirtschaftseinheit, einem Kopf der Bevölkerung, dargestellt. • Diese Wirtschaftseinheit wird nicht nur produzieren und in Höhe der Produktion ein Einkommen erzielen. Sie wird Teile dieses Einkommens für Konsumzwecke verwenden und andere Teile für Investitionszwecke. 71 70 • Wir unterstellen, dass die Wirtschaftseinheit eine feste Relation wählt für die Aufteilung des Einkommens in Konsum und Investition. • Bei einer festen Aufteilung beträgt somit die gesamte Investition pro Kopf sy=sAkα. • Die Investitionsquote ist in dem Modell identisch zur Sparquote der Wirtschaftseinheit. Daher bezeichnen wir den Anteil als „s“ (savings). 72 • Die zeitliche Veränderung des Kapitalstocks wird durch die Bruttoinvestitionen (I) und die Abschreibungen (δK) bestimmt: & & δ K =sF − δ K ⇔ K/N=s ⋅ f (k)-δ k K=I• Die Pro-Kopf-Kapitalausstattung variiert sowohl mit Veränderungen der Kapitalausstattung als auch mit Veränderungen der Bevölkerung (= des Arbeitseinsatzes). Es gilt: & & K& KN& d ( K N ) NK-KN k& ≡ = = − 2. dt N2 N N • Wir nehmen ferner an, dass ein konstantes Bevölkerungswachstum exogen vorgegeben ist. Es gilt somit N(t)=ent, bzw. n ≡ N& N . • Einsetzen erbringt: k& = K& N − nk . • Wird dies berücksichtigt, so folgt für die Dynamik des ProKopf-Kapitalstocks: k& = s ⋅ f ( k ) - (δ + n ) k . • Ein Anstieg des Pro-Kopf-Kapitalstocks ergibt sich, wenn von den aus der bestehenden Produktion resultierenden ProKopf-Investitionen die Abschreibungen abgezogen werden. Ferner müssen neue Arbeitskräfte mit demselben Kapitalstock ausgestattet werden. 73 • Der Pro-Kopf-Kapitalstock verringert sich durch Abschreibungen, welche proportional zum existierenden Kapitalstock sind. • Zusätzlich verringert sich der Pro-Kopf-Kapitalstock durch einen Anstieg der Bevölkerung, da der bestehende Kapitalstock dann auf mehr Arbeitskräfte zu verteilen ist. • Diese beiden Effekte zusammen bewirken ein Schrumpfen des Pro-Kopf-Kapitalstocks gemäß: (δ+n)k . • Zum Erhalt des Pro-Kopf-Kapitalstocks müssen die Investitionen gerade (δ+n)k betragen. Diese Größe wird daher auch als „notwendige Investition“ bezeichnet. 75 74 • Insgesamt folgt für die Dynamik des Pro-KopfKapitalstocks folgende Funktion: k& = s ⋅ Ak α - (δ + n ) k . • Mit den aus der bestehenden Produktion resultierenden Pro-Kopf-Investitionen müssen zuerst die Abschreibungen beglichen werden. • Ferner müssen neue Arbeitskräfte mit demselben Kapitalstock ausgestattet werden. • Ein Anstieg des Pro-Kopf-Kapitalstocks ergibt sich nur, wenn die notwendigen Investitionen geringer sind als die tatsächlichen Investitionen. 76 • Ein steady-state ist definiert als eine Situation, in der alle makroökonomischen Aggregate mit einer über die Zeit konstanten Rate wachsen. y, s .y f(k) steady state y* c* • Hierfür ist ein konstanter Pro-Kopf-Kapitalstock (k*) erforderlich. • Im steady-state gilt also: (n+δ)k y0 s ⋅ Ak α =( δ + n)k s.f(k) c0 • Hieraus folgt für den Pro-Kopf-Kapitalstock im steady1 (1−α ) state: s.y* s.y0 ⎛ sA ⎞ k* = ⎜ ⎟ ⎝δ +n⎠ Notwendige Investition k0 k* k 77 78 Eine Verlagerung der Produktionsfunktion • Dies impliziert, dass das Niveau der Variablen K, Yb, und C mit einer konstanten Wachstumsrate n wächst. Die sonstigen Parameter des Modells haben auf diese Wachstumsrate keinen Einfluss. • Eine Verlagerung der Produktionsfunktion aufgrund einer Änderung der Technologie, A, einer Veränderung der Sparquote, s, der Wachstumsrate der Bevölkerung, n, und der Abschreibungsrate, δ, haben Einfluss auf die diversen ProKopf-Variablen. • Ein fortgesetztes Wachstum von Pro-Kopf-Variablen lässt sich mit dem Modell nicht erklären. 79 y, s.y y*2 f2(k) f1(k) y*1 (δ+n)k sy*2 s.f2(k) s.f1(k) sy*1 k*1 k*2 k 80 Eine Erhöhung der Sparquote y, s.y y*2 y*1 f(k) (δ+n)k s2.f (k) s2y*2 s1.f (k) s1y*1 k*1 k*2 k 81 Quelle: 82 Eine Erhöhung der Wachstumsrate der Bevölkerung y, s.y y*1 y*2 f(k) (δ+n2)k (δ+n1)k sy*1 sy*2 s.f (k) k*2 k*1 k 83 Quelle: 84 • Eine Angleichung des Pro-Kopf-Einkommens können wir erwarten, wenn die Produktionstechnologie, die Sparquote, das Wachstum der Bevölkerung und die Abschreibungsrate der jeweiligen Länder gleich sind. • Mit Konvergenz ist dort nicht unbedingt zu rechnen, wo diese Größen unterschiedlich sind. • Solche Unterschiede sind geeignet, die empirischen Belege für eine weltweit fehlende Konvergenz zu begründen. Die goldene Regel der Kapitalakkumulation • Eine erhöhte Sparquote bewirkt immer ein höheres ProKopf-Einkommen. • Aber der Konsum steigt nicht unbedingt, da Ersparnis immer Konsumverzicht impliziert. • Eine Verringerung der Sparquote führt, insbesondere langfristig, zu einem geringeren Pro-Kopf-Einkommen, erhöht aber kurzfristig den Konsum. • Ein Verhalten gemäß der goldenen Regel beinhaltet, dass diejenige Sparquote angestrebt wird, welche langfristig das Konsumniveau maximiert. 85 • Die Bezeichnung geht auf die biblische „goldene Regel“ zurück: „Was dir selbst verhasst ist, das mute auch einem anderen nicht zu!“ (Buch Tobit 4,15) „Alles, was Ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch Ihr ihnen ebenso.“ (Mt 7,12; Lk 6,31) • Wir streben das maximale Konsumniveau an unter der Bedingung, dass wir es jedem Mitglied der gegenwärtigen und der zukünftigen Generation ermöglichen können. 86 y, s .y f(k) Steigung=(n+δ) c*2 s2.f(k) cgold c*1 sgold.f(k) s1.f(k) k*1 87 (n+δ)k kgold k*2 k 88 • Bei exzessiver Investition liegt eine „dynamische Ineffizienz“ vor, da zu jedem Zeitpunkt ein höherer Konsum möglich ist. • Liegt die Investition unterhalb von sgold, so kann der Konsum erhöht werden. Während des Anpassungspfades wird der gegenwärtige Konsum aber unterschritten. • Ob ein solches Opfer in Kauf genommen wird ist a priori nicht zu sagen. Es hängt davon ab, wie die Wirtschaftssubjekte gegenwärtigen und zukünftigen Konsum gewichten. c (ProKopfKonsum) cgold s>sgold s<sgold s wechselt zu sgold Zeit 89 90 Armutsfalle: Typ I Armutsfallen • Es wäre denkbar, dass die Grenzproduktivität des Kapitals nicht kontinuierlich sinkt. • Statt dessen können sich Phasen sinkender und solche steigender Kapitalproduktivität ergeben. • Bei geringer Kapitalausstattung kann die Produktivität anfangs gering sein, da sich Arbeitskräfte erst an den Einsatz von Kapitalgütern gewöhnen müssen. • Erst mit steigendem Kapitaleinsatz steigt die Grenzproduktivität. • Mit hohem Kapitaleinsatz ergibt sich, wie bisher, ein Sättigungseffekt, so dass die Grenzproduktivität dann wieder sinkt. 91 y, s .y steady state f(k) c* (n+δ)k sf(k) sy* sy Armutsfalle k 92 • In der Armutsfalle liegt auch ein steady-state vor. • Dies ist aber ein instabiles Gleichgewicht. • Ein Abweichen des Kapitalstocks nach unten bewirkt, dass die Investitionen geringer sind als diejenigen zur Aufrechterhaltung des Kapitalstocks pro effektiver Arbeitseinheit. Der Kapitalstock wird deshalb stetig abnehmen. • Ein Abweichen des Kapitalstocks nach oben bewirkt, dass die Investitionen höher sind als die notwendigen Investitionen. Der Kapitalstock wird deshalb stetig wachsen. 93 • Ein identischer Verlauf der Investitionsfunktion sy ergibt sich auch bei der ursprünglichen Produktionsfunktion, also bei einer stetig abnehmenden Grenzproduktivität. • Notwendig ist dann ein komplexeres Investitionsverhalten (Armutsfalle Typ II). Hierbei ist die Sparquote, s, anfangs gering und erreicht erst bei einem mittleren Einkommen eine normale und dann konstante Größenordnung. • Dies lässt sich damit begründen, dass ein geringes Einkommen für den täglichen Bedarf aufgezehrt werden muss, so dass anteilig nur weniger investiert und damit gespart werden kann. 94 Armutsfalle: Typ II y, s .y steady state • Eine andere Form der Armutsfalle entsteht bei einer Unstetigkeit von n. • Für Länder mit einem geringen Kapitalstock könnte ein hohes Bevölkerungswachstum nhoch vorliegen. Ist ein Grenzwert überschritten, so sinkt das Bevölkerungswachstum auf nniedrig. • Ein Grund kann darin bestehen, dass Familienplanung sich mit dem Entwicklungsniveau verändert. So dienen Kinder als Alterssicherung in ärmeren Ländern, wohingegen Sozialsysteme für ein Renteneinkommen in reicheren Ländern sorgen. f(k) c* (n+δ)k s(y)f(k) sy* sy Armutsfalle k 95 96 Armutsfalle: Typ III • Entwicklungshilfe ist dann unwirksam, wenn sie in kleinen Dosen verabreicht wird. • Zur Überwindung einer Armutsfalle sollte ein „big push“ erfolgen, d.h. Ländern sollte ein Betrag gegeben werden, welcher sie über die Armutsfalle hinaus trägt. • Gegen dieses Argument wird allerdings vorgebracht, dass eine sinnvolle Verwendung derart vieler Hilfsgelder nicht organisiert werden kann und evtl. in Unterschlagung und Korruption endet. • In diesem Fall würde sich die Produktion nicht gemäß dargestellter Produktionsfunktion entwickeln, sondern bei einem mit Hilfsgeldern finanzierten Anstieg des Pro-Kopf Kapitalstocks evtl. sinken. y, s .y f(k) (nniedrig +δ ) ⋅ k (nhoch +δ ) ⋅ k sf(k) k*hoch Armutsfalle k k*niedrig 97 98 Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2010/11 Mankiw, N. G. (2003), Macroeconomics. 5. Aufl. S. 75108; 524-525. y, s .y y* Pflichtlektüre: 3. Geld und Inflation c* f(k) (n+δ)k s.f(k) s.y* k* k 99 100 • Inflation kennzeichnet eine Situation, in der das allgemeine Preisniveau einer Volkswirtschaft ansteigt. • Die Inflationsrate ist der prozentuale Anstieg des Preisniveaus gegenüber dem Ausgangsniveau. • Die Lebenshaltungskosten sind ein Maß für die gesamten Kosten der Güter und Dienste, welche von einem typischen Konsumenten gekauft werden. • Ein Anstieg der Lebenshaltungskosten bedeutet, dass ein typischer Konsument mehr Euro ausgeben muss, um den Lebensstandard zu halten. • Das Statistische Bundesamt stellt hierfür monatliche Daten zur Verfügung. Diese erlauben es, die zeitliche Veränderung der Lebenshaltungskosten zu verfolgen. 101 102 • Die Lebenshaltungskosten werden auch Verbraucherpreisindex genannt und im Folgenden mit P gekennzeichnet. • Zur Bestimmung der Lebenshaltungskosten muss zunächst ein Warenkorb bestimmt werden. • Die wichtigsten Güter eines typischen Konsumenten werden hierfür zu einem Warenkorb zusammengefasst. • Mit Hilfe von Befragungen von Haushalten werden in periodischen Abständen die passenden Gewichte der einzelnen Güter bestimmt. • Haushalte werden hierzu seitens des Statistischen Bundesamtes aufgefordert, ein Jahr lang über ihre Einnahmen und Ausgaben Buch zu führen. 103 104 • Zu den wichtigsten Gütern müssen dann regelmäßig die Preise zusammengetragen werden. • Hiermit können dann die gesamten Kosten des Warenkorbes zu unterschiedlichen Zeitpunkten bestimmt werden. • Ein Jahr wird als Basisjahr festgelegt und die Ergebnisse anderer Jahre mit denen des Basisjahres verglichen. • Die Inflationsrate, π, im Jahre 2010, beispielsweise, ergibt sich gemäß: P – P2009 π 2010 = 2010 × 100 P2009 • Der Verbraucherpreisindex ist ein akkurates Maß für das Preisniveau des ausgewählten Warenkorbes, aber er ist kein perfektes Abbild der Lebenshaltungskosten. 1.Substitutionsbias • Veränderungen relativer Preise bewirken eine Veränderung des Warenkorbes hin zu preiswerteren Produkten. Durch diese Substitutionseffekte wird der gesamte Warenkorb günstiger. • Der Index unterstellt einen konstanten Warenkorb, vernachlässigt also diesen Substitutionseffekt. • Hierdurch überschätzt der Index die Inflationsrate. 105 106 2.Einführung neuer Produkte • Der Warenkorb vernachlässigt die veränderte Kaufkraft, 3.Vernachlässigte Qualitätsverbesserungen welche durch die Einführung neuer Produkte entsteht. • Wenn sich die Qualität eines Gutes über die Jahre verbessert, erhöht sich der Wert eines hierfür ausgegebenen Euro, ohne dass sich das Preisniveau des Gutes verändert. • Neue Produkte erhöhen die Wahlmöglichkeiten eines Konsumenten. Dies macht jeden Euro wertvoller. • Sofern im Mittel eher Qualitätsverbesserungen auftreten kommt es dazu, dass der Verbraucherpreisindex die Inflationsrate überschätzt. • Konsumenten brauchen weniger Euro, um den gleichen Lebensstandard zu erreichen. • Der Verbraucherpreisindex vernachlässigt dies und überschätzt daher die Inflationsrate. 107 108 • Insgesamt neigt der Verbraucherpreisindex aufgrund des Substitutionsbias, der Einführung neuer Produkte und vernachlässigter Qualitätsverbesserungen dazu, die Lebenshaltungskosten zu überschätzen. • Dies kann problematisch sein, sofern ein Inflationsausgleich bei staatlichen Programmen oder in Tarifverhandlungen festgelegt wird (dies wird auch „Indexierung“ genannt. Eine solche Indexierung ist in Deutschland rechtlich aber nur eingeschränkt möglich). • Schätzungen ergeben, dass der Verbraucherpreisindex den tatsächlichen Anstieg der Lebenshaltungskosten um ca. einen Prozentpunkt pro Jahr überzeichnet. • Inflation muss unterschieden werden von einem Anstieg einzelner Preise und damit einer Veränderung relativer Preisverhältnisse zwischen einzelnen Gütern und Diensten. • Seit Ende des 2. Weltkriegs lag die Inflation in Deutschland bei etwa 3 Prozent. • Eine Deflation bezeichnet ein allgemeines Sinken des Preisniveaus. • Deflationsphasen gab es z.B. während des 19. Jahrhunderts, während der großen Depression der 30er Jahre und in Folge der Finanzkrise von 2007. 109 • Hyperinflation bezeichnet einen extrem starken Anstieg des Preisniveaus. Deutschland erlebte dies in den 20er Jahren. • Eine Phase weltweit relativ hoher Inflation wurde zuletzt in den 70er Jahren als Folge der beiden Ölpreisschocks erreicht. • Seitdem ist die Inflationsrate in Deutschland und in den USA etwa 2 Prozent. • Unter der Annahme, dass die Inflationsrate die tatsächliche Abnahme der Kaufkraft überzeichnet, kennzeichnet dieser Wert weitgehend Preisniveaustabilität. 111 110 Was ist Geld? • Alles, was zur Bezahlung von Gütern und Dienstleistungen oder zur Abdeckung wirtschaftlicher Verpflichtungen akzeptiert wird. • Die konkrete Erscheinungsform ist evtl. Änderungen unterworfen. Bei ausgeprägter Inflation verlieren Noten oftmals ihre Bedeutung und werden durch knappe Güter wie Zigaretten oder Butter ersetzt. 112 Funktionen des Geldes 2.Recheneinheit; allgemeines Wertausdrucksmittel. 1.Tauschmittelfunktion (Wertübertragungsfunktion). • Dies ist ein wichtiger Bestandteil einer arbeitsteiligen Wirtschaft, die hierdurch zu einer „Geldwirtschaft“ wird. • Der Wert aller Güter, Forderungen und Verbindlichkeiten wird in Einheiten ein und derselben Bezugsgröße ausgedrückt. • Naturaltausch ist kaum zu organisieren, da eine doppelte Übereinstimmung der Bedürfnisse oder eine Kette von Tauschtransaktionen organisiert werden muss. • Werden 200 Güter gegeneinander getauscht, müssten (n⋅(n1))/2=19900 Austauschverhältnisse bekannt sein. • Dies würde hohe Suchkosten implizieren. • Ist ein Gut davon eine Recheneinheit, so reduziert sich die Anzahl der Austauschverhältnisse auf 199. • Geld hilft dabei, den Tausch in Kauf und Verkauf aufzuspalten. • Dies bewirkt eine Einsparung an Informationskosten. 113 114 3.Wertaufbewahrungsfunktion; Wertspeicher. Geldnachfrage • Oftmals liegt eine zeitliche Trennung von Kauf und Verkauf vor. • Geld ermöglicht es, Kaufkraft zu „lagern“. • Geld hat hierbei allerdings den Nachteil, dass es keine Zinsen abwirft. • Andere Formen der Vermögensanlage (Sparguthaben, Wertpapiere oder Sachvermögen) bringen Zinsen, Dividenden, Pacht oder Mieten hervor. Außerdem partizipieren diese u.U. an Preissteigerungen. • Dafür ist Geld allerdings risikolos (keine Kursschwankungen). • Die drei genannten Gründe sprechen dafür, dass Wirtschaftssubjekte Geld zu halten wünschen. • Auch wenn Geld „an sich wertlos“ ist, stiftet es dennoch Nutzen. • Insgesamt wird um so mehr Geld nachgefragt, je mehr Gütertransaktionen in einer Volkswirtschaft getätigt werden, je höher also das reale Inlandsprodukt ist. • Zudem wird bei einem Anstieg des Preisniveaus eine erhöhte Geldhaltung erforderlich. • Wird die Geldnachfrage hingegen durch den Verbraucherpreisindex, P, dividiert, so sprechen wir von der „realen“ Geldnachfrage. 115 116 • Geld hat aber im Vergleich zu anderen Vermögensanlagen den Nachteil, keine Zinsen oder Dividenden zu erbringen. • Steigt der Zinssatz, so werden Bonds attraktiver. • Daher werden Wirtschaftssubjekte um so weniger Geld zu halten wünschen, je höher der (nominale) Zinssatz ist. • Bei der knappen Geldausstattung müssen sie für die täglichen Güterkäufe häufiger zur Bank gehen und einen geringen Betrag Bargeld abheben. Bonds werden häufig ge- und verkauft um den Saldo des Girokontos gering zu halten. • Wirtschaftssubjekte reduzieren dann die Geldhaltung, um verstärkt die zinstragenden Staatsanleihen zu halten. • Hierzu können wir uns die Abwägung eines Wirtschaftssubjekts zwischen dem Halten von Geld und dem Halten von festverzinslichen Staatsanleihen (Bonds) vorstellen. • Die Geldnachfrage und die Bondnachfrage sind voneinander abhängig. • Bei niedrigen Zinsen wird hingegen mehr Geld gehalten und die häufigen Käufe und Verkäufe von Bonds lohnen sich nicht. 117 • Das nominale Zinsniveau und das reale Inlandsprodukt bestimmen somit die reale Geldnachfrage, L. 118 i L = L(Y , i ) r Lr(Y,i) • Bei einer Verdoppelung des Verbraucherpreisindex, P, wird sich die nominale Geldnachfrage ebenfalls verdoppeln. • Für alle Güterkäufe ist die doppelte Kasse für Transaktionszwecke notwendig. • Daher resultiert für die nominale Geldnachfrage: i L = P ⋅ L(Y , i ) n ^ Lr 119 Lr 120 Geldmengenaggregate der Europäischen Zentralbank. Stand: Juni 2010 • Ein Anstieg des Inlandsprodukts bewirkt eine Verschiebung der Geldnachfragekurve nach rechts. • In der Folge ergibt sich ein Anstieg der realen Geldnachfrage. • Demgegenüber bewirkt ein Anstieg des Zinssatzes eine Bewegung auf der Geldnachfragekurve nach links oben. • Dies bewirkt eine Reduktion der realen Geldnachfrage. • Bargeldumlauf im Nichtbankensektor 785 M1 • Sichteinlagen der Nichtbanken bei den Geschäftsbanken 3878 M2 • Einlagen der Nichtbanken bei den Geschäftsbanken mit vereinbarter Laufzeit von bis zu zwei Jahren sowie mit vereinbarter Kündigungsfrist von bis zu drei Monaten 3630 • Repogeschäfte, Geldmarktfondsanteile und Geldmarktpapiere, Schuldverschreibungen bis zwei Jahre von Nichtbanken 1130 121 M3 122 • Die Höhe der Zinsen kann weitgehend von der Zentralbank bestimmt werden. • Die beherrschende Stellung der Zentralbank bei der Bestimmung des Zinsniveaus ergibt sich aus ihrem Recht zur Emission von Banknoten und der Kontrolle des Bankensystems. • Das Recht zur Emission von Euro-Noten liegt bei der Europäischen Zentralbank (EZB) und den ihr untergeordneten 16 nationalen Notenbanken. • Genauso bestimmt die EZB über das Ausgabevolumen an Münzen. 17 ab. 2011 123 124 • Die Durchführung der Geldpolitik wird vom EZB-Rat vorgenommen. • Der EZB-Rat besteht aus dem Direktorium mit dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und vier weiteren Mitgliedern sowie den Präsidenten der nationalen Zentralbanken. 125 • Grundsätzlich beschließt der EZB-Rat (wie auch das Direktorium) mit einfacher Mehrheit, wobei im Falle der Stimmengleichheit die Stimme des Präsidenten den Ausschlag gibt. • Das Direktorium ist für die Umsetzung der geldpolitischen Entscheidungen des EZB-Rats und für die Führung der laufenden Geschäfte der EZB verantwortlich. • Die Ausführung der geldpolitischen Beschlüsse obliegt den Nationalen Zentralbanken. • Hierzu erhalten sie die erforderlichen Weisungen vom Direktorium. 127 126 • Nichtbanken wünschen Geld teilweise in Form von Bargeld zu halten. • Wenn also Banken Kredite an Nichtbanken vergeben, so müssen sie sich für die Auszahlung teilweise Bargeld verschaffen. • Hierbei sind sie auf die Zentralbank angewiesen. • Die Banken müssen sich zur Versorgung mit Bargeld bei der Zentralbank verschulden. Für diese von der Zentralbank gewährten Kredite sind Zinsen fällig. • Zuletzt vergab die EZB Kredite an die Banken in folgender Höhe: August 2007 460 Mrd. € Januar 2009 840 Mrd. € August 2010 590 Mrd. € 128 • Erhöht die Zentralbank ihre Zinsen, so werden die Banken diesen Anstieg bei ihrer Kreditvergabe an Nichtbanken weitergeben. • Die Zentralbank hat weitere Möglichkeiten, die Kosten der Kreditvergabe der Banken, und damit die von Nichtbanken zu bezahlenden Zinsen, zu beeinflussen. • Zum einen kann sie eine Mindestreservepflicht einführen. • 2 % der Sichteinlagen von Nichtbanken bei den Banken müssen demgemäß verpflichtend bei der EZB gehalten werden. 129 Die Quantitätstheorie der Inflation • Die Quantitätstheorie des Geldes ist eine Faustformel, mit der die langfristigen Determinanten des Preisniveaus und der Inflationsrate prognostiziert werden. • Für diese Faustformel werden die Menge an Gütern einer Volkswirtschaft mit der Höhe der realen Geldmenge verglichen. • Ist die reale Geldmenge zu hoch, so sollten langfristig zum Ausgleich die Preise steigen. • Hat also die Zentralbank durch niedrige Zinsen die Geldmenge erhöht, so die Vermutung, wird dies langfristig die Preise erhöhen. 131 • Vergibt eine Bank einen Kredit i.H.v. 1000 €, so wird der Kreditnehmer hiermit Zahlungen durchführen, die bei Empfängern zu Sichteinlagen führen. Dann werden aber 20 € Mindestreserven fällig. In dieser Höhe müssten die Banken Kredite bei der Zentralbank aufnehmen. • Die Kredite der EZB haben derzeit Laufzeiten von einer Woche (Hauptrefinanzierungsfazilität, Mindestbietungssatz seit August 2009: 1,00%) oder drei Monaten (längerfristige Refinanzierungsfazilität). • Daneben gewährt die Zentralbank eine unbegrenzte Spitzenrefinanzierungsfazilität zu einem höheren Zinssatz von 1,75% (Seit August 2009). 130 • Für diese Relation ist die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes zu berücksichtigen. • Diese kennzeichnet die Schnelligkeit, bildlich gesprochen, mit der ein Euro im Durchschnitt in der Wirtschaft von einer Geldbörse zur anderen wandert. • Die Umlaufgeschwindigkeit wird als Relation zwischen dem nominalen Inlandsprodukt (P.Y) und der Geldmenge (M) bestimmt: Umlaufgeschwindigkeit=P.Y/M • Dies können wir als „Quantitätsgleichung“ schreiben: M.Umlaufgeschwindigkeit=P.Y 132 Nominales BIP, Geldmenge und Umlaufgeschwindigkeit 8 10000 9000 7 8000 6 Mrd. DM (ab 1999 €) 7000 5 6000 4 5000 4000 3 3000 2 2000 • Die Quantitätstheorie konstatiert, dass die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes im Zeitablauf relativ konstant ist. • Hat die Zentralbank durch Setzen niedriger Zinsen die Geldmenge erhöht, so wird vermutet, dass dies auf die Produktion und das Inlandsprodukt keinen Einfluss haben wird. Daher muss das Preisniveau ansteigen. • Die Faustformel impliziert die „Neutralität des Geldes“: reale Größen wie das Inlandsprodukt werden dabei nicht durch nominale Größen wie die Geldmenge beeinflusst. 1 1000 BIP, Eurozone Geldmenge M1, Eurozone Geldmenge M1, Deutschland BIP, Deutschland Umlaufgeschwindigkeit, M1 2009 2007 2005 2003 2001 1999 1997 1995 1993 1991 1989 1987 1985 1983 1981 1979 1977 1975 1973 1971 1969 1967 1965 1963 1961 1959 0 1957 0 133 134 Geld und Preise in der Hyperinflation (b) Ungarn (a) Österreich Index (Jan. 1921 = 100) Index (Jan. 1921 = 100) 100,000 Preisniveau 100,000 Preisniveau 10,000 Geldangebot 1,000 100 10,000 Geldangebot 1,000 1921 1922 1923 1924 1925 100 1921 1922 1923 1924 1925 135 136 Geld und Preise in der Hyperinflation c) Deutschland d) Polen Index (Jan. 1921 = 100) 100 Bill. 1 Bill. 10 Mrd. Index (Jan. 1921 = 100) Preisniveau 10 Mill. Preisniveau Geldangebot 1 Mill. 100 Mill. 100,000 1 Mill. 10,000 10,000 Geldangebot 1,000 100 1 100 1921 1922 1923 1924 1925 1921 1922 1923 1924 1925 137 Die Kosten der Inflation • Inflation bei konstantem nominalen Einkommen würde die Kaufkraft reduzieren. • Aber dieses Argument ist irreführend: Alle nominalen Größen steigen gleichermaßen bei Inflation. Das nominale Einkommen bleibt bei Inflation gerade nicht konstant. • Eine Veränderung der Kaufkraft stellt sich bei Inflation nicht ein, da Löhne genauso steigen wie die Preise des repräsentativen Warenkorbes. • Worin bestehen stattdessen die Kosten der Inflation? 139 • Dieser Zusammenhang ist z.B. gültig bei Hyperinflation, also einer Inflation, welche einen Wert von 50 v.H. im Monat übersteigt. • Allerdings ist die Annahme einer konstanten Umlaufgeschwindigkeit nur eine grobe Vereinfachung. • Sowohl kurz- als auch langfristig kann sich die Umlaufgeschwindigkeit ändern. • Bei niedrigen Zinsen sinkt zudem die Umlaufgeschwindigkeit, da die Geldnachfrage steigt. • Insgesamt wird dieser Faustformel in der Zentralbankpolitik heutzutage keine herausragende Bedeutung mehr beigemessen. 138 1. Schuhlederkosten entstehen, weil Menschen versuchen, ihre Geldhaltung bei hoher Inflation zu reduzieren. • Dies impliziert ein häufigeres Aufsuchen der Bank zum Zweck der Abhebung von zinstragenden Vermögensanlagen. • Hierbei entstehen Kosten für die involvierte Zeit und Unannehmlichkeiten. 140 2. Menukosten entstehen, wenn Preise angepasst werden müssen. • Preislisten und Aushängeschilder müssen häufiger aktualisiert werden. Die Bestimmung neuer Preise erfordert kostspielige Informationen, Entscheidungsprozesse, Verhandlungen und Kommunikation. • Hierbei werden Ressourcen verbraucht, die ansonsten im Produktionsprozess sinnvoller verwendet werden könnten. • Wird hingegen auf häufige Preisanpassungen verzichtet und stattdessen starke Preiserhöhungen relativ selten durchgeführt, dann beeinflusst Inflation die relativen Preise. Dies bewirkt aber allokative Verzerrungen. 3.Steuerverzerrung • Inflation erhöht die nominalen Erträge aus Ersparnissen und Kapitalbesitz. • Nominale Wertsteigerungen führen evtl. beim Verkauf der Anlage zu einem steuerpflichtigen Bilanzgewinn. Sofern die nominale Wertsteigerung aber der Inflation entspricht, hat sich der Wert real nicht erhöht. Trotzdem wird er besteuert. • In der Einkommensteuererklärung wird das nominale Zinseinkommen erfasst. Das reale Einkommen ist aber geringer, da die Inflation einen Wertverlust darstellt. • Insgesamt wird Sparen hierdurch unattraktiver. 141 • Wie bildet sich der nominale Zinssatz in Reaktion auf unterschiedliche Inflationsraten? • Kreditnehmer können nominal höhere Erträge erzielen und sind daher in der Lage, auch nominal höhere Zinsen zu bezahlen. Dies entschädigt dann Kreditgeber für die reale, inflationsbedingte Entwertung ihres Kapitals. • Insgesamt erscheint es daher plausibel, dass eine erhöhte Inflation in voller Höhe die nominalen Zinsen ansteigen lässt: i=r+π • Dieser Zusammenhang wird Fisher-Effekt genannt. 142 Nominalzins und Inflationsrate, USA 15 12 9 Nominalzins 6 3 Inflation 143 2008 2006 2004 2002 2000 1998 1996 1994 1992 1990 1988 1986 1984 1982 1980 1978 1976 1974 1972 1970 0 144 • Eine Erhöhung der Inflation kann aber nun einen Einfluss auf den Realzins nach Steuern haben. Eine Erhöhung der nominalen Zinsen kompensiert nämlich lediglich für einen inflationsbedingten Wertverlust, muss aber trotzdem versteuert werden. Stabiles Land 4% Inflationsland 4% Inflationsrate 0 8 Nominalzins 4 12 Zinsminderung durch 25% Steuer 1 3 Nominalzins nach Steuer 3 9 Nominalzins nach Steuer abzgl. Inflation 3 1 145 Realzins 5.Willkürliche Umverteilung • Die bisher erwähnten Kosten ergeben sich auch bei einer konstant hohen Inflationsrate. • Weitere Kosten ergeben sich bei einer unerwarteten Inflation. • Bei Hyperinflation ist die Inflationsrate auch sehr volatil und kaum vorherzusagen. • Bezieher eines nominal fixierten Lohneinkommens werden dann benachteiligt. 147 4.Konfusion und Unbequemlichkeit • Mit Inflation sind reale Werte schwerer über die Zeit zu vergleichen. Geld verliert teilweise seine Bedeutung als Recheneinheit. • Eine realistische Darstellung von Kosten, Profiten und Erträgen einer Firma wird so erschwert. • Investoren haben größere Schwierigkeiten, erfolgreiche von erfolglosen Firmen zu unterscheiden. • Der Kapitalmarkt wird behindert. 146 • Kreditgeber werden von einer unerwarteten Inflation benachteiligt. • Dies resultiert, da zumeist in Kreditverträgen die Nominalzinsen fixiert sind. • Kreditnehmer werden von Inflation begünstigt, da ihre Tilgung real günstiger wird. • Eine Deflation hingegen belastet Kreditnehmer. • Vermögen wird somit willkürlich umgeschichtet. • Hierdurch ergeben sich Verteilungsprobleme, evtl. auch eine abnehmende Bereitschaft, mit regulärer Arbeit Einkommen zu erzielen. 148 Der Nutzen der Inflation 1. Die Erfahrung lehrt, dass sich Inflation nur durch einen Produktionseinbruch und Unterbeschäftigung reduzieren lässt. • Gemäß Schätzungen ist zur Reduzierung der Inflation um einen Prozentpunkt ein temporärer Produktionseinbruch zu erwarten. Aggregiert über den Anpassungszeitraum beläuft sich der Einbruch auf 5 Prozent des Inlandsprodukts (z.B. in den ersten beiden Jahren jeweils 2 Prozent und im dritten Jahr 1 Prozent). • Diese Kosten können als zu hoch empfunden werden. Fortwährende Inflation vermeidet diese Kosten. 149 4. Nominale Löhne sind teilweise nach unten starr, z.B. weil Gewerkschaften gegen Lohnsenkungen Streiks organisieren können. Bei einer schleichenden realen Entwertung der Löhne durch Inflation bleiben Streiks aber zumeist aus. Dies ist kompatibel mit Umfrageergebnissen: Eine Reduzierung des Nominallohnes bei Nullinflation wird als unfair eingeschätzt, ein konstanter Lohn bei Inflation aber nicht. Dieses Verhalten wird auch als „Geldillusion“ bezeichnet. Eine moderate und konstante Inflation kann daher die notwendige Anpassung der realen Löhne in Krisenbranchen ermöglichen. Dies kann auch langfristig die Produktion eines Landes erhöhen. 151 2. Ein temporärer Produktionseinbruch kann auch länger anhaltende nachteilige Folgen haben. Eine Rezession kann Investoren abschrecken. Damit sinkt der Kapitalstock und temporär die Produktivität. Temporäre Arbeitslosigkeit kann auch Humankapital vernichten, weil Erfahrungswissen verloren geht. Fortwährende Inflation vermeidet auch diese Kosten 3. Inflation wirkt wie eine Besteuerung von Geldvermögen und verschafft der Zentralbank und damit dem Staat zusätzliche Einnahmen (Inflationssteuer). Gerade in Ländern, in denen das Steuersystem nicht gut funktioniert, kann dies eine effiziente Form der Finanzierung öffentlicher Aufgaben darstellen. 150 5. Höhere Inflation verringert das Risiko, dass eine Krise zu Deflation, also einem sinkenden Preisniveau, führt. Warum diese besonders gefährlich ist, wird in Abschnitt VIII gezeigt. 152 Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau Optimale Inflation • In Abwägung der Vor- und Nachteile der Inflation sollte bedacht werden, dass eine Inflation von Null übermäßig restriktiv wirkt. • Aufgrund des Substitutionsbias ist eine Inflationsrate von 1% als Preisniveaustabilität zu werten. • Darüber hinaus kann aus den genannten Nutzenerwägungen ein wenig Inflation zugelassen werden. • Die EZB hat sich daher ein Inflationsziel von zwischen 1% und 2% gesetzt. Andere Zentralbanken wie die Norwegens haben höhere Inflationsziele von 2,5%. 153 WS 2010/11 y, s.y y* f(k) 4. Kurzfristige Schwankungen c* (n+δ)k s.f(k) s.y* k* k 154 Pflichtlektüre: Keynes, J.M. (2008), On Air – Der Weltökonom am Mikrofon der BBC. S. 61-69. Mankiw, N. G. (2003), Macroeconomics. 5. Aufl. S. 257262. McDowell, M. et al. (2006), Principles of Economics, S. 703-716. Taylor, J.B. und A. Weerapana (2009), Economics, 6. Aufl., S. 640-670. 155 156 157 • Wie unterscheiden sich kurzfristige von langfristigen Entwicklungen der Produktion? • Langfristig wird die Produktion durch das Wachstum der Einsatzfaktoren und den technischen Fortschritt bestimmt, also durch die Angebotsseite einer Volkswirtschaft determiniert. • Dieses Niveau der Produktion nennen wir auch das „potentielle Inlandsprodukt“ oder die „Vollbeschäftigungsproduktion“. 159 Bruttoinlandsprodukt Deutschland Niveau, Quartalszahlen, indexiert (2005=100), Wachstum gegenüber Vorjahresquartal 120 10.00 8.00 100 6.00 4.00 80 2.00 60 0.00 40 -2.00 -4.00 20 -6.00 Q1 2010 Q1 2008 Q1 2006 Q1 2004 Q1 2002 Q1 2000 Q1 1998 Q1 1996 Q1 1994 Q1 1992 Q1 1990 Q1 1988 Q1 1986 Q1 1984 Q1 1982 Q1 1980 Q1 1978 Q1 1976 Q1 1974 Q1 1972 Q1 1970 Q1 1968 Q1 1966 Q1 1964 -8.00 Q1 1962 0 Q1 1960 • Bei der Betrachtung längerer Zeiträume ist, insbesondere bei konstantem technischen Fortschritt, mit einem stetigen Wachstum des BIP zu rechnen. • In manchen Jahren fällt dieses Wachstum aber aus. • Eine Rezession ist eine Periode unterdurchschnittlichen Wachstums; evtl. stellt sich sogar ein fallendes Inlandsprodukt und ein sinkendes Einkommen ein. • Dies geht zumeist einher mit einer erhöhten Unterbeschäftigung. • Eine Depression ist eine besonders schwerwiegende Rezession. • Diese periodischen Entwicklungen werden Konjunkturzyklus genannt. 1960-1990: Früheres Bundesgebiet; ab 1991: Gesamtes Bundesgebiet. Datenquelle: International Financial Statistics, IWF 158 • Kurzfristig kann aber die tatsächliche Produktion von ihrem potentiellen Niveau abweichen. Wie ist das zu erklären? • Kurzfristig wird die Produktion entscheidend durch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage beeinflusst. • Während eines Booms erhöhen Firmen die Produktion, um die zusätzliche Nachfrage zu befriedigen. • In einer Rezession wird die Produktion dagegen reduziert um eine hohe Lagerhaltung zu vermeiden. • Wodurch wird aber die gesamtwirtschaftliche Nachfrage bestimmt? 160 • Im Wachstumsmodell waren Produktion und gesamtwirtschaftliche Nachfrage identisch. Alles Produzierte wurde für Konsum- oder Investitionszwecke verwendet. • In der Realität können Wirtschaftssubjekte aber auch sparen ohne zu investieren. Andere Wirtschaftssubjekte investieren, obwohl sie keine Ersparnisse gebildet haben. Sie verschulden sich dann bei anderen Wirtschaftssubjekten, die überschüssige Ersparnisse gebildet haben. • Wir müssen uns überlegen, wie diese Entscheidungen auf Produktion und gesamtwirtschaftliche Nachfrage wirken. 161 • Eine steigende Produktion geht mit steigenden Einkommen der Haushalte und mit erhöhter Beschäftigung einher. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage steigt. Investoren sind zuversichtlich bezüglich zukünftiger Erträge und steigern ihre Investitionen. • Eine fallende Produktion geht mit sinkenden Einkommen der Haushalte einher sowie erhöhter Arbeitslosigkeit. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage sinkt. Investoren befürchten Überkapazitäten und werden keine zusätzlichen Investitionen durchführen. 163 • Kein einzelner Sektor ist alleine verantwortlich für die Bestimmung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Vielmehr beeinflussen die Aktionen eines jeden Sektors die Nachfrage der anderen Sektoren. • Hiermit ergibt sich das Problem der Zirkularität: Wie ein System von Zahnrädern hängen die Entscheidungen einzelner Wirtschaftssysteme von einander ab. • In der Folge lässt sich beobachten, dass im Rahmen eines Konjunkturzyklus die meisten makroökonomischen Variablen im Gleichlauf reagieren. 162 • Diese Zirkularität lässt sich formal veranschaulichen. • Für die Konsumentscheidung können viele Einflussgrößen relevant sein (Vermögen, Steuerzahlungen, das zu erwartende Lebenseinkommen …). • Im Rahmen der absoluten Einkommenshypothese von Keynes (1936) wird dem laufenden Einkommen eine zentrale Rolle zugewiesen: C = C(Y) • Hierbei wird argumentiert, dass ein Anstieg des Einkommens zu einem Anstieg des Konsums als auch einem Anstieg der Ersparnis führt. 164 • In linearisierter Form gilt: C = a + cY, mit a>0, autonomer Konsum c, marginale Konsumquote, mit 0<c<1. • Die private Ersparnis, S, ist die Differenz zwischen Einkommen und privatem Konsum: S = Y – C. • Es folgt in linearisierter Form: S = Y – a – cY = –a + sY; s=1-c • Hierbei ist s die marginale Sparquote (0 < s < 1). Für den einzelnen Haushalt ist die Ersparnis nun nicht mehr identisch zur Investition, im Gegensatz zum Wachstumsmodell. C,S S>0 165 • Die Produzenten planen dabei die Produktion, Y, kurzfristig in Höhe der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, Y=YD. • Im Gegensatz zu obigem Cartoon unterstellen wir unterausgelastete Produktionskapazitäten. • Diese bewirken, dass Unternehmen eine zusätzliche Nachfrage befriedigen können. 167 S = -a+(1-c)Y a S>0 45° -a C = a+cY Y0 Y1 Y 166 • Kurzfristig werden Überstunden oder höhere Maschinenlaufzeiten hingenommen, um die Produktion zu erhöhen. • Bei fehlender Nachfrage ergibt sich hingegen Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit sowie eine Unterauslastung der Kapazitäten. • Wir unterstellen dabei, dass eine zusätzliche Nachfrage nicht die Inflation erhöht. Solche Rückwirkungen werden wir erst später betrachten. • Die Inflation und das Preisniveau sind daher im Rahmen der Modellierung konstant (z.B. aufgrund von Menukosten). 168 • Alle Umsätze aus dem Produktionsprozess werden als Einkommen an die Haushalte wieder ausgeschüttet. Von einbehaltenen Gewinnen sehen wir hierbei ab. • Alle Größen wie Konsum und Produktion werden hierbei real geplant. Der Konsumplan bezieht sich also nicht auf eine nominale €-Größe, sondern auf (gewichtete) Mengen an Konsumgütern. Eine Verdoppelung des Preisniveaus würde diesen Konsumplan nicht ändern. • Die Investoren werden in einem vorgegebenen Ausmaß Investitionsgüter (netto) nachfragen, I=I. Damit lautet die gesamtwirtschaftliche Nachfrage YD=C+I. 169 (1) Y=YD (2) I=I (3) C=a+cY (4) YD=C+I 170 • Es existieren Verhaltenshypothesen über geplante Größen. Diese sind die Produktion, die Nettoinvestition und der geplante Konsum (Y, I, C). Bei diesen Größen werden die Pläne auch realisiert. Es gibt aber außerhalb des Gleichgewichts ungeplante Investitionen (Lagerinvestitionen). • Bei Ungleichgewichten, Y > YD oder Y < YD, erfolgen Planrevisionen in Form ungeplanter Lagerbestandsänderungen. Bei dieser Größe können Plan und Realisierung also voneinander abweichen. • Zusammengefasstes Modell: Y = C + I = a + cY + I 1 ⇔ Yˆ = (a + I ) 1− c Multiplikator Das Gütermarktmodell autonome Komponenten 171 172 Einkommens-Nachfrage-Diagramm (Keynessches-Kreuz) Y,YD C, I IU YD=C+I P S(Y1) I C=a+cY a+I • Dieses Gütermarktgleichgewicht lässt sich auch dadurch abtragen, dass die gesamtwirtschaftliche Ersparnis der Nettoinvestition gegenüber gestellt wird. • Es gilt die Definitionsgleichung S=Y-C. • Unter Verwendung der Gleichungen (1), (2) und (4) wird hieraus die (alternative) Gleichgewichtsbedingung: S=I I=I a 45° ^ Y Y Y1 173 S, I S=-a+sY P ^ -a 174 • In einer Volkswirtschaft können nun Störungen auftreten. Wie verändert sich hierbei das Gleichgewicht? • Diese Frage wird im Rahmen einer so genannten komparativ-statischen Analyse beantwortet. • Hierzu leiten wir den Investitionsmultiplikator (dY/dI) her: I Y Y 175 176 Y,YD, C, I • Die Gleichung Y = 1 (1 − c ) (a + I ) wird total differenziert: dY = YD=a+cY+I1 P1 1 (da + dI ). 1− c YD=a+cY+I0 P0 • Sofern sich der autonome Konsum nicht ändert, gilt da=0. Eine solche Konstanz nicht näher betrachteter Variablen wird als „ceteris paribus“-Annahme bezeichnet. Es folgt dann: dI I=I1 dI 1 dY = . dI 1 − c I=I0 45° Y^0 Y^1 dY (>dI) 177 Y 178 • Der Multiplikatorprozess kann mit Hilfe einer quasidynamischen Analyse beschrieben werden. • Hierfür wird die Anpassung in einzelne Multiplikatorrunden zerlegt für die angenommen wird, dass die Anpassung nicht sofort erfolgt, sondern eine gewisse Zeit benötigt. • Es ergibt sich dann folgende Wirkungskette: IÇ 179 YÇ CÇ SÇ (Sickerverlust) 180 • Eine andere Störung ergibt sich bei einer Variation des autonomen Konsums. • Im Kontenrahmen lässt sich dies folgendermaßen darstellen: Produktionskonto 1. Abschreibungen 2. Einkommen • Haushalte könnten die Ersparnis erhöhen durch eine Absenkung von a. Einkommenskonto 1. Privater Konsum 2. Investitionen 1. Privater Konsum 2. Ersparnis 1. Einkommen • Der Multiplikator hierzu lautet: dY = Vermögensänderungskonto 1. Investitionen 1. Abschreibungen 2. Ersparnis 1 da < 0. 1− c • Dies entspricht einer Verschiebung der Nachfragekurve im Einkommens-Nachfrage-Diagramm nach unten. • Alternativ kann eine Darstellung im S/Y-Diagramm vorgenommen werden. 181 S, I S=-a1+sY da < 0 P1 P0 ^ ^ Y1 S=-a0+sY I=I Y Y0 -da 183 182 • Hierbei lässt sich das sogenannte „Sparparadoxon“ beobachten: Der einzelwirtschaftliche Versuch, die Ersparnis zu erhöhen, scheitert im gesamtwirtschaftlichen Kontext. • Einzelwirtschaftlich halten wir einen Menschen, der hinreichend spart, für weise und vorausschauend. In einer Krise wünschen sich viele eine Rückkehr zu solchen Tugenden. Aber dieses Kalkül verschlimmert die Krise, die Produktion bricht weiter ein und nicht einmal die Ersparnis nimmt gesamtwirtschaftlich zu. • Seit Keynes (1936) wird dieser Zusammenhang auch fallacy of composition genannt, also der Irrtum, aus der Summe einzelwirtschaftlicher Kalküle auf makroökonomische Zusammenhänge zu schließen. 184 • Bestimmungsgröße für die gesamtwirtschaftliche Ersparnis ist allein die Investition. • Das erstaunliche Ergebnis ist, dass nicht etwa das Zinsniveau zu einem Gleichgewicht zwischen Investitionen und Ersparnis beiträgt. • Eine jede Investition verschafft sich durch die Multiplikatorrunden die zu ihrer Durchführung notwendige Ersparnis. • Das Inlandsprodukt treibt die Ersparnis auf die Höhe der durchgeführten Investitionen. • Bereits in der ersten Multiplikatorrunde wird dies erreicht. Alle durch den Multiplikator induzierten Konsumgüterkäufe übertragen die Ersparnistätigkeit nur auf andere Schultern. • Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass Ersparnisse keine Restriktion für die Durchführung von Investitionen darstellen. Wir können also nicht vermuten, dass „zu geringe“ Ersparnisse die Durchführung einer Investition behindern. • Investitionen benötigen keine „vorhandenen“ Ersparnisse, die sich z.B. in Form von Sparguthaben bei Banken angesammelt haben. • Es reicht vielmehr aus, dass eine Bank eine Bürgschaft für die Durchführung einer Investition ausstellt. • Die Finanzierungsmittel entstehen dann automatisch mit der Durchführung der Investition. 185 • Eine zum Sparparadoxon ähnliche Logik ergibt sich in einer Finanzkrise für den Bankensektor. Einzelne Banken halten wir für solide, wenn sie relativ zu ihren teilweise riskanten Anlagen hinreichend Reinvermögen besitzen. Gehen die Kurse ihrer Anlagen herunter, so vermindert sich ihr Reinvermögen. Daher sollten sie durch Verkäufe ihre Bilanz verkürzen. Diese Maßnahme hilft aber nur der einzelnen Bank. Alle anderen Banken werden durch die Verkäufe und dadurch sinkenden Vermögenspreise noch stärker in die Krise gestürzt. 186 Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2010/11 y, s.y y* 5. Die Aktivität des Staatesf(k) c* s.f(k) • Der Versuch einzelner Banken, die Risiken ihrer Geschäftstätigkeit durch Verkäufe von Finanzvermögen zu verringern, scheitert im gesamtwirtschaftlichen Kontext. 187 (n+δ)k s.y* k* k 188 Pflichtlektüre: • Zu den öffentlichen Haushalten zählen die Gebietskörperschaften und die Sozialversicherungen. Alle öffentlichen Haushalte bilden den Sektor „Staat“. Blanchard, O. (2009), Macroeconomics. S. 65-81. Frenkel, M. und K.D. John (2006), Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, 6. Aufl. S. 25-27, 41-45, 52-53, 55. • Im Rahmen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ist zu berücksichtigen, dass öffentliche Haushalte Güter produzieren. Mankiw, N. G. (2003), Macroeconomics. 5. Aufl. Worth Publishers: S. 262-266. • Dies sind z.B. Dienstleistungen, wie Landesverteidigung, Rechtssicherheit und Bildung. McDowell, M. et al. (2006), Principles of Economics, S. 717-729. • Hierbei können keine Lagerbestandsänderungen entstehen, da Dienstleistungen nicht lagerfähig sind. 189 • Es existieren keine Verkäufe der Produktion an andere Wirtschaftssubjekte. • Allerdings sind die Kosten der Bereitstellung (z.B. Abschreibungen) dem Staatskonsum zuzurechnen. • Stattdessen ist • Zur Produktion werden vom Staat Güter und Dienstleistungen von Unternehmen und privaten Haushalten gekauft (V) und Arbeitsleistungen unselbständig Beschäftigter bezogen (F). • Es sind ferner Abschreibungen auf Investitionsgüter (D) im Produktionskonto zu berücksichtigen. Produktionskonto des öfftl. Haushalts 225 Konsumausgaben Käufe v. Vorleist. (V) 70 des Staates (G) Abschreibungen (D) 30 Wertschöpfung (F) 125 • Staatskonsum beinhaltet nicht Güter mit investivem Charakter. Ausgaben für öffentliche Infrastruktur gehören somit nicht zum Staatskonsum. 190 191 - der Empfänger der Leistung häufig nicht bekannt, - die Produktion unentgeltlich bereitgestellt und - einzelne sollen oder können von der Nutzung solcher Güter nicht ausgeschlossen werden. • Die Bezeichnung „Konsumausgaben des Staates“ unterstellt daher, dass die Endverbraucher kollektiv die Produktion konsumieren. • Reine Transferzahlungen werden hiervon ausgenommen, da diese nicht im Austausch für gegenwärtig produzierte Güter oder Dienste geleistet werden. 192 • Manche Dienstleistungen des Staates gehen auch als Vorleistung in den Produktionsprozess der Unternehmen und privaten Haushalte ein. • Eine statistische Abgrenzung zwischen Konsum und Vorleistungen ist aber nicht möglich. • Daher wird die gesamte Produktion vereinfachend als Konsum bezeichnet. • Es ergibt sich ferner die Schwierigkeit der Bewertung der staatlichen Leistungen. Da keine Marktpreise existieren, wird die Bewertung zu Herstellungskosten vorgenommen. • Durch die Bewertung zu Herstellungskosten kann das Produktionskonto keinen Gewinn ausweisen. • Die Finanzierung erfolgt weitgehend über Zwangsabgaben (direkte und indirekte Steuern, Sozialbeiträge). • Über die öffentlichen Haushalte vollzieht sich der überwiegende Teil der Einkommensumverteilung in der Volkswirtschaft. • Zinszahlungen auf ausstehende Verbindlichkeiten werden als reine Einkommensumverteilung betrachtet, nicht als Faktoreinkommen, welches aus dem Produktionsprozess resultiert. • Das Einkommen wird verwendet für Transferzahlungen an die privaten Haushalte (Sozialleistungen; R) und an Unternehmen (Subventionen; Z). 193 • Nach Abzug von R und Z ergibt sich das Einkommen des öffentlichen Haushalts, welches er für Konsum, Zinszahlung auf ausstehende Verbindlichkeiten und Ersparnis verwenden kann. Einkommenskonto des öfftl. Haushalts Transferzahlungen (R) 45 Konsumausgaben des Staates (G) Zinszahlungen Ersparnis (Sst) 195 Direkte Steuern und Sozialabgaben (Td) 225 5 20 194 • Die Gegenbuchungen zum Eingang der indirekten Steuern erfolgen im Produktionskonto der Unternehmen oder privaten Haushalte, da diese Zahlungen unmittelbar mit der Produktion und dem Absatz eines Gutes verbunden sind. • Die Gegenbuchungen zum Eingang der direkten Steuern erfolgen im Einkommenskonto der Unternehmen oder privaten Haushalte, da diese Zahlungen eine Einkommensumverteilung darstellen. 100 Indirekte Steuern abzgl. Subventionen (Ti-Z) 195 196 • Zur Vereinfachung bezeichnen wir die Unternehmen und privaten Haushalten als privaten Sektor und verwenden zur Kennzeichnung den Index „p“. • Das vom Staat gebildete Vermögen wird im Vermögensänderungskonto abgetragen. • Der Staat kann ein Defizit durch Kreditaufnahme finanzieren. In diesem Fall weisen die Vermögensänderungskonten der anderen Sektoren einen Überschuss auf. • Der Staat kann Investitionsgüter vom privaten Sektor kaufen. Diese Investitionen gehen nicht in der laufenden Produktion unter. Hierfür muss der Staat allerdings Abschreibungen vornehmen. Vermögensänderungskonto des öfftl. Haushalts • Für die staatliche Ersparnis muss eine Gegenbuchung im Vermögensänderungskonto erfolgen. 197 • Werden die jeweiligen Konten für alle Sektoren zu gesamtwirtschaftlichen Konten zusammengefasst, so ergibt sich das unten stehende Flussdiagramm. Td - R 145 Einkommenskonto SSt 20 SP 100 F C G Ti-Z 915 670 225 100 Produktionskonto V 400 Bruttoinvestitionen des Staates (IBSt) 70 30 Abschreibungen (D) 20 Ersparnis (SSt) 20 Finanzierungsdefizit (BD) 198 • Bei der Bestimmung des Nettoinlandsprodukts können nun zwei verschiedene Preisniveaus zu Grunde gelegt werden. Güter können zu Marktpreisen oder zu Herstellungskosten bewertet werden. • Werden indirekte Steuern (abzüglich Subventionen) berücksichtigt, so ergibt sich das Nettoinlandsprodukt zu Marktpreisen: YM=C+G+IP+ISt = 1015 Vermögensänderungskonto IbP 220 IbSt 70 DP 140 DSt 30 • Im Gegensatz zu einem gesamtwirtschaftlichen Vermögensänderungskonto einer geschlossenen Volkswirtschaft muss das eines einzelnen Sektors nicht ausgeglichen sein. 199 200 • Werden alle Produktionskonten zusammengefasst, so ergibt sich das gesamtwirtschaftliche Produktionskonto: • Werden alternativ die indirekten Steuern (abzüglich Subventionen) herausgerechnet, so ergibt sich derjenige Anteil des Inlandsprodukts, welcher dem „Volk“ als Faktoreinkommen zufließt. Es resultiert das Volkseinkommen: Gesamtwirtschaftliches Produktionskonto Indirekte Steuern ./. 225 Konsumausgaben Subventionen (Ti-Z) des Staates (G) 100 Volkseinkommen=F = 915 201 • Da gilt YM=C+G+IP+ISt , folgt YM -Ti+Z-Td+R -C=G+IP+ISt - Ti+Z -Td+R . F • Der Term auf der linken Seite entspricht der privaten Ersparnis. Damit folgt: SP= IP+G+ISt- Ti+Z -Td+R. BD • Private Ersparnis und private Nettoinvestitionen können im Ausmaß des Finanzierungsdefizits voneinander abweichen. 203 Abschreibungen (D) 170 670 Privater Konsum (C) Wertschöpfung (F) 915 220 Private Invest. (IbP) 70 Staatl. Invest. (IbSt) Yb M 202 • Wird das Vermögensänderungskonto des Staates (SSt+BD= ISt ) mit demjenigen des privaten Sektors (SP= IP+BD ) aggregiert, so folgt: S=SP+SSt= IP +ISt . • Ein Anstieg des Staatskonsums (SSt sinkt) könnte also entweder zu einem Anstieg der privaten Ersparnis oder zu einem Rückgang der (privaten) Investitionen führen. • Wir benötigen eine Theorie, mit der die Wirkung genau bestimmt wird. 204 • Für eine modelltheoretische Berücksichtigung des Staates werden folgende Annahmen gemacht: • Der Staat fragt das Güterbündel Y für öffentliche Zwecke nach (G). Er erhebt Zwangsabgaben (T=Td). Dies sind die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Der Staat zahlt Transferzahlungen an private Haushalte (R). • Staatl. und private Investitionen werden zusammengefasst, (I). • Indirekte Steuern (Ti) und Subventionen (Z) werden vernachlässigt. Diese können parallel zu den direkten Steuern (Td) und Transferzahlungen an Haushalte (R) modelliert werden. • Haushalte planen ihren Konsum in Abhängigkeit vom verfügbaren Einkommen Yv=Y-T+R. Das Gütermarktmodell mit Staat (1) Y=YD (2) Fünf Gleichungen und fünf endogene Variablen: YD=C+I+G (3) C=a+cYv ;(a>0, 0<c<1) Y, YD, C, Yv, T (4) Yv=Y–T+R Exogene Variablen: G, T0, R, I, t (5) T=T0+tY ;(T0>0, 0≤t<1) 205 • Zur Berechnung des Gleichgewichtseinkommens werden die Verhaltenshypothesen, Definitionen und institutionellen Beziehungen in die Gleichgewichtsbedingung (1) eingesetzt: 206 Y, Y D, C YD=C+I+G P0 I C+G S Y = a + c(Y – T0 – tY + R) + I + G C=a+c(1-t)Y-c(T0-R) 1 ⇒ Yˆ = ( a − cT0 + cR + I + G ) . 1 − c(1 − t ) Multiplikator autonome Komponenten 45° 207 Y^0 Y 208 • Im Rahmen einer komparativen Statik lässt sich die Wirkung einer Veränderung einer autonomen Komponente auf das Inlandsprodukt durch das totale Differential bestimmen: • Der Anpassungsprozess zum neuen Gleichgewicht lässt sich graphisch illustrieren: G Ç Î YÇ Î YvÇ Î CÇ TÇ 1 dY = ( da − cdT0 + cdR + dI + dG ) . 1 − c(1 − t ) Multiplikator Sickerverluste • Im Falle einer Erhöhung der autonomen Steuern oder Senkung der Transferzahlungen ergibt sich folgende Anpassung: Veränderungen der autonomen Komponenten = Impulse RÈ Y È Î Yv È Î C È 209 • Eine Erhöhung des Staatskonsums geht mit einem erhöhten Budgetdefizit einher. Dieser Anstieg wird jedoch durch den Multiplikatorprozess gedämpft. TÈ SÈ Sickerverluste210 Das Haavelmo Theorem • Von einer gleichzeitigen Erhöhung des Staatskonsums und der Steuern geht ein positiver Impuls aus, (Haavelmo 1945). • Wir unterstellen eine vollständig durch Steuern finanzierte Steigerung des Staatskonsums, d.h. dBD = 0; dG = dT0 > 0. Mit da=dR=dI=0 folgt: • Für das Budgetdefizit (BD) gilt: BD= G + InSt+ R – T = G + InSt + R – T0 – tY. • Das totale Differential (mit dInSt = dT0 = dR = dt = 0) erbringt: dBD= dG – tdY. • Einsetzen für dY erbringt: SÇ dY = 1 1− c dG. ( −cdT0 + dG ) = 1 − c(1 − t ) 1 − c(1 − t ) • Werden die Steuern nur pauschal erhoben, ist also der Steuersatz (t) Null, so gilt dY=dG (Haavelmo-Theorem). (1 − c )(1 − t ) dBD 1 = 1− t = > 0; < 1. dG 1 − c(1 − t ) 1 − c(1 − t ) 211 212 • In einer Nachrichtenagenturmeldung vom 19. August 2010 heißt es: • Der Staat hat hier zusätzlich die Möglichkeit, den Steuersatz, t, zu variieren. Die Auswirkung lässt sich mit Hilfe der zusammengefassten Gleichung analysieren: Y = a + c(Y – T0 – tY + R) + I + G • Bei totaler Differentiation ist nun die Produktregel anzuwenden. Mit da=dT0=dR=dI=dG=0 folgt: „Nach dem temporeichen Aufschwung der deutschen Wirtschaft im zweiten Quartal hat die Bundesbank ihre Wachstumsprognose für das laufende Jahr deutlich erhöht. Das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte um rund 3 Prozent steigen, schreiben die Währungshüter in ihrem neuen Monatsbericht. Noch im Juni hatte die Notenbank ein Plus von nur 1,9 Prozent für die deutsche Konjunktur vorhergesagt.“ • Eine Erhöhung des Wachstums um 1 Prozentpunkt bewirkt Mehreinnahmen bei den Steuern i.H.v. ca. 4 Mrd. €. Noch stärker fallen die Überschüsse bei den Sozialversicherungen aus. Gemäß einer Faustregel beträgt der Überschuss bei der Arbeitslosenversicherung 6 Mrd. €, weitere 4 Mrd. € bei der Arbeitslosenhilfe sowie 1 Mrd. € bei der Rentenkasse. dY = cdY – ctdY – cYdt Ù dY(1 – c + ct) = – cYdt dY = 1 ( −cYdt ) . 1 − c(1 − t ) Multiplikator Impuls 213 214 Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau • Im umgekehrten Fall eines Konjunktureinbruchs resultieren Defizite bei den öffentlichen Haushalten. • Diese Defizite wirken stabilisierend auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Diese Stabilisierung ergibt sich automatisch, ohne spezielle Gesetze mit denen Staatsausgaben erhöht werden. • Steuern und Sozialversicherungen erfüllen daher eine Aufgabe als „automatischer Stabilisator“. WS 2010/11 y, s.y y* 6. Investition und Zins c* f(k) (n+δ)k s.f(k) s.y* 215 k* k 216 Pflichtlektüre: Mankiw, N. G. (2003), Macroeconomics. 5. Aufl. S. 267271. • Die folgenden drei Abschnitte stellen ein makroökonomisches Modell für eine geschlossene Volkswirtschaft vor. Ziel ist es, Inlandsprodukt, Realzins und Inflationsrate miteinander in Beziehung zu bringen. • In dem Modell wird das nachgefragte Inlandsprodukt maßgeblich vom Realzins beeinflusst. Dieser wiederum wird von der Zentralbank festgelegt. Abweichungen von nachgefragten und angebotenem Inlandsprodukt führen zu Änderungen der Inflationsrate. Auf diese reagiert wiederum die Zentralbank mit einer Änderung des Realzinses. 217 • Ausgangspunkt des Modells sind die Bestimmungsgrößen der Investitionstätigkeit. Hierfür werden verschiedene Variablen angeführt: - Der Realzins (r). - Zukünftige Ertragserwartungen (E). - Staatliche Anreize (Steuern und Abschreibungsgeschwindigkeit) • Die ersten beiden Bestimmungsgrößen leiten wir hier genauer her. Die dritte Größe kann exogen vom Staat festgelegt werden. 219 218 • Wir betrachten ein einzelwirtschaftliches Investitionskalkül. • Hierbei wird die Methode des internen Zinsfußes angewandt. • Es findet eine Abwägung statt zwischen der erwarteten Rendite und den Kosten (oder Opportunitätskosten) der Investition. • Die Investitionsnachfrage wird ausgedehnt, bis der interne Zinsfuß (ρ) dem nominalen Zinssatz entspricht. • In diesem Fall ist der Kapitalwert der Investition (also der Barwert der zukünftigen Erträge abzüglich der Anschaffungsausgaben) gleich Null. 220 • In einer inflationsfreien Welt gilt für den internen Zinsfuß (ρ), die Anschaffungsausgaben (A0), die realen Nettoeinnahmen der Periode i (Ei) und die Lebensdauer des Investitionsobjektes (n) folgender Zusammenhang: A0 = E3 En E1 E2 + + + ... + . 2 3 n 1 + ρ (1 + ρ ) (1 + ρ ) (1 + ρ ) • Ein Investor wird nun einen Vergleich anstellen zwischen dem internen Zinsfuß (ρ) und dem nominalen Marktzins (i). • Falls ρ > i ist der Kapitalwert der Investition größer als Null; das Investitionsobjekt wird durchgeführt. • Falls ρ < i ist der Kapitalwert der Investition kleiner als Null; das Investitionsobjekt wird nicht durchgeführt. • Bei konstanten erwarteten Nettoeinnahmen (Ei=E) und unendlich langer Lebensdauer des Investitionsobjektes n → ∞ folgt: • In einer Wirtschaft mit Inflation ist diese Berechnung anzupassen. ⎛ ⎞ E 1 E = E⎜ − 1⎟ = ⇔ ρ = . ⎜ 1 − 1 (1 + ρ ) ⎟ ρ A0 j =1 (1 + ρ ) ⎝ ⎠ ∞ A0 = E ∑ 1 i 221 • Im Falle von Inflation werden automatisch alle zukünftigen realen Erträge, Ei, mit der Inflationsrate nominal ansteigen. Es gilt folgender Zusammenhang bei unendlich langer Laufzeit: i A0 = ∑ i =1 ∞ (1 + π ) Ei i (1 + ρ ) ⎞ (1 + π ) = E ⎛ 1 E − ≈ 1 A0 = E ∑ i =1 ⎜ ⎟ i ⎜ 1 − (1 + π ) (1 + ρ ) ⎟ ρ − π (1 + ρ ) ⎝ ⎠ ⇔ρ= • Ein Investor erwartet, dass der interne Zinsfuß (ρ) mit der Inflationsrate steigt. Er vergleicht ρ mit dem nominalen Zinssatz i=r+π. • Falls ρ > i Ù E/A0 > r ist der Kapitalwert der Investition größer als Null; das Investitionsobjekt wird durchgeführt. • Falls ρ < i Ù E/A0 < r ist der Kapitalwert der Investition kleiner als Null; das Investitionsobjekt wird nicht durchgeführt. • Hieraus folgt bei konstanten erwarteten realen Nettoeinnahmen (Ei=E) und unter der Annahme einer geringen Inflationsrate (1+π ~ 1): ∞ 222 i E +π A0 223 • Die Höhe der insgesamt in einer Volkswirtschaft durchgeführten Investitionen lässt sich graphisch dadurch bestimmen, dass alle Investitionen gemäß ihrem realen Ertrag E im Verhältnis zu den Anschaffungskosten A0 angeordnet werden. 224 r, E/A0 • Die Investitionsnachfrage lässt sich auch als stetige Funktion darstellen. E1/A0 E2/A0 • Der bisherige Fall zinsunabhängiger Investitionen ergäbe sich bei I r = 0, also bei einer vertikal verlaufenden Kurve. E3/A0 r=r0 E4/A0 E5/A0 r I I1 I2 I3 I(r) I4 I5 Iˆ • Investoren werden ihre Nachfrage so lange ausdehnen, bis gilt: E/A0 = r. r = r0 • Insgesamt ist der Realzins und nicht der Nominalzins entscheidend für die Höhe der Investitionen. 225 • Verbessern sich die Zukunftsaussichten, d.h. für alle Projekte steigt der erwartete reale Ertrag E, so verschiebt sich die Investitionskurve nach oben. I0(r) I 226 • Sollten aber steigende Investitionen nicht zu einer Erhöhung des Realzinsniveaus führen, da die Investoren die Preise für knappe Finanzierung (Ersparnisse) und damit die Zinsen nach oben treiben? • Bei gegebenem Realzins werden mehr Investitionsprojekte durchgeführt. r Iˆ • Nein, denn makroökonomisch erzeugen Investitionen die zu ihrer Durchführung erforderlichen Ersparnisse selbst. I1(r) • Zusätzliche Investitionen führen zu erhöhten Einkommen, die nur als Ersparnisse die Multiplikatorrunden verlassen können. r = r0 Iˆ0 I Iˆ1 227 228 • Sinkende Realzinsen erhöhen die Investitionen. • Steigende Investitionen erhöhen die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. • Hierdurch steigt die Produktion und führt zu einem erneuten Anstieg des privaten Konsums. • Es ergibt sich ein Multiplikatorprozess, der das Inlandsprodukt insgesamt stark ansteigen lässt. r • Hieraus ergibt sich ein negativer IS-Kurve Zusammenhang zwischen dem Realzins und dem Inlandsprodukt. Y 229 • In Anlehnung an das Gütermarktmodell in Abschnitt V haben diverse Lageparameter einen Einfluss auf die Lage der IS-Kurve. r • Punkte außerhalb der IS-Kurve bedeuten, dass die Dynamik der Multiplikatorrunden noch nicht abgeschlossen ist. r IS P1 P‘2 P‘1 P2 Y 230 • Neben den bisher bekannten Einflussgrößen (Staatskonsum, autonome Steuern, Transferzahlungen, autonomer Konsum) sind nun zwei weitere Einflussgrößen auf das Inlandsprodukt zu erwähnen. • Der Realzins steht an der Ordinate, bewirkt also eine negative Neigung der Kurve. • Die zukünftigen Erwartungen bezüglich realer Erlöse für Investitionsprojekte, E, stellen einen Lageparameter der ISKurve dar. Optimistische Zukunftserwartungen erhöhen die Investitionsneigung und verschieben die IS-Kurve nach rechts. IS GÇ, T0È, RÇ , a Ç, E Ç GÈ, T0Ç, RÈ, a È, E È, Y 231 232 • Wie stabil und sicher sind aber die zukünftigen Erwartungen? Dies wurde zumeist kontrovers diskutiert. Die Krise der letzten Jahre hat deutlich gemacht, dass zukünftige Erwartungen sehr unsicher sind und dass Investitionen stark davon abhängen, wie optimistisch Investoren in die Zukunft blicken. • Dabei kann der Optimismus des einen denjenigen des anderen wecken. Genauso kann der Pessimismus eines Investors andere zu ähnlich düsteren Voraussagen bewegen. • Zwei Investoren überlegen sich z.B., ob sie ein Haus in New Orleans nach der Flutkatastrophe wieder aufbauen wollen. • Keiner möchte aber ohne Nachbarn leben. Hierbei ergibt sich dann ein Koordinationsproblem und zwei Gleichgewichte: Ertrag Investor 1 Nein 0 Ja -2 233 • Aus vielen Gründen treten solche Abhängigkeiten zwischen Investoren in einer Volkswirtschaft auf. • So möchte ein Investor die Möglichkeit haben, sein Anlagevermögen in der Zukunft zu verkaufen, kann dies aber nur, wenn andere Akteure im Markt aktiv sind. • Zulieferbetriebe für notwendige Vorprodukte entstehen nur dann, wenn hierfür viele konkurrierende Abnehmer existieren. • Der Optimismus eines Investors kann andere anstecken, nicht zuletzt deshalb, weil diese einen Informationsvorsprung bei dem aktiven Investor vermuten. 235 Investor 2 Nein 0 0 0 5 Ja -2 5 • Sofern ein Investor eher pessimistische Einstellungen von anderen vernimmt, wird er seine Investitionen ebenfalls zurückstellen. Das Gleichgewicht ohne Investitionen 234 resultiert. • Das aktuelle Inlandsprodukt kann auch auf die Höhe der Investitionen wirken (Akzeleratorhypothese). • Dies kann zum einen daraus resultieren, dass sich in einer Rezession Pessimismus durchsetzt und die Ertragserwartungen, E, nach unten revidiert. Zum anderen sinken oftmals in einer Rezession die Buchwerte der Aktiva. Hierdurch sinkt die Kreditwürdigkeit von Unternehmen und sie erhalten für Investitionen keine Kredite. • Dies liefert einen weiteren Grund dafür, dass Schwankungen der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage sich selbst verstärken. Es gilt dann I=I(Y,r). • Frage: Was gilt in diesem Fall für das Sparparadoxon, also den einzelwirtschaftlichen Versuch, mehr zu sparen durch Erhöhung der Sparquote? 236 • Die Realzinsen beeinflussen nicht nur die Investitionen. • Mit sinkenden Realzinsen steigen die Kurse von Anleihen und Aktien. • Hierdurch steigt das Vermögen der privaten Haushalte an. • Ein solcher Vermögensanstieg regt die privaten Haushalte dazu an, ihren Konsum zu erhöhen. Dieser Konsum wird die gesamtwirtschaftliche Nachfrage erhöhen. • Hiermit wird eine negative Steigung der IS-Kurve erneut begründet. Der Effekt wird als „Vermögenskanal“ bezeichnet. 237 Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2010/11 y, s.y y* f(k) 7. Zinssatz und Gütermarkt bei (n+δ)k konstanter Inflation c* s.f(k) s.y* k* k 238 Pflichtlektüre: Lambsdorff, J. Graf und C. Engelen (2007), Das Keynesianische Konsensmodell, WiST, Wirtschaftswissenschaftliches Studium, August, S. 387394. Jarchow, H.-J. (2010), Grundriss der Geldtheorie, 12. Aufl. S. 217-229. Keynes, J.M. (2008), On Air – Der Weltökonom am Mikrofon der BBC. S. 71-77. Romer, D. (2006), Short-Run Fluctuations. Manuskript, University of California, Berkeley, S. 1-19, http://elsa.berkeley.edu/~dromer/ Blanchard, O. (2009), Macroeconomics. S. 505-512. 239 • Die vorherigen Abschnitte hatten gezeigt, dass Investitionen sich die zu ihrer Finanzierung notwendigen Ersparnisse selbst erzeugen aufgrund des Multiplikatorprozesses. • Wie wird dann aber der Realzins bestimmt? • Wir hatten in Abschnitt III bereits gesehen, dass der nominale Zinssatz von der Zentralbank bestimmt wird. • Die Zentralbank beobachtet permanent die laufende und in der Zukunft erwartete Inflation. • Wird dieser Wert vom nominalen Zinsniveau subtrahiert, so ergibt sich das reale Zinsniveau. • Die Zentralbank führt die Geldpolitik durch mit dem Ziel, makroökonomische Größen optimal zu steuern. 240 • Da hohe Realzinsen die Investitionen dämpfen und niedrige Realzinsen zu einem expansiven Impuls führen, wird die Zentralbank der Höhe der Realzinsen besondere Aufmerksamkeit schenken. • Sie wird daher direkt das Realzinsniveau steuern. • Ist das reale Inlandsprodukt, Y, niedriger als das potentielle Inlandsprodukt, so resultiert Arbeitslosigkeit und vorhandene Kapazitäten an Sachkapital sind ungenutzt. Die Zentralbank steuert dem durch Senkung des Realzinses entgegen. • Ist das Inlandsprodukt höher als sein potentielles Niveau, so müssen Arbeitskräfte Überstunden machen. Sachkapital wird übermäßig verschlissen. Um die Wirtschaft zu dämpfen wird die Zentralbank den Realzins erhöhen. • Bei einem hohen Inlandsprodukt droht auch eine zukünftige Finanzkrise. • Eine hohe gesamtwirtschaftliche Nachfrage kann durch einen Boom beim privaten Konsum oder den Investitionen ausgelöst werden. • Der Boom hält dabei an, weil hohe Einkommen den privaten Haushalten einen hohen Konsum ermöglichen und den Investoren eine gute Kapazitätsauslastung. • Geht das Inlandsprodukt aber auf sein potentielles Niveau zurück, so erkennen die privaten Haushalte, dass Konsumentenkredite nicht abbezahlt werden können. • Investoren erkennen, dass ihre Projekte unrentabel sind. Sie müssen Insolvenz anmelden. Insgesamt kann so eine Finanzkrise aufkommen. 241 242 • Um diese Gefahren einer Überhitzung zu vermeiden, wird die Zentralbank den Realzins erhöhen: “[It’s the Fed’s job] to take away the punch bowl just as the party gets going.” William McChesney Martin, Jr. Fed Chairman 1951-1970 • In der Rezession gilt das Gegenteil: “The Fed also has the job of spiking the punch with grain alcohol when the party starts to flag“ N. Gregory Mankiw, New York Times, 2007 243 Quelle: New York Times, 21. Dezember 2007 244 • Die Zentralbank wird darüber hinaus auch der Höhe der Inflationsrate eine große Bedeutung beimessen. Die EZB hält eine Inflationsrate zwischen 1 und 2 Prozent für angemessen. • Bei hoher Inflation wird die Zentralbank den Realzins erhöhen. Hierdurch soll der Preisauftrieb gedämpft werden. • Bei zu niedriger Inflation wird der Realzins gesenkt, damit zusätzliche gesamtwirtschaftliche Nachfrage entsteht. • Es ergibt sich eine geldpolitische Reaktionsfunktion, die positiv vom realen Inlandsprodukt und ebenfalls positiv von der Inflationsrate abhängig ist. • Analog fällt λI groß aus, falls bereits kleine Schwankungen der Inflationsrate vermieden werden sollen. • Der letzte Term ließe sich auch in der Form λI (π − π ) schreiben, wobei π der Zielwert der Inflationsrate ist. • Wir können diesen Zielwert aber weglassen. Ein höherer Zielwert, also eine inflationäre Politik, wird hier stattdessen durch den Term r' erfasst. • Diese Regel wird als Taylor-Regel bezeichnet: r = r '+ λP (Y − Y ) + λI π ; • Hierbei bezeichnen λP das Ausmaß mit dem die Zentralbank auf Schwankungen des Inlandsprodukts reagiert. Je ausgeprägter der Wunsch nach einer Stabilisierung des Inlandsprodukts, desto größer fällt dieser Parameter aus. r ', λP , λI > 0 245 • Der Term r' bezeichnet einen von der Zentralbank im langfristigen Mittel für geeignet angesehenen Realzins. • Eine Änderung von r' bringt eine bewusste Änderung der geldpolitischen Ausrichtung zum Ausdruck. • Mit einem Anstieg von r' wird der Übergang zu einer restriktiveren geldpolitischen Regel ausgedrückt. 246 • Wir setzen dabei den Wert für das potentielle Inlandsprodukt, Y , auf 100 und passen den Wert der Güternachfrage, Y, dementsprechend an. • Bei einem Produktionspotential von 2500 Mrd. € und einer Güternachfrage von 2400 Mrd € schreiben wir dann: 2400 − 2500 × 100 = 96 − 100 2500 • Wir bringen somit zum Ausdruck, dass die Güternachfrage 4% unterhalb des Produktionspotentials liegt. Y −Y = • Mit einem Senken von r' wird ausgedrückt, dass die Zentralbank eine laxere geldpolitische Regel verfolgt. • Hiervon ist eine fehlerhafte Realzinssteuerung der Zentralbank zu unterscheiden, die durch ein Abweichen von der MP-Kurve dargestellt wird. 247 • Taylor schlägt als Werte für λP und λI jeweils 0,5 vor. 248 • Die IS-Kurve sei durch die folgende Gleichung charakterisiert (b0 bezeichnet die in den vorherigen Abschnitten identifizierten Einflüsse). • Damit erhalten wir eine Kurve, welche die monetäre Politik der Zentralbank beschreibt. Diese Kurve bezeichnen wir als MP-Kurve. Y = b0 − b1r; • Sie hat eine positive Steigung. • Ein Anstieg der Inflation oder ein Übergang zu einer restriktiveren geldpolitischen Regel (r' steigt) verschieben die MP-Kurve nach oben. b0 , b1 > 0. • Die geldpolitische Regel und die IS-Kurve können zusammengefasst werden, um das gleichgewichtige Inlandsprodukt und den hierzu gehörigen Realzins zu bestimmen. r r MP-Kurve IS MP π↑; r'↑ r0 Y P0 249 • Im Gleichgewicht muss die nominale Geldmenge, Ln, mit der Inflationsrate steigen. Y Y0 250 Erhöhung des Staatskonsums • Dies zeigt ein Blick auf die Geldnachfragegleichung, Ln = P ⋅ L(Y , r + π e ) . IS1 r • Da im Gleichgewicht der Realzins, die erwartete Inflationsrate und das Inlandsprodukt konstant sind, ist auch die reale Geldnachfrage konstant. IS0 b0Ç MP rA r0 • Dies ergibt sich nur bei einer proportionalen Entwicklung von Geldmenge und Preisniveau. P0 Y0 PA YA Y • So lange somit der Zinssatz konstant ist, gilt die Quantitätsgleichung. 251 252 • Die Erhöhung des Staatskonsums auf ein dauerhaft höheres Niveau verschiebt die IS-Kurve nach rechts. • Der Anstieg des Inlandsprodukts fällt insgesamt geringer aus als bei der bisherigen Multiplikatoranalyse. • Aufgrund des Anstiegs des Inlandsprodukts ergibt sich eine Überauslastung der Kapazitäten. • Die Zentralbank wirkt stabilisierend einer Ausweitung des Inlandsprodukts entgegen. • Die Zentralbank wird gemäß ihrer Reaktionsfunktion den Realzins erhöhen. • Dies wird auch in der Literatur als „Dämpfungseffekt des Geldmarkts“ oder genauer als „Dämpfungseffekt der Zentralbankpolitik “ bezeichnet. • Die Inflationsrate ist kurzfristig konstant. Daher bleibt die MP-Kurve unverändert in ihrer Lage. Es ergibt sich ein neues Gleichgewicht im Punkt PA. • Das Inlandsprodukt ist angestiegen, allerdings ist der Anstieg gedämpft, da die höheren Realzinsen die Investitionen reduzieren. 253 254 • Eine straffere geldpolitische Regel verschiebt die MP-Kurve nach oben. Straffere geldpolitische Regel • Der Realzins erhöht sich. MP1 r IS0 rA r0 r'Ç • Aufgrund des steigenden Realzinses sinkt das Inlandsprodukt. MP0 PA • Dies wiederum bewirkt, dass die Erhöhung des Realzinses etwas gedämpft wird. P0 YA Y0 Y •Es ergibt sich ein Gleichgewicht in PA bei kurzfristig konstanter Inflationsrate. 255 256 • Wieso geht eine einmalige Reduktion der Geldnachfrage mit einem Sinken des Inlandsprodukts einher? • Teilweise finden sich hier irreführende, vulgärökonomische Argumente für diesen Zusammenhang, z.B. : „Die Güternachfrage verringert sich, weil weniger Geld für Konsumzwecke zur Verfügung steht“. • Dieses Argument ist falsch, denn für Konsum ist Einkommen notwendig. Geld wird zu Transaktionszwecken gehalten. Konsumgüter werden verbraucht, Geld nicht. • Der Grund besteht vielmehr darin, dass durch den höheren Realzins die Investitionen sinken und als Begleiterscheinung auch die Geldnachfrage sinkt. • Eine straffere geldpolitische Regel geht mit einer einmaligen Reduktion der Geldmenge einher. • Dies zeigt die Gleichung für die Geldnachfrage: Ln = P ⋅ L(Y , r + π e ) • Da das Inlandsprodukt sinkt und der Realzins steigt, sinkt die reale Geldnachfrage. 257 258 Expansivere geldpolitische Regel mit Liquiditätsfalle Liquiditätsfalle • Die Zentralbank kann keine negativen nominalen Zinssätze am Markt durchsetzen. r IS0 • Ein Grund für dieses Versagen besteht darin, dass die Geschäftsbanken keine Kredite mit negativen Nominalzinsen vergeben, weil sie stattdessen die Geldhaltung bevorzugen. r0=0 MP P0=P1 r'↓ Y Y0=Y1 • Dies wird als Liquiditätsfalle bezeichnet, da alle Wirtschaftssubjekte eine unbegrenzte Neigung zur Haltung von Liquidität hätten. • Bei einer Inflationsrate von Null kann die Zentralbank dann keine negativen Realzinsen erreichen. 259 260 • Statt Punkte auf der MP-Kurve zu erreichen, muss die Zentralbank dann von dieser Kurve abweichen. • Unterhalb von r=0 gilt die MP-Kurve nicht mehr. • Eine expansivere geldpolitische Regel ist dann ohne Einfluss auf r. • Demzufolge kann sich auch kein Anstieg der Investitionen und des Inlandsprodukts einstellen. • Eine Änderung der geldpolitischen Regel ist in der Liquiditätsfalle somit wirkungslos. 261 262 III. Fallstudie Japan III. Fallstudie Japan III. Fallstudie Japan Japan, 2009 BIP: 487000 Mrd. Yen Bevölkerung: 127 Mio. Pro-Kopf-Produktion: 3830000 Yen Preis Big-Mac: 320 Yen Wechselkurs: 85 Yen/US $ 263 264 • 1989-1992: Nikkei büsst mehr als die Hälfte seines Wertes ein. Viele faule Kredite liegen in den Bilanzen. • 1992-1996: Trotz Rezession werden Zinsen nur langsam gesenkt. • 1996-2010: Japan ist in der Liquiditätsfalle. Nur mit hohen Staatsausgaben gelingt eine Stabilisierung. Die Verschuldung des Staates liegt mittlerweile bei 230% des BIP. 265 Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2010/11 III. Fallstudie Japan III. Fallstudie Japan • 1984-89: Trotz hohen Wachstums und niedriger Inflation werden niedrige Zinsen gesetzt (um Leistungsbilanzüberschuss abzubauen). Vermögenspreisblase bei Aktien und Immobilien. • Der Nikkei ist der bekannteste japanische Aktienindex. Seine Messung basiert auf 225 ausgesuchten Aktienwerten. 266 Pflichtlektüre: Lambsdorff, J. Graf und C. Engelen (2007): 387-394. Jarchow, H.-J. (2010), Grundriss der Geldtheorie, 12. Aufl. S. 229-243. y, s .y y* 8. Das makroökonomischef(k) (n+δ)k Konsensmodell c* s.f(k) Romer, D. (2006), Short-Run Fluctuations. Manuskript, University of California, Berkeley, S. 44-70, http://elsa.berkeley.edu/~dromer/ Taylor, J.B. und A. Weerapana (2009), Economics, 6. Aufl. S. 672-693; 694-708. Ferner: s.y* k* Blanchard, O. (2009), Macroeconomics. S. 498-505. k 267 Mankiw, N. G. (2003), Macroeconomics. 5. Aufl. S. 358268 371. • Bisher haben wir ein konstantes Inflationsniveau unterstellt. Tatsächlich aber schwankt die Inflationsrate und reagiert auf geld- und fiskalpolitische Aktionen. Herleitung der AD-Kurve πÇ IS MP0 r0 • Ein Zusammenhang zwischen Inflation und Inlandsprodukt ergibt sich aus dem Zusammenwirken von IS-Kurve und MP-Kurve. π • Ein Anstieg der Inflationsrate verschiebt die MP-Kurve nach oben. Aufgrund des steigenden Realzinses verringert sich daher das Inlandsprodukt. π0 • Die Schar dieser Punkte können wir in einem π/YDiagramm abtragen. MP1 r • Wir müssen daher die Bestimmungsfaktoren der Inflationsrate herausarbeiten und die Rückwirkung auf Realzins und Inlandsprodukt modellieren. P0 Y0 AD π1 P0 Y 269 • Im π/Y-Diagramm hat diese Kurve eine negative Steigung. • Diese Kurve gibt an, wie hoch das Inlandsprodukt ist, falls die Zentralbank auf eine vorgegebene Inflationsrate mit ihrer Zinssetzung reagiert. Die Kurve unterstellt dabei, dass Produzenten ihre Produktion vollständig nach der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage ausrichten. • Bei hoher Inflationsrate setzt die Zentralbank einen hohen Realzins und dämpft damit die Konjunktur. • Bei niedriger Inflationsrate setzt die Zentralbank einen niedrigen Realzins und regt damit die gesamtwirtschaftliche Nachfrage an. • Daher bezeichnen wir die Kurve auch als Nachfragekurve (aggregate demand). 271 Y Y 270 • Die negativ geneigte AD-Kurve ähnelt einer aus der Mikroökonomie bekannten Nachfragekurve. • Erhöht sich der Preis für Bier, so sinkt die Nachfrage. • Dieser mikroökonomische Effekt ist aber auf Substitutionsbeziehungen zurückzuführen: Der relative Preis für Bier steigt an; statt Bier werden andere Güter nachgefragt. • Diese Substitution ist aber gesamtwirtschaftlich nicht möglich. • Die negative Neigung ist daher anders zu begründen: Die Zentralbank möchte hohe Inflation vermeiden. Daher erhöht sie den Realzins und bewirkt einen Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. 272 • Werden Produzenten aber tatsächlich immer gemäß der Höhe der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage produzieren? • Tatsächlich kann das gesamtwirtschaftliche Angebot von anderen Einflussgrößen bestimmt sein. • Langfristig wird das Angebot, wie im Wachstumsmodell hergeleitet, von den Einsatzfaktoren und dem technischen Fortschritt bestimmt. Dieses langfristige Niveau wird auch als „potentielles Inlandsprodukt“ bezeichnet oder als „Vollbeschäftigungsproduktion“, Y. • Hat die Inflationsrate hierauf einen Einfluss? • Zum einen existieren Kosten der Inflation (Schuhlederkosten, Menukosten …), welche einen negativen Einfluss nahelegen. 273 • Was passiert nun, wenn bei einer bestimmen Inflationsrate, sagen wir π1, das Angebot größer ist als die Nachfrage? Welche Seite wird sich durchsetzen? • Kurz- und mittelfristig ist es möglich, dass das Inlandsprodukt von dem langfristigen Niveau abweicht. Die Höhe des Inlandsprodukts wird dann von der AD-Kurve bestimmt. • Kurzfristig ist nämlich die Inflationsrate konstant. π AD π1 Y Y 275 • Zum anderen gibt es einen Nutzen einer mäßigen Inflationsrate, weil die Anpassungsfähigkeit einer Volkswirtschaft gefördert werden könnte. • In Abwägung der konträren Argumente erscheint die Annahme vertretbar, dass insgesamt die Inflationsrate keinen Einfluss auf das langfristig angebotene Inlandsprodukt besitzt. • Im Falle eines Zustroms von Arbeitskräften, Kapital oder natürlichen Ressourcen sowie bei technischem Fortschritt erhöht sich das „potentielle Inlandsprodukt“ und die Angebotskurve verschiebt sich nach rechts. π Y Y 274 • So sind Löhne kurzfristig fixiert (sticky wages). Lohnverhandlungen werden nur alle 1-2 Jahre durchgeführt. Hierbei wird die zukünftige Inflationsrate abgeschätzt und als Zuschlag auf den Lohn gewährt. Oder es wird ein Ausgleich für die Inflation der Vergangenheit gewährt. Für den Zeitraum des Vertrages bleibt das Lohnniveau dann konstant. • Genauso sind Preise kurzfristig konstant, weil die Anpassung mit Menukosten einhergeht (sticky prices). Preise werden je nach Branche teilweise seltener als einmal pro Jahr angepasst. Bei der Bestimmung des Preisniveaus wird die Inflationsrate der Vergangenheit und die für die Zukunft erwartete Rate berücksichtigt. 276 • Angenommen, ein Wirtschaftssubjekt hat Information über eine verringerte gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Trotzdem könnte es davon absehen, den Preis seines Gutes zu senken, sofern diese Information nicht allen Konkurrenten zur Verfügung steht (sticky information). • Wirtschaftssubjekte ohne Besitz der Information werden ihre Preise nicht verringern, sondern sich nur an der bestehenden Inflationsrate orientieren. Diejenigen im Besitz der Information sehen daher keine (oder nur eine geringe) Veranlassung, als einzige die Absenkung ihres Preis- oder Lohnniveaus durchzuführen. • Information über einen Boom führt umgekehrt nicht zu steigenden Preisen und Löhnen, sofern verringerte Marktanteile gegenüber uninformierten Marktteilnehmern befürchtet werden. 277 • Die Ausführungen implizieren, dass die Inflationsrate kurzfristig konstant ist. • Wir erhalten eine horizontale Inflationsanpassungs-Kurve (IA) im π/Y-Diagramm. • Die IA-Kurve wiederholt die im Rahmen der Multiplikatoranalyse gemachte Annahme bezüglich des Angebotsverhaltens: Dieses orientiert sich nur an der Nachfrage. Anbieter sind bereit, ohne einen Anstieg des Preisniveaus (und damit der Inflation) jede nachgefragte Menge zu produzieren. • Wie wird nun aber die Höhe der Inflationsrate bestimmt? • Erfahrung lehrt, dass diese aus der Vergangenheit „ererbt“ wird. Eine hohe Inflationsrate in der Vergangenheit bewirkt, dass auch in der Zukunft mit einer hohen Inflationsrate gerechnet wird. • Zudem reagiert die Inflationsrate auf ein Abweichen des Inlandsprodukts von seinem potentiellen Niveau. • Die Inflationsrate erhöht sich, wenn das Inlandsprodukt größer ist als sein potentielles Niveau. • In diesem Fall bewirkt nämlich eine Überauslastung der Kapazitäten einen schnelleren Anstieg der Preise. • Maschinen verschleißen schneller, die Motivation und Konzentration der Mitarbeiter sinkt. Dies müssen die Firmen durch einen beschleunigten Anstieg der Preise ausgleichen. • Für abgeleistete Überstunden muss ein Zuschlag bezahlt werden, der den Lohnsatz erhöht. • Zudem steigen die Löhne schneller, weil aufgrund der geringen Arbeitslosigkeit sich leichter Lohnsteigerungen durchsetzen lassen. • Ist das Inlandsprodukt dagegen kleiner als sein potentielles Niveau, so resultiert Arbeitslosigkeit. • Bei hoher Arbeitslosigkeit können Unternehmen die Löhne drücken. • Nur die hoch motivierten und qualifizierten Arbeitskräfte verbleiben in den Betrieben und erlauben es den Firmen, die Preissteigerungen moderater ausfallen zu lassen. 279 π π0 IA Y 278 280 • Formal gilt für die Inflationsrate: π = π + δ (Y−1 − Y ) ; mit π = π −1 e e • Entspricht das Inlandsprodukt seinem potentiellen Niveau, Y−1 = Y , so folgt : π = π e = π −1 • Liegt also bei der Produktion eine dauerhafte Ruhelage vor mit Y = Y, dann ändert sich die Inflationsrate nicht. • Weicht jedoch die Höhe des Inlandsprodukts von seiner potentiellen Höhe ab, so hat dies eine Veränderung der zukünftigen Inflationsrate zur Folge. • Neben der langfristig vertikalen Angebotskurve und der kurzfristig horizontalen IA-Kurve wird in der Literatur auch oftmals eine mittelfristige Angebotskurve dargestellt. • Diese ist weder horizontal noch vertikal, sondern weist eine positive Steigung auf. • Eine solche Angebotskurve wird auch als „Phillips-Kurve“ bezeichnet. • Hiermit wird verdeutlicht, dass mittelfristig ein erhöhtes Inlandsprodukt und eine Absenkung der Unterbeschäftigung nur mit einer Inflation „erkauft“ werden kann. • Wir verzichten in der Graphik auf die Darstellung dieses mittelfristigen Zusammenhangs. 281 Das Grundmodell 282 Erhöhung des Staatskonsums r IS1 r IS r1 MP r0 Y0 b0Ç Y AD1 PA Y Y0 =Y1 AD0 π1 π0 MP P0 π AD πÇ P1 r0 P0 π IS0 MP P0 Y IA π0 Y P1 PA P0 Y 283 IA Y 284 • Die Erhöhung des Staatskonsums auf ein dauerhaft höheres Niveau verschiebt die IS-Kurve nach rechts. Aufgrund des Anstiegs des Inlandsprodukts wird die Zentralbank gemäß ihrer Reaktionsfunktion den Realzins erhöhen. Es ergibt sich ein Zwischenpunkt in PA. • Die Inflationsrate ist kurzfristig konstant. Daher liegt die Zwischenlösung im π/Y-Diagramm auch im Punkt PA. • Aufgrund einer Überschussnachfrage erhöht sich nun die Inflation. Hierdurch wird die Zentralbank veranlasst, den Realzins zu erhöhen. Die MP-Kurve verschiebt sich nach oben. • Die Anpassung verläuft so lange, bis wieder ein Gleichgewicht im Punkt P1 erreicht ist, mit einem Inlandsprodukt i.H. des potentiellen Niveaus. • Die Inflationsrate ist nun gegenüber der Ausgangslage dauerhaft angestiegen. • Dies resultiert daraus, dass die Zentralbank den anfänglichen Güternachfrageimpuls nicht vollständig neutralisiert. Erst durch eine steigende Inflationsrate wird dann die Zentralbank zu der weiteren, notwendigen Erhöhung der Realzinsen induziert. • Möchte die Zentralbank entgegen dieser Lösung dauerhaft an der Inflationsrate der Ausgangslage festhalten, so müsste sie auf die erhöhte Güternachfrage mit einer Straffung der geldpolitischen Regel, r'↑, antworten. 285 • Mit der nun variierenden Inflationsrate kann auch die Sparquote wieder auf die Investitionen wirken, entgegen der Modellergebnisse bei konstanter Inflationsrate. • Sofern nämlich die Sparquote steigt, verschiebt sich die ISKurve nach links. Die Zentralbank beobachtet eine zu geringe gesamtwirtschaftliche Nachfrage und eine nachlassende Inflationsrate. Sie wird die Zinsen senken. Die gesunkenen Zinsen erhöhen dann die Investitionen. • Allerdings funktioniert dieser Zusammenhang nicht in der Liquiditätsfalle. 287 286 • Eine erhöhte Investitionsneigung führt nun auch nicht mehr unbedingt zu steigender Ersparnis. • Sie bewirkt eine Rechtsverschiebung der IS-Kurve und damit eine erhöhte Nachfrage und zukünftige Inflationsgefahren. • Um dies zu vermeiden, wird die Zentralbank die Zinsen erhöhen. • Hierdurch kann sich eine erhöhte Investitionsneigung aber nicht durchsetzen. 288 Straffere geldpolitische Regel • Eine straffere geldpolitische Regel verschiebt die MP-Kurve nach oben. Aufgrund des steigenden Realzinses sinkt das Inlandsprodukt. Es ergibt sich ein Zwischenpunkt in PA. MP1 r π↓ IS0 r'↑ • Die Inflationsrate ist kurzfristig konstant. Daher liegt die Zwischenlösung im π/Y-Diagramm auch im Punkt PA. MP PA r0 π P0=P1 AD0 AD1 π0 Y0 =Y1 P0 Y IA PA π1 • Aufgrund eines Überschussangebots verringert sich die Inflation. Hierdurch wird die Zentralbank veranlasst, den Realzins wieder zu senken. Die MP-Kurve verschiebt sich nach unten. P1 Y Y 289 290 • Die Anpassung verläuft so lange, bis wieder ein Gleichgewicht im Punkt P1 erreicht ist, mit einem Inlandsprodukt i.H. des potentiellen Niveaus. Die Frage der Glaubwürdigkeit • Wir sehen also, dass die Zentralbank bei Straffung der geldpolitischen Regel die Inflationsrate reduzieren kann. • Neben der Inflation der Vorperiode könnte die erwartete • Wir hatten bisher die Inflationserwartung durch die e Gleichung π = π −1 dargestellt. • Hierbei muss sie aber eine temporäre Reduktion der Produktion und des Einkommens in Kauf nehmen. • Dem langfristigen Vorteil einer reduzierten Inflation stehen daher temporäre Einbußen gegenüber. • Da zukünftige Vorteile im Kalkül der Wirtschaftssubjekte abdiskontiert werden müssen, ist nicht sichergestellt, dass eine straffere Geldpolitik insgesamt vorteilhaft ist. 291 Inflationsrate aber von weiteren Größen beeinflusst werden. • Ein Anstieg der Ölpreise führt oftmals zu einer sofortigen Änderung der Inflationserwartung. • Hier wollen wir auf einen anderen wichtigen Einflussfaktor eingehen: Die Glaubwürdigkeit einer Zentralbank. • Sofern eine Zentralbank direkt Einfluss nehmen kann auf die Inflationserwartung, ergäben sich wichtige Rückwirkungen für die Wirksamkeit der Geldpolitik. 292 • Möchte die Zentralbank langfristig die Inflationsrate reduzieren, so kündigt sie für die laufende und die zukünftigen Perioden einen erhöhten Wert für r' an. • Glauben die Wirtschaftssubjekte der Zentralbank und erwarten sie, dass die Zentralbank ihre Politik auch gegen Widerstände durchsetzen wird, so sind sie von dem zukünftigen Rückgang der Inflationsrate überzeugt. • Daher werden sie ihre Erwartungen der zukünftigen Inflation sofort nach unten korrigieren. • Dadurch verschiebt sich die IA-Kurve sofort nach unten. • Es resultiert dann nicht der Punkt PA als Zwischenlösung. Vielmehr fällt die Reduktion des Inlandsproduktes geringer aus. 293 • Eine Zentralbank kann ihre Glaubwürdigkeit auch ausnutzen, um über einen längeren Zeitraum die Wirtschaft anzukurbeln. • Sie könnte hierfür r' absenken, aber eine Rückkehr zur bisherigen strikten Politik ankündigen. Sie täuscht dann die Wirtschaftssubjekte. • In diesem Fall würde die IA-Kurve zunächst in ihrer alten Lage verharren, da die Wirtschaftssubjekte den Ankündigungen der Zentralbank glauben. • Erst mit der Zeit erkennen die Wirtschaftssubjekte, dass die Zentralbank unglaubwürdig ist und erhöhen die Inflationserwartung. 295 • Eine andere Situation liegt vor, wenn die Zentralbank jedoch den Ruf hat, ihre Ankündigungen nicht konsequent durchzusetzen, sondern oftmals ihren geldpolitischen Kurs unter politischem Druck zu revidieren. • In diesem Fall werden die Wirtschaftssubjekte nicht unbedingt den Ankündigungen einer schärferen geldpolitischen Regel in der Zukunft glauben. • Die bloße Ankündigung wird dann nicht sofort zu einer veränderten Inflationserwartung führen. In diesem Fall würde sich die IA-Kurve nicht unmittelbar verschieben. • Die Anpassung erfolgt dann bei einer kurzfristig konstanten IA-Kurve und geht mit einem Produktionseinbruch einher (Punkt PA). 294 • Ob sich hiermit aber tatsächlich das Inlandsprodukt dauerhaft erhöhen lässt, wurde insbesondere von dem Robert Lukas bezweifelt. Sein Argument, auch als Lukas-Kritik bezeichnet, zieht in Zweifel, ob Wirtschaftssubjekte ihre Inflationserwartung nur an Werten der Vergangenheit orientieren. Bei einem substantiellen Politikwechsel seien Wirtschaftsubjekte vielmehr in der Lage, die zukünftige Entwicklung korrekt zu antizipieren. • Die Wirtschaftssubjekte durchschauen hierbei sofort die Täuschung und erhöhen sofort die Inflationserwartung. • Die Glaubwürdigkeit der Zentralbank geht sofort verloren und die IA–Kurve wird unmittelbar nach oben verschoben. • Wird das Verhalten der Zentralbank rational antizipiert, so unterbleibt hierbei ein temporärer Anstieg des Inlandsprodukts. 296 Deflation und Liquiditätsfalle • Die Zentralbank kann keine negativen Nominalzinsen erzielen, denn die Geschäftsbanken würden lieber horten (z.B. Bargeld in den Tresoren halten), als Kredite mit negativem Ertrag auszugeben und die Nichtbanken würden Sichteinlagen halten und unbegrenzt Kredite bei den Geschäftsbanken aufnehmen. r MP(π=0) IS0 r0=1 P0 r0=0 π π0=0 Y • Daher kann eine Senkung der Realzinsen bei Preisniveaustabilität (π=0) nicht herbeigeführt werden. Unterhalb von r=0 gilt die MP-Kurve nicht mehr. Y0 AD0 P0 IA Y π0=-1 • In dieser Situation kann die Zentralbank die Inflationsrate nicht mehr steigern, da sie nicht kurzfristig die gesamtwirtschaftliche Nachfrage erhöhen kann. Y • Sinkt die Inflationsrate nun (Deflation), so möchte die Zentralbank wie bisher mit einer Senkung der Realzinsen reagieren. • Da die Nominalzinsen aber bereits Null betragen, gelingt ihr dies nicht. • Entgegen dem Wunsch der Zentralbank führt die Deflation zu einem Anstieg der Realzinsen. Hierdurch sinkt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage weiter ab. • Insgesamt ergibt sich bei einer Kombination aus Deflation und Liquiditätsfalle ein positiver Verlauf der gesamtwirtschaftlichen Nachfragekurve. • Es droht eine immer weiter zunehmende Deflation (Deflationsspirale). 299 298 III. Fallstudie Große Depression 297 IV. Fallstudie Große Depression 300 100 90 Kanada Frankreich 80 Deutschland USA Großbritannien 70 60 III. Fallstudie Große Depression III. Fallstudie Große Depression Pro-Kopf-Produktion 110 50 1928 1929 1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937 1938 III. Fallstudie Große Depression 301 302 Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau • 1921-1929: Aktienboom. Zentralbank versucht erst 1929 die Überhitzung mit einer moderaten Zinserhöhung zu dämpfen. WS 2010/11 • 1929: Rezession beginnt und Aktienmarkt bricht ein. • 1930: Zentralbanken senken weltweit Zinsen nur moderat. Erst 1940 wird ein Zinssatz von 1% in den USA gesetzt. • 1931: Durch Beendigung der Goldeinlösepflicht der Bank of England (und damit des damaligen Systems fester Wechselkurse) wertet das britische Pfund um 30% ab. y, s.y y* 9. f(k) Außenbeitrag und Kapitalimporte c* s.f(k) • 1932: Aufgrund der starken Deflation ergeben sich hohe Realzinsen, welche den Abschwung beschleunigen. • 1933: Das von Präsident Roosevelt eingeleitete Programm New Deal kurbelt mit massiven staatlichen Investitionen und 303 Sozialleistungen die Binnenkonjunktur an. (n+δ)k s.y* k* k 304 Pflichtlektüre: Frenkel, M. und K.D. John (2006), Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, 6. Aufl. S. 27-29, 45-49, 53-54, 56. McDowell, M. et al. (2006), Principles of Economics, S. 729-730. • Eine geschlossene Volkswirtschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass sie keine Interaktion mit anderen Volkswirtschaften aufweist. • Dies beinhaltet insbesondere das Fehlen von Exporten und Importen. • Das beinhaltet das Fehlen von Einkommensströmen (Faktorströmen) über Landesgrenzen hinweg. • Auch fehlen Kapitalströme mit dem Ausland. 305 307 Die Bedeutung des Außenhandels für die USA USA, Handels- und Dienstleistungsbilanz 18 16 14 12 10 Importe Exporte 8 6 4 2 2006 2004 2002 2000 1998 1996 1994 1992 1990 1988 1986 1984 1982 1980 1978 1976 1974 1972 1970 1968 1966 1964 1962 0 1960 Prozent des BIP • Für viele makroökonomische Fragestellungen wird vereinfachend die Interaktion mit dem Ausland vernachlässigt. • Empirische Beispiele für geschlossene Volkswirtschaften sind dagegen seltener. • Nordkorea ist ein Beispiel einer geschlossenen Volkswirtschaft. • Daneben ist aber insbesondere die globale Wirtschaft selbst als geschlossene Volkswirtschaft zu verstehen. • Für alle anderen Fälle sind die vielfältigen Ströme von Leistungen und Zahlungen mit dem Ausland zu berücksichtigen. 306 308 • Die Bedeutung der außenwirtschaftlichen Öffnung hat in den letzten fünf Jahrzehnten deutlich zugenommen. • Weltweit steigt der Handel stärker als die Produktion. • Dies ist ein Indikator einer zunehmenden „Globalisierung“ der Weltwirtschaft. 40 35 Exporte (% vom BIP), Deutschland, WDI 30 Importe (% vom BIP), Deutschland, WDI 25 20 • Die Exporte setzen sich zusammen aus den Exporten von Gütern und Diensten (X‘) und den Exporten von Faktorleistungen (FAI). • Faktorleistungen werden exportiert, wenn ein Inländer ein Einkommen im Ausland erzielt, z.B. indem er als Grenzgänger im Ausland arbeitet oder Zins- oder Mieteinnahmen im Ausland erzielt. • Die Importe setzen sich zusammen aus den Importen von Gütern und Diensten (J‘) und den Importen von Faktorleistungen (FIA). • Inländische Produktionsbetriebe importieren solche Faktorleistungen, indem sie im Ausland wohnende Arbeitskräfte oder Zinsen für ausländisches Kapital bezahlen. 2005 2003 2001 1999 1997 1995 1993 1991 1989 1987 1985 1983 1981 1979 1977 1975 1973 1971 15 309 • Die jährlichen Überschüsse und/oder Defizite, X‘-J‘, werden in der Handels- und Dienstleistungsbilanz eines Landes erfasst. • Dieser Wert wird auch als „Außenbeitrag“ bezeichnet. • Werden noch Faktorexporte und –importe berücksichtigt, so resultieren die gesamten Netto-Exporte (X-J=X‘+ FAI -J‘FIA), die auch als Leistungsbilanzsaldo bezeichnet werden. • Falls X>J, erwirtschaftet ein Land einen Überschuss und baut dadurch Nettoforderungen gegenüber dem Ausland auf. • Sind die Importe hingegen größer als die Exporte, so akkumuliert ein Land Schulden oder verliert Vermögensobjekte an das Ausland. 311 310 • Der Außenbeitrag bzw. die Leistungsbilanz werden von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst: - Den Konsumpräferenzen bezüglich inländischer und ausländischer Produkte. - Den Preisen der inländischen und ausländischen Produktion. - Dem Wechselkurs, also dem Preis der ausländischen Währung in Einheiten der inländischen Währung. - Dem Einkommen von Inländern und Ausländern. - Transportkosten. - Handelspolitik und Handelsbeschränkungen. 312 • Kapitalexporte kennzeichnen den von Inländern getätigten Kauf ausländischer Vermögensobjekte (z.B. Aktien, Anleihen oder Bauten) oder die Vergabe von Krediten an das Ausland. • Kapitalimporte entsprechen dem Verkauf inländischer Vermögensobjekte an Ausländer oder der Aufnahme von Krediten aus dem Ausland. • Nettokapitalexporte sind Kapitalexporte abzüglich der Kapitalimporte. Sie entsprechen dem Saldo der Kapitalbilanz. • So erhöht ein Kauf von US-Anleihen durch einen EUInländer die Nettokapitalexporte der EU. • Kaufen Japaner Aktien in Deutschland, so verringern sich die Nettokapitalexporte der EU. 313 • Die Nettoexporte und der Saldo der Kapitalbilanz stehen in einem engen Verhältnis zueinander. • Beide Bilanzen sind ein Teil der „Zahlungsbilanz“ eines Landes, also einer Zusammenstellung aller Transaktionen mit dem Ausland. • Ein Land verliert dadurch Vermögen oder akkumuliert Schulden, dass die Importe an Gütern, Diensten und Faktoren größer sind als die Exporte. • Im Gegenzug müssen in gleichem Ausmaß Nettokapitalimporte vorhanden sein. • Diese spezifizieren, in welcher Form Kapital in das Land fließt, als Kredit oder durch den Verkauf von Vermögensobjekten. 315 • Nettokapitalexporte werden von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst: - Den Realzinsen, welche für ausländische Vermögensobjekte bezahlt werden. - Den Realzinsen, welche für inländische Vermögensobjekte bezahlt werden. - Der erwarteten Entwicklung des Wechselkurses. - Den wahrgenommenen ökonomischen und politischen Risiken einer Anlage von Vermögen im Ausland. - Den politischen Rahmenbedingungen, welche einen Transfer von Vermögen ins Ausland ermöglichen oder behindern. 314 • Es gilt also, dass die Nettoexporte von Gütern, Diensten und Faktoren (X-J) den Nettokapitalexporten (NKE) entsprechen müssen: X-J =NKE. • Einem Verkauf von Gütern und Diensten an die USA (XJ>0) steht zunächst die Entgegennahme von US-$ gegenüber, also einem Vermögensobjekt (NKE). • Dieses Vermögensobjekt kann getauscht werden gegen andere Vermögensobjekte, oder aber es kann für den Import von Gütern aus den USA verwendet werden. • In jedem Fall behält die obige Gleichung ihre Gültigkeit. 316 • Transaktionen mit dem Ausland sind in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zu berücksichtigen. • Dort werden folgende Wirtschaftssubjekte als „Inländer“ bezeichnet: - natürliche Personen mit ständigem (mindestens ein Jahr) Wohnsitz im Inland und - alle anderen Wirtschaftssubjekte einschließlich rechtlich unselbständiger Produktionsstätten und Zweigniederlassungen, soweit der Schwerpunkt ihrer wirtschaftlichen Aktivität im Inland liegt. Inländerkonzept Inlandskonzept 317 318 Flussdiagramm für die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung mit Ausland • Daneben können Transferzahlungen stattfinden, also Übertragungen ohne entgeltliche Gegenleistung wie z.B. Entwicklungshilfe, Wiedergutmachungsleistungen, Beiträge an internationale Organisationen (Tr). S 110 Einkommenskonto FI C G Ti-Z 945 700 225 100 Ib 250 Produktionskonto FAI 10 319 TrIA FIA J´ (netto) 20 300 20 Auslandskonto (aus Sicht des Inlands) D 160 Vermögensänderungskonto X´ 350 KE (netto) 20 320 • Aus der Graphik lässt sich das Nettoinlandsprodukt (NIP) zu Marktpreisen herleiten: Deutschland 2008 YnM=C+G+In +X′– J′=1065 • Durch Zusammenfassung ergibt sich gemäß Produktionskonto: Exporte minus Importe Konsum 6% 57 % FI+FIA+(Ti – Z) = C+G+In+X′– J′. 18% 19% Staatskonsum Investitionen 321 USA 2008 322 USA 2008 China 2008 Konsum Konsum -5 % 70 % 17% 18% Exporte minus Importe 36 % 42% Staatskonsum Exporte minus Importe 8% 14% Staatskonsum Investitionen Investitionen 323 324 • Werden auf beiden Seiten der oben formulierten Gleichung die netto aus dem Ausland zugeflossenen Primäreinkommen hinzugezählt (FAI-FIA=-13 Mrd €), dann erhält man: FI+FAI+(Ti–Z) = C+G+In+(X’+FAI) – (J’+FIA). Volkseinkommen X • Das durch Umformung aus dem gesamtwirtschaftlichen Produktionskonto hergeleitete Nettonationaleinkommen zu Marktpreisen lässt sich auch aus dem gesamtwirtschaftlichen Einkommenskonto ermitteln. Eine Erfassung aller eingehenden und ausgehenden Buchungen erbringt: FI+FAI+(Ti – Z)=C +G+ S + TrIA=1055 J Es folgt: Nettonationaleinkommen zu Marktpreisen (NNP) C + G + In + (X – J) = C + G + S + TrIA Ù S=In + (X – J – TrIA). 325 326 • Die Ersparnis kann somit für inländische Investitionen verwendet oder im Ausland angelegt werden. • Ein hohes Leistungsbilanzdefizit (X-J-TrIA=NKE<0) impliziert dabei, dass das Ausland für das Inland spart. • Dies könnte Symptom eines Problems sein: Ein Land spart nicht hinreichend, um für die Zukunft gewappnet zu sein. • Als Reaktion auf eine niedrige Sparquote ist es aber eventuell besser, mit hohen Kapitalimporten Investitionen durchzuführen als sinkende Investitionen in Kauf zu nehmen. • Auf der rechten Seite steht in Klammern der Leistungsbilanzsaldo. Dieser entspricht den Kapitalexporten. • Die Gleichung bringt zum Ausdruck, dass die heimische Ersparnis entweder in heimische Investitionen fließt oder in Kapitalexporte. • Ein positiver Leistungsbilanzsaldo setzt voraus, dass im Inland mehr gespart als investiert wird. • Eine Verbesserung der Leistungsbilanz ist nur möglich, wenn die Ersparnis ansteigt oder die Investitionen sinken. 327 328 • Durch die Berücksichtigung des Auslands verändern sich auch die anderen Konten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. • Ersparnis und Investitionen lassen sich in einen privaten und einen staatlichen Anteil zerlegen: Spr+ Sst – Inpr – Inst = (X – J – TrIA). • Alle drei Konten lassen sich nun vollständig darstellen. • Da gilt Sst – Inst = – BD, folgt Spr – Inpr – BD = (X – J – TrIA) = NKE. Gesamtwirtschaftliches Produktionskonto, Deutschland 2008 • Dies illustriert das, was als twin-deficit bezeichnet wird: Ein erhöhtes Budgetdefizit geht bei konstantem Verhalten inländischer Haushalte und Investoren mit Kapitalimporten einher, also einem Saldo in der Leistungsbilanz. Verwendung Importe, J‘ Abschreibungen Indir. Steuern ./. Subventionen Faktorentlohnung An Inländer An Ausländer 329 • Die Faktorentlohnung im Produktionskonto unterscheidet sich nun von der im Einkommenskonto aufgrund internationaler Faktorströme. Nettotransferzahlungen an das Ausland 30 Privater Konsum 1404 Staatskonsum 453 Ersparnis 281 Quelle: Stat. Bundesamt und Bundesbank, Januar 2009, Angaben in Mrd. €, gerundet. 330 • Das Vermögensänderungskonto weist einen Finanzierungsüberschuss aus, also Kapitalexporte. Gesamtwirtschaftliches Vermögensänderungskonto, Deutschland 2008 Gesamtwirtschaftliches Einkommenskonto, Deutschland 2008 Verwendung Aufkommen Privater Konsum 1033 1404 364 Staatskonsum 453 (Brutto-) Investitionen 477 286 Exporte, X‘ 1190 1634 207 Verwendung Aufkommen (Brutto-) Investitionen Aufkommen Ersparnis 477 Abschreibungen Finanzierungsüberschuss 168 Faktorentlohnung aus dem Inland 1634 Faktorentlohnung aus dem Ausland 248 Indir. Steuern ./. Subventionen 286 281 364 Quelle: Stat. Bundesamt und Bundesbank, Januar 2009, Angaben in Mrd. €, gerundet. Quelle: Stat. Bundesamt und Bundesbank, Januar 2009, Angaben in Mrd. €, gerundet. 331 332 Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2010/11 y, s .y y* f(k) 10. Die offene Volkswirtschaft c* Pflichtlektüre: Lambsdorff, J. Graf und C. Engelen (2008), Das Keynesianische Konsensmodell einer offenen Volkswirtschaft, WiST, Wirtschaftswissenschaftliches Studium, S. 540-548. http://www.wiwi.uni-passau.de/fileadmin/dokumente/lehrstuehle/lambsdorff/downloads/DKK_S._540-547.pdf (n+δ)k s.f(k) s.y* k* k 333 • Wie wird ein Anstieg der Investitionen in einer offenen Volkswirtschaft mit konstanter Inflation finanziert? Wir können zeigen, dass auch hier alle Investitionen automatisch die zu ihrer Durchführung notwendigen Ersparnisse schaffen. • Dies lässt sich bei konstanter Inflationsrate mit folgendem Modell zeigen, wobei die Importe positiv vom Inlandsprodukt abhängen und die Exporte als konstant angenommen werden. 334 (1) Y=YD (2) YD=C+I+G+X-J (3) C=a+cYv ;(a>0, 0<c<1) Fünf Gleichungen und fünf endogene Variablen: (4) Yv=Y–T Y, YD, C, J, X, Yv, T (5) T=T0+tY ;(T0>0, 0≤t<1) Exogene Variablen: G, T0, I, t (6) X=X0 (7) J=J0+mYv (0<m<c) 335 336 • Das verfügbare Einkommen steigt um (1-t)dY. • Damit steigt die private Ersparnis um (1-c)(1-t)dY. • Die Steuereinnahmen steigen um tdY; in diesem Ausmaß steigt also die öffentliche Ersparnis und das Budgetdefizit sinkt. • Die Importe steigen um m(1-t)dY. In diesem Ausmaß steigt der ausländische Beitrag zur Ersparnis. • Insgesamt steigt die Ersparnis um: • Hieraus resultiert der folgende Multiplikator für einen autonomen Anstieg der Investitionen von der Finanzierungsseite: dY = 1 dI . 1 − ( c − m ) (1 − t ) • Der Anpassungsprozess lässt sich graphisch illustrieren: I Ç Î YÇ Î YvÇ Î CiÇ TÇ SÇ JÇ dS = ⎡⎣(1 − c )(1 − t ) + t + m (1 − t ) ⎤⎦ dY Sickerverluste = ⎡⎣1 − ( c − m )(1 − t ) ⎤⎦ dY , • Für die Finanzierungsseite gilt: Spr – NKE – BD = Inpr also genauso stark, wie die Investitionen. 337 • Für eine Erweiterung des Keynesianischen Konsensmodells um Rückwirkungen aus dem Ausland müssen wir zunächst die IS-Kurve überdenken. • Wie im vorherigen Abschnitt gezeigt, wird der Multiplikator geringer ausfallen. Dies wollen wir im Folgenden vernachlässigen und die Auswirkungen von Wechselkursschwankungen näher analysieren. • Der Wechselkurs, e, wird gemessen als Preis des Euro in Dollar, z.B. 1€=1,25 Dollar. • Ein Sinken des Wechselkurses, e, verbilligt inländische Produkte. Exporte werden daher zunehmen und die teurer werdenden Importe nehmen ab. Dies lässt den Außenbeitrag steigen. 339 338 • Der gleiche Effekt ergibt sich bei einem Preisanstieg im Ausland oder eine Preissenkung im Inland. Entscheidend für Außenbeitrag und die Güternachfrage ist daher der reale Wechselkurs, er=ep/pa. • Der Anstieg des Außenbeitrags geht mit einer erhöhten gesamtwirtschaftlichen Nachfrage einher. Insgesamt gilt daher für die IS-Kurve: Y r = b0 − b1r − b2er ; b0 , b1 , b2 > 0. • Die Auslandskonjunktur wird zudem zu einem Lageparameter der IS-Kurve. Ein Konjunkturaufschwung in den USA bewirkt, dass verstärkt Exporte dorthin getätigt werden können. Die IS-Kurve verschiebt sich nach rechts. Dies würde mit einem Anstieg b0 erfasst werden. 340 • Für die Kapitalbilanz hatten wir gesehen, dass Differenzen im (realen) Zinsniveau entscheidend sind. • Ist der inländische Realzins höher als der ausländische, so resultieren Kapitalimporte. Es werden verstärkt Euro nachgefragt. • Ist der ausländische Realzins höher als der inländische, so wollen Anleger verstärkt Kapital exportieren. Sie werden daher in höherem Ausmaß Euro anbieten. • Die Kapitalbewegungen schlagen sich daher in der Devisenbilanz nieder, also dem Angebot und der Nachfrage nach eigener Währung und Austausch für ausländische Währung. 341 • Dies bedeutet, dass wir vereinfachend r = ra schreiben können. • Diese Kurve ist die Devisenmarktkurve. • Wir tragen sie zusätzlich neben der IS- und der MP-Kurve im r/Y-Diagramm ab. r MP IS0 ra P0 Y • Auch der Außenbeitrag schlägt sich in der Devisenbilanz nieder. Deutsche Exporteure erhalten für ihre Güter Devisen, die sie anbieten, um wieder Euro zu erhalten. Importeure in Deutschland müssen Euro anbieten und Devisen nachfragen, um ausländische Güter zu kaufen. • Die Zahlungsbilanz setzt sich zusammen aus der Leistungsbilanz und der Kapitalbilanz, so dass insgesamt gelten muss X - J = NKE. • Die Kapitalbewegungen sind in den letzten Jahrzehnten immer stärker geworden. Daher führt bereits ein geringfügiger Zinsunterschied zu einem Ausgleich der Leistungsbilanz. Wir können den Außenbeitrag für die Devisenbilanz vernachlässigen. 342 • Untersuchen wir zunächst eine expansivere geldpolitische Regel. • Die Zentralbank senkt den Realzins und erhöht damit das Inlandsprodukt. • Dies bewirkt nun Kapitalexporte. • Aufgrund der hohen Nachfrage nach Dollar wird der Euro günstig und er sinkt. • Hierdurch erhöht sich der Außenbeitrag und die IS-Kurve verschiebt sich nach rechts. • Die Auswirkung der expansiven geldpolitischen Regel wird durch die Verbilligung des Euro weiter verstärkt. Diese zusätzliche Wirkung der Geldpolitik wird auch als Wechselkurskanal bezeichnet. Y 343 344 Expansivere geldpolitische Regel r IS0 erÇ MP P0 MP1 r0 Z P1 P' r'↓ Y Y • Im Gleichgewicht P1 ist das Inlandsprodukt gestiegen und der Außenbeitrag gesunken. Zum Ausgleich der Devisenbilanz wäre ein kleiner Zinsanstieg notwendig, der aufgrund der starken Kapitalbewegungen hier vernachlässigend gering ausfällt. 345 • Eine weitere Störung kann z.B. in einer erhöhten Güternachfrage bestehen, ausgelöst durch einen Anstieg des Staatskonsums. • Die Zentralbank wird auf die gestiegene Nachfrage mit einer Erhöhung der Realzinsen reagieren (Punkt P'). • Dies löst nun Kapitalimporte aus. • Aufgrund der hohen Nachfrage nach Euro wird dieser teurer und er steigt. • Hierdurch sinkt der Außenbeitrag und die IS-Kurve verschiebt sich zurück in die Ausgangslage. • Die erhöhte Güternachfrage durch den Staatskonsum wird vollständig durch den sinkenden Außenbeitrag kompensiert. 346 Erhöhung des Staatskonsums r IS0 r0 b0Ç IS1 MP erÇ P0=P1 Y P' + Z – Y • Im Gleichgewicht ist der Außenbeitrag gesunken. Zum Ausgleich der Devisenbilanz wäre ein kleiner Zinsanstieg notwendig, der aufgrund der starken Kapitalbewegungen hier vernachlässigend gering ausfällt. 347 • Eine Störung kann auch darin bestehen, dass Auslandsinvestitionen attraktiv werden aufgrund eines erhöhten Zinssatzes im Ausland. • Dies verschiebt die Devisenmarktkurve nach oben. • Kapitalexporte führen zu einer erhöhten Nachfrage nach Dollar. Der Euro wird billiger, er sinkt. • Dies erhöht den Außenbeitrag. • Den erhöhten Nettokapitalexporten steht damit ein erhöhter Außenbeitrag entgegen. • Das Inlandsprodukt steigt daraufhin. Die Importe steigen und senken den Außenbeitrag. Der Realzins steigt und senkt die Kapitalexporte. 348 Steigender Auslandszinssatz V. Fallstudie Deutschland IS0 erÈ MP P1 r'a' ra V. Fallstudie Deutschland r P0 Y Y 350 V. Fallstudie Deutschland V. Fallstudie Deutschland 349 Bundesrepublik Deutschland, 2009 BIP: 2395 Mrd. € Bevölkerung: 82 Mio. Pro-Kopf-Produktion: 29200 € Preis Big-Mac: 3,39 € Wechselkurs: 1,28 US $/€ 351 352 V. Fallstudie Deutschland • 1993: Deutsche Wiedervereinigung erfordert hohe Zinsen zur Dämpfung der Nachfrage. Währungen wie die spanische Peseta werten bis 1995 ab. Danach konstante Wechselkurse mit allen späteren Euro-Partnern. • 1999: Wechselkurse für Euroländer werden unwiderruflich festgelegt und nominale Zinssätze von Vorgänger der EZB europaweit festgelegt. • Niedrige Inflation in Deutschland lässt den Euro real günstig werden. Realzinsen hierdurch hoch. Investitionen niedrig und Kapitalexporte. Leistungsbilanz wird positiv. • Hohe Inflation in Spanien lässt den Euro real teuer werden. Realzinsen hierdurch niedrig und Kapitalimporte. Investitionen sind hoch und Leistungsbilanz wird negativ. • 2010: Zusammenhalt der Eurozone erfordert temporäre Stützungsmaßnahmen. Sparmaßnahmen in Spanien und 353 erhöhte Nachfrage in Deutschland sind notwendig. Pflichtlektüre: Mankiw, N. G. (2003), Macroeconomics. 5. Aufl. S. 522525. 355 Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2010/11 y, s.y y* f(k) 11. Offene makroökonomische (n+δ)k Fragestellungen c* s.f(k) s.y* k* k 354 1. Sollte die Wirtschaft mit Hilfe eines situationsbedingten Einsatzes der Geld- und Fiskalpolitik stabilisiert werden? • Pro (Keynesianische Sichtweise): - Kurzfristige Schwankungen können lange anhalten. Dies ist z.B. darauf zurückzuführen, dass selbstverstärkende Mechanismen existieren. Eine Rezession verstärkt sich selbst durch Multiplikatoreffekte, bei denen ein Produktionseinbruch z.B. durch eine Reduktion des Konsums noch verstärkt wird. 356 • Pro: - Das wirtschaftliche Gleichgewicht ist damit instabil; Die Wirtschaft wird unerwünschten Schwankungen ausgesetzt sein, wenn sie sich selbst überlassen ist. - Die langfristige Anpassung kommt zu spät (Keynes: „in the long-run we are all dead“); - Mit Hilfe politischer Instrumente kann die gesamtwirtschaftliche Nachfrage gesteuert werden. Hierdurch wird die Instabilität neutralisiert und Schwankungen abgemildert. • Contra: - Geldpolitik beeinflusst die Wirtschaft mit langen und unvorhersehbaren Verzögerungen zwischen dem Zeitpunkt der Notwendigkeit einer Maßnahme und ihrer Auswirkung. - Studien belegen, dass Änderungen der Geldpolitik die gesamtwirtschaftliche Nachfrage frühestens nach sechs Monaten spürbar beeinflussen. Hier existiert eine starke Wirkungsverzögerung. 357 • Contra: - Änderungen der Fiskalpolitik benötigen einen langen politischen Prozess für ihre Durchsetzung aufgrund der notwendigen Gesetzesänderungen. - Es kann Jahre dauern, bis solche Änderungen vorgeschlagen, beschlossen und implementiert werden. - Aufgrund der Verzögerungen und der Schwierigkeit der Prognose zukünftiger Entwicklungen wird evtl. nicht eine gegenwärtige Rezession abgeschwächt, sondern ein zukünftiger Boom verstärkt. 359 358 • Contra: - Eine erhöhte Verschuldung des Staates führt notgedrungen in der Zukunft zu erhöhten Steuerzahlungen. - Haushalte antizipieren die zukünftigen Zahlungen mit verstärkter Spartätigkeit. Eine geringe Ersparnis des Staates wird dann durch eine erhöhte Ersparnis der Haushalte ausgeglichen (Ricardianisches Äquivalenztheorem). - Staatsdefizite können daher die Wirtschaft nicht stabilisieren. 360 2. Sollte die Geldpolitik, anstatt unstetig auf aktuelle Anforderungen zu reagieren, an strenge Regeln gebunden sein? • Pro: - Eine situationsbedingte Politik kann unter Inkompetenz und Machtmissbrauch leiden. - Zentralbanker könnten gemäß ihrer politischen Präferenz Einfluss auf den Wahlausgang nehmen und damit einen political business cycle auslösen. 361 • Contra: - Unflexible Regeln erlauben es einer Zentralbank nicht, auf sich verändernde ökonomische Bedingungen angemessen zu reagieren. - Probleme der Inkompetenz und des Machtmissbrauchs sind rein hypothetisch. - Die Bedeutung von political business cycles ist unklar. - Probleme der Zeitinkonsistenz werden abgemildert, wenn sich Zentralbanken sich eine Reputation der Glaubwürdigkeit 363 aufbauen. • Pro: - Zentralbanker sind der Versuchung ausgesetzt, zur Reduzierung der Inflation mit bloßen Ankündigungen die Wirtschaft zu beeinflussen, die angekündigten Maßnahmen dann aber zu unterlassen. Dies wird das Problem der „Zeitinkonsistenz“ genannt. - Aufgrund von Erfahrungen mit falschen Ankündigungen sind Menschen skeptisch gegenüber der Zentralbank und rechnen mit hohen Inflationsraten. - Dies wird vermieden, wenn der Zentralbank verboten wird, überraschend niedrige Realzinsen zu setzen. 362 3. Sollte die Staatsverschuldung reduziert werden? • Pro: - Die Staatsverschuldung muss von der zukünftigen Generation zurückgezahlt werden, welche deshalb unberechtigt unter hohen Steuern und geringem Einkommen leidet. - Ein Staatsdefizit verringert die gesamtwirtschaftliche Ersparnis. Hierdurch verringert sich der Kapitalstock und das Wachstum. 364 • Contra: - Staatsausgaben werden teilweise auch für Investitionen in physisches Kapital und Humankapital getätigt, wovon auch zukünftige Generationen profitieren. - Produktivitätsfortschritte (und in manchen Ländern auch ein Anstieg der Bevölkerung) steigern die Fähigkeit der zukünftigen Generation, den Schuldendienst zu leisten. - Ein Anstieg der Verschuldung im Ausmaß des Wachstums des nominalen Inlandsprodukts ist unproblematisch. 365 4. Welches sind die wichtigsten Konjunkturindikatoren für Deutschland? Der ifo-Geschäftsklimaindex (ifo-GK) beruht auf einer Befragung des ifo-Instituts (München) von über 7000 Unternehmen in Deutschland, gemäß ihrer Einschätzung der Geschäftslage sowie nach ihrer Erwartung für die nächsten 6 Monate (ifo-GE) . Die Antworten werden nach Bedeutung der Branchen gewichtet und aggregiert. Das Geschäftsklima wird aus den Antworten zur aktuellen Geschäftslage und den Geschäftserwartungen als geometrisches Mittel berechnet. 367 CHILD'S PAY by Charlie Fisher of Denver, CO „Bush in 30 seconds“, Overall Best Ad and People's Choice Winner: 366 Die ZEW-Konjunkturerwartungen basieren auf einer Befragung von 400 Finanzmarktexperten (270 Fachleute von Banken und 50 von Versicherungen, 40 Analysten von Kapitalanlagegesellschaften und 40 Vertreter von Industrieunternehmen) des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Die Teilnehmer werden nach der Einschätzung der derzeitigen konjunkturellen Lage als auch nach der erwarteten gesamtwirtschaftlichen Entwicklung befragt. Aus den Salden der positiven und negativen Einschätzungen wird eine durchschnittliche Einschätzung der Teilnehmer bestimmt. 368 Der Earlybird-Indikator (EBIRD) wird seit 2001 in der Wirtschaftswoche publiziert und seit 1991 von der Commerzbank erstellt. In diesen Index gehen die folgenden (standardisierten) Einzelreihen ein: 1. Der kurzfristige Realzins, d.h. 3-Monats-Euribor bereinigt um den Preisanstieg der Lebenshaltungskosten ohne Energie (40%), negative Wirkung. 2. Jahresdifferenz des realen Außenwerts der DM, ab 1999 des €, berechnet von der Deutschen Bundesbank. (35%), negative Wirkung. 3. Der Einkaufsmanagerindex (NAPM) für das Verarbeitende Gewerbe in den USA. (25%), positive Wirkung. Der Konjunkturindikator der FAZ wird vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel monatlich ermittelt und seit 1989 in der FAZ veröffentlicht. Folgende (standardisierten) Einzelreihen gehen hier ein: 1. Auftragseingänge des Verarbeitenden Gewerbes (18%) 2. FAZ-Aktienindex (5%) 3. FAZ-Stellenangebote (5%) 4. ifo-Geschäftsklimaindex für das Verarbeitende Gewerbe (32%) 5. Realer Außenwert der DM (13%) 6. Differenz zwischen der Umlaufrendite festverzinslicher Wertpapiere und dem Zinssatz für Dreimonatsgeld. (27% 369 In den Handelsblatt-Frühindikator (HB) gehen ein: 1. Auftragseingänge im verarbeitenden Gewerbe (20%) 2. Auftragseingänge im Bauhauptgewerbe (10%) 3. Einzelhandelsumsätze, real (30%) 4. ifo-Geschäftsklimaindex für das verarbeitende Gewerbe (30%) 5. Zinsstruktur, d.h. Renditedifferenz zwischen langfristigen und kurzfristigen Zinsen, (10%) 370 Bei einem statistischen Vergleich der konjunkturellen Wendepunkte der Konjunkturindikatoren zeigt sich gemäß Breitung und Jagodzinski (2002): http://ideas.repec.org/p/wop/humbsf/2002-36.html Vorlauf (Monate) 5 EBIRD 371 4 3 2 Ifo-GE ZEW Nachlauf 1 FAZ 0 1 2 Ifo-GK 3 4 HB 372