Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau Pflichtlektüre: WS 2007/08 Lambsdorff, J. Graf und C. Engelen (2007), Das Keynesianische Konsensmodell, WiST, Wirtschaftswissenschaftliches Studium, August, S. 387394. y, s .y y* VIII. Das makroökonomischef(k) Konsensmodell c* (n+δ)k s.f(k) Romer, D. (2006), Short-Run Fluctuations. Manuskript, University of California, Berkeley, S. 44-70: http://elsa.berkeley.edu/~dromer/ Taylor, J. B. (2007), Economics, 5. Aufl. S. 634-655; 656674. s.y* k* k 240 241 Weiterführende Lektüre: Blanchard, O. (2006), Macroeconomics. 4. Aufl. S. 1215. Burda, M. und C. Wyplosz (2005), Macroeconomics – A European Text. 4. Aufl. S. 281-302. Mankiw, N. G. (2003), Macroeconomics. 5. Aufl. S. 358371. 242 • Bisher haben wir ein konstantes Inflationsniveau unterstellt. • Tatsächlich aber schwankt die Inflationsrate und reagiert auf geld- und fiskalpolitische Aktionen. • Wir müssen daher die Bestimmungsfaktoren der Inflationsrate herausarbeiten und die Rückwirkung auf Realzins und Inlandsprodukt modellieren. • Das gesamtwirtschaftliche Angebot wird langfristig von den Einsatzfaktoren und dem technischen Fortschritt bestimmt. 243 • • • • • Dieses langfristige Niveau wird auch als „potentielles Inlandsprodukt“ bezeichnet oder als „Vollbeschäftigungsproduktion“. Wir hatten das entsprechende Niveau im Rahmen eines Wachstumsmodells bestimmt. Hat die Inflationsrate hierauf einen Einfluss? Zum einen existieren Kosten der Inflation (Schuhlederkosten, Menukosten …), welche einen negativen Einfluss nahelegen. Zum anderen wird darauf verwiesen, dass diese Kosten bei mäßiger Inflation gering sind und zu starre Preise auch die Anpassungsfähigkeit einer Volkswirtschaft behindern. 244 • Im Falle eines Zustroms von Arbeitskräften, Kapital oder natürlichen Ressourcen sowie bei technischem Fortschritt erhöht sich das „potentielle Inlandsprodukt“ und die Angebotskurve verschiebt sich nach rechts. • Kurz- und mittelfristig ist es jedoch möglich, dass das gesamtwirtschaftliche Angebot von diesem langfristigen Niveau abweicht. • Dies ist auf folgende Ursachen zurückzuführen: 246 • • • Für das letztere Argument spricht auch, dass es in Betrieben oftmals schwer ist, die Löhne zu senken, auch wenn die wirtschaftliche Lage dies erfordert. Bei mäßiger Inflation könnte demgemäß bei konstantem nominalen Lohn stetig (und ohne drohenden Streik) das passende reale Lohnniveau erreicht werden. In Abwägung der konträren Argumente erscheint die Annahme vertretbar, dass insgesamt die Inflationsrate keinen Einfluss auf das langfristige Inlandsprodukt besitzt. π Y Y 245 Geldillusion. Anbieter von Gütern und Diensten täuschen sich bezüglich der Wirkung einer sinkenden Inflationsrate. Sie beobachten zunächst niedrigere Preissteigerungen ihres Gutes und interpretieren dies fehlerhaft als eine Veränderung des eigenen Preises relativ zu den Preisen der anderen Güter der Volkswirtschaft. Als Folge vermindern sie ihr Angebot. • Ähnlich würden Arbeitsanbieter von sinkenden Lohnzuwächsen auf einen sinkenden Reallohn schließen und ihr Arbeitsangebot einschränken. Die allgemein sinkende Inflationsrate, und damit die Konstanz des realen Lohnes, wird verspätet oder zu 247 gering wahrgenommen. Lohnrigiditäten. Löhne passen sich kurzfristig unzureichend an. Arbeitsverträge werden langfristig geschlossen, und während dieser Zeit ist der Lohnsatz fixiert. • Ist die Inflation geringer als das erwartete Niveau der Inflationsrate, so erhöhen sich die realen Kosten einer Firma und der Gewinn sinkt. • Die Firma wird zur Kostenbegrenzung die Produktion einschränken und auf die neue Einstellung von Mitarbeitern verzichten. Insgesamt verringert sich daher das Angebot an Gütern und Diensten. 248 • Die Ausführungen implizieren, dass eine Inflationsrate, die unterhalb der erwarteten Inflationsrate liegt, zu einer Drosselung der Produktion führt. • Umgekehrt induziert eine Inflationsrate oberhalb des erwarteten Niveaus eine Produktionsausweitung. • Wir unterstellen, dass dieser Effekt sehr stark ist, so dass kurzfristig eine geringe Abweichung von der Inflationsrate zu einer starken Variation des Inlandsprodukts führt. • Dies führt zu einer π kurzfristigen, horizontalen Inflationsanpassungs-Kurve (IA) π0 im π/Y-Diagramm. IA Y 250 Preisrigiditäten. • Preise passen sich kurzfristig unzureichend an. Auf Grund von „Menukosten“ sind Preisanpassungen kostspielig und werden daher möglichst selten durchgeführt. • Ist die Inflationsrate geringer als dies beim Festsetzen der Preise erwartet wurde, so erhöht sich der Preis des eigenen Gutes relativ zum Preis anderer Güter der Volkswirtschaft. • Dies reduziert den Absatz und Umsatz der Firma. Hierauf reagierend wird die Produktion gedrosselt. 249 • Inflation wird hierbei aus der Vergangenheit „ererbt“. • Eine hohe Inflationsrate in der Vergangenheit bewirkt, dass auch in der Zukunft mit einer hohen Inflationsrate gerechnet wird. • Es können aber auch unabhängig von der Inflationsrate der Vergangenheit erhöhte Inflationserwartungen auftreten. Veränderungen der erwarteten Inflation. Eine autonome Erhöhung der Inflationserwartung verschiebt die IA-Kurve nach oben. • So würde z.B. ein Anstieg der Ölpreise zur Erwartung einer erhöhten zukünftigen Inflation führen. 251 • Wie wirken nun die kurzfristige Inflationsanpassungsgerade und die langfristige Angebotskurve zusammen? • Die Inflationsrate erhöht sich, wenn das Inlandsprodukt größer ist als sein potentielles Niveau. • In diesem Fall bewirkt nämlich eine Überauslastung der Kapazitäten einen schnelleren Anstieg der Preise. • Maschinen verschleißen schneller, die Motivation und Konzentration der Mitarbeiter sinkt. Dies müssen die Firmen durch einen beschleunigten Anstieg der Preis ausgleichen. 252 • Formal gilt für die Inflationsrate: π = π e + δ (Y−1 − Y ) ; mit π e = π −1 • Entspricht das Inlandsprodukt seinem potentiellen Niveau, Y−1 = Y , so folgt : π = π e = π −1 • Liegt also bei der Produktion eine dauerhafte Ruhelage vor mit Y = Y , dann ändert sich die Inflationsrate nicht. • Weicht jedoch die Höhe des Inlandsprodukts von seiner potentiellen Höhe ab, so hat dies eine Veränderung der zukünftigen Inflationsrate zur Folge. 254 • Für abgeleistete Überstunden muss ein Zuschlag bezahlt werden, der den Lohnsatz erhöht. • Zudem steigen die Löhne schneller, weil aufgrund der geringen Arbeitslosigkeit sich leichter Lohnsteigerungen durchsetzen lassen. • Ist das Inlandsprodukt dagegen kleiner als sein potentielles Niveau, so resultiert Arbeitslosigkeit. • Bei hoher Arbeitslosigkeit können Unternehmen die Löhne drücken. • Nur die hoch-motivierten und qualifizierten Arbeitskräfte verbleiben in den Betrieben und erlauben es den Firmen, die Preissteigerungen moderater ausfallen zu lassen. 253 • Mittelfristig dürfte die Angebotskurve weder horizontal noch vertikal verlaufen, sondern eine positive Steigung aufweisen. • Eine solche Angebotskurve wird auch als PhillipsKurve bezeichnet. • Hiermit wird verdeutlicht, dass mittelfristig ein erhöhtes Inlandsprodukt und eine Absenkung der Unterbeschäftigung nur mit einer Inflation „erkauft“ werden kann. • Wir verzichten in der Graphik auf die Darstellung dieses mittelfristigen Zusammenhangs. 255 Steigung der AD-Kurve • Die Nachfragekurve (aggregate demand) im π/YDiagramm ist durch eine negative Steigung gekennzeichnet. MP1 r • Sie ergibt sich aus dem Zusammenspiel von IS-Kurve und MP-Kurve. πÇ IS MP0 r0 • Ein Anstieg der Inflationsrate verschiebt die MP-Kurve nach oben. P0 • Aufgrund des steigenden Realzinses verringert sich daher das Inlandsprodukt. • Die AD-Kurve stellt die Schar der Inflationsraten und des jeweils korrespondierenden Inlandsprodukts dar. Y Y0 π AD π1 π0 P0 Y Y 256 • Die negativ geneigte Nachfragekurve ähnelt einer aus der Mikroökonomie bekannten Nachfragekurve. • Erhöht sich der Preis für Bier, so sinkt die Nachfrage. • Dieser mikroökonomische Effekt ist aber auf Substitutionsbeziehungen zurückzuführen: Der relative Preis für Bier steigt an; statt Bier werden andere Güter nachgefragt. • Diese Substitution ist aber gesamtwirtschaftlich nicht möglich. • Die negative Neigung ist daher anders zu begründen: Die Zentralbank möchte einen Anstieg der Inflation vermeiden. Daher erhöht sie den Realzins und bewirkt einen Rückgang der gesamtwirtschaftlichen 258 Nachfrage. 257 Das Grundmodell r IS MP r0 P0 Y0 π Y AD π0 P0 Y IA Y 259 Erhöhung der Staatsausgaben IS1 r r1 IS0 b0Ç MP πÇ P1 r0 MP P0 π AD1 • Die Erhöhung der Staatsausgaben auf ein dauerhaft höheres Niveau verschiebt die IS-Kurve nach rechts. Aufgrund des Anstiegs des Inlandsprodukts wird die Zentralbank gemäß ihrer Reaktionsfunktion den Realzins erhöhen. Es ergibt sich ein Zwischenpunkt in PA. • Die Inflationsrate ist kurzfristig konstant. Daher liegt die Zwischenlösung im π/Y-Diagramm auch im Punkt PA. PA Y Y0 =Y1 • Aufgrund einer Überschussnachfrage erhöht sich nun die Inflation. Hierdurch wird die Zentralbank veranlasst, den Realzins zu erhöhen. Die MP-Kurve verschiebt sich nach oben. AD0 π1 P1 PA π0 IA P0 Y Y 260 Straffere geldpolitische Regel π↓ IS0 MP • Die Inflationsrate ist kurzfristig konstant. Daher liegt die Zwischenlösung im π/Y-Diagramm auch im Punkt P A. PA r0 π P0=P1 AD0 AD1 π0 Y0 =Y1 P0 π1 Y • Aufgrund eines Überschussangebots verringert sich die Inflation. Hierdurch wird die Zentralbank veranlasst, den Realzins wieder zu senken. Die MP-Kurve verschiebt sich nach unten. IA PA P1 Y 261 • Eine straffere geldpolitische Regel verschiebt die MPKurve nach oben. Aufgrund des steigenden Realzinses sinkt das Inlandsprodukt. Es ergibt sich ein Zwischenpunkt in PA. MP1 r • Die Anpassung verläuft so lange, bis wieder ein Gleichgewicht im Punkt P1 erreicht ist, mit einem Inlandsprodukt i.H. des potentiellen Niveaus. Y 262 263 Deflation und Liquiditätsfalle • Die Anpassung verläuft so lange, bis wieder ein Gleichgewicht im Punkt P1 erreicht ist, mit einem Inlandsprodukt i.H. des potentiellen Niveaus. • Wir sehen also, dass die Zentralbank bei Straffung der geldpolitischen Regel die Inflationsrate reduzieren kann. • Hierbei muss sie aber eine temporäre Reduktion der Produktion und des Einkommens in Kauf nehmen. r IS0 MP r0=1 P0 r0=0 • Dem langfristigen Vorteil einer reduzierten Inflation stehen daher temporäre Einbußen gegenüber. • Da zukünftige Vorteile im Kalkül der Wirtschaftssubjekte abdiskontiert werden müssen, ist nicht sichergestellt, dass eine straffere Geldpolitik insgesamt vorteilhaft ist. 264 • Die Zentralbank kann keine negativen Nominalzinsen erzielen, denn die Geschäftsbanken würden lieber horten (z.B. Bargeld in den Tresoren halten), als Kredite mit negativem Ertrag auszugeben und die Nichtbanken würden Sichteinlagen halten und unbegrenzt Kredite bei den Geschäftsbanken aufnehmen. • Daher kann eine Senkung der Realzinsen bei Preisniveaustabilität (π=0) nicht herbeigeführt werden. Unterhalb von r=0 gilt die MP-Kurve nicht mehr. • In dieser Situation kann die Zentralbank die Inflationsrate nicht mehr steigern, da sie nicht kurzfristig die gesamtwirtschaftliche Nachfrage erhöhen kann. 266 π π0=0 Y Y0 AD0 P0 π0=-1 IA Y Y 265 • Sinkt die Inflationsrate nun (Deflation), so möchte die Zentralbank wie bisher mit einer Senkung der Realzinsen reagieren. • Da die Nominalzinsen aber bereits Null betragen, gelingt ihr dies nicht. • Entgegen dem Wunsch der Zentralbank führt die Deflation zu einem Anstieg der Realzinsen. Hierdurch sinkt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage weiter ab. • Insgesamt ergibt sich bei einer Kombination aus Deflation und Liquiditätsfalle ein positiver Verlauf der gesamtwirtschaftlichen Nachfragekurve. 267