LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN 5. Wahlperiode Drucksache 5/4515 26.08.2011 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Wolfgang Waldmüller, Fraktion der CDU Bewertung der Kriterien in Vergabeverfahren und ANTWORT der Landesregierung 1. Wie soll die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots nach § 7 Absatz 2 Vergabegesetz, insbesondere die Bewertung der Leistung nach § 7 Absatz 3 und der Kosten nach § 7 Absatz 4, im Einzelnen vorgenommen werden? 2. Gibt es für die Ermittlung eines entsprechenden Angebots eine schematische Darstellung (Matrix) der einzelnen Kriterien und der Abwägung dieser im Auswahlprozess? Die Fragen 1 und 2 werden zusammenhängend beantwortet. Die vergaberechtlichen Vorschriften, die auch schon vor Erlass des Vergabegesetzes galten, geben zur Durchführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung nur spärliche Auskunft. So bestimmt etwa § 16 Absatz 6 Nummer 3 Satz 2 VOB/A, dass „der Zuschlag auf das Angebot erteilt werden [soll], das unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte wie z. B. Qualität, Preis, technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften, Betriebs- und Folgekosten, Rentabilität, Kundendienst und technische Hilfe oder Ausführungsfrist als das wirtschaftlichste erscheint.“ Mit den Bestimmungen in § 7 Absatz 1 bis 4 des Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge in Mecklenburg-Vorpommern (VgG M-V) ist eine Regelung getroffen, die die in § 16 Absatz 6 Nummer 3 Satz 2 VOB/A so genannten „Gesichtspunkte“ den beiden Komponenten des Wirtschaftlichkeitsbegriffes - Leistung und Kosten, § 7 Absatz 2 VgG M-V - systematisch zuordnet. Der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 24. August 2011 beantwortet. Drucksache 5/4515 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 5. Wahlperiode Bei der Wahl der leistungsbezogenen Zuschlagskriterien im Sinne des § 7 Absatz 3 VgG M-V und deren Gewichtung ist der öffentliche Auftraggeber grundsätzlich frei. Hier kann er bestimmen, was er für zweckmäßig hält; die Bestimmungen des Haushaltsrechtes sind dabei allerdings zu beachten, namentlich der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Streng ist darauf zu achten, dass die Zuschlagskriterien sich tatsächlich auf die zu erbringende Leistung und nicht auf den Bieter selbst beziehen; ansonsten würde es sich um Gesichtspunkte der Eignung handeln, die von den Zuschlagskriterien stets zu trennen sind. § 7 Absatz 4 VgG M-V stellt noch einmal klar, dass der niedrigste Angebotspreis allein nicht entscheidend ist (vgl. etwa § 16 Absatz 6 Nummer 3 Satz 3 VOB/A). Bei der Feststellung der zu erwartenden Kosten ist der Angebotspreis eine mit dem Angebot gegebene Größe, für die übrigen Kosten - sofern sie nicht bereits Bestandteil des Angebotspreises etwa im Zusammenhang mit einem Wartungsvertrag sind – muss der öffentliche Auftraggeber eigene Überlegungen anstellen. Das praktische Problem bei der Bestimmung des wirtschaftlichsten Angebotes besteht darin, die der Leistung zuzuordnenden Zuschlagskriterien in eine eindeutige und nachvollziehbare Beziehung zu den zu erwartenden Kosten zu bringen. Das gilt insbesondere dann, wenn mehrere Zuschlagskriterien vorgesehen sind und es sich bei diesen nicht um rein quantitative, sondern um qualitative handelt („Qualität“, „technischer Wert“, „Ästhetik“, „Zweckmäßigkeit“; „technischer Wert“ ist übrigens eigentlich ein Aspekt der „Qualität“, der Sprachgebrauch der Vergabeordnungen ist nicht immer trennscharf). Mit der Bestimmung in § 7 Absatz 2 VgG M-V ist allerdings bereits angedeutet, dass Wirtschaftlichkeit als Bruch zu verstehen ist, in dem die Leistung auf dem Bruchstrich und die Kosten unter dem Bruchstrich stehen: W L K Dieses Verständnis ermöglicht eine „Mathematisierung“ der Wirtschaftlichkeits-prüfung: Die Leistung L wird durch die Zuschlagskriterien (Eigenschaften) E und deren Gewichtungen g ausgedrückt. In welchem Maß das Angebot den Zuschlagskriterien entspricht, wird durch Kennzahlen eines Bewertungssystems wie etwa dem folgenden ausgedrückt: 0: das Angebot wird den Erwartungen nicht gerecht, 1: das Angebot erfüllt die Mindesterwartungen, 2: das Angebot erfüllt die Erwartungen voll, ist aber nicht hervorragend, 3: das Angebot erfüllt die Erwartungen in hervorragender Weise. Wie in dem Beispiel ist stets darauf zu achten, dass jeder Kennzahl - wie bei Schulnoten eine eindeutige wertende Aussage zugeordnet ist. Ansonsten wäre die Wertung rechtlich angreifbar. Das Produkt aus der Kennzahl und der dem Zuschlagskriterium zugeordneten Gewichtung bezeichnet das Maß, in dem das Angebot den Vorstellungen des öffentlichen Auftraggebers hinsichtlich dieses Zuschlagskriteriums in Relation zu den anderen Zuschlagskriterien entspricht. Die Summe aller Produkte bezeichnet das Maß, in dem das Angebot insgesamt den Anforderungen der Ausschreibung gerecht wird. 2 Drucksache 5/4515 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 5. Wahlperiode Die Kosten K sind die Summe von Preis P und allen sonstigen Kosten sK. Dividiert man die Werte für L und K, so erhält man eine Messzahl, aus der sich unmittelbar die Wirtschaftlichkeit des Angebotes ablesen lässt. Die Wirtschaftlichkeiten W der einzelnen Bieter werden miteinander verglichen. Der Bieter, dessen W den höchsten Wert erreicht, erhält den Zuschlag. Beispiel: Eine Vergabestelle hat eine Leistung ausgeschrieben, bei der die Bieter in quantitativer Hinsicht keine Spielräume haben, so dass die angebotenen Mengen bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit außer Betracht bleiben können. (Missachtet ein Bieter zwingende Mengenvorgaben, so liegt darin eine Änderung der Vergabeunterlagen, die bereits für sich genommen zum Ausschluss des Angebotes führt.) Es wird das bereits beschriebene Bewertungssystem angewandt. Danach ergeben sich für die Bieter in einer Entscheidungstabelle die folgenden Werte: g (in %) E1 E2 E3 E4 E5 LBieterm = Summe aller Produkte gn*En einer Spalte 30 15 15 20 20 Bieter1 Produkt Punktwert für gn* En En 0 0 3 45 3 45 1 20 2 40 150 Bieter2 PunktProdukt wert für gn* En En 3 90 3 45 3 45 1 20 2 40 240 Bieter3 PunktProdukt wert für gn* En En 2 60 2 30 1 15 3 60 2 40 205 Die beste Leistung hat Bieter2 mit LBieter2 = 240 angeboten. Zu den Kosten (in Euro) ergibt sich beispielsweise Folgendes: P sK1 sK2 sK3 KBieterm Bieter1 325.789 145 48 5.899 331.881 Bieter2 345.598 258 65 2569 348.490 Bieter3 456.987 965 62 5.489 463.503 Bei Division von L durch K ergeben sich folgende Wirtschaftlichkeiten: Bieter2 Bieter1 WBieterm 4,52 Bieter3 6,89 4,42 (Die nach der Formel W L errechneten Werte sind der Anschaulichkeit wegen mit 10.000 multipliziert K und auf zwei Stellen nach dem Komma gerundet.) Demnach ist Bieter2 der Zuschlag zu erteilen. Dies gilt, obwohl das Angebot von Bieter2 teurer ist als das von Bieter1. Die höheren Kosten werden nämlich durch die höhere Qualität, die sich in dem Wert für LBieter2 ausdrückt, mehr als wettgemacht. Das ist die praktische Bedeutung der Maßgabe, dass der niedrigste Angebotspreis allein nicht entscheidend ist. 3 Drucksache 5/4515 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 5. Wahlperiode Mindestanforderungen an die Leistung können formuliert werden, indem ein Mindestwert für L oder für ein oder mehrere E festgelegt wird. Wird der Mindestwert oder einer der Mindestwerte nicht erreicht, wird das Angebot ausgeschieden. Das Verfahren hat nicht nur den Vorteil, dass es den Prozess der Wertung formalisiert und damit beschleunigt; es zwingt die Vergabestelle auch, sich von vornherein darüber klar zu werden, nach welchen Maßstäben der Auftrag vergeben werden soll. Das ist wichtig, weil die Wertungskriterien und ihre Gewichtungen vorab bekannt zu geben sind und eine Wertung nach anderen Maßstäben dann nicht mehr zulässig ist (vgl. § 7 Absatz 6 VgG M-V). 4