ZETT-VERLAG Dieter Hassler BRENNPUNKT INFEKTIOLOGIE Alte und «neue» Infektionskrankheiten Mit Beiträgen von Rüdiger Braun, Michael Hassler, Peter Kimmig und Matthias Maiwald Der Verfasser: Priv.-Doz. Dr. med. Dieter Hassler Untere Hofstatt 3 D-76703 Kraichtal-Münzesheim Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Brennpunkt Infektiologie : alte und ”neue” Infektionskrankheiten / Dieter Hassler. Mit Beitr. von Matthias Maiwald… - Steinen : ZETT-Verl., 2000 ISBN 3-926770-14-7 Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, daß trotz größter Sorgfalt bei der Abfassung und Korrektur, gerade bei Angaben über Dosis und Applikation, bei einer derartigen Zusammenstellung Fehler auftreten können. Jeder Leser wird daher aufgefordert, die den verwendeten Präparaten beigefügten Beipackzettel, insbesondere hinsichtlich der Dosierungsangaben und der hier aufgeführten Kontraindikationen, in eigener Verantwortung zu überprüfen. ISBN 3-926770-14-7 © 2000 by ZETT-Verlag, Steinen Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Kein Teil des Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages fotokopiert oder in irgendeiner anderen Form reproduziert oder in eine von Maschinen verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt oder zu kommerziellen Zwecken auf elektronische Datenträger abgespeichert werden. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen und Warenbezeichnungen etc. in diesem Werk – auch wenn diese nicht gesondert gekennzeichnet sind – berechtigt nicht zu der Annahme, solche Namen seien im Sinne der Warenzeichenund Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten und könnten daher von jedermann benutzt werden. ZETT-VERLAG ZETT-VERLAG INHALTSVERZEICHNIS Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11 1 2 3 4 5 6 Vom Miasma zur Gentechnik: Die Infektiologie im Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . .13 «Leere» Lebensräume sind gar nicht leer: Das neue Verständnis der mikrobiellen Ökologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .16 Lebensraum Magen-Darmtrakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .21 1 Mutterliebe und ihre Folgen: Karies und Streptococcus mutans . . . . . . . . . . . . .21 2 Ein Ulkus kommt selten vom Streß: Helicobacter pylori . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24 3 Die unfreiwillige Abmagerungskur: Morbus Whipple . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .35 4 Macht’s die Milch? Morbus Crohn: Eine Mykobakteriose? . . . . . . . . . . . . . . . .47 5 Eine echte Schweinerei: Intestinale Spirochätose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .55 Lebensraum Lunge: Die «neuen» bronchopulmonalen Infektionen . . . . . . . . . . .59 1 Das Ergebnis einer «dummen» Verwechslung: Die «Legionärskrankheit» . . .59 2 War der Mörder doch nicht das Cholesterin? Chlamydia pneumoniae . . . . . . . .68 3 Von harmlosen Schafen und gar nicht harmlosen Komplikationen: Das Q-Fieber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .84 Die neuen Herpesviren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .91 1 Dreitage-Fieber mit Langzeitfolgen? HHV 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .94 2 Pityriasis rosea: HHV 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .98 3 Das Kaposi-Sarkom: HHV 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .101 Von kranken Pferden und depressiven Menschen: Bornaviren . . . . . . . . . . . . . .106 7 INHALTSVERZEICHNIS 7 8 9 10 8 Mäuseurin und Wüstenstaub – eine tödliche Mischung: Hantaviren . . . . . . . .113 Die Folgen moderner Landwirtschaft: Arenaviren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .125 Australische Pferde und malaiische Schweine: Die neuen Paramyxoviren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .130 Mit besten Grüßen von Mücken, Zecken und Flöhen: Vektor-übertragene Krankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .135 1 Dengue ante portas: Die Geißel der Tropen bedroht (nicht nur) Amerika . . .138 2 Ein Mückenstich mit Langzeitwirkung: Die Japan-Encephalitis . . . . . . . . . . .140 3 Arthritis nach Mückenstich: Alphaviren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .150 4 Auch in unserem Hinterhof: Die California-Encephalitis und ihre Verwandten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .156 5 Schuld war doch nicht der Chianti–oder: Die Toskana-Fraktion lebt gefährlich: Das Pappataci-Fieber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .161 6 Von Wühlmäusen, Schützengräben und Katzenkratzern: Bartonellosen . .166 7 Am Anfang stand ein harmloser Waldspaziergang: FSME und ihre Verwandten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .182 8 Von Herzwasser und Pferdefieber: Ehrlichiose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .189 9 Von Napoleons Feldzügen zum Rocky-Mountain-Spotted-Fever: Rickettsien allüberall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .202 10 Von Zeitungsenten und Wüstenratten: Die Pest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .216 11 Vom Kuriosum zur Seuche: Borreliose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .227 12 Wer dem Hasen das Fell über die Ohren zieht… Francisella tularensis . . . . . .244 INHALTSVERZEICHNIS 11 12 13 14 15 16 Auch Protozoen mischen mit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .252 1 Die kleinen Schwestern der Malaria: Babesien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .252 2 Je klarer der Bach, desto höher das Risiko: Giardia lamblia . . . . . . . . . . . . . . .261 3 Wer denkt schon an Himbeeren aus Guatemala? Cyclospora cayetanensis . .266 4 Zentrales Problem für die Wasserversorgung in Amerika: Die Cryptosporidiose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .269 5 «The Cell from Hell» – oder: Dinoflagellaten spielen Krieg: Pfiesteria piscicida . . . . . . . . . . . . . . . . . . .273 Von Füchsen und Beeren Kleiner Wurm – große Gefahr: Echinococcus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .288 Thermus aquaticus: Lieferant für neue Diagnostika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .302 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .308 Anhang 1 Literatursuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .312 2 Die Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .314 3 Schlüsselliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .315 4 Danksagungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .316 5 Bild- und Quellennachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .317 Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .319 9 10 VORWORT VORWORT S chon wieder ein Buch über Infektionskrankheiten. Gibt es da nicht schon genügend? Wir glauben nicht. Kaum ein Feld der Medizin entwickelt sich derzeit derart dynamisch, auf kaum einem Gebiet müssen die Lehrbücher so schnell umgeschrieben werden. Nun, ein Lehrbuch kann und will dieses Buch auch gar nicht sein. Es soll vielmehr den Blick schärfen für spannende neue Entwicklungen und neue Sichtweisen in der Betrachtung der Infektionskrankheiten. Hier zeigt sich ein historischer Mangel der deutschen Ausbildung von Ärzten: Alle Länder um uns herum, Amerika sowieso, kennen den «Infektiologen». Bei uns existiert dieses Berufsbild als Zweig der Inneren Medizin praktisch nicht. Auch die enge Verzahnung von Mikrobiologie, Insektenkunde, Umweltforschung und Klinik ist hierzulande bei weitem noch nicht im erforderlichen Maße entwickelt. So fehlen dem klinisch arbeitenden Arzt, ob in der Praxis oder in der Klinik, oft entscheidende Hinweise, die ihm helfen könnten, Infektionskrankheiten zu erkennen oder gar seuchenhygienische Schlüsse zu ziehen. Dieses Buch ist zum Teil angeregt worden durch amerikanische Publikationen der letzten Jahre. Die American Society of Microbiology hat 1997 ein erstes Paperback mit dem Titel «Emerging Infectious Diseases» herausgegeben, das in phantastischer Weise aktuelle Entwicklungen aufzeigt. Weitere Bände sollten folgen. Seit vier Jahren gibt es eine Zeitschrift der CDC in Atlanta mit demselben Titel. Auch hier werden regelmäßig brandaktuelle Themen abgehandelt. Bei uns haben wir nichts vergleichbares; die Leserschaft dieser Publikationen in Europa ist sicher begrenzt. Andere hochaktuelle Berichte findet man nur in Zeitschriften, die nur wenigen Spezialisten zugänglich sind (wer liest schon Berichte über kranke Koyoten in Alaska…?) So haben wir uns an den Versuch gemacht, ein auch für Nichtspezialisten lesbares Buch zu konzipieren, das trotz aller Lesbarkeit präzise Informationen liefern soll. Beschränkungen waren unvermeidlich. Viele weitere Themen wären sicherlich auch berichtenswert, hätten aber den Platz gesprengt. Vielleicht folgt ja irgendwann ein Band 2…! Manch eine der hier wiedergegebenen Geschichten erscheint atemberaubend. Konservative Wissenschaftler (dies ist nicht abwertend gedacht!) mögen einwenden, daß manche der in diesem Buch vertretenen Hypothesen allzu weit greifen 11 VORWORT und manches noch nicht «endgültig» gesichert ist. Dies soll nach Meinung der Autoren so sein. Es geht uns nicht um ein Lehrbuch, das nur zwanzigmal geprüfte und «gesicherte Lehrmeinungen» enthält, die ja ohnehin oft ein überaus kurzes Verfallsdatum aufweisen. Nein, es soll die ganz aktuellen Diskussionen und Brennpunkte aufzeigen. Dennoch haben wir versucht, alle unsere Darstellungen an Hand von aktueller Literatur (Stand September 1999) zu untermauern, auch den Gegenargumenten adäquaten Raum zu geben und dies für den Leser nachvollziehbar zu gestalten. Die Literatur wird dem einen zuviel Raum einnehmen, dem anderen werden Schlüsselarbeiten fehlen. Dies ist der Kompromiß, der zu einem solchen Buch gehört. Immer sind aber die Arbeiten zu finden, die dem wirklich Interessierten weiterhelfen und ihrerseits oft umfangreiche Literaturangaben enthalten. Vorbildlich sind hier die Publikationen der CDC, die auch online jederzeit abrufbar sind. Ein Hinweis erscheint uns noch essentiell: Panikmache ist nicht unser Anliegen. Wir wollen hier weder den Weltuntergang prophezeien noch irgendwelche Menetekel an die Wand malen. Es geht uns vielmehr um das Verständnis, unter welchen Bedingungen Mikroben gefährlich werden können, um Aufklärung der Ausbreitungswege und der Möglichkeiten von Diagnostik und Therapie. Es hilft ja nichts, bei der Planung der Hochzeitsreise nach Bali oder dem Lastminute-Urlaub nach Mittelamerika den Kopf in den Sand zu stecken und an die Allmacht moderner Medizin zu glauben. Richtige Planung bedeutet auch geeignete Gesundheitsvorsorge und das Wissen, was man überhaupt zu erwarten hat. Wir alle reisen übrigens ausgesprochen gerne. 12 VOM MIASMA ZUR GENTECHNIK 1 VOM MIASMA ZUR GENTECHNIK: DIE INFEKTIOLOGIE IM WANDEL Dieter Hassler I m heißen Juli des Jahres 1755 schrieb der Festungskommandant der Reichsfeste Philippsburg am Rhein mehrere Briefe an die benachbarten Regierungen, in denen er sich bitter über die Wassernot in seinem Städtchen beklagte, die durch ungehemmte Wasserentnahmen der benachbarten Orte aus dem gemeinsam genutzten Bach zustande kam. Der Wassermangel sei so schlimm, daß die üblen Gerüche aus dem Festungsgraben dazu geführt hätten, „daß sogar die Schildwach auf ihrem Posten darniedergesunken und erkrankt“. Heute würden wir annehmen, daß der arme Wachsoldat an Salmonellen oder ähnlichen Erregern litt, mußte er doch wie seine Zeitgenossen oft mit Wasser vorlieb nehmen, das kräftig mit Fäkalien verunreinigt war. Die damals geltende Lehrmeinung ging aber davon aus, daß schlechte Lüfte, ein «Miasma», Ursache von Krankheiten seien. Wir erinnern uns: Auch die Pestärzte des Mittelalters hatten Gesichtsmasken getragen, die mit aromatischen Kräutern gefüllt waren, um so diesem Miasma zu entgehen. Abbildung 1: Die Pestärzte des Mittelalters trugen Gesichtsmasken, deren lange Nase mit aromatischen Kräutern gefüllt war. Mikroben waren in dieser Zeit noch etwas völlig Unbekanntes. Dennoch hatten die Menschen des Mittelalters bereits antimikrobielle Rituale entwickelt, die aus heutiger Sicht sicher wirksam waren. Man legte Fleisch in Auszüge aromatischer Kräuter, weil man die Erfahrung gemacht hatte, daß es so haltbarer blieb. Heute kennen wir die antibakterielle Wirkung von ätherischen Ölen, von Knoblauch und Zwiebel. Unsere Vorfahren hatten lediglich die Erfahrung gemacht, daß bestimmte Kräuter das Wildpret in einem genießbaren Zustand hielten, indem sie der Verwesung vorbeugten. 13 ERFINDUNG DES PENICILLINS Erst die Nutzung des Mikroskops in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts brachte die revolutionäre und völlig neuartige Erkenntnis, daß nicht schlechte Düfte, sondern mikroskopisch kleine Organismen Verursacher vieler Krankheiten sind. Jeder Medizinstudent kennt die Geschichte von Ignaz Semmelweis, der einen zähen Kampf gegen die Ignoranz seiner Kollegen führen mußte, ehe erste Hygienestandards eingeführt werden konnten. Es folgte die erste Blütezeit der Mikrobiologie. Überall suchte man nach diesen Mikroben; alle Krankheiten versuchte man durch Bakterien zu erklären, und in vielen Fällen wurde man tatsächlich fündig. Heute erscheint es als Treppenwitz der Medizingeschichte, daß sogar Helicobacter damals schon gesichtet wurde, aber mit der «wissenschaftlichen» Begründung ignoriert wurde, daß im Säuremilieu des Magens nichts Derartiges leben könne (siehe auch Kapitel 3.2). Schnell kamen die ersten «Rückschläge», denn natürlich waren bei weitem nicht alle Erkrankungen bakteriellen Ursprungs und mit der Hilfe des Mikroskops zu diagnostizieren. So gab es schließlich eine scheinbar feste Trennlinie zwischen den bakteriell ausgelösten und allen anderen Krankheiten. Die zweite Blüte der Infektiologie wurde durch die Erfindung des Penicillins ausgelöst. Es muß eine unglaubliche Faszination bewirkt haben, erstmals eine Substanz in den Händen zu haben, die direkt antimikrobiell wirkte und nicht besonders toxisch war – sieht man von der insgesamt eher marginalen Bedeutung des Salvarsans in der Nische der Syphilis-Therapie ab. Wieder folgte eine Welle der Euphorie, und man versuchte sogar, auch Krankheiten, bei denen noch gar keine Erreger bekannt waren, mit dieser neuen Wundersubstanz zu behandeln. Schon 1946 berichtete Swartz, er habe die Acrodermatitis chronica atrophicans, die wir heute als Manifestation der Lyme-Borreliose kennen, erfolgreich mit Penicillin behandelt. In den fünfziger Jahren war dies schon allgemein bekannt, und diese Therapie war etabliert. Dennoch dauerte es bis 1982, bis der Erreger Borrelia burgdorferi von Willy Burgdorfer tatsächlich isoliert werden konnte. Erneut folgte Ernüchterung, denn bald mußte man erkennen, daß zahlreiche Erkrankungen der Penicillin-Therapie trotzten. Und wieder war das Resultat typi- 14 EXTREMOPHILE sches Schubladendenken. Was nicht mit den damaligen Mitteln behandelbar war, schien offensichtlich nicht bakteriellen Ursprungs zu sein. Jahrzehnte vergingen, und neue Disziplinen der Medizin entstanden. Zur Zeit meines Studiums in den siebziger Jahren war es «gesicherte Lehrmeinung», daß Herzinfarkte, Zwölffingerdarmgeschwüre und vieles andere psychosomatische Erkrankungen seien, und ich wäre – wie jeder andere Student in diesen Jahren – aus jeder Prüfung geflogen, hätte ich Theorien über irgendwelche hier beteiligten Bakterien geäußert. Nun hatte ich natürlich, wie jeder meiner Kommilitonen, gar nicht die Absicht, derartig «abstruse» Äußerungen zu tun. Nun brach aber, paradoxerweise mit der Entdeckung von HIV und AIDS, eine dritte Blütezeit der Infektiologie an, die derzeit noch unvermindert und mit fast monatlich neuen Ergebnissen andauert. Plötzlich waren Finanzmittel in früher ungeahnter Höhe verfügbar; neue Diagnostik-Verfahren wurden etabliert und die Gentechnik – oft kritisiert und von ihren Kritikern wohl in vielen Fällen gar nicht verstanden – schuf ein Repertoire von unglaublicher Schlagkraft. Wieder war es ein «Bazillus», der moderne diagnostische Verfahren erst möglich machte: Thermus aquaticus, ein Extremophiler, der bei Temperaturen nahe dem Siedepunkt des Wassers in den heißen Quellen von Yellowstone bestens gedeiht, lieferte ein hitzestabiles Enzym, die Taq-Polymerase, die die theoretisch unbegrenzte Vervielfältigung genetischen Materials mit der Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR) ermöglichte (siehe auch Kapitel 13). Nun war es möglich, kleinste Spuren von Bakterien, Viren etc. in Proben aufzuspüren. Die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen war durch die Erfindung eines passenden «Magneten» gelöst. Hinzu kam eine Bewegung, die sich aus dem zunehmenden Verständnis des Menschen für seine Umwelt rekrutierte. Während man sich früher kaum Gedanken darüber machte, woher denn all diese Keime überhaupt kommen, fragte man nun nach dem natürlichen Lebensraum der Mikroben. Man entwickelte Verständnis für ökologische Nischen und wurde sich zunehmend bewußt, daß es keine leeren Öko-Nischen gibt (siehe folgendes Kapitel). So wurde die Entdeckung von Borrelien, Bartonellen, Ehrlichien, Chlamydien, Helicobacter und besonders der Extremophilen gleichzeitig zu einer Tour in die unbekannte Welt vor unserer Haustür und – horribile dictu! – in unseren eigenen Magen. 15 MIKROBIELLE ÖKOLOGIE 2 LEERE LEBENSRÄUME SIND GAR NICHT LEER: DAS NEUE VERSTÄNDNIS DER MIKROBIELLEN ÖKOLOGIE Dieter Hassler Für viele Jahrzehnte nach der Entdeckung der Bakterien galt, daß diese nur in bestimmten Lebensräumen existieren konnten, die einigen Mindestanforderungen genügten. Diese These gilt zwar noch heute, die Grenzen der Lebensraumparameter wurden aber völlig neu definiert. Eine der früher allgemein akzeptierten Grenzen war die Temperatur: Leben schien nur in einer relativ engen Temperaturspanne denkbar. Kochendes Wasser, so wußte man aus langer Erfahrung, konnte Mikroben zuverlässig abtöten. Schließlich hatten bereits die Pioniere der Mikrobiologie dieses Verfahren angewandt, um sterile Bedingungen zu schaffen und so Infektionen vorzubeugen. Auch das Einkochen von Früchten, von Weck im neunzehnten Jahrhundert entwickelt und nach ihm benannt, hat schließlich über Jahrzehnte seine Wirksamkeit in jedem Haushalt bewiesen. Es sprengte jede Vorstellungskraft, daß eine Mikrobe in kochendem Wasser existieren oder sich gar vermehren könne. Schließlich genügten bereits Temperaturen knapp über 60°C, um Eiweiß zu denaturieren. In den letzten Jahren wurde mit dieser Vorstellung kräftig aufgeräumt. Thermus aquaticus, wie viele seiner Verwandten aus einer heißen Quelle des YellowstoneNationalparks isoliert, brach zu dieser Zeit alle Rekorde. Er lebte prächtig bei diesen Temperaturen. Später wurden Verwandte isoliert, die sogar 133°C überlebten. Enzyme aus diesen hitzetoleranten Arten ermöglichten die Entwicklung neuer diagnostischer Verfahren wie der PCR (siehe auch Kapitel 12), schließlich sogar neuer Waschmittel, deren Enzymaktivität sogar im Kochwaschgang erhalten blieb. Wir wollen nur hoffen, daß diese Enzyme nicht eines Tages in Salmonellen oder Colibakterien auftauchen! Als Gegenpol zu den thermophilen Bakterien kennen wir heute Mikroben, die im ewigen Eis der Antarktis leben und eine beträchtliche Biomasse in diesem Habitat entwickeln. Neben der Temperatur war der Salzgehalt ein wesentlicher Parameter, der über die Bewohnbarkeit eines Lebensraums für Mikroben zu entscheiden schien. 16 EXTREMLEBENSRÄUME Bereits vor Jahrhunderten wußte man, daß gepökeltes, also in Salzlake eingelegtes Fleisch sehr lange haltbar blieb. Dieses Verfahren ermöglichte schließlich die Entdeckung Amerikas und andere historische Großtaten! Auch hier mußten wir lernen, daß es sehr wohl Bakterien gibt, die mit hohen, teilweise extremen Salzkonzentrationen bestens zurecht kommen. Halophile und Halobakterien, wie wir sie heute nennen, können selbst mit den Bedingungen in Salzseen unter glühender Wüstensonne zurechtkommen. Bilder von Flamingopopulationen in den Salzseen des ostafrikanischen Grabenbruchs sind heute allgemein bekannt. Die Grundlage der Nahrungskette bilden hier salztolerante Einzeller, die diesen Extremlebensraum erschlossen haben. Sie kommen mit sehr niedrigen Sauerstoffkonzentrationen zurecht, und sie haben ihre Proteine an extreme Salzkonzentrationen perfekt angepaßt. Ja, sie können sogar mit hoher Ultraviolettbelastung leben, nachdem sie Pigmente entwickelt haben, die die für sie gefährliche Strahlung abschwächen. Abbildung 2: Der «Morning-glory-Pool» im Yellowstone-Park In allen diesen heißen Thermalquellen lebt eine besonders angepaßte Gemeinschaft hitzetoleranter Bakterien. 17 ERSCHLIESSUNG NEUER LEBENSRÄUME Ein nicht zu knappes Angebot von Wasser sollte ebenfalls Bedingung für die Existenz von Leben sein. Austrocknende Verfahren waren ebenso wie das Pökeln oder das Einkochen verbreitete Methoden der Konservierung. Ob nun reine Lufttrocknung, wie beim Stockfisch der nordischen Länder, oder Räuchern – das Prinzip war dasselbe: Man hatte gelernt, daß das Trocknen von Lebensmitteln deren Haltbarkeit drastisch erhöhte. Sicher gilt das noch heute, und SalamiLiebhaber oder Pilzsammler profitieren von dieser Technik. Doch auch in diesem Punkt sind Verallgemeinerungen nicht ratsam: Wir kennen heute Mikroben, die diese Prozeduren schadlos überstehen würden. Cyanobakterien (früher als Blaualgen bezeichnet) beleben Gesteinsoberflächen und -binnenräume in Wüstengebieten und überstehen Hitze und Trockenheit schadlos. Die lagerbildenden Arten der Gattung Nostoc werden in den Wüsten Mittelasiens sogar als «Erdhaare», eine kostspielige Delikatesse, gehandelt. Selbst in der extrem trockenen Namibwüste wurden angepaßte Arten gefunden. Auch Viren können erstaunlich resistent gegen Umweltbedingungen sein: Die neuentdeckten Hantaviren im ariden Südwesten der USA können im trockenen Wüstenstaub überleben und behalten ihre Infektiosität (siehe Kapitel 7). Ähnlich resistent gegen Umwelteinflüsse ist Coxiella burneti, der Erreger des Q-Fiebers. (siehe Kapitel 4.3). Das Nährstoffangebot schließlich, so glaubten wir, sollte gewisse Grenzen nicht unterschreiten. Stickstoff, Kohlenstoff und Phosphor als essentielle Nährstoffe mußten neben Sauerstoff zur Zellatmung und essentiellen Spurenelementen vorhanden sein. Die in der Mikrobiologie üblichen Nährböden wurden im Laufe der Jahre eher angereichert, um auch empfindlichen und anspruchsvollen Mikroorganismen eine Vermehrung zu ermöglichen. Daß es Mikroben gibt, die in oberflächenfernem, extrem sauerstoff- und nährstoffarmem Grundwasser leben können, galt praktisch als ausgeschlossen. Heute kennen wir zahlreiche Bakterienarten, darunter spezialisierte Mykobakterien, die sich in diesem Biotop wohl fühlen. Selbst exotische Energiequellen sind allgemein verbreitet: Keine mögliche Nahrungsquelle wird verschmäht. Da gibt es Mikroben, die von Kohlenwasserstoffen in hydrophober Umgebung, etwa in Ölquellen, leben. Da gibt es Bakterienarten, die Schwefel oder Eisensalze als Nahrungs- und Energiequelle nutzen, und selbst die Dioxine auf der Hamburger Deponie Georgswerder werden von spezialisierten Arten der Gattung Pseudomonas abgebaut. 18 INFEKTIONEN IM HINTERHOF Am spektakulärsten sind sicher die Funde von Schwefelbakterien in der Umgebung der «Black Smokers» in der Tiefsee. Diese Vulkanschlote speien eine unglaublich «giftige», heiße Brühe mit gelösten Metallsalzen, Sulfiden und anderen Substanzen aus. Freien Sauerstoff gibt es nicht, und trotzdem hat sich eine komplette Ökologie an diesen «verrücktesten» aller ohnehin schon undenkbaren Lebensräume unseres Planeten angepaßt. Die Nahrungskette reicht von Röhrenwürmern über Schnecken, Quallen und bleiche Krabben bis hin zu Fischen, die nur in diesem Milieu leben können, da sie und ihre Nahrungskette auf Schwefel und nicht auf Sauerstoff basieren. Unglaubliche Druck- und Temperaturwerte, wie sie hier herrschen, machen diesen Lebewesen überhaupt nichts aus. Wir haben also lernen müssen, daß es keinen leeren Lebensraum gibt, und daß alle Biotope von spezialisierten Bewohnern erschlossen werden. Dies hat zu einem völlig veränderten Verständnis der Ökologie von Mikroben beigetragen. Während man früher ein eher kataloghaftes Denken übte, wächst die Erkenntnis, daß wir verstehen lernen müssen, welche Lebensräume unter welchen – noch so exotischen – Bedingungen besiedelt werden können. Hinzu kommt: Viele der neuen Infektionen tummeln sich «in unserem Hinterhof». Hatten wir zeitweise geglaubt, mit zunehmendem Fortschritt die relevanten Infektionskrankheiten wie Malaria, Dengue und viele andere aus den «entwickelten» Ländern verjagt zu haben, so entdecken wir an ihrer Stelle völlig unbekannte Erreger. Erreger, die keinesfalls neu sind, sondern sich seit Urzeiten hier befinden, aber vom Menschen nicht wahrgenommen wurden. Dies zeigt sich beispielhaft an der Ökologie der Legionellen, einer Gruppe von Bakterien, die natürlicherweise in Süßwasseramöben lebt und diese parasitiert. Kleine Änderungen der Lebensgewohnheiten des Menschen (die Erfindung von Luftbefeuchtern und Klimaanlagen) haben diese Erreger in die Lage versetzt, plötzlich einen völlig neuen Lebensraum, nämlich die menschlichen Alveolarmakrophagen, zu besiedeln (siehe Kapitel 4.1). So besteht der eigentliche Fortschritt der Mikrobiologie der letzten Jahre nicht zuletzt darin, daß wir ökologische Zusammenhänge heute etwas besser verstehen, und gelernt haben, vermehrt nach solchen zu suchen. Die folgenden Kapitel sollen Beispiele für dieses neue Verständnis in der Infektiologie aufzeigen. 19 LITERATUR Ausgewählte Literatur: Dixon B.: Der Pilz, der John F. Kennedy zum Präsidenten machte. Spektrum Verlag Berlin; Oxford 1995. Postgate J.: Mikroben und Menschen. Spektrum Verlag Berlin; Oxford 1994. Hausmann K., Kremer B. (Hrsg.): Extremophile: Mikroorganismen in ausgefallenen Lebensräumen. Verlag Chemie, Weinheim 1995. Scheld W.M., Armstrong D., Hughes J.M.: Emerging Infections I. ASM Press, Washington DC 1997. 20 KARIES 3 LEBENSRAUM MAGEN-DARMTRAKT 3. 1 MUTTERLIEBE UND IHRE FOLGEN: DIE KARIES Dieter Hassler Die Karies war in der Vergangenheit klar eingeordnet. Alle Fachleute waren sicher, daß lediglich der vermehrte Verzehr von zuckerhaltigen Nahrungsmitteln in Verbindung mit mangelnder Zahnhygiene deren eindeutige Ursache war. Generationen von Kindern wurden einhellig von Zahnärzten und Eltern beschuldigt, ihre Zähne nicht richtig zu putzen und deshalb «Karius und Baktus» Vorschub zu leisten. Zwar war in den vergangenen Jahrzehnten durchaus schon bekannt, daß der Erreger Streptococcus mutans immer in kariösen Läsionen gefunden wird, seine kausale Rolle war aber nicht gesehen worden. Er war schlicht als Ubiquist, als Bestandteil der normalen Mundflora gesehen worden. Sicher ist die Vorstellung richtig, daß zur Kariesentstehung Reste von Zuckern, die nach einer Mahlzeit übrig bleiben, von Streptococcus mutans verstoffwechselt werden. Dabei entstehen Säuren, die den Zahnschmelz angreifen und so erste Lücken im Gefüge schaffen. Mehr Nahrungsreste haften in diesen Läsionen, die Besiedlung nimmt zu, und mehr Säure wird gebildet. So schafft sich Streptococcus mutans seinen Lebensraum selbst und gestaltet ihn aus. Inzwischen wurden Mutanten gefunden, die auch die bislang als «unverdaulich» geltenden Zuckerarten wie das in Kaugummis weitverbreitete Xylit oder sogar Lactulose verarbeiten. Die Folge der Säureproduktion war klar: Bohren war nötig. Die Löcher wurden gereinigt und gefüllt, und letztendlich war es nur eine Frage der Zeit, wann das nächste Loch entstand. Zahnhygiene konnte die Intervalle deutlich verlängern, aber das Grundproblem blieb. Nun zeigen sich erstmals neue Aspekte der Prävention. Kommt es im Säuglingsalter nicht zur Besiedlung des Mundraums mit Streptococcus mutans, so bleibt das Gebiß gesund, und Karies bleibt weitestgehend aus. 21 SPEICHEL ALS VEKTOR Abbildung 3: Kariöses Gebiß: Lebensraum für Streptococcus mutans Woher bekommt aber der Säugling seinen Streptococcus? Hier gibt es eine überraschende Antwort: Die Quelle sind meist die Mütter (de Soet 1998, Gronroos 1998, Redmo-Emanuelsson 1998). Speichel ist der Vektor, der die Übertragung von der Mutter zum Kind bewirkt. Dies ist ganz einfach möglich. Es reicht etwa, wenn die Mutter den Schnuller an der Nuckelflasche etwas anfeuchtet oder mit Spucke reinigt, wenn dieser wieder einmal in hohem Bogen in den Dreck gefallen war. Nun ist es ja andererseits nicht sinnvoll, Kinder in einer sterilen Umgebung zu halten. Es ist ja durchaus erwünscht, daß der Magen-Darmtrakt des Neugeborenen mit der physiologischen Flora besiedelt wird, damit seine Funktionsfähigkeit erreicht wird. Auch zur Entwicklung des körpereigenen Immunsystems ist es herausragend wichtig, daß Kinder nicht in steriler Umgebung, sondern im Kontakt mit der ubiquitären Bakterienflora heranwachsen. Trotzdem sollte man vermeiden, Streptococcus mutans als Bestandteil dieser normalen Umgebung zu betrachten – Karies wäre die unvermeidliche Folge. Da für die Besiedlung des MagenDarmtraktes mit der physiologischen Flora übliche Körperkontakte völlig ausreichen, sollte zumindest der Kontakt zu mütterlichem Speichel unterbleiben. 22 SILBERSTREIF AM HORIZONT Wie wird man aber den Plagegeist wieder los? Meist gar nicht! Zwar laufen inzwischen Versuche, die Bakterienrasen mit allen möglichen mechanischen Verfahren zu reduzieren und dann antibakteriell wirkende Mundwasserzusätze wie etwa Listerine regelmäßig zu applizieren. Damit kann man aktuell eine relative Verringerung der Kolonisation erreichen, ausrotten läßt sich Streptococcus mutans bisher nicht, solange der Mensch noch eigene Zähne hat. Ein Silberstreif am Horizont ist immerhin sichtbar geworden. Ma und Mitarbeiter beschrieben ein Verfahren, mittels transgener Tabakpflanzen monoklonale Antikörper gegen Streptococcus mutans herzustellen, die in ersten Versuchen an freiwilligen Probanden bei oraler Verabreichung die (Wieder-)Besiedlung mit Streptococcus mutans erheblich verzögerten (Ma et al. 1998). Ausgewählte Literatur: Davies G.N.: Early childhood caries – a synopsis. Community Dent Oral Epidemiol 1998; Suppl.: 106-116. de Soet J.J. et al.: Transmission of mutans streptococci between mothers and children with cleft lip and/or palate. Palate Craniofac J 1998; 35: 460-464. Gonroos L. et al.: Mutacin production by Streptococcus mutans may promote transmission of bacteria from mother to child. Infect Immun 1998; 66: 2595-2560. Ma J.K. et al.: Characterization of a recombinant plant monoclonal secretory antibody and preventive immunotherapy in humans. Nat Med 1998; 4 (5): 601-606. 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Man hat bereits damals ihre Rolle diskutiert, gelangte aber zu der Auffassung, daß sie lediglich Sekundärphänomene im Sinne einer bakteriellen Überwucherung, beispielsweise bei Karzinompatienten, darstellten (Pel 1899). Zum Teil hat man sie sogar als Zeichen einer bakteriellen Kontamination der Präparate, etwa aufgrund unsauberen Arbeitens der Pathologen, betrachtet. Ursache dieser hartnäckigen Ignoranz war die feste Überzeugung, daß kein Bazillus die Angriffe der Magensäure bei einem pH-Wert von 1 überleben könnte. Kurioserweise wurde diese Auffassung auch dann nicht revidiert, als man erkannte, daß ja auch Tuberkelbazillen eine gewisse Säurefestigkeit aufwiesen, weshalb man ja in der Folge von «säurefesten Stäbchen» sprach. So geriet die Sache mit den Magenbakterien in Vergessenheit. In den fünfziger und sechziger Jahren feierte die Billroth-II-Operation zur Reduktion der Säureproduktion Erfolge – erstmals gab es nun Patienten, die lange Zeit beschwerdefrei blieben. Doch auch diese OP-Methode verhinderte viele Rezidive nicht. Da auch die Medizin modische Wellen kennt, gerieten sowohl die Magenschleimhautentzündung als auch das Ulkus in den siebziger Jahren in den Sog der neuerwachten Psychosomatik. Nun galt als gesicherte Erkenntnis, daß streßbedingte Säureschübe für Gastritis und Ulkus verantwortlich seien. Schnell reifte die «Erkenntnis», daß streßexponierte Berufe unweigerlich zum Magengeschwür führten. Noch heute hält sich dieses Pseudowissen mit erstaunlicher Hartnäckigkeit, jeder Stammtisch philosophiert vom Streß und seinen Folgen. Logische Konsequenz schien, daß eine psychosomatische Therapie für dauerhafte Heilung sorgen könne. Tausende Ulkuspatienten wurden daher in «Antistreßprogrammen» geschult, und allgemein war man der Ansicht, daß Ulkusrezidive lediglich das Substrat des Versagens des jeweiligen Patienten bei seiner Streßkontrolle waren. Ein Irrtum, wie wir heute wissen. 24 MARSHALL’S SELBSTVERSUCH Heroische (?) Selbstversuche In den achtziger Jahren waren es die Australier Warren (ein Pathologe) und Marshall (ein Gastroenterologe), die sich wieder für die Bakterien im Magen interessierten. Sie waren bald überzeugt, daß sie hier den Verursacher der Gastritiden ausgemacht hatten. Unter verbesserten Kulturbedingungen mit selektiven Medien unter mikroaeroben Bedingungen gelang es ihnen schließlich, die Bakterien zu kultivieren. Um ihre These schlüssig zu untermauern, griff Marshall sogar zu einem der seit Jahrzehnten so beliebten «heroischen Selbstversuche». Er infizierte sich selbst mit einer Bakteriensuspension und protokollierte seine Erkrankung akribisch (Marshall 1985). So konnte er (wohl um den Preis einiger Bauchschmerzen) zeigen, daß auch für Helicobacter die Koch’schen Postulate erfüllt waren, die bekanntlich fordern, daß die Infektion mit einem bestimmten Erreger das entsprechende Krankheitsbild reproduzieren lasse. Dennoch dauerte es fast zehn Jahre, bis in der Fachwelt die Rolle des «krummen Hundes», wie ihn Ludwig Demling nannte, akzeptiert war. Ein erbitterter Kampf verschiedener Schulen tobte. Die einen fanden «signifikante» Hinweise, daß Helicobacter überhaupt kein pathogenes Potential habe, die anderen sahen in ihm die Ursache fast aller Magenerkrankungen und wollten sogar die koronare Herzkrankheit (KHK) mit ihm assoziiert sehen. Heute ist diese Diskussion wohl weitgehend entschieden. Ohne Helicobacter kein Ulkus, wohl kaum eine ernsthafte Gastritis, wenn wir von NSAR-induzierten Läsionen und seltenen Ursachen wie dem Zollinger-Ellison-Syndrom und vergleichbaren Raritäten absehen. Bei der Genese der KHK spielt Helicobacter aber sicher keine Rolle. Immer noch wird aber über die Therapie-Indikation diskutiert. Die einen wollen nur Ulcera als sichere Indikation gelten lassen, die anderen fordern, Helicobacter zu bekämpfen, wo er gesichtet wird. Vermutlich wird uns hier die Zeit helfen. Jüngere Jahrgänge sind weitaus seltener infiziert, und die Therapiekosten dürften so überschaubar bleiben, was manchen die Angst nehmen mag. Leider ist der ärztliche Alltag geprägt von kurzsichtigen Sachzwängen. Der Arzt wird von Regreß bedroht, wenn er vorausschauend diagnostiziert und therapiert. Die Folgen eventueller Unterlassungen landen auf anderen Konten. Niemand hat aber bilanziert, was Helicobacter bisher schon gekostet hat: Tausende von Magenteilresektionen, intensivmedizinische Behandlungen wegen blutender Ulcera, Nachfolgekuren, jahr- 25 DIE CHEMIEFABRIK zehntelange Therapie mit Säurehemmern. Dabei sind die heroischen Versuche der Psychosomatik, der Ulcera Herr zu werden, noch gar nicht berücksichtigt. Doch kehren wir zurück zu Helicobacter. Was ist Helicobacter? Helicobacter ist ein gramnegatives, kurvig oder spiralig geformtes Bakterium. 2-6 unipolar angeordnete Geißeln ermöglichen ihm eine hohe Motilität. Wegen der morphologischen Ähnlichkeit zu bereits bekannten Campylobacter-Species nannte man den Keim zunächst Campylobacter pyloridis, nach Intervention einiger Lateinkundler korrigierte man in «pylori», schließlich wurde er aber wegen deutlicher genetischer Unterschiede zu den bekannten Spezies in eine neue Gattung Helicobacter gestellt. Helicobacter: Eine Chemiefabrik Was versetzt diesen Keim überhaupt in die Lage, das unwirtliche Milieu des Magens trotz aggressiver Säure zu besiedeln? Der Schlüssel zu dieser Fähigkeit ist seine Urease-Aktivität. Urease spaltet Harnstoff, der im Magenmukosabereich vorhanden ist, in Ammoniumionen und Kohlensäure. Die Urease-Aktivität wird übrigens in den heutigen Schnelltests (HUT) angewandt, um Helicobacter in Biopsien einfach nachzuweisen. Da die Kohlensäure als CO2 abgeatmet werden kann, steigt der lokale pH-Wert. So schafft sich Helicobacter ein für ihn verträgliches lokales Milieu, schädigt aber gleichzeitig die Mukosa erheblich. Hierzu tragen auch andere Enzyme des Keimes bei: Proteasen und Lipasen zerstören den schützenden Magenschleim und sorgen so dafür, daß die Mukosa gegen Säureangriffe ungeschützt ist (Smoot 1997). Als wenn dies alles nicht ohnehin schon genug wäre, produziert er auch noch zytotoxische Substanzen, die die Mukosazellen teilweise zum Absterben bringen. Hat er sich also erst einmal in den Mukosa-Nischen eingerichtet, ist eine starke lokale Entzündungsreaktion die Folge. Diese schädigt die Mukosa, und eine verminderte Säurestabilität ist die Folge. Schleimhauterosionen entstehen, und bald bietet sich das typische Bild der chronischen Gastritis, die mehr oder weniger Erosionen zeigt. Kommen andere Faktoren wie etwa Rauchen oder die Einnahme 26 HELICOBACTER-GASTRITIS nicht-steroidaler Antiphlogistika hinzu, entstehen nicht selten Ulcera ventriculi oder duodeni, die den bekannten chronisch-rezidivierenden Verlauf zeigen. Solange der Keim persistiert (und das ist in unbehandelten Fällen lebenslänglich), rezidivieren die Ulcera, es sei denn, eine chronisch atrophische Gastritis entsteht (Kuipers 1995). In diesem Magen kann dann auch Helicobacter nicht mehr überleben, weil seine Mukosa-Nischen nun fehlen. Abbildung 4: Gastritis durch Helicobacter pylori mit großem, Fibrin-belegtem Ulkus Es ist noch Gegenstand der Diskussion, aber viele Argumente sprechen dafür, daß auch Magenlymphome unterschiedlicher Dignität die Folge der chronischen Infektion sein können (Bayerdörffer 1997). In spektakulären Fallberichten wurde jedenfalls überzeugend dargestellt, daß eine alleinige Helicobacter-Eradikation auch als maligne eingestufte Lymphome zum Verschwinden brachte. Auch Magenkarzinome haben eine überzeugende statistische Korrelation mit Helicobacter. Dies eröffnet eine völlig neue Schiene der Krebsprävention: Würde man 27 PATHOGENITÄTSFAKTOREN die Helicobacter-Infektion erfolgreich verhindern oder den Keim konsequent eradizieren, so könnte man wohl viele Krebserkrankungen verhindern (Eurogast 1993). Abbildung 5: Ulkus (gelblich belegt, kommaförmig) nach Helicobacter-Infektion Pathogenitätsfaktoren Die weltweite Verbreitung von Helicobacter, die in manchen Gegenden an 100% heranreichende Durchseuchung und die gemessen an diesen Daten doch vergleichsweise geringe Inzidenz der Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre waren zunächst schlecht erklärbar. Wenn der Magenteufel tatsächlich so gefährlich war, warum führte er nicht immer zu Komplikationen? So suchte man nach Unterschieden zwischen den Isolaten, nach Virulenz- bzw. Pathogenitätsfaktoren, die diesen Widerspruch erklären sollten. Tatsächlich fand man einige interessante Eigenschaften von Helicobacter. Etwa die Hälfte der Stäm- 28 ÜBERTRAGUNG VON HELICOBACTER me bildet ein vakuolisierendes Zytotoxin («Vac-A-Toxin»). Solche Stämme wurden tatsächlich vermehrt bei Ulkuspatienten gefunden. Auch im Tiermodell ließen sich mit diesem Toxin Magenschleimhaut Ulzerationen erzeugen (Suerbaum 1997). Eine weitere Eigenschaft kam hinzu: Manche Stämme induzieren ein erhebliches Maß von Zytokinen, speziell Interleukin 8. Solche als «CagA-positiv» bezeichneten Isolate wurden besonders bei Patienten gefunden, die schwerere Gastritiden oder Ulcera aufwiesen oder bei denen Helicobacter ein Magenkarzinom induziert hatte. Generell gilt CagA heute als Pathogenitätsfaktor (Kuipers 1997). Woher kommt Helicobacter? Helicobacter pylori wurde bisher nur im Menschen gefunden, ein tierisches Reservoir existiert wohl nicht. Allerdings kennt man verwandte Keime bei Tieren. Daher wurde bald die Frage aufgeworfen, wie der Mensch zu seinem Helicobacter kommt. Gab es fäkal-orale oder gar oral-orale Übertragungen? Gab es eventuell sogar einen übertragenden Vektor? Hier halfen epidemiologische Studien weiter. Zunächst fiel auf, daß der Durchseuchungsgrad in Ländern mit niedrigen Hygienestandards deutlich höher war. Dann wurde gefunden, daß in den Industrieländern der Durchseuchungsgrad deutlich mit dem Lebensalter korrelierte. Man konnte feststellen, daß die jüngeren Jahrgänge sehr viel seltener infiziert waren. Die Erklärung liegt darin, daß die Infektion meist bereits im Kindesalter stattfindet und die Infektion dann lebenslang persistiert (Roosendaal 1996). Unter den Bedingungen früherer Jahre wurden offensichtlich mehr Menschen als heute infiziert. Offensichtlich existierte früher eine Übertragungskette, bei der Stubenfliegen eine Rolle spielten. Wenn menschliche Fäkalien für Stubenfliegen zugänglich sind, können diese den Keim auf Nahrungsmittel übertragen. Auch die Düngung von Gemüse mit Fäkalien, die in manchen Ländern bis heute üblich ist, eröffnet den fäkal-oralen Übertragungsweg (Hopkins 1993; Megraud 1995). Die zunehmende Verbreitung geschlossener, wassergespülter Klosetts unterbrach diese Übertragungskette wirksam. Daher sank mit verbesserten Hygienestandards die Durchseuchung. 29 HELICOBACTER-DIAGNOSTIK Aber auch Neuinfektionen nach erfolgreicher Eradikation kommen vor. Hier spielen wahrscheinlich auch oral-orale Übertragungen eine Rolle. Helicobacter verursacht oft Refluxsymptome, und es kommt dann auch zur temporären Präsenz des Keimes in Speichel. Aus eigenen kasuistischen Beobachtungen haben wir gesehen, daß Ehepartner der Grund für immer wieder auftretende Rezidive waren. Erst als auch der (klinisch asymptomatische) Partner saniert war, blieben die Rezidive aus. Diagnostik von Helicobacter-Infektionen Mehrere Verfahren können zur HP-Diagnostik eingesetzt werden. Alle besitzen Vor- und Nachteile und sind teilweise an die Erfahrung des Untersuchers gebunden. 1. Der histologische Nachweis Entsprechende Erfahrung des Pathologen vorausgesetzt, ist der histologische Nachweis heute der Goldstandard der HP-Diagnostik. Mittels geeigneter Färbetechniken kann der Keim in seinen Mukosa-Nischen zuverlässig entdeckt werden, gleichzeitig können die von ihm verursachten Mukosaschäden ebenso wie eventuelle prämaligne oder maligne Veränderungen beurteilt werden. Voraussetzung für eine histologische Diagnose ist natürlich die endoskopische Gewinnung geeigneter Proben. Die Biopsien müssen an den makroskopisch veränderten Schleimhautarealen erfolgen. 2. Der Nachweis durch Urease-Test in der Biopsie Mehrere kommerziell eingeführte Schnellteste basieren auf der Urease-Aktivität des Keims. Hierzu wird eine gastroskopisch entnommene Probe in einer kleinen Reaktionskammer auf Urease geprüft. Ist diese vorhanden, tritt ein Farbumschlag auf. Die Sensitivität des Tests ist recht gut, die Handhabung einfach. 3. Die Kultur aus der Biopsie Helicobacter läßt sich unter mikroaeroben Bedingungen auf Spezialnährböden kultivieren. Da der Keim relativ empfindlich ist, sinkt die Sensitivität dieses Verfahrens allerdings bei langen Transportwegen stark. Nachteil ist neben diesem Problem der relativ lange Zeitraum bis zum Vorliegen des Ergebnisses. Vorteil ist 30 HELICOBACTER-ERADIKATION aber die Möglichkeit der Sensitivitätstestung des jeweiligen Stammes gegenüber den eingesetzten Antibiotika. Vor allem bei Rezidiven sollte häufiger eine Keimisolierung und Testung angestrebt werden. 4. Der 13C-Atemtest Dieses Verfahren kommt ohne Gastroskopie aus. Der Patient trinkt eine Lösung von Harnstoff, welcher mit einem Kohlenstoffisotop 13C markiert wurde. Wird der Harnstoff im Magen von der Urease gespalten, entsteht 13CO2, welches in der Ausatemluft nachgewiesen werden kann. Nachteil des Verfahren sind neben der fehlenden makroskopischen und histologischen Beurteilung des Magens der apparative Aufwand und die dadurch bedingten hohen Kosten. 5. Serologische Verfahren Die HP-Infektion läßt sich auch mit serologischen Verfahren nachweisen. Der Wert dieser liegt vor allem in der Verlaufskontrolle nach Therapie. Die Antikörper sollten nach erfolgreicher Eradikation binnen eines Jahres wieder negativ werden. Wie aber werden wir Helicobacter wieder los? Am Anfang der Helicobacter-Eradikationsversuche stand die Beobachtung, daß Wismutpräparate schon vor Jahrzehnten mit mehr oder weniger großem Erfolg zur Behandlung von Magenbeschwerden eingesetzt worden waren. So versuchte man zunächst, mit solchen Wismutsalzen in unterschiedlicher Galenik dem «krummen Hund» zu Leibe zu rücken. Die damit durchgeführten Therapiestudien kamen zu hervorragenden Ergebnissen, diese erwiesen sich aber bei kritischer Überprüfung als reines Wunschdenken. So begann eine eigenartige, für die Medizin nicht ganz untypische Geschichte mit immer neuen euphorischen Erfolgsmeldungen und kleinlauten Berichtigungen. Sogar neue Begriffe wurden etabliert: Man sprach erst von Keim-Elimination, dann wurde (als eigentlich absurde Steigerung) von Eradikation gesprochen. So konnte man im sprichwörtlichen Sinne sein «dummes Geschwätz von gestern» vornehm verbrämen. Ganze Kongresse lebten von den »neuen», gleichwohl mittelfristig unhaltbaren Erkenntnissen. Wismutpräparate alleine sollten angeblich bis zu 90% der Infektionen heilen (wir verzichten hier freundlich auf die entsprechenden Literaturzitate), dann waren es Kombinationen mit Wismut und den damals neuen Gyrasehemmern 31 HELICOBACTER-THERAPIE MIT DREIERKOMBINATION wie Enoxacin, es folgten Kombinationen von Amoxicillin oder Metronidazol mit Wismut und schließlich war man bei Dreier- und sogar Viererkombinationen angelangt. Mindestens zwanzig verschiedene Regime wurden von jeweils einer Autorengruppe zum neuen Standard ausgerufen, wenig später folgten jeweils andere mit ihren «Standards», in den meisten Fällen gewonnen an wenigen Dutzend Patienten, die innerhalb der jeweiligen «Studie» mit bis zu vier verschiedenen Kombinationen behandelt worden waren. Kaum ein Kapitel der Medizin erscheint uns derart traurig. Da ist es für den Anwender an der Basis bisweilen schwierig, zwischen Spreu und Weizen zu unterscheiden. In vitro-Untersuchungen konnten die Therapie auf eine einigermaßen rationale Basis stellen, und so kennen wir heute eine Reihe von gesichert wirksamen Substanzen. Immer ist ein Medikament mit von der Partie, das die Säureproduktion des Magens drastisch herabsetzt. Ob man nun den einen oder anderen Protonenpumpenhemmer hierfür einsetzt, erscheint eher als Glaubenssache. Hinzu kommen in der Regel zwei Antibiotika. Als besonders effektiv hat sich Amoxicillin erwiesen, das mit einem modernen Makrolid-Antibiotikum oder einem Tetracyclin-Derivat kombiniert werden kann. Das früher oft eingesetzte Metronidazol erwies sich als problematisch, weil viele Stämme Resistenzen gegen diese Substanz aufweisen. Es konnte gezeigt werden, daß bei Metronidazol-Resistenz oft eine sekundäre Resistenz gegen das eingesetzte Makrolid entsteht, da in diesen Fällen ja praktisch eine Monotherapie erfolgt. (Buckley 1997). Warum verbessert nun ausgerechnet die Säure-Blockade die Therapiechancen, wo doch Helicobacter selbst versucht, sein Überleben durch Neutralisation der Magensäure zu gewährleisten? Müßte man nicht den umgekehrten Weg wählen und die Säure so stabilisieren, daß der Keim sie nicht zerstören kann? Derzeit glaubt man, daß Helicobacter durch das Anheben des pH-Wertes im Magen sich schneller vermehrt und Stoffwechsel-aktiver wird, wodurch er effektiver mittels Antibiotika zu bekämpfen ist. Ob die Tragfähigkeit dieser Theorie erhalten bleibt, wird sich noch erweisen müssen. Eine andere Therapie-Option der Zukunft könnte aber durchaus auch die spezifische Blockade der Urease sein, so es gelingt, wirksame und verträgliche Hemmstoffe zu entwickeln. 32 HELICOBACTER-LITERATUR Derzeitiger Stand der Helicobacter-Therapie Heute gelten Dreierkombinationen mit einem Protonenpumpenhemmer, Amoxicillin und einem modernen Makrolid-Antibiotikum als Standard. Die Therapiedauer betrug ursprünglich 14 Tage, heute wird sie bisweilen (vor allem aus Kostengründen) auf eine Woche verkürzt, ein wohl zu optimistischer Ansatz, wie wir im eigenen Krankengut immer wieder erkennen mußten. Bei 14tägiger Therapie kann man aber wohl tatsächlich von einem 80-90%igen Therapieerfolg ausgehen. Das Risiko einer verkürzten Therapie ist vor allem in der Entwicklung von Resistenzen zu sehen. Die Viererkombination unter Einschluß von Wismutpräparaten scheint nicht die Effektivität, wohl aber die Nebenwirkungsrate zu erhöhen. Ausgewählte Literatur: Bayerdörffer E. et al.: Helicobacter pylori Eradikationstherapie mit Omeprazol und Amoxicillin: Aktueller Stand. Leber Magen Darm 1994; 24: 228-232. Bayerdörffer E. et al.: Gastric MALT-Lymphoma and Helicobacter pylori infection. Aliment Pharmacol Ther 1997; 11 (Suppl. 1): 89-94. Buckley M.J. et al.: Metronidazole resistance reduces efficacy of triple therapy and leads to secondary clarithromycin resistance. Dig Dis Sci 1997; 42(10): 2111-2115. Döbrönte Z. et al.: Does (Campylobacter) Helicobacter pylori infection have a clinical relevance? Methodologic, epidemiologic and clinical studies. Gastroenterol J 1990; 50: 32-37. The EUROGAST Study Group: An international association between Helicobacter Pylori infection and gastric cancer. Lancet 1993; 341: 1359-1362. 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In seinen außerordentlich detaillierten Untersuchungen fand Whipple außerdem bei einer Silberfärbung eines mesenterialen Lymphknotens stäbchenförmige Bakterien, die etwa die Dicke einer Syphilis-Spirochäte und etwa 2 µm Länge aufwiesen, interpretierte diese aber nicht als Ursache der Erkrankung. In den folgenden Jahrzehnten blieb die Ursache der Erkrankung weiterhin unklar, und Publikationen beschränkten sich auf die Mitteilung von Einzelfällen. Nachträglich wurde immerhin ein 1895 in England als «intestinale Lymphangiektasie» beschriebener Fall als Morbus Whipple diagnostiziert. Bis zum Jahr 1947, als eine histologische Diagnose an einem zu Lebzeiten operativ entnommenen mesenterialen Lymphknoten gelang, wurde die Diagnose einheitlich erst bei Autopsie gestellt. Im Jahr 1949 beschrieb Black-Schaffer, daß sich die charakteristischen Makrophagen mit Perjodsäure-Schiff-Reagenz (PAS) rot anfärben ließen und führte damit die noch heute wichtigste Methode zur histologischen Diagnose der Erkrankung ein. In den fünfziger Jahren, als die Erkrankung vereinzelt zu Lebzeiten durch operative Entfernung von Lymphknoten oder (ab 1958) durch perorale Dünndarmbiopsien diagnostiziert wurde, gab es erste Berichte über Therapieversuche mit Kortikoiden oder Zytostatika (Medikamente, die zu dieser Zeit gerade aufkamen). Diese konnten jedoch nichts am fatalen Verlauf der Erkrankung ändern. Im Jahr 1952 wurde erstmals ein Fall beschrieben, der durch die Gabe eines Antibiotikums gün- 35 MORBUS WHIPPLE: EPIDEMIOLOGIE stig beeinflußt wurde. Ein weiterer Hinweis auf eine bakterielle Ätiologie ergab sich im Jahr 1961, als zwei Arbeitsgruppen unabhängig voneinander mittels Elektronenmikroskopie Bakterien in betroffenem Gewebe nachweisen konnten. Nachfolgende Untersuchungen stützten diese Beobachtungen. In den folgenden Jahren wurden klare Behandlungserfolge mit Antibiotika erzielt, so daß kein Zweifel mehr am Vorliegen einer bakteriellen Infektionskrankheit bestand. Seit 1961 wurde eine Vielzahl von Versuchen unternommen, den elektronenmikroskopisch in großer Zahl nachzuweisenden Erreger kulturell anzuzüchten; diese ergaben jedoch kein konsistentes Resultat. Mehrere verschiedene Bakterienspezies wurden isoliert und als «Ursache» des Morbus Whipple beschrieben, darunter verschiedene Corynebacterium spp., Streptococcus spp. und Haemophilus spp., keiner dieser Befunde konnte jedoch in nachfolgenden Untersuchungen dauerhaft bestätigt werden. Im Jahr 1986 stellte Dobbins (1987) die Fallberichte aller bislang bekanntgewordenen Patienten in einer Monographie zusammen (das einzige bislang über Morbus Whipple publizierte Buch). Diese umfaßt in Form einer Meta-Analyse Daten über 617 publizierte und 79 unpublizierte Fälle (insgesamt 696 Patienten) und charakterisiert den Morbus Whipple als seltene, sporadisch auftretende Erkrankung, die bevorzugt bei weißen männlichen Personen auftritt (86% männliche und 14% weibliche Patienten) und einen Altersgipfel von 49 Jahren aufweist. Unter den 696 beschriebenen Patienten sind 86% männlichen und 14% weiblichen Geschlechts, sowie lediglich 10 schwarze Patienten und 1 asiatischer (japanischer) Patient. Zu einem Fortschritt kam es in den Jahren 1991 und 1992, als es zunächst der Arbeitsgruppe von Wilson (1991) und anschließend derjenigen von Relman (1992) gelang, jeweils einen Teil des Gens für die kleine Ribosomen-Untereinheit (16S rRNA) des Bakteriums mittels Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR) zu amplifizieren und zu sequenzieren. Dazu wurden Primer (Startersequenzen) für universelle bakterielle Sequenzabschnitte an Intestinalbiopsien von Patienten mit Morbus Whipple verwendet. Die neu erhaltene Sequenz gehörte zu keinem bislang beschriebenen Bakterium. Eine phylogenetische Analyse der Sequenz ergab, daß eine Verwandtschaft des Whipple-Bakteriums zu den Aktinomyceten innerhalb der grampositiven Bakterien besteht. Für das Bakterium wurde der Name «Tropheryma whippelii» vorgeschlagen (Relman et al. 1992). 36 MORBUS WHIPPLE: ZEITTAFEL Im Jahr 1997 wurde über eine Propagation des Whipple-Bakteriums in menschlichen Makrophagen-Zellkulturen berichtet (Schoedon et al. 1997). Basierend auf der bekannten Anhäufung der Whipple-Bakterien bei natürlichen Infektionen in Makrophagen wurden diese in der Zellkultur mit dem Zytokin Interleukin 4 behandelt. Dieses «deaktiviert» Makrophagen und macht sie somit unfähig, intrazellulär aufgenommene Bakterien zu zerstören. Eine Wiederholung dieses Resultats der Kultur durch eine zweite Arbeitsgruppe steht bislang noch aus (Stand 1998). Zusammenfassend ist eine Zeittafel wichtiger Erkenntnisse über Morbus Whipple in Tabelle 1 wiedergegeben. Jahr Autor(en) Beobachtung 1895 Allchin & Hebb Als „intestinale Lymphangiektasie“ gedeuteter Fall 1907 Whipple Anerkannte Erstbeschreibung 1947 Oliver-Pascual Erster zu Lebzeiten diagnostizierter Fall 1949 Black-Schaffer Einführung der PAS-Färbung in die Diagnostik 1952 Paulley Erfolgreiche Anwendung eines Antibiotikums 1958 Bolt et al. Diagnose an peroraler Intestinalbiopsie 1961 Chears & Ashworth Elektronenmikroskopische Darstellung von Bakterien im Gewebe 1961 Yardley & Hendrix wie Chears & Ashworth 1983 Keinath et al. Umfangreiche Auswertung der Antibiotikatherapie bei 88 Patienten 1987 Dobbins Monographie über Morbus Whipple mit Meta-Analyse von 696 Patienten 1991 Wilson et al. Sequenzierung von ca. 50% des 16S rRNA-Gens des Whipple-Bakteriums 1992 Relman et al. Sequenzierung von ca. 85% des 16S rRNA-Gens, Vorschlag des Namens «Tropheryma whippelii» Tabelle 1: Zeittafel wichtiger Erkenntnisse über Morbus Whipple (modifiziert und ergänzt nach Dobbins 1987) 37 MORBUS WHIPPLE: KLINIK Klinik Am häufigsten manifestiert sich der Morbus Whipple im Dünndarm und den drainierenden abdominalen Lymphknoten. Durch die Infiltration der Dünndarmschleimhaut und eine Obstruktion der Lymphknoten kommt es zur Verminderung der Resorptionsfähigkeit des Darms. Hieraus resultiert zumeist ein Malabsorptionsyndrom. Durch die verminderte Resorptionsfähigkeit sind die Stühle stark fetthaltig. Es entstehen Durchfälle, die als wäßrig bis breiig und übelriechend beschrieben werden. Außerdem bestehen häufig Bauchschmerzen und Blähungserscheinungen. Blut im Stuhl ist ebenfalls möglich. Es resultiert Gewichtsverlust, der in fortgeschrittenem Stadium beträchtlich sein kann. In der präantibiotischen Ära kamen die Patienten meist durch zunehmende Auszehrung zum Tode. Die Whipple’sche Erkrankung ist aber keinesfalls auf den Intestinaltrakt beschränkt, sondern muß als bakteriell bedingte Multisystemerkrankung aufgefaßt werden. Intermittierendes Fieber und chronische Gelenkbeschwerden können den übrigen Manifestationen eines Morbus Whipple lange vorangehen; es wurden Fälle beobachtet, bei denen Gelenksymptome denen des Darmtrakts um mehrere Jahrzehnte vorangingen (Dobbins 1987). Die Beschwerden betreffen meist mehrere Gelenke und besitzen den Charakter von wandernden Arthritiden, welche die Fußknöchel, Knie, Schultern, Ellbogen und Finger betreffen. Dabei sind röntgenologisch sichtbare Gelenkzerstörungen oder Gelenkergüsse eher selten. Neurologische Symptome werden mit einer Häufigkeit von 10-43% angegeben (Trier 1993; Fleming et al. 1988). Es kommt unter anderem zu progressiver Demenz, Gangstörungen bedingt durch Kleinhirnbeteiligung, Seh- und Blickstörungen, sowie Muskelzuckungen. Neurologische Symptome können als Erstmanifestation eines Morbus Whipple noch vor gastrointestinaler Beteiligung auftreten. Gefürchtet sind neurologische Komplikationen als Rückfälle nach oder während Therapie einer intestinalen Erkrankung. Es steht zu diskutieren, daß die Bakterien im Zentralnervensystem persistieren, weil Antibiotika hier oft nicht ausreichende Konzentrationen erreichen. Ebenso wie das Zentralnervensystem kann auch das Auge von der Erkrankung betroffen sein. Es kann zu Entzündungserscheinungen am Sehnerven, an der Netzhaut, der Aderhaut und Iris und im Glaskörper kommen. Ein Augenbefall ohne Manifestationen in anderen Organen ist allerdings nicht beschrieben 38 MORBUS WHIPPLE: PATHOLOGIE (Dobbins 1987). Dem Charakter einer Multisystemerkrankung entspricht ebenfalls der Befall weiterer Organsysteme. Beispielsweise kann das Herz betroffen sein, resultierend in einer Endocarditis mit Klappeninsuffizienz. An der Lunge kann sich die Erkrankung in Form von chronischem Husten und unter Ausbildung von Granulomen äußern, die denen der Sarkoidose (Morbus Boeck) ähneln. Pathologie Bereits bei der endoskopischen Untersuchung des Dünndarms fällt mitunter auf, daß die Schleimhaut geschwollen und das Zottenrelief verplumpt ist (Abbildung 6). Die Schleimhautoberfläche erscheint oft gelblich-weißlich gefleckt, und bisweilen sind Erosionen zu sehen. In der Regel sind die Lymphknoten des Bauchraums vergrößert, in manchen Fällen wird dadurch sogar das Bild eines abdominalen Tumors vorgetäuscht. Abbildung 6: Endoskopisches Bild eines Patienten mit Morbus Whipple Dargestellt ist die Schleimhaut des Duodenums, die ein verplumptes Zottenrelief mit gelblichweißlichen Einlagerungen aufweist. 39 MORBUS WHIPPLE: HISTOPATHOLOGIE Mikroskopisch betrachtet enthält die Lamina propria der Schleimhaut eine dichte Ansammlung von Makrophagen, deren zytoplasmatische Einschlüsse sich bei Anwendung der PAS-Färbemethode intensiv rot anfärben (Abbildung 7). Diese Zellen werden aufgrund der Form ihrer Einschlüsse auch als SPC-Zellen (sickleform particle-containing cells) bezeichnet (Sieracki 1958). Die positive Anfärbbarkeit mit PAS-Reagenz allein ist jedoch noch nicht beweisend für die Diagnose. Es gibt noch weitere Dünndarmerkrankungen, bei denen eine positive Reaktion in der PAS-Färbung beobachtet wird. Beispiele hierfür sind die Pseudomelanosis duodeni, bei der das Pigment ebenfalls eine Reaktion in der PAS-Färbung eingeht, und Infektionen mit dem Mycobacterium avium-Komplex oder Rhodococcus equi im Rahmen von AIDS. Abbildung 7: Histologisches Bild der Duodenalbiopsie eines Patienten mit Morbus Whipple Die lichtmikroskopische Darstellung nach Anwendung der PAS-Färbung zeigt in der Lamina propria der Schleimhaut Makrophagen, deren Inhalt sich rot anfärbt. 40 MORBUS WHIPPLE: HISTOPATHOLOGIE Bei der elektronenmikroskopischen Untersuchung des Gewebes (Abbildung 8) ergibt sich ein charakteristischer Befund mit teils extra- und teils intrazellulär gelegenen Bakterien, die eine typische Ultrastruktur und Größe aufweisen (von Herbay und Otto 1988). Die stäbchenförmigen Bakterien besitzen einen scheinbar dreischichtigen Aufbau der Zellwand und eine Größe von 0,2-0,25 µm mal 1,0-2,5 µm. Zellen mit typischem PAS-positivem Inhalt (SPC-Zellen) werden auch bei Manifestationen des Morbus Whipple in anderen Organen beobachtet. Beispiele hierfür sind Lymphknoten, Hirngewebe, Herz und Herzklappen. SPC-Zellen können ebenfalls bei zytologischer Untersuchung von Liquor, Glaskörperflüssigkeit des Auges und Gelenkflüssigkeit gefunden werden (Dobbins 1987). Abbildung 8: Elektronenmikroskopische Darstellung der Duodenalbiopsie eines Patienten mit Morbus Whipple Man sieht Bakterien mit typischem dreischichtigem Zellwandaufbau. 41 MORBUS WHIPPLE: DIAGNOSTIK Diagnostik In den meisten Fällen wird die Diagnose eines Morbus Whipple anläßlich einer endoskopischen Untersuchung des Dünndarms mit Entnahme einer Biopsie gestellt; seltener ergeben sich erste Hinweise aus der Untersuchung anderer Materialien, wie zum Beispiel exzidierte Lymphknoten, Liquor cerebrospinalis, Gelenkflüssigkeit, Herzklappengewebe oder Glaskörperflüssigkeit. In diesen Fällen sollte jedoch immer die Möglichkeit eines Darmbefalls mituntersucht werden. Nach wie vor ist die histologische oder zytologische Untersuchung befallenen Gewebes oder betroffener Körperflüssigkeiten die wichtigste labordiagnostische Methode und sollte in jedem Fall, in dem die Differentialdiagnose Morbus Whipple im Raum steht, durchgeführt werden. Der Nachweis typischer PAS-positiver Einschlüsse in Makrophagen ist pathognomonisch für das Vorliegen eines Morbus Whipple; es bestehen jedoch, wie bereits erwähnt, in der Histologie Verwechslungsmöglichkeiten mit PAS-positiven Einschlüssen anderer Ursache. Aus diesem Grund wird bisher empfohlen, bei der Erstdiagnose eines Morbus Whipple eine diagnostische Elektronenmikroskopie durchzuführen. Auf der Basis der Sequenz des 16S rRNA-Gens des Whipple-Bakteriums wurden Primer entwickelt, die den Nachweis des Bakteriums mittels PCR ermöglichen (Relman et al. 1992). Das erhaltene PCR-Produkt kann dann mittels Direktsequenzierung (Relman et al. 1992) oder mittels Oligonukleotid-Hybridisierung (von Herbay et al. 1996) bestätigt werden. Auf diese Weise steht neben Lichtmikroskopie und Elektronenmikroskopie als konventionellen Verfahren ein neues, sensitives diagnostisches Hilfsmittel zur Verfügung. Therapie und Therapiekontrolle Die Erkrankung spricht prinzipiell auf die meisten Antibiotika an, die für die Therapie von Infektionen durch grampositive Bakterien verwendet werden können. Das Ansprechen auf Antibiotikatherapie erfolgt in der Regel prompt. Innerhalb weniger Tage verschwinden Fieber und Gelenksymptome, und innerhalb weniger Wochen verschwinden die Durchfälle und es stellt sich eine Gewichtszunahme ein (Trier 1993). Da aber Antibiotikatestungen mit dem Bakterium nicht vorgenommen werden können, sind die gegenwärtigen Empfehlungen zur Wahl des Antibiotikums und zur Dauer der Therapie empirisch ermittelt. 42 MORBUS WHIPPLE: THERAPIE Nach Therapiebeginn mit Antibiotika geht die Anzahl der SPC-Zellen in der Lamina propria des Dünndarms zurück, und die PAS-Reaktivität der Makrophagen verändert sich qualitativ. Trotz deutlicher Symptombesserung oder Symptomfreiheit verschwinden die PAS-positiven Makrophagen aber zunächst nicht ganz, sondern bleiben in geringer Zahl manchmal über mehrere Jahre erhalten. Im elektronenmikroskopischen Bild verschwinden extrazelluläre Bakterien und morphologisch intakte Bakterien in Makrophagen innerhalb weniger Wochen. Über längere Zeit verbleiben dagegen Makrophagen mit bakteriellen Zellwandresten, welche die PAS-Positivität des Gewebes verursachen (Dobbins 1987). Im Gegensatz zur Histologie wird die PCR von Dünndarmbiopsien meist innerhalb eines Zeitraums von 6-12 Monaten negativ (von Herbay et al. 1996). In den sechziger und siebziger Jahren wurden zumeist Tetracycline zur Therapie eingesetzt, die eine gute Wirkung auf die gastrointestinale Infektion haben. Unter dieser Therapie wurden jedoch gelegentlich Rezidive der Erkrankung beobachtet. Besonders gefürchtet ist dabei das Auftreten zentralnervöser Rezidive, da diese nur noch schlecht auf Antibiotika ansprechen (Keinath et al. 1985). In einer retrospektiven Analyse des Langzeiterfolgs nach Therapie bei 88 Patienten (Keinath et al. 1985) stellte sich heraus, daß die geringste Zahl an Rückfällen zu beobachten waren und keine Rezidive im Zentralnervensystem auftraten, wenn zu Beginn der Therapie die Kombination aus Penicillin und Streptomycin verwendet wurde oder wenn eine Langzeittherapie mit Cotrimoxazol erfolgte. Daraus resultierte die Empfehlung, zu Beginn eine zweiwöchige Kombinationstherapie mit Penicillin und Streptomycin durchzuführen und daran anschließend eine mindestens einjährige orale Therapie mit Cotrimoxazol. Zerebrale Spätmanifestationen unter Monotherapie mit Cotrimoxazol wurden beobachtet. Offen ist nach wie vor die Frage nach geeigneten Untersuchungen und Untersuchungsintervallen während der Therapie, aufgrund derer entweder über eine Therapieintensivierung oder aber ein Therapiende entschieden werden kann. Vor der Entwicklung diagnostischer PCR-Tests war die histologische Untersuchung von Dünndarmbiopsien die einzige Möglichkeit der Therapiekontrolle. In der Histologie besteht jedoch eine Tendenz zum Persistieren PAS-positiver Zelleinschlüsse über Jahre, selbst nach erfolgreicher Therapie. Demgegenüber zeigt die PCR aus Intestinalbiopsien eine frühzeitige Negativierung und ist deshalb kein zuverlässiger Indikator für eine Bedrohung durch Rezidive, vor allem solche ausgehend vom Zentralnervensystem (von Herbay et al. 1996). Eine Untersuchung des Liquor 43 MORBUS WHIPPLE: MIKROBIOLOGIE cerebrospinalis mittels PCR und Zytologie erscheint hier vielversprechend (von Herbay et al. 1997). Mikrobiologie und Immunologie Sehr wenig bekannt ist über die Pathogenese des Morbus Whipple und warum die Erkrankung so selten vorkommt. Für die Seltenheit gibt es zwei theoretisch mögliche Erklärungen: 1. das Bakterium könnte virulent sein und relativ selten vorkommen oder 2. das Bakterium könnte ubiquitär vorkommen und die Erkrankung nur bei entsprechend disponierten Patienten erzeugen. Dobbins (1987) definierte in seiner Meta-Analyse Farmer und Zimmerleute als am häufigsten betroffene Berufsgruppen. Eine epidemiologische Analyse in Deutschland (von Herbay et al. 1997) ergab eine weitgehend gleichmäßige geographische und zeitliche Verteilung des Auftretens von Krankheitsfällen. Dies könnte für ein ubiquitäres Vorkommen des Erregers in der Umwelt sprechen. Obwohl bislang kein definierter Immundefekt im Sinne einer «ja/nein»-Aussage beim Morbus Whipple identifiziert werden konnte, gibt es doch eindeutige Hinweise auf Dysfunktionen des Immunsystems bei Patienten mit der Erkrankung. Erniedrigte Immunglobulinspiegel wurden nur vereinzelt beobachtet, so daß kein genereller Defekt der humoralen Immunabwehr vorzuliegen scheint (Dobbins 1987). Relativ einheitlich beobachtet werden eine verminderte Lymphozytenzahl und ein erniedrigter CD4/CD8-Quotient während aktiver Erkrankung, die nach erfolgreicher Therapie wieder in den unteren Normbereich zurückkehren (Dobbins 1987). Ebenso vermindert bei aktiver Erkrankung ist die Reaktivität von Lymphozyten auf Mitogene (PHA, PWM, ConA) und die kutane Reaktion bei Testung mit weit verbreiteten Antigenen. Als nach Therapie verbleibende Immundefekte wurde eine Erniedrigung derjenigen Monozyten gefunden, welche die α-Kette des Komplement-Rezeptors 3 exprimieren (Marth et al. 1994), sowie eine reduzierte Produktion der Zytokine Interleukin 12 und Interferon-γ durch Monozyten (Marth et al. 1997). 44 MORBUS WHIPPLE: IMMUNOLOGIE Demnach könnte der Morbus Whipple als eine opportunistische Infektion mit einem gering pathogenen Erreger bei disponierten Patienten aufgefaßt werden. Diese Auffassung wird gestützt durch die Beobachtung anderer opportunistischer Infektionen bei Whipple-Patienten (Meier-Willersen et al. 1993) und durch den Nachweis des Whipple-Bakteriums bei einem Patienten mit AIDS (Maiwald et al. 1995). Eine Neuberechnung der Phylogenie des Bakteriums (Maiwald et al. 1996) ergab Verwandschaftsbeziehungen einerseits zur seltenen Gruppe der Aktinomyceten mit Gruppe B-Peptidoglycan und andererseits zur Gattung Cellulomonas. Bakterien beider Gruppierungen werden vorwiegend an der Umwelt gefunden; die Gruppe BPeptidoglycan-Organismen enthalten mehrere pflanzenpathogene Vertreter, und Cellulomonaden wurden bislang vorwiegend aus Erde isoliert. Ausgehend von der epidemiologischen Situation und von den Verwandtschaftsbeziehungen zu typischen Umweltbakterien wurde eine Suche in Kläranlagen gestartet, welche als typisches polymikrobielles Substrat eine große Vielfalt verschiedener Mikroorganismen beherbergen. In der Tat, in 25 von 38 getesteten Abwasserproben aus 5 verschiedenen Kläranlagen wurde mittels PCR eine partielle 16S rRNA-Sequenz mit Identität zu derjenigen des Whipple-Bakteriums gefunden (Maiwald et al. 1998). Dieser Fund ist das erste dokumentierte Vorkommen des Bakteriums außerhalb des menschlichen Körpers. Eine Lokalisation weiterer Lebensräume des Bakteriums steht derzeit noch aus. Dieser Befund sowie der bislang fehlende Nachweis des Bakteriums im Gewebe gesunder Personen stützt die Hypothese eines ubiquitären Vorkommen des Bakteriums und einer Pathogenität nur für entsprechend prädisponierte Personen. 45 MORBUS WHIPPLE: LITERATUR Ausgewählte Literatur: Dobbins W.O. III.: Whipple’s disease. Charles C. Thomas Publisher, Springfield, Ill., 1987. Fleming J.L., Wiesner R.H., Shorter R.G.: Whipple’s disease: clinical, biochemical, and histopathological features and assessment of treatment in 29 patients. Mayo Clin Proc 1988; 63: 539-551. von Herbay A., Otto H.F.: Whipple’s disease: A report of 22 patients. 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Eine deutliche Häufung findet sich in der paläarktischen Zone mit gemäßigtem Klima. In Mitteleuropa tritt der «Crohn» mit einer Frequenz von etwa 5 neuen Fällen pro 100000 Einwohner und Jahr auf. Betroffen sind meist junge Erwachsene. Seit vielen Jahren wird darüber spekuliert, warum der «Crohn» in manchen Ländern besonders gehäuft auftritt, in anderen dagegen fast überhaupt keine Rolle spielt. Vor allem Nahrungsgewohnheiten wurden als Ursache diskutiert. Die Mittelmeerdiät, also reichlicher Verzehr von Olivenöl und eher Kohlenhydrat-reiche Ernährung, sollte einen Schutzeffekt haben. Andere sahen das Problem eher in der Milch, die in den nördlicheren, klimatisch gemäßigten Ländern häufiger verzehrt wird als in den Tropen. Krankheitsbild Leitsymptom bei dieser Erkrankung sind meist Durchfälle, bei längerem Verlauf kommen Gewichtsverlust und Malabsorptionsprobleme hinzu. Am häufigsten ist das terminale Ileum von der Entzündung betroffen, grundsätzlich können aber alle Teile des Magen-Darmtraktes betroffen sein. Die chronische Entzündung 47 MORBUS CROHN: THERAPIE führt oft zu Stenosierungen des Darmes oder zu Fistelbildungen, die ein operatives Vorgehen erfordern. Humorale Entzündungszeichen sind während der akuten Schübe in der Regel nachweisbar. Abbildung 9: Endoskopische Darstellung des Magens eines Patienten mit Morbus Crohn Bisherige Therapieformen Neben der chirurgischen Intervention zur Beherrschung von Komplikationen werden entzündungshemmende Pharmaka wie 5-ASA und Kortikoide eingesetzt. Sie sind letztendlich aber nicht kausal wirksam, sondern können lediglich die Schwere des Krankheitsbildes beeinflussen. Schon seit vielen Jahren wurde immer wieder beobachtet, daß bestimmte Antibiotika die Schübe zumindest in Einzelfällen günstig beeinflußt haben. Meist war dieser Effekt aber nur von kurzer Dauer, und nicht in allen Fällen war überhaupt eine Wirksamkeit zu sehen. Trotzdem waren diese Kasuistiken immer wieder Anlaß zur Suche nach einem möglichen bakteriellen Erreger. Doch auch diese Suche brachte keine verwertbaren Befunde, die isolierten Bakterien ließen kein System erkennen. 48 MORBUS CROHN: PERSPEKTIVEN Neue Perspektiven Mehrere Arbeitsgruppen haben berichtet, daß sie atypische Mykobakterien aus den Darmläsionen nachweisen konnten (Mishina 1996, Coetsier 1998, HermonTaylor J, et al. 1998, Tiveljung 1999, Naser 1999), anderen gelang dieser Nachweis nicht (Cellier 1998, Chiba 1998, Kanazawa 1999). So zieht sich seit mehr als zehn Jahren eine Frage durch diese Geschichte: Spielen Mykobakterien wirklich eine Rolle? Abbildung 10: Endoskopische Darstellung des Duodenums bei einem Patienten mit Morbus Crohn 49 MORBUS CROHN UND MILCH Mycobacterium paratuberculosis und die «Johne’s disease» Um die Diskussion zu diesem Punkt zu verstehen, müssen wir wieder einen Ausflug in die Veterinärmedizin unternehmen. Die durch Mycobacterium paratuberculosis verursachte Johne’s disease ist eine seit langem bekannte Erkrankung zahlreicher Tierarten. Primäres Reservoir scheinen Wildhasen und Huftiere zu sein, bei denen die Erkrankung chronisch progressiv mit Diarrhoe, Gewichtsverlust und Kachexie verläuft. Die Tiere werden meist schon als Kälber infiziert und erkranken klinisch mit 2-5 Jahren. Johne’s disease ist praktisch nicht therapierbar und führt meist zum Tod der Tiere. In vielen Ländern, vor allem in den gemäßigten Klimazonen, ist diese Krankheit in vielen Huftierherden und -ställen verbreitet (Stabel 1998, Johnson-Ifearulundu 1999, Manning 1998). Milch: Die entscheidende Infektionsquelle? Der Erreger wird mit den Faeces, aber auch mit der Milch der Tiere ausgeschieden und kann so verbreitet werden. Hinzu kommt, daß er relativ hitzetolerant ist, und so glauben manche Autoren, daß selbst das Pasteurisieren von Milch keinen zuverlässigen Schutz bietet. Dies könnte also die entscheidende Übertragungskette sein und gleichzeitig erklären, warum der Crohn gerade in Milchländern so häufig ist. Welche Rolle spielt Mycobacterium paratuberculosis beim Crohn? Auch beim Menschen gibt es eine Reihe von Befunden, die auf eine Infektion mit Mycobacterium paratuberculosis zumindest bei einem Teil der Morbus Crohn-Patienten hinweisen. So wurde von Sanderson und Mitarbeitern bereits 1992 mit Hilfe der PolymeraseKetten-Reaktion bei 65% der Crohn-Patienten, aber nur in 12% der gesunder Kontrollpatienten die DNA dieses Bakteriums in Darmbiopsien nachgewiesen. Der positive Nachweis auch bei gesunden Kontrollpatienten läßt sich hierbei durch die oben beschriebene Aufnahme des Bakteriums mit der Nahrung erklären. Auch in einer weiteren Studie, in der versucht wurde, Mycobacterium paratuberculosis in kultiviertem Darmgewebe von Patienten nachzuweisen, gelang dies in Proben von Patienten mit Morbus Crohn signifikant häufiger als in Kontrollen. 50 MORBUS CROHN UND M. PARATUBERCULOSIS Auch bei Kindern mit Morbus Crohn konnte mit Hilfe der PCR Mycobacterium paratuberculosis nachgewiesen werden. Aufsehen erregte ein 1998 publizierter Fall eines Kindes, bei dem zunächst Mycobacterium paratuberculosis in den Nakkenlymphknoten nachgewiesen wurde und welches nach 5 Jahren ein Krankheitsbild entwickelte, welches dem Morbus Crohn entsprach. Allerdings ließ sich eine Assoziation zwischen Morbus Crohn und einer Infektion mit Mycobacterium paratuberculosis in serologischen Studien nicht bestätigen. Eine Erklärung hierfür könnte sein, daß Mykobakterien generell keine ausgeprägte Antikörperbildung veranlassen. Ein weiterer Punkt mag darin liegen, daß viele Menschen durch Milchgenuß bereits im Säuglingsalter mit diesem Keim in Kontakt kommen, so daß keine reguläre Immunantwort erfolgt. Studien hierzu stehen bislang noch aus. Ein deutlicher Rückschlag für die Verfechter der Mykobakterien-Theorie war die Studie von Thomas et al. (1998). Diese Arbeitsgruppe hatte mehr als hundert Crohn-Patienten zwei Jahre lang tuberkulostatisch behandelt. Die fünfjährige Nachuntersuchung ergab allerdings enttäuschende Resultate. Die Verumgruppe zeigte keinen Benefit der Therapie. War also die ganze Sache nur viel Lärm um nichts? Das kann man so nicht sagen. Mycobacterium paratuberculosis ist nämlich, wie wir erst seit kurzem wissen, resistent gegen einige typische Tuberkulostatika – weder Isoniazid noch Myambutol zeigen eine wesentliche Aktivität. So müssen wir folgern, daß die Gruppe von Thomas möglicherweise einfach ein ineffektives Therapieregime eingesetzt hat. Ihr ist kein Vorwurf zu machen, da damals dieses Wissen noch nicht existierte. 51 MORBUS CROHN: THERAPEUTISCHE OPTIONEN Therapeutische Optionen der Zukunft Wie bereits diskutiert, ist eine Beteiligung von Mycobacterium paratuberculosis an der Genese des Morbus Crohn bei einer Untergruppe von Patienten zwar nicht bewiesen, aber möglich. Sollte sich die Beweise hierfür in der Zukunft erhärten, so könnten diese Patienten möglicherweise mit einer antibiotischen Therapie genauso gut oder besser behandelt werden, als mit den jetzt angewendeten Therapieschemata. Allerdings ist zu beachten, daß Mycobacterium paratuberculosis auf konventionelle tuberkulostatische Therapien eben schlecht oder nicht anspricht. Es gibt jedoch Studien, in denen in vitro die Effektivität alternativer Therapieschemata untersucht wurde. Hierbei zeigte sich, daß Rifabutin und Cefazolin, bzw. die Kombination von Rifabutin, Streptomycin und Cefazolin einen guten Synergismus zeigte. Die zur Abtötung der Keime notwendigen Konzentrationen können auch im Patienten gut erreicht werden. Eine Therapie mit Rifabutin alleine ist wohl weniger eine Alternative, da Mykobakterien bekanntermassen bei MonotheraPpie schnell Resistenzen entwickeln. Erst in jüngster Zeit konnte man mit verbesserter Technik die Empfindlichkeit des Erregers testen (Williams 1999). Hierbei zeigte sich, daß die besten Resultate mit Amikacin, Rifabutin und neueren Makroliden und Chinolonen zu erwarten wären. So warten wir mit Spannung auf die ersten kontrollierten Studien mit derartigen Therapieschemata. 52 MORBUS CROHN: LITERATUR Ausgewählte Literatur: Cellier C., et al.: Mycobacterium paratuberculosis and Mycobacterium avium subsp. silvaticum DNA cannot be detected by PCR in Crohn’s disease tissue. Gastroenterol Clin Biol 1998; 22(8-9): 675-678. 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Serpulina pilosicoli gehört zu den Spirochäten, die wir ja normalerweise nicht gerade im Darm vermuten würden. 1967 wurde erstmals von Harland und Lee berichtet, daß man in histologischen Präparaten Spirochäten gefunden habe, die die Mukosa so dicht besiedeln, daß sie als «falscher Bürstensaum» imponieren. Lange Zeit war die Wissenschaft uneins über die Bedeutung dieser Entdeckung. Die einen wollten eine Assoziation zu gastrointestinalen Symptomen gesehen haben (Gad 1977, Douglas 1981), die anderen lehnten einen Zusammenhang als nicht wahrscheinlich ab (Surawicz 1987, Barrett 1991). Hinzu kam, daß in manchen Gegenden der Welt erhebliche Durchseuchungsraten bei der histologischen Überprüfung von Biopsiematerial aus dem Rektum gefunden wurden. Barrett fand in Oman bei Abbildung 11: Intestinale Spirochätose etwa 10% der Proben SpirochäSerpulina bildet bei dichter Besiedlung einen «falschen Bürstensaum»; Folge sind Malabsorptionsphänomene. ten, andere Untersucher fanden bei Australiens Ureinwohnern ebenso wie bei allen Altersklassen im Hochland von Papua-Neuguinea BefallsRaten bis über 30%, so daß man den Keim eher als harmlosen Saprophyten betrachtete. Alle diese Studien basierten aber auf rein histologischen Untersuchungen. 55 SPIROCHÄTOSE: KLINIK Kurzzeitig kam Verwirrung auf, als Hovind-Hougen und Mitarbeiter (1982) bei einem Patienten eine solche Spirochäte isolieren und kultivieren konnten. Diese bekam den Namen Brachyspira aalborgi, und die Welt glaubte zunächst, daß damit der Erreger der Intestinalen Spirochätose beschrieben war. Mit neueren Labormethoden konnte man allerdings inzwischen zeigen, daß es sich in praktisch allen Fällen nicht um Brachyspira, sondern um Serpulina pilosicoli handelte (Trivett-Moore 1998). Dies führte auf die Spur zum natürlichen Reservoir des neucharakterisierten Erregers: Man fand ihn vor allem bei Schweinen, wo er für Diarrhoe, Colitiden und Mangelwuchs verantwortlich zu sein scheint (Trott 1996). Aber auch bei Hunden und verschiedenen Vogelarten, sogar bei kommerziell gehaltenen Legehennen ist der Erreger (oder ein naher Verwandter) für ein ähnliches Krankheitsbild verantwortlich. Klinik und Pathophysiologie Serpulina kann sowohl Dünndarm, Appendix und Colon als auch das Rektum kolonisieren. Seine Fähigkeit, sich mit einem Ende an die Mukosa anzuheften, führt bei dichter Besiedlung zur Ausbildung eines «falschen Bürstensaums», in dem die Spirochäten dicht an dicht stehen (siehe Abbildung 11). Folge ist meist eine Malabsorption mit Flüssigkeits- und Elektrolytverlusten, wobei der Grad des Befalls und die Lokalisation das klinische Krankheitsbild bestimmen. In der Regel verhält sich Serpulina nicht invasiv, die Besiedlung bleibt auf die Mukosa beschränkt. Dies muß aber nicht so sein, die Ausbildung von Kryptenabszessen wurde wiederholt beobachtet. Von Menschen isolierte Stämme führen im Tierversuch regelhaft zur Colitis mit Kryptenabszessen (Trott 1996). Mehrere Arbeiten weisen auch auf die Variante einer Appendizitis durch Serpulina hin (Yang 1997). Bei 4 bis 10% der jeweils untersuchten Appendices wurde man fündig. Schließlich konnte Serpulina sogar aus Blutkulturen kritisch kranker Patienten isoliert werden, die zum Teil zuvor an intestinalen Erkrankungen gelitten hatten (Trott 1997). Besonders häufig tritt Serpulina in der westlichen Welt bei homosexuellen Patienten auf, bei zusätzlicher HIV-Infektion scheint die Erkrankung oft chronisch zu verlaufen und (wie andere Erreger, zum Beispiel Cryptosporidien) einen Beitrag zu chronischen Diarrhoen und Malabsorption mit Gewichtsverlust, teilweise sogar mit Begleithepatitis, zu leisten (Kosterman 1995). 56 SPIROCHÄTOSE: THERAPIE Wieder einmal haben wir also einen Kandidaten, der in der Differentialdiagnose intestinaler Erkrankungen sicher einen höheren Stellenwert einnehmen sollte. Infektionsquellen Bisher ist völlig unzureichend geklärt, welche Verbindungen zwischen den bekannten Reservoiren von Serpulina bestehen und wie es zur Infektion kommt. Eine mögliche Erklärung fanden Oxberry et al. (1998), die den Keim in Fäkalien von Wasservögeln und in Teichwasserproben in Perth (Australien) isolieren konnten. Ein Freiwilliger*, der von dem kontaminierten Teichwasser trank, erkrankte und entwickelte Bauch- und Kopfschmerzen. Der Keim konnte aus dem Rektum dieses Patienten reisoliert werden. Therapie Die Empfindlichkeit von Serpulina gegen Standard-Antibiotika wurde bisher nicht hinreichend untersucht. Lediglich Duhamel (1998) hat einige in der Veterinärmedizin eingesetzte Substanzen geprüft. Er fand eine gute Wirksamkeit von Carbadox und Tiamulin (beide nur in der Tiermedizin zugelassen), gegen Aminoglykoside war nur die Hälfte der Isolate empfindlich. Untersuchungen zur Therapie bei Menschen fehlen noch völlig. * Schon wieder einer dieser beliebten Versuche! 57 SPIROCHÄTOSE: LITERATUR Ausgewählte Literatur: Barrett S.P.: Human intestinal spirochetosis. In: Hampson D.J., Stanton T.B.: Intestinal spirochetes in domestic animals and humans. CAB International. Wallingford (England) 1997; 243-265. Barrett S.P.: Intestinal spirochetosis in a Gulf Arab population. Epidemiol Infect 1994; 104: 261-266. Douglas J.G., Crucioli V.: Spirochetosis: a remediable cause of diarrhea and rectal bleeding? 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Erst nach der Heimreise der meisten Legionäre, Anfang August 1976, konnten die Gesundheitsbehörden des Staates Pennsylvania und anschließend die nationale Gesundheitsbehörde, die Centers for Disease Control in Atlanta, benachrichtigt werden, daß hier offensichtlich eine Epidemie größeren Ausmaßes stattgefunden hatte (Frazer und McDade 1979). Trotz intensiver Fahndung nach bislang bekannten Krankheitserregern (Bakterien, Viren, Pilze, Parasiten) konnte über Monate kein Erreger dingfest gemacht werden. Auch die Suche nach nichtinfektiösen Ursachen (z. B. toxischen Substanzen) blieb erfolglos. Intensive telefonische Befragungen von Erkrankten und Nichterkrankten ergaben dann interessante epidemiologische Muster: Kongressteilnehmer, die im Bellevue-Stratford übernachtet hatten, waren häufiger erkrankt als solche, die in anderen Hotels übernachtet hatten und das Bellevue-Stratford nur für die Tagung besucht hatten. Außerdem hatten Erkrankte durchschnittlich mehr Zeit in der Empfangshalle des Hotels verbracht als Nichterkrankte. Es waren auch Personen betroffen, die lediglich den Gehweg vor dem Hotel passiert hatten. Familienangehörige von Legionären erkrankten nur, wenn sie auch an der Tagung teilgenommen hatten. Somit schieden viele andere Expositionsquellen aus, und es blieb offensichtlich die Luft in der Empfangshalle des Hotels als wahrscheinlichste Erkrankungssquelle und die Klimaanlage des Hotels der wahrscheinlichste Verteiler des krankmachenden Agens. 59 LEGIONÄRSKRANKHEIT UND DAS BELLEVUE-STRATFORD Erst als Joseph McDade, ein Rickettsien-Spezialist von den Centers for Disease Control, die für die Anzucht von Rickettsien üblichen Antibiotika wegließ, gelang die Anzucht eines Erregers aus dem Lungengewebe von Verstorbenen. Nach der Inokulation von Meerschweinchen und anschließender Passage in Hühnerembryonen wurde ein Bakterium isoliert, welches in vieler Hinsicht einem gewöhnlichen gramnegativen Stäbchenbakterium entsprach. Aufgrund einer schwachen Anfärbbarkeit war es allerdings bei den zuvor durchgeführten Gramfärbungen des Gewebes nicht entdeckt worden. Eine Anzucht auf künstlichen Nährmedien gelang, als Cystein und Eisensalze – eine in der Bakteriologie bislang nicht bekannte Kombination von Wachstumsfaktoren – dem Medium zugesetzt wurden. Untersuchungen mit Seren von Erkrankten konnten dann die Erregerrolle des neu isolierten Bakteriums untermauern. Abbildung 12: Das Bellevue-Stratford-Hotel in Philadelphia, Pennsylvania, USA 60 Die neue Krankheit wurde mit dem prägnanten Begriff Legionärskrankheit belegt, und der neuentdeckte Erreger erhielt den Namen Legionella pneumophila, wobei «pneumophila» von dem griechischen Wort für «lungenliebend» stammt. Seit 1976 wurden außer L. pneumophila noch zahlreiche weitere LEGIONÄRSKRANKHEIT UND LEGIONELLEN Spezies in der Gattung Legionella entdeckt. Mittlerweile (Stand 1997) sind 41 Legionella-Spezies mit 62 antigenetischen Varianten (Serogruppen) beschrieben (Maiwald et al. 1998). Retrospektiv wurden durch Untersuchungen an asservierten Serumproben mehrere kleine und auch größere epidemische Ausbrüche von Erkrankungen identifiziert, die von Legionellen verursacht wurden (Ehret 1988). Dazu gehört ein Ausbruch von 81 Pneumoniefällen im Jahr 1965 in Washington, D.C. sowie ein Ausbruch einer milderen, aber dennoch akut fieberhaften Erkrankung bei 144 Personen, der sich 1968 in Pontiac, Michigan, ereignet hatte und den Namen «Pontiac-Fieber» erhielt. Woher kommen Legionellen? Mit den neu entwickelten diagnostischen Verfahren konnte man bald feststellen, daß Legionellen ubiquitär in verschiedenen wäßrigen Lebensräumen vorkommen. Dazu gehören sowohl natürliche Feuchtbiotope als auch zivilisatorisch geschaffene Wassersysteme, wie zum Beispiel Befeuchtersysteme und Rückkühlwerke von Klimaanlagen, aber auch Warmwassersysteme größerer Gebäude wie Krankenhäuser und Hotels. Wassertemperaturen von 20-40°C sind dabei optimal für die Vermehrung von Legionellen; Wachstum ist bis etwa 50°C möglich, erst ab etwa 55°C sterben Legionellen langsam und ab 60°C rasch ab. Menschliche Erkrankungsfälle, bei denen es gelingt, eine Infektionsquelle exakt zu lokalisieren, können in der Regel auf die Exposition mit solchen zivilisatorischen Wassersystemen und deren Aerosolen zurückgeführt werden. Jernigan und Koautoren (1996) berichteten beispielsweise über 50 Erkrankte auf einem Kreuzfahrtschiff, die sich die sich durch einen kontaminierten Whirlpool infiziert hatten, wobei vor allem der Aufenthalt rund um den Pool, weniger seine unmittelbare Benutzung als Risikofaktor gefunden wurde. Legionellen konnten aus dem Sandfilter des Pools isoliert werden. Das natürliche Vorkommen und die Vermehrung von Legionellen in klarem Warmwasser ohne sonderliche Nährstoffgehalte warf bald die Frage auf, warum Legionellen bei der Anzucht auf künstlichen Nährmedien einen solch hohen Bedarf an Nährstoffen und Wachstumsfaktoren aufweisen, daß ihre Existenz der Mikrobiologie so lange verborgen blieb. Außerdem sollte ein Keim, der in einem solch wässrigen nährstoffarmen Biotop lebt, ja nicht ohne weiteres in der Lage 61 LEGIONELLEN UND AMÖBEN sein, im isotonen Milieu menschlicher Gewebe zu überleben oder gar Krankheit zu verursachen. Abbildung 13: Elektronenmikroskopische Aufnahme von Legionellen in einer Amöbe. Lange Suche förderte schließlich die Lösung dieses Problems zutage. Legionellen parasitieren natürlicherweise Süßwasseramöben (siehe Abbildung 13; Rowbotham 1980). Sie vermehren sich in diesen, schließlich «platzt» die Amöbe, und eine neue Generation von Legionellen wird freigesetzt. Ein – aus der Sicht der betroffe- 62 LEGIONELLOSEN: EPIDEMIOLOGIE nen Menschen – «dummer Zufall» führt nun dazu, daß beim Kontakt mit dem menschlichen Organismus die Legionelle unsere Alveolarmakrophagen mit Süßwasseramöben gewissermaßen «verwechselt» und sich in diesen ähnlich verhält wie in ihrem natürlichen Wirt. Schwere Pneumonien sind die Folge. So stellen Legionellen heute ein Paradebeispiel für Erreger dar, die auf natürliche Weise bereits seit Urzeiten zu unserem Umfeld gehören. Dabei attackieren und parasitieren sie Süßwasseramöben und haben in ihrer natürlichen Ökologie keinen Bezug zum Menschen. Für diesen sind Legionellen erst gefährlich geworden, als die moderne Lebensweise ein Biotop geschaffen hat, das den natürlichen Ansprüchen der Legionellen so gut entsprach, daß eine erfolgreiche Vermehrung und – beispielsweise über Aerosole – die Infektion von Alveolarmakrophagen als Amöbenersatz möglich wurde. Diese Zusammenhänge kann man sich auch bei der Kultur von Legionellen zunutze machen. So gibt es mehrere Fälle, in denen aus Untersuchungsmaterialien von Pneumoniepatienten Bakterien nur über Amöbenkulturen, nicht jedoch auf künstlichen Nährmedien, zu isolieren waren. Eine Analyse der 16S-rRNA dieser «Legionella-like amoebal pathogens» ergab dann, daß diese bislang unbekannten Bakterien aufgrund ihrer Sequenzhomologie in die Gattung Legionella einzuordnen sind (Adeleke et al. 1996). Infektionsquellen für Legionellosen Bald nach dem Ausbruch in Philadelphia wurde die Inhalation erregerhaltiger Aerosole als Übertragungsweg für Legionellosen gesichert. Im Bellevue-StratfordHotel gelang aber nie die Identifizierung der tatsächlichen Infektionsquelle, da zuverlässige Kulturmethoden erst zwei Jahre nach dem Ausbruch zur Verfügung standen. Diskutiert wurden als Infektionsquelle die Rückkühl-Einrichtungen (evaporative condensers) der Klimaanlage des Hotels. In den folgenden Jahren wurden Legionellen auch zunehmend als Ursache schwerer, im Krankenhaus erworbener Pneumonien identifiziert. Man fand, daß die Warmwassersysteme vieler Krankenhäuser zum Teil mit hohen Legionella-Keimzahlen besiedelt sind. In Fällen, in denen Legionella-Kulturen aus Patientenmaterial und aus Warmwassersystemen zum Vergleich zur Verfügung standen, wurden immer wieder, auch unter Zuhilfenahme molekulargenetischer Typisierungs- 63 LEGIONELLOSEN: KLINIK methoden, Wasserhähne und Duschköpfe als Infektionsquellen identifiziert. Da vor allem Wasserhähne nur unwesentlich zur Aerosolbildung führen, wird in neueren Berichten auch die Aspiration oder Ingestion von Legionellen-haltigem Wasser als wesentlicher Übertragungsweg angesehen (Yu 1993). Grund für diese Annahme ist auch das Vorkommen von krankenhauserworbenen Legionellosen bei Patienten, die zu schwer krank sind, um sich beispielsweise beim Duschen erregerhaltigen Aerosolen auszusetzen. Eine außergewöhnliche Infektionsquelle für Legionellosen wurde in Australien ausfindig gemacht. In Südaustralien mit etwa 1,5 Millionen Einwohnern kommt es pro Jahr etwa zu 5-20 Infektionen mit Legionella longbeachae, einer sonst eher seltenen Spezies. Bei der Suche nach Infektionsquellen wurde entdeckt, daß die Mehrzahl untersuchter Proben von australischer Blumenerde Legionella longbeachae enthielt, während sich die Erreger nicht in Wasserproben oder in Blumenerde von anderen Kontinenten fanden (Steele et al. 1990, Ruehleman et al. 1996). Es ist derzeit unklar, welche anteilige Rolle Blumenerde als Infektionsquelle spielt, jedoch wurden bei einer kleinen Zahl mittels molekularer Methoden untersuchter Fälle auch solche gefunden, bei denen Identität zwischen Legionellen-Stämmen aus Blumenerde und Patientenproben bestand. Auch in Blumenerde besteht eine enge Assoziation zwischen Legionellen und Amöben. Klinisches Erscheinungsbild Legionellen verursachen zwei unterschiedliche Erkrankungsformen. Neben der «klassischen» Legionärskrankheit oder Legionella-Pneumonie, wie sie beim Ausbruch im Jahr 1976 in Philadelphia beobachtet wurde, gibt es das bereits erwähnte Pontiac-Fieber (Barlet et al. 1986; Win 1988; Ruckdeschel und Ehret 1993). Legionella-Pneumonien sind in der Regel hochfieberhafte Erkrankungen (> 40°C), die mit extrapulmonalen Symptomen und Organbeteiligungen einhergehen. Beispielsweise werden Durchfälle, neurologische Symptome und Nierenversagen beobachtet. Die Letalität von Legionella-Pneumonien beträgt etwa 15-20%, liegt also etwa im Bereich anderer bakterieller Pneumonien; sie kann aber bei im Krankenhaus erworbenen Infektionen immunsupprimierter Patienten wesentlich höher liegen. Obwohl die Legionärskrankheit vereinzelt auch bei Personen ohne erkennbare Grunderkrankung vorkommt, lassen sich doch eindeutige Risiko- 64 LEGIONELLOSEN: DIAGNOSTIK gruppen ausmachen. Dazu gehören beispielsweise Raucher, Diabetiker sowie Personen mit chronischen Lungenerkrankungen, Transplantationen oder immunsuppressiver Therapie. Zu den Risikofaktoren gehören auch Auslandsreisen mit Hotelaufenthalten. Kurioserweise stellt die Immunschwächekrankheit AIDS kein besonderes Risiko für Legionellen-Infektionen dar. Bei der Legionärskrankheit kommt es nach einer Inkubationszeit von 2-10 Tagen zur Erregervermehrung in der Lunge, die dann mit kulturellen Verfahren nachweisbar ist. Beim Pontiac-Fieber handelt es sich um eine fieberhafte, Grippe-ähnliche Erkrankung, die mit 95% eine hohe Erkrankungsquote unter exponierten Personen besitzt und eine Inkubationszeit von 1-2 Tagen hat. Eine Antikörperbildung gegen Legionellen kann beobachtet werden, es entsteht jedoch keine Pneumonie und es findet keine Erregervermehrung in der Lunge statt. Todesfälle sind nicht beschrieben. Die Übertragung findet ausschließlich über keimbeladene Aerosole statt. Die Pathogenese ist unklar, aber als möglicher Unterschied wird eine andere Partikelgröße der inhalierten Legionellen-Amöben-Komplexe als bei der Legionärskrankheit vermutet. Diagnostik der Legionellosen Legionella-Pneumonien weisen keine wesentlichen klinischen oder laborchemischen Unterschiede zu anderen bakteriellen Pneumonien auf; einzig eine Hyponatriämie wird häufiger beobachtet. Aus diesem Grund kommt der mikrobiologischen Erregerdiagnostik eine Schlüsselrolle zu. Nach wie vor gilt die kulturelle Anzüchtung von Legionellen aus Sekreten des Respirationstrakts als die beste diagnostische Methode für Legionella-Infektionen, obwohl die Erfolgsrate der Legionella-Kultur aufgrund der hohen Nährstoffansprüche und des langsameren Wachstums (>3 Tage bis ca. 10 Tage) deutlich geringer ist als die von Kulturen auf «gewöhnliche» bakterielle Pneumonie-Erreger. Die am häufigsten angewandte diagnostische Methode ist die Serologie, dabei wird in der Regel der Immunfluoreszenz-Test (IFT) eingesetzt. Die Serologie bietet jedoch den Nachteil, daß sie meist nur eine retrospektive Diagnose ermöglicht, da mindestens eine, meist jedoch mehrere Wochen vergehen, bis es zur nachweisbaren Antikörperbildung gegen Legionellen kommt. 65 LEGIONELLOSEN: THERAPIE Eine weitere diagnostische Methode ist der direkte Immunfluoreszenz-Test, bei dem mit Hilfe von Fluoreszenz-markierten Antikörpern mikroskopisch im Untersuchungsmaterial nach Legionellen gesucht wird. Der Test ist schnell in der Durchführung, erfordert aber für ein positives Ergebnis relativ hohe Erregerzahlen im Untersuchungsmaterial. Eine elegante diagnostische Methode ist auch der Nachweis von ausgeschiedenen Legionella-Antigenen im Urin. Der Test ist schnell, bei positivem Ergebnis so gut wie beweisend für eine Legionella-Infektion, bereitet aber gewisse Schwierigkeiten aufgrund der unterschiedlichen Antigene der verschiedenen Legionella-Serogruppen. Als modernes molekularbiologisches Nachweisverfahren findet auch die Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR) Anwendung in der Legionella-Diagnostik. Dabei sind mittels exponentieller enzymatischer Vervielfältigung (Details im Kapitel über PCR und Thermus aquaticus) kleinste Mengen an Erreger-DNA im Untersuchungsmaterial nachzuweisen. Bisherige Veröffentlichungen über Anwendung der PCR zum Legionellen-Nachweis sehen vielversprechend aus. Jedoch liegen noch nicht genügend Daten vor, um die ihre diagnostische Wertigkeit abschließend beurteilen zu können. Therapie der Legionellosen Bereits in Philadelphia 1976 wurde beobachtet, daß Patienten, die mit Erythromycin behandelt wurden, die beste Überlebensrate aufwiesen. Tetracycline erwiesen sich ebenfalls als wirksam, waren jedoch dem Erythromycin unterlegen. Penicilline und Cephalosporine, die häufig zur Therapie anderer bakterieller Pneumonien eingesetzt werden, stellten sich als weitgehend unwirksam heraus, da die meisten Legionella-Spezies effektive Penicillinasen und Cephalosporinasen besitzen, so daß beide Substanzklassen heute für Legionella-Kulturen eingesetzt werden, um unerwünschte Begleitbakterien zu hemmen. Aminoglykoside, sonst auch geeignet für die Therapie schwerer Pneumonien, spielen ebenfalls keine Rolle bei Legionellosen. In weiteren Studien stellte sich Rifampicin, sonst ein Mittel zur TuberkuloseTherapie, als wirksam heraus, eine Kombination mit Erythromycin wird jedoch empfohlen. Vielversprechende Ergebnisse liegen auch für Ciprofloxacin aus der Substanzklasse der Chinolone vor. In der Substanzklasse der Makrolide ist nicht nur Erythromycin gut wirksam, es liegen auch für Azithromycin gute Ergebnisse 66 LEGIONELLOSEN: LITERATUR vor, zumindest aus Versuchen mit Meerschweinchen. Vorteil der Makrolide ist ihre gute Penetration in den Intrazellulärraum, der ja das von Legionellen bevorzugte Milieu darstellt (Edelstein 1995). Eine rechtzeitig gestellte Erregerdiagnose und eine daraufhin früh eingeleitete Therapie sind weitere ganz entscheidende Voraussetzungen für einen Therapieerfolg. Ausgewählte Literatur: Adeleke A., Pruckler J., Benson R., Rowbotham T., Halablab M., Fields B.: Legionella-like amoebal pathogens – phylogenetic status and possible role in respiratory disease. 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Vor wenigen Monaten hatte er sich sogar den Luxus geleistet, bei seinem selten benötigten Hausarzt einen Checkup machen zu lassen. Alle Werte waren im grünen Bereich. Das Cholesterin betrug nur 180, die Unterfraktionen waren, wie der Hausarzt ihm versichert hatte, optimal für ein langes Leben. Da sein Vater in hohem Alter an Herzproblemen gelitten hatte, war sogar ein Belastungs-EKG durchgeführt worden, er hatte mühelos 250 Watt getreten. So fühlte er sich sicher vor unangenehmen Überraschungen. Doch in den letzten Wochen war irgend etwas nicht mehr ganz in Ordnung gewesen. Zunächst hatte er einen leichten Infekt mit etwas Husten gehabt, kein Grund eigentlich, deshalb gleich zum Arzt zu gehen. Der Husten war aber hartnäckig geblieben, und nun war er doch etwas beunruhigt. Er nahm sich vor, nächste Woche, wenn er etwas Zeit erübrigen konnte, den Arzt aufzusuchen. Am Abend verspürte er einen eigenartigen Druck in seiner Brust. Zunächst war es bloß unangenehm. Dann steigerte sich das Druckgefühl und wenig später hatte er das Gefühl, ein Riese quetsche ihm den Brustkorb zusammen. Panik erfaßte ihn. Schließlich willigte er ein, den Arzt zu rufen. Dieser leitete ein EKG ab und veranlaßte sofort die Klinikeinweisung wegen eines akuten Vorderwandinfarktes. Die sofortige Lyse war erfolgreich, und der Schmerz war bald verschwunden. Nun grübelte Max, wie ihm dies passieren konnte. Keine Risikofaktoren, nur ein bißchen Streß, den er ja gewohnt war. Rätselhaft. Auch die Klinikärzte bestätigten ihm, daß er nicht so ganz ins übliche Bild des Infarktpatienten paßte. Eine * Diese Krankheitsgeschichte trug sich so im April und Mai 1998 zu; Name erfunden? …logisch! 68 CHLAMYDIEN-EINSCHLÜSSE leicht erhöhte Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit, ein mäßig erhöhtes C-reaktives Protein, ein bißchen viel Fibrinogen, das war alles, was man gefunden hatte. Abbildung 14: Chlamydien-Einschlüsse in Epithelzellen (Färbung mit Acridinorange). Doch nach wenigen Tagen traf ein weiterer Laborbefund ein: Antikörper der Klassen IgM, IgA und IgG gegen Chlamydia pneumoniae waren gefunden worden. Nun erhielt er ein Makrolid-Antibiotikum über vier Wochen, die Antikörper verschwanden in wenigen Monaten, er konnte völlig beschwerdefrei seinen Beruf wieder aufnehmen. Kardial wirksame Medikamente braucht er nicht, sein BelastungsEKG ist so unauffällig wie früher. 69 CHLAMYDIA PNEUMONIAE UND ARTERIOSKLEROSE Irrungen und Wirrungen um die Arteriosklerose Die ersten Überlegungen, daß eine infektionsbedingte Entzündung Vorläufer von Gefäßveränderungen sein könnte, formulierte Sir William Osler in einem Lehrbuch schon zu Beginn unseres Jahrhunderts (Osler 1908). Doch dieser interessante Gedanke geriet völlig in Vergessenheit (die Parallele zu Helicobacter ist frappierend). Später gewannen völlig andere Vorstellungen von der Genese der Arteriosklerose die Oberhand: Das Cholesterin schien bald als Übeltäter überführt, die Beweislast schien erdrückend. Generationen wurden getrimmt, im Cholesterin die Quelle allen Übels zu sehen; wieder einmal waren Zweifel nach offizieller Lehrmeinung nicht mehr erlaubt. Ein ganzer Industriezweig, die Margarineindustrie, lebte von der Verteufelung des Cholesterins (nicht wenige Professoren wiederum von jener). Kleine Ungereimtheiten nahm man in Kauf. Ständig wurden neue, «unabhängige» Risikofaktoren beschrieben. Ein hohes Fibrinogen, das Rauchen, die Pille und viele andere Umstände führten nach Meinung der Biostatistiker jeweils zu einer Vervielfachung persönlicher Risiken. Wenn man alle diese (selbstverständlich unabhängigen und signifikanten) Risiken multiplizieren würde, so dürfte es ganze Bevölkerungsgruppen gar nicht mehr gegeben haben. Doch unter all den «odds ratios» war die des Cholesterins und seiner zahlreichen Unterfraktionen die stabilste. Aber auch hier gab es offensichtliche Ungereimtheiten. Die Tatsache, daß Eskimos trotz gigantischer Cholesterinwerte höchst selten einen Infarkt erleiden, erforderte eine neue Theorie: man befand nicht etwa, daß an der Cholesterinhypothese etwas faul sein könnte, sondern erklärte das Phänomen mit dem regen Verzehr von Fisch. Also wurden Omega-3-Fettsäuren zum Renner, viele Hersteller entsprechender Pillen verdienten nicht schlecht. Inzwischen ist es um diese wie auch um die Margarine erstaunlich ruhig geworden, zumal sich Einflüsse auf die Inzidenz der koronaren Herzkrankheit (KHK) niemals belegen ließen. 70 RESPONSE-TO-INJURY-MODELL Erst die Statine, effektive Cholesterinsenker, schafften in den neunziger Jahren, eindeutige Beweise zu erbringen, daß Cholesterinsenkung tatsächlich zur primären und sekundären Prävention der KHK beitragen kann. Dennoch blieben viele Fragen offen: ➠ Warum erleiden auch Menschen mit völlig normalem Risikoprofil Infarkte? ➠ Warum kommt es bei Menschen mit exzessiven Cholesterinwerten nicht regelhaft zum Infarkt? ➠ Wie erklärt sich die Altersverteilung der Infarkte mit einer relativen Überrepräsentation mittlerer Lebensjahre? ➠ Warum sind in den Plaques immer auch Entzündungsvorgänge nachweisbar? ➠ Wie sollte Cholesterin Entzündung vermitteln? Andererseits: Cholesterinsenkung kann Infarkte verhüten, diese Tatsache scheint geklärt. Wie können wir alle diese Widersprüche erklären? Eine Theorie hat auch in der jüngeren Vergangenheit schon befriedigendere Ansätze verfolgt: Das «response-to-injury»-Modell (Ross 1984 und 1993) bot Erklärungen, wie sie eigentlich schon Osler 1908 formuliert hatte: Die Ablagerungen von Fibrin und Cholesterin sollten nun Folge, nicht Ursache in der Kausalitätskette sein. Die Ablagerungen wären also nichts anderes als ein Therapieversuch des Organismus. Derjenige, der mehr Fibrin oder Cholesterin zur Verfügung hätte, würde eben ein dickeres «Pflaster» auf die Gefäßwandläsionen kleben. Was aber die Mikroverletzungen in der Gefäßwand verursacht, vermochte auch dieser Ansatz nicht zu erklären. Auch ein anderer Befund weist auf entzündliche Vorgänge im Zusammenhang mit der Entstehung von Coronarstenosen hin: Abdelmouttaleb und Mitarbeiter (1999) fanden eine klare Korrelation zwischen der Höhe des C-reaktiven Proteins und der KHK. 71 CHLAMYDIENHYPOTHESE Die Geschichte der Chlamydienhypothese 1963 wurde im Rahmen einer größeren Untersuchung in Taiwan ein atypisches Chlamydien-Isolat aus einem Cornealabstrich erhalten. Das Isolat wurde als TW (Taiwan) 183 bezeichnet. Erst 1983 isolierte man in den USA einen verwandten Stamm aus dem Rachenabstrich eines Studenten mit akuter respiratorischer Erkrankung (Isolat AR 39). Später wurden diese Stämme deshalb TWAR genannt (Grayston 1986). Saikku, von dem noch mehr zu berichten sein wird, fand diesen Stamm als Ursache einer Epidemie milde verlaufender Pneumonien (Saikku 1986). Wenig später publizierte er eine seroepidemiologische Untersuchung, in der er zeigte, daß Patienten mit Myokardinfarkten signifikant höhere Antikörpertiter gegen Chlamydia pneumoniae aufwiesen als eine entsprechende Kontrollgruppe (Saikku 1988). Zunächst war das Echo auf diese Entdeckung eher bescheiden. Doch viele Arbeitsgruppen weltweit begannen mit Untersuchungen, die diesen Befund bestätigen oder widerlegen sollten. ➚ Abbildung 15: Scanning-Elektronenmikroskopische Aufnahme von Chlamydien-Elementarkörperchen (➚). Die Beweiskette Wie alle derartigen Hypothesen muß sich auch die Theorie von der Entstehung der Gefäßkrankheiten durch Chlamydien an Hand der Koch’schen Postulate überprüfen lassen. Sie sollten also am Ort des Geschehens regelmäßig zu finden sein, eine Infektion mit Chlamydien sollte identische Krankheitsprozesse bewirken und die Erreger sollten sich dann wieder re-isolieren lassen. Schauen wir uns also die vorhandenen Mosaiksteine der Beweiskette näher an. 72 FRAGEN UND ANTWORTEN ZUR BEWEISKETTE Frage 1: Passen seroepidemiologische Daten zur Hypothese? Neben Saikku (siehe oben) fanden auch andere Arbeitsgruppen deutliche Hinweise, daß der Nachweis von Antikörpern gegen Chlamydia pneumoniae mit einer erhöhten Inzidenz von Gefäßerkrankungen verknüpft ist. Linnänmäki (1993) fand Chlamydien-spezifische zirkulierende Immunkomplexe bei Patienten mit chronischer koronarer Herzkrankheit hochsignifikant gehäuft. Maass (1995) fand ebenfalls eine Korrelation zwischen Chlamydia pneumoniae-Antikörperstatus und KHK. Inzwischen wurde in fast zwanzig seroepidemiologischen Untersuchungen ein signifikanter Zusammenhang gefunden, nur in zwei Studien wurde dieser verneint (Übersicht in Campbell 1998). Frage 2: Enthalten atheromatöse Plaques Chlamydien? Arteriosklerose beginnt (wie schon Osler fand) als entzündlicher Prozeß. Zunächst findet man ein entzündliches Infiltrat, dann werden die ersten Lipide als sogenannte «fatty streaks» abgelagert. Eine entscheidende Rolle spielen dabei Makrophagen, die sich zu sogenannten Schaumzellen verändern und Lipide einlagern. Diese Schaumzellen werden in atheromatösen Plaques regelmäßig gefunden (Ross 1993). In diesen Plaques fanden nun viele unabhängige Arbeitsgruppen mit unterschiedlichen Methoden den Erreger. Chlamydien wurden histologisch und mittels PCR in Biopsien aus Arterien des gesamten Körpers nachgewiesen. Sowohl in Endarterektomie-Material aus Carotiden (Jackson 1997), Aorta (Kuo 1992, Juvonen 1997) und peripheren Arterien (Kuo 1997, Maass 1998), als auch in Material, das bei Bypass-Operationen am Herzen entnommen wurde, wurde man fündig (Shor 1992, Campbell 1995, Kuo 1995; Mühlestein 1996). Besonders auffällig ist, daß der Erreger auch bei jungen Patienten ohne besondere Risikofaktoren nachweisbar war (Kuo 1995, Varghese 1995). Die reinen PCR-Nachweise wurden zunächst bezweifelt, weil es methodenbedingt nicht sicher ist, daß diese Chlamydien noch vermehrungsfähig sind. Doch auch diese Lücke wurde geschlossen, und Chlamydien wurden aus den Läsionen angezüchtet (Ramirez 1996, Maass 1997). Taylor-Robinson (1998) kommentiert den Stand der Dinge so: Die Präsenz von Chlamydien in arteriosklerotischen Läsionen ist inzwischen jenseits aller Zweifel bewiesen, ihre kausale Rolle noch nicht ganz. 73 FRAGEN UND ANTWORTEN ZUR BEWEISKETTE Frage 3: Kann Chlamydia arteriosklerotische Veränderungen bewirken? Auch diese Voraussetzung für die Induktion des Krankheitsprozesses durch Chlamydien ist offensichtlich erfüllt: Chlamydia infiziert Makrophagen ebenso wie Endothelzellen und induziert Entzündungsvorgänge (Heinemann 1996, Jackson 1997, Redecke 1998), die Produktion von Interleukin 1 und 6, Tumornekrosefaktor und Thromboxan wird stimuliert. Die lokalen Gerinnungsvorgänge werden durch Induktion von Fibrinogen und Gewebsthromboplastin verstärkt (Patel 1994). Hinzu kommt der Nachweis, daß Chlamydien-Lipopolysaccharid Endothelzellen zerstören kann (Fryer 1997). Kalayoglu (1998) konnte schließlich zeigen, daß die Bildung von Schaumzellen, wie sie für die Plaques charakteristisch sind, von Chlamydia induziert wird. Schließlich konnten Cluster aus lebenden Chlamydien in diesen Schaumzellen gefunden werden. Ein ganz anderer zusätzlicher Aspekt wird neuerdings diskutiert (Science 1999, 1335): Durch molekulares Mimikry könnte eine Autoimmunreaktion gegen Myosin im Herzmuskel getriggert werden. Frage 4: Kann die Hypothese im Tierversuch untermauert werden? Besonders gut ließen sich die Infektionen mit weißen Neuseeländer Kaninchen verfolgen. In diesem Modell ließen sich die Stadien der Infektion mit primärer Beteiligung der Atemwege und nachfolgender Arteriosklerose plausibel nachvollziehen. (Übersicht bei Saikku 1998). Laitinen (1997) konnte zeigen, daß in der Aorta von Kaninchen ähnliche Plaques induziert werden, wie man sie beim Menschen findet. Mühlestein (1998) ging noch einen Schritt weiter: Er behandelte einen Teil der infizierten Kaninchen mit Azithromycin und fand, daß dadurch die arteriosklerotischen Veränderungen zu verhindern waren. Aber auch im Mäusemodell konnte die Atherogenese demonstriert werden (Fong 1997, Moazed 1996 und 1998). Letzterer fand Belege, daß nach bronchopulmonaler Infektion Makrophagen für die Generalisation des Erregers verantwortlich sind. In diesen Versuchen fand man, daß die Chlamydien zu einer chronisch persistierenden Infektion führen. Zunächst schien es aber so, als könne man den Erreger nur in der ersten Zeit nach Infektion wieder re-isolieren. Es schien also nicht ausgeschlossen, daß Chlamydia den Prozeß der Gefäßveränderungen nur 74 FRAGEN UND ANTWORTEN ZUR BEWEISKETTE «anschiebt», selbst aber nicht tatsächlich persistiert. Doch auch dies erwies sich als Trugschluß: Behandelte man die Mäuse immunsuppressiv mit Cortison, vermehrten sich die Chlamydien wieder und ließen sich erneut kultivieren. Frage 5: Können sich Chlamydien in humanen Endothelzellen vermehren? Auch diese Frage kann inzwischen zweifelsfrei bejaht werden. Sowohl in Makrophagen als auch in Endothelzellen wachsen Chlamydien und vermehren sich (Gaydos 1996, Godzik 1995, Redecke 1998). Entscheidende Frage: Läßt sich das auch am Menschen reproduzieren? Die (künstliche) Infektion von Menschen mit Chlamydia pneumoniae und die Nachbeobachtung eines ausreichend großen Kollektivs über längere Zeit läßt sich aus mehreren Gründen schlecht verwirklichen; es wäre ethisch völlig unvertretbar und es würde einfach zu lange dauern, bis valide Ergebnisse vorliegen würden. Da bietet sich eine elegantere Alternative an: Man kann bereits infizierte Patienten mit geeigneten Substanzen therapieren und sehen, ob sie von dieser Behandlung profitieren. Auch zu dieser Frage gibt es erste Ergebnisse: Gurfinkel und Mitarbeiter (1997) behandelten Patienten mit instabiler Angina pectoris alternativ mit Roxithromycin (2x150 mg/d über 30 Tage) oder Placebo. Die Antibiotikagabe verbesserte den Outcome der KHK-Patienten signifikant. Im Rahmen der weiteren Beobachtung des Kollektivs ging die Signifikanz des Triple-Endpunktes allerdings verloren. Möglicherweise liegt dies an einem noch nicht optimalen Therapieregime. 75 ANTIBIOTIKA BEI KHK rekurrente Angina akuter Myokardinfarkt Tod «doppelter Endpunkt» «dreifacher Endpunkt» Placebo (n=100) Roxithromycin (n=102) p 5 2 2 4 9 2 0 0 0 2 0,277 0,244 0,244 0,058 0,032 Tabelle 2: Ergebnisse von Gurfinkel Eine zweite Untersuchung von Gupta (1997) kam mit Azithromycin zu ähnlichen Ergebnissen. Jackson und Mitarbeiter (1998) verglichen Azithromycin (2 Tage 500 mg, dann 250 mg über 28 Tage) gegen Placebo bei 88 Patienten, die sich einer perkutanen Angioplastie wegen pAVK unterziehen mußten. Nach sechs Monaten lag die Rate der Re-Stenosierungen in der Verumgruppe bei 9%, in der Placebogruppe bei 16%. Auch dies ist ein durchaus ermutigendes Ergebnis. Abbildung 16: EM-Aufnahme von Chlamydia pneumoniae-Einschlußkörperchen mit Chlamydia pneumoniaeElementar- und Retikularkörperchen. 76 LETZTE ZWEIFEL Meier et al. (1999) prüften einen anderen Ansatz: Könnte es einen Einfluß von Antibiotikagaben (aus welchem Grund auch immer) auf das Risiko eines nachfolgenden Herzinfarktes geben? Sie haben in einem großen Kollektiv untersucht, wie die Gabe bestimmter Antibiotika mit der Wahrscheinlichkeit eines nachfolgenden Infarktes korreliert und haben gefunden, daß bei bestimmten Antibiotikagruppen wie Tetracyclin-Derivaten und Chinolonen tatsächlich das Risiko sank, nicht jedoch bei Penicillinen. So haben wir einen weiteren Mosaikstein für die Richtigkeit der Chlamydien-Hypothese gefunden. Letzte Zweifel bleiben noch Einige Autoren haben postuliert, daß Chlamydia vielleicht nur als harmloser Opportunist die Plaques in den Gefäßen besiedelt. Saikku (1992) konnte jedoch zeigen, daß eine chronische Chlamydia pneumoniae-Infektion ein unabhängiger Risikofaktor einer KHK ist. Auch Jackson (1997) konnte die Theorie des «innocent bystander» eindrucksvoll widerlegen. Ziehen wir also ein vorläufiges Fazit: Chlamydia pneumoniae ist dabei, in einem Indizienprozeß klassischer Form verurteilt zu werden. Die Beweislast wird immer erdrückender. Der Keim wird regelmäßig am Tatort gefunden, er besitzt alle Fähigkeiten, die ihm nachgesagten Zerstörungen anzurichten, und seine Beseitigung führt (soweit es die bisherige, eher kleine Studienlage belegt) zu einer Verbesserung der Symptomatik der betroffenen Patienten. Ganz sicher aber können nicht alle Herzinfarkte, sondern nur eine Teilmenge, durch Chlamydien-Infektionen erklärt werden. Man wird also wohl nach geeigneten Kriterien suchen müssen, wie die Risikogruppen voneinander zu trennen sind, damit eine optimierte Therapie erfolgen kann. Dies sollte uns nicht stören, denn schließlich ist nach allgemeiner Lebenserfahrung selten eine einzige Ursache für alle ähnlichen Ereignisse verantwortlich. Die Verfechter der Cholesterin-Hypothese haben jedenfalls jahrzehntelang mit schlechteren Argumenten die Weltmeinung bestimmt. 77 CHLAMYDIA PNEUMONIAE: VERMEHRUNGSZYKLUS Was sind Chlamydien? Chlamydien sind gramnegative, obligat intrazellulär wachsende, «atypische» Bakterien. Sie besitzen eine besondere Affinität zu Endothelzellen und Makrophagen. Der Vermehrungszyklus ist in der nachfolgenden Abbildung 17 dargestellt. Extrazelluläre Elementarkörperchen (EK); infektiös Anheftung und Phagozytose durch die Zelle Zellkern 0h Retikularkörperchen (RK); Synthesephase; Vermehrung durch 10 h Zweiteilung (Generationszeit 6 h) Freisetzung 48 h 40 h Bildung von MOMP und Elementarkörperchen («Schaumzelle») 20 h 24 h Einschlußkörperchen; Teilungsphase; Antigenexpression auf der Zelloberfläche Initialkörperchen (Fusion der Einschlußkörperchen) Abbildung 17: Vermehrungszyklus von Chlamydia pneumoniae Derzeit sind drei Chlamydien-Arten bekannt. Chlamydia psittaci ist der Erreger der Papageienkrankheit, Chlamydia trachomatis verursacht (unter anderem) das Trachom. Die in diesem Kapitel diskutierte Chlamydia pneumoniae ist der dritte Vertreter der Gruppe. Klinik der Chlamydien-Infektionen Chlamydia trachomatis kann auf unterschiedliche Weise übertragen werden. Nach Schmierinfektion am Auge verursacht sie das vor allem in afrikanischen Ländern weitverbreitete Trachom, die häufigste Ursache erworbener Blindheit (Serotyp A-C). Nach sexueller Übertragung ist sie häufig für Urethritiden und Cervicitiden 78 CHLAMYDIEN-INFEKTIONEN: THERAPIE verantwortlich (Serotyp D-K). Wird der Erreger haematogen gestreut, kann eine Chlamydien-induzierte Arthritis entstehen. Dies galt früher als typische «reaktive» Arthritis; heute wissen wir, daß der Keim in den Gelenken persistiert (Übersicht bei Wollenhaupt 1998). Chlamydia psittaci ist primär bei Vögeln verbreitet und wird relativ selten auf den Menschen übertragen. Sie kann schwere hochfieberhafte Pneumonien («Papageienkrankheit») auslösen. Chlamydia pneumoniae verursacht nach Tröpfcheninfektion mit einer Inkubationszeit von etwa 2-3 Wochen primär respiratorische Erkrankungen. Die Bandbreite reicht von der fast asymptomatischen Infektion bis zur schweren Pneumonie (Freidank 1992). Diagnostik Chlamydien-Antikörper können serologisch nachgewiesen werden. Dabei ist aber zu beachten, daß beträchtliche Kreuzreaktivitäten zwischen allen ChlamydienArten und auch mit Bartonellen bestehen. Frühere Testverfahren basierten auf dem Nachweis eines gattungsspezifischen Lipopolysaccharid-Antigens, das allen drei Arten gemeinsam ist. Aus diesem Grund sind ältere Arbeiten, die mit nicht ausreichend spezifischen Verfahren Daten erhoben haben, mit einer gewissen Vorsicht zu genießen (Beispiel: Die extrem hohe Chlamydia trachomatis-Durchseuchung in Afrika macht Aussagen über Differentialdiagnosen sehr schwierig). In neuerer Zeit hat man versucht, artspezifische serologische Verfahren zu etablieren, die aber noch unzureichend standardisiert sind. Als Goldstandard gilt der Mikro-Immunfluoreszenz-Test (MFT), der speziesspezifisch ist und gut reproduzierbare Ergebnisse liefert. Leider korreliert er nicht besonders gut mit dem Nachweis von Chlamydien aus der Gefäßwand mittels der PCR-Methode (Maass 1998). Therapie Mehrere Antibiotikagruppen sind gegen Chlamydien wirksam. Der frühere Standard, Doxycyclin, wird zunehmend von den neueren Makrolid-Antibiotika wie Roxithromycin, Clarithromycin und Azithromycin abgelöst. Letztere weisen MHK Werte bis hinunter zu 0,007 mg/l auf (Ridgway 1991, Gieffers 1998). Besonders geeignet sind Makrolide auch deshalb, weil sie intrazellulär ihre höchsten 79 CHLAMYDIA PNEUMONIAE UND ASTHMA… Konzentrationen erreichen, also im gleichen Verteilungsraum wie die Chlamydien optimal verfügbar sind. Auch die modernen Chinolone wie das Levofloxacin sowie das neue Ketolid-Antibiotikum HMR 3647 wirken exzellent gegen Chlamydien und haben die therapeutische Palette deutlich erweitert (Robun 1998). Eine weitere Option bieten Rifampicin und seine Derivate. Resistenzentwicklungen wurden bisher klinisch nicht beobachtet, im Tierversuch lassen sich allerdings Resistenzen gegen Chinolone und Rifampicin, nicht aber gegen Rifabutin erzeugen (Saikku, pers. Mitt.). Möglicherweise werden in Zukunft ähnlich wie bei Helicobacter auch Kombinationstherapien etabliert werden. Die notwendige Dauer der Therapie ist noch nicht hinreichend untersucht, meist werden zwei bis drei Wochen für sinnvoll gehalten, bei der Chlamydien-induzierten Arthritis werden drei Monate empfohlen. Zu beachten ist, daß Chlamydien nur während einer relativ kurzen Zeitspanne ihres Vermehrungszyklus sensitiv gegenüber Antibiotika sind (siehe Abbildung 17: Vermehrungszyklus). Daher können Persister die Therapie komplizieren. Neueste Entwicklungen und Perspektiven Seit kurzem wird diskutiert, daß Chlamydia pneumoniae auch für andere Krankheiten verantwortlich sein könnte. Asthma, so glauben einige Autoren, könnte eine Folge der chronischen Besiedlung des Respirationstraktes durch diesen Keim sein (Grayston 1996, Cook 1998, Hahn 1998). Man fand Hinweise, daß zumindest in Einzelfällen die Infektion über eine obstruktive Bronchitis zu einem Asthma führen kann. Andere Arbeitsgruppen bezweifeln dies ebenso überzeugend (Larsen 1998). Die Hinweise sind aber noch zu wenig konkret, als daß man hier seriöse Fakten darstellen könnte. Als ob das alles nicht genug wäre, wird jetzt auch noch die Alzheimer-Krankheit in die Diskussion gebracht. Balin (1998) und seine Arbeitsgruppe fanden mit der PCR und mit histologischen Verfahren Chlamydien in 17 von 19 untersuchten Gehirnen von Alzheimer-Patienten, bei der Kontrollgruppe in keinem einzigen! Sie fanden sie dort, wo auch die typischen histologischen Veränderungen zu finden waren. 80 CHLAMYDIEN-INFEKTIONEN: LITERATUR Ausgewählte Literatur: Abdelmouttaleb I. et al.: C-rective protein and coronary artery disease: additional evidence of the implication of an inflammatory process in acute coronary syndromes. Am Heart J 1999; 137: 346-351. Balin B.J. et al.: Identification and localization of Chlamydia pneumoniae in the Alzheimer’s brain. Med Microbiol Immunol (Berlin) 1998; 187: 23-42. Campbell L.A. et al.: Detection of Chlamydia pneumoniae by polymerase chain reaction. J Clin Microbiol 1992; 30: 434-439. Campbell L.A. et al.: Detection of Chlamydia pneumoniae TWAR in human coronary atherectomy tissues. J Infect Dis 1995; 172: 585-588. Campbell L.A. et al.: Chlamydia pneumoniae and cardiovascular disease. Emerging Infect Dis 1998; 4 (Internet: www.cdc.gov/ncidod/EID) Cook P.J. et al.: Chlamydia pneumoniae and asthma. Thorax 1998; 53: 254-259. 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Anfang der 40er Jahre registrierte man in Südosteuropa und Südrußland bei Soldaten atypische Pneumonien, die als Balkangrippe bzw. Krimfieber in die Literatur eingingen. Auch in diesen Fällen konnte als Verursacher der Q-Fieber-Erreger nachgewiesen werden (Dodié et al. 1993). Was ist das für eine Infektion, die in so unterschiedlichen geographischen Bereichen der Erde beim Menschen zu gehäuften Erkrankungen führen kann ? Der Erreger: Coxiella burnetii Die ökologische und epidemiologische Sonderstellung der Q-Fieber-Erreger ist eng mit ihren charakteristischen Eigenschaften verknüpft. Systematisch gehören sie zu der Bakterien-Familie der Rickettsiaceae und vermehren sich als obligat intrazelluläre Parasiten. Die Besonderheit der Q-Fieber-Erreger liegt in ihrer hohen Resistenz gegenüber Eintrocknen und anderen physikalischen Faktoren. Q-Fieber-Rickettsien treten in zwei Formen auf, größeren stäbchenförmigen oder pleomorphen Körperchen sowie kleineren, sporenähnlichen, rundlichen Formen, die sich innerhalb der großen Formen bilden oder aber durch Zweiteilung vermehren können (McCaul et al. 1981). Speziell diese sporenartigen Erreger sind für die 84 Q-FIEBER UND SCHAFE hohe Tenazität verantwortlich. Sie überleben 1-2 Jahre in trockenem Zeckenkot, länger noch in abgestorbenen Zecken. Auch in trockener Erde bleiben sie über Monate infektionsfähig. Im Wasser überdauern diese Bakterien 1-2 Jahre, auch in Milch und Fleisch infizierter Tiere überleben sie u.U. Monate. Speziell diese Merkmale waren der Anlaß, die Q-Fieber-Erreger einem eigenen Genus Coxiella zuzuordnen und in Coxiella burnetii umzubenennen. Abbildung 18: Harmlos scheinende Schafherden: Mögliche Überträger des Q-Fiebers. Übertragungswege von Coxiella burnetii Wie viele Rickettsien wird auch Coxiella burnetii von Zecken übertragen. Weltweit sind über 50 Zeckenarten als Vektoren beschrieben, in Mitteleuropa ist die Schafzecke Dermacentor marginatus der weitaus wichtigste Überträger (Liebisch 1976, 1977). Die Übertragungswege sind außerordentlich vielfältig und verzweigt: Zwischen den Larven und Nymphen von Dermacentor entwickelt sich mit deren Wirtstieren, kleinen Nagern, ein basaler Kreislauf, der indessen zweimal im Jahr, in Deutschland von März bis April und von August bis September, eine Erweiterung erfährt. Zu dieser Zeit nämlich haben die adulten Dermacentor-Zekken ihre Aktivitätsphase und befallen dann größere Wildtiere wie Rotwild und 85 Q-FIEBER: EPIDEMIOLOGIE Füchse, aber auch Haustiere wie Schafe, Ziegen und Rinder. Dies führt zu einer enormen Intensivierung der Coxiellen-Übertragung. Die adulten Zecken geben große Mengen von Kot ab, der enorme Mengen an Erregern enthält und nach dem Eintrocknen eine rußartige Konsistenz annimmt. Dieses Material kann aerogen verbreitet werden und so zur Infektion weiterer Tiere führen (Liebisch et al. 1976). Die hohe Resistenz der Coxiellen, verbunden mit einer geringen Infektionsdosis bei gleichzeitig hoher Erregerzahl führt dabei zu einer außerordentlich hohen Kontagiosität dieser Infektion. Diese wird noch durch den Umstand verstärkt, daß Coxiellen-Infektionen v.a. bei Schafen zu Aborten führen. Die Lochien und die Plazenten solcher Tiere enthalten dann massenhaft Erreger, die zu einer weiteren Verbreitung führen. Eingetrocknete Fruchthäute, die auf der Weide verbleiben, können zu einer monatelangen «Verseuchung» des Geländes führen, und darüberhinaus kann das infektiöse Nachgeburtsmaterial bzw. die Infektion durch Raubtiere und Vögel weiter verschleppt werden. Nichtsdestoweniger spielen die Zecken als Reservoir die größte Rolle, die Persistenz der Infektion ist mit ihrem Vorkommen verbunden. Epidemiologie Q-Fieber ist auf allen Kontinenten verbreitet, für die Bildung von Naturherden sind indessen warme und trockene Klimazonen am günstigsten. In Europa ist demzufolge vor allem der Mittelmeerraum betroffen; in Deutschland kommt diese Infektion ganz überwiegend in Bayern, Baden-Württemberg und den angrenzenden Bundesländern vor, wohingegen sie in nördlicher Richtung zunehmend seltener wird. Möglicherweise wurde das Q-Fieber erst in den Kriegs- und Nachkriegsjahren mit unkontrollierten Tiertransporten verschleppt, nichtsdestoweniger hat es sich in Süddeutschland bis in die neueste Zeit fest etabliert: So kam es etwa 1997 auf einer Damwildfarm mit ca. 70 Tieren im Großraum Stuttgart zu gehäuften Aborten, teilweise mit Mißbildungen der Feten und erhöhter Jungtiersterblichkeit, die zu einem 50%igen Verlust der Nachzucht führten. Durch die bakteriologische Untersuchung der Plazenten und Feten konnte eindeutig Coxiella burnetii als Verursacher nachgewiesen werden. Entsprechend der hohen Kontagiosität kam es es in der Folge bei über 90% der Kontaktpersonen zur Infektion, in 17% davon zu einer manifesten Erkrankung (Kimmig et al. 1997). In Mitteleuropa treten menschliche Q-Fieber-Erkrankungen jedoch am häufigsten über Schafe (Schulze et al. 1996; Lyytikäinen et al. 1998) in Osteuropa über Ziegen 86 COXIELLA BURNETII (Serbezov et al. 1999) auf, in Deutschland kommt es speziell im Bereich der Triebwege von Wanderschafen bzw. im Gebiet der Winterquartiere dieser Haustiere immer wieder zu Epidemien. Im den ersten beiden Juli-Wochen 1998 gingen beim Gesundheitsamt Freiburg sechs Meldungen über Q-Fieber-Erkrankungen ein, die bei Überprüfung eine auffällige Beziehung zum Flugplatz in Freiburg aufwiesen. Bei diesem zentral gelegenen Platz handelt es sich um eine Wiese, die auch als Schafweide genutzt wird und somit eine potentielle Quelle für diese Coxiellen-Infektion darstellte. Die Situation verschärfte sich aktuell dadurch, daß auf diesem Flugplatz am folgenden Wochenende ein Flohmarkt veranstaltet werden sollte, zu dem Zehntausende von Besuchern erwartet wurden. Angesichts der hohen Kontagiosität veranlaßten die Gesundheitsbehörden daher kurzfristig einen Abbruch der Veranstaltung. Diese Maßnahme wurde durch weitergehende retrospektive Nachforschungen, die mit Hilfe der aufsuchenden Epidemiologie und durch diagnostische Laboruntersuchungen vorgenommen wurden, glänzend gerechtfertigt. Insgesamt konnten im Bereich der Aufenthaltsorte der Wanderschafe über 100 humane Fälle von Q-Fieber ermittelt werden, ein deutlicher Hinweis darauf, daß auch in Deutschland nach wie vor mit Q-Fieber gerechnet werden muß (Kimmig und Zöllner 1998). Erkrankung von Mensch und Tier durch Coxiella burnetii Nach der Infektion mit Coxiella burnetii, die beim Menschen fast ausschließlich auf aerogenem Wege erfolgt, gelangen die Erreger über Lymph- und Blutbahn zunächst in die Zellen des RES, wo es zu einer primären Erregervermehrung kommt. Ähnlich wie bei Virus-Infektionen folgt über eine Erregergeneralisation dann die Organmanifestation, bei der insbesonders die Lunge und in geringerem Maße die Leber betroffen ist. Histologisch äußert sich die Infektion als interstitielle Pneumonie bzw. als granulomatöse Hepatitis (Dedié et al. 1993). Die Morbidität einer Q-Fieber-Infektion ist offenbar relativ gering und dürfte bei ca. 20% liegen. Eine klinische Erkrankung, die nach einer Inkubationszeit von zwei bis drei Wochen auftritt, äußert sich oft nur in Form einer Sommergrippe mit Fieber und Gliederschmerzen. Beim vollausgeprägten Krankheitsbild gilt die Trias hohes Fieber, retroorbitaler Kopfschmerz und atypische Pneumonie als pathognomonisch. Häufig kommen dazu noch die Zeichen einer begleitenden Hepatitis, seltener sind ZNS, Herz, Knochenmark und Hoden betroffen (Krauss et al. 1997). 87 Q-FIEBER: DIAGNOSE In 2-10% der Fälle nehmen Q-Fieber-Infektionen einen chronischen Verlauf. Nach einem beschwerdefreien Intervall von wenigen Monaten bis vielen Jahren kommt es dann vorzugsweise zu einer Endocarditis (Stein et al. 1995), besonders bei vorgeschädigten Herzklappen, als Ausdruck einer Allgemein-Infektion können auch Leber, Milz und Niere beteiligt sein (Gerth 1988). Tiere erkranken in der Regel überhaupt nicht oder weniger schwer als der Mensch. Am bedeutsamsten sind Erkrankungen des Genitales bei Schafen, die zu Aborten führen (Thiel 1974). Beim Rind ist in erster Linie das Euter betroffen, so daß es zur Abgabe Coxiellen-haltiger aber sonst unveränderter Milch kommt. Im Gegensatz zu den hochinfektiösen Aborten spielt die infizierte Milch epidemiologisch jedoch nur eine geringe Rolle (Dedié et al. 1993). Diagnose Mit klinischen Verfahren läßt sich nur die Verdachtsdiagnose eines Q-Fiebers stellen, eine definitive Diagnose ist nur auf serologischem Wege möglich. Als gängiges serologisches Verfahren ist hier die KBR im Gebrauch, eine bessere Sensitivität weisen jedoch der Indirekte IFT und der ELISA auf. Coxiellen treten in 2 Phasen auf: PhaseI-Antigene treten in Säugetierzellen auf, bei Passage der Erreger in embryonierten Hühnereiern werden offenbar tieferliegende Antigene der Phase II freigesetzt. Antikörper gegen Phase II-Antigene werden ab der 2. Woche post infectionem gebildet, Antikörper gegen Phase I-Antigen treten dagegen frühestens ab dem 40. Tag post infectionem auf und sind somit zur Diagnostik einer akuten Infektion nicht geeignet. Ihr Wert liegt in der Diagnostik einer chronischen Coxiellen-Infektion, bei der in der Regel hohe Titer gemessen werden (Fiset et al. 1986, Krauss et al. 1997). In der Humandiagnostik spielen Verfahren zum direkten Erregernachweis keine Rolle, wohl aber in der Veterinärdiagnostik. In den Feten, Lochien und Plazenten sowie im Lochialsekret und Zervixabstrichen infizierter Tiere lassen sich mit speziellen Färbungen (z.B. Färbung nach Stamp) die Coxiellen mikroskopisch nachweisen. Serologische Verfahren werden vor allem zur Ermittlung des Verseuchungsgrades des Bestandes herangezogen (Dedié et al. 1993). 88 Q-FIEBER: THERAPIE Therapie Das Mittel der Wahl bei einer akuten Q-Fieber-Infektion sind Tetracycline für eine Dauer von 2-3 Wochen. Auch Ofloxacin und Pefloxacin/Rifampicin haben sich als wirksam erwiesen. Ein therapeutisches Problem ist das chronische Q-Fieber. Hier wird eine langjährige Behandlung mit Doxycyclin/Pefloxacin oder neuerdings mit Doxycyclin/Chloroquin empfohlen (Krauss et al. 1997). Bei Tieren liegt die Bekämpfung in der Prophylaxe. Bei Schafen haben sich Akarizide als sehr effektiv erwiesen, die vor Auftreten der adulten Zecken in die Nackenwolle eingebracht werden (Liebisch et al. 1976). Die Effektivität von Schutzimpfungen bei Tieren wird unterschiedlich beurteilt. 89 Q-FIEBER: LITERATUR Ausgewählte Literatur: Dedié K., Bockemühl J., Kühn H., Volkmer K.-J., Weinke T.: Bakterielle Zoonosen bei Tier und Mensch. Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart 1993. Fiset A., Ormsbee R.: The antibody response to antigens of Coxiella burnetii. Zbl Bakteriol I Abt orig 1986; 206: 321-328. Gerth H.: Q-Fieber. Hyg Med 1988; 13: 135-156. Kimmig P., Zöllner I.: Q-Fieber-Epidemie in Freiburg. Jahresbericht des Landesgesundheitsamtes BadenWürttemberg 1998. 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Hierzu gehören neben dem Herpes-Simplex-Virus Typ 1 und 2 (HSV-1 und -2), das die bekannten Lippenbläschen, bzw. eine ähnliche Symptomatik im Genitalbereich verursacht, das Varicella-Zoster-Virus (VZV) als Erreger der Windpocken und der Gürtelrose, das Epstein-Barr-Virus (EBV) als Erreger der infektiösen Mononukleose (Studenten-Kußfieber), das Zytomegalievirus (ZMV) als Erreger der Zytomegalie, sowie erst seit kurzem bekannt 3 weitere Herpesviren, die als humane Herpesviren (HHV) Typ 6, 7 und 8 bezeichnet werden. Herpesviren sind wie alle Viren und im Gegensatz zu Bakterien keine Lebewesen, sondern komplexe chemische Makromoleküle. Sie bestehen aus einer Eiweißummantelung (Hülle und Kapsid), die die genetische Information des Virus, in diesem Fall eine doppelsträngige DNA, enthält. Da Viren keine Lebewesen sind, sind sie auch nicht zur eigenständigen Vermehrung befähigt, sondern benötigen für ihre Vervielfältigung lebende Zellen, in denen sie sich vermehren können. Die Infektion der Zellen durch das Virus erfolgt mit Hilfe der Virushülle bzw. des Viruskapsides, die das Virus zum Eindringen in die Zelle befähigt. Die genetische Information, die das Virus in die Zelle einbringt, ist in der Lage, den Stoffwechsel der Zelle auf die Bedürfnisse des Virus umzustellen. In den meisten Fällen dient dies der Vermehrung des Virus in der Zelle. Die Zelle geht dabei häufig zugrunde. Dies wird als sogenannter zytopathischer Effekt bezeichnet. Der Tod und Untergang der infizierten Zelle ist auch in vielen Fällen für die Schäden und Symptome verantwortlich, die man während und nach einer Virusinfektion am Organismus bemerkt. Viele Viren, darunter auch die Herpesviren, sind jedoch in der Lage, nach erfolgter Erstinfektion im Organismus zu verbleiben. Aufgrund verschiedener Mechanismen ist das Immunsystem nicht fähig, sich dieser Viren zu entledigen. Dies ist darauf zurückzuführen, daß das Erbgut des Virus nach überstandener symptomatischer Infektion in einigen Zellen verbleibt, ohne daß es zu einer Virusvermehrung kommt. Dieses Stadium wird als Latenz bezeichnet. Während der Latenz werden auch keine viruseigenen Gene exprimiert, die zu einer Immunreaktion gegen das 91 HERPESVIREN IM EM Virus oder die virusinfizierte Zelle führen könnten. Auch die Zelle kann mit ihrem «Gast» überleben und erleidet keinen weiteren Schaden. Abbildung 19: EM-Aufnahme einer Herpesviren-Sprossung Gut bekannt ist, daß das Herpes-Simplex-Virus Typ 1 oder 2 bei betroffenen Patienten immer wieder aus der Latenz heraus die bekannten Lippenbläschen auslöst. Insbesondere nach Einwirkung von UV-Licht, aber auch bei Streßsituationen kommt es zu Rezidiven, die damit zusammenhängen, daß das Virus nach einer akuten Episode in den Nervenzellen der Trigeminusganglien verbleibt und von dort entlang der Nervenzellen wieder zu den bekannten Hautarealen wandert und dort die Krankheitssymptome verursacht. Ähnliche Verhältnisse treffen 92 HERPES GENITALIS auch auf das Varicella-Zoster-Virus zu. Bei der Erstinfektion kommt es zum Krankheitsbild der Windpocken. Sind diese abgeklungen, so verbleibt das Virus in den Nervenzellen der Rückenmarksganglien. Wenn, meist jenseits des dreißigsten Lebensjahres, die Immunität des Körpers gewissen Einschränkungen unterliegt, wandert das Virus von dort aus in die entsprechenden Hautareale und verursacht dort den Herpes Zoster, die Gürtelrose. Auch beim Epstein-Barr-Virus und beim Zytomegalievirus sind Rezidivinfektionen gut bekannt, wenn auch die Viren in anderen Zellen (Lymphozyten, Stromazellen des Knochenmarks) überleben als bei HSV und VZV. Abbildung 20: Herpes genitalis 93 HUMANES HERPESVIRUS-6 5.1 DREITAGE-FIEBER MIT LANGZEITFOLGEN: HHV-6 Während die oben genannten Herpesviren schon seit vielen Jahren bekannt sind, wurde ein weiteres Herpesvirus, nämlich HHV-6, erst 1986 durch Salahuddin von HIV-Patienten mit lymphoproliferativen Erkrankungen isoliert. Zunächst war unklar, ob dieses Virus überhaupt mit einem bekannten Krankheitsbild assoziiert werden kann. Jedoch wurde zwei Jahre später durch eine japanische Arbeitsgruppe gezeigt, daß HHV-6 der Erreger des Dreitage-Fiebers (Exanthema subitum, Roseola infantum) bei Kindern ist. Es dauerte jedoch noch weitere 3 Jahre, bevor man erkannte, daß von diesem Virus ähnlich wie bei HSV zwei unterschiedliche Subtypen existieren, die ein unterschiedliches Krankheitsbild auslösen können. So ist vor allem der Subtyp B verantwortlich für die Ausbildung des Dreitage-Fiebers bei Kindern, während der Subtyp A eher von Erwachsenen mit lymphoproliferativen Erkrankungen isoliert wird. Beide Subtypen unterscheiden sich sowohl in bezug auf ihre antigenen Eigenschaften als auch hinsichtlich ihres Wachstumsverhaltens und ihrer genetischen Information. In der Regel erkranken Kinder innerhalb der ersten beiden Lebensjahre am Dreitage-Fieber, wobei nur ca. 30% der Erkrankungen unter den typischen klinischen Zeichen mit kleinfleckigem (makulopapulösem) Hautausschlag am Rumpf und den Extremitäten verläuft. Typisch für das Dreitage-Fieber ist der zweigipfelige Verlauf, bei dem nach einer Inkubationszeit von 3-10 Tagen zunächst hohes Fieber (38,5-41°C), dann mit Abklingen des Fiebers nach 3-5 Tagen innerhalb von Stunden (Exanthema subitum!) ein kleinfleckiges Exanthem auftritt. Die Infektion wird begleitet von einer Pharyngitis, teilweise Erbrechen, einer cervikalen Lymphknotenschwellung sowie nicht selten einer Mittelohrentzündung. Die Kontagiosität der Infektion ist hoch. Aufgrund der hohen Durchseuchung sind jedoch mit Ausnahme von Frühgeborenenstationen und immunsupprimierten seronegativen Patienten nach derzeitigem Kenntnisstand im klinischen Alltag keine besonderen Vorsichtsmaßnahmen erforderlich. Im Alter von über zwei Jahren sind mehr als 80% aller Kinder seropositiv. Die HHV-6-Infektion zeichnet für bis zu 20% der Ambulanzbesuche von Kleinkindern verantwortlich und kann in bis über 10% der Fälle recht schwer mit hohem Fieber, Krämpfen und meningoencephalitischen Zeichen verlaufen. In ausgeprägten Fällen kann es zu einer fulminant verlaufenden (Autoimmun-)Hepatitis und zu einer adrenalen Insuffizienz kommen. Inwieweit in solchen Fällen eine Therapie 94 DREITAGE-FIEBER mit Ganciclovir hilfreich ist, bleibt abzuwarten. In vitro ist das Virus gegen Ganciclovir und Foscarnet sensitiv, gegen Aciclovir nicht sehr sensibel. Es existieren jedoch Berichte, nach denen die hochdosierte i.v. Gabe von Aciclovir bei Erwachsenen mit HHV-6-Meningoencephalitis erfolgreich war. Allerdings wurde HHV-6 bei HIV-Patienten auch unter niedrig dosierter Aciclovir-Therapie isoliert. Hervorzuheben ist neben dem Tropismus von HHV-6 für Makrophagen, CD8-, NK- und CD4-Zellen auch der erst spät erkannte ausgeprägte Neurotropismus. So infiziert das Virus in vitro bestimmte Nervenzellen (Astrozyten) und kann zu ca. 15% bis 70% in Hirnbiopsien verstorbener Patienten nachgewiesen werden. Bei Kindern mit unklarem Fieber und Krämpfen wurde es ebenfalls zu 15% im Liquor cerebrospinalis nachgewiesen, was eine ursächliche Beteiligung des Virus an der Krankheitsgenese nahelegt. Auch nach überstandener Erkrankung bleibt es bei knapp einem Drittel der Patienten im Liquor nachweisbar. Dies läßt vermuten, daß das Zentralnervensystem auch einen Ort der Latenz für HHV-6 darstellt. Neben den bekannten Infektionsverläufen bei Kindern und Kleinkindern wurde in letzter Zeit auch vermehrt von Infektionen Erwachsener berichtet. Während man zunächst dachte, daß HHV-6-Infektionen im Erwachsenenalter nur bei immungeschwächten Personen und HIV-Patienten eine wesentliche Rolle spielen, zeigt sich in der jüngsten Zeit, daß auch bei immunkompetenten Erwachsenen eine HHV-6-Infektion mit ZNS-Beteiligung vorkommen kann. Wir hatten selbst in der letzten Zeit einige solcher Fälle verfolgt. Typischerweise findet sich bei diesen Patienten plötzlich auftretendes Fieber (> 39,5°C), diffuse Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. In bildgebenden Verfahren zeigt sich eine Panencephalitis, im Liquor eine leichte lymphozytäre Pleozytose. Oligoklonale Liquorbanden sind meist vorhanden. Das Virus kann entweder mit Hilfe der PCR im Liquor nachgewiesen werden (bei einer ZNS-Symptomatik bleibt der Virusnachweis in Zellen des peripheren Blutes meist negativ), häufig findet sich im Liquor auch eine entsprechende autochthone Produktion virusspezifischer Antikörper. Allerdings ist bisher unklar, ob es sich bei diesen Fällen um Rekrudeszenzen bereits vorbestehender HHV-6-Infektionen oder um kürzliche Primärinfektionen handelt. Sollte es sich um ein Krankheitsgeschehen in Analogie zum Herpes-Simplex-Virus handeln, so müßte man damit rechnen, daß die Mehrzahl dieser Fälle einem akuten endogenen Rezidiv entspricht. 95 HHV-6 UND MULTIPLE SKLEROSE Die Fähigkeit des HHV-6 zur Latenz im ZNS, sein Nachweis in Hirnbiopsien und seine Infektiosität für bestimmte Nervenzellen ließen vermuten, daß die Infektion mit HHV-6 auch an der Genese weiterer ZNS-Erkrankungen beteiligt sein könnte. Über seine mögliche Fähigkeit, Autoimmunprozesse auszulösen, wurde an mehreren Stellen berichtet. In diesem Zusammenhang wurde auch untersucht, ob sich bei Multipler Sklerose (MS) ein Zusammenhang mit einer HHV-6-Infektion finden läßt. So wurde von verschiedenen Arbeitsgruppen Nervengewebe und Liquor cerebrospinalis von MS-Patienten untersucht. Die Ergebnisse zeigten, daß einige MS-Patienten sowohl im Serum erhöhte HHV-6-Antikörpertiter besitzen, wie auch im Liquor mancher MS-Patienten HHV-6 nachgewiesen werden konnte. Auch im Nervengewebe von einigen MS-Patienten konnte DNA des Virus nachgewiesen werden, während bei anderen Patienten, die ebenfalls unter demyelinisierenden Erkrankungen litten (SSPE, idiopathische Leukencephalopathie) die entsprechenden Nachweise negativ blieben. Allerdings konnten die serologischen Ergebnisse in anderen Studien in dieser Form nicht bestätigt werden. Auch ist durch solche Studien ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer HHV-6-Infektion und einer MS keinesfalls belegt. Trotzdem erscheint es möglich, daß ähnlich wie bei anderen Infektionen (Helicobacter pylori, Borrelia spp.) bei einem Teil der MSPatienten nicht eine endogene, sondern eine bis jetzt nicht bekannte infektiöse Ursache der Erkrankung vorliegt. Abbildung 21: MRT-Aufnahme des Gehirns eines Patienten mit MS In früheren Arbeiten wurde weiterhin angenommen, daß HHV-6 mit dem chronischen Müdigkeitssyndrom (chronic fatigue syndrome) assoziiert sei. In späteren 96 HHV-6: THERAPIE Untersuchungen konnte dies jedoch nicht bestätigt werden. Allerdings ist die Beurteilung schwierig, da die Durchseuchung mit HHV-6 hoch ist (s.o.) und im Laufe des Lebens immer wieder Reaktivierungen erfolgen. Derzeit findet sich die beste Assoziation des chronischen Müdigkeitssyndroms mit protrahiert oder rezidivierend verlaufenden Infektionen mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV). Diagnostik Die klinische Diagnose einer HHV-6-Infektion ist bei typischem Verlauf mit 3 bis 4 Tagen Fieber und darauf folgendem kleinfleckigem Exanthem gut möglich. Bei anderen Verlaufsformen kann die serologische Untersuchung oder der Virusnachweis hilfreich sein. Typischerweise lassen sich bei der Primärinfektion IgMAntikörper nachweisen, Kreuzreaktionen mit dem Zytomegalievirus müssen jedoch beachtet werden. Problematisch ist die Labordiagnose von endogenen Rezidiven in späterem Lebensalter, da hier häufig keine IgM-Antikörper mehr gebildet werden. Über die in solchen Fällen manchmal hilfreiche Bestimmung der IgAAntikörper liegen bei HHV-6 derzeit noch keine ausreichenden Erfahrungen vor. In solchen Fällen kann daher der Nachweis von freiem Virus aus dem Speichel oder dem Plasma/Serum, gegebenenfalls mittels PCR, hinweisend sein. Die Virusisolierung durch Kokultivierung der T-Lymphozyten des Patienten mit sensitiven T-Zellkulturen ist hierfür nur bedingt geeignet, da nicht hinreichend zwischen einer latenten und einer reaktivierten Infektion unterschieden werden kann. Therapie Da es sich bei HHV-6 um ein Herpesvirus handelt, liegt es nahe, daß Substanzen mit Aktivität gegen andere Herpesviren auch gegen HHV-6 wirksam sind. In vitro zeigt sich die beste Wirksamkeit bei Ganciclovir und Foscarnet; Aciclovir wirkt in vitro nur in hohen Dosen. In vivo wurde allerdings auch von Erfolgen bei einer i.v.Therapie mit Aciclovir (3 x 500 mg/d) bei akuter HHV-6-Meningoencephalitis berichtet. Bislang existieren zu keiner Therapieform kontrollierte Studien, und keine der genannten Substanzen ist für diese Indikation offiziell zugelassen. Welches Therapieprotokoll sich in der Zukunft als das Optimum erweist, bleibt daher abzuwarten. 97 HUMANES HERPESVIRUS-7 5.2 PITYRIASIS ROSEA: HHV-7 Ein weiteres Herpesvirus, welches kurz nach HHV-6 entdeckt wurde, ist das HHV-7. Ähnlich wie das HIV infiziert dieses Virus menschliche CD4-Lymphozyten über den CD4-Rezeptor. Auch HHV-7 verbleibt nach erfolgter Erstinfektion lebenslang im Organismus in den Lymphozyten und kann bei Immunsuppression oder Belastung des Immunsystems immer wieder reaktiviert werden. Bei akut erkrankten Patienten läßt sich das Virus aber auch aus dem Serum und der Haut isolieren. Die Durchseuchung mit HHV-7 ist hoch. Etwa 85% der Bevölkerung tragen das Virus in sich. Bereits im Alter von 2-5 Jahren sind die meisten Kinder infiziert. Da eine Reaktivierung, auch subklinisch, offensichtlich häufig erfolgt, wird es von vielen gesunden Personen im Speichel ausgeschieden (ca. 50%). Dies ist auch der Grund dafür, daß es durch körperlichen Kontakt schon in frühem Lebensalter auf Kleinkinder übertragen wird. Zunächst dachte man, daß dieses Virus ebenfalls ein Krankheitsbild hervorruft, welches dem Exanthema subitum gleicht. Tatsächlich kann HHV-7 bei solchen Patienten nachgewiesen werden. Wie bei HHV-6 verläuft die Infektion mit recht hohem Fieber für 3 bis 6 Tage, auch die sonstigen klinischen Symptome ähneln denen von HHV-6 (kleinfleckiges Exanthem, Pharyngitis, Halslymphknotenschwellung, Mittelohrentzündung), allerdings sinkt bei der HHV-7-Infektion zusammen mit dem plötzlichen Abklingen des Exanthems auch das Fieber, während bei HHV-6 das Exanthem typischerweise mit der Entfieberung beginnt. Erst in jüngster Zeit erkannte man, daß HHV-7 vermutlich jedoch auch an der Entstehung eines weiteren Krankheitsbildes beteiligt ist, der Pityriasis rosea. Die Pityriasis rosea ist eine Hauterkrankung, die zunächst mit einem geröteten runden Fleck (Primärmedaillon) mit einem Durchmesser von einigen Millimetern bis ca. 5 cm am Rumpf beginnt. Das klinische Erscheinungsbild gibt in den ersten Tagen manchmal Anlaß zur Verwechslung mit einem Erythema chronicum migrans (ECM) oder den Ringelröteln, wobei die für das ECM typische zentrale Aufhellung fehlt. Nach einigen Tagen breitet sich ein fleckiges Exanthem am Stamm mit unterschiedlich dicht stehenden Papeln aus. Typisch ist die zentrale Schuppung der Papeln. Das Exanthem klingt nach 4 bis 12 Wochen spontan ab. Fieber oder sonstige Symptome bestehen meist nicht. Da HHV-7 wie alle Herpesviren nach Erstinfektion lebenslang im Organismus persistiert, kann auch die 98 PITYRIASIS ROSEA Pityriasis rosea bei Immunsuppression und Belastung des Immunsystems immer wieder auftreten. Heroldfleck ➴ Abbildung 22: Pityriasis rosea 99 HHV-7: THERAPIE Kawasaki-Syndrom Die Beziehung von HHV-7 zum Kawasaki-Syndrom ist noch ungeklärt. Weitere Studien werden notwendig sein, um eine Assoziation von HHV-7 mit diesem Krankheitsbild, welches unbehandelt eine hohe Komplikationsrate aufweist, feststellen zu können. Diagnostik Standardisierte serologische Tests zum Nachweis von HHV-7-Antikörpern sind bisher nicht verfügbar. Es existieren jedoch verschiedene Verfahren wie indirekter Immunfluoreszenz-Test oder Enzym-Immunoassays auf Laborebene zum Nachweis von IgG- und IgM-Antikörpern. Bei der Primärinfektion lassen sich wie bei HHV-6 IgM-Antikörper nachweisen. Ebenfalls wie bei HHV-6 ist die Labordiagnose der Rezidivinfektion über die Bestimmung der humoralen Immunantwort meist nicht möglich. Auch hier bietet sich daher der Virusnachweis aus Speichel bzw. Plasma/Serum an. Insbesondere beim positiven Nachweis im Speichel ist eine labordiagnostische Abgrenzung zwischen einer asymptomatischen Reaktivierung und einer Reaktivierung als Ursache einer klinischen Erkrankung ebenfalls schwierig. Therapie Eine eigentliche Therapie der HHV-7-Infektion existiert bislang nicht. Ob die bei anderen Herpesviren wirksamen Substanzen wie Aciclovir, Ganciclovir oder Foscarnet therapeutisch eingesetzt werden können, bleibt abzuwarten. Für die Hygienemaßnahmen im Krankenhaus gelten die Hinweise wie bei HHV-6 analog. 100 HUMANES HERPESVIRUS-8 5.3 DAS KAPOSI-SARKOM: HHV-8 Erst 1994 bzw. 1997 wurde ein weiteres humanpathogenes Herpesvirus, HHV-8, entdeckt, welches aus Kaposi-Sarkomen (KS) von HIV-Patienten isoliert wurde. Anfänglich wurde das Virus daher auch als Kaposi-Sarkom-assoziiertes Herpesvirus (KSHV) bezeichnet. Aufgrund seiner Sequenzhomologie wird es der Subfamilie der γ-Herpetoviridae zugeordnet und besitzt in gewissem Umfang Ähnlichkeit mit dem Epstein-Barr-Virus bzw. mit dem Herpesvirus saimiri des Affen. Abbildung 23: Ausgeprägte Befunde bei Patienten mit Kaposi-Sarkom Im Gegensatz zu HHV-6 und -7 infiziert HHV-8 B-Lymphozyten, läßt sich aber bei KS-Patienten auch aus den dendritischen Stromazellen des Knochenmarkes sowie aus Vorläuferzellen der B-Zellreihe isolieren. Da das Virus Lymphozyten-assoziiert ist, läßt es sich bei betroffenen Patienten relativ regelmäßig auch im 101 HHV-8 UND KAPOSI-SYNDROM Sperma, aber auch im Prostatagewebe nachweisen. Ein wesentlicher Verbreitungsweg ist daher die sexuelle Übertragung, wenn auch andere Übertragungswege grundsätzlich möglich sind. Ob die Infektion mit HHV-8 ursächlich oder nur phänomenologisch mit verschiedenen lymphoproliferativen Erkrankungen verknüpft ist, bleibt derzeit noch unklar. Epidemiologische Daten zeigen eine offensichtlich regional unterschiedliche Seroprävalenz in der Normalbevölkerung der USA, die je nach Studie, Methode und Region mit 0-20% angegeben wird. Zuverlässige Daten für Deutschland liegen derzeit noch nicht vor; in Italien beträgt die Prävalenz bei Blutspendern um 4%. Bei i.v.-Drogenabhängigen findet sich eine höhere Prävalenz zwischen 15 und 25%. Bei Homosexuellen schließlich beträgt die Seroprävalenz zwischen 30 und 90% und bei Patienten mit KS zwischen 80 und 100%. Auch beim klassischen KS findet sich eine 100%ige Durchseuchung mit HHV-8. Wichtig ist, daß in einer prospektiven Analyse von Serumproben, die bei Patienten mit neu aufgetretenem KS schon vor Krankheitsbeginn entnommen wurden, 6 Monate bis 6 Jahre vor Ausbruch des KS fast immer eine Serokonversion beobachtet werden konnte. Der Nachweis einer Infektion mit HHV-8 hat daher bei HIV-Patienten prädiktiven Wert für die spätere Entwicklung eines Kaposi-Sarkoms. Für homo- und bisexuelle HIV-Patienten ist weiterhin das Risiko einer Infektion mit HHV-8 gegenüber der Normalbevölkerung um einen Faktor 10000 bis 100000 erhöht. Die Assoziation zwischen dem HHV-8 und KS wird auch dadurch belegt, daß sich HHV-8 in KS regelmäßig nachweisen läßt. Dies gilt sowohl für das HIV-assoziierte KS als auch für die in anderen Regionen der Welt (Afrika, Asien) endemisch auftretenden KS ohne HIV-Infektion. Auch die Tatsache, daß KS klonalen Ursprungs sind, d.h. von einer einzigen Ursprungszelle abstammen, ist vereinbar mit einer der Beteiligung von HHV-8 an der Tumorgenese. Das Virus selbst besitzt eine Reihe von Genen, die an der Zelltransformation beteiligt sein könnten. So kodiert das virale Genom für ein Protein, welches dem anti-Apoptose-Protein bcl-2 ähnlich ist. Vorstellbar ist, daß hierdurch bei virusinfizierten Zellen der normale Zelltod verhindert wird und die Zelle in gewissem Umfang unkontrolliert weiterwächst. Auch ein weiteres virales Protein des Virus (FLIP; Fas ligand inhibitory protein) kann zu einem Schutz der Zelle vor Apoptose führen. Schließlich findet sich neben 2 Proteinen mit Homologie zu den Chemokinen MIP-I und MIP-II ein Protein mit hoher Homologie zu Interleukin-6. Es wird spekuliert, ob die Expression dieses Proteins mitbeteiligt ist an der Entstehung des Multiplen Myeloms 102 HHV-8: THERAPIE (MM) sowie der sogenannten «Castleman’s disease» (CD, eine multizentrische lymphoproliferative Erkrankung, manchmal verbunden mit der Entstehung eines MM). Serologische Studien zeigten keine Assoziation zwischen einer HHV-8Infektion und dem MM. Allerdings haben MM-Patienten eine Hypogammaglobulinämie, die zu falsch-negativen serologischen Ergebnissen führen kann. Umgekehrt läßt sich mit sensitiven Methoden (nested PCR, kein Heparin in der Probe) bei den meisten MM-Patienten HHV-8 im Knochenmark nachweisen. Es bleibt daher abzuwarten, ob HHV-8 an der Entstehung des MM beteiligt ist, oder lediglich ein Epiphänomen darstellt. Diagnostik Die klinische Diagnose des Kaposi-Sarkoms ist aufgrund des typischen Krankheitsbildes in der Regel gut zu stellen. Serologisch gibt es, wie bei HHV 7, derzeit noch keine standardisierten Testsysteme. Allerdings wurden auch hier von verschiedenen Labors serologische Untersuchungsmöglichkeiten auf der Basis von Enzym-Immunoassays und indirekter Immunfluoreszenz geschaffen. In Gewebeproben von Kaposi-Sarkomen kann weiterhin durch Hybridisierung oder PCR HHV-8-DNA nachgewiesen werden. Im Gegensatz zu HHV-6 und -7 kann HHV-8 fast nie aus dem Speichel isoliert werden. Therapie Während bis vor kurzem das KS klassischerweise mit Zytostatika oder mit α-Interferon behandelt wurde, gibt es aus retrospektiven Studien Berichte über eine klinische Wirksamkeit von Ganciclovir und Foscarnet. Auch Fallberichte lassen den Schluß zu, daß diese Substanzen wirksam sind. Es ist daher möglich, daß bereits in naher Zukunft eine Behandlung des KS grundsätzlich mit entsprechenden Virustatika und nicht mehr mit eher unspezifisch wirksamen Zytostatika erfolgen wird. Trotzdem wird es auch mit neueren Therapiemöglichkeiten nicht gelingen, Patienten von dieser Infektion zu «heilen», da das Virus in verschiedenen Zellen latent verbleibt (s.o.). Dies ist auch der Grund dafür, daß nach Absetzen einer Therapie mit α-Interferon die Rezidivrate ausgesprochen hoch ist. 103 HERPESVIREN: LITERATUR Zusammenfassung In den letzten Jahren wurden 3 neue Herpesviren isoliert, die mit lange bekannten Krankheitsbildern assoziiert sind. So kann ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer Infektion mit HHV-6 und dem Exanthema subitum (Roseola infantum), zwischen HHV-7 und der Pityriasis rosea und zwischen HHV-8 und dem Kaposi-Sarkom als wahrscheinlich, wenn nicht gesichert angenommen werden. Ob diese Infektionen weiterhin an der Entstehung zusätzlicher Krankheitsbilder wie der Multiplen Sklerose, dem Kawasaki-Syndrom und dem Multiplen Myelom beteiligt sein können, bleibt abzuwarten. Ausgewählte Literatur: Bland R.M., et al.: The rapid diagnosis and clinical features of human herpesvirus 6. J Infect 1998; 36 (2): 161-165. Braito A., et al.: Roseola infantum and its correlation with HHV6. Eur J Pediatr 1994; 153 (3): 209. Braun D.K., Dominguez G., Pellett P.E.: Human herpesvirus 6. Clin Microbiol Rev 1997; 10 (3): 521-567. Brooks L.A., et al.: Kaposi’s sarcoma-associated herpesvirus (KSHV)/human herpesvirus 8 (HHV8) – a new human tumour virus. J Pathol 1997; 182 (3): 262-265. 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Abildgaard schreibt: „Dies ist eine Art von Dummheit oder Tollheit, womit das Pferd befallen wird…bey der ersten Art hängt das Pferd mit dem Kopfe, geht gerade vor sich weg, ohne sich umzusehen, die Augen sind dumm und wild, so daß das Pferd nichts sehen kann, und auf keinen Gegenstand acht gibt, so ihm vorkommen oder begegnen könnte. Im Stalle kauet es sein Futter, läßt es aber aus dem Maule in die Krippe fallen…Es geht in seiner Verwirrung mit dem Kopfe gegen die Mauer, läßt sich platt auf die Erde fallen, oder wirft sich hinterwärts aus seinem Stand. Diese Krankheit wird schwerlich und selten gehoben…“. Zur Therapie empfiehlt Abildgaard, „…das Pferd hungern zu lassen, bis es ohnmächtig werde, oder es zur Ader zu lassen.“ Auch aus den nachfolgenden Jahrzehnten existieren einige weitere Berichte über größere Epidemien, aus denen hervorgeht, daß im Königreich Württemberg sogar der Entschluß gefaßt wurde, die Grenzen besonders zu bewachen, um das Einschleppen der Krankheit zu verhindern (Bouwinghausen von Wallmerode 1805), zumal Pferde in dieser Zeit ein extrem wichtiges Wirtschaftsgut waren. Die Ursache der Seuche war den Veterinären dieser Zeit völlig unklar, sie vermuteten vor allem schlechte hygienische Bedingungen in den damals weitverbreiteten Mietställen. Die Beschreibungen der beobachteten Krankheitssymptome sind aber meist so chaotisch wie die Behandlungsvorschläge, so daß es schwerfällt, hieraus ein distinktes Krankheitsbild abzuleiten. Immerhin können wir nachvollziehen, daß es sich um eine infektiöse Erkrankung gehandelt haben muß. Ob dies die ersten Berichte über die Borna-Krankheit der Pferde sind, wie manche Autoren glauben, muß wohl offen bleiben. 106 WALLMERODE UND ABILDGAARD Abbildung 24: Die kleinen Lehrbücher von Wallmerode und Abildgaard Sie beschreiben eine epidemische Pferdeseuche, die nach Meinung einiger Autoren mit der Borna-Erkrankung identisch ist. Etwas konkreter wurde die Geschichte, als man 1885 in der Amtshauptmannschaft Borna (bei Leipzig) ein epidemisches Pferdesterben beobachtete. Der verantwortliche Erreger konnte mit den damaligen Methoden selbstverständlich nicht isoliert werden, trotzdem glaubt man, daß diese Seuche auf das später beschriebene «Borna»-Virus zurückging, zumal wenige Jahrzehnte später Zwick nachweisen konnte, daß mit Gehirnmaterial erkrankter Pferde andere Versuchstiere infizierbar waren (Zwick 1939). Natürliche Bornavirus-Infektionen sind bisher hauptsächlich aus Deutschland und der Schweiz bekannt, in jüngster Zeit wurde der Erreger aber auch in Japan, Nordamerika und anderen Ländern gefunden. 107 BORNAVIREN: EPIDEMIOLOGIE Das Hauptreservoir scheinen Pferde zu sein, wobei nicht ganz sicher ist, ob nicht ein zusätzliches Reservoir besteht und die immer wieder beobachteten Ausbrüche in Pferdeställen, die nicht häufig, aber immer wieder vorkommen, eventuell auf die Einschleppung des Erregers über einen Vektor, etwa Zecken, zurückzuführen sind. In den letzten Jahrzehnten sind natürliche Erkrankungen auch bei Rindern, Rehen, Katzen und Straußenvögeln beschrieben worden (Rott 1995). Eine beträchtliche Kontroverse existiert um die Frage, welche Bedeutung das Bornavirus für Erkrankungen beim Menschen besitzt. Was sind Bornaviren? Bornaviren repräsentieren den Prototyp einer neuen Virusfamilie innerhalb der Mononegavirales («Negativ-Strang-RNA-Viren»), es besteht eine gewisse Verwandtschaft zu Marburg- und Ebolaviren. Auch Mumps-, Masern- und Tollwutvirus gehören in diese Ordnung. Das herausragende Feature des Bornavirus ist der ausgeprägte Neurotropismus. Übertragungswege Wegen der Häufung der Erkrankungen in den Sommermonaten wurde diskutiert, ob ein Vektor (etwa Zecken) eine Rolle in der Verbreitung spielen könne. Für diese Hypothese wurde aber bisher kein Beleg gefunden (Richt 1997). Sicher scheint, daß in der Akutphase der Erkrankung bei Pferden das Virus in Nasen- und Augensekreten präsent ist und so übertragen werden kann. So erklären sich wohl kleinere Epidemien in Ställen, die immer wieder beobachtet wurden. 108 BORNAVIRUS-INFEKTIONEN: KLINIK Klinik und Pathophysiologie Die Bornavirus-Infektion bei Tieren ist charakterisiert durch eine seröse Meningoencephalitis. Besonders betroffen ist die graue Substanz und der Hirnstamm. Die Inkubationszeit beträgt bei Pferden und Schafen mindestens vier Wochen, dann treten Temperaturerhöhungen, Gewichtsverlust und Koliken auf. Wenig später werden die ersten neurologischen Ausfälle beobachtet, zuerst Ataxie und Antriebsarmut, dann oft Lähmungen und (bei Pferden in 80-100%) schließlich der Tod. Es kann als gesichert gelten, daß das Bornavirus eine breite Palette von Wirtstieren infizieren und in diesen zu klinisch faßbaren Erkrankungen führen kann. Daher erscheint es logisch, daß auch der Mensch nicht vor der Infektion geschützt ist. Über die Akuterkrankung bei Menschen existieren aber bisher keine Daten. Aufgrund serologischer Daten, die in verschiedenen Kollektiven gewonnen wurden, glauben einige Autoren, daß die Bornavirus-Infektion beim Menschen einen chronischen Verlauf nehmen kann und dann für schwere Depressionen und bipolare Erkrankungen (Cyclothymie) verantwortlich werden kann. Untersuchungen an Versuchstieren scheinen zu belegen, daß die Immunantwort auf das Virus eine Schlüsselrolle in der Entstehung und Ausprägung der Erkrankung spielt (Rott 1995, Gosztonyi 1995, Stitz 1995, Richt 1997). Keine Einigkeit unter den Wissenschaftlern In einer ersten, 1985 publizierten Studie wurden 285 cyclothyme Patienten aus den Vereinigten Staaten mit 694 psychiatrisch Erkrankten in Deutschland und 200 gesunden Kontrollpersonen verglichen. Man fand eine Seroreaktivität bei 4,3% der amerikanischen und bei weniger als 1% der deutschen Patienten (Rott 1985). Mit verbesserter Technik (Immunoblot) waren in einer weiteren Untersuchung bei 38% der psychiatrischen Patienten und bei 16% der Kontrollpersonen Antikörper nachweisbar (Fu 1993). Bode (1993) untersuchte 71 Patienten mit verschiedenen psychiatrischen Erkrankungen und fand vor allem bei schweren Depressionen gehäuft Antikörper. Auch Richt (1993) fand eine Häufung von seroreaktiven psychiatrischen Patienten, während seine Arbeit von 1997 keine Korrelation mehr zeigen konnte. 109 BORNAVIRUS-INFEKTIONEN: DIAGNOSTIK Bechter (1995) fand eine möglich Häufung von Erkrankungsfällen in zwei Familien und konnte in einer weiteren Arbeit nachweisen, daß bei 25% der akut erkrankten seropositiven Patienten eine spezifische autochtone Antikörperproduktion im Liquor stattfindet (Bechter 1996). Auch einige autoptische Studien fanden Belege für die ätiologische Rolle des Virus bei psychiatrischen Erkrankungen (De la Torre 1996, Salvatore 1997), während andere Autoren dies in Zweifel ziehen (Lieb 1998). Schließlich folgten Berichte von Bode (1996) über den direkten Virusnachweis im Patienten und 1997 eine Kasuistik, die zu belegen scheint, daß die Betroffenen von einer virustatischen Therapie mit Amantadin-Sulfat profitierten (Bode 1997). Andere Autoren glauben dagegen Belege gefunden zu haben, daß diese Substanz gegen Bornavirus unwirksam ist. Zumindest bei Pferden wirkt sie nach übereinstimmender Auffassung nicht. Diagnostik Bornavirus-DNA läßt sich mittels RT-PCR in Heparinblut oder Gewebeproben nachweisen. Die Methode ist aber sehr anfällig für Kontaminationen, was manche Autoren veranlaßt, an den Studien der jeweiligen Konkurrenz dicke Fragezeichen anzubringen (Lieb 1998*). Serologische Methoden des Antikörpernachweises existieren zwar, werden aber nur von wenigen spezialisierten Labors angeboten und leiden noch unter sehr schlechter Standardisierung. Therapie Liv Bode publizierte 1997 die erste Kasuistik, die den Wert von Amantadin-Sulfat zu belegen scheint. Dieses Medikament ist ein alter Bekannter, denn seit Jahren wird es in der Therapie des Morbus Parkinson eingesetzt. Außerdem weiß man, daß es gegen Influenza-Viren wirksam ist. Spannend, aber noch unbeantwortet, ist die Frage, warum dieses Medikament bei so gegensätzlichen Indikationsgebieten wirkt. Nach Bode wirkt es auch in der Borna-infizierten Zellkultur virustatisch, ein Befund, dem von anderen Autoren widersprochen wurde. * Es fällt uns schwer, zu glauben, daß in mehreren großen Studien ausschließlich falsch-positive Ergebnisse durch kontaminierte Proben gefunden worden sein sollen; genauso gut könnte man den Kritikern unterstellen, daß sie die PCR nicht beherrschten 110 BORNAVIRUS-INFEKTIONEN: THERAPIE Zugegeben, es wäre phantastisch, könnte man chronische Krankheitsbilder wie die Cyclothymie und andere Formen oft therapierefraktärer Depressionen auf so einfache (und unglaublich billige!) Weise und zudem kausal behandeln. Doch Zweifel bleiben derzeit noch, denn größere, kontrollierte Studien existieren bisher nicht. Es sollte allerdings ein Leichtes sein, in derartigen Studien die Wirksamkeit der Substanz zu belegen, wenn sie denn vorhanden ist. Volkswirtschaftlich (und natürlich aus der Sicht der betroffenen Patienten!) gesehen, wäre es eine faszinierende Perspektive, könnte man Hospitalisationen und jahrelange, oft frustrierende Therapieversuche durch einen vierwöchigen Zyklus von Amantadin ersetzen. Wir neigen derzeit aufgrund der Datenlage eher dazu, die ätiologische Rolle des Bornavirus zumindest für ein Teilkollektiv bestimmter psychiatrischer Erkrankungen zu akzeptieren, glauben aber, daß sicher nicht die Mehrzahl der entsprechenden Fälle hierdurch erklärbar sein kann. Schließlich spricht die schlichte Epidemiologie gegen eine so einfache, monokausale Erklärung, zumal schwere Depressionen und Cyclothymien ja wirklich nicht auf Deutschland und die Schweiz beschränkt sind. Dennoch: Wir sind gespannt! 111 BORNAVIRUS-INFEKTIONEN: LITERATUR Ausgewählte Literatur: Abildgaard P.C.: Pferde- und Vieharzt in einem kleinen Auszuge; oder, Handbuch von den gewöhnlichsten Krankheiten der Pferde, des Hornviehes, der Schafe und Schweine, sammt der bequemsten und wohlfeilesten Art sie zu heilen. Zum Gebrauch des Landmanns. Original in dänisch, übersetzte Nachdrucke bei Faber & Nitschke, Kopenhagen – Leibzig 1784, sowie bei Johann Thomas Edler von Trattnern, Wien 1785. Bechter K. et al.: Borna disease virus: possible causal agent in psychiatric and neurological disorders in two families. Psychiatr Res 1992; 42: 291-294. Bechter K. et al.: Investigations of cerebrospinal fluid in Borna virus seropositive psychiatric patients. European Psychiatry 1995; 10: 250-258. Bode L.: Human infections with Borna disease virus (BDV) and potential pathogenic implications. Curr Topics Micobiol Immunol 1995; 190: 103-130. 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Schließlich trat innerhalb von Stunden eine dramatische Verschlechterung ein. Die Lungen füllten sich mit Sekret, der Gasaustausch war nicht mehr möglich, und trotz aller Therapieversuche starben die meisten unter dem Bild eines akuten Lungenversagens. Elf Tote waren in kurzer Zeit zu beklagen. Wegen der ungeheuren Dramatik des Krankheitsbildes war den behandelnden Ärzten in den lokalen Krankenhäusern schnell klar, daß sie etwas völlig Neues beobachteten. In den Sekreten aus dem Bronchialsystem der Erkrankten waren keine Bakterien zu finden, die serologischen Verfahren zeigten keine Hinweise auf bekannte Viren. So rief man die Spezialisten der Centers for Disease Control (CDC) in Atlanta zu Hilfe. Mit bis dahin beispiellosem Aufwand wurde nun nach dem Erreger geforscht. Unterdessen klang die Epidemie langsam ab. Wenige Wochen später meldeten die CDC einen ersten Erfolg: Man hatte gefunden, daß im Serum der Erkrankten Antikörper vorhanden waren, die schwach mit Hantaviren, die aus anderen Teilen der Welt bekannt waren, reagierten. Fieber, Blutungen und Nierenversagen Hantavirus-bedingte Erkrankungen erlangten erste traurige Berühmtheit während des Korea-Krieges. Damals erkrankten Tausende amerikanischer und koreanischer Soldaten. Hunderte starben. Klinisch war die Erkrankung geprägt von Fieber und Haemorrhagien, gleichzeitig war eine renale Beteiligung mit deutlicher Einschränkung der Nierenfunktion bis zum Nierenversagen augenfällig. Das Krankheitsbild wurde als Koreanisches haemorrhagisches Fieber (KHF) bezeichnet. Der verantwortliche Erreger war damals aber noch völlig unbekannt und konnte erst 1976 von Lee isoliert werden. Er wurde nach dem Grenzfluß zwischen 113 HANTAVIREN UND KRIEGSNEPHRITIS Nord- und Südkorea, dem Hantaan, benannt und war damit der Prototyp einer neuen Erregergruppe. Retrospektiv kann man nachvollziehen, daß auch etwa 10 000 deutsche Soldaten, die während des zweiten Weltkriegs in Finnland an einer Nephropathia epidemica erkrankt waren, Opfer der damals noch völlig unbekannten Hantaviren waren (Stuhlfaut 1943). Man hatte einen Zusammenhang mit Mäusen und Lemmingen vermutet, die nach der Schneeschmelze massenhaft in den Bunkern und Unterständen aufgetaucht waren, glaubte aber damals zunächst an LeptospiroseErkrankungen. Viele der Nager wurden eingefangen und per Lufttransport nach München und Berlin geschafft, um sie dort untersuchen zu können. Trotz aufwendiger Suche konnte man keine Leptospiren finden. Stuhlfaut resümierte damals, es müsse sich um ein neues, bisher nichtbeschriebenes Krankheitsbild handeln. Als man in jüngster Zeit alten Quellen mehr Aufmerksamkeit widmete, stieß man in vielen Ländern auf Berichte, die von früheren Hanta-Ausbrüchen Zeugnis ablegen. Im ersten Weltkrieg gab es Tausende von Erkrankungen mit Nierenbeteiligung, die man zu beiden Seiten der Front erkannte. In Frankreich wurde das Krankheitsbild «Nephrite de Guerre», in Deutschland «Kriegsnephritis» genannt. (Clement 1997). Die Nephropathia epidemica findet sich schon in Berichten aus Schweden aus dem Jahre 1934 (Myhrman 1934, Zetterholm 1934), das «Lemmingfieber» ist in manchen Gegenden Skandinaviens Bestandteil fester Überlieferungen. Auch in verschiedenen Gegenden Rußlands existieren alteingeführte Namen für Hantavirusassoziierte Erkrankungen. Während des Vietnamkrieges waren Hantaviren und die von ihnen ausgelösten Erkrankungen wiederum ein großes Problem. Hunderte von Soldaten erkranktem am Haemorrhagischen Fieber mit renalem Syndrom (HFRS). In der Folgezeit wurden weitere Hantaviren entdeckt, und einiges spricht dafür, daß bei systematischer Suche in Nagerarten weltweit noch viele Hantaviren der Enttarnung harren. Heute rechnet man weltweit mit ca. 200000 hospitalisierungspflichtigen Hantavirus-Erkrankungen und mehreren tausend Todesfällen pro Jahr. Die weitaus meisten treten in China auf, gefolgt von Korea. Aber auch Finnland meldet Jahr für Jahr etwa tausend Erkrankungen, die Balkanstaaten mehrere hundert. 114 HANTAVIREN UND NAGETIERE Was sind Hantaviren? Hantaviren bilden eine eigene Gruppe innerhalb der Familie der Bunyaviridae, einer großen Gruppe, zu denen auch die Phleboviren (Beispiel: Sandfliegenfieber, siehe Kapitel 9.5), Rift-Valley- und Krim-Kongo-Fieber zählen. Im Gegensatz zu den anderen Vertretern der Familie werden sie aber nicht durch Vektoren übertragen. Reservoire der Hantaviren Alle Hantaviren haben eine enge Beziehung zu jeweils einer bestimmten Rattenoder Mäuseart. Die Nager erkranken durch die verschiedenen Virustypen offensichtlich nicht ernsthaft, sie scheiden aber große Mengen des Virus in ihrem Urin aus. Trocknet nun der Mäuseurin, so kann ein virushaltiges Aerosol entstehen, das hochinfektiös ist. So sind beispielsweise Soldaten unter Manöverbedingungen besonders gefährdet (Clement 1996). Bei einigen der Infektionen in Deutschland konnte es wahrscheinlich gemacht werden, daß die Infektion beim Rasenmähen akquiriert wurde. Gefährdet sind generell Personen, die an stark von Mäusen frequentierten Plätzen mit Staub in Kontakt kommen. Abbildung 25: Die Hirschmaus: Das Reservoir des amerikanischen «Sin-Nombre-Virus» 115 HANTAVIREN: ÜBERSICHT Virustyp Reservoir Erkrankung Verbreitung Puumala Rötelmaus Nephropathia epid. Nord-/Mitteleuropa HFRS, KHF oft schwere Verläufe Süd-/Ostasien Südosteuropa HFRS, KHF mildere Verläufe Weltweit HFRS schwere Verläufe Südosteuropa Apodemus flavicollis Feldmaus apathogen? Osteuropa Clethrionomys glareolus Hantaan Brandmaus Apodemus agrarius Seoul Wanderratte Rattus norvegicus Dobrava (Belgrad) Tula Gelbhalsmaus Microtus arvalis Four Corners Hirschmaus (= Sin Nombre) Peromyscus maniculatus HV-Lungensyndrom (HPS) USA, Kanada (> 200 Fälle) Bayou Reisratte HPS USA (Louisiana) (bisher 3 Fälle) HPS Florida (bisher 1 Fall) unbekannt, wohl apathogen USA unbekannt (Lemming-Fieber?) Sibirien Lemmus sibiricus Oligorhizomys longicaudatus HPS Argentinien, Chile (bisher 33/44 Fälle) HPS Brasilien (3 Fälle 1993) HPS Paraguay (23 Fälle 1995) milder Verlauf aber auch HPS Argentinien (bisher 11 Fälle) unbekannt Mittelamerika Oryzomys palustris Black creek canal Baumwollratte Sigmodon hispidus Prospect Hill Feldmaus Microtus pennsylvanicus Topografov Andes Lemming Juquitiba Laguna negra Calomys laucha Lechiguanas Rio Segundo Reithrodontomys mexicanus Tabelle 3: Hantaviren, Reservoire und Erkrankungen (nach Schmaljohn 1997) 116 HANTAVIREN: ERKRANKUNGEN DIE EINZELNEN KRANKHEITSBILDER Nephropathia epidemica Die verschiedenen Virustypen der Hanta-Gruppe sind sehr unterschiedlich pathogen. Am «harmlosesten» erscheinen uns heute die Typen wie etwa das PuumalaVirus, die für die Nephropathia epidemica verantwortlich sind. Typ Puumala kommt vor allem in Nord- und Mitteleuropa vor. Bei der sehr selten letalen Form kommt es zu einer vorwiegend renalen Symptomatik mit in der Regel passagerer Beeinträchtigung der Nierenleistung. Bei einem Drittel der Betroffenen steigt das Kreatinin über 4,5 mg/ml an. Blutungskomplikationen sind selten, wenngleich eine Thrombozytopenie regelhaft beobachtet wird. Ein Anstieg der Leberenzyme wird bei 40% beobachtet, eine akute Myopie zwar nur bei 25%, das Symptom ist aber pathognomonisch, da es in dieser Form bei keiner anderen Erkrankung beobachtet wird. Wahrscheinlich werden diese auch in Deutschland auftretenden Erkrankungen häufig als Sommergrippe mißdeutet und daher in der Regel nicht als Hanta-Infektion erkannt. Dies wird beispielsweise dadurch gestützt, daß in manchen Gegenden Deutschlands bei bis zu 3% der Bevölkerung Antikörper gefunden wurden (Zöller 1995). Aber auch das Puumala-Virus kann Komplikationen auslösen: Gelegentlich werden die Erkrankten vorübergehend dialysepflichtig; bei einer kleinen Epidemie im Raum Aschaffenburg Anfang der neunziger Jahre (8 Erkrankte) gab es auch einen Fall mit einer Encephalitis, die zunächst klinisch als akute Psychose imponierte (Bartmann, pers. Mitteilung). Mehrere Ausbrüche unter Soldaten wurden bekannt, so eine Kleinepidemie im Raum Ulm, als 16 von 177 Angehörigen einer US-Einheit nach einem Manöver erkrankten (Clement 1996). Der Typ Seoul, dessen Hauptreservoir Wanderratten sind, hat eine weltweite Verbreitung, die Erkrankung läuft ähnlich wie Puumala-Infektionen. 117 HANTAVIREN: HFRS Haemorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom (HFRS) Die Typen Hantaan und Dobrovo («Belgrad») stehen für aggressivere Krankheitsverläufe, die oft mit dialysepflichtigem Nierenversagen und Blutungskomplikationen vergesellschaftet sind. Typischerweise verläuft das HFRS in fünf Stadien: Fieber, Hypotension, Oligurie, Diurese, Rekonvaleszenz (Schmaljohn 1997). Der Beginn ist abrupt, intensive Muskelschmerzen, Fieber und Schüttelfröste sind fast obligat. Auch beim HFRS gehören Augenschmerzen, akute Myopie und konjunktivale Injektion zu den klassischen Befunden. Die Blutungskomplikationen treten meist bereits in der Fieberphase um den vierten Tag auf. Durch ein «capillary-leaksyndrome» kann es zu profusen Flüssigkeits- und Blutverlusten kommen. Die Letalität beträgt heute noch immer 5-10%. Abbildung 26: Flächige Hauteinblutungen bei Hantavirus-assoziierter Gerinnungsstörung In Einzelfällen kann es beim HFRS auch zu einer Lungenbeteiligung kommen (Stuart 1996). 1998 wurde erstmals über eine schwer verlaufende Erkrankung aus Ostdeutschland berichtet, für die ein Virus vom Typ Dobrovo verantwortlich war. 118 HANTAVIREN IN NORDAMERIKA Hanta-assoziiertes pulmonales Syndrom (HPS): Was macht ein Hantavirus in der Lunge? Die neuentdeckten nordamerikanischen Virustypen taten etwas völlig Neues. Während alle anderen Varianten das klassische renale Syndrom verursachten, war nun erstmals die Lunge massiv involviert, die Nieren schienen weniger betroffen. Nach unspezifischen Allgemeinsymptomen tritt (siehe auch oben) abrupt ein Lungenödem auf, die Lunge füllt sich mit Sekreten, ein akutes Lungenversagen ist die Folge. Auch bei sofort einsetzender Intensivtherapie liegt die Letalität bei mehr als 40%. Bisher ist ungeklärt, weshalb es bei dieser Variante zu einem solch massiven Befall der Lunge und weniger zum hantatypischen HFRS kommt. Das atypische Krankheitsbild führte innerhalb der Navajo-Nation zu Befürchtungen, daß ein modifiziertes Virus aus der militärischen Forschungsanlage Fort Wingate freigesetzt worden sein. In aufwendigen epidemiologischen Untersuchungen konnte dies aber ausgeschlossen werden. Seit 1993 wurden mehrere hundert HantavirusErkrankungen in 29 Bundesstaaten der USA gemeldet. Feldforschungen an verschiedenen Nagerarten zeigten, daß (bisher!) vier Subtypen des Virus in verschiedenen Nagern existieren. Der Typ Four Corners (= Sin-Nombre-Virus; SNV) entspricht dem klassischen Virusisolat. Er ist in den USA mit Ausnahme der Ostküste verbreitet, der Typ Bayou kommt nur an der Ostküste vor. Bei diesem Typ ist das Krankheitsbild eine Mischung aus HFRS und HPS, sowohl Lunge als auch Niere sind involviert. Typ Black creek canal wurde in Florida aus der Baumwollratte Sigmodon hispidus isoliert. Erstaunlicherweise wurden bisher bei den nordamerikanischen Fällen keine sekundären Krankheitsfälle beobachtet, obwohl die Angehörigen und Ärzte teilweise recht intensiven Kontakt mit den Erkrankten hatten. Eigentlich kaum verständlich, daß ein Virus auf der einen Seite eine so hohe Umweltresistenz hat, daß es über Wüstenstaub übertragen werden kann, und andererseits nicht durch direkten Kontakt über Körpersekrete übertragbar sein sollte. Dennoch, eine Lektion aus der bisherigen Erforschung der «Four-corners-disease» lautete übereinstimmend: Bei Hantaviren weiterhin keine Hinweise auf Übertragung von Mensch zu Mensch. Dieser Glaube sollte bald nachhaltig erschüttert werden. 119 HANTAVIREN IN SÜDAMERIKA Abbildung 27: Hantavirus-Lungen-Syndrom (HPS) Immunhistochemische Darstellung von Hantavirus-Antigen (rötliche Komplexe) in den Lungenkapillaren. Taxi nach Buenos Aires: Der Tod fährt mit El Bolson ist eine Kleinstadt im Süden Argentiniens am Ostrand der Anden, «in the middle of nowhere». Das Städtchen hat etwa 15000 Einwohner und ein kleines Provinzkrankenhaus. Hier wurde 1995 ein Patient eingeliefert, der an einem Krankheitsbild litt, das dem Hantavirus-Lungensyndrom stark ähnelte. Er verstarb kurz darauf im Lungenversagen. Aufmerksame Ärzte, die die Berichte über die nordamerikanischen Erkrankungen kannten, veranlaßten eine gezielte Suche nach einem ähnlichen Virus und wurden fündig (Lopez 1996). Zunächst schien dies ein Einzelfall und wurde lediglich als Beweis verstanden, daß eben auch Südamerika seine Hantaviren hat. Doch 1996 kam es zu einer ganzen Serie von Erkrankungen, die extrem gut dokumentiert werden konnte. Der «Index case» trat wiederum in El Bolson auf. Da das örtliche Krankenhaus keine Intensiveinheit hat, verlegte man ihn in das 150 km entfernte Bariloche. Genau 20 Tage später erkrankte die Mutter des Patienten, 120 HANTAVIREN: HPS einen Tag später sein Hausarzt, der wenig später starb. Wiederum etwa 20 Tage nach dessen Erkrankungsbeginn entwickelte dessen Ehefrau die ersten Symptome. Sie reiste sofort nach Buenos Aires, um dort medizinische Hilfe zu suchen. Die diensthabende Ärztin untersuchte sie. Auch diese erkrankte 24 Tage nach diesem einzigen Kontakt mit der Patientin, die zu diesem Zeitpunkt noch keine Lungensymptome entwickelt hatte. Doch das war bei weitem noch nicht alles: Ein weiterer Arzt des Krankenhauses in Buenos Aires, der keinen direkten Körperkontakt mit einem der Erkrankten hatte, entwickelte 17 Tage nach Einlieferung der Patientin ein HPS. Ein anderer Arzt, der einen der Erkrankten intubiert hatte, infizierte sich ebenfalls. Und noch immer ging es weiter: Die Haushälterin einer der beiden Ersterkrankten hatte wie zwei weitere Kontaktpersonen Symptome entwickelt und reiste zusammen mit diesen mit einem Taxi ebenfalls nach Buenos Aires. Drei Wochen später erkrankten drei weitere Personen, die später dieses Taxi benutzt hatten, aber mit den Patienten nicht direkt in Kontakt gekommen waren! Insgesamt wurden, ausgehend von einem einzigen Fall, 20 Patienten infiziert, von denen die Hälfte starb (Wells 1997). Diese Hantavirus-Variante erwies sich also als hochkontagiös, schwere Epidemien wären ohne weiteres denkbar. Die Inkubationszeit von etwa 20 Tagen ließe es vor allem zu, daß dieses Virus auch interkontinental mit Flugzeugen verbreitet würde. Ein verseuchtes Taxi kann man ja notfalls «thermisch entsorgen», man muß sich aber einmal vorstellen, daß ein Jumbo etwa 400 Fluggäste nach Europa brächte, unter denen ein Infizierter das Virus mit Hilfe der Klimaanlage verstreuen würde. Alle reisen wie geplant weiter an ihre unterschiedlichen Ziele. Dann treten scheinbar zufällig an den verschiedensten Orten diese Erkrankungen auf. Niemand rechnet mit einer Gefahr, bis der Zusammenhang erkannt wird, vergehen Wochen. Intensivbetten mit Isolierungsmöglichkeiten unter L3-Bedingungen gibt es so gut wie nicht. Erinnern Sie sich an die Pest im Mittelalter? Inzwischen sind auch in anderen Ländern Südamerikas neue Hantaviren entdeckt worden, die teilweise Kleinepidemien verursacht haben. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit gab es auch hier Übertragungen von Mensch zu Mensch, wenngleich diese Hinweise nicht so stringent sind (Peters 1998). 121 HANTAVIREN UND EL NIÑ0 El Niño - das Christkind Warum aber taucht so ein Hantavirus plötzlich auf, wütet eine kleine Weile, und ist dann wieder für Jahre verschwunden? Die Ursache für den amerikanischen Ausbruch 1993/94 war recht trivial und trotzdem überraschend. 1993 war ein sogenanntes «El-Niño-Jahr». In den Wüstengebieten hatte es in den Wintermonaten stark geregnet, und die Wüste blühte und fruchtete wie selten zuvor. Abermillionen von nahrhaften Samen wurden gebildet, und die im Gebiet weitverbreiteten Hirschmäuse (Peromyscus maniculatus) fanden reiche Nahrung. Die Folge war eine explosionsartige Vermehrung. So stieg die Besatzdichte der Wüstenmäuse und mit ihr die Durchseuchung mit dem «neuen», gleichwohl seit Urzeiten hier endemischen Hantavirus. Der mit Viren durchsetzte Urin der Tiere trocknete im Wüstenstaub und wurde als Aerosol verweht. So konnte der hochgradig gegen Umwelteinflüsse resistente Erreger seine menschlichen Opfer infizieren. Eine Impfstoffentwicklung wurde begonnen, wegen anderer, profitabler erscheinender Projekte von der Pharmaindustrie jedoch nicht weiterverfolgt. Man wiegte sich in Sicherheit, weil die 93er Epidemie so schnell wieder abgeebbt war. Mehrere Hanta-Forscher sagten voraus, daß sich die Epidemie bei künftigen ElNiño-Jahren wiederholen könnte. 1997/98 war nun ein Super-El-Niño, der wiederum zu starken Niederschlägen in den ariden Gebieten des amerikanischen Südwestens führte. Und, wie vorausgesagt, kam das Hantavirus wieder. Hardy Haceesa war sein erstes aktuelles Opfer. Der junge Navajo wurde Mitte April in eine örtliche Klinik eingeliefert und starb am 28.4. im Lungenversagen. Auch 1998 steht weder eine prophylaktische Impfung noch eine wirksame Therapie zur Verfügung. Nun fordern die Medien in den USA, daß endlich etwas geschieht (Quelle: USA Today, Juni 1998). 122 HANTAVIREN: DIAGNOSTIK Diagnostik der Hantaviren Serologische Verfahren wurden in verschiedenen Formaten etabliert (Immunfluoreszenz-Test, ELISA-Test). Zu beachten ist, daß die verschiedenen Virusvarianten serologisch unterschiedlich kreuzreagieren können. In der Standarddiagnostik werden meist die Typen Hantaan, Puumala und Belgrad eingesetzt. Die Untersuchung wird von fast allen kommerziellen Labors angeboten. Abbildung 28: Indirekter Immunfluoreszenz-Test mittels infizierter Vero-E 6-Zellen Die positive Reaktion ist am intensiv grüngelben Leuchten erkennbar. 123 HANTAVIREN: LITERATUR Ausgewählte Literatur: Chen H.X. et al.: Epidemiologic studies on hemorrhagic fever with renal syndrome in China. J Infect Dis 1986; 154: 394-398. Clement J. et al.: The Hantaviruses of Europe: From the bedside to the bench. Emerging Infect Dis 1997; 3 (2); (Internet: www.cdc.gov/ncidod/EID). Clement J. et al.: Hantavirus-outbreak during military manoeuvres in Germany. Lancet 1996; 347: 336. Gärtner L., Emmerich P, Schmitz H.: Hantavirus-Infektionen als Ursache von akutem Nierenversagen. Dtsch Med Wochenschr 1998; 113: 937-940. Gligic A. et al.: Belgrade virus: a new hantavirus causing severe hemorrhagic fever with renal syndrome in Yugoslavia. J Infect Dis 1992; 166: 113-120. Grady D.: Death at the corners. Discover 12/93, 82-91. Ksiazek T.G. et al.: Identification of a new North American hantavirus that causes acute pulmonary insufficiency. Am J Trop Med Hyg 1995, 117-123. Lee H.W. et. al.: Isolation of the etiological agent of the Korean haemorrhagic fever. J Infect Dis 1978; 137: 298. Lopez N. et al.: Genetic identification of a new hantavirus causing severe pulmonary syndrome in Argentina. Virology 1996; 222: 223-226. Myhrman G.: A renal disease with particular symptoms. Nordisk Medicinsk Tidskrift 1934; 7: 793-794. Niklasson B., LeDuc J.: Epidemiology of nephropathia epidemica in Sweden. J Inf Dis 1986; 154: 269-276. Peters C.J.: Hantavirus pulmonary syndrome in the Americas. In: Scheld W.M.et al.: Emerging infectious diseases 2, pp. 17-64. ASM Press, Washington DC 1998 (enthält die gesamte neuere Literatur). Schmaljohn C., Hjelle B.: Hantaviruses: A global Disease Problem. Emerging Infect Dis 1997; 3 (2); (Internet: www.cdc.gov/ncidod/EID). Stuart L.M. et al.: A soldier in respiratory distress. Lancet 1996; 347: 30. Stuhlfaut K.: Bericht über ein neues schlammfieberähnliches Krankheitsbild bei deutschen Truppen in Lappland. Dtsch Med Wochenschr 1943; 474-477. Wells R.M. et al.: An unusual hantavirus outbreak in southern Argentina: Person to person transmission? Emerging Infect Dis 1997; 3 (2); (Internet: www.cdc.gov/ncidod/EID). Williams R. et al.: Hantavirus pulmonary syndrome in western Paraguay. Am J Trop Med Hyg 1996; 55 (Suppl.): Abstract 30. Zetterholm S.G.: Akuta nefriter simerulande akuta bukfall. Svenska Lakartidningen 1934; 31. Zöller L. et al.: Seroprevalence of hantavirus antibodies in Germany as determined by a new recombinant enzyme immunoassay. Eur J Clin Microbiol Infect Dis 1995; 14: 305-313. Zöller L., Krüger D.H.: Hantaviren: Neue Infektionserreger mit wachsender Bedeutung. Die gelben Hefte 1996; 36: 31. 124 ARENAVIREN 8 DIE FOLGEN MODERNER LANDWIRTSCHAFT: ARENAVIREN Dieter Hassler I n den fünfziger Jahren unseres Jahrhunderts traten im Umfeld der argentini- schen Stadt Junin neuartige Erkrankungen auf. Die Klinik war geprägt von hohem Fieber und grippeartigen Allgemeinsymptomen, komplizierend kamen ähnlich wie beim Dengue-haemorrhagischen Fieber innere und äußere Blutungen hinzu. Die Letalität war mit 15-30% ausgesprochen hoch. Die zuerst Betroffenen waren meist Landarbeiter, im weiteren Verlauf griffen die Epidemien auch auf die Stadtbevölkerung über. Die Krankheit trat auf, als in der regionalen Landwirtschaft die ersten Mähmaschinen eingesetzt wurden. Später hat man vermutet, daß beim Einsatz dieser Maschinen gelegentlich Mäuse in die Mähwerke geraten sind und so ein infektiöses Aerosol entstand. So konnte das Virus die Menschen infizieren. Die Erkrankung wurde Argentinisches haemorrhagisches Fieber (AHF) genannt. Alsbald konnte das verantwortliche Virus isoliert werden, es wurde nach dem Ort seines ersten (bemerkten) Auftretens als Junin-Virus bezeichnet. Abbildung 29: Aus einer Zelle aussprossende Arenaviren (dunkle Punkte) 125 ARENAVIREN: VERBREITUNG Ähnliches geschah im Osten Boliviens, wo Anfang der sechziger Jahre verheerende Epidemien des Bolivianischen haemorrhagischen Fiebers (BHF) zu Tausenden von Erkrankungen und mehreren hundert Todesfällen in einigen Kleinstädten führten. Es war geradezu auffallend, daß diese Erkrankung nicht aus dem Regenwald selbst zu kommen, sondern an die Siedlungen gebunden schien. Manche dieser Kleinstädte wurden wegen der Häufung von Erkrankungen vorübergehend aufgegeben, bis man die Ursache der Seuche erkannte und seuchenhygienische Gegenmaßnahmen einleiten konnte. Der Erreger, das Machupo-Virus, wurde in einer einheimischen Mäuseart gefunden, die sich gut an die Siedlungen in Rodungsinseln im Regenwald angepaßt hatte (Kuns 1965). Zunächst dachte man, das verantwortliche Virus sei nicht direkt von Mensch zu Mensch übertragbar, und isolierte die Kranken nicht. 1971 wurde der unfreiwillige Beweis erbracht, daß die Direktübertragung sehr wohl möglich ist. Eine hospitalisierte Patientin steckte zwei Verwandte und zwei Pflegekräfte an. Drei dieser Personen starben. Auch ein Pathologe, der sich während der Autopsie mit einem Skalpell verletzt hatte, starb kurz danach am BHF (Peters 1974). Nachdem man in den sechziger Jahren die ersten Epidemien erlebt hatte, wurde in den Endemiegebiete Boliviens ein konsequentes Mäusebekämpfungsprogramm entwickelt und umgesetzt, wobei die Hauptlast auf den Schultern der (immunen!) Überlebenden der früheren Epidemien ruhte (Mercado 1975). So gelang es, für lange Zeit das Machupo-Virus in die Schranken zu weisen. Im Laufe der Jahre verlor sich das Wissen um die Gefährlichkeit des Erregers und die Wachsamkeit ließ wieder nach. 1994 kam der erste Flashback: Innerhalb einer Familie traten nach einem einzigen Fall einer Primärinfektion sechs weitere Fälle auf (Kilgore 1995). Weitere, sehr ähnliche Erkrankungen wurden inzwischen in Südamerika entdeckt: Das Venezolanische haemorrhagische Fieber (VHF), verursacht durch das Guanarito-Virus, wurde eine Zeit lang wegen der klinischen Ähnlichkeit für Dengue gehalten. Bei einem Ausbruch 1990 wurde die Entität erkannt. Aber nicht nur Amerika ist Verbreitungsgebiet der Arenaviren. Der auch in Europa heimische Vertreter ist das LCM-Virus, Verursacher der Lymphozytären Choriomeningitis. Das LCM-Virus wurde bei einer Encephalitis-Epidemie 1933 in St. Louis gefunden. Es ist weltweit verbreitet und konnte mit der Hausmaus (Mus musculus) assoziiert werden. 126 ARENAVIREN: RESERVOIRE Auch Afrika hat einen Vertreter der Arenaviren aufzuweisen: Das Lassa-Virus, 1969 bei einer Epidemie in Westafrika isoliert (Frame 1970), ist in den Endemiegebieten als Ursache vieler Todesfälle gefürchtet. Besonders alarmiert war die Welt, als das Lassa-Fieber nach Europa und Amerika eingeschleppt wurde, da nosokomiale Infektionen, zum Beispiel bei Pflegekräften, nicht selten sind. Viren und Reservoire Heute sind mehr als zehn Viren aus der Gruppe bekannt, von denen aber nur wenige als sicher humanpathogen eingestuft werden können. Alle sind an ein definiertes Nagerreservoir gebunden (Tabelle 4). Die Nager bleiben chronisch infiziert und scheiden das Virus mit allen Körpersekreten aus (Johnson 1965). C.J. Peters meint, daß bei entsprechender Suche in vielen amerikanischen Nagerarten noch Arenaviren gefunden werden können. Sie werden dem Menschen dann gefährlich, wenn er mit den infizierten Nagern in Kontakt kommt. Auch hier zeigt sich also (wie bei den Hantaviren, bei Bartonellen oder Rickettsien), daß eine Fülle von Krankheitserregern in unserer Umgebung nur auf die Gelegenheit warten, bei veränderten Umweltbedingungen oder Lebensgewohnheiten auch den Menschen zu infizieren. Virustyp Verbreitung Reservoir Junin-Virus Argentinien Calomys musculinus Impfstoff ja Klinik Letalität haem. Fieb. 15-30% Machupo-Virus Bolivien Calomys callosus nein haem. Fieb. 25% Guanarito-Virus Venezuela Zygontomys brevic nein haem. Fieb. 25% Lassa-Virus Westafrika Mastomys natalensis nein haem. Fieb. 15% LCM-Virus weltweit Mus musculus nein Meningitis <1% Tabelle 4: Verbreitung, Reservoire und Klinik der infektiösen Arenaviren 127 ARENAVIREN: KLINIK Klinik Die Inkubationszeit beträgt etwa 7-14 Tage. Alle Arenaviren (mit Ausnahme des LCM-Virus) verursachen ein ähnliches Krankheitsbild. Wie bei anderen haemorrhagischen Fiebern folgen dem abrupten hochfieberhaften Beginn starke Muskelschmerzen, Abgeschlagenheit und Kopfschmerzen. In dieser Phase sind die Arena-Infektionen von anderen Tropenerkrankungen kaum zu unterscheiden. Nach etwa sieben Tagen kommt es zum «capillary-leak-syndrome» mit profusen inneren und äußeren Blutungen. Die Letalität ist hoch, wenn nicht innerhalb von sechs Tagen mit Ribavirin therapiert wird. Bei Infektion in der Schwangerschaft kommt es sehr häufig zu Fehlgeburten (ca. 80%). Ein Teil der Infektionen führt zu protrahierten Verläufen, oft mit Encephalopathien. Für das Machupo- und das Lassa-Virus sind nosokomiale Infektionen (und somit die Übertragung von Mensch zu Mensch) bewiesen. Das LCM-Virus tanzt etwas aus der Reihe. Der Name des Virus leitet sich von der Tatsache ab, daß bei Verstorbenen ausgeprägte mononukleäre Infiltrate im Plexus chorioideus gefunden wurden. Die Erkrankung beginnt zunächst nach einer Inkubationszeit von 7-12 Tagen mit Fieber und Myalgien, Kopfschmerzen, Brechreiz und Schwindel. Bei etwa 10% der Patienten kommt es nach einer vorübergehenden Besserung zu einer serösen, monozytär geprägten Meningoencephalitis, die mit sehr heftigen Kopfschmerzen einhergeht, Die Prognose ist im meist gut, Todesfälle und Spätfolgen sind nach allgemeiner Auffassung sehr selten (Peters 1996). Diese Meinung könnte etwas ins Wanken geraten. Hinweise mehren sich, daß in einer erheblichen Anzahl der entzündlichen ZNS-Erkrankungen bei Kindern das LCM-Virus verantwortlich ist (in Washington D.C. über 20 Jahre ca. 10%, Meyer 1960). Barton und Mitarbeiter (1995) berichteten über eine Serie von Totgeburten mit Hydrocephalus und anderen Mißbildungen nach kongenitaler Infektion. Sie beklagen (sicherlich zu Recht), daß heute trotz guter und allgemein verfügbarer diagnostischer Möglichkeiten viel zu selten an das LCM-Virus gedacht wird. 128 ARENAVIREN: LITERATUR Therapie Ribavirin ist gegen alle Arenaviren, auch gegen das Lassa-Fieber wirksam. Es sollte zehn Tage intravenös gegeben werden. Im übrigen bleibt nur die symptomatische Therapie (Ersatz von Blut bzw. Gerinnungsfaktoren). Prophylaxe Generell kann nur die Vermeidung von Mäusekontakten bzw. deren Bekämpfung in der Umgebung menschlicher Behausungen Erfolg versprechen. Eine Ausrottung der Reservoire ist illusorisch (Mercado 1975). Nur für das Junin-Virus ist derzeit ein Impfstoff verfügbar. Er ist zu 95% protektiv. Ausgewählte Literatur: Ackermann R. et al.: Isolierung von Virus der lymphozytären Choriomeningitis aus Abrasionsmaterial nach Kontakt der Schwangeren mit einem syrischen Goldhamster (Mesocricetus auratus). Infection 1975; 3: 47-49. Barton L.L. et al.: Lymphozytic Choriomeningitis Virus: An unrecognized teratogenic pathogen. Emerging Infect Dis 1995; 1 (Nr 4). Frame J.D. et al.: Lassa fever, a new virus disease of man from West Africa. Am J Trop Med Hyg 1970; 19: 670-676. Johnson K.M. et al.: Chronic infection of rodents by Machupo virus. Science 1965; 150: 1618-1619. Kilgore P.E. et al.: Prospects for the control of Bolivian hemorrhagic fever. Emerging Infect Dis 1995; 1 (Nr. 3). Kuns M.L.: Epidemiology of Machupo virus infections: Ecological and control studies of hemorrhagic fever. Am J Trop Med Hyg 1965; 14: 813-816. MacKenzie R.B. et al.: Epidemic hemorrhagic fever in Bolivia: a preliminary report of the epidemiologic and clinical findings in a new epidemic area in South Amerika. Am J Trop Med Hyg 1964; 13: 620-625. Mercado R.: Rodent control programmes in areas affected by Bolivian hemorrhagic fevers. Bull WHO 1975; 52: 691-696. Meyer H.M. et al.: Central nervous system syndromes of «viral» etiology: a study of 713 cases. Am J Med 1960; 334-347. Peters C.J. et al.: Hemorrhagic fevers in Cochabamba, Bolivia, 1971. Am J Epidemiol 1974; 99: 425-433. Peters C.J.: Hemorrhagic Fevers: How they wax and wane. In: Scheld W.M. et al. (Eds.): Emerging Infections I, pp. 15-25. ASM Press, Washington DC 1997. Peters C.J.: Arenaviruses. In: Fields B.N. et al. (Eds.): Virology (3rd Edition), pp. 1521-1551. Lippincott-Raven, Philadelphia – New York 1996. 129 PARAMYXOVIREN 9 AUSTRALISCHE PFERDE UND MALAIISCHE SCHWEINE: DIE NEUEN PARAMYXOVIREN Dieter Hassler Tod im Pferdestall I m Jahre 1994 wurde eine Stute aus einem anderen Stall nach Hendra in der Nähe von Brisbane/Australien gebracht. Nach nur zwei Tagen verendete sie unter dem Bild eines akuten Lungenversagens. Wenig später litten fast zwanzig Tiere an dieser neuen Seuche. Die Tiere zeigten schwerste respiratorische Symptome und starben schließlich ebenfalls am akuten Lungenversagen (Übersicht in Murray 1998). Kurz danach erkrankten ein Pferdetrainer und ein Stallgehilfe, der Trainer starb nach wenigen Tagen. Ein zweiter Ausbruch geschah fast zeitgleich im etwa 1000 km nördlich gelegenen Mackay, wurde aber erst mit Verzögerung erkannt, nachdem ein Farmer an einer schweren, über ein Jahr laufenden Encephalitis gestorben war (Rogers 1996, O’Sullivan 1997). Auch hier konnte die Übertragung durch den Kontakt mit zwei erkrankten Pferden wahrscheinlich gemacht werden. Das Hendravirus wird isoliert Aus Gewebeproben von Pferden und Menschen wurde ein neues Paramyxovirus isoliert, das zunächst als «Equine Morbilivirus», später als Hendravirus bezeichnet wurde (Abbildung 30). Es besitzt eine Hülle und besteht aus Negativ-Strang-RNA. Wegen einiger erheblicher Unterschiede zu den bisher bekannten Paramyxoviren hat man eine neue Gattung «Megamyxovirus» vorgeschlagen. Die lange Suche nach dem Reservoir Lange hat man nach einem Reservoir des Hendravirus gesucht; Tausende von unterschiedlichsten Tieren wurden gefangen, das Virus aber zunächst nirgends gefunden. Schließlich weitete man die Suche auf «eher unwahrscheinliche» Arten aus und wurde schließlich fündig. Flughunde, also große, fruchtfressende Fledermäuse (Abbildung 30) beherbergen das Virus, ohne offensichtlich selbst zu erkranken. Alle vier in Australien vorkommenden Pteropus-Arten dienen als Reservoir. Warum und wie es zu einer Übertragung auf Pferde und Menschen kom- 130 HENDRAVIRUS men kann, ist bislang völlig ungeklärt. Sehr infektiös kann das Virus primär nicht sein, denn selbst im Zoo von Sydney, der mitten in der Stadt liegt, gibt es große Kolonien von Flughunden, deren Hinterlassenschaften regelmäßig auf die Besucher herabregnen. Überall in Australien werden diese Tiere außerdem in Zoos gehalten, und noch nie ist eine Erkrankung bei einem Tierpfleger beobachtet worden. Abbildung 30: Links: Junger australischer Flughund Rechts: EM-Aufnahme des Hendravirus Eine Vero-Zelle wurde mit dem Virus-Isolat eines Patienten aus Malaysia infiziert; sichtbar sind virale Nucleokapside entlang der Membran. Klinik Das Hendravirus weist eine hohe Affinität zu Lungengewebe auf. Im Gegensatz zu den verwandten Viren führt es bei Pferden und Menschen fast immer zu schweren Pneumonien mit nachfolgendem Lungenversagen. Nur ein Patient überlebte. Auch in Tierversuchen konnte die Pneumonie regelmäßig reproduziert werden. In bisher einem Fall kam es zur protrahierten Encephalitis mit tödlichem Ausgang. 131 MENANGLE- UND NIPAHVIRUS Das Menanglevirus 1997/98 kam es zu einer auffallenden Häufung von Totgeburten in einer Schweinezuchtanstalt in New South Wales. Nur noch 27% der Schweine wurden lebend geboren. Aus den Kadavern wurden Proben genommen und untersucht. In Lungen, Gehirn- und Herzgewebe konnte ein weiteres, zuvor unbekanntes Paramyxovirus isoliert werden, das nun als Menanglevirus bezeichnet wird (Chant 1998, Philbey 1998). Auffallend bei dieser Epidemie war, daß außer den Totgeburten keine Beeinträchtigung anderer Schweine jedweden Alters gefunden wurden. Nach Etablierung serologischer Testverfahren hat man auch die Arbeiter dieser Schweinefarm untersucht, und bei zweien, die zuvor an einer grippeartigen Erkrankung gelitten hatten, hochtitrige Antikörper gefunden. Da alle konkurrierenden Erkrankungen (soweit möglich) ausgeschlossen wurden, glaubt man, daß diese Arbeiter an einer Menangle-Infektion gelitten haben. Bei der sofort gestarteten Suche nach einem potentiellen Reservoir des Virus fand man in wenigen hundert Meter Entfernung mehrere Kolonien von Flughunden. Etwa 30% dieser pflanzenfressenden Großfledermäuse hatten Antikörper gegen das neue Virus, ohne erkennbar krank zu sein. Die Art der Übertragung auf die Schweine ist noch völlig unklar. Das Nipahvirus Ab September 1998 trat in Malaysia eine Serie von eigenartigen Erkrankungen auf. Die Betroffenen entwickelten eine schwere Encephalitis, wurden komatös, und mehr als 50% starben. Zunächst glaubte man an schwere Verläufe der in diesem Gebiet verbreiteten Japan-Encephalitis. Irgend jemand bemerkte dann, daß einige der Erkrankten gegen Japan-Encephalitis geimpft waren, so daß diese Diagnose ins Wanken geriet. Dennoch nahm man die Epidemie nicht besonders ernst, bis immer mehr Schweinezüchter erkrankten und ein offensichtlicher Zusammenhang zwischen der Beschäftigung mit erkrankten Schweinen und menschlichen Erkrankungen erkannt wurde. Doch inzwischen wurden weitere Artengrenzen übersprungen: Pferde und Hunde sind ebenfalls erkrankt. So entschloß sich die Regierung, Experten der CDC und Australiens um Hilfe zu bitten. Gleichzeitig versuchte die malaiische Regierung, die Seuche durch das massenhafte Abschlachten von Schweinen in den Griff zu bekommen. Die Schlacht- 132 PARAMYXOVIREN: KLINIK höfe wurden geschlossen, fast eine Million Schweine wurden getötet, in der Zwischenzeit sanken die Neuerkrankungsraten deutlich ab. Eine erste Bilanz der CDC meldet insgesamt 257 Erkrankte in Malaysia und Singapur und mehr als hundert Tote (CDC, MMWR 30.4.99). Fast alle hatten in der Schweinezucht oder in Metzgereien gearbeitet und relativ engen Kontakt mit dem Borstenvieh gehabt. Ein Trost existiert: Eine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch wurde bisher nicht beobachtet. Vielleicht ist das aber nur ein glücklicher Zufall. Das (nach der Region der Erstisolierung so benannte) Nipahvirus konnte aus Lunge, Nieren, Milz und Herzgewebe erkrankter Tiere und verstorbener Menschen isoliert werden. Das ursprüngliche Reservoir ist unbekannt. Es gehört wie auch das Hendravirus in die Gruppe der Paramyxoviren, deren prominenteste Vertreter Masern- und Mumpsviren sind. Auffallend bei den neuen Paramyxoviren ist ihre Fähigkeit, verschiedene Arten vom Schwein über Fledermäuse und Pferde bis hin zum Menschen zu infizieren. Klinik Die Infektion wird durch Kontakt mit Körperflüssigkeiten infizierter Tiere ausgelöst. Besonders infektiös scheint die Plazenta zu sein. Die Inkubationszeit beträgt nach bisheriger Kenntnis circa 14 Tage. Zunächst treten Fieber und Kopfschmerz auf, es folgt eine Encephalitis. Nach kurzer Zeit werden die Patienten verwirrt, schließlich komatös. Die Letalität ist sehr hoch. Therapeutische Optionen existieren nicht, es gibt keinerlei wirksame Behandlung. Typ Vorkommen Klinik Verlauf Hendravirus Australien Pneumonie, Encephalitis schwer, teils letal Menanglevirus Australien grippeartig eher leicht Nipahvirus Malaysia Encephalitis schwer, 50% letal Tabelle 5: «Neue» Paramyxoviren 133 PARAMYXOVIREN: LITERATUR Ausgewählte Literatur: CDC: Outbreak of Hendra-like virus—Malaysia and Singapore, 1998-1999. MMWR 1999; 48(13): 265-269 (Internet: www.cdc.gov). Chant K., Chan R., Smith M., Dwyer D.E., Kirkland P., the NSW Expert Group.: Probable human infection with a newly described virus in the family Paramyxoviridae. Emerging Infect Dis 1998; 4: 273-275. Gibbs W.W.: Trailing a virus. Scientific American 1999; 281 (2): 80-87. Hooper P.T., Gould A.R., Russell G.M., Kattenbelt J.A., Mitchell G.: The retrospective diagnosis of a second outbreak of equine morbillivirus infection. Aust Vet J 1996; 74: 244-245. 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Die Übertragung der Malaria durch Mücken wurde 1898 erkannt, bei Gelbfieber war dies im Jahre 1900, Dengue-Fieber folgte 1903. Schlafkrankheit, RockyMountain-Spotted-Fever, Altweltzeckenfieber, Chagas-Krankheit und PappataciFieber waren 1910 als Vektor-übertragen bekannt (Philipp 1973, Gubler 1998). Diese Erkenntnis wurde schnell in Programme zur Vektor-Kontrolle umgesetzt. Die frühesten historischen Beispiele sind Kampagnen in Kuba und Panama zur Ausrottung des Gelbfiebers. Die Fertigstellung des Panamakanals wurde erst durch diese Programme ermöglicht. Richtig in Schwung kamen diese Bemühungen, als mit DDT und verwandten Substanzen erstmals hochwirksame Werkzeuge zur Vektor-Kontrolle existierten. Der Höhepunkt ihrer Anwendung lag in den sechziger Jahren, bis zunehmende Kenntnisse über die Langzeittoxizität ihre Anwendung obsolet machten. Hinzu kam, daß einige der gefährlichsten Vektoren inzwischen Resistenzen gegen die gebräuchlichen Insektizide entwickelt haben. Immerhin haben die Vektor-Kontrollprogramme, die natürlich nicht nur aus der Ausbringung von Giften bestanden, sondern ihren Hauptschwerpunkt in der Kontrolle der Moskito-Brutgewässer hatten, viele der gefürchteten Plagen aus zahlreichen Ländern vertrieben. Das einstmals auch in den USA verbreitete Gelb- 135 GELBFIEBER-VIRUS fieber wurde aus Nord- und Mittelamerika weitgehend verbannt, die Malaria in Europa und Amerika ausgerottet, Onchozerkose und Filariose zurückgedrängt. Abbildung 31: EM-Aufnahme einer Gelbfieber-Virus-befallenen Zelle (Ausschleusung der Flaviviren) Heute kann man sich kaum noch vorstellen, daß die renommierten Centers for Disease Control nur deshalb in Atlanta angesiedelt wurden, weil diese Gegend der letzte Herd des Gelbfiebers in Nordamerika war. Doch bereits in den siebziger Jahre fanden sich erste Anzeichen, daß die Seuchen zurückkehren könnten. In Sri Lanka, wo Anfang der sechziger Jahre nur 20-30 Malaria-Fälle pro Jahr beobachtet worden waren, stieg die Zahl auf etwa 500000 pro Jahr (Gubler 1998). Weltweit erkranken heute etwa 200 Millionen Menschen jährlich an Malaria, etwa 2 Millionen sterben. Zwei Faktoren trugen zu diesem Flashback bei: Die zunehmende Urbanisation und die weltweite Handels- und Reisetätigkeit. 136 VEKTORÜBERTRAGENE KRANKHEITEN: LITERATUR Die Verstädterung in zahlreichen Entwicklungsländern führte zur Ausbreitung von Moskito-Brutstätten. Unverrottbare Plastik- und Blechbehälter boten diesen Arten neue Biotope, die Folge war die globale Ausbreitung bestimmter, gutangepaßter Moskito-Arten. Speziell das Dengue-Fieber und die Japan-Encephalitis konnten sich dadurch rasant ausbreiten (Gubler 1997, siehe auch nachfolgende Kapitel). Die Handelstätigkeit tat ein übriges. Alte Autoreifen, die per Schiff weltweit transportiert wurden, erwiesen sich als Pandoras Büchse: Mit ihnen kamen Moskitos und Viren zurück in die zuvor von den Krankheiten befreiten Gebiete (Reiter 1987). Auch Flugzeuge erwiesen sich als passende Vehikel. Moskitos können selbst bei Temperaturen von -50°C in Radkästen überleben. Die Passagiere selbst tragen ebenfalls zur Ausbreitung von Krankheiten bei. Wer denkt im Zeitalter der LastMinute-Tours noch an die notwendige Prophylaxe? Wer kalkuliert bei seiner Hochzeitsreise nach Bali die Japan-Encephalitis, das Dengue-Fieber ein? Auch wir «residenten» Europäer sollten uns nicht allzu sicher fühlen. Erst um 1920 wurde die Malaria hier ausgerottet, globale Erwärmung und die Anwesenheit passender Vektoren lassen ein Wiederauftreten möglich erscheinen. 1997 wurde ein Fall von Malaria bei einer toskanischen Bäuerin beschrieben, die nie das Dorf, geschweige denn das Land verlassen hatte. 1998 wurde ein Malaria-Fall aus Hessen bei einer Frau bekannt, die ebenfalls nicht in den Risikogebieten gewesen war. Erklärt wurde die Erkrankung mit einem südostasiatischen Kind, das im gleichen Dorf gerade an einer Malaria litt. Mag sein - ein Vektor muß im Spiel gewesen sein. So wurde der erste Schritt der Wiedereinbürgerung vollzogen: Ein fiebernder Malaria-Kranker, ein passender Vektor, ein infizierbarer Wirt.... Ausgewählte Literatur: Gubler D.J.: Epidemic dengue and dengue haemorrhagic fever: a global public health problem in the 21th century. In: Scheld W.M. et al. (Eds.): Emerging infections I, pp. 1-14. ASM Press, Washington DC 1997. Gubler D.J.: Resurgent vector-borne dieseases as a global health problem. Emerging Infect Dis 1998; 4 (3). Murphy F.A.: Emerging Zoonoses. Emerging Infect Dis 1998; 4 (3). Philipp C.B., Rozenboom L.E.: Medico-veterinary entomology: a generation of progress. In: Smith et al. (Eds.): History of entomology. Annual Reviews Inc., Palo Alto 1973. Reiter P., Sprenger D.: The used tire trade: a mechanism for the worldwide dispersal of container breeding mosquitoes. J Am Mosq Ctrl Assioc 1987; 3: 494-501. Internet: www.cdc.gov/ncidod/EID oder www.outbreak.org 137 DENGUE 10.1 DENGUE ANTE PORTAS: DIE GEISSEL DER TROPEN BEDROHT (NICHT NUR) AMERIKA Dieter Hassler Duane Gubler hat kürzlich das Dengue-Fieber als die große Herausforderung des 21. Jahrhunderts bezeichnet. In seinen Publikationen warnt er immer wieder eindringlich davor, daß diese Seuche auch die Industrieländer massiv bedrohen könnte. Es lohnt sich, seine Argumente einmal näher anzusehen. Doch zunächst zur Geschichte. Bereits in einer chinesischen Enzyklopädie aus der Zeit der Chin-Dynastie (265-420 n. Chr.) wird von einer verheerenden Seuche berichtet, die als «Wassergift» bezeichnet wurde und nach Meinung der Chinesen etwas mit fliegenden Insekten und Wasser zu tun hatte (Nobuchi 1979). In späterer Zeit sind Ausbrüche, die man auf Grund der zeitgenössischen Schilderungen heute als Dengue-bedingt betrachtet, in Asien, Afrika und Amerika dokumentiert, besonders gut in den Jahren 1779 und 1780 (eine für die damalige Zeit phantastische Zusammenfassung bietet die leider extrem schwierig zu beschaffende Arbeit von Siler 1926, ersatzweise sei auf Gubler’s ebenfalls sehr lesenswerte Arbeiten verwiesen). Die Ausbrüche traten unregelmäßig, jedoch in teilweise verheerendem Ausmaß auf. Gubler meint, daß nach den großen Epidemien eine hohe Zahl von immunen Rekonvaleszenten dazu führte, daß die Epidemien solange verschwanden, bis genügend nichtimmune Personen nachgewachsen oder zugezogen waren, ein Modell, das wir ja bei vielen Viruskrankheiten kennen. Große Ausbrüche sind in Djibuti am Horn von Afrika, in Mittelamerika und in Asien dokumentiert, diese waren aber in der Regel an einen einzigen Serotyp gebunden (Ehrankramz 1971, Gubler 1978). Der letzte große Ausbruch in Europa wurde in den zwanziger Jahren in Griechenland registriert. Erst die Auswirkungen des zweiten Weltkriegs im asiatischen Raum, die zunehmende Verstädterung und die kriegsbedingte Mobilität führten zu Bedingungen, die das Dengue-Fieber zu einer wirklich globalen Bedrohung machten (Sabin 1952, Gubler 1998). 138 DENGUEVIRUS Das Denguevirus und seine Varianten Dengueviren gehören zu den Flaviviren, deren prominentester Vertreter das namensgebende Gelbfieber-Virus ist. Außerdem gehören die Japan-Encephalitis (siehe folgende Kapitel), das West-Nil-Fieber, die Hepatitis C sowie die FSME und ihre Verwandten in diese Gruppe. Vom Denguevirus sind vier Serotypen bekannt (DEN1-DEN4). Haupt-Vektor ist Aedes aegypti, eine Moskito-Art. Als Nebenvektor gilt Aedes albopictus, eine Art, die auch in den USA weitverbreitet ist. Abbildung 32: Immunhistologie von Denguevirus-Antigen in einem Gefäß der Milz. Die deutlich rotgefärbten Immunkomplexe haben sich an den Gefäßendothelzellen abgelagert. Hyperendemität als neues Problem Die vier Serotypen traten früher jeweils lokal begrenzt auf. War ein Mensch am jeweiligen lokalen Serotyp erkrankt und hatte er die Krankheit überstanden, so war er immun. Leider besteht aber keine Kreuzimmunität gegen die anderen Serotypen. Die Verschleppung der Virusvarianten in andere Länder über Reisende und 139 DENGUE-HAEMORRHAGISCHES-FIEBER Flüchtlinge führt nun dazu, daß an vielen Orten mehrere Serotypen kursieren, ein Phänomen, das man Hyperendemität nennt. So war es möglich, daß Infektionen mit mehreren Serotypen beim gleichen Patienten nacheinander oder sogar gleichzeitig auftraten. Das Krankheitsbild bei den einzelnen Serotypen unterscheidet sich nicht grundsätzlich, alle Varianten können die typischen Komplikationen auslösen. Klinik Das klassische Dengue-Fieber beginnt nach einer Inkubationszeit von 3-12 Tagen mit plötzlichem, sehr hohem Fieber, frontalen Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Dann folgen Myalgien und Knochenschmerzen («Bone-breaking-fever»). In dieser Phase ist Dengue von vielen anderen akuten tropischen und nichttropischen Krankheiten klinisch kaum zu unterscheiden. Die Fieberphase dauert 2-7 Tage, vor der Entfieberung tritt meist ein kleinfleckiges Exanthem auf. Die Prognose ist meist günstig, die Erkrankten bleiben gegen den jeweiligen Serotyp lebenslang immun. Eine Kreuzimmunität gegen die anderen Serotypen ist aber nur kurzfristig vorhanden. Dengue-haemorrhagisches Fieber (DHF) Die erste Epidemie mit einer neuen Verlaufsvariante, dem DHF, wurde 1953 auf den Philippinen registriert. Die Betroffenen litten nicht an der bekannten «Grippe der Tropen», wie Dengue oft bezeichnet wurde, sie waren schwerstkrank. Vor allem Kinder erkrankten an dieser neuen Form. Sie begann wie die klassische Dengue mit plötzlichem hohem Fieber, verbunden mit grippeartigen Allgemeinsymptomen. Doch statt nach dem Fieberrückgang langsam die Rekonvaleszenz einzuleiten, trat bei DHF kurz nach der Entfieberung ein «Capillary-leak-syndrome» mit Petechien, Ekchymosen, inneren und äußeren Blutungen auf (Hammon 1960, Bhamarapravati 1967, Barnes 1974). In vielen Fällen führte dies zum Volumenmangel- bzw. haemorrhagischen Schock, dem Dengue-Schock-Syndrom (DSS). Nur bei sofortiger adäquater Therapie mit Substitution von Plasma und Gerinnungsfaktoren konnte der ansonsten letale Ausgang abgewendet werden. 140 DENGUE-FIEBER: KLINIK Dengue DHF DSS Fieberphase 2-7 Tage analog Grippeartige Symptome analog relative Thrombopenie ausgeprägte Thrombopenie Entfieberung capillary-leak-syndrome massive Blutungen (gastrointestinal, Epistaxis) Rekonvaleszenz Ekchymosen Pleura-, Peritonealergüsse Schock durch Blutverlust verzögerte Rekonvaleszenz Exitus bei nicht adäquater Therapie Tabelle 6: Varianten des klinischen Verlaufs des Dengue-Fiebers Was verursacht DHF und DSS? Die neue Variante warf die Frage auf, warum diese altbekannte Erkrankung plötzlich ihr Gesicht gewandelt hatte und nun einen derart schweren Verlauf zeigte. Zwei Theorien wurden zur Erklärung angeboten. Eine Möglichkeit war, daß eine durch Spontanmutation entstandene, aggressivere Variante für das DHF verantwortlich war. Dafür sprachen Untersuchungen, die auf Tonga gezeigt hatten, daß die gleiche Virusvariante, die auf den Nachbarinseln schwere Epidemien ausgelöst hatte, nun zu einer wenig aggressiven Form zurückmutiert war, die nur milde Erkrankungen auslöste, obwohl die Bevölkerung keineswegs immun war (Gubler 1978). Eine andere, heute weithin akzeptierte Theorie besagt, daß das DHF vor allem bei Patienten auftritt, die nach durchgemachter Infektion mit einem Serotyp ein zweites Mal mit einem anderen Serotyp infiziert werden (Schönrich 1998, Kouri 1998). Hierfür sprechen die Ergebnisse von Tierversuchen, in denen dies reproduziert werden konnte. Andere Arbeitsgruppen konnten diese Ergebnisse (an anderen Versuchstierarten) aber nicht generell bestätigen. 141 DENGUE-FIEBER: THERAPIE Therapie Eine spezifische Therapie existiert nicht, alle Maßnahmen können sich nur an der klinischen Symptomatik orientieren. Bei unkomplizierten Fällen gehören dazu fiebersenkende und schmerzstillende Maßnahmen, beim DHF die Substitution von Plasma und Gerinnungsfaktoren bis hin zum intensivmedizinischen Repertoire. Prävention Moskito-Netze bzw. Repellentien als Vorbeugung vor Mückenstichen. Eine Impfung wird derzeit entwickelt (Bhamarapravati 1997). Heutige epidemiologische Situation Zurück zu Duane Gubler und seinen fast apokalyptischen Visionen: Fast ganz Asien, Afrika und Süd- bzw. Mittelamerika sind heute fest in der Hand des Dengue-Virus. Besonders alarmierend ist, daß in vielen Gebieten Mittel- und Südamerikas heute alle vier Virustypen präsent sind. Mit ihnen kam das Dengue-haemorrhagische Fieber, das hier früher unbekannt war, auch nach Amerika. Vor 1981 1981-1998 Abbildung 33: Verbreitung des Dengue-haemorrhagischen Fiebers in Südamerika (modifiziert nach Gubler 1998) 142 DENGUE-FIEBER: EPIDEMIOLOGIE Besonders dramatisch stellt sich die Situation auch in den Städten Asiens dar, die durch ihr ungezügeltes Wachstum den Moskitos ideale Vermehrungsmöglichkeiten bieten. Jede Plastiktüte, jede weggeworfene Coladose und jeder alte Autoreifen, in dem sich etwas Wasser sammelt, ist ein ideales, von Fraßfeinden freies Brutbiotop für Aedes aegypti. Diese Moskitos waren nach den großen Seuchen-Kontrollprogrammen Ende der sechziger Jahre fast vom amerikanischen Kontinent verschwunden, inzwischen melden sie sich mit Macht zurück. Das ganze ursprüngliche Gebiet ist heute wieder besiedelt! Überall breitet sich Dengue aus: In Ost- und Westafrika kam es zu den ersten größeren Epidemien seit mehr als fünfzig Jahren, Djidda in Saudi-Arabien war 1994 Ort eines größeren Ausbruchs. 1997 war Kuba betroffen: knapp 3000 Erkrankungen, 205 davon mit DHF und 12 Todesfälle wurden registriert (Kouri 1998). Jedes Jahr erkranken derzeit circa 100 Millionen Menschen weltweit am DengueFieber. Mehr als 100000 erkranken am DHF, so daß diese Erkrankung derzeit der größte Faktor der Kindersterblichkeit in einigen asiatischen Ländern ist. Reisende schleppen Dengue immer wieder nach Nordamerika und Europa ein. Dabei kann man sicher davon ausgehen, daß die Mehrzahl der Fälle gar nicht diagnostiziert wird. In mehreren dokumentierten Fällen kam es auch auf dem Gebiet der USA bereits wieder zu sekundären Kleinepidemien, die ihren Ausgang bei infizierten Reisenden nahmen (CDC, MMWR 1994). Zwei Fälle von Dengue-Schock-Syndrom wurden bei schwedischen Urlaubern nach ihrer Rückkehr aus dem in Asien verbrachten Urlaub diagnostiziert (Wittesjo 1993), in Deutschland werden jedes Jahr etwa hundert Fälle von Dengue-Erkrankungen (in der Regel unkompliziertes Dengue-Fieber) eingeschleppt. Da geeignete Vektoren inzwischen wieder fast überall präsent sind, könnten schon morgen große Epidemien folgen. Diesen stünden wir heute völlig machtlos gegenüber, da noch immer kein Impfstoff im Handel ist. 143 DENGUE-FIEBER: PRÄVENTION Was könnte man tun? Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte haben gezeigt, daß nur die MoskitoKontrolle ein effektiver Weg ist, das Dengue-Fieber und andere von Stechmücken übertragene Krankheiten zurückzudrängen. Also zurück zu den Gift-Spritzaktionen der früheren Jahrzehnte? Sicher nicht, denn dieser Weg hat sich als Sackgasse erwiesen: Die Toxizität der Substanzen für den Menschen und ihre nachlassende Wirksamkeit haben diese Waffe längst obsolet gemacht. Nur die Reduktion geeigneter Moskito-Brutgebiete, zum Beispiel durch rigorose Vermeidung von wilden Müllablagerungen, verspricht Erfolg (die rigorose Politik der Reinhaltung der Städte in Singapur hat also gute Gründe!*). Höchste Priorität sollte aber die Impfstoffentwicklung haben, auch wenn das Interesse der Industrieländer daran auf den ersten Blick gering sein dürfte. Auch die hochentwickelten Länder müssen die weitere Ausbreitung der Dengue massiv fürchten, sie klopft bereits an die Tür. * Nicht bei allen führt die Stadtpolitik Singapurs zu ungeteilter Zustimmung. Zitat eines Taxifahrers bei der Fahrt durch die Stadt im Oktober 1998: „We live in a fine country – we have fines for everything.” 144 DENGUE-FIEBER: LITERATUR Ausgewählte Literatur: Barnes W.J.S., Rosen L.: Fatal hemorrhagic disease and shock associated with primary dengue infection on a pacific island. Am J Trop Med Hyg 1974; 23: 495-506. 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Siler J.F. et al.: Dengue, its history, epidemiology, mechanism of transmission, etiology, clinical manifestations, immunity and prevention. Philipp J Sci 1926; 29: 1-304. 145 JAPAN-ENCEPHALITIS 10.2 EIN MÜCKENSTICH MIT LANGZEITWIRKUNG DIE JAPAN-ENCEPHALITIS Dieter Hassler Neben dem Dengue-Fieber breitet sich ein zweites Flavivirus stetig aus: Die Japan-Encephalitis (JE) entwickelt sich ebenfalls zum gravierenden Gesundheitsproblem in Süd- und Ostasien. Seit dem letzten Jahrhundert sind Ausbrüche dieser typischen Sommerinfektion beschrieben worden, so unter anderem eine Epidemie in Japan 1924 mit etwa 6000 Erkrankten, von denen 60% starben (Tsai 1990, www.cdc.gov). Weitere Epidemien folgten in unregelmäßigen Abständen*, waren aber zunächst auf typische Endemiegebiete beschränkt. Doch dies sollte nicht so bleiben. Veränderte landwirtschaftliche Anbaumethoden (Waldrodungen, Reisanbau und künstliche Bewässerung), aber auch zunehmende Urbanisation mit den typischen Folgen hatte eine kontinuierliche Ausbreitung über ganz Süd- und Ostasien zur Folge (Tongcharoen 1989). 1958 trat ein großer Ausbruch in Korea auf, der den Beginn einer ganzen Serie markierte. China ist seit den vierziger Jahren Hochendemiegebiet mit Seroprävalenzen über 80% in manchen Regionen. Thailand, vor 1970 nur sehr sporadisch involviert, wurde in den Folgejahren von schweren Ausbrüchen heimgesucht, und die zuvor nur in einem Hochtal endemische Krankheit breitete sich über den gesamten Norden des Landes aus. 1974 wurde die Grenze zu Burma überschritten, und Vietnam meldete ständig steigende Erkrankungsraten vor allem aus dem Mekong-Gebiet. Sri Lanka hatte seine erste Epidemie 1948, damals war der übrige indische Subkontinent noch JE-frei. Südindien war 1978 erreicht, in den Folgejahren breitete sich die JE über fast ganz Indien und bis nach Nepal aus. Diese Ausbreitung korrelierte direkt mit wasserbaulichen Erschließungsmaßnahmen (Seghal 1989). Touristen sind (wohl wegen der meist relativ geringen Aufenthaltsdauer) selten Opfer der JE, allerdings wurden immer wieder kasuistische Berichte über Erkrankungen, zum Beispiel bei deutschen Touristen, die sich auf Bali aufgehalten hatten, publiziert. * Zum Zeitpunkt, zu dem dieser Text geschrieben wird, läßt sich ein weiterer Ausbruch vorhersagen: Im August 1998 wurde China von verheerenden Überschwemmungen heimgesucht; eine drastische Vermehrung von Moskitos sollte die zwangsläufige Folge sein, und mit ihr Ausbrüche von Dengue und JE. 146 JAPAN-ENCEPHALITIS: VERBREITUNG Der Erreger Das zu den Flaviviren gehörende JE-Virus wird immer von Stechmücken der Gattung Culex übertragen. Neben Menschen erkranken vor allem Haustiere; Schweine und Wasservögel scheinen die Reservoire für die epidemischen Ausbrüche zu sein. Das JE-Virus wurde 1934 von Hayashi erstmals erfolgreich auf Affen übertragen, und 1938 konnte durch den Nachweis des Virus in Moskitos seine Übertragungsweise aufgeklärt werden. Verschiedene Serotypen sind bekannt, daher muß bei der Impfstoffherstellung eine Mischung verschiedener Isolate Verwendung finden. Abbildung 34: Aktuelle Verbreitung der Japan-Encephalitis (rote Areale) 147 JAPAN-ENCEPHALITIS: KLINIK Das Krankheitsbild Die große Mehrzahl der Infizierten entwickelt keine klinisch faßbare Erkrankung, sondern nur eine stumme Serokonversion. Nach Schätzungen von Tsai (1990) wird nur jeder hundertste Infizierte eine Encephalitis entwickeln. Die Hyperendemität in manchen Regionen führt dennoch dazu, daß in vielen Staaten Asiens die JE die häufigste Ursache einer Encephalitis im Kindesalter ist. Bei den klinisch apparenten Erkrankungen beträgt die Inkubationszeit 5-15 Tage. Zunächst tritt hohes Fieber, verbunden mit starken Kopfschmerzen auf. Bald danach werden die ersten Symptome der typischen Encephalitis mit Verwirrtheit, Sprachstörungen und motorischen Ausfällen sichtbar. Bei Kindern beginnt die Krankheit oft mit Erbrechen, Diarrhoe und Fieberkrämpfen. Viele Patienten werden im weiteren Verlauf komatös und entwickeln Lähmungen. 25% der Betroffenen sterben. Besonders gefürchtet sind die Langzeitfolgen, die bei mehr als zwei Drittel der Überlebenden gesehen werden. Gedächtnisstörungen, Wesensveränderungen, Konzentrationsprobleme, Krampfanfälle und bleibende Lähmungen sind häufig. Die überwiegende Anzahl der Erkrankungen tritt von Juli bis September auf, wenn die Moskito-Zahl am höchsten ist. Die Durchseuchung der Stechmücken kann dann bis zu drei Prozent betragen. Derzeitige epidemiologische Situation Jährlich wurden in den letzten Jahren mehrere zehntausend Erkrankungen und etwa 10000 Todesfälle gemeldet. Zusätzlich muß man von einer ganz erheblichen Dunkelziffer (vor allem in China) ausgehen. Die JE breitet sich in Asien ständig weiter aus. Besonders alarmierend ist die Situation in China und Nepal, wo auch 1998 ein größerer Ausbruch beobachtet wurde (Pröll 1998). Ein Rückgang der Erkrankungen konnte nur in den Ländern wie Japan und Korea verzeichnet werden, wo seit Jahren intensive Impfprogramme laufen. 148 JAPAN-ENCEPHALITIS: LITERATUR Prophylaxe Die Überträger der JE, praktisch ausschließlich Culex-Moskitos, stechen überwiegend in einer relativ kurzen Phase der Dämmerung. Sie sind nicht tagaktiv und gehen selten in die Häuser hinein. Dies hat den Effekt, daß fast ausschließlich die ärmere Landbevölkerung exponiert ist und Touristen nur in recht seltenen Fällen erkranken. Ein recht wirksamer Schutz besteht also in der Vermeidung von Outdoor-Aktivitäten in der Dämmerung, ebenso wichtig sind natürlich Moskito-Netze. Eine aktive Impfung ist seit Jahren verfügbar, wird aber nur in Japan hergestellt (Firma Biken). Sie ist über tropenmedizinische Ambulanzen oder internationale Apotheken zu erhalten. Wegen des geringen Infektions-Risikos für Touristen wird im allgemeinen nur die Impfung für Menschen empfohlen, die sich längere Zeit in den Endemiegebieten aufhalten. Ob diese Zurückhaltung richtig ist, kann nicht mit letzter Sicherheit entschieden werden. Angesichts der oft schweren und unbehandelbaren Spätfolgen der Encephalitis erscheint uns eine großzügigere Indikation angebracht. Ausgewählte Literatur: McDonald W.B.G. et al.: Japanese encephalitis after a two week holiday in Bali. Med J Aust 1989; 150: 334-336. Monath T.P.: Flaviviruses. In: Fields et al. (Eds.): Virology. 3rd Edition. Lippincott-Raven, Philadelphia – New York 1996. Okuno T.: An epidemiological review of Japanese encephalitis. World Helth Statistics Quarterly 1978; 3: 120-131. Pröll S, Nothdurft H.D.: Japanische Encephalitis: Erneute Epidemie in Nepal. Fortschr Med 1998; 116 (Nr. 26): 10. Schneider R.J. et al.: Clinical sequelae after japanese encephalitis: A one year follow-up study in Thailand. Southeast Asian J Trop Med Publ Hlth 1974; 5: 560-568. Seghal S.J.: Japanese encephalitis in india. JE and HFRS Bull 1989; 3: 31-40. Service M.W.: Agricultural development and arthropod-borne disease. Revista Saude Publica 1991; 25: 165-178 (portugiesisch). Thongcharoen P.: Japanese encephalitis virus encephalitis: An overview. Southeast Asian J Trop Med Pub Hlth 1989; 20: 559-573. Tsai T.F.: Japanese Encephalitis Vaccines. Internet: www.cdc.gov (sehr guter Übersichtsartikel, nicht nur zur Impfung!). 149 ALPHAVIREN 10.3 ARTHRITIS NACH MÜCKENSTICH: ALPHAVIREN Dieter Hassler Stellen Sie sich einmal vor: Sie verbringen Ihren Urlaub im Sommer in Mittel- schweden. Das Ferienhaus liegt an einem der vielen malerischen Seen. Abends wird vor der Hütte gegrillt, die Stimmung ist romantisch – einige Mückenstiche nimmt man da ja in Kauf… Abbildung 35: See in Mittelschweden: Idyll mit Tücken? 150 ALPHAVIREN: KRANKHEITSBILDER Eine Woche später treten plötzliche, heftige Gelenkschmerzen auf, die den Urlaub kräftig vermiesen. Die Gelenke sind teilweise geschwollen, jede Bewegung schmerzt. So geht das über einige Wochen, bis eine allmähliche Besserung einsetzt. Sie gehen natürlich zum Arzt, dieser veranlaßt die üblichen rheumatologischen Untersuchungen, alle Befunde sind negativ. Auch der Orthopäde findet keine Ursache der Gelenkbeschwerden. Frustriert beginnen Sie sich zu fragen, was für eine eigenartige Erkrankung Sie sich da zugezogen haben. Die Mückenstiche haben Sie natürlich längst vergessen – und doch liegt darin der Schlüssel für das Ganze. Ursache der Polyarthritis ist wahrscheinlich das Ockelbo-Virus aus der Gruppe der Alphaviren. Ähnlich wie seine Verwandten verursacht es ein ganz typisches Krankheitsbild, die epidemische Polyarthritis. Alphaviren und assoziierte Krankheitsbilder Weltweit sind derzeit etwa zwanzig Vertreter der Alphaviren bekannt. Die von ihnen ausgelösten Erkrankungen lassen sich in zwei Gruppen gliedern. Einige Viren (mit den Hauptvertretern Sindbis, Chikungunya, Ockelbo und Ross River) verursachen hauptsächlich akute Polyarthritiden, in der Akutphase oft verbunden mit einem kleinfleckigen Exanthem. Fieber und grippeartige Symptome sind eher selten. Die andere Gruppe, zu der hauptsächlich die Equine-Encephalitis-Vertreter, aber auch das Semliki-Forest-Virus gehören, verursacht primär Encephalitiden. Menschen sind von der letzteren Gruppe seltener betroffen, die meisten Erkrankungen treten bei Pferden und anderen Huftieren auf. Alle Arten werden durch Stechmücken übertragen, daher werden die typischen Ausbrüche nach ausgiebigen Regenfällen beobachtet (Marshall 1982, Aaskov 1985, Lindsay 1995, Johnston 1996). Reservoire sind oft Zugvögel, die offensichtlich auch für die Distribution der Alphaviren verantwortlich sind (Niklasson 1996). 151 ROSS RIVER-FEVER Virus Verbreitung Krankheitsbild Symptome Chikungunya Afrika, Asien Arthritis Fieber, Exanthem Sindbis Afrika, Asien Arthritis Fieber, Exanthem Ockelbo Skandinavien Arthritis Fieber, Exanthem Ross River Australien Polyarthritis 60% Exanthem selten Fieber Barmah Forest Australien Arthritis selten Fieber O’nyong-nyong Afrika Arthritis Fieber, Exanthem Semliki Forest Afrika Encephalitis Fieber selten Arthritis Equine Encephalitis Amerika EEE, WEE, VEE Encephalitis Fieber, biphasisch Me Tri Encephalitis Fieber, biphasisch Vietnam Tabelle 7: Alphavirus-Erkrankungen (Auswahl) Ross River-Fever Das Ross River-Fever ist vor allem in Australien verbreitet, nach neueren Berichten kommt die Erkrankung auch auf Papua Neuguinea und in Ozeanien vor. Es ist nicht ganz klar, ob es sich hierbei um eine Ausbreitungstendenz oder nur verbesserte Aufmerksamkeit handelt. Nach seroepidemiologischen Untersuchungen muß man davon ausgehen, daß etwa 60% der Erkrankungen völlig asymptomatisch verlaufen. Bei den klinisch symptomatischen Patienten stehen sehr akute, schmerzhafte Polyarthritiden im Vordergrund, Fieber wird nur selten beobachtet. 60% der Erkrankten entwickeln ein flüchtiges Exanthem (Rash). In manchen Fällen verlaufen die Arthritiden protrahiert, generell ist der Verlauf aber selbstlimitierend und günstig. 152 ALPHAVIREN: VERBREITUNG Ganz ähnlich ist die vom Barmah-Forest-Virus ausgelöste Erkrankung, die ebenfalls in Australien auftritt und für kleinere Ausbrüche verantwortlich war. Chikungunya Das Chikungunya-Virus wurde 1963 erstmalig in Calcutta isoliert, wo es in den folgenden Jahren schwere Epidemien verursachte, die zeitgleich mit einem DengueAusbruch auftraten (die Koinzidenz ist typisch, da ja in beiden Fällen Moskitos für die Übertragung verantwortlich sind). Das klinische Bild war auch hier von starken Gelenkschmerzen geprägt. In den letzten Jahren ging die Inzidenz in diesem Endemiegebiet durch Moskito-Kontrollmaßnahmen ständig zurück (Neogi 1995). Sindbis Das Sindbis-Virus verursacht ein ähnliches Krankheitsbild wie die bereits beschriebenen Vertreter, in Einzelfällen wird aber eine ZNS-Invasion beobachtet. An Tierversuchen konnte gezeigt werden, daß einzelne Stämme des Sindbis-Virus einen erhöhten Neurotropismus aufweisen (Dubuisson 1997). O’nyong-nyong Seit 1959 sind große Ausbrüche des O’nyong-nyong-Virus in Ostafrika aufgetreten, die mehr als zwei Millionen Menschen betrafen (Marshall 1982, Zöller 1997). Das Krankheitsbild verläuft sehr ähnlich wie Chikungunya- und Sindbis-Infektionen. Ockelbo Ein mit dem Sindbis-Virus sehr naher Verwandter wurde in Schweden, Finnland und Karelien gefunden (Horling 1993, Vene 1994, Niklasson 1996). Die Erkrankung wurde erstmals in einem relativ kleinen Endemiegebiet in Mittelschweden entdeckt, wo eine kleine Erkrankungsserie beobachtet wurde (Niklasson 1984). Die Erkrankung beginnt mit Fieber und Allgemeinsymptomen, in vielen Fällen wird ein kleinfleckiges Exanthem beobachtet, anschließend treten schmerzhafte Arthral- 153 ALPHAVIREN UND ENCEPHALITIS gien und gelegentlich Polyarthritiden auf, die Wochen bis Monate andauern können. Die Prognose ist gut, die Gelenkschmerzen können aber in Einzelfällen über mehr als zwei Jahre bestehen bleiben (Vene 1994). Eastern(EEE)-, Western(WEE)- und Venezuela Equine Encephalitis(VEE) Die praktisch nur in Amerika vorkommenden Equine-Encephalitis-Varianten sind, wie bereits der Name nahelegt, primär bei Pferden für seuchenartige Ausbrüche mit schweren Encephalitiden verantwortlich. Menschen werden gelegentlich infiziert, wobei nur ein kleiner Teil der Infizierten klinisch manifeste Erkrankungen entwickelt (bei der WEE etwa einer von hundert, bei der EEE einer von zwanzig). Die Encephalitis verläuft bei der EEE am schwersten, die Letalität liegt bei 50-75%, bei der WEE nur bei 3-7% (Johnston 1996, Zöller 1997). Me Tri Im Jahre 1995 berichteten Ha und Mitarbeiter über die Isolierung eines neuen Alphavirus in Vietnam, das dort vor allem bei Kindern mit einer akuten ZNSErkrankung assoziiert werden konnte. Ähnlich den aus Amerika bekannten Varianten der Pferde-Encephalitis wurde auch das Me-Tri-Virus für Epidemien bei Haustieren verantwortlich gemacht. Die serologischen Daten zeigten eine hohe Durchseuchung bei der einheimischen Bevölkerung. 154 ALPHAVIREN: LITERATUR Ausgewählte Literatur: Aaskov J.G. et al.: Isolation of Ross River virus from epidemic polyarthritis patients in Australia. Austr J Experim Biol Med Sci 1985; 63: 587-597. Dubuisson J. et al.: Genetic determinants of Sindbis virus neuroinvasiveness. J Virol 1997; 71: 2636-2646. Espmark A. et al.: Ockelbo disease in Sweden: epidemiological, clinical and virological data from the 1982 outbreak. Am J Trop Med Hyg 1984; 33: 1203-1211. Francy D.B. et al.: Ecologic studies of mosquitoes and birds as hosts of Ockelbo virus in Sweden and isolation of Inkoo and Batai viruses from mosquitoes. Am J Trop Med Hyg 1989; 41: 355-363. Ha D.G. et al.: Isolation of a newly recognized alphavirus from mosquitoes in Vietnam and evidence für human infection and disease. Am J Trop Med Hyg 1995; 53: 100-104. 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Springer, Heidelberg – Berlin – New York 1997. 155 CAL-BUNYAVIREN 10.4 AUCH IN UNSEREM HINTERHOF: DIE CALIFORNIA-ENCEPHALITIS UND IHRE VERWANDTEN Dieter Hassler I n der großen Gruppe der Bunyaviren, zu der auch die oben diskutierten Hanta- viren gehören, existiert eine Subgruppe, die nach der California-Encephalitis benannt ist. Diese Erkrankung und das zugehörige Virus wurde 1945 von Hammon und Reeves beschrieben, in den späteren Jahren konnte das Originalvirus aber trotz umfangreicher Suche nicht mehr entdeckt werden. Stattdessen wurden einige verwandte Viren gefunden. Zur Gruppe der CAL-Bunyaviren gehören La Crosse-, San Angelo-, Serra do Navio-, South-River- und einige andere neuentdeckte Virusarten. Vor allem das La CrosseVirus, bekannt aus inzwischen 28 amerikanischen Bundesstaaten, verursacht in den Sommermonaten im Westen der USA häufig Encephalitiden. Die Inzidenz wird von McJuncin (1998) mit 20 bis 30 Fällen pro 100000 Einwohner und Jahr angegeben. Damit ist diese Krankheit in der Region häufiger als bakterielle Meningitiden bzw. Encephalitiden. Die anderen amerikanischen CAL-Virus-Arten werden deutlich seltener mit Erkrankungen in Verbindung gebracht. Der Vektor ist eine «baumbewohnende» Moskito-Art, Aedes triseratius. Diese Stechmücken legen ihre Eier in wassergefüllte Astlöcher von Hartholzbäumen, wo sich die Larven entwickeln; eine für Moskitos etwas exotische Verbreitungstechnik, in Gegenden mit geeignetem Baumbestand und einigermaßen regelmäßigen Niederschlägen aber sicher nicht die schlechteste Idee. Die europäischen Vertreter Das Tahyna-Virus ist ein Verwandter, der vor allem aus Europa und dem Gebiet der früheren Sowjetunion bekannt ist. Es wurde 1958 erstmals in der Tschechoslowakei aus Stechmücken der Gattung Aedes isoliert (Bardos 1959) und in den Folgejahren in vielen Ländern, auch in Deutschland gefunden (Knuth 1990). Das Inkoo-Virus wurde 1964 in Finnland und in Karelien entdeckt. 156 TAHYNA-VIRUS Das Tahyna-Virus: In Deutschland nur vergessen? Spannende Fragen ranken sich um diese beiden europäischen Vertreter der CALViren, über die vor allem aus dem russischen Sprachraum neuere Publikationen vorliegen. Das Tahyna-Virus verursacht dort regelmäßig Erkrankungen in der Art einer Sommergrippe. Fast alle Krankheitsfälle wurden in den Monaten Juli und August beobachtet (Butenko 1995), eine Häufung in urbanen Zonen wurde registriert. Das Virus wird von Stechmücken übertragen. Infiziert werden neben dem Menschen Wild- und Haustiere, bei denen Seroprävalenzen bis 70% gefunden wurden (Aspöck 1967). Abbildung 36: Die Rheinauen sind Brutstätte für Abermillionen Stechmücken verschiedener Arten; wahrscheinlich übertragen diese auch das Tahyna-Virus. Serologische Untersuchungen ergaben, daß in Österreich bis zu 60%, in Ungarn bis 50%, in der CSSR etwa 30%, in Deutschland ca. 5% der Bevölkerung Antikörper gegen dieses Virus aufweisen (Bardos 1961, Ackermann 1970, Profittlich 1971, Spithaler 1971), so daß man wohl davon ausgehen kann, daß viele Erkrankungen klinisch inapparent verlaufen. Eigenartigerweise wurden die Untersuchungen in Deutschland nach dieser Zeit nicht mehr gezielt weitergeführt. 157 VALTICE-FIEBER Dennoch wissen wir aus tschechischen Arbeiten einiges über die typische klinische Verlaufsform. Im Valtice-Hospital wurde in den sechziger Jahren eine endemische Erkrankung registriert, die man Valtice-Fieber nannte. Bardos konnte nachweisen, daß es sich hier um eine Tahyna-Infektion handelte. Wenn eine klinisch erfaßbare Erkrankung auftritt, so verläuft diese in den meisten Fällen nach einer Inkubationszeit von 3-7 Tagen mit leichtem Fieber, grippeartiger Allgemeinsymptomatik und unspezifischen Symptomen. Bei etwa dreißig Prozent der Erkrankten tritt eine Lungenbeteiligung mit Pneumonie, Bronchopneumonie oder Pleuritis auf. Häufig wird diese durch bakterielle Sekundärinfektionen kompliziert. Etwa 10% entwickeln Weichteilschwellungen und Muskelschmerzen, vorwiegend an den Händen, 10% verlaufen als abdominelle Form mit Erbrechen und Durchfall ab (Sluka 1980). Meist ist auch diese Verlaufsform selbstlimitierend und prognostisch günstig. Doch in einem Teil der Fälle verläuft die Erkrankung alles andere als harmlos. Neurologische Beteiligungen in Form von Meningitiden und Encephalitiden sind gar nicht selten, eine ZNS-Beteiligung wurde bei 3% beobachtet. Diese tritt in der Regel ähnlich wie bei der FSME erst nach einem beschwerdefreien Intervall ein und ist oft von einer ausgeprägten Konjunktivitis begleitet. Betroffen sind meist Kinder (Bardos 1969). Halbseitenlähmungen, Tremor und Schluckstörungen wurden beschrieben (Medek 1976). Aufhorchen läßt die Beobachtung von Demikov (1995), daß es nach der akuten neurologischen Verlaufsform oft zu chronischen Defekten kommt. Er fand bei 70% von 37 untersuchten Patienten mit chronischer, disseminierter Encephalitis Antikörper gegen das Virus. Neben dem Humanen Herpesvirus Typ 6 (HHV6, siehe dort) gibt es also weitere Kandidaten, die eine Encephalitis disseminata oder ein zumindest klinisch ähnliches Bild verursachen können. Nun wird der Einwand kommen, daß ein Virus aus Tschechien oder der sibirischen Tundra ja wenig Bedeutung für Mitteleuropa habe. Irrtum: Das Virus ist bereits da (Aspöck 1966, Spieckermann 1974), es wurde unter anderem aus Stechmücken in der Oberrhein-Ebene isoliert. Einzig die zugehörigen Erkrankten kennt man in Deutschland bisher nicht. Das kann einfach dran liegen, daß die Akutphase der Erkrankung als «Sommergrippe» gedeutet und so übersehen wird. Auch die eventuell auftretenden neurologischen Komplikationen könnten schlicht man- 158 TAHYNA-VIRUS IN DEUTSCHLAND gels gezielter Suche übersehen worden sein. Schließlich werden heute noch bei etwa 70% der viralen ZNS-Erkrankungen keine definitiven Erreger entdeckt. Trotz jahrzehntelang vorhandener Kenntnisse über das Virus und detaillierter Forschungen in der Tschechoslowakei mit dem Nachweis zahlreicher Erkrankungen wurde das Virus in Mitteleuropa einfach wieder vergessen. R. Ackermann, der in den späten sechziger Jahren umfangreiche Forschungen über das Tahyna-Virus in Deutschland initiiert hatte, berichtete uns mündlich, nach Auflösung seiner früheren Abteilung für Virologie an der Kölner Universität seien die zahlreichen gesammelten Virusisolate schlicht und einfach vernichtet worden. Damit verschwanden auch die technischen Möglichkeiten, serologische Testverfahren wiederaufzubauen. Auch Knuth (1990) monierte das fehlende Interesse. Seither hat sich an diesem Zustand praktisch nichts geändert. Da gibt es wohl noch einiges zu tun! 159 CAL-BUNYAVIREN: LITERATUR Ausgewählte Literatur: Ackermann R. et al.: Über die Verbreitung von Viren der California-Encephalitis-Gruppe in der BRD. Dtsch Med Wochenschr 1970; 95: 1507-1513. Aspöck H. et al.: Isolierung des Tahyna-Virus aus Stechmücken in Österreich. Arch ges Virusforschung 1966. Aspöck H. und Kunz C.H.: Untersuchungen über die Ökologie des Tahyna-Virus. Zentralbl Bakt Hyg A 1967; 203: 1-24. Bardos V. et al.: Serological study of the medical importance of Tahyna virus. In: Arboviruses of the California complex and bunyamvera group. Symposium, Smolenice 1966. Publ House Slovak Acad Sci Bratislava 1969: 301-344. Butenko A.M .et. al.: Serodiagnosis and epidemiology of a California encephalitis group of infections in the Ryazan region. Vopr Virusol 1995; 40: 17-21 (in russisch). 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Abbildung 37: Auch idyllische und friedliche Landschaften wie die Toskana bergen ihre Risiken: Hier lauert das Pappataci-Fieber 161 PAPPATACI-FIEBER: KLINIK Was störten da noch die winzig kleinen Stechmücken, die uns allabendlich zur Zeit des Sonnenuntergangs belästigten? Mückenstiche eben, nicht der Rede wert für einen Badener, der in der Rheinebene aufgewachsen war, wo die Stechmücken («Schnooge») bekanntlich ganz andere Dimensionen erreichen*. Einige Tage später traf mich eine Erkrankung aus heiterem Himmel. Am Nachmittag plötzlich eintretende Schüttelfröste, Fieberanstieg und heftiges Grippegefühl. Selbst die echte Influenza, die ich zwei Jahre zuvor erlebt hatte, war wenig beeindruckend gegenüber dieser Variante. Nach ruheloser Nacht traten Kopfschmerzen hinzu. Beim Aufstehen durchzuckte mich eine völlig neue Schmerzqualität. Die Augenmuskeln waren hoch schmerzhaft, jeder Versuch der Blickwendung wurde sofort bestraft. Zwei Tage später trat eine erhebliche Besserung ein, die Schmerzen verschwanden, das Fieber war rückläufig, und eine Teilnahme am allgemeinen Leben war wieder möglich. Die Krankheitsursache blieb rätselhaft. Zwei Tage später erkrankte mein Freund Jochen K. an identischen Symptomen, was von unseren Ehefrauen in dem Sinne kommentiert wurde, daß es sich wohl um eine Chianti-assoziierte Erkrankung handeln müsse, schließlich würden nur Männer erkranken. Aktuell schien diesem Argument wenig entgegenzusetzen. Zurück in Deutschland, wurden Lehrbücher der Infektiologie gewälzt, Spezialisten befragt, diskutiert. Keine Theorie war verifizierbar. Die Auflösung des Rätsels kam überraschend. Mein Freund und Kollege Dr. Hans K. lauschte der Schilderung des Problems, lehnte sich genußvoll zurück und brummelte Pfeife-stopfend: «Völlig klarer Fall, das war ein typisches Pappataci-Fieber!» Nach Androhung körperlicher Gewalt (ersatzweise 30 Tage Chianti-Entzug) gab er sein Geheimnis um die Kenntnis dieses exotischen Krankheitsbildes preis. Ein junger Assistenzarzt hatte diese Diagnose ebenso lakonisch gestellt, als er ein (weibliches!!) Familienmitglied nächtens in der Notaufnahme des Krankenhauses in Siena vorgestellt hatte. Diese Episode wirft ein Schlaglicht auf unsere Gewohnheiten der Anamneseerhebung und Diagnostik. Wir fragen routinemäßig unsere Patienten: „Waren Sie in den Tropen?“. Wir denken an Malaria und Gelbfieber, an Schlafkrankheit und Ebolavirus, die Krankheiten in unserem «Vorgarten» kennen wir nicht. * Der psychologisch geschulte Leser wird eine gewisse Geistesverwandschaft der Badener mit den Texanern bemerken! 162 TOSKANA-VIRUS Das TOS-Virus und seine Verwandten Das Toskana-Virus gehört zur Gruppe der Phleboviren innerhalb des Genus Bunyaviridae, zu dem auch die Hantaviren und die California-Encephalitis-Viren gehören (siehe oben). Zu den Phleboviren gehören zahlreiche Arten, die alle durch Moskitos übertragen werden. Darunter sind auch einige sehr enge europäische Verwandte des TOS-Virus, die rund um das Mittelmeer verbreitet sind. Alleine in Italien kursieren die Typen Naples (SFN), das Sizilianische Sandfliegenvirus (SFS) und der Namensgeber TOS, manchmal sogar in derselben Region nebeneinander (Verani 1995, Nicoletti 1996). Die Gruppe wird auch als SF-Virus zusammengefaßt. Auch in Portugal, Spanien, Griechenland, dem ehemaligen Jugoslawien und Zypern gibt es diese Viren. Dieselben (oder serologisch ähnlich reagierende) Phleboviren wurden in vielen Gebieten Asiens gefunden, verwandte Phleboviren sind aus fast ganz Afrika und Südamerika bekannt geworden. Vektoren sind immer Sandmücken (Phlebotomus perniciosus bzw. P. pappatasi). Manchmal trifft man bei Übertragung englischer Texte auf die falsche Übersetzung «Sandflöhe». Diese haben mit dem TOS-Virus aber nichts zu tun. Für die italienischen Endemiegebiete erscheint nachvollziehbar, daß die früheren Bemühungen der Malaria-Kontrolle durch massive Bekämpfung der übertragenden Stechmücken wohl auch die Inzidenz dieser Viruserkrankungen vorübergehend gesenkt haben, denn über längere Zeit fand man eine abnehmende Erkrankungsrate. Dies scheint sich jetzt umzukehren, denn in den letzten Jahren wurden vermehrt schwere Verläufe mit neurologischen Komplikationen vor allem aus der alten Endemie-Region um Siena gemeldet. Erkrankungen durch das Toskana-Virus: Nicht immer harmlose Sommergrippe Eine auffallende Ähnlichkeit der TOS-Infektion mit unserer (nicht verwandten) FSME besteht in der Tatsache, daß Kinder meist weniger schwer erkranken als Erwachsene. Daher galt lange als Regel, daß viele Toskana-Bewohner bereits im Kindesalter diese Infektion durchgemacht und meist schadlos überstanden hatten. So glaubte man eine Zeit lang, daß vor allem Touristen, die erst als Erwach- 163 TOSKANA-VIRUS-INFEKTION: PROPHYLAXE sene infiziert wurden, schwerer erkranken würden. Doch dieses Bild scheint sich zu wandeln – vielleicht auch ein Ergebnis größerer Aufmerksamkeit. Je jünger die Publikation, desto mehr neurologische Komplikationen (auch bei Kindern) werden berichtet (Becker 1997, Braito 1998). Seröse Meningitiden sind nicht selten, chronische Verläufe und solche mit neurologischer Defektheilung kommen vor. Braito berichtet, daß in den Sommermonaten 80% der akuten viralen ZNS-Infektionen bei Kindern in der Toskana durch das TOS-Virus bedingt sind. Die schwereren Verläufe werden aber auch heute noch bei Erkrankung im Erwachsenenalter beobachtet. Doch zumindest ein Trost existiert: Die Erkrankung hinterläßt eine lebenslange Immunität. Serologische Testverfahren sind etabliert, werden aber nicht von allen Labors angeboten (eine mögliche Adresse: Bernhardt-Nocht-Tropeninstitut in Hamburg). Prophylaxe und Therapie Einzige realistische Möglichkeit der Krankheitsvermeidung sind derzeit engmaschige Moskito-Netze, da die übertragenden Sandmücken der Gattung Phlebotomus durch die gröberen handelsüblichen Netze durchaus hindurchschlüpfen können. Repellents erscheinen eher weltfremd (wer will sich allabendlich großflächig eincremen?). Ein Impfstoff soll jetzt entwickelt werden. Therapeutische Optionen existieren nicht. 164 TOSKANA-VIRUS: LITERATUR Ausgewählte Literatur: Becker M. et al.: Pappataci-Fieber. Klin Pädiatr 1997; 209: 377-379. Braito A. et. al.: Evidence of Toscana virus infections without central nervous system involvement: a serological study. Eur J Epidemiol 1997; 13: 761-764. Braito A. et. al.: Toscana virus infections of the central nervous system in children: a report of 14 cases. J Pediatr 1998; 1: 132, 144-148. Cross E.R. et. al.: The potential effect of global warming on the geographic and seasonal distribution of Phlebotomus pappatasi in southwest Asia. Environ Health Perspect 1996; 104: 724-727. Eitrem R. et. al.: High prevalence rates of antibody to three sandfly fever viruses (Sicilian, Naples, and Toscana) among Cypriots. Epidemiol Infect 1991; 107: 685-691. Mendoza-Montero J. et. al.: Infections due to sandfly fever virus serotype Toscana in Spain. Clin Infect Dis 1998; 27: 434-436. Nicoletti L. et al.: Sandfly fever viruses in Italy. Arch Virol 1996; 11 (Suppl.): 41-47. Schwarz T.F. et al.: Aseptic Meningitis caused by sandfly fever virus, serotype Toscana. Clin Infect Dis 1995; 21 (3): 669-671. Schwarz T.F. et al.: Serosurvey and laboratory diagnosis of imported sandfly fever virus, serotype Toscana, infection in Germany. Epidemiol Infect 1995; 114: 501-510. Tesh R.B. et al.: Characterization of five new phleboviruses recently isolated from sandflies in tropical America. Am J Trop Med Hyg 1989; 40: 529-533. Tesh R.B.: The epidemiology of Phlebotomus (sandfly) fever. Isr J Med Sci 1989; 25: 214-217. Verani P. et al.: Antigenetic and biological characterization of Toscana virus, a new Phlebotomus fever group virus isolated in Italy. Acta Virol 1984; 28: 39-47. Verani P. et al.: Arbovirus surveilance in Italy. Parassitologia 1995; 37: 105-108. 165 OROYA-FIEBER 10.6 VON WÜHLMÄUSEN, SCHÜTZENGRÄBEN UND KATZENKRATZERN: BARTONELLOSEN Dieter Hassler BAHNBAU IN FEINDLICHER UMGEBUNG: OROYA-FIEBER UND VERRUGA PERUANA I n der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts strebten die Ingenieure nach immer neuen Rekorden. Letzte «weiße Flecken» auf den Landkarten wurden getilgt. Eine der verbliebenen großen Herausforderungen war der Bahnbau über die peruanischen Anden von Lima nach Oroya. Mit dieser Bahn, die eine Höhe von fast 5000 Metern über Meereshöhe überquert, und damit noch heute zu den absolut höchsten Bahnlinien der Welt gehört, hoffte man riesige Bodenschätze in dieser menschenfeindlichen Region zu heben. Entsprechend gigantisch war der technische Aufwand. Abbildung 38: Die Bahnstrecke von Lima nach Oroya Sie führt vom Meer über die Küstenkordillere auf das Dach der Anden und wurde um 1870 gebaut; Tausende starben damals am (später) so genannten Oroya-Fieber. 166 BRÜCKE DER WARZEN Der amerikanische Unternehmer Henry Meiggs (mit dem Spitznamen «Yankee Pizarro») erhielt die Konzession zum Bau der Bahn. Er warb in ganz Peru und Chile Arbeiter an, um das Vorhaben in Angriff zu nehmen. Bald kampierten Tausende in den unwegsamen Bergregionen unter unvorstellbaren hygienischen Bedingungen. Als die Strecke im Laufe des Jahres 1869 das Tiefland verlassen und entlang dem Rimac-Fluß eine Höhe von über 1000 m erreicht hatte, trat in den Massenunterkünften bald eine völlig neuartige Erkrankung auf. Die Arbeiter litten zunächst an hohem Fieber, im weiteren Verlauf starben sie zu Tausenden an einer schweren Anämie und – in Folge einer schweren Immunsuppression – an Sekundärinfektionen wie Miliartuberkulose, Shigellosen und Salmonellosen (GarciaCaceres 1991). Abbildung 39: Historisches Foto der «Brücke der Warzen» Die «Puente de Verrugas» liegt im Verlauf der Trans-Anden-Eisenbahn; die Peruaner sagen, jede Schwelle dieser Bahnlinie sei Symbol für einen Toten. 167 SELBSTVERSUCH DES DANIEL ALCIDES CARRIÓN Wie Garcia-Caceres nachweist, war diese Krankheit in der Region alles andere als neu. Schon ein Reisegefährte von Francisco Pizarro, sein Militärberichterstatter Valdizan, beschrieb im Jahre 1540 den Ausbruch einer Krankheit unter den Conquistadores, die mit hohem Fieber begann und bei den Überlebenden nach einiger Zeit «blutgefüllte Warzen» entstehen ließ. So war erstmals der Zusammenhang zwischen der fieberhaften Primärerkrankung und der nachfolgenden Verruga dokumentiert (Patron 1889, De Estete 1925). Diese Verruga peruana (peruanische Warze) ist eine stark vaskularisierte, eruptive Hautläsion mit charakteristischem Aussehen. Sie kommt nur in einem definierten Gebiet im Norden der Anden, ausschließlich in der Höhenstufe von 1000 bis 3000 m vor, und ist seit Urzeiten in der Region bekannt. Sie «zierte» nicht nur bildhafte Darstellungen von Menschen auf Töpfereien und Stelen, sogar präkolumbianische Mumien trugen dieses Mal (der histologische Beweis gelang allerdings erst Allison 1985). Zunächst gerieten viele der alten Kenntnisse in Vergessenheit, und nun wurde zum Ärger der Peruaner sogar das fieberhafte Stadium von den Teilnehmern einer wissenschaftlichen Expedition der Harvard-University als «neues» Krankheitsbild unter dem Namen Oroya-Fieber beschrieben und ein Zusammenhang mit der Verruga ausgeschlossen (Strong 1915). Der Name Oroya-Fieber hat sich trotz dieses Irrtums gehalten. Die eigentliche Leistung der frühen Entdecker geriet völlig zu unrecht in den Hintergrund. Sie verdient dennoch eine kurze Betrachtung. Nicht jeder Selbstversuch bleibt folgenlos: Der Grabstein von Daniel Carrión Da Pizarros Reiseberichte in spanischen Tresoren lagerten, mußte die Entdekkungsgeschichte mühevoll wiederholt werden. Der erste Wissenschaftler der Neuzeit, der schon 1858 die kompletten Zusammenhänge erkannt und in seiner Promotionsarbeit diskutiert hat, war Tomas Salazar (siehe Abbildung 40, links). Dies war aber vielleicht auch in Peru nicht allgemein bekannt. Einige Zeit später wollte Daniel Alcides Carrión, ein junger Student, im Stil der Zeit* den endgültigen Beweis für die vermuteten Zusammenhänge zwischen den Fieberepidemien der Bahnarbeiter und der Verruga peruana erbringen. Auch er * Robert Koch hatte gerade seine berühmten Postulate formuliert 168 VERRUGA PERUANA Abbildung 40: Links: Monströse Variante der Verruga peruana Garcia-Caceres gebührt der Verdienst, das wahrscheinlich älteste «medizinische» Foto Südamerikas wiederentdeckt zu haben, das eine Krankengeschichte in der Doktorarbeit von Tomas Salazar illustriert; es wurde bereits 1858 aufgenommen und zeigt Blumenkohl-artige verruköse Läsionen am Hals des Patienten Don Aniceto de La Cruz, der eine Woche nach dieser Aufnahme starb. Rechts: Verruga peruana der linken Hand aus der heutigen Zeit hatte den Verdacht, daß diese Warze durch denselben Erreger wie das Fieber ausgelöst werden könnte. Carrión plante diese Hypothese in einem Selbstversuch zu überprüfen. Er rieb sich Material aus einer Verruga in die Haut und beobachtete den Krankheitsverlauf. Er protokollierte den Krankheitsverlauf zunächst selbst; nachdem er immer schwächer wurde, übernahmen dies Mitstudenten. Leider nicht allzu lange, denn 39 Tage später starb er am Oroya-Fieber. Eine Therapie mit Chinin war ohne Effekt geblieben, so daß eine Malaria ausgeschlossen werden konnte. So war der Zusammenhang schlüssig bewiesen, seine Mitstudenten publizierten den Verlauf ein Jahr später (Medina et al. 1886). Carrións Grabstein kündet angeblich von seiner diagnostischen Großtat. 169 DANIEL ALCIDES CARRIÓN Abbildung 41: Daniel Alcides Carrión Die Abbildung stammt aus den «Anales de la Facultad de Medicina» der Universität von San Marcos aus dem Jahr 1925. 170 OROYA-FIEBER: KLINIK Erreger, Reservoir und Vektor Bartonella bacilliformis wurde 1909 von Barton beschrieben, eine erste Kultur gelang 1926. Sie war damit der erste Vertreter der neuen Gattung Bartonella, einer Gruppe, die (nach längerer Pause) wieder vermehrt medizinische Bedeutung gewinnt. Bartonella bacilliformis lebt primär in Erythrozyten, sekundär kommt es zu einer Kolonisierung der Milz und anderer Organe. Einziges bekanntes Reservoir ist der Mensch, Überträger eine Sandmücke der Gattung Lutzomyia, die nur in der bereits erwähnten Höhenstufe der Anden zwischen 1000 und 3000 m vorkommt (Young 1985). Klinik Das Oroya-Fieber beginnt nach einer Inkubationszeit von etwa drei Wochen mit hohem Fieber, Lymphknotenschwellungen, Hepatosplenomegalie und einer schweren Haemolyse durch Destruktion der Erythrozyten. Es folgt eine Phase der ausgeprägten Immunsuppression, die schwere Sekundärinfektionen häufig macht. 40% der Erkrankungen verliefen in der präantibiotischen Ära aufgrund der Anämie, hauptsächlich aber wegen der Sekundärinfektionen tödlich. Monate später entwickelte sich dann bei den Überlebenden die typische Verruga peruana, die meist einige Monate bestand, bevor sie spontan abheilte. Aus dieser Läsion (siehe Abbildung 40) läßt sich B. bacilliformis gut isolieren. 171 OROYA-FIEBER: LITERATUR Ausgewählte Literatur: Allison M.J. et al.: A case of Carrións disease associated with human sacrifice from the Huari culture of southern Peru. Am J Phys Anthropol 1985; 41: 295-300. de Estete M.: Relacion del viaje de Hernando Pizarro (1553) as cited by Hermilio Valdizan in: Apuntes para la historia de la verruga peruana. Anales Faculdad Med Lima 1925; 10 (Suppl.): 34-44. Garcia-Caceres U. et. al.: Bartonellosis: an immunosupressive disease and the life of Daniel Alcides Carrión. Am J Clin Pathol 1991; 95 (Suppl.1): 58-66. Medina C. et al.: La verruga peruana y Daniel Carrión. Imprenta del Estado, Lima 1886. Patron P.: La verruga do los conquistadores del Peru. La Chronica Medica Band 6; pp. 101-105, Lima 1889. Ricketts W.E.: Clinical manifestations of Carrións disease. Arch Intern Med 1949; 84: 751-781. Salazar T.: Historia de las verrugas. Gaceta Medica de Lima 1858; 2: 161-164 und 175-178. Weinman D., Pinkerton H.: Carrións Disease: Natural sources of Bartonella in the endemic zone. Proc Soc Exp Biol Med 1937; 37: 596-598. Young D.G. et al.: New records of phlebotomic sand flies from Peru with a description of Lutzomia oligodonta N. sp., from the Rimac valley. Int J Entomol 1985; 27: 136 146. Internet: www.rcp.net.pe/rpundac/carrion.htm 172 BARTONELLA QUINTANA WOLHYNISCHES FIEBER, SCHÜTZENGRABENFIEBER (TRENCH FEVER) Fast jeder Arzt hat schon einmal von einem älteren Patienten bei der Anamneseerhebung gehört, daß dieser während des letzten Krieges in Rußland am Wolhynischen Fieber erkrankt gewesen sei. Die einschlägigen Lehrbücher der Infektiologie waren aber immer recht wortkarg, wenn es galt, Aussagen zu dieser Krankheitsentität zu machen. Dies schien nicht weiter schlimm, war doch die Krankheit ohnehin seit dem Ende der Weltkriege so abrupt wieder verschwunden, wie sie während dieser aufgetaucht war. So blieb es meist eine rein anekdotische Anmerkung in den Krankenakten, und kaum einer von uns jungen Assistenzärzten dachte weiter über die Natur dieser Erkrankung nach. Sicher, der Flecktyphus, von dem einige der Betroffenen ebenfalls berichteten, war konkreter, hier kannte man ja sogar den verantwortlichen Erreger, Rickettsia prowazekii (siehe auch Kapitel «Rickettsien»). Das Krankheitsbild des Wolhynischen Fiebers war in den Kriegsjahren bestens bekannt. Hochfieberhafte Verläufe mit Muskel- und Knochenschmerzen, deliranten Zuständen und protrahiertem Verlauf waren die Regel. Unterernährte oder geschwächte Patienten starben oft. Es gibt eine Fülle vergessener Literatur über diese Erkrankung aus der Zeit nach dem ersten Weltkrieg. Bereits damals war aufgefallen, daß Truppenteile, die unmittelbar in Schützengräben eingesetzt waren, viel häufiger erkrankten als solche in der Etappe. Auch der Zusammenhang mit dem Vektor Kleiderlaus wurde frühzeitig erkannt (Strong 1918, Swift 1920). Man konnte damals aber die Erreger nicht eindeutig von Rickettsien unterscheiden. Mit dem Ende der Weltkriege erlosch dann wieder das Interesse an dieser Krankheit, da sie ja wieder genauso schnell verschwunden war, wie sie einst auftauchte. Die ganze Geschichte wurde also zu den Akten gelegt. Erst 1965 konnten Ito und Vinson melden, Bartonella (damals noch Rickettsia) quintana isoliert und sowohl in vitro als auch in der Kleiderlaus kultiviert zu haben. Jahrzehnte später kamen erste Berichte, daß man ein ähnliches Krankheitsbild wiederentdeckt hatte (Slater 1990), und ein «neuer» Erreger wurde als Verursacher beschuldigt. Dies war Anlaß einiger Verwirrung, und wie die Geschichte der Katzenkratzkrankheit zeigen wird, konnte erst allmählich Ordnung in diese vertrackte Gattung gebracht werden. 173 BARTONELLA QUINTANA: LITERATUR Dennoch schließt sich der Kreis um Bartonella quintana: Der lang verschollene Erreger konnte in den letzten Jahren wiederentdeckt werden. Man hat ihn dort gesucht, wo es die letzten Bestände der Kleiderlaus gibt, und hat ihn gefunden: Bei nichtseßhaften Alkoholkranken in Großstädten (Spach 1995, Brouqui 1996). Bartonella quintana ist also alles andere als ausgestorben. Sie wartet nur auf ihre Chance. Ausgewählte Literatur: Brouqui P. et al.: Survey of the seroprevalence of Bartonella quintana in homeless people. Clin Infect Dis 1996; 23: 756-759. Ito S., Vinson J.W.: Fine structure of Rickettsia quintana cultivated in vitro and in the louse. J Bakteriol 1965; 89: 481-495. von Krampitz H.E.: Weitere Untersuchungen an Granhamella Brumpt 1911Z . Tropenmed Parasitol 1962; 13: 34-53. Slater L.N. et. al.: A newly recognized fastiduous gram-negative pathogen as a cause of fever and bacteriaemia. N Engl J Med 1990; 323: 1587-1593. Spach D.H. et. al.: Bartonella (Rochalimea) quintana bacteriemia in inner-city patients with chronic alcoholism. N Engl J Med 1995; 332: 424- 428. Strong R.P.: Trench fever: Report of Commission, Medical Research Committee, American Red Cross. Oxford University Press, Oxford (UK) 1918. Swift H.F.: Trench fever. Arch Intern Med 1920; 26: 76-98. Vinson J.W., Fuller H.S.: Studies on trench fever I. Propagation of Rickettsia-like microorganisms from a patients blood. Pathol Microbiol 1961; 24 (Suppl.): 152-166. 174 BARTONELLA HENSELAE DIE KATZENKRATZKRANKHEIT («CAT SCRATCH DISEASE», CSD) Manch Katzenbesitzer hat mit seinem Haustier schon recht unangenehme Erfahrung gemacht. Ein kleiner, spielerischer Kratzer an der Haut, Tage danach geschwollene, schmerzhafte Lymphknoten, die über Wochen bestehen bleiben können, bisweilen auch Fieber und grippeartige Symptome. Insgesamt schien die Erkrankung aber immer selbstlimitierend zu verlaufen (über eventuell nachfolgende Endocarditiden wußte man früher nichts). Auch über den verantwortlichen Erreger war lange nichts bekannt, man wußte aber, daß manche Antibiotika (wie etwa Tetracycline) die Krankheit günstig beeinflussen konnten. Die Suche nach dem Übeltäter war ein Sammelsurium von Irrtümern, vorzeitigen Erfolgsmeldungen und Eifersüchteleien. Abbildung 42: Axillärer Lymphknoten bei einem Patienten mit Katzenkratzkrankheit 1985 schien es erstmals soweit. Gerber postulierte ein Bakterium namens Rhotia dentocariosa als Verursacher, nachdem er den Erreger aus einem einzigen Lymph- 175 BARTONELLA HENSELAE: LITERATUR knoten eines Erkrankten isoliert hatte. Ihm wurde sofort und heftig widersprochen. Sein heftigster Widersacher, Charles English, warf ihm Dilettantismus vor und argumentierte (völlig richtig), daß man ja einige Antibiotika kenne, gegen die Rhotia sensibel sei und daß manche von ihnen bekanntlich bei der CSD nicht wirksam seien. Drei Jahre später publizierte English seine eigenen Ergebnisse und präsentierte einen völlig neuen Erreger, den er Afipia felis nannte. Immerhin hatte er diesen bei mehr als zehn Patienten isoliert und auch die Übertragung im Tiermodell (auf Gürteltiere) gezeigt. Nun schien alles geklärt – doch wieder war die Erfolgsmeldung verfrüht. Heute wissen wir, daß die CSD in den meisten Fällen von Bartonella henselae, einem weiteren Vertreter dieser interessanten Gruppe der Bartonellen, verursacht wird (Dolan 1993). Welche Rolle Afipia felis tatsächlich spielt, bedarf noch der weiteren Überprüfung. Alle derzeitig verfügbaren Fakten sprechen aber für eine ausgesprochene Statistenrolle (Giladi 1998). Ausgewählte Literatur: Anderson B.E. et al.: Detection of Rochalimea henselae in cat scratch disease skin test antigens. J Infect Dis 1993; 168: 1034-1036. Debré R. et al.: La maladie des griffes de chat. Bull Mem Soc Med Hist 1950; 6: 76-79. Dolan M.J. et al.: Syndrome of Rochalimea henselae adenitis suggesting cat scratch disease. Ann Intern Med 1993; 118: 331-336. Dupon M. et al.: Evaluation of serological response to Bartonella henselae, Bartonella quintana and Afipia felis antigens in 64 Patients with suspected cat-scratch disease. Scand J Infect Dis 1996; 28: 361-366. English C.K. et al.: Cat scratch disease. Isolation and culture of the bacterial agent. JAMA 1988; 259: 1347-1352. Giladi M. et al.: Cat scratch disease: the rare role of Afipia felis. J Clin Microbiol 1998; 36: 2499-2502. Maurin M. et al.: Current knowledge of Bartonella species. Eur J Clin Microbiol Infect Dis 1997; 16: 487-506. Relman D.A. et al.: The agent of bacillary angiomatosis. An approach to the identification of uncultured pathogens. New Engl J Med 1990; 323: 1573-1580. 176 SPEKTRUM DER BARTONELLOSEN GEMEINSAMKEITEN UND UNTERSCHIEDE IM KLINISCHEN SPEKTRUM DER BARTONELLOSEN Bartonellen gehören wie viele der «neuen» Krankheitserreger zu den vorwiegend intrazellulären Mikroorganismen. Sie sind eng verwandt mit Brucella und Rhizobium. Ein mit anderen atypischen Bakterien gemeinsames Feature ist ihre Affinität zu Endothelzellen. Ganz besonders auffallend ist, daß mehrere BartonellenArten neben einem systemischen Krankheitsbild lokale, verrukös-angiomatöse Bilder auslösen können. Neben der klassischen Verruga peruana durch B. bacilliformis sind dies vor allem B. quintana und B. henselae. Die bazilläre Angiomatose wurde vor allem bei HIV-Infizierten beobachtet. Ganz ähnlich wie die Verruga peruana läßt sie sich als warzenartige, stark vaskularisierte Hauteruption beschreiben. Sie kann prinzipiell an jeder Stelle der Haut, aber auch an den Schleimhäuten des Gastrointestinal- bzw. Urogenitaltraktes auftreten. Abbildung 43: Bazilläre Angiomatose durch Bartonella henselae 177 BARTONELLOSEN: KLINIK Gerade B. henselae hat sich im Zeitalter von HIV neuen Respekt verschafft. Bei HIV-Infizierten verursacht sie ein chronisches Krankheitsbild, bei dem oft Milz und Leber involviert sind und Endocarditiden nicht selten beobachtet werden. Bei Immunkompetenten läuft die Erkrankung durch B. henselae dagegen in der Regel als (relativ) harmlose Katzenkratzkrankheit ab. Inzwischen konnte gezeigt werden, daß die Reservoire von B. henselae praktisch immer Katzen sind. Hält ein HIVInfizierter eine Katze, so steigt sein Risiko stark, an B. henselae-Infektionen zu erkranken. humanpathogene Erreger (Auswahl) Systemische Infektion Lokale Läsion Vektor Oroya-Fieber Verruga peruana Sandfliegen B. quintana 5-Tage-Fieber Schützengrabenfieber Endocarditis Bazilläre Angiomatose* Kleiderlaus B. henselae Katzenkratzkrankheit Endocarditis Meningitis Bazilläre Angiomatose* Katzenflöhe, Katzenkratz-Verletzungen B. elizabethae 1 x Endocarditis ? B. claridgeiae Katzenkratzkrankheit ? Katzen Systemische Infektion Reservoir Vektor B. vinsonii – Wühlmäuse Flöhe B. grahamii B. taylori B. doshiae – Wühlmäuse Flöhe B. bacilliformis nicht(?)-humanpathogene Erreger * meist bei Immunschwäche Tabelle 8: Bartonellosen (modifiziert nach Koehler 1997) 178 BARTONELLOSEN: DIAGNOSTIK Bartonellen-Endocarditis Zahlreiche Lehrbücher enthalten bei der Differentialdiagnose der Endocarditis die Chlamydien, nicht aber die Bartonellen. Heutige Kenntnisse über Lebensweise und serologische Reaktionen beider Gattungen lassen vermuten, daß die Bartonellen eine weitaus größere Rolle bei diesem Krankheitsbild spielen als Chlamydien (bei der KHK mag dies ganz anders aussehen, siehe auch Kapitel 4.2). Mehrere Bartonella-Spezies wurden zweifelsfrei als Erreger einer Endocarditis isoliert, und die Dunkelziffer dürfte angesichts der fehlenden Möglichkeiten vieler Labors, diese Gattungen zu differenzieren, erheblich sein. Didier Raoult, einer der herausragenden Kenner der Bartonellen, berichtete 1997 bei einem Kongreß in Sidney, er habe alle Fälle einer Chlamydien-Endocarditis, die einer Überprüfung zugänglich waren, als Bartonella-bedingt verifizieren können, wobei anzufügen ist, daß andere Labors diese Auffassung nicht bestätigen konnten. Vermutlich müssen in diesem Punkt einige Lehrbücher korrigiert werden. Fallstricke der Diagnostik Die serologischen Verfahren, die ja zu den Stützpfeilern unserer medizinischen Diagnostik gehören, sind im Falle der Bartonellen relativ wenig aussagekräftig. Zu groß sind die Kreuzreaktionen, vor allem mit Chlamydien-Arten. BartonelloseKranke fallen nach Raoult oft sogar durch besonders hohe Antikörpertiter in der Chlamydien-Serologie auf. Erst die zunehmende Verbreitung der PCR setzte uns in die Lage, zweifelsfrei zwischen diesen Gattungen zu unterscheiden. Von diesem Verfahren wird denn auch in den letzten Jahren reger Gebrauch gemacht. So kam es auch in dieser Gattung zur fast inflationären Vermehrung der beschriebenen Arten, wobei allerdings (bis jetzt) nur wenige gesichert humanpathogen sind. Auch kulturelle Verfahren, die allerdings noch wenigen spezialisierten Labors vorbehalten sind, können zuverlässig unterscheiden. Völlig offen bleibt derzeit die Frage, ob Bartonellen bei der Diskussion um Chlamydia pneumoniae und die koronare Herzkrankheit eine Rolle spielen könnten. Da in der Chlamydien-Diagnostik oft serologische Verfahren zu Anwendung kommen, die mit Bartonella kreuzreagieren können, bleiben Unsicherheiten. 179 BARTONELLEN IM INDIREKTEN IFT Abbildung 44: Nachweis von Bartonella-Antikörpern mit dem indirekten IFT (= Immunfluoreszenz-Test) Wo eine Wühlmaus, da eine Bartonelle Während man früher händeringend nach dem Reservoir der verschiedenen Bartonellen gesucht hat, findet man heute fast monatlich neue Arten. Die meisten der neuentdeckten Arten wurden bei systematischer Suche in Mäusen und anderen Nagern gefunden. Dies geht inzwischen so weit, daß man fast postulieren kann, daß in fast jeder untersuchten Wühlmauspopulation Bartonellen zu finden sind. Die meisten der neuentdeckten Arten wurden beim Menschen noch nicht isoliert, ihre grundsätzliche Verwandtschaft läßt es aber möglich erscheinen, daß dies nur eine Frage der Zeit und der gezielten Suche sein könnte. Spannend bleibt die Frage, warum bestimmte Arten häufig in Katzen gefunden werden. Bei der generellen Assoziation der Bartonellen zu Mäusearten kann man spekulieren, daß die Katzen sich beim Mäusefang infizieren. Verifizieren ließe sich diese Überlegung, wenn auch in wildlebenden, mäusefangenden Feliden Bartonellen zu finden wären; dies ist aber bisher nicht gelungen. 180 BARTONELLOSEN: THERAPIE Therapie der Bartonellosen Die Gruppe der Bartonellen unterscheidet sich in einem ganz wesentlichen Punkt von Chlamydien und anderen verwandten Gruppen: Nach Meinung von Raoult wirken nur Aminoglykoside bakterizid. Dem widerspricht, daß diese Substanzgruppe in manchen klinischen Fällen versagt hat. Da systematische Studien noch fehlen, können wir derzeit diesen Streit nicht endgültig entscheiden. Das bedeutet ferner, daß wir gerade die an einer Bartonellen-Endocarditis Erkrankten ganz anders behandeln müssen, als wir das üblicherweise tun würden, da PenicillinDerivate unwirksam sind. Wirksam sind neben den Aminoglykosiden vor allem Tetracyclin-Derivate, moderne Makrolide und Fluorchinolone wie etwa Levofloxacin (Ives 1997, Raoult 1997). Die Therapiedauer ist von der klinischen Manifestation abhängig: bei unkomplizierten Bartonellosen wie der CSD genügen 10 Tage, bei Endocarditiden werden mehrere Wochen empfohlen. Ausgewählte Literatur: Ives T.J. et al.: In vitro susceptibilities of Bartonella henselae, B. quintana, B. elizabethae, Rickettsia rickettsii, R. conorii, R. akari and R. prowazekii to macrolide antibiotics as determined by immunofluorescent antibody analysis of infected Vero cell monolayers. Antimicrob Agents Chemother 1997; 41: 578-582. Koehler J.E.: Bartonella: an emerging human pathogen. In: Scheld W.M. et. al.: Emerging Infections I. ASM Press, Washington DC 1997. 181 FSME 10.7 AM ANFANG STAND EIN HARMLOSER WALDSPAZIERGANG... DIE FRÜHSOMMER-MENINGO-ENCEPHALITIS (FSME) Peter Kimmig UND IHRE VERWANDTEN I nfektionserreger, die durch Arthropoden (Gliederfüßler) übertragen werden, gelten gemeinhin als Spezifikum von Entwicklungsländern, wohingegen die Industrieländer der gemäßigten Zonen davon kaum mehr betroffen sind. Dies war nicht immer so, kamen doch etwa in napoleonischer Zeit die meisten Soldaten nicht durch Feindeinwirkung, sondern durch das von Läusen übertragene Fleckfieber (Rickettsia prowazekii) ums Leben. Die Verbesserungen der Lebensbedingungen und der allgemeinen Hygiene haben derartige Infektionskrankheiten in den entwickelten Ländern weitgehend verschwinden lassen. Dies gilt aber nicht oder nur beschränkt für zoonotische Infektionskreisläufe, die in der freien Natur ablaufen, so daß derartige Infektionen nach wie vor auch in in den gemäßigten Breiten auftreten; vorrangig sind dies solche, die durch Zecken übertragen werden. Hier sind in erster Linie die Borreliosen und Zecken-Encephalitiden, in zweiter Linie die Rickettsiosen, Ehrlichiosen und Babesiosen zu nennen. Während die Borreliosen über die gesamte nördliche Hemisphäre verbreitet sind, sind die viralen Zecken-Encephalitiden in erster Linie eine «Domäne» der alten Welt. Sie werden durch verschiedene Flaviviren verursacht, die aufgrund serologischer Kreuzreaktionen als TBE (tick borne encephalitis)-Komplex zusammengefaßt werden. Hierzu gehören das in Mitteleuropa beheimatete Frühsommer-Meningoencephalitis-Virus (FSMEV), auch als zentraleuropäisches Encephalitis(ZEE)-Virus bezeichnet, und das sehr nah verwandte russische Frühsommer-Meningoencephalitis-Virus (Russian Spring Summer Encephalitis, RSSE), das über Rußland bis China verbreitet ist. Auf den Britischen Inseln, die FSME-frei sind, ist als «Ersatz» das Looping ill-Virus vertreten, das zu Encephalitiden bei Schafen und Rindern, jedoch nur selten auch beim Menschen führt. In die gleiche Virus-Verwandtschaft gehören auch die Verursacher von haemorrhagischen Fiebern wie das OmskHaemorrhagische-Fieber, das in der Region um den Baikalsee auftritt, sowie die Kyasanur-Waldkrankheit, die auf dem indischen Subkontinent beheimatet ist (Kraus et al. 1997). 182 FSME-VIRUS Abbildung 45: Idyllischer Waldweg Erreger Anfang der 30er Jahre berichtete Schneider (1931) erstmals von einer epidemischen Meningitis serosa, die regelmäßig im Frühling und Frühsommer in der Gegend von Wien auftrat. Kurze Zeit später wurde auch in der östlichen Sowjetunion von derartigen Infektionen berichtet. Bereits 1933 erfolgte hier auch die Isolierung des Virus und der Beweis für die Übertragung durch Zecken (Silber 1939; zit. nach Radda 1973). In Westeuropa gelang dies erst anläßlich einer Epidemie im Jahre 1948 in der Tschechoslowakei (Gallia et al 1949). Bei dem FSME-Virus handelt es sich um ein RNA-Virus aus der Familie der Flaviviridae (früher: Arboviren Genus B). Das behüllte Virus besteht aus einem ikosaedrischen Kapsid, das die Flavovirus-spezifischen Core-Proteine enthält. Die Hülle trägt die artspezifischen Glykoproteine, ein membranassoziertes Protein M (membrane) sowie das Hauptoberflächenglykoprotein E (envelope). Letzteres ist für die Bindung des Virus an die Zellrezeptoren verantwortlich und fungiert als Fusions- 183 FSME: KLINIK protein bei der Endozytose. Im Organismus induziert das E-Protein eine protektive Immunantwort und führt zur Bildung neutralisierender Antikörper (Heinz 1995). Es stellt die Grundlage der aktiven Immunisierung dar, die gegen beide Subtypen (FSMEV und RSSEV) gerichtet ist, da diese hier eine 96%ige Übereinstimmung aufweisen. Krankheitsbild Die Inkubationszeit bei der FSME beträgt im allgemeinen 7-14 Tage. In dieser Zeit kommt es zu einer ersten Virusvermehrung am Infektionsort und anschließendem Transport der Viren in die regionären Lymphknoten und von dort in das RES (RHS), wo eine massive Virusvermehrung stattfindet (Conrads und Plassmann 1982). In ca 60% der Fälle kommt die Infektion bereits während der Inkubationszeit zum Stillstand, so daß sie unbemerkt bleibt und nur aufgrund der Antikörperbildung erfaßt wird. Bei den verbleibenden 40% kommt es zu einer Virusausschwemmung in die Blutbahn und somit zu einer Virämie, die zu einer ausgeprägten, wenn auch unspezifischen Symptomatik führt, die sich in hohem Fieber über 39°C, Kopfschmerzen, Gliederschmerzen sowie katarrhalischen und intestinalen Erscheinungen äußert; das klinische Bild ist von einer «Sommergrippe» nicht zu unterscheiden. Bei 30% aller FSME-Infektionen kommt die Erkrankung auf diesem Stadium zum Stillstand. Nur bei den verbleibenden 10% kommt es zur Phase der Organmanifestation. Dieser geht ein symptomfreies Intervall voraus, das durchschnittlich 8 Tage dauert (1-20 Tage). Danach kommt es schlagartig wieder zum Fieberanstieg, starken Kopfschmerzen und Nackensteifigkeit bis hin zur ausgeprägten Symptomatik einer Meningitis (45%), Meningoencephalitis (41%) oder im schlimmsten Fall einer Myelitis bzw. Radikulitis (14%) (Kunz 1992, Kaiser 1997). Die Letalität liegt bei der FSME mit 1-2 % der encephalitischen Fälle relativ niedrig, der russische Subtyp ist mit einer Letalität von bis zu 30% wesentlich gefährlicher (Kunz 1995). Der Prozentsatz an bleibenden Schäden bis hin zur Tetraplegie indessen ist auch bei der FSME mit 10% vergleichsweise hoch. Ähnlich wie die sogenannten «Kinderkrankheiten» verläuft die Infektion bei Kindern in der Regel relativ mild und nimmt mit zunehmendem Alter an Schwere zu. 184 FSME: DIAGNOSE UND THERAPIE Diagnose und Therapie Die Diagnose einer FSME ist anhand der Exposition in einem Risikogebiet, der klinischen Symptomatik sowie einem entzündlichen Liquorbefund in Verbindung mit dem Nachweis spezifischer Antikörper meist ohne Probleme möglich. Bei der Antikörperbestimmung ist ein Titeranstieg der IgG-Antikörper oder der Nachweis von hohen Titern der IgM-Klasse beweisend. Bei 90% der Patienten lassen sich zudem 10 Tage nach Erkrankungsbeginn intrathekale FSME-Antikörper nachweisen. Eine antivirale Therapie der FSME steht derzeit nicht zur Verfügung, die Behandlung bleibt auf symptomatische Maßnahmen beschränkt (Kaiser et al. 1998). Epidemiologie Die Schwerpunkte der FSME-Verbreitung liegen im Baltikum, Rußland und GUSStaaten, Polen, Tschechien, Ungarn, Kroatien, Slowenien, Österreich und Süddeutschland. Die Erkrankungshäufigkeit an FSME hat in der Mehrzahl dieser Länder mit Beginn der 90er Jahre sprunghaft zugenommen. Besonders beeindrukkende Zahlen finden sich in Lettland, wo in den 70er und 80er Jahren zwischen 100 und 300 FSME-Fälle registriert wurden. 1993 kam es dann zu einem steilen Anstieg auf 791 Fälle, der sich im Jahr 1994 bis auf eine Rekordzahl von 1366 Fälle fortsetzte (Kunz 1995). In Baden-Württemberg war – auf niedrigerem Niveau – eine ähnliche Entwicklung festzustellen. Hier traten bis zum Beginn der 90er Jahre nur zwischen 8 und 32 Fälle pro Jahr auf. 1992 war dann ein sprunghafter Anstieg auf 120 Fälle festzustellen, der 1994 mit 239 Fällen seinen bisherigen Höhepunkt erreichte (Roggendorf et al. 1995). In der Folgezeit blieben die Zahlen anhaltend erhöht und pendelten sich auf 100-150 Fälle pro Jahr ein (Kaiser 1997). Die Gründe für die Zunahme der FSME-Infektionen sind unklar; es erscheint jedoch plausibel, daß sie in den milden Wintern der letzten Jahre zu suchen sind. Diese dürften eine höhere Überlebensrate der Zecken und ihrer wichtigsten Wirtstiere, kleinen Nagern, bewirkt und somit zwangsläufig zu einer Intensivierung des zwischen diesen ablaufenden Infektionskreislaufes geführt haben. Dieser Infektionskreislauf stellt die Grundlage der sogenannten Naturherde dar. Diese sind von den örtlichen Gegebenheiten abhängig. Da die zu den Milben gehörenden Zecken mindestens 75% Luftfeuchtigkeit benötigen, sind Flußtäler 185 FSME: EPIDEMIOLOGIE die bevorzugten Zeckengebiete, wohingegen die Zeckendichte mit zunehmender Höhe zurückgeht (Liebisch 1991). Für eine genauere Lokalisation der Naturherde bzw. Endemiegebiete werden verschiedene Verfahren herangezogen: ➠ Eine umfassende Übersicht läßt sich am ehesten durch die Registrierung und Lokalisierung klinischer Fälle erzielen. Die meisten der bekannten Endemiegebiete der FSME sind auf dieser Basis erfaßt worden (Roggendorf und Lenz 1994, RKI 1998). ➠ Als zweite Methode kommt die Ermittlung der FSME-Antikörper-Prävalenz beim Menschen in Frage. Damit läßt sich – indirekt – das Vorkommen der FSME-Viren feststellen und lokalisieren. Bei der Untersuchung der FSMEAntikörper-Prävalenz bei Waldarbeitern in Baden-Württemberg (Kimmig et al. 1998) hat sich gezeigt, daß die auf diese Weise ermittelten Endemiegebiete nur zum Teil mit denen übereinstimmen, die aufgrund der Lokalisation klinischer Fälle festgelegt wurden. Möglicherweise spielen hier Virulenzunterschiede der verschiedenen Stämme eine Rolle; so ist bekannt, daß bereits der genetische Austausch des Codons für eine einzige Aminosäure im E-Protein zur Attenuierung führen kann (Labuda et al. 1994). Diese beiden Verfahren verlieren indessen bei hohen Durchimpfungsraten der Bevölkerung ihre Brauchbarkeit. Als einzige diesbezüglich nicht beeinflußbare Methode bleibt dann nur die direkte Bestimmung der Zeckendurchseuchung, die sich heute dank der Polymerase-Ketten-Reaktion in größerem Umfang vornehmen läßt. Damit wurden Untersuchungen in Südwestdeutschland und in Ostdeutschland vorgenommen. Dabei zeigte sich, daß die Zeckendurchseuchung im Großraum Freiburg i.Br. derzeit bei 1-4% liegt (Kimmig et al. 1998, Süss et al. 1998), was gegenüber früheren Untersuchungen (Rehse-Küpper et al. 1978) eine Steigerung um eine Zehnerpotenz bedeutet und mit der angestiegenen Zahl klinischer Fälle gut übereinstimmt. Ähnlich hohe Durchseuchungsraten wurden auch schon früher (mit Kulturverfahren) in Österreich bestimmt (Kunz 1992). Demgegenüber wurden in Ostdeutschland, das aus früheren Zeiten als Endemiegebiet bekannt war, unter 19000 Zecken nur 6 positive gefunden, was sich mit den in den letzten Jahren nur sporadisch aufgetretenen FSME-Fällen deckt. Die Ursachen für die Entstehung einer derartigen «endemischen Latenz», die der Entwicklung in den anderen Endemiegebieten zuwider läuft, sind nicht bekannt (Süss et al. 1995). 186 FSME: PROPHYLAXE Prophylaxe Angesichts des Fehlens einer kausalen Therapie der FSME nimmt die Prophylaxe einen hohen Stellenwert ein. Für Art und Umfang der Maßnahmen ist die Kenntnis der FSME-Endemiegebiete von entscheidender Bedeutung. Generell sind bei Aufenthalt in Endemiegebieten allgemeine Vorsichtsmaßregeln zu empfehlen, wie das Tragen von möglichst heller Kleidung, die das Absuchen etwa übergestiegener Zecken erleichtert. Ein fester Abschluß der Kleidung ist ein wirksamer Schutz gegen Zecken, das Hineinstecken der Hosen in die langen Socken ist trotz geringer Attraktivität unbedingt empfehlenswert; Repellentien bieten keinen zuverlässigen Schutz. Nach Aufenthalt in einem Zeckenbiotop sollte unbedingt der ganze Körper nach Zecken abgesucht werden; da Zecken unter Umständen Stunden bis zum Einstechen benötigen, lassen sich so Infektionen ganz verhindern, andernfalls – bei bereits saugenden Zecken – kann die Zahl der übertretenden Erreger minimiert werden. Als spezifische Prophylaxe steht eine aktive und eine passive FSME-Immunisierung zur Verfügung. Die Indikation für die aktive Impfung mit inaktivierten FSME-Viren sollte sich innerhalb eines allgemeinen Endemiegebiets wie etwa Süddeutschlands in erster Linie an der Exposition in Beruf oder Freizeit orientieren. Sie sollte erst in zweiter Linie von den engeren Risiko- bzw. Nicht-Risikogebieten abhängig gemacht werden, die anhand der klinischen Fälle ermittelt wurden. Hierfür sprechen die heute weitgehende Mobilität der Menschen, aber auch die Ergebnisse von AK-Prävalenzstudien, die auf ein wesentlich breiteres Vorkommen der FSME-Viren in Süddeutschland hindeuten (Kimmig et al. 1998). Die passive Immunisierung hat in letzter Zeit stark an Bedeutung verloren. Ihre Wirksamkeit für den Menschen ist nur schwach belegt (Kunz et al.1981); darüber hinaus ist sie nur innerhalb maximal 96 Stunden nach Zeckenstich möglich, zu einem späteren Zeitpunkt führt sie zu einer Verschlechterung des Infektionsverlaufs; dies macht ihren Einsatz in Endemiegebieten fragwürdig. Speziell bei Kindern sind schließlich neuerdings einige besonders schwere Verläufe bekannt geworden, so daß die passive Immunisierung bei Kindern bis 15 Jahren ausgesetzt wurde. Die Gabe von FSME-Antikörpern wird daher übereinstimmend nur noch in Ausnahmefällen (z.B. Touristen aus FSME-freien Gebieten) empfohlen (Kaiser et al. 1998). 187 FSME: LITERATUR Ausgewählte Literatur: Conrads R., Plassmann E.: Frühsommer-Meningoencephalitis (FSME). Fortschr Med 1982; 17: 799-801. Gallia F., Rampas J., Hollender J.: Laboratori infekce encefalitickym virem. Cas Lek Ces 1949; 88: 225. Heinz F.X.: Die Molekularbiologie des FSME-Virus. In: Süss J. (Hrsg.): FSME und Lyme-Borreliose. 3. Potsdamer Symposium 1995. Weller Verlag, Schriesheim 1995. Kaiser R. et al.: Verlauf und Prognose der FSME. Der Nervenarzt 1997; 68: 324-330. Kaiser R. und die Teilnehmer der Expertenkonferenz: Frühsommermeningoencephalitis und LymeBorreliose-Prävention vor und nach Zeckenstich. Dtsch Med Wschr 1998; 123: 847-853. Kimmig P., Oehme R., Backe H.: Epidemiologie der Frühsommer- Meningoencephalitis (FSME) und LymeBorreliose in Südwestdeutschland. Ellipse 1998; 14: 95-105. Krauss H., Weber A., Enders B., Schiefer H.G., Slenczka W., Zahner H.: Zoonosen. DeutscherÄrzte-Verlag, Köln 1997. 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Daher war bereits damals das Interesse der amerikanischen Forscher an dieser Erkrankung groß. 1899 begann man mit Versuchen, die Krankheit auf zuvor gesunde Tiere zu übertragen, um deren infektiöse Natur zu untermauern. Zum Glück für die beteiligten Forscher erübrigten sich hier die sonst so beliebten Selbstversuche. Die Übertragung gelang. Im Jahre 1910 wurde mittels neuentwickelter Färbetechniken in Blutausstrichen einer der verantwortlichen Erreger sichtbar gemacht, der damals noch als Anaplasma marginale bezeichnet wurde (Theiler 1910). 1925 erkannte Cowdry den nach ihm benannten Erreger Cowdria ruminatium als Erreger der HeartwaterErkrankung bei Kühen, Schafen und Ziegen, Donatien beschrieb 1935 den heute als Ehrlichia canis bekannten Vertreter, Gordon entdeckte E. phagocytophila 1940. Interessanterweise wurde in der Veterinärmedizin über Jahrzehnte den Ehrlichien Aufmerksamkeit geschenkt (Gribble 1969), während die Humanmediziner sich in dem Glauben sonnten, von dieser Gattung verschont zu bleiben. Erst in den fünfziger Jahren unseres Jahrhunderts lernte man, intrazellulär lebende Bakterien und Viren unter anderem dadurch zu unterscheiden, daß letztere nicht gegen Antibiotika empfindlich waren. Nun erkannte man, daß die Tetracycline gegen Ehrlichien und ähnliche Erreger (wie etwa Rickettsien) wirkten. In Japan kam es 1965 zur Entdeckung von Ehrlichia sennetsu, die beim Genuß von rohem Fisch, wie dies in Japan sehr beliebt ist, übertragen wird. Sie war die erste 189 EHRLICHIEN: LEBENSRÄUME entdeckte humanpathogene Art und löst ein Krankheitsbild aus, das man als Mononukleose-ähnlich beschrieb. Auch in den folgenden Jahren wurden zahlreiche neue Arten entdeckt (E. equi 1969, E. ewingii 1971 und E. risticii 1984). Eine besondere Berühmtheit erlangte E. canis, weil diesem Erreger Hunderte von militärisch eingesetzten Hunden während des Vietnamkrieges zum Opfer fielen, bis man die Ursache erkannte und die Epidemie durch Zeckenbekämpfung und frühzeitige antibiotische Therapie der erkrankten Hunde beherrschen lernte (Davidson 1978). Ehrlichien in aquatischen Lebensräumen Betrachtet man die verschiedenen bisher bekannten Ehrlichien, so fällt eine völlige Trennung ihrer bevorzugten Lebensräume auf. Einige Arten bevorzugen offensichtlich den aquatischen Lebensraum, andere leben terrestrisch ohne erkennbare Bindung zum Wasser. Zu ersteren gehört E. sennetsu, die natürlicherweise in Fischparasiten vorkommt und deshalb, wie oben erwähnt, durch den Genuß rohen Fisches übertragen wird. Eine Infektion kann also über den Magen-Darmtrakt erfolgen. Ähnliches kennt man aus der Veterinärmedizin. In Alaska und Kanada wurden immer wieder scheinbare Fischvergiftungen bei Säugetieren wie Koyote, Hund und Schwarzbär beobachtet. Zunächst interpretierte man die sogenannte «Salmon poisoning disease» als Ergebnis von bakteriellen Verwesungsvorgängen mit Toxinbildung. Inzwischen weiß man, daß es sich mitnichten um die Folgen verdorbener Fische handelte, sondern um eine Ehrlichien-Infektion. Die fischfressenden Tiere infizieren sich auf dem Weg der Nahrungsaufnahme mit Neorickettsia helminthocea, die wie E. sennetsu über parasitische Helminthen die Fische infiziert. Es konnte gezeigt werden, daß nicht etwa der Wurm, sondern tatsächlich die Ehrlichien-Infektion für die Erkrankung der Koyoten verantwortlich war (Foreyt 1987). Theoretisch sollte eine derartige Übertragung auch auf den Menschen möglich sein. Wahrscheinlich hat nur die Tatsache, daß Amerikaner und Europäer ihren Lachs lieber gebraten essen, Erkrankungen verhindert. Das Lachscarpaccio der «neuen Küche» sollte man vielleicht doch eher überdenken. 190 EHRLICHIA RISTICII Pferdefieber am Potomac Auch um Ehrlichia risticii rankt sich eine spannende Geschichte. 1979 trat bei Pferden in der Umgebung des Potomac-River in Maryland eine schwere Erkrankung auf, die im Anschluß auch in anderen Staaten (nach Palmer 1993 auch in Europa!) gefunden wurde. Die Pferde litten an Fieber, Anorexie und Durchfällen. Bei nicht rechtzeitiger Rehydratation und antibiotischer Behandlung verlief die Krankheit in vielen Fällen letal. Da unter anderem teure Rennpferde betroffen waren, war das Interesse an der Klärung dieser Krankheitsfälle erheblich. Nicht viel später wurde E. risticii als auslösendes Agens erkannt. Derselbe Errreger wurde später auch bei erkrankten Hunden entdeckt (Kakoma 1994). Völlig unklar blieb zunächst, wie der Erreger zu den Pferden bzw. den Hunden kam. Man suchte ihn in allen denkbaren Vektoren, unter anderem in Zecken, ohne jemals eine Spur von ihm entdecken zu können. Allein der Fluß schien eine Rolle zu spielen, waren doch viele der infizierten Pferde hier zur Tränke geführt worden. Noch Anfang des Jahres 1998 war das Problem ungelöst. In einer Arbeit von Februar dieses Jahres wird unter «Übertragungsweg» schlicht notiert: unbekannt. Wenige Monate später hatte diese Frage eine überraschende Antwort gefunden. Jeffrey Barlough (1998) und Mitarbeiter hatten Wasserschnecken der Gattung Juga gesammelt und diese in Aquarien gesetzt. Nach einer gewissen Zeit sonderten die Schnekken große Mengen von Zerkarien ab. Dies sind Zwischenstadien von Trichobilharzia und verwandten Arten, die sich in diesen Wasserschnecken entwickeln. Abbildung 46: Zerkarie (Trichobilharzia) Normalerweise verläuft der Entwicklungszyklus so, daß die Zerkarien Wasservögel, vor allem Entenarten, infizieren und sich in diesen weiterentwickeln. Nach der Ausscheidung der Eier mit den Fäkalien der Enten kehrt Trichobilharzia als Miracidium zu den Wasserschnecken zurück, und der Zyklus beginnt von neuem. 191 ZERKARIENZYKLUS Fehlwirt Mensch Endwirt Ente Ei Zerkarie Miracidium Zwischenwirt Schnecke Abbildung 47: Schema Zerkarienzyklus Gelegentlich «verirren» sich die Zerkarien und attackieren ungeeignete Wirte. Mancher Badegast kann ein Lied von dieser Plage singen, wenn ihn nach dem Besuch eines Baggersees oder Teichs Hunderte dieser Zerkarien attackiert haben und seine Hautoberfläche von zahlreichen juckenden Läsionen übersät ist. 192 ZERKARIENDERMATITIS Abbildung 48: Zerkariendermatitis Hunderte von Papeln dokumentieren die Attacken der Zerkarien; heftiger Juckreiz ist die Folge. Diese Zerkarien, so fanden Barlough und Mitarbeiter heraus, übertragen (zumindest in Amerika) E. risticii auf Pferde, die mit dem Wasser Kontakt haben, wobei allerdings noch nicht ganz klar ist, ob es eine aktive Übertragung gibt oder auch diese Ehrlichiose oral, also beim Trinken zerkarienhaltigen Wassers, übertragen wird. Trotzdem, Zerkarien sind wahrlich ein ungewöhnlicher Vektor! Es bleibt die Frage, ob auf diese Weise vielleicht auch Menschen mit E. risticii infiziert werden können. Doch diese Frage ist noch völlig ungelöst. Einiges spricht dafür, daß die aquatisch lebenden Ehrlichien eine eigene Gruppe innerhalb der Gattung bilden und nahe untereinander verwandt sind. Sie sind aber von aquatisch lebenden Rickettsien (siehe dort) klar zu trennen. «Landlebende» Ehrlichien Eine ganz andere Ökologie finden wir bei den übrigen Ehrlichien. Sie sind in der Regel an Zecken als Vektoren gebunden. Reservoire sind verschiedene Säuger, unter anderem Weißwedelhirsche. 193 EHRLICHIEN: VEKTOREN UND ZELLAFFINITÄT Vektor infiziert werden u.a. Zellaffinität Menschen Huftiere Pferde, Menschen Menschen, Hirsche Hunde Kaninchen Hunde Granulozyten Granulozyten Granulozyten Monozyten Granulozyten Granulozyten Thrombozyten Menschen Monozyten Pferde, Hunde Monozyten terrestrische Ehrlichien HGE-Agent E. phagozytophila E. equii E. chaffeensis E. canis E. ewingii E. platys Ixodes-Zecken Ixodes-Zecken Ixodes-Zecken Amblyomma-Zecken Zecken Zecken Zecken aquatische Ehrlichien E. sennetsu E. risticii Neorickettsia helminthocea Trematoden in rohem Fisch (oral) Zerkarien (aktiv oder oral?) Helminthen in rohem Fisch (oral) Hunde, Bären, Menschen? Tabelle 9: Ausgewählte Ehrlichien und assoziierte Krankheitsbilder Die spezifische Zellaffinität Ehrlichien sind kleine, obligat intrazellulär lebende, gramnegative Bakterien. Die verschiedenen Arten haben im Laufe der Evolution eine spezifische Zellaffinität entwickelt. Einige leben ausschließlich in Granulozyten, andere nur in Monozyten. Eine Art, die allerdings (soweit wir wissen) beim Menschen nicht vorkommt, lebt in Thrombozyten. Granulozytäre Form: «Human granulocytic Ehrlichiosis (HGE)» Die HGE wird von einer noch unbenannten Ehrlichien-Art verursacht, die nahe mit E. phagozytophila und E. equi verwandt ist. Vektoren sind nach derzeitiger Kenntnis vor allem Ixodes-Zecken, die auch Hauptüberträger der Borreliose sind. 194 HUMAN GRANULOCYTIC EHRLICHIOSIS Die Zecken bleiben, wenn sie den Erreger bei einer Blutmahlzeit an einem bakteriämischen Wirt aufgenommen haben, transstadiell infiziert und geben die Ehrlichien bei der nächsten Blutmahlzeit weiter, weil diese in den Speicheldrüsen der Zecken persistieren. Reservoire sind unter anderem Schafe, Weißwedelhirsche (Odocoileus virginianus, das amerikanische Äquivalent unserer Rehe), aber auch Mäusearten wie Peromyscus leucopus (Weißfuß-Hirschmaus) und Wühlmäuse (Walker 1997). Akute Erkrankungen wurden fast ausschließlich in den Sommermonaten beobachtet. 53% der bisher bekannten Patienten wurden hospitalisiert, 5% starben. Leitsymptom Häufigkeit in % Fieber Myalgien Rigor Gewichtsabnahme Schwindel Erbrechen Lymphknotenschwellungen Durchfälle Leibschmerzen Verwirrtheit Exanthem Leukopenie Thrombopenie Transaminasenerhöhung 100 98 95 37 39 34 2 10 8 17 2 50 92 91 Tabelle 10: Leitsymptome der HGE (nach Walker 1997) Nicht immer verläuft die HGE spontan limitiert. Schwere Komplikationen inklusive letaler Verläufe wurden wie bei der HME bekannt. Neben neurologischen Komplikationen bis hin zur Meningitis in der Akutphase konnten auch Panzytopenien durch Befall der Vorläuferzellen im Knochenmark beobachtet werden (Klein 1997). Da die Erkrankung chronisch verlaufen kann, sind rekurrierende Fieberschübe mit schweren Allgemeinsymptomen gelegentlich zu beobachten. Bei einem eigenen Fall konnten wir nachvollziehen, daß sich der Betroffene 1990 im US-Staat Kansas nach multiplen Zeckenstichen infiziert hatte. Über acht Jahre traten die 195 HUMAN MONOCYTIC EHRLICHIOSIS Fieberschübe zunächst etwa in vierzehntägigem Abstand, später etwa alle zwei Monate auf. Immer wieder wurden umfangreiche serologische und klinische Untersuchungen veranlaßt, die keinerlei tragfähige Diagnose erbrachten. Erst im August 1998 konnte durch Nachweis spezifischer Antikörper und Bestätigung mit dem Westernblot die Ätiologie geklärt werden. Nach 30tägiger DoxycyclinTherapie war der Patient erstmals seit Jahren wieder beschwerdefrei. Monozytäre Form: Human Monocytic Ehrlichiosis (HME) Der Erreger der HME, Ehrlichia chaffeensis, wurde erstmals aus dem Blut eines erkrankten Patienten isoliert. Später wurde er in Amblyomma-Zecken und Weißwedelhirschen aus vielen Gegenden der USA gefunden (Lockhart 1997). Beide scheinen für die Verbreitung der HME eine entscheidende Rolle zu spielen, da die Weißwedelhirsche nach Infektion an einer langdauernden Bakteriämie leiden. Deshalb können Zecken im Larven- oder Nymphenstadium den Erreger problemlos aufnehmen und bei ihrer nächsten Blutmahlzeit weitergeben. Abbildung 49: «Lone Star Tick» Zu den amerikanischen Amblyomma-Arten gehört die «Lone star tick» (A. americanum), die vor allem in Texas vorkommt. Sie ist zu ihrem inoffiziellen Namen gekommen, weil sie ein charakteristisches Mal auf dem Rücken trägt, das an den texanischen «Lone Star» erinnert. 196 HUMAN MONOCYTIC EHRLICHIOSIS: KLINK Während bei der Borreliose Mäuse das eigentliche Reservoir darstellen und Rehe und Hirsche lediglich als Transportmittel Borrelien-haltiger Zecken dienen, haben sie für die Ehrlichiose den Charakter eines echten Reservoirs. Die HME imponiert als systemische Erkrankung mit gewissen Ähnlichkeiten zum Rocky-Mountain-Spotted-Fever. Die meisten Symptome sind eher unspezifisch (siehe Tabelle 11). In der von Fishbein (1994) vorgestellten Referenz-Serie der CDC scheinen schwere Verläufe deutlich überrepräsentiert, da in einer prospektiven Untersuchung an US-Soldaten gefunden wurde, daß 67% der Erkrankungen als asymptomatische Serokonversionen ablaufen. Walker (1997) diskutiert, daß es sich durchaus um unterschiedliche EhrlichienSpezies gehandelt haben könne, da die derzeit eingesetzten serologischen Testverfahren erhebliche Kreuzreaktionen zeigen. Leitsymptom Häufigkeit in % Fieber Kopfschmerzen Myalgien Gewichtsabnahme Schwindel Lymphknotenschwellungen Durchfälle Leibschmerzen Verwirrtheit Exanthem Leukopenie Thrombopenie Transaminasenerhöhung 97 81 68 66 48 25 25 22 20 36 60 68 86 Tabelle 11: Leitsymptome der HME (nach Fishbein 1994) Komplikationen der HME können in Form von Meningitiden, Lungenentzündungen (bis hin zum akuten Lungenversagen, Paparone 1995) und anderen Organbeteiligungen wie etwa Herzmuskelentzündungen ablaufen. Auch die HME ist unbehandelt nicht selten tödlich (Paddock 1997). 197 EHRLICHIA PLATYS Thrombozytäre Form Bei Hunden wurde auch eine Ehrlichie (E. platys) gefunden, die sich in Thrombozyten vermehrt. Bei Stichproben fand man in einzelnen Hundepopulationen in Taiwan zwischen 8 und 90% Infizierte (Chang 1996). Diese Art kommt wie E. canis in zahlreichen Ländern vor und kann für schwer verlaufende Ko-Infektionen mit diesem Erreger verantwortlich sein (Harrus 1997). Diagnostik ➡ ➡ Im Prinzip können sowohl HGE als auch HME durch Färbung von peripheren Blutausstrichen erkannt werden. Die Erreger stellen sich in den spezifischen Wirtszellen als «Morula» (lat. für Maulbeere) dar. Die Sensitivität dieses Nachweisverfahrens ist bei der HGE deutlich günstiger, bei der HME gelingt der Nachweis nur im Ausnahmefall. Bei der üblichen maschinellen Auswertung der Differentialblutbilder besteht naturgemäß keine Chance, den Erreger zu erkennen. Abbildung 50: Granulozytäre Ehrlichiose Blutausstrich vom Hamster; in zwei Granulozyten (➡) sieht man die typische Formation der Morula. 198 EHRLICHIOSEN: DIAGNOSTIK Die serologische Kreuzreaktivität zwischen einigen Ehrlichien-Arten ist groß. Dies macht man sich im klinischen Alltag zunutze, indem man zur Diagnose von E. chaffeensis die verwandte, aber besser kultivierbare Art E. canis verwendet. Zur serologischen Diagnostik der HGE (die von einer nah mit E. equi und E. phagozytophila verwandten, noch unbenannten Art verursacht wird), wird meist E. equi verwendet. Abbildung 51: Nachweis von Ehrlichia-Antikörpern mit dem indirekten IFT (= Immunfluoreszenz-Test) Der Nachteil dieser Methode besteht darin, daß zwischen möglicherweise unterschiedlich pathogenen, aber kreuzreagierenden Arten nicht unterschieden werden kann. Da weltweit bei Borrelia-Infizierten zwischen 6 und 14% serologische Hinweise auf eine gleichzeitige Ehrlichiose-Infektion gefunden werden, stellt sich zumindest die Frage, ob weniger pathogene Ehrlichien hierfür verantwortlich sein könnten. Dies würde erklären, daß bayrische Waldarbeiter zu 14% seropositiv waren, ohne daß man Hinweise auf ein schweres Krankheitsbild der Betroffenen gefunden hat (Fingerle 1998). Auch die PCR stellt ein zur Diagnose der Ehrlichiosen geeignetes Verfahren dar. Primer für die verschiedenen Arten lassen eine speziesspezifische Diagnose zu, 199 EHRLICHIOSEN: THERAPIE was angesichts der bereits diskutierten Unsicherheiten der Serologie vielleicht einige offene Fragen zu beantworten hilft. Therapie der Ehrlichiosen Da Ehrlichien obligat intrazellulär leben, sind nur wenige Antibiotikagruppen in der Lage, den Keim zu treffen. Standard in der Therapie der Ehrlichiosen ist Doxycyclin. Im allgemeinen werden 2 x 100 mg über 14-20 Tage empfohlen. Neuere Makrolide und Fluorchinolone sind ebenfalls wirksam (Klein 1997). Grundsätzlich nicht wirksam sind Penicilline und Cephalosporine. Systematische Untersuchungen zur vergleichenden Therapie mit den verschiedenen theoretisch in Frage kommenden Antibiotika existieren bisher nicht. Ausgewählte Literatur: Anderson B.E. et al.: Ehrlichia chaffeensis, a new species associated with human ehrlichiosis. J Clin Microbiol 1991; 12: 2741-2745. 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N Engl J Med 1996; 334 (1): 273. 201 RICKETTSIEN 10.9 VON NAPOLEONS FELDZÜGEN ZUM ROCKY-MOUNTAIN-SPOTTED-FEVER: RICKETTSIEN ALLÜBERALL Dieter Hassler Mehr Tote als alle Weltkriege zusammen: Rickettsia prowazekii Thukydides ist bekannt als der Chronist großer Seuchen, die im Athen des 5. Jahr- hunderts vor Christus wüteten. Recht anschaulich schilderte er den Ablauf dieser fatalen Ereignisse, die Tausende das Leben kosteten. Aufgrund der Präzision dieser Überlieferung glauben viele Medizinhistoriker, daß der Flecktyphus Ursache dieser Ereignisse gewesen sein müsse. Kaum eine andere Erkrankung aus historischer Zeit hat das Potential zu solchen Seuchenzügen. Einzig die Pest des Mittelalters hatte ähnliche Dimensionen. Nun könnten wir die Plagen Athens aus der Distanz von über 2000 Jahren höchst gelassen betrachten und sie als Märchengeschichte abtun, wären da nicht besser belegte Seuchenzüge in historischer Zeit. Im Jahre 1490 etwa kehrten spanische Soldaten aus Zypern in ihre Heimat zurück, sie brachten neben einer Menge Kleiderläuse auch den Flecktyphus mit, wie sich anhand der Berichte über das Krankheitsbild rekonstruieren läßt. Von da aus wurden die Krankheitserreger nach Italien eingeschleppt. Der deutsche Kaiser Maximilian II, so berichtet Bernard Dixon, habe sich im Jahre 1566 von einem geplanten Feldzug gegen den Ottomanen-Kaiser Süleyman, der damals den Balkan beherrschte, zurückziehen müssen, da sich seine 80000 Mann messende Streitmacht gegenüber dem Fleckfieber als hilflos erwies. Auch der Dreißigjährige Krieg war vom Flecktyphus geprägt: 1632 lagen Gustav Adolph und Wallenstein vor Nürnberg, bereit zur Schlacht um diese Stadt. Doch das Fleckfieber tötete in den Lagern über 18000 Soldaten, so daß die Opponenten ihr Heil in der Flucht vor der Seuche suchten und ihre Lager auflösten. In Hans Zinssers Klassiker «Rats, Lice, and History» aus dem Jahre 1935, einem höchst «amüsant» zu lesenden Buch, wird die These aufgestellt und belegt, daß der Flecktyphus und nicht etwa die russischen Generäle Napoleon besiegt haben. Zinsser zitiert aus Aufzeichnungen des napoleonischen Truppenarztes J.R.L. de Kerckhove, der die Epidemien akribisch schilderte. 202 RATS, LICE, AND HISTORY Eine Armee von fast 500000 Mann war ausgehoben worden und sammelte sich für den Feldzug Richtung Rußland. Zunächst schien alles geordnet abzulaufen. Bereits beim Vormarsch durch Polen mußten aber neue Hospitäler in Danzig, Königsberg und Thorn aufgebaut werden, weil die Erkrankungsraten drastisch anstiegen. Zunächst waren dies hauptsächlich Enteritiden, Diphtherie und Pneumonien, mit dem weiteren Fortschritt des Feldzuges trat dann der Flecktyphus auf. Zuerst waren es nur sporadische Fälle, von Woche zu Woche wurden es mehr. Nach der Schlacht von Ostrowo waren bereits 80000 Erkrankte zu beklagen. In Moskau waren schließlich nur noch 80000 Mann der gesamten Armee einsatzfähig. Während des Rückzuges wurde es noch Abbildung 52: Zinsser’s «Rats, Lice and History» schlimmer: In Smolensk waren gerade noch 2000 Reiter einsatzfähig, während 20000 Kranke in den Hospitälern der Stadt lagen. In Vilna war die gesamte Armee auf 20000 durchweg kranke Soldaten geschrumpft. Ende Juni 1813 waren davon noch 3000 am Leben. Von Armee konnte also keine Rede mehr sein. Geschlagen wurde diese Armee wohl tatsächlich von Krankheitserregern, nicht von anderen Armeen. Ricketts und von Prowaczek sterben an Laborinfektionen Auch die Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts mußten dem Flecktyphus ihren Tribut zollen. Die Arbeit mit Rickettsien im Labor in einer Zeit, als es noch keine Hochsicherheitslabors für die Arbeit mit Infektionserregern gab, war aus heutiger Sicht oft ein Lotteriespiel, was Raoult 1997 in einer Übersichtsarbeit lakonisch kommentierte: „Für viele Jahre hatten Rickettsiologen den Ruf, daß ihr Leben als Wissenschaftler gefährlich war. Von den drei prominenten Vertretern am Anfang dieses Jahrhunderts starben Ricketts und von Prowazek an Rickettsien-Infektionen, einzig Nicolle überlebte, um den Nobelpreis einzusammeln“. 203 RICKETTSIOSEN: KLINIK Gemeinsame klinische Bilder der Rickettsiosen Die bekannten Rickettsien-Infektionen werden allgemein in zwei Gruppen eingeteilt: Die klassischen «spotted-fever-group»-Rickettsien und die Arten, bei denen kein Exanthem beobachtet wird. Generell beginnt das Krankheitsbild meist mit Fieber und Allgemeinsymptomen. Die spotted-fever-group ist charakterisiert durch ein makulopapulöses Exanthem, das meist drei bis sieben Tage nach Erkrankungsbeginn beobachtet wird. Es ist nicht obligat, aber in dieser Gruppe häufig. Abbildung 53: Links: Klinisches Bild eines letalen Falls Rechts: EM-Aufnahme von Rickettsien in mit Fleckfieber-Exanthem kultivierten Zecken-Zellen (Ixodes scapularis) Ein weiteres typisches Feature vieler Rickettsien-Infektionen ist die sogenannte «Tache noire», eine bläulich-schwarze Ulzeration, die sich an der Zeckenstichstelle ausbildet und oft lange hält. Nicht immer ist die pathognomonische bläuliche Farbe ausgebildet, oft handelt es sich nur um ein schlecht heilendes kleines Ulkus (siehe auch Abbildung 54). 204 RICKETTSIEN: KRANKHEITSBILDER Krankheitsbilder Art Vektor Verlauf Verbreitung Flecktyphus R. prowazekii Kleiderlaus muriner Typhus Rickettsienpocken R. typhi R. akari Rattenflöhe Mäusemilben schwer, häufig Rezidive eher mild mild früher weltweit, heute Afrika weltweit New York verm. weltweit Mittelmeer Afrika, Asien Naher Osten (Allodermanyssos sp.) MSF, Altweltzeckenfieber Israeli spotted fever R. conorii RMSF, Rocky-MountainSpotted-Fever Kalifornische Floh-Rickettsiose Scrub typhus, Tsutsugamushi-Fieber Oriental spotted fever R. rickettsii Sibirischer Zeckentyphus Astrakhan fever Südafrikanisches Zeckenfieber Queensland tick typhus (QTT) Flinders Island spotted fever (FISF) ? R. felis RhipicephalusZecken Dermacentoru.a. Zecken Rattenflöhe gelegentlich schwer schwer schwer teilweise letal ? Amerika Westküste USA Orientia Ernte-Milben tsutsugamushi (Thrombidien) R. japonica HaemaphysalisZecken R. sibirica Zecken schwer teilweise letal weniger schwer unbekannte Art R. africae weniger schwer südl. Rußland weniger schwer Südafrika weniger schwer Australien R. australis RhipicephalusZecken AmblyommaZecken Ixodes-Zecken ? R. massiliae ? R. helvetica Japan Rußland, Pakistan R. honei R. slovaca Ost-/Südostasien Flinders Island bei Australien DermacentorZecken RhipicephalusZecken Ixodes ricinusZecken EM-artige Hautläsionen Tabelle 12: Ausgewählte Rickettsien und assoziierte Krankheitsbilder 205 FLECKTYPHUS Abbildung 54: Tache noire: Ein schlecht heilendes, kleines Ulkus mit gelegentlich blauschwarzem Wundgrund Übertragungswege und Krankheitsbilder der einzelnen Rickettsiosen Fast alle Rickettsiosen werden von Zecken der verschiedensten Gattungen übertragen. Wenige Arten sind mit Flöhen, Milben oder Läusen assoziiert. Flecktyphus Rickettsia prowazekii wird auf eine höchst interessante Weise von infizierten Kleiderläusen übertragen. Die Laus hinterläßt ihren Rickettsien-haltigen Kot auf der Körperoberfläche. Dieser löst (wie natürlich auch die beim Saugen der Läuse erzeugten Läsionen) einen starken Juckreiz aus, der Betroffene kratzt sich und reibt die Rickettsien in die Hautoberfläche ein. Nach zehn bis vierzehn Tagen treten schlagartig hohes Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen auf. Nach einigen weiteren Tagen wird ein Exanthem sichtbar, das der Krankheit den Namen gab. Viele Patienten werden im weiteren Verlauf komatös, 10-15% sterben (diese Zahlen gelten für historische Fälle aus der prä-antibiotischen Ära). 206 MURINER TYPHUS Ein besonderes Charakteristikum ist das häufige Auftreten von Rückfällen, die milder als die Ersterkrankung verlaufen. Diese Variante trägt den Namen «BrillZinsser-Krankheit». Während dieser Phasen treten wieder Bakteriämien auf, so daß eventuell vorhandene Kleiderläuse wieder Epidemien auslösen können. Das ursprüngliche Reservoir ist nicht schlüssig geklärt, denn auch die Kleiderlaus stirbt an der Rickettsien-Infektion. Sie dient nur der Weiterverbreitung, wenn bereits Menschen erkrankt sind. Da Läuse sehr wirtsspezifisch sind, ist es wenig wahrscheinlich, daß die Ursprungsinfektion («Index case») über Kleiderläuse verläuft. Möglicherweise haben auch hier, wie bei den meisten heute bekannten Rickettsiosen, Zecken eine Rolle gespielt (Burgdorfer 1972). In Amerika konnte R. prowazekii aus Flughörnchen («Flying Squirrels») isoliert werden (Bozeman 1975), und sporadische Krankheitsfälle bei Menschen, die in den Wintermonaten mit Squirrels hantiert hatten, wurden beobachtet. Als Reservoir für europäische Krankheitsfälle kommen diese naturgemäß nicht in Betracht, so daß hier noch ein weiteres Reservoir existieren muß. Zwar ist R. prowazekii selten geworden, verschwunden ist sie jedoch nicht: In Moskau wurde ein größerer Ausbruch unter Obdachlosen registriert (Raoult 1997). Weitaus größer war das Problem während des Bürgerkrieges in Burundi, wo mehr als 30000 Erkrankungen auftraten (WHO 1997). Muriner Typhus Der Erreger des murinen Typhus, Rickettsia typhi (früher R. mooseri) ist weltweit mit einem deutlichen Schwerpunkt in warmen Regionen verbreitet. Er ist wesentlich weniger pathogen als R. prowazekii und verursacht ein weitaus harmloseres Krankheitsbild, das von Kopfschmerzen und Fieber gekennzeichnet ist. Nur in 50% der Fälle beobachtet man den Fleckfieber-typischen Hautausschlag. Ratten sind das Reservoir für R. typhi, Vektoren sind Rattenflöhe (Xenopsylla cheopsis). Ähnlich wie bei R. prowazekii geschieht die Übertragung meist über den Rickettsien-haltigen Kot der Flöhe, der über Mikroverletzungen in die Haut eingerieben wird. 207 MITTELMEERFLECKFIEBER Altweltzeckenfieber, «Fievre boutonneuse», Mittelmeerfleckfieber (MSF) Das Altweltzeckenfieber, im englischen Sprachraum «Mediterranean spotted fever» (MSF) genannt, kommt rund um das Mittelmeer und rund um das Schwarze Meer vor. Es wurde 1909 in Tunesien von Conor beschrieben. Der Erreger, Rickettsia conori, trägt seinen Namen. Überträger sind Zecken, meist Rhipicephalus-Arten (deutscher Name: Braune Zecken). Typischerweise findet man an der Zeckenstichstelle nach Tagen eine (nicht immer) blauschwarze ulzeröse Läsion, die Tache noire, die manchmal von einem eruptiven, makulopapulösen Hautausschlag umgeben ist. Später tritt hohes Fieber, zusammen mit Myalgien, starken Kopfschmerzen und einem generalisierten papulösen Exanthem auf. Abbildung 55: Hautbefund bei MSF Eine 16jährige Patientin erlitt bei einem Zeltlager in der Toskana im Juli 1998 einen Zeckenstich; 14 Tage später zeigt sich das typische Bild der (noch lokal begrenzten) R. conoriInfektion (Mittelmeerfleckfieber) mit zentraler Läsion und umgebenden Papeln; Generalisationssymptome bestanden noch nicht; die 20tägige Therapie mit Doxycyclin führte zur vollständigen Ausheilung. 208 ROCKY-MOUNTAIN-SPOTTED-FEVER Nach Raoult (1992) traten bei etwa 6% der registrierten MSF-Fälle schwere Verläufe auf, 2% der Patienten starben. Als Komplikation kann unter anderem eine interstitielle Nephritis auftreten. Rocky-Mountain-Spotted-Fever (RMSF) Das RMSF wurde vor etwa hundert Jahren in den USA erstmals als «black measles» beschrieben. Ricketts, einer der Pioniere auf dem Gebiet der Rickettsien-Forschung, konnte bereits Anfang dieses Jahrhunderts nachweisen, daß das Rocky-MountainSpotted-Fever auf Meerschweinchen übertragbar war (Ricketts 1909). Bereits zu dieser Zeit war Dermacentor andersoni, eine amerikanische Zeckenart, als Quelle der Erkrankung in der Diskussion. Heute wissen wir, daß auch andere Zeckenarten, wie Haemaphysalis- und Ixodes-Zecken, in Frage kommen. Später wurden auch Fälle aus Kanada, Mittel- und Südamerika bekannt. Die meisten Erkrankungen treten im Sommer auf. Die Infizierten entwickeln sechs bis acht Tage nach Zeckenstich Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, weitere drei Tage später ein charakteristisches Exanthem («Rash»). Teilweise treten Übelkeit und Durchfall auf. Die Krankheit verläuft schwer, letale Verläufe auch bei zuvor Gesunden sind bekannt, wobei starke regionale Unterschiede bei verschiedenen Epidemien berichtet wurden. Bei den schweren Verlaufsformen kommt es zu Lungen- und Nierenversagen, Blutungen und Schock. Langzeitschäden kommen vor (Archibald 1995). Wird die Erkrankung rechtzeitig erkannt und behandelt, ist dies aber sehr selten. Rickettsienpocken Die meisten Fälle dieser etwas kuriosen Rickettsiose wurden aus New York berichtet. Daneben gibt es einzelne Berichte aus fast allen Teilen der Welt. Erreger ist Rickettsia akari, Vektor eine Milbenart (Allodermanyssus sanguineus), die normalerweise auf Hausmäusen lebt. Die Krankheit verläuft eher mild, lokoregionäre Lymphknotenschwellungen, Fieber und ein makulopapulöses Exanthem sind typischerweise zu beobachten. Oft entwickeln sich auch vesikulöse Anteile, die ein wenig an Windpockenexantheme erinnern (daher der Name der Erkrankung). Der Verlauf ist auch ohne Therapie gutartig; die Patienten genesen innerhalb drei Wochen (Brettmann 1981, Raoult 1997). 209 SÜDAFRIKANISCHES ZECKENFIEBER Australische Arten Der «Queensland tick typhus» (QTT), verursacht von Rickettsia australis, wurde 1946 erstmals beobachtet, als Teilnehmer eines Militärmanövers erkrankten. Die Übertragung erfolgt durch Zecken, darunter Ixodes holocyclus, eine Art, die durch ein Speichelgift eine Paralyse hervorrufen kann. Inzwischen wurde auf Flinders Island, einer zwischen Australien und Tasmanien liegenden Insel, eine weitere Art, Rickettsia honei, der Erreger des «Flinders Island spotted fever» (FISF) entdeckt. Beide Arten verursachen ein klassisches Fleckfieber, beginnend oft mit der typischen Tache noire, im Verlauf durch hohes Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen und einen makulopapulösen Hautausschlag charakterisiert. Das japanische Fleckfieber («Oriental spotted fever») Über viele Jahre dachte man, daß in Japan nur das Tsutsugamushi-Fieber (siehe unten) endemisch sei. Erst 1984 wurden drei Fälle einer neuen Rickettsien-Erkrankung gemeldet (Mahara 1984). Uchida et al. (1992) konnten den verantwortlichen Erreger, Rickettsia japonica, charakterisieren. Auch diese Art verursacht ein klassisches Fleckfieber. Zunächst wird die typische Hautläsion beobachtet, nach einigen Tagen entwickelt sich ein hochfieberhaftes Krankheitsbild mit Temperaturen über 40°C, Kopfschmerzen, Schüttelfrost und generalisiertem makulopapulösen Exanthem. Gelegentlich wurden Petechien beobachtet. Auch bei den nicht spezifisch behandelten Fällen verschwindet der Hautausschlag nach etwa ein bis zwei Wochen, letale Verläufe sind bisher nicht bekannt (Mahara 1997; Übersicht mit guten Abbildungen). Das Südafrikanische Zeckenfieber Rickettsia africae, der Erreger des Südafrikanischen Zeckenfiebers, wird hauptsächlich von Amblyomma-Zeckenarten übertragen. Die Häufigkeit der Infektion ist in den Endemiegebieten extrem hoch, auch Touristen werden regelmäßig infiziert. Das Krankheitsbild, ein typisches «spotted fever», ist ähnlich wie das des Altweltzeckenfiebers, mit initialer Tache noire und anschließendem hochfieberhaften Generalisationsstadium. Es kann in einzelnen Fällen tödlich verlaufen. 210 AMBLYOMMA HEBRAEUM Abbildung 56: Amblyomma hebraeum Wer sucht, der findet Rickettsien Armando Felipe, Leiter des portugiesischen Instituto de Saud in Setubal, Portugal, berichtete einmal, er habe in ganz Portugal Zecken sammeln lassen, um sie auf Rickettsien zu untersuchen. Nirgends habe man die gesuchten Arten entdecken können – bis schließlich die als Kontrollgruppe mitgeführten Zecken aus dem Garten des Institutes ebenfalls untersucht waren. Alle fünf gesuchten RickettsienArten waren dort präsent! Auch das Zentrum für Rickettsiologie in Marseille mit seinem Leiter Didier Raoult war für viele neuentdeckte Arten gut. Systematische Suche in Zecken aus Südfrankreich, Spanien und Marokko hat zur Beschreibung vieler zuvor unbekannter Arten geführt. Unter den Funden waren aber auch Arten, die schon aus anderen Teilen der Welt bekannt waren. 211 RICKETTSIA SLOVACA Rickettsia mongolotimoniae etwa, zuvor aus den innerasiatischen Steppen bekannt, wurde bei einem Patienten isoliert, der seine Zecken vermutlich an einem südfranzösischen Komposthaufen akquiriert hat. In der Mongolei war er jedenfalls nie. Dies wirft die Frage auf, wie Rickettsien und ihre Vektoren verbreitet werden. Raoult spekuliert, daß Zugvögel und ihre Parasiten (meist Zecken) eine entscheidende Rolle spielen könnten. Diese Theorie erfährt Unterstützung von Nilsson (1997), der mit seiner Arbeitsgruppe Tausende von Zugvögeln in Schweden nach Zecken abgesucht und diese auf Rickettsien untersucht hat. Auch er wurde fündig. Rickettsien gibt es also wahrlich weltweit. Auch in der Schweiz wurde eine neue Art, R. helvetica, entdeckt (Burgdorfer 1979). Sie gehört in die Gruppe der Fleckfieber-Rickettsien und wird von Ixodes-Zecken übertragen (Beati 1994). Das zugehörige Krankheitsbild ist bisher aber völlig unzureichend bekannt. Rickettsia slovaca: Macht sie ein Erythema migrans? Eine der Rickettsien-Arten ist aus europäischer Sicht besonders interessant. Rickettsia slovaca wurde im Gebiet von Tschechien, der Schweiz, in Armenien und in Südfrankreich gefunden. Die tatsächliche Verbreitung ist wohl nur lückenhaft bekannt. Raoult (1997b) berichtete über diese Art, daß sie zumindest in einem Fall eine Erythema-migrans-artige Hautrötung verursacht habe. Zwar scheint bei diesem Fall eine Ko-Infektion mit Borrelien nicht völlig ausgeschlossen, die Tatsache, daß auch beim Rocky-Mountain-Spotted-Fever schon über derartige Hautbefunde berichtet wurde, macht aber aufmerksam. Eigentlich sollte die Art auch in Süddeutschland häufiger zu finden sein, wo sie schon von Rehacek (1977) in Dermacentor marginatus-Zecken gefunden wurde. Berichte von Krankheitsfällen gibt es bisher nicht. Wie in vielen ähnlich gelagerten Fällen mag dies aber nur eine Frage der gezielten Suche sein, denn Rhipicephalus-Zecken kommen auch bei uns vor, stechen aber Menschen nur selten (solange genügend Hunde vorhanden sind). 212 AQUATISCHE RICKETTISEN Das Tsutsugamushi-Fieber Orientia tsutsugamushi unterscheidet sich von den anderen Rickettsien antigenetisch erheblich, so daß sie in eine eigene Gattung gestellt wurde. Ähnlich wie R. akari, der Erreger der Rickettsien-Pocken, wird sie von Milben übertragen. ReservoirWirte sind Nagerarten. Das Tsutsugamushi-Fieber (englisch: «Scrub typhus») kommt in ganz Südostasien vor und wird gelegentlich von Urlaubern nach Europa mitgebracht. Größere Ausbrüche kommen immer wieder vor (Suto 1995). Das Krankheitsbild ist eine typische Rickettsiose: Hohes Fieber, Lymphadenopathie, Muskel- und Gliederschmerzen sowie ein flüchtiges Exanthem sind typisch, Übelkeit und Erbrechen nicht selten. Die Transaminasen sind in aller Regel im Akutstadium erhöht. Letale Verläufe bei verspäteter Therapie kommen vor. Nichtpathogene (?) Arten Neben den altbekannten und neubeschriebenen Rickettsien aus klassischen Vektoren fand man in den letzten Jahren verwandte Arten unter anderem in Marienkäfern, Kellerasseln und Erbsenblattläusen. Diese Arten dürften für Menschen vorerst keine Gefahr darstellen, da die Wirte üblicherweise Menschen nicht attakkieren. Dennoch zeigt uns diese Entdeckung, daß überall in unserer Umgebung Bakterienarten existieren, von deren Existenz wir meist keinerlei Ahnung haben. Nur das Fehlen des passenden Vektors schützt uns möglicherweise vor dieser Gefahr. Aquatische Rickettsien Ähnlich wie bei den nahe verwandten Ehrlichien existieren auch Rickettsien in aquatischen Lebensräumen. Diese wurden bis zur endgültigen Klärung taxonomischer Probleme in die Gattung Piscirickettsia gestellt. Alle bisher beschriebenen Vertreter sind nur für Fische pathogen. Größere Probleme hat Piscirickettsia salmonis in Fischzuchtanlagen verursacht, wo sie zum Tod vieler Zuchtlachse geführt hat. Vermutlich können die Piscirickettsiae nur deshalb dem Menschen nicht gefährlich werden, weil sie ein Temperaturoptimum bei 15°C haben und über 25°C nicht überleben können (Fryer 1997). 213 RICKETTSIOSEN: THERAPIE Generell müssen wir also damit rechnen, daß noch viele Rickettsien-Arten weltweit ihrer Entdeckung harren. Ob sie das Potential zur Erzeugung von Krankheit beim Menschen haben, entscheidet oft nur der Vektor, manchmal aber auch ihre Wachstumsbedingungen. Therapie Generell können alle Rickettsiosen antibiotisch behandelt werden. Geeignet sind Tetracyclin-Derivate (vor allem Doxycyclin), moderne Makrolid-Antibiotika wie Roxithromycin und die moderneren Chinolone wie etwa Levofloxacin (Rolain 1998). Allerdings scheinen nicht alle Rickettsien gleich gut gegenüber Chinolonen empfindlich zu sein, für Orientia tsutsugamushi sind die Daten etwas widersprüchlich (Fischer 1998). Die einzelnen Arten sind auch gegen Doxycyclin und Makrolide sehr unterschiedlich, aber meist ausreichend empfindlich. Für die am meisten gefürchtete Art, Rickettsia prowazekii, genügt eine einzelne Dosis von 200 mg Doxycyclin (Raoult 1997). In der Regel wird heute bei den meisten Rickettsiosen ein 14-tägiger Therapiezyklus mit Doxycyclin oder einem modernen Makrolid empfohlen. Die neueren Rickettsien-Arten unterscheiden sich von anderen Stämmen teilweise durch ihre Resistenz gegen Rifampicin; angesichts unseres Arsenals wirksamer Alternativen sicher kein unlösbares Problem. Ausgewählte Literatur: Archibald L.K., Sexton D.J.: Long term sequelae of Rocky Mountain spotted fever. Clin Infect Dis 1995; 20: 1122-1125. 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Kaum hatten die Händler einige Pelzballen geöffnet, so sprangen mitgereiste, hungrige Flöhe auf den nächsten erreichbaren Warmblüter. So begann der Siegeszug von Yersinia pestis. Von den Karawansereien ging es weiter mit Handelsschiffen über das Schwarze Meer und den dortigen Handelshafen Kaffa in Richtung Mittelmeer. Handelsstationen boten ebenso wie damalige Schiffe den Ratten (und damit den Flöhen) reiche Nahrung, und schon 1347 hatte die Pest zahlreiche Häfen von Konstantinopel bis Genua erreicht. Im folgenden Jahr wurde Frankreich «erobert», eine Ladung Rotwein für England brachte die Pest auf die Insel*. Im Mai 1349 verließ ein Schiff London, um Bergen in Norwegen anzulaufen, wo es wenige Tage später treibend gesichtet wurde. Die Besatzung war tot, und Plünderer, die einige Ballen Wolle bargen, brachten die Pest nach Bergen, von wo sie sich in kürzester Zeit über das ganze Land ausbreitete. * Ob daher der Spruch kommt, der Alkohol sei der Tod des Menschen? 216 PESTZUG DURCH EUROPA Dezember 1347 Juni 1348 Dezember 1348 Juni 1349 Dezember 1349 Juni 1350 Dezember 1350 Gebiete und Städte, die ganz oder teilweise verschont blieben Durham Dublin Nordsee Ostsee York Leicester Bristol Hamburg London Calais Erfurt Köln Lüttich Nürnberg Straßburg Atlantik Angers Paris Zürich Venedig Genua Florenz Avignon Pisa Marseille Sienna Dubrovnik Montpellier Barcelona Rom Korsika Valencia Neapel Menorca Bordeaux Sevilla Mallorca Dezember 1347 Sardinien Sizilien 0 250 500 750 km Mittelmeer Kreta Abbildung 57: Der Pestzug durch Europa im Jahre 1347 Innerhalb weniger Jahre war ganz Europa im Griff dieses Seuchenzugs und ganze Städte bis auf wenige Einwohner ausgerottet. Verantwortlich machte man, wie so oft in der Weltgeschichte, die Juden. Sie wurden alleine in Baden und im Elsaß zu Tausenden ermordet (berichtet werden diese Umstände in der Straßburger Chro- 217 PEST IN INDIEN? nik des Jacob von Königshofen)1. Ökonomischer Niedergang war die Folge. Andererseits schuf die Pest, gerade indem sie schwere Lücken riß, den Boden für neue Entwicklungen und eröffnete neue Chancen, wie Dixon meint. Die Verwüstungen, die Yersinia pestis angerichtet habe, hätten in Europa „eine Gesellschaft geschaffen, in der weit weniger um Nahrung, Arbeit und Sicherheit gekämpft wurde. Selbst die Menschen in niederen sozialen Schichten konnten wie nie zuvor ihre Stellung verbessern, während die Reichen durch Zugewinn der Besitztümer ihrer verstorbenen Verwandten noch reicher wurden.“ 2 Ab diesem Zeitpunkt wiederholten sich die Seuchenzüge mehrfach, erreichten jedoch nicht mehr die Intensität des ersten. Langsam verschwand die Pest wieder. Die letzten großen Ausbrüche der Pest in Europa wurden zum Ende des 17. Jahrhunderts verzeichnet, später waren nur noch kleinere, regionale Epidemien zu beobachten. In anderen Teilen der Welt war dies aber nicht unbedingt so. Erst 1868 wurde die Pest mit Dampfschiffen von Indien nach Madagaskar eingeschleppt, wo sie sich seither gehalten hat. In Indien wurden noch in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts hunderttausende Todesfälle registriert. Pest in Indien? Seither schien es ruhig geworden um diesen gefürchteten Erreger. Bis 1994 hielt diese Ruhe an, dann waren plötzlich alle Zeitungen voll von Meldungen, daß die Pest in Indien ausgebrochen sei. Fernsehsender brachten Sonderberichte, wochenlang bestimmte das Thema die Medien. Zum Höhepunkt der Epidemie waren 5150 Erkrankte gemeldet, davon 167 «serologisch bestätigte Fälle». Die Erkrankten in den indischen Hospitälern zeigten als Leitsymptom einen extrem produktiven, teilweise blutigen Husten. Klassische Bubonenpest-Fälle wurden nicht beobachtet, wenngleich ein Teil der Patienten geschwollene Lymphknoten zeigte. Sofort wurde die Suche nach dem Erreger mit allen Methoden der modernen Medizin aufgenommen. Yersinia pestis aber wurde erstaunlicherweise nicht gefunden. Epidemiologen meldeten erste Zweifel an, weil die Letalität der Erkrankung trotz überwiegender «Lungenpest-Fälle» sehr gering war. 1 2 218 Eine gute Zusammenfassung unter dem Titel „The black death and the Jews“ bietet das «Jewish History Sourcebook», im Internet unter: www.fordham,edu/halsall/jewish/1348-jewishblackdeath.htm. Die Übernahme des jüdischen Vermögens nach ihrer Ausrottung erwähnt Dixon leider nicht. BUBONEN- UND LUNGENPEST Nach längerer Suche konnte das Rätsel gelöst werden. Die indische Seuche entpuppte sich als eine ganz andere Erkrankung, nämlich als Melioidose (Müller 1995; Bharadwaj 1994 und 1995). Erreger der Melioidose ist ein Bakterium aus der Gruppe der Pseudomonaden, Burkholderia (Pseudomonas) pseudomallei. Dieser überhaupt nicht mit dem Pest-Bakterium verwandte Keim verursacht einen recht unappetitlichen, teilweise mit Haemoptysen verbundenen Husten und kann bei geschwächten Personen schwere, teilweise letale Krankheitsverläufe verursachen (Ip 1995). Komplikationen sind häufig, besonders gefürchtet ist die Osteomyelitis. Vor allem: Wegen seiner für Pseudomonaden ungewöhnlichen Verbreitung von Mensch zu Mensch über Aerosole und seine Resistenz gegenüber einigen häufig eingesetzten Antibiotika (sogar Aminoglykoside!) ist er in der Lage, große Epidemien auszulösen. Die Melioidose ist nahe verwandt mit dem früher auch in Europa weitverbreiteten und durch Burkholderia mallei verursachten «Rotz», den wir aus der Floskel «Rotz und Wasser heulen» kennen. Ohne Bubonenpest keine Lungenpest Die Pest hingegen ist erst nach einer gewissen Vorbereitung in der Lage, Epidemien zu begründen. Zunächst muß die Übertragung von der Wüstenratte und ihren Flöhen auf zumindest einen Menschen erfolgen. Dann folgt bei diesem «Index case» erst das Stadium der Bubonenpest: Nach der lokalen Vermehrung des Erregers an der Flohstichstelle kommt es zur lymphogenen Ausbreitung in die nächsten (lokoregionären) Lymphknotenstationen. Meist sind inguinale oder axilläre Lymphknoten betroffen. Diese schwellen massiv an und platzen (bei nicht rechtzeitig einsetzender Therapie) schließlich auf. Jetzt entsteht ein hochinfektiöses Aerosol aus teilungsaktiven, virulenten Yersinien. Wird dieses, beispielsweise von einer Pflegeperson, eingeatmet, ist der Weg zur Lungenpest frei. Jetzt entstehen Yersinien-haltige Bronchialabszesse, die den Erreger über den Hustenstoß der Patienten weiterverbreiten helfen. Nun erst kann die Infektion epidemische Ausmaße annehmen, zumal die Lungenpest einen extrem aggressiven Krankheitsverlauf zeigt. Die Inkubationszeit beträgt 2 Stunden bis maximal 2 Tage bei Aerosol-Übertragung. Daneben gibt es die Verlaufsform der Pest-Septikämie, die ein an Bubonenpest Erkrankter erleidet, wenn er nicht rechtzeitig behandelt wird. 219 PEST IN NORDAMERIKA Abbildung 58: Histologie einer Lungenpest Immer gilt also: Wo keine Bubonenpest, kann keine Lungenpest entstehen. Das rettet die heutige Menschheit vor größeren Pest-Ausbrüchen, weil in der Regel das Stadium der Bubonenpest erkannt und behandelt wird; trotzdem ist die Letalität erheblich (siehe unten). Die Pest erobert Amerika Die Besiedlung Nordamerikas durch die Pest ist hervorragend dokumentiert, so daß wir einen besonderen Blick auf diese Episode werfen wollen. Erstmalig wurde hier die Pest um 1900 beobachtet, als (wiederum nach Einschleppung durch Schiffe) ein größerer Ausbruch in San Francisco registriert wurde. Mehrere kleinere Ausbrüche in Texas, Louisiana und Florida folgten (Link 1955). Trotz energischer Bekämpfungsmaßnahmen konnte nicht verhindert werden, daß Yersinia pestis seinen Weg in die Städte fand und schließlich einen festen Platz in der amerikanischen Ökologie eroberte. 220 RATTENUNTERSUCHUNG IN NEW ORLEANS Abbildung 59: Rattenuntersuchung in New Orleans 1914 Noch zu Beginn unseres Jahrhunderts wurde in allen Hafenstädten, vor allem im Süden der USA, regelmäßig nach der Pest Ausschau gehalten; Ratten wurden energisch bekämpft, die Schiffe wurden akribisch kontrolliert; die Methodik der «Rattenuntersuchung» ohne jeden Schutz für die Untersucher läßt uns allerdings ein wenig schaudern. Der Erreger Yersinia pestis ist ein gramnegatives, kokkoides Bakterium mit einem charakteristischen Färbeverhalten. In Ausstrichen ist deutlich zu sehen, daß es sich bipolar anfärbt. Es wurde erstmals 1894 von Andre Yersin in Lymphknoten Verstorbener entdeckt. Die Übertragung durch Flöhe wurde 1898 von Paul-Louis Simond gezeigt (ausführlich beschrieben durch seinen Nachfahren Simond 1998). Vektoren und Reservoire Betrachten wir einmal die Ökologie des Pest-Bakteriums etwas näher. In den tropischen Regionen werden Ratten sehr häufig von Xenopsylla cheopsis, einem Rattenfloh, der nur in wärmeren Regionen leben kann, parasitiert. Üblicherweise sind Flöhe recht wirtsspezifisch, so daß es kaum einmal vorkommt, daß einer dieser Flöhe Menschen oder andere Tiere sticht. Dies ändert sich nur unter Hunger- 221 YERSINIA PESTIS bedingungen, etwa, wenn die Rattenpopulation aus anderen Gründen zusammenbricht und die hungrigen Flöhe andere Nahrungsquellen suchen müssen. In vielen Ländern, in denen die Pest verbreitet war oder ist, kommt dieser Rattenfloh aber gar nicht vor. Warum dennoch die Pest auch in nicht-tropischen Regionen verbreitet werden kann, war lange ein Rätsel. Die amerikanischen Beobachtungen der letzten hundert Jahre haben hier einige interessante Aspekte aufgedeckt. Abbildung 60: Pestbakterien im Ausstrich (Methylenblau) Wie schon erwähnt, startete die Besiedlung Nordamerikas durch Yersinia pestis in klassischer Weise in den Hafenstädten. Zunächst waren entkommene Schiffsratten und ihre Flöhe infiziert, dann folgten die Ratten, die in den Städten selbst heimisch waren. Andere Floharten sind zwar weniger erfolgreich bei der Übertragung, für den Fortgang der Epizootie reichte es jedoch aus. Schließlich wurden Eichhörnchen («Squirrels») und deren Flöhe infiziert, und der langsame Marsch durch Nordamerika begann. Aus einer urbanen Seuche wurde eine vor allem in ruralen Regionen verbreitete Erkrankung. 1944-1953 waren nur in drei Bundesstaaten der USA vereinzelte Pest-Fälle beobachtet worden, bis 1995 waren zwanzig Bundesstaaten betroffen. Auch die Zahl der beobachteten Fälle steigt langsam, aber ständig. Eine erste Kleinepidemie betraf im Jahre 1965 sieben Navajos in New Mexico. 1984 wurden erstmals wieder mehr als 100 Erkrankungen in den USA registriert, eine Zahl, die zuvor nur 1904-1909 erreicht worden war (Dennis 1998). Die sporadisch bei Menschen beobachteten Erkrankungen ließen zunächst kein einheitliches Muster erkennen, Reservoire und Vektoren waren unbekannt. Da geschah es eines Tages in der Stadt Denver, daß im Stadtpark eine Menge toter 222 PEST-ZYKLUS Eichhörnchen («Squirrels») gefunden wurden. Sie alle waren der Pest zum Opfer gefallen (Hudson 1971). Zwar wurde hier nur eine einzige assoziierte Erkrankung bei einem Menschen beobachtet, nachfolgende Untersuchungen von Eichhörnchen in anderen Städten und Regionen zeigten jedoch, daß das Pest-Bakterium bereits weite Teile Nordamerikas erobert hatte. Die Lebensweise der «Squirrels» als Einzelgänger und ihre geringe Flächendichte verhinderte zunächst größere Probleme. Sekundäre Pest-Pneumonie Zyklus in wildlebenden Nagetieren f hla rsc nte Wi wildlebende Nager Direkter Kontakt Bubonenoder septikämische Pest Infizierter Floh Primäre Lungen-Pest Direkter Kontakt Infizierter Floh Kontaminierter Boden izil om f-D a l h rsc nte Wi Direkter Kontakt wildlebende Nager n sio res rog P che gli mö in häuslicher Umgebung lebender Nager Infizierter Floh Abbildung 61: Pest-Zyklus Das änderte sich, als eine weitere Nagerart involviert wurde. In den frühen achtziger Jahren kam es zu einem Massensterben von wildlebenden Präriehunden in New Mexico, gefolgt von etwa 40 Erkrankungen bei Menschen (Barnes 1990). Inzwischen ist die Pest bei Präriehunden, verschiedenen Squirrel-Arten und anderen Nagern in Nordamerika fest etabliert. Einzig die relative Wirtsspezifität der Flöhe hat wohl größere Ausbrüche unter Menschen bisher verhindert. 223 PEST HEUTE Nun zeigt sich aber eine neue Bedrohung: Hauskatzen, die gelegentlich wildlebende Nager erbeuten, wurden mehrfach mit der Pest infiziert. In wenigen dokumentierten Fällen entwickelten sie sogar eine Lungenpest, die sekundär zu Erkrankungen von Menschen führte (Dennis 1998). Damit hat das Problem eine neue Dimension erreicht. Doch zurück zu Xenopsylla cheopsis. Wie schon erwähnt, ist dieser Floh in gemäßigten Klimazonen normalerweise nicht überlebensfähig, so daß lediglich weniger kompetente Überträger zu den immer noch seltenen Erkrankungen beitragen. Auch dies könnte sich ändern. Die Kanalisationssysteme von Großstädten sind durch ihre «eingebaute Heizung» auch in sonst kühleren Gegenden ein perfekter Lebensraum für Xenopsylla wie auch für die ihn ernährenden Ratten. In Paris wurde der Floh bereits in einer stabilen Population gefunden. Er zumindest ist also bereit. Heutiges Vorkommen der Pest, Reservoire Hauptverbreitungsgebiete der Pest sind auch heute noch aride (trockene), steppenartige Regionen in Mittelasien, Afrika und Nordamerika. Jedes Jahr treten (ohne besonderes Presse-Echo) Pest-Erkrankungen in der Urheimat der Pest, dem innerasiatischen Becken (Kasachstan, Kirgisien und Xinjiang) auf. Auch im trockenen Südwesten der USA, beispielsweise in der Umgebung des Grand Canyon, ist die Pest inzwischen heimisch. Von 1970-1991 wurden den CDC immerhin 295 (verifizierte!) Fälle gemeldet, von denen 14% tödlich verliefen (Craven 1993). Ein weiterer bedeutender Focus neben einigen afrikanischen Ländern ist Madagaskar. Die Pest wurde erst im 19. Jahrhundert mit Dampfschiffen nach Madagaskar gebracht, wo sie sich im Hochland der Insel (mehr als 800 m über Meereshöhe) etabliert hat. Mit zunehmender Hygiene, der Kontrolle der Rattenpopulation und der Einführung von Insektiziden schien dieser Herd in den fünfziger Jahren unter Kontrolle, dann begann sich die Seuche wieder auszubreiten und erreichte in den neunziger Jahren neue Höhepunkte mit mehr als 500 gesicherten Fällen jährlich, von denen 20% tödlich verlaufen, obwohl 95% bereits im Stadium der Bubonenpest diagnostiziert werden (Chanteau 1998). 224 PEST: THERAPIE Besonders besorgniserregend sind die Begleitumstände dieses Wiedererscheinens: Die Rattenflöhe sind gegen die verwendeten Insektengifte weitgehend resistent geworden, und einige Stämme von Yersinia haben in Madagaskar Resistenzen gegen viele Antibiotika entwickelt (Galimand 1997). Hinzu kommt, daß sich die Seuche immer mehr an die Siedlungen adaptiert und die Kontrolle der Ratten immer schwieriger wird. 1995 waren bereits 10% der Ratten, die in der Umgebung der Märkte von Antanarivo gefangen wurden, mit Yersinia pestis infiziert. Es sind also alle Voraussetzungen für größere Epidemien gegeben. Eine realistische Option, die Pest jemals ausrotten zu können, gibt es weniger denn je. Bei den Pocken war dies bekanntlich anders, dies liegt aber nur daran, daß das Pockenvirus einzig im Menschen lebte, Reservoire wie bei der Pest gab es nicht. So werden wir mit der Gewißheit leben müssen, daß die Pest weiter existieren wird. Therapie Auch bei rechtzeitiger Diagnosestellung ist die Pest heute manchmal ein unlösbares therapeutisches Problem, da einzelne Stämme zunehmend resistent geworden sind. Neuere in vitro-Untersuchungen haben aufgezeigt, daß es inzwischen sogar multiresistente Stämme von Yersinia pestis gibt (Galimand 1997). Dies läßt uns schon ein wenig schaudern. Der Erreger ist aber meist noch gut empfindlich gegen Doxycyclin, eine 14-20tägige Therapie reicht im allgemeinen aus. Wegen der Seltenheit der Erkrankung existieren kaum Therapiestudien mit neueren Antibiotika, aber zumindest aussagekräftige in vitro-Untersuchungen (z.B. Frean 1996). Eine Ausnahme ist der Artikel von Russell (1998), der im Tierversuch zeigen konnte, daß moderne Chinolone bei der experimentellen Lungenpest besser wirksam waren als Doxycyclin. Die «indische Pseudopest», verursacht durch Burkholderia pseudomallei – früher Pseudomonas pseudomallei – ließe sich übrigens relativ problemlos mit modernen Fluorchinolonen wie Levofloxacin behandeln (Chaowagul et al. 1997). 225 PEST: LITERATUR Ausgewählte Literatur: Barnes A.: Plague in the U.S.: present and future. In: Proceedings of the 14th Vertebrate Pest Conference, University of California, Davis 1990. Bharadwaj R. et al.: Outbreak of plague-like illness caused by Pseudomonas pseudomallei in Maharashtra, India. Lancet 1994; 344: 1574. Bharadwaj R. et al.: Burkholderia pseudomallei and Indian plague-like illnes. Lancet 1995; 346: 1172. 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Für uns Europäer war diese offenbar nur in Connecticut endemische, nach ihrem Entdeckungsort «Lyme»-Disease genannte Krankheit zunächst nur eine exotische Rarität, die bestenfalls als Examenswissen Bedeutung zu gewinnen versprach2. Nach der Entdeckung des Erregers durch Willy Burgdorfer (1982) war es möglich, serologische Testverfahren zur Erkennung dieser neuen Krankheit einzuführen. Es ist vor allem auf die Arbeiten von Ackermann (1984) und Asbrink (1984 und 1985) zurückzuführen, daß man, sobald ein «Antiserum» als Testgrundlage zur Verfügung stand, auch in Europa nach vergleichbaren Krankheitsfällen suchte. Man fand schließlich auch hier eine schier unglaubliche Zahl «seropositiver» Patienten. Die einhellige Reaktion war Skepsis. Es schien unvorstellbar, daß eine Krankheit mit so großer Verbreitung über Jahrzehnte unentdeckt geblieben sein könnte. Dennoch gibt es nicht wenige Beweise für die Existenz der Krankheit schon im Mitteleuropa des 19. Jahrhunderts. Fast hundert Jahre vor Steere war die LymeBorreliose schon einmal entdeckt worden, damals allerdings noch nicht als Entität im modernen Sinne. Bereits vor 1900 wurde eine Fülle von Berichten publiziert: Buchwald (1883) berichtete über eine «diffuse idiopathische Hautatrophie», Schwimmer (1883) von «atrophia cutis universalis». Touton (1886) bzw. Pospelow3(1886) sprachen 1 2 3 Die näheren Umstände sind in praktisch jeder Publikation zum Thema nachzulesen, aus diesem Grunde wird hier auf ein erneutes Referat verzichtet. Der Verfasser erinnert sich noch gut an die Verwendung im Sinne des Examenswissens im Jahre 1977 während des zweiten Staatsexamens. Auch er war wie viele andere damals der Meinung, dieses Wissen nie wieder anwenden zu können. Von Pospelow stammt übrigens die immer wieder zitierte Beschreibung der «Zigarettenpapier-artigen Fältelung der Haut» bei der Acrodermatitis chronica atrophicans… 227 ACRODERMATITIS CHRONICA ATROPHICANS von einer «erworbenen idiopathischen Atrophie der Haut», Judassohn (1891) von «atrophia maculosa cutis» und Pick (1894) von «Erythromyelie». Alle diese Krankheitsbilder erkennen wir heute als Varianten der zum Formenkreis der Lyme-Borreliose zählenden Hauterkrankungen. Abbildung 62: Acrodermatitis chronica atrophicans in einer Maximalvariante mit Ähnlichkeiten zu Buchwald’s Erstbeschreibung 228 ERYTHEMA MIGRANS Aber auch in den Vereinigten Staaten gab es, was weit weniger bekannt ist, bereits von Bronson (1894) und Elliot (1895) Berichte über Krankheitsfälle, die sich aufgrund der enthaltenen Abbildungen ohne Zweifel als Acrodermatitis chronica atrophicans einordnen lassen. In Bronsons Fall handelte es sich übrigens um einen 45jährigen in Deutschland geborenen Einwanderer. Elliot berichtete, sein gleichfalls aus Deutschland stammender, ebenfalls 45jähriger Patient habe «Attacken von Rheumatismus» erlebt, was wir heute zwanglos erklären können. Herxheimer und Hartmann (1902) definierten schließlich das Krankheitsbild als Acrodermatitis chronica atrophicans (ACA). Es folgten zahlreiche Publikationen, worunter neben der Übersichtsarbeit von Jessner und Löwenstamm (1924) mit über 66 Fällen (allein aus der Hautklinik Breslau!) eine Übersichtsarbeit von Sweitzer und Laymon (1935) erwähnenswert ist. In dieser Arbeit wird (im Rahmen der Diskussion) berichtet, daß nicht nur Einwanderer, sondern auch in Amerika geborene Patienten von der ACA betroffen gewesen seien. Auch in Amerika ist die Erkrankung also nicht «vom Himmel gefallen», sondern schon lange endemisch. Auch die charakteristischen Begleitsymptome der ACA wie Neuropathie und Osteopathie waren früh bekannt (z.B. Hövelborn 1931), ohne daß man allerdings mit den damaligen Mitteln das ätiologische Agens hätte nachweisen können. Schließlich ist auch das Erythema (chronicum) migrans keineswegs eine neue Krankheit. Bereits zu Beginn des Jahrhunderts wurde von Afzelius (1910) dieses Leitsymptom einer Borrelien-Infektion beschrieben. Er berichtete damals über ein Erythem nach vorausgegangenem Zeckenstich, Lipschütz (1914) benutzte schon den Begriff «Erythema chronicum migrans». Das Mosaik der Kenntnisse wurde vervollständigt durch Publikationen über die neurologische Seite der Erkrankung, Garin C. Bujadoux (1922) bzw. Bannwarth (1941) beschrieben die lymphozytäre Meningopolyradikulitis, die wir heute als das «Bannwarth-Syndrom», eine typische Verlaufsform im Generalisationsstadium der Borrelien-Infektion, kennen. Die Entwicklung verlief in mehreren Schienen zunächst parallel, die einzelnen Erscheinungsbilder wurden als Entitäten beschrieben, da man die Gemeinsamkeit der Ätiologie aller dieser Symptome nicht erkennen konnte. 229 WILLY BURGDORFER Schließlich dachte man bereits an erste Parallelen zur Syphilis. Kahle untersuchte in seiner Dissertation (Halle 1942, zitiert in Weber 1984) «Pallida-Reaktionen bei Durchblutungsstörungen der Haut». Nach der Entdeckung des Penicillins folgte ein breites Experimentieren mit dieser neuen Substanz. Bei allen möglichen Krankheiten wurde untersucht, ob dieses «Wundermittel» einen positiven Einfluß auf den Verlauf nehmen könne. So ist es nicht verwunderlich, daß schon Svartz (1946) und Thyresson (1949) berichten konnten, daß man mit Penicillin eine Acrodermatitis heilen kann. Bianchi (1950) behandelte dann Lymphozytome, Binder (1955) und andere auch das Erythema migrans mit Penicillin. In den fünfziger Jahren wurden dann (wieder einmal!) in heroischen Selbstversuchen von Binder und Mitarbeitern (1955) der Nachweis erbracht, daß das Erythema migrans übertragbar ist. Paschoud (1957) übertrug erfolgreich die Lymphadenosis cutis und Götz (1955) die Acrodermatitis chronica atrophicans durch Hauttransplantate. So war eigentlich seit Jahrzehnten klar, daß ein infektiöses, Penicillin-empfindliches Agens Verursacher einer chronischen Krankheit mit bunter Symptomatik sein müsse, wie Weber (1974) postulierte. Nach dem Verursacher wurde auch in Europa intensiv gesucht, diese Bemühungen waren allerdings mit damaliger Methodik zum Scheitern verurteilt. Dennoch ist es angesichts der heute bekannten Bedeutung und Verbreitung der Lyme-Borreliose in Mitteleuropa sehr verwunderlich, daß die Krankheitsentität erst so spät erkannt wurde. Viele Hinweise waren vorhanden, es fehlte nur die Zusammenführung. Allan Steere erkannte wie andere vor ihm den Zusammenhang der Erkrankung mit Zeckenstichen. Erst serologische Methoden, die nach der Entdeckung und Kultivierung des Erregers durch Willy Burgdorfer (1982, siehe auch oben) etabliert wurden, brachten schließlich den Durchbruch. Die breite Verfügbarkeit der – zunächst noch recht unzuverlässigen – Tests brachte Schwung in die Erforschung der Borrelien-Infektionen. Heute ist der Zusammenhang zwischen Mäusen, Zecken und Borrelien geklärt. 230 IXODES RICINUS Der «Holzbock» Ixodes ricinus: Ein Gesundheitsrisiko für Menschen durch fehlende Wirtsspezifität Sehr viele Zeckenarten sind relativ wählerisch in der Auswahl ihrer Nahrungsquellen. Ixodes vespertilionis geht nur auf Fledermäuse, andere Arten sind stärker auf Vögel spezialisiert. Ixodes ricinus macht hier eine Ausnahme und spielt als «polyphage» Zeckenart eine ganz zentrale Rolle in der Verbreitung der Lyme-Borreliose (Costello 1989, Matuschka 1992, Ginsberg 1993, Burgess 1993, Amerasinghe 1993). Die 0,8-1 mm großen Larven von Ixodes ricinus leben in der Laubstreu am Boden und saugen meist auf Mäusen. Nach der ersten Blutmahlzeit häuten sie sich zur Nymphe, die meist ebenfalls Mäuse befällt. Die Larve kann von einer infizierten Maus Borrelien aus dem peripheren Blut aufnehmen. Die Nymphe gibt diese an neue Mäusegenerationen weiter, so daß die weitere Verbreitung der Borrelien gesichert wird. Zusätzlich ist eine weitere Sicherung im Borrelien-Zyklus eingebaut: Etwa 1% der Larven werden bereits transovariell mit Borrelien infiziert (Lane 1987, Magnarelli 1987), so daß auf jeden Fall das Überleben einer Teilpopulation der Borrelien gesichert ist. Die adulten Tiere von Ixodes ricinus ändern ihre Strategie: Sie sitzen auf Gräsern und Kräutern und warten auf vorbeiziehende, etwas größere Tiere. Sie haken sich mit ihren Vorderbeinen ein und lassen sich so mitnehmen. Da größere Tiere (Wildschweine, Rehe etc.) einen deutlich größeren Aktionsradius als Mäuse haben, erhalten die Zecken so die Chance, sich über größere Entfernungen mittragen zu lassen und so neue Biotope bzw. Mäusepopulationen zu erschließen. Haben sie ihre Blutmahlzeit nach zwei bis fünf Tagen beendet, so lassen sie sich fallen und beginnen unmittelbar mit der Eiablage. Die fehlende Wirtsspezifität von Ixodes ricinus hat also das Problem der Lyme-Borreliose-Erkrankungen für den Menschen erst ermöglicht. Da der Holzbock nicht wählerisch in der Nahrungssuche ist, werden auch Menschen mit Borrelien infiziert. Epidemiologisch (aus der Sicht der Borrelien) ist dies im Sinne der Arterhaltung zwar unerwünscht, da vom Menschen die Borrelien nicht weiterverbreitet werden können, für den Betroffenen aber wohl kein Trost. 231 ZECKEN-MÄUSE-ZYKLUS Die Rolle der Mäuse als Borrelien-Reservoir Borrelien können sich in Mäusen im Gegensatz zu Großsäugern vermehren, ohne daß die Maus erkrankt (Simon 1991). In der Maus besteht eine praktisch lebenslange Bakteriämie. Das Immunsystem der Mäuse ist gegenüber dem Erreger tolerant. Dadurch dienen die Mäuse als Borrelien-Reservoir, und der Infektionszyklus kann so aufrecht erhalten werden (Anderson 1988). Die Zecken, die zu ihrer vollständigen Entwicklung mehrere Blutmahlzeiten benötigen, können den Erreger von den infizierten Mäusen wieder aufnehmen und weiterverbreiten. So wird das Überleben der Borrelien durch eine ständige Überimpfung auf neue Mäusegenerationen gesichert (siehe Abbildung 63). Menschen und andere Großsäuger sind dagegen infektionsepidemiologische Sackgassen. Der Erreger kann in diesen nur eine sehr kurzdauernde Bakteriämie verursachen, so daß von hier aus eine Weiterverbreitung im allgemeinen nicht möglich ist. Frühling Sommer Winter Herbst Eiablage infizierter Wirt Larven saugen Blut häufige Wirte Geschlechtstiere saugen Blut Herbst Winter Nymphen saugen Blut Zyklus mit Spirochäten-Reservoir Sommer nicht-infizierter Wirt Frühling Abbildung 63: Der Zecken-Mäuse-Zyklus der Borrelien (modifiziert nach Habicht) 232 ERREGER DER LYME-BORRELIOSE Die heute bekannten Erreger Lyme-Borreliosen werden von mehreren, inzwischen taxonomisch getrennten Borrelien-Arten verursacht. In den Vereinigten Staaten kommt nur Borrelia burgdorferi sensu stricto vor. In Europa sind es mehr als fünf verschiedene Arten. Zahlreiche europäische Isolate lassen sich aber gar nicht den bisher definierten Arten zuordnen, so daß in Kürze sicher weitere Arten abgetrennt werden. Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang vor allem, daß die Heterogenität der Stämme (und damit wohl auch die Varianz der Pathogenität) erhebliche Ausmaße hat. Die wichtigsten hier vorkommenden Arten sind B. afzelii, B. garinii und B. burgdorferi. Borrelia afzelii scheint besonders häufig Hautmanifestationen auszulösen, Borrelia garinii eine besondere Affinität zu Nervengewebe zu haben. Generell können aber Borrelia burgdorferi sensu stricto ebenso wie die anderen Spezies alle bekannten Krankheitsmanifestationen hervorrufen. Ob die Heterogenität der Stämme in Europa zu Lücken der serologischen Diagnostik führt, wurde bisher nicht hinreichend untersucht. Abbildung 64: Borrelien im Tuschepräparat Die Borrelien sind als Korkenzieher-artige, längliche Strukturen sichtbar. 233 LYME-BORRELIOSE: KLINIK Klinik Borrelien-Infektionen verlaufen üblicherweise in drei Stadien. Zunächst wird der Erreger beim Zeckenstich in der Haut deponiert und beginnt sich hier zu vermehren (Stadium 1: Die Lokalinfektion der Haut). Die Generationszeit des Erregers ist hoch (ca. 20-30 Stunden), daher vermehrt er sich nur langsam. Erst nach einer Latenzzeit, die üblicherweise etwa 10-14 Tage beträgt (bei Re-Infektionen deutlich weniger), kommt es zur zellulären und humoralen Immunantwort. Je nach Intensität der zellulären Immunantwort beobachten wir das typische Erythema migrans (EM) oder das Borrelien-Lymphozytom (BL), welches solitär oder in Kombination mit dem EM auftreten kann. Selten kommt es zur Mitreaktion des subkutanen Fettgewebes in Form einer Pannikulitis. ➡ ➡ ➡ ➡ ➡ ➡ ➡ ➡ ➡ ➡ Abbildung 65: Erythema migrans ca. 14 Tage nach Zeckenstich Die typische Ringform beginnt sich auszubilden (➡); zusätzlich finden wir in diesem Fall ein zentrales lymphozytäres Infiltrat. Während der Erreger sich in der Haut vermehrt und dabei von der Stichstelle nach peripher wandert, wird er irgendwann Anschluß an ein Blut- oder Lymphgefäß finden. So werden Borrelien mit dem Blutstrom verfrachtet, und die Generalisationsphase, das zweite Stadium der Krankheit beginnt. Klinisch ist es gekennzeichnet von Grippe-ähnlichen Allgemeinsymptomen, Myalgien, Kopfschmerzen, 234 BORRELIEN-LYMPHOZYTOM Fieber (nicht obligat), Nachtschweiß und Palpitationen. Hier kann es zu ersten Organmanifestationen kommen (Carditis, Neuritis, Ophthalmitis, Hepatitis etc.) kommen. Nun folgt eine ausgeprägte Immunantwort, und die Zahl der Erreger wird drastisch reduziert. Nur im Kollagen können sich Borrelien dem Zugriff des Immunsystems erfolgreich entziehen. Hier persistieren sie und können nach unterschiedlich langer sekundärer Latenz rezidivierende Krankheitsschübe auslösen. Abbildung 66: Borrelien-Lymphozytom (BL) am linken Ohrläppchen Pathophysiologisch unterscheidet sich das BL nur wenig vom Erythema migrans; die anatomischen Grenzen verhindern die Ausbreitung der Borrelien ein wenig, so daß ein stärker lokal begrenztes Infiltrat entsteht; wenn nicht frühzeitig behandelt, breitet sich dann doch ein Erythema migrans über die Wange aus. Diese chronische Phase markiert das Stadium drei der Erkrankung. Klinisch ist diese geprägt von Neuropathien, Arthralgien und Myalgien, die während der Krankheitsschübe von Allgemeinsymptomen (in erster Linie Nachtschweiß, gelegentlich Fieber) begleitet werden. Generell können alle Körperregionen (chroni- 235 LYME-ARTHRITIS sche Kardiomyopathie, Arthritis, Myositis, Neuropathie etc.) betroffen sein. An der Haut kann sich, meist nach jahrelangem Verlauf, die Acrodermatitis chronica atrophicans ausbilden, die zunächst ein entzündliches Stadium zeigt, um nach längerem Verlauf in eine «Zigarettenpapier-artige» Atrophie (Pospelow 1886) überzugehen. Fast regelhaft ist diese von Neuro- und Osteopathie begleitet. Gelegentlich findet man die pathognomonischen fibroiden Knoten, die hohe Erregerzahlen beinhalten. Bisweilen kann infolge der chronischen Entzündungsreaktion eine maligne Entartung auftreten. Abbildung 67: Chronische Lyme-Arthritis Das Sprunggelenk des Patienten wurde wegen rezidivierender Gelenkergüsse synovektomiert, was dem Grundproblem der Infektion allerdings keine Abhilfe schuf. In allen Krankheitsstadien kann der Erreger aus infiziertem Gewebe kultiviert werden, was den Charakter einer chronischen bakteriellen Infektion in Analogie zur Lues unterstreicht. Pathophysiologie Alle kutanen Manifestationen der Lyme-Borreliose, vom Erythema migrans bis zu Acrodermatitis, werden durch den Einstrom von Lymphozyten und Plasmazellen als bläulichrot verfärbte Hautareale sichtbar, wir können also die zelluläre Immunantwort an der Haut beobachten! Dennoch unterscheidet sich das Frühstadium deutlich von den Spätmanifestationen. Während im Stadium der Lokalinfektion oder beim bakteriämischen Stadium noch keine besonderen Unterschiede zu anderen bakteriellen Infektionen existie- 236 ACRODERMATITIS CHRONICA ATROPHICANS ren, stellt die chronische Infektion eine Besonderheit dar. Im Prinzip entstehen die Krankheitssymptome des chronischen Stadiums durch die hohe Affinität der Borrelien zur kollagenen Faser. So kommt es vor allem im Bindegewebe (Kollagen) zu chronischen Entzündungsprozessen. Die Folge sind Gefäßentzündungen (vaskulitische Prozesse mit perivaskulären Infiltraten von Lymphozyten und Plasmazellen) (Meier, de Koning, Duray). Nachfolgende Kapillarverschlüsse führen zu trophischen Störungen in den betroffenen Geweben, wie z.B. den Gefäßen, von denen Nerven versorgt Abbildung 68: Acrodermatitis chronica atrophicans werden (Epineurium). Dies Die Acrodermatitis chronica atrophicans entsteht in der Regel nach jahrelangem Verlauf der Infektion; sie wiederum führt zu (Ischäist zunächst gekennzeichnet von einem entzündlichen mie-)Schmerzen und verödematösen Stadium mit kissenartiger Schwellung, schließlich ensteht durch den Verlust der kollagenen mehrter Vulnerabilität. So Fasern eine hochgradige Atrophie der Epidermis mit sind wohl auch die bei länge«Zigarettenpapier-artiger Fältelung» der atrophischen Haut; aus dem kissenartigen Areal an der lateralen rem Verlauf typischen periFußkante konnte Borrelia afzelii isoliert werden. artikulären Entkalkungen Folge der schlechten lokalen Energieversorgung im Knochengewebe. Die Borrelien können sich im Kollagen teilweise dem Zugriff des Immunsystems entziehen. Dort sind sie auch für Antibiotika schlecht erreichbar. Die Allgemeinsymptome im Verlauf der Infektion werden durch die Reaktion des Immunsystems auf die Borrelien (infektionsbedingte Produktion von Tumornekrosefaktor und Interleukinen aus Makrophagen) bedingt. Die Stärke der Allgemeinsymptome scheint mit der Erregerzahl zu korrelieren. 237 LYME-BORRELIOSE: DIAGNOSTIK Serologische und mikrobiologische Diagnostik Die Borrelien-Infektion ist nicht in jedem Stadium sicher serologisch diagnostizierbar. In den ersten vier bis sechs Wochen, also im Stadium der Lokalinfektion, sind oft noch keine Antikörper nachweisbar. Die humorale Immunantwort benötigt nach dem Beginn der Erregergeneralisation mindestens 14 Tage, bis die ersten Antikörper nachweisbar werden. Beim Erythema migrans sind daher nur 40-50% der Patienten seropositiv, beim Bannwarth-Syndrom sind es je nach Verfahren etwa 60-80%. In der Spätphase sind dagegen in praktisch allen Fällen eindeutige Antikörper nachweisbar. Daher muß in Zweifelsfällen gerade bei Verdacht auf eine frühe Lyme-Borreliose die Untersuchung unter Umständen im Abstand einiger Wochen wiederholt werden. Die Diagnose (und Therapie!) eines Erythema migrans darf aber niemals vom Antikörperstatus abhängig gemacht werden! Aufgrund unterschiedlicher Verfahren (Enzymimmunoassay, Immunfluoreszenz, HAH etc.) und fehlender Standardisierung sind allerdings Werte aus verschiedenen Labors nur bedingt vergleichbar. Zum Teil ist dies durch die Präparation der Tests aus unterschiedlich geeigneten (immunogenen) Borrelien-Stämmen erklärbar. Aus bisher unbekannten Gründen sind auch in der Akutphase der Erkrankung oft keine IgM-Antikörper nachweisbar. Werden aber IgM-Antikörper nachgewiesen, beweisen sie in der Regel eine noch frische, aktive Erkrankung. Das Fehlen von IgM-Antikörpern schließt aber eine behandlungsbedürftige Borrelien-Infektion keineswegs aus. Gerade in der Spätphase sind in der Regel keine IgM-Antikörper mehr vorhanden, obwohl noch lebende Borrelien vorhanden sind. Bei einigen Krankheiten können falsch-positive Ergebnisse der Serologie durch unspezifische Kreuzreaktionen vorkommen: Akute Herpes- oder Epstein-Barr-VirusInfektionen können ein falsch positives IgM vortäuschen, ANA-positive Seren können eine positive IgG-Reaktion vortäuschen. Daneben sind Kreuzreaktionen zum Beispiel durch andere Spirochätosen (z.B. Lues) möglich. In allen Fällen mit positivem Suchtest sollte als Bestätigungstest der Westernblot eingesetzt werden, durch den eine Differenzierung zwischen unspezifischen Kreuzreaktionen und echten immunologischen Reaktionen gegen Borrelien möglich ist. Kontrovers wird seit langem diskutiert, ob es seronegative Lyme-Borreliosen im Spätstadium gibt. Wir können heute diese Frage nicht abschließend beantworten, 238 LYME-BORRELIOSE: STADIENBEZOGENE THERAPIE konnten aber in zumindest einem Fall, bei dem serologisch keine Antikörper nachweisbar waren, einen atypischen, bisher nicht klassifizierbaren BorrelienStamm anzüchten. Besonderheiten der stadienbezogenen Therapie Die Anforderungen an eine Therapie der Lyme-Borreliose hängen entscheidend vom Stadium der Erkrankung ab. Im Frühstadium gibt es noch keine vaskulitischen Prozesse, die die Gewebs-Penetration durch das Antibiotikum behindern würden. Daher ist hier eine orale Therapie oft noch ausreichend. Auch bei Kindern genügt eine orale Therapie (vermutlich wegen der anderen Struktur des Bindegewebes, das weniger Kollagen und mehr Proteoglykansulfat enthält). Ferner ist zu berücksichtigen, daß die Erreger nur in der Teilungsphase für ein Antibiotikum empfindlich sind. Ruhende Keime («Persister») können also unter Umständen die Therapie überdauern. Wegen der langen Generationszeit der Borrelien (8-35 Stunden) sind Persister vermutlich nicht selten. Nach derzeitigem Stand der Kenntnisse dürfte daher eher eine Wiederholung der Therapie als eine noch längere Therapiedauer erfolgversprechend sein. Grundsätzlich sind nach in vitro-Untersuchungen (Tests mit Borrelien in Kultur, also «im Reagenzglas») Tetracycline , Doxycyclin, Erythromycin, Amoxicillin, Cefotaxim und Ceftriaxon am wirksamsten. Die MHK90-Werte liegen zwischen 0,05 und 1 mg/l. Für Penicillin G wurden dagegen Werte bis 8 mg/l gemessen. Auch im Tierversuch waren die Ergebnisse mit Penicillin und Erythromycin enttäuschend (Preac-Mursic). Daher ist heute Penicillin nicht mehr das Mittel der 1. Wahl, zumal vermehrt über die erfolgreiche Anzucht des Erregers auch nach hochdosierter Penicillin-Therapie berichtet wurde (Preac-Mursic, Johnson). Erythromycin hat trotz hervorragender in vitro-Werte bisher klinisch und im Tierversuch enttäuscht, was an unzureichenden Gewebespiegeln liegen könnte. Das neuere Makrolid Azithromycin konnte in einer größeren Studie (Strle) dagegen beim Stadium 1 (und ausschließlich hier!) überzeugen. Bei der Therapieplanung ist immer zu berücksichtigen, ob eine systemische Infektion therapiert werden muß. Das Verschwinden einer Hautläsion beweist keinesfalls die Heilung der Krankheit. Hier gibt es wichtige Parallelen zur Syphilis, wo 239 LYME-BORRELIOSE: THERAPIE ebenfalls Spätmanifestationen bei vermeintlich ausreichend therapierten Patienten beobachtet wurden. Die verwendeten Antibiotika dürfen nicht unterdosiert werden. Es ist mit Sicherheit sinnlos, eine Lyme-Arthritis mit 100 mg Doxycyclin oral täglich behandeln zu wollen – zum Vergleich: Cefotaxim, Erythromycin und Doxycyclin haben eine vergleichbare Aktivität gegen Borrelien; im Fall des Cefotaxim werden 6 g täglich gegeben, also wesentlich höhere Spiegel erreicht! Bei 200 mg Doxycyclin oral als Einzeldosis erreicht man Serumspiegel von etwa 3-4 mg/l; dies reicht meist nicht aus, um im chronischen Stadium auch Keime in schlecht zugänglichen Geweben zu erreichen. Viele vermeintliche Therapieversager dürften lediglich auf erhebliche Unterdosierungen zurückzuführen sein! Es ist auch sicher nicht sinnvoll, bei Versagen eines «optimalen» Regimes auf ein minder wirksames auszuweichen. 240 LYME-BORRELIOSE: THERAPIE Therapie im Frühstadium Kinder: Amoxicillin 3 x 15 mg/kg KG/d (in der Regel 3 x 500 mg bis 3 x 750 mg /d) über 20 Tage Alternativen: Azithromycin, Cefuroxim-Axetil Erwachsene: Doxycyclin 2 (bis 3) x 100 mg/d, ebenfalls über 20 Tage Alternativen: Amoxicillin, Azithromycin, Cefuroxim-Axetil Im allgemeinen kann auch bei einer beginnenden Erreger-Generalisation noch mit diesen Therapieregimen gearbeitet werden (Dattwyler 1997) Schwangere: Amoxicillin 3 bis 4 x 750 - 1000 mg/d über 20 Tage In Fällen mit Erreger-Generalisation kann wegen der Gefahr der Übertragung der Borrelien auf den Fetus auch Cefotaxim 2 x 3 g/d über 14 Tage gegeben werden. Therapie im chronischen Stadium Cefotaxim («Claforan®») 2 x 3 g/d über 14 (-21) Tage Ceftriaxon («Rocephin®») 4 g/d über 14 (-21) Tage Reserve: Doxycyclin i.v., Imipenem Makrolide (auch Azithromycin!) sind im chronischen Stadium grundsätzlich nicht geeignet 241 LYME-BORRELIOSE: NACHSORGE Nachsorge nach Therapie eines Erythema migrans Jeder Patient sollte über mögliche Symptome einer weiterbestehenden Lyme-Borreliose aufgeklärt werden. Hierzu gehören in erster Linie Allgemeinsymptome wie Nachtschweiß, Abgeschlagenheit, Kopf- und Gliederschmerzen, später oft «springende» Gelenkbeschwerden, Neuropathien und gelegentlich kardiale Symptome. Treten solche auf, ist der Arzt zu konsultieren. In allen Fällen sollte drei Monate nach Ende der Therapie eine serologische Kontrolle erfolgen. Bleibt diese negativ (es sind also keine Antikörper nachweisbar), gilt die Erkrankung als geheilt. Sind zu diesem Zeitpunkt noch Antikörper nachweisbar, muß in weiteren dreimonatigen Abständen eine gezielte Nachsorge erfolgen, bis entschieden werden kann, ob die Erkrankung ausgeheilt ist oder eine nochmalige Therapie erfolgen muß. Im Rahmen dieser Nachsorge ist gezielt nach Symptomen einer aktiven Lyme-Borreliose zu fragen, da der Patient oft spätere Symptome (z.B. «orthopädischer» Art) nicht in Zusammenhang mit der Borrelien-Infektion bringt Serologische Kriterien einer persistierenden Infektion sind insbesondere Verbreiterungen des Bandenmusters im Westernblot (das Hinzutreten zusätzlicher Banden). Nachsorge nach Therapie einer Lyme-Borreliose im Spätstadium Nach Therapie einer chronischen Lyme-Borreliose bleiben immer für längere Zeit Antikörper nachweisbar, sie sinken in ihrem Level nur langsam ab. Wir konnten aber bei Langzeitverläufen beobachten, daß die meisten Patienten drei bis fünf Jahre nach Therapie wieder seronegativ wurden. Wegen der Gefahr endogener Rezidive muß die Nachsorge mindestens über zwei Jahre erfolgen. Oft helfen die «Aktivitätsmarker» (Nachtschweiß, Müdigkeit, Palpitationen), über die Notwendigkeit einer nochmaligen Therapie zu entscheiden. 242 LYME-BORRELIOSE: LITERATUR Ausgewählte Literatur: Afzelius A.: Verhandlungen der Dermatologischen Gesellschaft zu Stockholm am 28. Oktober 1909. Arch Dermatol Syph 1910; 101: 404. Agger W.A., Callister S.M., Jobe D.A.: In vitro susceptibilities of Borrelia burgdorferi to five oral cephalosporins and ceftriaxone. Antimicrob Agents Chemother 1992; 36 (8): 1788-1790. Agre F., Schwartz R.: The value of early treatment of deer tick bites for the prevention of Lyme disease. Am J Dis Child 1993; 147(9): 945-947. Balban W.: Erythema annulare entstanden durch Insektenstiche. Arch Dermatol Syph 1910; 105: 423-430. Bannwarth A.: Chronische lymphozytäre Meningitis, entzündliche Polyneuritis und «Rheumatismus». Arch Psychiatr Nervenkrankh 1962; 117: 161-185. 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Fachmännisch schlachtete er die Beute und zog den Hasen das Fell über die Ohren. Ein paar Blutspritzer auf seinem Unterarm waren für ihn Teil des Geschäfts, kein Grund für irgendeine Sorge. Zwei Tage später entwickelte er hohes Fieber, Schüttelfröste, Atemnot und Kreislaufbeschwerden. Seine Frau fuhr ihn in ein Hospital in Memphis, wo er sofort aufgenommen wurde. Bereits am Aufnahmetag kam es zu einer massiven Rhabdomyolyse mit Myoglobinurie und Kreatininanstieg. Die Thorax-Röntgenaufnahme zeigte ein pneumonisches Infiltrat im rechten Unterlappen, die Creatinphosphokinase stieg auf 1047 Einheiten, das Blutbild zeigte eine massive Linksverschiebung. Unverzüglich wurde wegen des pneumonischen Infiltrates eine Therapie mit einem Cephalosporin begonnen, doch sein Zustand verschlechterte sich dramatisch. Man entschloß sich, Tobramycin (ein Aminoglykosid) hinzuzunehmen, und ganz allmählich trat eine Besserung ein. Wenige Tage später war das Ergebnis der Blutkulturen verfügbar, und die Ursache des Krankheitsbildes war geklärt. Francisella tularensis, der Erreger der Tularämie, die auch Hasenpest genannt wird, war gefunden (MMWR 1983: 32: 262-264). * Der Name des Unglücklichen ist reine Phantasie, seine Geschichte keineswegs 244 FRANCISELLA TULARENSIS Geschichte Francisella wurde erstmals 1912 im Tulare County (Kalifornien) aus Körpermaterial verendeter «Ground Squirrels», einer Art Eichhörnchen, isoliert. Sie erhielt deshalb zunächst den Namen Bacterium tularense. E. Francis entdeckte die Zusammenhänge zwischen den Erkrankungen bei Nagern und einer damals als «Deer Fly Fever» bezeichneten Erkrankung bei Menschen. Nach ihm wurde der Erreger später Francisella genannt. In Schweden wurde die Tularämie 1931 erstmals beschrieben. Hier existiert ein natürlicher Fokus am Rande der baltischen See in Mittelschweden. Immer wieder kam es hier zu großen Ausbrüchen, die teilweise epidemischen Charakter annahmen. Allein 1966/67 erkrankten mehrere tausend Menschen (Tärnvik 1996). In Rußland wurden sogar Epidemien mit mehr als hunderttausend Erkrankungen während des zweiten Weltkrieges beobachtet (Pollitzer 1967). Erreger, Reservoire und Vektoren Francisella tularensis ist ein gramnegatives, aerob wachsendes, relativ anspruchsvolles, kokkoides Bakterium, das in der Regel nur in Cystein-haltigen Medien oder intrazellulär gut wächst. Aus diesem Grund kann es bei Verwendung üblicher Blutkulturmedien übersehen werden. Einzelne Isolate wachsen aber auch ohne Cystein (Bernhard 1994). Ähnlich wie Legionella kann sich auch Francisella in Makrophagen vermehren und so die Immunabwehr unterlaufen (Fortier 1994). Wie jene kann sie auch Amöben infizieren und sich in diesen vermehren. Bisher gibt es aber keine Hinweise, daß diese Eigenschaft bei der Ausbreitung des Erregers eine Rolle spielt. Zwei Varianten (Typ A und B) sind bekannt. Typ A (Biovar tularensis) kommt nur in Nordamerika vor und ist für wesentlich aggressivere Krankheitsverläufe verantwortlich als der weltweit vorkommende Typ B (Biovar paläarctica). Hauptreservoir sind Wildhasen und andere Nager. Mehrere Übertragungswege sind bekannt. Der erste ist der unmittelbare Kontakt mit Blut infizierter Tiere, etwa beim Schlachten von Wildhasen. In diesen Fällen ist die Inkubationszeit oft sehr kurz (2-5 Tage), da es zu einer primären Sepsis kommt. Auch der Genuß einer unzureichend erhitzten Hasenmahlzeit kann zur 245 TULARÄMIE: VERBREITUNG Infektion führen, wie Benlyazid (1997) bei drei Familienmitgliedern beobachten konnte. Auch Kuhmilch wurde für einen Ausbruch verantwortlich gemacht, wobei der Infektionsmodus nicht geklärt werden konnte (Manenkova 1996). Der andere wesentliche Weg ist die Übertragung durch Zecken (vorwiegend der der Gattung Dermacentor, seltener auch durch Ixodes-Zecken) und Stechmücken (Tärnvik 1996). In einer systematischen Untersuchung an Dermacentor-Zecken in Tschechien wurden durchschnittlich 2,8% infizierte Zecken gefunden (Hubalek 1997). Da es bei dieser Variante zur Übertragung viel geringerer Erregerzahlen kommt, ist die Inkubationszeit meist länger (6-30 Tage). Ein dritter Infektionsmodus konnte in Schweden für den größten Ausbruch in den Jahren 1966/67 wahrscheinlich gemacht werden: die Inhalation Erreger-haltigen Materials. 1966 war es zu einem massenhaften Sterben von Nagern gekommen, und viele dieser Nager starben in Feldscheunen. Die Kadaver lagen oft im Heu, und beim Umsetzen und Verladen des Heus kam es zur Bildung eines hochinfektiösen Aerosols, das nach Einatmung meist eine primär pneumonische Verlaufsform auslöste (Tärnvik 1996). Heutige Verbreitung Die Tularämie ist aus vielen Ländern, vor allem der nördlichen Hemisphäre, bekannt, aber nicht häufig. Die meisten Fälle traten sporadisch auf, immer wieder wurden kleinere Serien berichtet, große Epidemien gab es nur selten. In Nordamerika rechnet man mit etwa 1500 Erkrankungen pro Jahr, in Skandinavien sind es einige Dutzend, in Tschechien und der Slowakei etwa je 10. Die Dunkelziffer dürfte aber wegen der Schwierigkeiten der Diagnose und der Vielfalt der Symptome erheblich sein. In Europa existieren mehrere Endemiegebiete, dazu gehören ganz Skandinavien und Westrußland, die Tschechoslowakei und Teile Österreichs. Daten aus Deutschland fehlen (wieder einmal!) praktisch völlig. Japan meldete bisher insgesamt 1400 Erkrankungen in sieben Jahrzehnten (Ohara 1998). 246 TULARÄMIE: KLINIK UND DIAGNOSTIK Klinik Die Tularämie zeigt einen auffällig großen Variantenreichtum im klinischen Verlauf (Übersicht z.B. bei Jacobs 1997). Bei Übertragung durch Zecken- oder Mükkenstich entsteht an der Stichstelle oft ein typisches, wie ausgestanzt wirkendes, schlechtheilendes Geschwür. Danach kommt es nach lymphogener Ausbreitung zu lokoregionären Lymphknotenschwellungen («ulzeroglanduläre Form»). Bei Schmierinfektion über die Eintrittspforte Auge nach direktem Kontakt mit Sekreten infizierter Tiere tritt eine sehr schmerzhafte Konjunktivitis mit Lymphknotenschwellungen auf («okuloglanduläre Form»). Die eher seltene «intestinale Form», bei welcher der Infektionsweg offensichtlich oral durch unzureichend erhitztes Fleisch infizierter Tiere verläuft, zeigt als Leitsymptome Pharyngitis, Erbrechen, Leibschmerzen und Durchfälle. Die primär pneumonische Form ist selten und entsteht gemäß derzeitiger Meinung nach haematogener oder lymphogener Streuung des Erregers. Sie kann, wenn die Infektion kutan über Mikroverletzungen erfolgte, auch als einzig faßbare klinische Manifestation auftreten. In einem Fall (Schweden 1966/67, siehe oben) kam es zu einer epidemischen pneumonischen Variante nach Inhalation Erreger-haltigen Materials (Dahlstrand 1971). Die septische Verlaufsvariante, die besonders häufig nach Kontakt mit Blut infizierter Tiere beobachtet wird, wurde früher als «typhoide Form» bezeichnet. Kopfschmerzen, Schweißausbrüche und hohes Fieber sind obligat, als Komplikationen wurden Meningitis, Pericarditis und Osteomyelitis beschrieben (Übersicht bei Rodgers 1998), eine Rhabdomyolyse mit temporärer Beeinträchtigung der Nierenfunktion kommt nur beim Typ A vor. Diagnostik Der Erreger kann aus verschiedenen Körpermaterialien (Abstriche aus dem Primärulkus, Punktionsmaterial wie Pleuraexsudate oder Knochenmarksaspirate) angezüchtet werden. Bei Anzucht sind mindestens L2-Bedingungen einzuhalten, da der Erreger in Kultur hochkontagiös ist! Der Verdacht muß daher unbedingt dem Labor mitgeteilt werden. Da verschiedene geeignete Primer publiziert wurden, kann generell auch die PCR in der Diagnostik verwendet werden. Die klassischen serologischen Verfahren verlieren dagegen eher an Bedeutung, da erst der 247 TULARÄMIE-PNEUMONIE Titeranstieg beweisend ist, was für die Therapieentscheidung natürlich wesentlich zu spät kommt. Abbildung 69: Pneumonie bei Tularämie Der Patient hatte ein wildes Kaninchen geschlachtet und sich dabei in die Hand geschnitten; in der Folge entwickelte sich Fieber, Husten und Kurzatmigkeit; diagnostisch zeigten sich vergrößerte axilläre Lymphknoten, und röntgenologisch stellten sich bilaterale Infiltrate der unteren Lungensegmente dar, die von exudativen Pleuraergüssen begleitet wurden. Differentialdiagnostisch müssen vor allem Rickettsiosen bedacht werden, da das Primärulkus bei einer Tularämie der Tache noire bei Rickettsiosen stark ähneln kann. Auch die septische Form ist durchaus ähnlich. 248 TULARÄMIE: THERAPIE Therapie In früheren Jahren galt Streptomycin als Standard in der Therapie der Tularämie. Allerdings wurden nach dieser Therapie oft Rückfälle beobachtet. Später wurden vermehrt Tetracyclin-Derivate angewandt, ab den frühen achtziger Jahren erkannte man die besonders gute Wirksamkeit von Aminoglykosiden, deren MHK-Werte um 1 mg/l liegen (MMWR 1983). Zumindest in Einzelfällen kann es auch nach Aminoglykosiden Rückfälle geben (Risi & Pombo 1995). In diesem Fall war ein Fluorchinolon (Ciprofloxacin oral über 28 Tage) schließlich kurativ. Größere systematische Therapiestudien existieren nicht, die größte publizierte Einzelserie enthielt neun Patienten, die mit Gentamicin erfolgreich behandelt wurden (Mason 1980). In vitro ist Francisella gegen einige Antibiotika gut empfindlich, die klinisch zu hundert Prozent versagt haben. Vor allem die Cephalosporine der dritten Generation wie Ceftriaxon, Moxalactam und Cefotaxim liefern in vitro gute MHK-Werte, sind aber wegen ihrer unzureichenden intrazellulären Konzentration klinisch unwirksam. Substanz Moxalactam Cefotaxim Ceftriaxon Streptomycin Gentamicin Tobramycin Chloramphenicol Rifampicin Erythromycin Tetracycline Ciprofloxacin Ofloxacin MHK50 MHK90 0,12 0,5 0,5 2 1 1 0,5 0,5 1 1 0,12 2 2 4 1 1 1 – 2 2 0,12 2 Tabelle 13: In vitro-Empfindlichkeit von Francisella (nach Enderlin 1994 bzw. Tärnvik 1996) 249 TULARÄMIE: PROPHYLAXE Prophylaxe Eine attenuierte Lebendimpfung ist in einigen Ländern (z.B. Tschechien) verfügbar bzw. wird entwickelt (USA). Im übrigen bleiben die üblichen Vorsichtsmaßnahmen vor Zeckenstichen bzw. die Vermeidung von Kontakten mit Hasenblut. 250 TULARÄMIE: LITERATUR Ausgewählte Literatur: Anonymus: Tularemic Pneumonia - Tennessee. MMWR 1983; 32: 262-264. (Internet: www.cdc.gov) Benlyazid A. et al.: Cervicofacial manifestations of tularemia: A propos of a familial case. Ann Otolaryngol Chir Cervicofacial 1997; 114: 80-83 Bernhard K. et al.: Early recognition of atypical Francisella tularensis strains lacking a cysteine requirement. J Clin Microbiol 1994; 32: 551-553. Burnett J.W.: Tularemia. Cutis 1994; 54: 77-78. Cerny Z.: Skin manifestations of Tularemia. Int J Dermatol 1994; 33: 468-470. Cross J.T., Jacobs R.F.: Tularemia: treatment failures with outpatient use of ceftriaxone. Clin Infect Dis 1993; 17: 976-980. Dahlstrand S. et al.: Airborne tularemia in Sweden. Scand J Infect Dis 1971; 3: 7-16. Enderlin G. et al.: Streptomycin and alternative agents for the treatment of tularemia: review of the literature. Clin Infect Dis 1994; 19: 42-47. Fortier A.H. et al.:Life and death of an intracellular pathogen: Francisella tularensis and the macrophage. Immunol Ser 1994; 5: 199-201. Gill V., Cunha B.A.: Tularemia pneumonia. 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In Europa hat man schon zahlreiche Krankheitserreger entdeckt, die von diesen Tieren übertragen werden können. Gut, von Viren wie dem FSME-Virus, von Rickettsien und Coxiella, von Ehrlichien und Borrelien haben wir schon gehört. Aber auch Protozoen haben diesen effektiven Vektor in die Dienste ihrer Verbreitung gestellt. Unter den Protozoen gibt es eine Gruppe, die wir heute Babesien nennen. Gelegentlich werden sie auch noch als Piroplasmen bezeichnet. Auch diese Erreger sind ein Beispiel dafür, daß die Veterinärmediziner uns wieder einmal um Jahrzehnte voraus waren. Babes (1888) beschrieb den Erreger als Verursacher einer verheerenden Viehseuche, die zuvor mehrere zehntausend Rinder getötet hatte*. Schon 1893 publizierte Theobald Smith mit seinem Kollegen F.L. Kilmore eine grundlegende Arbeit, in der er den Erreger des «Texas-Cattle-Fever», Babesia bigemina und die Rolle der Zecken bei der Übertragung der Krankheit beschrieb. Wieder einmal vergingen fast hundert Jahre, bis die Rolle ähnlicher Erreger für menschliche Erkrankungen offenbar wurde. Zwar gab es ganz vereinzelte Berichte über solche Erreger schon in den letzten Jahrzehnten, doch so richtig aufmerksam wurde die Welt, als im Osten der USA, wo auch die Borreliose wiederentdeckt worden war, eine ganze Anzahl von Erkrankungen durch Babesien bekannt wurden. Vor allem Nantucket Island wurde bald als Fokus erkannt, die Übertragung durch Zecken konnte gezeigt werden (Ruebush 1977 und 1980, Spielman 1985). Verursacher war hier die Art Babesia microti. * Einige glauben, daß bereits Pharao Ramses II., der in Exodus 9,3 über eine Viehseuche berichtete, eine erste Babesiose-Epidemie beschrieben hat (Internet: http://emergency.mgh.harvard.edu/case22). Wir haben da erhebliche Zweifel, denn das Rift-Valley-Fieber wäre hierfür wohl eine bessere Erklärung. 252 BABESIEN-ENTWICKLUNG Babesiose in Europa Der erste Fall einer europäischen Babesiose beim Menschen wurde 1956 in Jugoslawien beobachtet (Skrabalo 1957). Dies war ein splenektomierter Patient, der an der fulminant verlaufenden Infektion verstarb. Auch die weiteren in Europa publizierten Fälle (Fitzpatrick 1969, Bazin 1976, Rabinovich 1978, Skrabalo 1971 und andere), bei denen jeweils Babesia divergens gefunden wurde, traten ausschließlich bei Splenektomierten auf. Dies hat zur Annahme geführt, daß nur diese Patienten gefährdet sein könnten. Andererseits zeigen die über ganz Europa sporadisch registrierten Fälle, daß der Erreger in vielen Gebieten vorkommen muß. Serologische Studien an Seren von Borreliose-Patienten zeigen jedenfalls in vielen Ländern eine relativ konstante Rate von 1-3% gegen Babesiose reagierender Seren, ohne daß klinisch manifeste Erkrankungen gefunden wurden. Ring-Stadium (Trophozoit) Amöboide Form Injektion von Trophozoiten Lebenszyklus der Babesien im Säuger-Wirt Vektor (Zecke) Aufnahme infizierter Blutzellen Teilungs-Form Merozoiten (pyriform bodies) Merozoiten (cruciform bodies) Abbildung 70: Schema der Babesien-Entwicklung 253 BABESIOSE: KLINIK Übertragung der Babesiose Grundsätzlich wird die Babesiose primär von Zecken übertragen. Für die humanpathogenen Arten ist meist die Gattung Ixodes Überträger, Vektoren der tierpathogenen Babesien sind auch andere Zeckenarten wie Boophilus, Dermacentor und Rhipicephalus. Sekundäre Infektionen über Bluttransfusionen wurden nicht selten beobachtet und haben zu teils fulminanten Verläufen geführt. Dies kann deshalb zum Problem werden, weil mögliche Blutspender noch lange Zeit (Monate bis Jahre!) nach der klinischen Ausheilung der akuten Erkrankung parasitämisch sein können (Krause 1998). Klinik der Babesiose Berichte über klinisch manifeste Erkrankungen beziehen sich in der Regel in Europa auf B. divergens, in Amerika auf B. microti. Vereinzelt wurden aber auch andere Arten (z.B. B. equi) beim Menschen gefunden, so daß zu erwarten ist, daß bei genauerer Suche auch andere Arten den Menschen infizieren können. Die Pathogenität der Arten für den Menschen ist nicht ganz klar. Während man in früheren Jahren glaubte, daß die Babesiose nur bei Splenektomierten ein klinisch relevantes Krankheitsbild auslösen könne, wurden vor allem in den USA in den letzten Jahren vermehrt schwere Verläufe bei zuvor gesunden Personen beobachtet. Vor allem im Endemiegebiet von Nantucket Island wurden mehr als hundert derartige Erkrankungen registriert, wobei unklar ist, warum hier auch Gesunde erkranken, während in den meisten anderen Gebieten der USA nach wie vor die Splenektomie ein Hauptrisiko für eine klinisch manifeste Babesiose zu sein scheint (Spielman 1985). Die Babesiose beim Menschen ist eine der Malaria nicht ganz unähnliche Infektion. Nach einer Inkubationszeit von ein bis vier Wochen entwickelt sich ein systemisches Krankheitsbild mit Abgeschlagenheit und Gewichtsverlust, dann steigt das Fieber kontinuierlich an, Schüttelfrost tritt auf, gefolgt von generalisierten Muskel- und Gliederschmerzen sowie starken Kopfschmerzen. Die Milz ist oft vergrößert. Oft werden rezidivierende Schübe über Wochen beobachtet. Eine Haemoglobinurie tritt recht regelhaft auf, direkt pathognomonische Symptome existieren aber nicht. 254 BABESIEN-ARTEN Im Verlauf kommt es manchmal zu schweren Anämien, Ikterus und Nierenversagen (Ruebush 1980). Generell scheint der Verlauf meist selbstlimitierend und günstig zu sein, einzelne schwere Verläufe haben aber zum Tod der Patienten geführt, wobei manchmal Ko-Infektionen mit anderen Erregern wie Borrelia diskutiert wurden (Marcus 1985, Krause 1996). Letzterer fand bei 240 an Borreliose erkrankten Patienten immerhin in 11% Ko-Infektionen und kam zu dem Ergebnis, daß hierdurch schwerere klinische Verläufe bedingt wurden. Was sind Babesien? Babesien gehören wie die Erreger der Malaria zu den Protozoen. Sie sind obligat intrazellulär in Erythrozyten lebende, ca. 4 x 2 µm messende, meist birnenförmig imponierende Mikroorganismen. Alle Babesien teilen sich in Erythrozyten in charakteristischer Weise, wodurch schmetterlingsförmig angeordnete Doppel- oder Viererformationen sichtbar werden. Babesia ist nach Babes benannt, der 1888 erstmals den Erreger bei Rindern nachgewiesen hat. Zahlreiche Arten sind inzwischen beschrieben worden, die meisten sind nur bei Tieren als pathogen bekannt. Für menschliche Erkrankungen ist in Amerika in der Regel B. microti, in Europa B. divergens verantwortlich. Spezies Babesia microti Babesia divergens Babesia bigemina Babesia bovis Babesia equi Babesia caballi Babesia ovis Babesia canis Babesia gibsoni Babesia felis Babesia benetti infiziert werden u.a. Bemerkungen Menschen (USA), Nager Menschen (Europa) Kühe («Texas-Cattle-Fever») Kühe Pferde, vereinzelt Menschen Pferde, Schafe, Steinböcke etc. Hunde höher pathogen weniger pathogen höher pathogen weniger pathogen höher pathogen weniger pathogen Katzen Vögel hoch pathogen hoch pathogen ? ? Tabelle 14: Ausgewählte Babesien-Arten 255 BABESIEN-INFEKTIONEN BEI TIEREN Babesiose bei Tieren B. bigemina verursacht das bereits erwähnte «Texas-Cattle-Fever», eine schwer und hochfieberhaft verlaufende Erkrankung mit Anämie, Haematurie, Ikterus und Hepatosplenomegalie. Letale Verläufe sind nach früheren Berichten sehr häufig. Dem steht ein wenig entgegen, daß Sahibi (1998) bei marokkanischen Rindern Infektionsraten bis zu 40% gefunden hat, wobei sogar noch ein ähnlich hoher Prozentsatz mit B. bovis ko-infiziert war, ohne daß es zu größeren Serien von Todesfällen kam. Warum manche Ausbrüche mit einer hohen Letalität einhergehen und andere keine meßbar erhöhten Verluste verursachen, bleibt weiter unklar. B. bovis infiziert hauptsächlich Schafe, wurde aber auch in Mufflon- und Steinwild, zum Beispiel in den Pyrenäen gefunden. Yeruham (1998) beobachtete, daß Lämmer, die in der Winterzeit geboren wurden, meist von Larven der übertragenden Zeckenart Rhipicephalus bursa gestochen wurden. Sie entwickelten meist eine Serokonversion, erkrankten aber klinisch nur mild. Wenn die Primärinfektion durch adulte Zecken erfolgte, so war meist das Vollbild der fieberhaften Babesiose die Folge. Er vertritt nun die interessante Hypothese, daß die von einer geringen infektiösen Dosis des Erregers präimmunisierten Tiere bereits relativ geschützt in die Sommermonate gehen und deshalb die klinisch schwerere Form selten beobachtet wird. Yeruham meint daher, daß es günstig ist, wenn die Zeckenlarven in den Monaten Oktober bis Februar die Lämmer infizieren können. Dies könnte die oben diskutierte Diskrepanz im klinischen Verlauf bei Infektionen von Rindern aufklären helfen: In Gegenden wie Marokko, in denen die Prävalenz des Erregers und seiner Vektoren ständig so hoch ist, daß eine Immunisierung über Zeckenvorstadien regelhaft erfolgt, ist die gesamte Herde relativ geschützt. Wenn dagegen nichtimmune Rinderherden im Sommer in großen Trecks in Gegenden verbracht werden, wo der Erreger vorkommt, so ist mit regelhaft schweren Verläufen zu rechnen. B. canis infiziert vor allem Hunde und führt bei den befallenen Tieren nach hochfieberhafter Erkrankung mit Anämie und Ikterus in vielen Fällen innerhalb weniger Tage zum Tod. Die aus Asien bekannte B. gibsoni führt zwar zu protrahierteren Verläufen über einige Wochen bis Monate, aber auch diese Infektion ist letztendlich oft letal. 256 BABESIOSE: DIAGNOSTIK Babesia equi, von Laveran bereits 1901 beschrieben, ist eine für Pferde hochpathogene Art, während B. caballi für minder schwere Infektionen verantwortlich gemacht wird. In der tierärztlichen Allgemeinpraxis sind Babesien-Infektionen bei Katzen, die aus den Mittelmeerländern mitgebracht wurden, nicht selten. Meist wird hier nicht zu unterscheiden sein, ob B. felis oder B. divergens verantwortlich ist. Generell ist zu berücksichtigen, daß nur erfahrene Untersucher eine Artdiagnose aufgrund der Mikroskopie stellen können, da die einzelnen Arten so ähnlich sind, daß in der klinischen Praxis aus praktischen Gründen auf die genaue Differenzierung verzichtet werden muß. Die langandauernde Protozoämie bei klinisch bereits wieder genesenen Tieren stellt ein erhebliches seuchenhygienisches Problem dar: Kühe werden weltweit vermarktet, Pferde zu internationalen Wettbewerben über Kontinente verfrachtet. So kann es sehr leicht zur Einschleppung von Babesien in zuvor unbelastete Regionen kommen. Ein paar passende Zecken zur Weiterverbreitung finden sich schließlich allenthalben. Diagnostik Die klassische Form der Diagnose kann an Hand von Giemsa-gefärbten Blutausstrichen erfolgen. Die Babesien sind in den befallenen Erythrozyten sichtbar (siehe Abbildung 71). Da die Zahl der Erreger recht hoch ist, ist die Diagnose nicht sehr schwierig. Wiederum muß darauf hingewiesen werden, daß die maschinelle Auswertung des Blutbildes hier natürlich versagen muß! Eine Alternative ist die Anzucht im Hamster, mit der sich auch Infektionen nachweisen lassen, die wegen geringerer Erregerdichte im Nativausstrich unentdeckt geblieben wären. Daneben wurden serologische Verfahren etabliert (Krause 1994), die aber in Europa nur von wenigen Labors angeboten werden. 257 ➡ ➡ ➡ BABESIOSE: THERAPIE Abbildung 71: Blutausstrich mit Babesia divergens-infizierten Erythrozyten (➡) Therapie Wegen der geringen Fallzahlen waren systematische Untersuchungen bisher nicht möglich. Zunächst waren unter der Vorstellung, Protozoen-wirksame Therapieregime zu finden, die bekannten Antimalariamittel versucht worden. Wegen erkennbarer Unwirksamkeit wurden diese bald wieder aufgegeben. Schließlich wurde die Kombination von Clindamycin mit Chinin (CDC, MMWR 1983) etabliert, die zumindest zu einer signifikanten Reduktion der Erregerzahlen geführt hat. Neuere Untersuchungen zeigen jedoch, daß Chinin in vitro zumindest gegen B. divergens unwirksam ist (Brasseur 1998), so daß man den Therapieerfolg bestenfalls dem Clindamycin zuschreiben kann. Brasseur zeigte, daß in vitro als einziges Antimalariamittel das relativ neue Atovaquon wirksam ist, wodurch sich eine therapeutische Alternative abzeichnet. In der Veterinärmedizin wird mit gutem Erfolg zur Therapie bei Rindern Imidocarb eingesetzt. Dieses Mittel ist für die Behandlung von Menschen nicht zugelassen. 258 BABESIOSE: LITERATUR Als ultima ratio wurden bisweilen auch Austausch-Transfusionen versucht, die Gorenflot (1998) bei mehr als 50% infizierten Erythrozyten heute noch für indiziert hält. Wichtig erscheint der Hinweis, daß auch bei regelrechter Therapie der Erreger subklinisch über Monate bis Jahre persistieren kann, was vor allem Konsequenzen für die Verwendung von Blutprodukten haben sollte (Krause 1998). Eine Impfung wird in der Veterinärmedizin erprobt, die abschließende Beurteilung ist sicherlich erst in einigen Jahren möglich. Ausgewählte Literatur: Bazin C. et al.: Un nouveau case de babesiosis humaine. Nouv Presse Med 1976; 5: 799-800. Brasseur P. et al.: In vitro evaluation of drug susceptibilities of Babesia divergens isolates. Antimicrob Agents Chemother 1998; 42: 818-820. Centers for Disease Control: Clindamycine and quinine treatment for Babesia microti. MMWR 1983; 32: 65. Dammin G.J. et al.: The rising incidence of clinical Babesia microti infection. Hum Pathol 1981; 12: 398-400. Fitzpatrick J.E. et al.: Further details on third recorded case of redwater (babesiosis) in man. Br Med J 1969; 2: 70-772. Gorenflot A. et al.: Human babesiosis. Ann Trop Med Parasitol 1998; 92: 489-501. Healy G.R. et al.: Human babesiosis: reservoir on Nantucket island. Science 1976; 192: 479-480. Jacoby G.A. et al.: Treatment of transfusion-transmitted babesiosis by exchange transfusion. 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Ein Infektionserreger in sauberen Bächen in über 2000 Metern Höhe, fernab jeder Siedlung, unbeeinflußt von irgendwelchen Abwässern? Und doch, der Hinweis ist durchaus ernstgemeint. Der Grund ist recht verblüffend: Die sauberen Wiesen und Bäche sind Lebensraum einiger Säugetierarten, die als Reservoirwirte für Giardia dienen. Unter diesen spielt der Biber eine besondere Rolle. Mehrere Untersuchungen haben gezeigt, daß Biber persistent infiziert bleiben und ständig Giardia-Zysten mit ihren Fäkalien absondern (Wallis 1984, Monzingo & Hibler 1987). Ein weiteres wichtiges Reservoir sind Wühlmäuse (Pacha et al. 1987). Hinzu kommt: Gerade in dieser so natürlich und unberührt scheinenden Gegend der Rocky Mountains geben viele kleine Siedlungen ihre Abwässer noch unzureichend behandelt in die Bäche ab und kontaminieren sie so mit Giardia. Das allerdings ist keine Besonderheit der Rockies. Weltweit findet sich Giardia in vielen Gewässern, vor allem die Fließgewässer der Tropen sind praktisch flächendeckend verseucht. Dort warnen nur keine Schilder vor der Gefahr. Daß auch aufbereitetes Trinkwasser ein Problem sein kann, ist lange bekannt. In Berlin (New Hampshire!) kam es 1977 zu einem größeren Ausbruch mit mehr als 200 klinisch Erkrankten, von denen 13% hospitalisiert werden mußten. Bei der Suche nach der Infektionsursache fanden sich Leckagen, die eine Vermischung von Rohwasser mit aufbereitetem Trinkwasser ermöglicht hatten (Lopez 1980). 1986 wurde in Penticton (British Columbia) eine weitere Epidemie mit mehreren hundert Betroffenen beobachtet, wo nicht gefiltertes, aber chloriertes Trinkwasser in die öffentlichen Leitungen eingespeist worden war (Moorehead 1990). 261 GIARDIA-TROPHOZOIT Der Erreger Giardia lamblia, früher auch als Lamblia intestinalis bezeichnet, gehört zu den Protozoen. Am Ende ihres Entwicklungszyklus stehen Zysten, die recht umweltresistent sind. Die Zysten werden mit dem Stuhl infizierter Menschen ausgeschieden und sorgen über den fäkal-oralen Weg (kontaminierte Nahrungsmittel, Wasser) für die Weiterverbreitung. Nach der oralen Aufnahme werden, nach Kontakt mit Magensäure, aus jeder Zyste zwei Trophozoiten (Abbildung 72) gebildet. Diese sind birnenförmig, 10-30 µm lang und tragen am breiteren Vorderende einen Saugnapf-artigen Haftmechanismus, mit dem sie sich an die Darmepithelien anheften können. Am Hinterende besitzen sie Geißeln, die ihre Mobilität ermöglichen. Giardia kommt weltweit vor. Abbildung 72: Giardia-Trophozoit 262 GIARDIA-ZYSTENFORM Abbildung 73: Zystenform von Giardia lamblia Frühere Annahmen, daß das Haupt-Reservoir der Mensch sei, müssen wohl revidiert werden, da tierische Wirte wohl eine wesentlich größere Rolle spielen (Olson et al. 1997, Ruest et al. 1998). Ruest fand in einer Stichprobe bei 45% der untersuchten Kälber von mehr als 500 Farmen in der Region Quebec eine GiardiaInfektion, fast 90% waren mit Cryptosporidium (siehe Kapitel 11.4) infiziert! So nimmt es nicht wunder, daß auch in Trinkwasserproben Giardia öfter gefunden wird (Wallis 1996). Zur Entdeckungsgeschichte schreibt Andersch-Borcherdt (1998): „Giardia (Lamblia) intestinalis ist medizingeschichtlich der erste Mikroorganismus, der als ein Krankheitserreger angesehen wurde, und zwar als potentieller Erreger von Diarrhoe. Anthony van Leeuwenhoek (1632-1723) beschreibt nach Auffassung Dobell’s (1920) erstmals in einem Brief vom 4. November 1681 Trophozoiten von Giardia lamblia in einer eigenen Stuhlprobe. Anfang diesen Jahrhunderts wird die Entdeckung des Erregers auf das Jahr 1859 datiert und einem Tschechen, Vilem Lambl (18241895), zugesprochen. Blanchard gibt dem Trophozoiten nach verschiedenen Namensänderungen seit 1888 den Gattungsnamen Lamblia. Lambl beschreibt den Sitz des Flagellaten im Dünndarm des Menschen. Die zystische Form des Parasiten wird erstmals 1879 von Grassi beobachtet, der sie zunächst für Kokzidien hält und sie später (1881, 1888) der Flagellatenform des Mikroorganismus zuordnet.“ 263 GIARDIASIS Klinik Giardia besiedelt hauptsächlich den oberen Dünndarm. Nur ein Teil der Infizierten erkrankt. Wenn es nach einer Inkubationszeit von 3-20 Tagen zur klinisch faßbaren Erkrankung kommt, imponiert diese als Diarrhoe mit oder ohne Abdominalkrämpfe. Die Durchfälle bestehen meist über mehr als eine Woche. Ein Malabsorptionssyndrom kann nach längerem Befall auftreten. Komplikationen in Form von Mitbeteiligung der Gallenwege (Cholangitis) oder des Pankreas (Pankreatitis) kommen vor. Selten wird eine reaktive Arthritis beobachtet (Letts 1998). Die unterschiedliche Dauer und der wechselnde Schweregrad der Infektion haben immer wieder die Suche nach möglichen immunologischen Erklärungen veranlaßt, ohne daß bisher eine befriedigende Erklärung gefunden worden wäre (Granot 1998). Diagnostik Nachweis von Trophozoiten oder Zysten im frischem Stuhl, alternativ Nachweis von Trophozoiten im Duodenalaspirat. Der Nachweis von Giardia-Antigen im Stuhl ist mit Hilfe des ELISA-Verfahrens möglich (Janitschke et al. 1998). Therapie Standard sind orale Nitroimidazole wie Metronidazol oder Tinidazol. Übliche Dosierung ist 2-3 mal 400 mg Metronidazol über 2-4 Tage. Andere Imidazole und Azithromycin haben keinen wesentlichen Effekt (Katelaris 1994). Präventive Maßnahmen Die Prävention steht und fällt neben der Bereitstellung ausreichender Sanitäranlagen mit der Vermeidung der Kontamination von Nahrungsmitteln und Wasser mit Giardia aus tierischen Quellen. Bei der Trinkwasseraufbereitung sind Filtrations- und Flockungsverfahren von elementarer Bedeutung. Die Chlorung des Trinkwassers hat dagegen keinen Effekt, da die Giardia-Zysten gegenüber den hier verwendeten Konzentrationen vollkommen resistent sind. 264 GIARDIASIS: LITERATUR Ausgewählte Literatur: Andersch-Borchert I.: Giardia lamblia. In: Darai et al. (Hrsg): Lexikon der Infektionskrankheiten des Menschen. Springer, Heidelberg – Berlin – New York 1997. Gillin F.D. et al.: Cell bioiogy of the primitive eukaryote Giardia lamblia. Ann Rev Microbiol 1996; 50: 679-705. Granot E. et al.: Immunologic response to infection with Giardia lamblia in children: effect of differential clinical settings. J Trop Pediatr 1998; 44: 241 -246. Janitschke K., Kimmig P., Seitz H.M., Frosch M. et al.: MIQ 4-Parasitosen. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart – New York 1998. 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So wird er auf seinem Anforderungsschein an das Labor die Suche nach Salmonellen, Yersinien und Campylobacter in Auftrag geben. Eventuell wird noch gezielt nach enteropathogenen Colibakterien oder nach Amöben, bei Säuglingen nach Rotaviren gefahndet. All dies haben auch amerikanische und kanadische Ärzte getan, als im Sommer 1996 wieder einmal kleinere Epidemien von Durchfallerkrankungen in zahlreichen Städten Amerikas beobachtet wurden. Keiner der Tests zeigte ein richtungsweisendes Ergebnis. Dies veranlaßte Laborärzte, auch direkte Stuhlausstriche zu färben und genauer zu untersuchen. Sie fanden einen Organismus, der zunächst nicht zugeordnet werden konnte. Durch Vergleiche mit Referenzstämmen wurde bald klar, daß man etwas gefunden hatte, was man nicht für möglich gehalten hätte: Ein Protozoon namens Cyclospora cayetanensis. Nun wurden auch Vergleiche mit den Erkrankungen an anderen Orten angestellt, und auch hier fand sich der gleiche, exotische Organismus. Über 1400 Fälle wurden so in wenigen Monaten gesammelt, und die Suche nach der Infektionsquelle begann. Experten befragten die Erkrankten nach ihren Ernährungsgewohnheiten, andere zogen Proben aus allen möglichen Nahrungsmitteln. Zunächst waren alle Bemühungen frustran, bis man schließlich einen wahrhaftig «roten Faden» entdeckte: Viele der Betroffenen erinnerten sich, frische Himbeeren in der einen oder anderen Zubereitung gegessen zu haben. Die Nachforschungen wurden auf Lebensmittelmärkte und Importeure ausgedehnt, und man fand schließlich, daß die inkriminierten Himbeeren aus Guatemala importiert worden waren. Weitere Spezialisten wurden entsandt, doch bei den Erzeugern im Ursprungsland wurde keine Spur des Keimes gefunden. Im Spätsommer riß die Infektionskette ab, und bis heute gibt es keine schlüssige Erklärung, wie dieses Protozoon seinen Weg auf die Himbeeren und zu den Verbrauchern gefunden hat. Diskutiert wird ein Besprühen der Beerensträucher mit Wasser aus verseuchten Zisternen (Colley 1996, Herwald 1997, Relman 1998). 266 CYCLOSPORIDIOSE Auch diese Epidemie wirft ein Schlaglicht auf die Risiken des modernen, weltweiten Handels mit Nahrungsmitteln. Wieder gelang es einer Mikrobe, aus ihrem Ghetto zu entkommen und an vielen Orten gleichzeitig Erkrankungen auszulösen. Mikrobiologie Cyclospora ist ein sporenbildendes Protozoon, das sich nur im Menschen vollständig entwickelt. Lange Zeit war die taxonomische Einordnung des Erregers unklar. Zunächst hatte man ihn für ein Cyanobakterium gehalten, erst 1993 wurde die Zuordnung geklärt (Ortega 1993). Retrospektiv glaubt man, daß bereits im Jahre 1977 die erste Erkrankung beim Menschen beschrieben wurde (Ashford 1979). Mit dem Stuhl Erkrankter werden Dauerstadien, die sogenannten Oozysten, in großen Mengen ausgeschieden. Sie erlangen jedoch erst nach einer Weiterentwicklung, der sogenannten Sporogonie, Infektiösität; dieser Prozeß läuft in wenigen Tagen im Freien ab und führt zur Bildung von Sporozysten, von denen jede wiederum zwei Sporozoiten enthält. Oozysten und Sporozysten weisen eine erhebliche Umweltresistenz auf und lassen sich durch die übliche Trinkwasser-Chlorierung nicht abtöten. Epidemiologie Cyclospora ist weltweit verbreitet. Besonders hohe Prävalenzen wurden bei Kindern in Peru, Nepal und Südostasien gefunden. Auffallend war in diesen Ländern, daß Kinder im Alter von 2-4 Jahren am häufigsten erkrankten, wohingegen ältere Kinder und Erwachsene kaum von der Infektion betroffen waren. Man erklärt sich dies durch eine gewisse Immunität, die durch eine Infektion in früher Kindheit hinterlassen wurde (Madico 1997, Relman 1998). Klinik Etwa ein Drittel der Infektionen verlaufen klinisch symptomatisch. Nach grippeartiger Allgemeinsymptomatik entwickeln sich profuse, wäßrige Durchfälle. Häufig sind Darmkrämpfe, Erbrechen und Appetitlosigkeit, Fieber ist eher selten. Un- 267 CYCLOSPORIDIOSE: SYMPTOMATIK UND THERAPIE behandelt dauert die Erkrankung oft mehrere Wochen, Rückfälle sind nicht selten. Nach bisheriger Kenntnis erkranken Kinder schwerer. Besonders aggressive Krankheitsverläufe wurden bei Patienten mit HIV-Infektion beobachtet. Symptom Häufigkeit in % Durchfälle 100 Gewichtsverlust 90 Abgeschlagenheit 90 Abdominalschmerzen 75 Erbrechen 25 Tabelle 15: Symptomatik der Cyclosporidiose (nach Relman 1998) Therapie Lediglich die Kombination Trimethoprim/Sulfmethoxazol ist kausal wirksam (Hoge 1995), andere Antibiotika helfen nach bisheriger Kenntnis nicht. Neben der gezielten Antibiose sind supportive Maßnahmen wie bei allen Durchfallerkrankungen hilfreich. Ausgewählte Literatur: Ashford R.W.: Occurence of an undescribed coccidian in man in Papua New Guinea. Ann Trop Med Parasitol 1979; 73: 497-500. Colley D.G.: Widespread foodborne cyclosporiasis outbreaks present major challenges. Emerging Infect Dis 1996; 2 (4); (Internet: www.cdc.gov/ncidod/EID). Herwaldt B., Ackers M.L.: An outbreak in 1996 of cyclosporiasis associated with imported raspberries. New Engl J Med 1997; 336: 1548-1556. Hoge C.W. et al.: Placebo-controlled trial of cotrimoxazole for Cyclospora infections among travellers and foreign residents in Nepal. Lancet 1995; 345: 691-693. Madico G. et al.: Epidemiology and treatement of Cyclospora cayetanensis infection in Peruvian children. Clin Infect Dis 1997; 24: 977-981. Ortega Y.R. et al.: Cyclospora species – a new protozoan pathogen in humans. N Engl J Med 1993; 328: 1308-1312. Relman D.A.: Cyclospora: whence and where to? In: Scheld W.M. et al.: Emerging Infections 2, pp. 185194. ASM Press, Washington DC 1998. 268 CRYPTOSPORIDIOSE 11.4 EIN ZENTRALES PROBLEM FÜR DIE WASSERVERSORGUNG IN AMERIKA DIE CRYTOSPORIDIOSE Dieter Hassler I n dieselbe Gruppe von Protozoen wie Cyclospora gehört ein weiterer Erreger, der in den letzten Jahren Aufmerksamkeit erlangt hat: Cryptosporidium parvum ist zum drängenden Problem für die Wasserversorgung der Vereinigten Staaten geworden. Dieser Erreger ist ein extremes seuchenhygienisches Problem, da er so klein ist, daß übliche Filter in den Wasseraufbereitungsanlagen ihn nicht entfernen können. Ähnlich wie bei Cyclospora verhindert auch eine Chlorung des Wassers eine Verbreitung des Keimes nicht, da die Oozysten nicht abgetötet werden. Auch Ozon und UV-Bestrahlung des Wassers sind nur mäßig effektiv. Abbildung 74: REM-Aufnahme von Cryptosporidium in der Dünndarm-Mukosa 269 CRYPTOSPORIDIUM Vor allem HIV-Infizierte leiden sehr häufig unter der Cryptosporidiose, die für schwere und anhaltende, letztlich oft sogar letale Diarrhoen verantwortlich ist. Aber auch Gesunde können erkranken, mehrere Ausbrüche wurden beschrieben, bei denen zuvor völlig gesunde, immunkompetente Personen anhaltend infiziert wurden. Besonders problematisch ist dabei, daß kausale Therapien bisher nicht existieren. Abbildung 75: Oozysten von Cryptosporidium Der größte dokumentierte Ausbruch wurde 1993 in Milwaukee registriert. Zunächst dachte man an eine virale Gastroenteritis, bis man den Erreger dingfest machen konnte. Mehr als 400000 Erkrankungen wurden registriert, insgesamt also die Hälfte der an die zentrale Wasserversorgung der Stadt angeschlossenen Personen (Mackenzie 1994). Dieser Ausbruch zeigte, daß Cryptosporidium extrem kontagiös ist. Weitere Ausbrüche konnten mit öffentlichen Schwimmbädern, ja sogar mit dem Genuß von frischgepreßtem Apfelsaft assoziiert werden (Millard 1995). Da hat wohl jemand die Ausbeute des Apfelsaftes durch Zusatz von Wasser aus dem firmeneigenen Brunnen verbessert! Die Häufigkeit der Erkrankung nimmt rasant zu. Bis 1984 waren nur 58 klinische Fälle bekannt (Navin 1984), obwohl der Erreger schon 1907 beschrieben wurde 270 CRYPTOSPORIDIOSE (Tyzzer1907) und in der Veterinärmedizin bestens und als ubiquitär vorkommend bekannt war. Mit dem Auftreten von AIDS änderte sich dies, Cryptosporidium mauserte sich zur massiven Bedrohung. In einigen Studien wurde er bei bis zu 25% der HIV-Patienten gefunden. Es ist nicht ganz klar, ob die neuerdings bekannt gewordenen Erkrankungen von Gesunden auf eine Änderung der Pathogenität zurückzuführen sind oder lediglich das Ergebnis verbesserter Diagnostik repräsentieren. Vielleicht zeigte der Ausbruch in Milwaukee auch nur deshalb derart verheerende Ausmaße, weil keiner der Erkrankten zuvor mit dem Erreger in Berührung gekommen war. In vielen Ländern gehört die Cryptosporidiose nämlich zum Alltagsgeschehen. In Brasilien weisen fast 80% der Zehnjährigen Antikörper gegen Cryptosporidien auf, in China sind die Kinder nach einem einzigen Jahr zu hundert Prozent infiziert (Guerrant 1997). Wahrscheinlicher ist jedoch, daß Unterschiede in der Trinkwasseraufbereitung zwischen Amerika und Europa eine zentrale Rolle spielen. Während Amerika auf die Desinfektion (Chlorung) als einzige Maßnahme setzt, ist in Europa Flockung und Filtration Standard in der Trinkwasseraufbereitung. Viele Experten glauben, daß dies der Grund ist, weshalb wir in Europa noch keine gravierenden Probleme mit Giardia und Cryptosporidien hatten. 271 CRYPTOSPORIDIOSE: LITERATUR Ausgewählte Literatur: Ashford R.W.: Occurence of an undescribed coccidian in man in Papua New Guinea. Ann Trop Med Parasitol 1979; 73: 497-500. Colley D.G.: Widespread foodborne cyclosporiasis outbreaks present major challenges. Emerging Infect Dis 1996; 2 (4); (Internet: www.cdc.gov/ncidod/ElD). Guerrant R.L.: Cryptosporidiosis: an emerging, highly infectious threat. Emerging Infect Dis 1997; 3(1); (Internet: www.cdc.gov/ncidod/EID). Herwaldt B., Ackers M.L.: An outbreak in 1996 of cyclosporiasis associated with imported raspberries. New Engl J Med 1997; 336: 1548-1556. Hoge C.W. et al.: Placebo-controlled trial of co-trimoxazole for Cyclospora infections among travellers and foreign residents in Nepal. Lancet 1995; 345: 691-693. MacKenzie W.R. et al.: A massive outbreak in Milwaukee of Cryptosporidium infection transmitted through the public water supply. N Engl J Med 1994; 331: 161-167. Madico G. et al.: Epidemiology and treatment of Cyclospora cayetanensis infection in Peruvian children. Clin Infect Dis 1997; 24: 977-981. McAnulty J.M. et al.: A community-wide outbreak of cryptosporidiosis associated with swimming at a wave pool. JAMA 1994; 272: 1597-1600. Millard P.S. et al.: An outbreak of cryptosporidiosis from fresh-pressed apple cider. JAMA 1994; 272: 1592-1596. Navin T.R. et al.: Cryptosporidiosis: clinical, epidemiologic, and parasitologic review. Rev Inf Dis 1984; 6: 313-327. Ortega Y.R. et al.: Cyclospora species – a new protozoan pathogen in humans. N Engl J Med 1993; 328: 1308-1312. Ortega Y.R. et al.: Isolation of Cryptosporidium parvum and Cyclospora cayetanensis from vegetables collected in markets of an endemic region in Peru. Am J Trop Med Hyg 1997; 57: 683-686. Relman D.A.: Cyclospora: Whence and where to? In: Schweld W.M. et al.: Emerging Infectious Diseases 2; pp. 185-194. ASM Press, Washington D.C. 1998. Sears C.L. et al.: Cryptosporidiosis: the complexity of intestinal pathophysiology. Gastroenterology 1994; 106: 252-254. Steiner T.S. et al.: Protozoal agents: what are the dangers for the public water supply. Ann Rev Med 1996; 48: 329-340. Tyzzer E.E.A.: Sporozoan found in the peptic glands of the common mouse. Proc Soc Exp Biol Med 1907; 5: 12-13. 272 PFIESTERIA PISCICIDA 11.5 «THE CELL FROM HELL» – ODER DINOFLAGELLATEN SPIELEN KRIEG: PFIESTERIA PISCICIDA Michael Hassler Das vorliegende Handbuch handelt mit Ausnahme dieses Kapitels von infektiösen Bakterien, Viren oder Protozoen. Da gibt es aber einen Mikroorganismus, der zwar selbst nicht infektiös ist, aber eines der gefährlichsten bekannten Gifte absondert und so durchaus für eine neuartige Art von Erkrankungen verantwortlich ist. Nicht nur Fischsterben treten in seinem «Wirkungsfeld» auf – betroffen sind Fischer, Angler, Boots- und Wasserskifahrer oder sogar harmlose Spaziergänger am Ufer dicht besiedelter Flüsse und Küsten. Die Vergifteten leiden oft noch Jahre und wiederkehrend an gruseligen Symptomen – nicht nur Hautläsionen und Geschwüre, sondern Verlust des Kurzzeitgedächtnisses, Intelligenzminderung, Konzentrationsstörungen bis hin zur völligen Arbeitsunfähigkeit. Panik allenthalben? Mitnichten. Stattdessen versucht eine Allianz aus Behörden, staatlichen Wissenschaftlern und Politikern jahrelang das Problem einfach zu ignorieren – ja sie verfolgen sogar die «Nestbeschmutzer», die auf das Problem hinweisen, und schneiden sie von allen Fördergeldern und sonstiger Unterstützung ab. Durch die schlechten Nachrichten könnte ja die Tourismus-lndustrie des Staates leiden, und außerdem sei es eine perfide, nicht haltbare Theorie, daß die unzureichenden Kläranlagen und die direkte Einleitung von Schweinescheiße aus den diversen Zuchtfarmen hinter der Küste die Vermehrung des mysteriösen Mikrokillers begünstigen würden. Szenario eines unglaubwürdigen Hollywood-Horrorfilms a la «Outbreak»? Nein, Realität. Der Organismus trägt den treffenden Namen Pfiesteria piscicida – «Pfiesters Fischkiller» und lebt an den Küsten der östlichen USA von Maryland bis South Carolina – vielleicht auch darüber hinaus. Die Geschichte um ihn ist so ungewöhnlich, daß sie nur aufgeschrieben werden mußte, um einen Bestseller daraus zu machen: And the waters turned to blood (Barker 1997). Trotzdem stellt sich die berechtigte Frage, was ein Kapitel über im Meer lebende Einzeller des Planktons, auch wenn sie toxisch sind, in diesem Zusammenhang zu 273 PARALLELEN ZU «ECHTEN» INFEKTIONEN suchen hat. Bei näherer Betrachtung wird aber klar, daß Pfiesteria mindestens genauso gefährlich wie die anderen «neuen» Infektionen dieses Buchs ist, und wir sehen eine überraschend große Übereinstimmung zwischen den jeweiligen Entdeckungs- und «Epidemie»-Geschichten: ➤ zunächst treten mysteriöse, neuartige toxische Effekte auf (in diesem Fall zunächst bei Fischen, erst viel später bei Menschen) ➤ das eigentliche Agens wird sehr verzögert entdeckt, oft nur durch Zufall ➤ Schädigungen bei Menschen werden zunächst ignoriert ➤ es folgt eine lange «Latenzphase», in der die Behörden und die Zuständigen versuchen, das Problem zu ignorieren, auszusitzen oder sogar aktiv zu unterdrücken ➤ echte Akzeptanz kommt erst durch persönliche Betroffenheit, in diesem Fall: Der Gouverneur von Maryland ➤ …am Schluß wußten es alle. Auch sonst treffen wir Parallelen zu «echten» Infektionen: ➤ Pfiesteria war schon lange in der freien Natur vorhanden, wurde aber vermutlich erst durch menschlich verursachte Änderungen der Ökosysteme gefährlich: In diesem Fall Eutrophierung, vielleicht auch Überwärmung der Küstengewässer ➤ «subletale» Infektionen mit diffusen Symptomen werden gerne ignoriert oder unterschätzt ➤ Verschwörungstheorien ähnlich wie bei AIDS (künstliche Erzeugung des Organismus durch Gentechnik, Kriegslabors, «man-made organism») gab es auch in vielfältiger Form bei Pfiesteria ➤ es gibt keine Gegenmittel, außer der extrem aufwendigen Sanierung der Ökosysteme und Biotope; außerdem weiß kein Mensch, ob man Pfiesteria dann auch wieder «los wird» bzw. ob diese wieder auf frühere Levels zurückgeht; da es sich um ein Toxin handelt, gibt es keine Impfstoffe; Gegenmittel sind derzeit kaum denkbar; Nervenschädigungen werden vermutlich von kleinsten Mengen hervorgerufen; außerdem ist derzeit noch nicht einmal die Struktur des Toxins bekannt. 274 EINE FRAU GEGEN DEN STAAT Die Entdeckungsgeschichte von Pfiesteria piscicida Ignoranz, Leugnen und Borniertheit oder: Eine Frau gegen den Staat Rodney Barker’s Buch «And the waters turned to blood» nimmt sicherlich eine Ausnahmestellung in der wissenschaftlichen Fachpresse ein. Es handelt nicht vom Ebolavirus wie in «Outbreak», sondern nur von der Entdeckungsgeschichte eines – für Menschen bisher nicht tödlichen – Dinoflagellaten, der gelegentlich Fischsterben auslöst. Trotzdem hatte das Buch einen durchschlagenden Erfolg und führte nicht zuletzt dazu, daß das Problem überhaupt erst durch die Politiker und die Bevölkerung ernstgenommen wurde. Welche wissenschaftliche Entdeckungsgeschichte ist nun so spannend, daß ein Thriller mit reißerischem Namen darüber geschrieben wurde? Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre häuften sich mysteriöse Fischsterben an der Ostküste der USA, vor allem in den flachen Ästuaren von North bzw. South Carolina. Doch niemand hätte sich damals vorstellen können, sie mit einem toxischen Dinoflagellaten in Verbindung zu bringen. Dessen Entdeckung war ein reiner Zufall, aber durchaus kausal mit den Fischsterben verknüpft. Involviert war zunächst Dr. Edward Noga, der an der North Carolina State University Untersuchungen über Fischkrankheiten durchführte. Eines Tages begannen seine Fische in den meisten Aquarien durch eine mysteriöse Krankheit zu sterben, die nicht mit irgendwelchen Schwankungen der üblichen Parameter des Wassers zu erklären war, aber mit einer «Trübheit» des Wassers verbunden war. Noga und seine Assistenten konnten relativ schnell zeigen, daß ein Dinoflagellat verantwortlich war, der offensichtlich ein Gift in das Wasser absonderte. Die endgültige Identifikation und genauere Untersuchung wurde kurz darauf durch Dr. Jo-Ann Burkholder durchgeführt, eine Limnologie-Professorin derselben Universität. Erst später entspann sich ein lang anhaltender Streit über die Priorität der Entdeckung. Dr. Burkholder war jedenfalls der erste Wissenschaftler, der eine Verbindung zwischen den Fischsterben an der Küste und Pfiesteria herstellte. Die entscheidende Publikation erschien schließlich am 30. Juli 1992 in Nature: «New «phantom» dinoflagellate is the causative agent of major estuarine fish kills» – und wurde von großem Presse-Echo begleitet. 275 JO-ANN BURKHOLDER Bis dahin war die Entdeckungsgeschichte von Pfiesteria zwar spektakulär, aber nicht außergewöhnlich. In den Folgemonaten entwickelten aber mehrere beteiligte Wissenschaftler ungewöhnliche und besorgniserregende Symptome: Nicht nur Hautläsionen, sondern insbesondere Nerven- und Kurzzeitgedächtnisstörungen bis hin zur Arbeitsunfähigkeit. Die Vorstellung, daß ein marines Toxin aerosolisiert werden könne, war so außergewöhnlich, daß zunächst niemand auf den Gedanken kam, hier eine Verbindung herzustellen, zumal die Begleitsymptome untypisch für die bisher bekannten Dinoflagellaten-Gifte waren. Die Limnologen waren nicht daran gewohnt, unter «Biohazard»-Bedingungen hoher Stufe zu arbeiten und mußten die notwendige Ausrüstung erst improvisieren. Gleichzeitig wurde immer klarer, daß die Massenvermehrungen von Pfiesteria direkt mit der zunehmenden Eutrophierung der Küstengewässer zusammenhingen. Einige Stadien von Pfiesteria leben wie andere Dinoflagellaten auch von Plankton und anderen organischen Kleinstbestandteilen im Wasser. Die Brackwasser und Ästuare der östlichen USA waren Anfang der 90er Jahre stark verschmutzt. In den Carolinas trug dazu vor allem die zunehmende Schweinezucht in den Küstenebenen bei. Die Abwässer der Schweinezucht wurden – und werden – nicht systematisch geklärt, sondern in großen Becken aufgefangen. Immer wieder einmal bricht solch ein Becken und verursacht eine massive Gewässerverschmutzung, gefolgt von großen Fischsterben. Dr. Burkholder begab sich nun auf einen veritablen Kreuzzug und warnte überall vor den Gesundheitsgefahren, die auch für die Menschen in und am Wasser – Angler, Fischer, Kanuten oder sogar einfache Spaziergänger am Ufer – bestünden. Beispiele ließen nicht lange auf sich warten. Vor allem bei Fischern und Anglern konnten in den Folgejahren zahlreiche, früher mysteriöse und langanhaltende Gesundheitsschäden als typisch für Pfiesteria eingeordnet werden. Die staatlichen Gesundheitsämter, insbesondere dasjenige von North Carolina, leugneten die Gefahr dennoch hartnäckig und versuchten stattdessen, Dr. Burkholder zu diffamieren. Als Gründe für die verschiedenen Fischsterben wurde fast immer «niedriger Sauerstoffgehalt» angegeben. Die Behörden wurden angewiesen, nur die eigenen, von Beamten erhobenen Daten zu akzeptieren – Pfiesteria als Ursache eines Fischsterbens war nicht amtlich anerkannt! Die Gründe für das Verhalten des Staates sind einsichtig: Es gab nicht nur keine griffigen Konzepte zur Verbesserung der Wasserqualität – weil extrem teuer –, sondern die wirtschaftliche Abhängigkeit der Menschen in Küstennähe vom Wasser 276 ENTWICKLUNGSSTADIEN VON PFIESTERIA ist in diesen Regionen der USA sehr hoch. Ein Befahrungsverbot der Gewässer oder gar ein Fischereiverbot hätte katastrophale Auswirkungen auf die Ökonomie, ganz zu schweigen von der Vorstellung, daß die Uferpromenaden von Städten wegen der Gesundheitsgefahr für Spaziergänger gesperrt werden müßten – im übrigen ist diese Gefahr auch heute noch konkret gegeben! Das Dilemma wurde noch verschärft durch die Tatsache, daß Natur- und Umweltschutzaspekte in den USA sowieso keine große Lobby haben und der Mythos von den sauberen Küstengewässern lange Jahre hochgehalten worden war. Daß die Behörden jetzt gezwungen waren, ein dramatisches Verschmutzungsproblem einzugestehen, war hochgradig peinlich. Pfiesteria illustriert außerdem ein typisches «Umweltproblem» der USA: Sobald keine Menschen selber betroffen sind, herrscht relative Ignoranz – aber Gesundheitsschäden der Bevölkerung lösen sofort hektische Betriebsamkeit aus, nicht zuletzt durch die Drohung, daß Rechtsanwälte und gigantische Schadenersatzforderungen involviert werden könnten. Abbildung 76: Zwei unterschiedliche Stadien in der Entwicklung von Pfiesteria piscicida 277 AND THE WATERS TURNED TO BLOOD Um 1995 sah es eher so aus, als ob die bürokratischen Kräfte dominieren würden. Pfiesteria war keine Neuigkeit mehr und verschwand zunehmend wieder aus den Schlagzeilen. Die Behörden weigerten sich hartnäckig, Gesundheitsschäden bei Fischern und Anglern Pfiesteria zuzuschreiben. Ein größeres Forschungsstipendium wurde Dr. Burkholder entzogen, stattdessen wurde durch mehrere staatliche Stellen erst einmal ein umständliches Forschungsprogramm initiiert, das auf Jahre angelegt und eindeutig als Verzögerungstaktik gedacht war. Die Schweinezüchter-Lobby lief Sturm gegen jedwede Verknüpfung von übermäßiger und ungesicherter Schweinezucht mit ungeklärten Abwässern und den Fischsterben an der nahen Küste, außerdem wurde der Dekan der North Carolina State University offen aufgefordert, Dr. Burkholder zu entlassen. In der Zwischenzeit wurden die Fischsterben ständig größer und häufiger, außerdem dehnte sich der Wirkungsradius von Pfiesteria nachweislich aus. Erst als die Dinoflagellaten die Fische eines leibhaftigen Gouverneurs «harpunierten», trat eine plötzliche Wende ein.1997 hatte Pfiesteria seinen «Wirkungsradius» auf Maryland ausgedehnt, und auch dort gab es sofort die altbekannten Probleme bei Fischern und Anglern. Gouverneur Parris Glendening fing beim Angeln mit seinem Sohn zwei Fische mit großen Läsionen und war schockiert. Bereits am nächsten Tag wurde das Pfiesteria-Problem in Maryland zur staatsweiten Krise erklärt. Auch die Gesundheitsschäden bei Menschen waren so schwer wie nie zuvor: Ein Wasserskifahrer wurde mit Hautausschlag und schweren Nerven- und Gedächtnisstörungen stationär eingeliefert. Am nächsten Tag fand man mehr als zehntausend tote Fische in der Pocomoke Bay. Eine Untersuchung bei Fischern ergab, daß zehn von elf überprüften Personen an merklichen bis schweren neurokognitiven Störungen litten. Erst dann begannen auch die Offiziellen in North Carolina langsam zuzugeben, daß es hier ein Problem gäbe. Das Erscheinen des Sensationsberichtes «And the waters turned to blood» (1997) trug seinen Teil zum Erkennen des wahren Problemumfangs bei. Hearings auf nationaler Ebene, z.B. im US-Kongreß, folgten. 278 DINOFLAGELLATEN Dinoflagellaten Verwandlungskünstler und Weltmeister in der Chemiesynthese Dinoflagellaten sind eine lange vernachlässigte Gruppe außerordentlich faszinierender Mikroorganismen, die oft als «Grenzgänger zwischen Pflanze und Tier» bezeichnet werden. Ihre Formenvielfalt ist derart bizarr und die besetzten Ökonischen sind so vielfältig, daß vor dem Zeitalter der PCR zahlreiche Gruppen, z.B. die intrazellulär lebenden «Zooxanthellen», überhaupt nicht als Dinoflagellaten erkannt wurden. Die rund 2000 beschriebenen Taxa dürften nur einen Bruchteil der tatsächlich existierenden Arten darstellen (Taylor 1987). Die meisten davon leben als weit verbreitete, oft kosmopolitische Formen in tropischen Ozeanen, es gibt aber auch Süß-, Brack- und Kaltwasser-Formen. Giftige und selbstleuchtende Dinoflagellaten sind praktisch ausschließlich Meeresformen. Dinoflagellaten – «Panzergeißler» – erhielten ihren Namen von den oft bizarren und charakteristischen Exoskeletten sowie von ihren Geißeln (Flagellen), mit denen sie sich ähnlich wie manche Bakterien durch das flüssige Medium vorwärtsbewegen können. Vielfältige Schutzstrukturen (Platten, Nadeln, Dornen) sind häufig zu finden. Die Mehrheit der Dinoflagellaten besitzt photosynthetische Fähigkeiten, die aber meist nicht zur ausschließlichen Ernährung ausreichen, und steht daher Algen nahe. Fast alle photosynthetischen Dinoflagellaten brauchen «Zusatznahrung». Photosynthese-Systeme sind mindestens zweimal unabhängig voneinander in Dinoflagellaten integriert worden. Die meisten haben ein spezielles Photosynthese-System mit einem eigenen Chlorophyll-Typus und spezifischen lichtsammelnden Pigmenten, aber einige Arten haben sekundär das «typische» Photosynthese-System eingebaut. Als sei dies nicht kompliziert genug, haben viele Dinoflagellaten die erstaunliche Angewohnheit, die Chloroplasten von erbeuteten Algen in die eigene Zelle zu inkorporieren und als Nahrungsproduzenten zu gebrauchen – die sogenannte Kleptoplastie (kleptoplastidy). Es gibt aber auch rein räuberische Dinoflagellaten, darunter hervorragende Jäger wie Pfiesteria. Ein Teil der Räuber und Parasiten ernährt sich extrazellulär und sitzt auf der Beute auf, während ein anderer Teil die Beutepartikel oder sogar ganze Zellen durch ein siphonartiges System einsaugt und zur Verdauung inkorporiert. Daneben finden wir eine ganze Reihe von intrazellulär lebenden Dinoflagellaten (Zooxanthellen), die schon recht lange bekannt sind, aber früher nicht als Dinoflagellaten erkannt worden waren. Andere, recht zahlreich auftretende Ar- 279 «MEERESLEUCHTEN» ten parasitieren intrazellulär in Meerestieren und Fischen und richten häufig großen Schaden im Plankton an. Dazu treten noch Eiparasiten, die z.B. Sardineneier befallen und vernichten. Dinoflagellaten sind also durchaus zum intrazellulären Parasitismus analog zu Bakterien und Protozoen befähigt, so daß es eigentlich nur als Zufall betrachtet werden kann, daß keine Parasiten in Menschen bekannt sind. «Dinos» sind meistens hochspezialisierte, langlebige Einzelgänger mit der Fähigkeit zum Überstehen von «Notzeiten» durch Einkapseln, die aber bei Vorliegen von günstigen Bedingungen schlagartig Massenvorkommen (Blüten) ausbilden. Das berühmteste, seit alten Zeiten bekannte Phänomen ist die gefürchtete «red tide», bei der die oberen Schichten tropischer Ozeane durch eine Blüte giftiger Dinoflagellaten rot gefärbt werden – im übrigen ist die rote Farbe nicht zwangsläufig mit derartigen Erscheinungen verbunden. Das biblische Wort vom Fluß, der sich in Blut verwandelt, und das anschließende Fischsterben (Exodus 7: 20-21), geht mit hoher Sicherheit auf eine «red tide» zurück. «Red tides» sind fast immer mit Eutrophierung verbunden oder sogar durch diese verursacht. In der Folge inkorporieren die Plankton-fressenden Fische und Muscheln die Dinoflagellaten-Gifte und werden selber giftig. Etliche Dinoflagellaten-Arten können aktiv leuchten, manche sind sogar die Hauptverursacher des «Meeresleuchtens». Das Leuchten scheint ein Abwehrverhalten zu sein. Manchmal wird spekuliert, daß dadurch Fische angelockt werden, die wiederum die Feinde der Kleinkrebse sind, die sonst die Dinoflagellaten erbeuten würden. Am unglaublichsten ist aber die ungeheure Kompliziertheit der verschiedenen sexuellen und asexuellen Stadien, die eine einzelne Dinoflagellaten-Art ausbilden oder durchlaufen kann – vermutlich die größte Formenfülle aller bisher bekannten Organismen, ob Pflanze oder Tier (vgl. Abbildung 76). Identifikation und Taxonomie von Dinoflagellaten sind deshalb außerordentlich kompliziert. Außerdem ist die Taxonomie dadurch behindert, daß strittig ist, ob die zoologische oder die botanische Nomenklatur angewendet werden soll. Dinoflagellaten wurden im 19. Jahrhundert gerne und häufig bearbeitet, damals aber rein morphologisch und durch ihre bizarren Exoskelette begründet. Dann herrschte eine lange Periode des relativen Desinteresses, obwohl die Giftigkeit mancher Vertreter schon früh erkannt worden war. Eine «Renaissance» der Dino- 280 DINOFLAGELLATEN-TOXINE flagellaten-Forschung begann erst Mitte der 80er Jahre, als die analytischen und chemischen Methoden fortgeschritten genug waren, auch kleinste Toxin-Mengen zu isolieren und analysieren. Die Meister der Giftküche Nur relativ wenige Dinoflagellaten sind tatsächlich giftig. Die meisten beschriebenen Arten sind dagegen harmlose Mitglieder des Phytoplanktons. Die giftigen Arten haben es aber fertiggebracht, sich als die „besten chemischen Synthetiker des Tierreichs“ schon früh einen geradezu sagenhaften Ruf bei Toxikologen, Biologen und Chemikern zu verschaffen. Die Reihe der von ihnen produzierten oder in ihnen enthaltenen Toxine ist beeindruckend: ➤ das größte bekannte nicht-proteinische und nicht-polymere Molekül (Maitotoxin; vgl Abbildung 77) ➤ der giftigste nicht-proteinische Naturstoff (Maitotoxin) ➤ mit die kompliziertesten nicht-proteinischen Toxine (Maitotoxin, Palytoxin, Ciguatoxine, Brevetoxine) ➤ gefürchtete, ungeheuer effektive und schnellwirkende Gifte (Tetrodotoxin, Saxitoxine, Gonyautoxin) OH H H3C H O O H3C O CH3 H H H H H O H O CH3 OH H OH CH3 O CH3 H3C H O CH3 O NaO3SO OH O OH O H OH H OH CH3 CH3 H H H O H HO OH O H OH OH H H H H O OH O O OH H HO O H H OH OH OH H OH H H OH H3C CH2 H3C H O O OSO3Na O H OH CH3 H OH O O O H CH3 H O H H O H OH O H H HO H H3C H OH H H H3C HO O O H H H O OH CH3 H2C H CH3 O H O H H3C CH3 O CH3 H O OH Abbildung 77: Maitotoxin (C164H256O68S2Na2) Die Substanz stammt aus dem Dinoflagellaten Gambierdiscus toxicus; sie ist der größte bekannte nicht-proteinische und nicht-biopolymere Naturstoff und gleichzeitig das stärkste nicht-proteinische Gift. 281 VERGIFTUNGEN DURCH DINOFLAGELLATEN Ob aber die Dinoflagellaten selber alle die Gifte synthetisieren, oder ob es symbiotisch in ihnen lebende oder erbeutete Bakterien sind (z.B. bei Tetrodotoxin, s.u.), weiß man nicht immer. Die Gifte locken auch die «menschlichen Weltmeister der Chemiesynthese» an: Die Totalsynthesen von Palytoxin und den Brevetoxinen gehören zu den bemerkenswertesten Leistungen der Naturstoffsynthese der letzten Jahre (Nicolaou und Sørensen 1996)! Aber auch die Strukturaufklärung dieser extrem komplizierten Moleküle ist eine Herkulesarbeit für sich – zumal man meistens nur wenige Milligramm Wirkstoff zur Verfügung hat, wenn überhaupt. Einige Beispiele für Vergiftungen durch Dinoflagellaten Sogenannte «Muschelvergiftungen» oder «Ciguatera» sind Sammelbezeichnung für ein gemeinsames Phänomen, nämlich die Vergiftung von Menschen (und Tieren) durch Nahrung aus Meerestieren, die mit Nervenstörungen und MagenDarm-Symptomen vielfältiger Art verbunden sind und häufig lebensbedrohlich sein können. Ciguatera steht für Fischvergiftungen in tropischen Gewässern, insbesondere im Pazifik und in der Karibik. Es werden mehr als 10000 Vergiftungen jährlich gezählt. Für die Ciguatera sensu stricto im heutigen Sinn sind vor allem die Polyether-Toxine Ciguatoxin, Scaritoxin, Maitotoxin, Palytoxin und die Brevetoxine verantwortlich. Diese hochkomplizierten Moleküle (vgl. Struktur von Maitotoxin in Abbildung 77) sind strukturell untereinander verwandt. Ihre Herkunft sind bisher ausschließlich marine Dinoflagellaten, z.B. der «red tide»-Dinoflagellat Gymnodinium breve (= Ptychodiscus brevis). Diese potenten Fischgifte sind Natriumkanal-Öffner (nicht Blocker!), woraus sich ihre universale Wirkung auf Fische, Menschen und sonstige Tiere erklärt. Das Syndrom «Diarrhetic Shellfish Poisoning» (DSP) verläuft analog zur Ciguatera, aber etwas harmloser und meist nicht tödlich. DSP ist auch an den europäischen Küsten weit verbreitet. Vor allem Muscheln (shellfish) sind betroffen. Verantwortlich sind mehrere Dinoflagellaten-Gifte mit jeweils völlig verschiedener Struktur, z.B. Dinophysistoxin aus Dinophysis fortii und das erst neuerdings strukturell aufgeklärte Azaspiracid in Irland und Schottland (Yasumoto 1998). Die Gifte, z.B. «Okadaic Acid», sind teilweise als potentielle Pharmawirkstoffe interessant. 282 TETRODOTOXIN Ein genau gegenteiliges Wirkprinzip besitzen die Natriumkanal-blockierenden Gifte mit einer aus dem Molekül herausragenden Guanidinium-Gruppe. Jeweils ein Molekül paßt genau in einen Natriumkanal, aber nicht hindurch, und blokkiert ihn äußerst effektiv. Daher ist leicht einzusehen, daß es sich hier um die potentesten bekannten Nervengifte handelt; Gegenmittel sind nicht bekannt. Zahlreiche «giftige» höhere Tiere und Pflanzen beziehen ihre Gifte vermutlich oder sicher von Dinoflagellaten. Dabei sind die Saxitoxine und Gonyautoxine der bekannteste Fall. Das von ihnen verursachte «Paralytic Shellfish Poisoning» (PSP) ist die «klassische Muschelvergiftung» und die Ursache für die bei Fischen und Küstenbewohnern schon seit Jahrhunderten bekannte Regel, daß Muscheln in Monaten mit «R» tabu sind. Diese Toxine aus Gonyaulax-Dinoflagellaten und verwandten Genera sind weltweit verbreitet und reichern sich auch in Blaualgen und in vegetarischen Fischen an. In geradezu legendärem Ruf steht Tetrodotoxin (siehe Abbildung 78), das Gift des Kugelfischs (Fugu), das sich aber auch in zahlreichen anderen marinen Organismen findet. Vermutlich wird Tetrodotoxin von Vibrio- und Alteromonas-Bakterien, die symbiotisch in den Dinoflagellaten leben, synthetisiert. Das im Mund entstehende Prickeln, das durch subletale Dosen bei beginnender Nervenlähmung entsteht, soll mitverantwortlich für den besonderen kulinarischen Reiz des Kugelfischs in Japan sein. H2NCOO H 2 ClNH HN NH2+ NH + H2N N O- OH OH H Saxitoxin O O H HOCH2 HO NH2+ OH OH NH HO H NH Tetrodotoxin Abbildung 78: Chemische Struktur von Saxitoxin und Tetrodotoxin 283 AUßERGEWÖHNLICHER DINOFLAGELLAT EIN KLEINER EXKURS: Warum müssen Meeresgifte so effektiv sein? Im Vergleich zu Land-Ökosystemen sind überaus viele Meerestiere und -pflanzen hochgradig giftig (Überblick z.B.bei Mebs 1989 oder Hall und Strichartz 1990). Hierfür gibt es mehrere Gründe: ➤ Viele langlebige, sessile Organismen (Schwämme, Korallen) müssen sich ständig und über lange Lebenszeiten verteidigen; dazu gehört auch, ihre Oberfläche von anderen Besiedlern freizuhalten. ➤ Nur langsam bewegliche Räuber (Quallen, Schnecken oder auch Dinoflagellaten), die «schnelle» Beute töten, müssen dies außerordentlich effektiv tun. Ein einfaches Beispiel: Wenn ein Fisch noch eine Minute lebt, bevor er gelähmt ist, kann er für eine Meeresschnecke um ein Vielfaches außer Reichweite schwimmen. Die proteinischen Conotoxine der Conus-Kegelschnekken, mit denen ihre Kalkpfeile imprägniert sind, sind daher gefürchtete, schnelle Nervengifte, die auch für Menschen tödlich sein können. ConusArten harpunieren Fische regelrecht. Die notwendige Geschwindigkeit der Toxine wird fast immer über Nervenwirkungen erzeugt. Die Toxine greifen an den Natrium- und Kaliumkanälen an. Hier endet aber die Gemeinsamkeit: es gibt sowohl Kanalblocker, Kanalstabilisatoren als auch Kanalöffner. Pfiesteria piscicida - selbst für Dinoflagellaten außergewöhnlich Pfiesteria piscicida ist ein freilebender Dinoflagellat, der im Küstenbereich der östlichen USA besonders im Brackwasser der dort weit verbreiteten Ästuare auftritt. Er hat mit die größte Zahl aller möglichen Stadien bei Organismen – es wurden nicht weniger als 24 verschiedene Stadien gezählt! Das heißt aber nicht, daß alle 24 Stadien zyklisch durchlaufen werden. Stattdessen kann Pfiesteria den vorherrschenden Umweltbedingungen entsprechend die jeweils günstigste Form ausbilden – ob sexuell, sessil, Zyste oder freischwimmend. Die Formen haben meistens keinerlei Ähnlichkeit untereinander. Dabei handelt es sich um begeißelte, amöboide oder eingekapselte Formen, abhängig von den jeweiligen Umweltbedingun- 284 PFIESTERIA-TOXIN gen. In der Regel kommen die begeißelten Formen freischwimmend im Meer als Bestandteil des Planktons vor, während die amöboiden und eingekapselten Formen im Brackwasser und in Ästuaren auftreten. Sowohl die begeißelten als auch die amöboiden Formen sind giftig. Pfiesteria piscicida errang seinen Ruhm aber nicht durch den ungewöhnlichen Lebenszyklus. Er ist der erste Einzeller, der sozusagen selbst auf die Jagd geht und aktiv Fische erlegt, die um viele Zehnerpotenzen größer als er selber sind! Pfiesteria-Zellen können bei der Detektion von Fischen – vermutlich durch deren Ausscheidungen – große Mengen Toxin ins Wasser abgeben. Daher sind Fischschwärme besonders gefährdet, denn die von ihnen abgegebenen Signale stimulieren eine hohe Antwortrate bei Pfiesteria. Die Fische werden durch das außerordentlich wirksame Toxin sofort gelähmt. Das Gift muß sehr schnell wirken, damit der Fisch den Lebensraum von Pfiesteria nicht verläßt. Ein anderer Toxinbestandteil, vermutlich ein zweites Molekül (s.u.), verursacht darauf Hautverletzungen und Läsionen. Pfiesteria ernährt sich dann von den Zerfallsprodukten der Fische, vor allem von den Hautschuppen. Das tote Gewebe wird wie bei vielen anderen räuberischen Dinoflagellaten durch einen hornartigen Schlauch eingesogen. Die Sonderstellung des Pfiesteria-Toxins Die meisten Dinoflagellaten haben nur Endotoxine als Abwehrgifte, Pfiesteria piscicida benutzt ihr Gift aber als Exotoxin zur «aktiven Jagd». Das bis heute noch nicht strukturell aufgeklärte Toxin ist im Vergleich zu den anderen marinen Toxinen ungewöhnlich, weil es neben der Nerventoxizität vor allem Läsionen und Zersetzungen der Hautgewebe hervorruft – das braucht Pfiesteria als Hilfsmittel für den «Aufschluß» des Fisches. Der Verdacht liegt daher nahe, daß es daher zwei Komponenten gibt – eine nerventoxische, hydrophile/polare und eine hautzersetzende, lipophile. Obwohl das Toxin noch nicht endgültig charakterisiert ist, weisen erste Untersuchungen tatsächlich auf zwei Komponenten hin. Die Nerventoxizität ist nicht so groß wie bei anderen marinen Toxinen, dafür aber schleichender und langwieriger. Ob es sich um einen grundsätzlich neuen Mechanismus handelt, oder ob höhere Lipophilie nur zu einer größeren Speicherung und daher einem «slow release»-Phänomen führt, ist unbekannt. Die Nerventoxizität setzt – zumindest beim Menschen – langsam und oft ohne weitere Begleiteffekte ein, wenn man von den typischen Hautausschlägen oder Läsionen absieht. 285 PFIESTERIA: PERSPEKTIVEN Das Pfiesteria-Toxin ist darüber hinaus wohl das einzige marine Toxin, das in der Lage ist, sich in nennenswertem Umfang zu verflüchtigen und über die Luft oder über Aerosole toxische Wirkungen auf die direkte Umgebung der Gewässer zu er zielen. Die Gründe können verschieden sein: Niedriges Molekulargewicht, extrem hohe Toxizität oder hohe Lipophilie. Daher ist das Pfiesteria-Toxin wesentlich kritischer und gefährlicher als die anderen marinen Toxine – jenen kann man «aus dem Weg gehen», wenn man keine Meeresprodukte verzehrt oder nicht mit den Räubern in Kontakt tritt. Pfiesteria dagegen ist schon für Bootfahrer, Fischer oder sogar Spaziergänger an der Strandmole eine Bedrohung! Wie geht es weiter? Zur Zeit ist die Situation in den östlichen USA unklar. Die Fischsterben durch Pfiesteria gehen weiter. Eine erhebliche Verbesserung der Situation, nämlich durch die grundlegende Reduktion der Schadstoffe im küstennahen Wasser, wird immense Anstrengungen und etliche Jahre benötigen. In der Zwischenzeit wird nach wie vor intensiv nach der chemischen Identität des oder der Gifte von Pfiesteria gesucht. Bei Redaktionsschluß im September 1999 war hierüber noch nichts publiziert. Erst danach wird man die Art der verursachten Haut- und Nervenschäden besser verstehen können. Die Katastrophe droht aber nach wie vor: Daß in der intensiv besiedelten östlichen USA ganze Küstenstriche gesperrt werden müssen, weil die Gesundheitsrisiken aus dem Wasser zu groß geworden sind. Pfiesteria ist sicherlich nicht «the cell from hell» oder «the ultimate biological threat», wie der Dinoflagellat schon einmal in der Sensationspresse bezeichnet wurde, sondern eher ein Wunder der Natur als einer der komplexesten und bizarrsten bekannten Einzeller. Man muß den mikroskopischen Jäger aber ungemein ernst nehmen, zumal überhaupt nicht sicher ist, ob er selber oder seine Verwandte nicht schon morgen auch in anderen Küstengewässern der Erde auftauchen können. 286 PFIESTERIA: LITERATUR Ausgewählte Literatur: Barker R.: And the waters turned to blood. 2nd Edition. Simon & Schuster, New York 1998. Burkholder J.M., Noga E.J., Hobbs C.W., Glasgow H.B.Jr., Smith S.A.: New «phantom» dinoflagellate is the causative agent of major estuarine fish kills. Nature 1992; 358: 407-410, and Nature 1992; 360: 768. Burkholder J.M.: The lurking perils of Pfiesteria. Scientific American 1999; 281 (2): 42-49. Culotta E.: Red menace in the world’s oceans. Science 1992: 257; 146-147. Epstein P., et al.: Marine ecosystems: Emerging diseases and indicators of change. Year of the Ocean Special Report. Center for Health and Global Environment, Harvard Medical School, Boston 1998. 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Bei Bandwürmern, wie etwa dem Rinderbandwurm (Taenia sagittata), bei dem der Mensch Träger der geschlechtsreifen Parasiten ist und somit den Endwirt darstellt, trifft dies auch zu. Dies gilt jedoch nicht für die Bandwurmgattung Echinococcus. Hier fungiert der Mensch als Zwischenwirt, d.h. er ist Träger der Bandwurmlarve, die nicht im Darm, sondern im Gewebe angesiedelt ist und somit lebenswichtige Organe schädigen kann. Dies ist ein Grund für die Gefährlichkeit eines Echinococcus-Befalls; die zweite, wesentlichere Ursache liegt an dem permanenten Weiterwachstum des Bandwurmgewebes. Dies erklärt sich aus der Morphologie der geschlechtsreifen Bandwürmer: Die Adultwürmer von Echinococcus, die im Darm von hundeartigen Raubtieren wie Hund und Fuchs leben, stellen mit einer Länge von nur 3-5 mm die Winzlinge unter den Bandwürmern dar (Abbildung 79). Abbildung 79: REM-Aufnahme von Echinococcus 288 ECHINOKOKKOSE Pro Glied (Proglottis) werden nur 100-200 Eier produziert, ein Bruchteil der Eizahl wie bei den großen Bandwürmern etwa des Rinderbandwurms, die 100000 Eier pro Proglottis beträgt. Zur Aufrechterhaltung eines Infektionszyklus mußte sich die Gattung Echinococcus daher «etwas einfallen lassen». Die Lösung des Problems fand sich in einer ungeschlechtlichen Vermehrung der Bandwurmanlagen (Protoscolices) im Larvenstadium (Abbildung 80). Fressen Hunde oder Füchse dieses Larvengewebe, kommt es somit zu einer Masseninfektion mit Hunderten oder Tausenden von Bandwürmern, die in ihrer Gesamtheit die zur Weiterverbreitung der Infektion notwendigen Eimengen liefern. Abbildung 80: Protoscolices von Echinococcus granulosus Geschichte der Echinokokkose - Unitarier und Dualisten Das Vorkommen von larvalem Echinococcus-Gewebe in Form einer Blase (Hydatide) wurde schon von Hippokrates in Leber und Lunge von Wiederkäuern beobachtet. Die erste wissenschaftliche Beschreibung und Benennung als Echinococcus granulo- 289 ECHINOCOCCUS MULTILOCULARIS sus des auch als Hülsenwurm bezeichneten Parasiten erfolgte durch Batsch 1786. Erst sehr viel später konnte durch Siebold (1853) und Naunyn (1863) der Zusammenhang mit den im Hund parasitierenden Adultwürmern hergestellt werden (Despommier et al. 1994). Abbildung 81: Adultform von Echinococcus multilocularis 1845 beobachtete Erich Zeller in dem veränderten Lebergewebe einer am Alveolar- oder Kolloidkrebs verstorbenen Frau charakteristische Strukturen eines Bandwurmstadiums, dem er aber für den Verlauf der Erkrankung keine Bedeutung beimaß. Es blieb Rudolf Virchow ein Jahr später vorbehalten, den Zusammenhang von Alveolarkrebs und Bandwurmgewebe aufzuklären. Darüber hinaus erkannte er auch schon gewisse Gemeinsamkeiten mit den Veränderungen durch den bereits bekannten Hundebandwurm Echinococcus granulosus und veröffentlichte seine Beobachtungen unter dem Titel „Die multiloculäre ulcerierende Echinokokkengeschwulst der Leber“. 1863 wurden diese Veränderungen durch den Zoologen Leuckart einer eigenen Echinococcus-Art zugeschrieben, die er wegen des gekammerten Larvalgewebes mit dem heute gültigen Namen Echinococcus multilocularis belegte (Frank 1987). 290 ECHINOCOCCUS: BIOLOGIE Da der zugehörige adulte Bandwurm jedoch nicht bekannt war, blieb diese Darstellung lange umstritten. So verfochten die Unitarier die Hypothese, es handele sich bei der vielkammerigen Form um eine spezielle Wachstumsform des schon bisher bekannten E. granulosus. Es vergingen fast hundert Jahre, bis die Hypothese der Dualisten, die von zwei verschiedenen Echinococcus-Arten ausgingen, ihre Bestätigung fand. So fanden die Amerikaner Rausch und Schiller Anfang der 50er Jahre dieses Jahrhunderts die Geschlechtsstadien von E. multilocularis in Polarfüchsen und Schlittenhunden und die Larvenformen in Wühlmäusen. In Deutschland konnte dann Vogel (1957, 1961) durch experimentelle Infektionen bei Endund Zwischenwirten diesen Zusammenhang bestätigen. Biologie von Hundebandwurm und Kleinem Fuchsbandwurm Die beiden Echinococcus-Spezies weisen nicht nur morphologische Unterschiede beim Larvalgewebe und bei den Adultwürmern auf, abweichende Verhältnisse finden sich auch in ihrer Biologie: Der Infektionskreislauf des Hundebandwurms (E. granulosus) verläuft heute in der Regel in unmittelbarer Umgebung des Menschen (Abbildung 82). Die Rolle des Endwirts spielen dabei Haushunde. Von den in ihrem Darm lebenden Adultwürmern gehen mit dem Kot Eier und Proglottiden ab, die zur Infektion von verschiedenen Haustieren führen; je nach Kulturkreis sind dies Rind, Schaf, Schwein, Pferd, Esel, Kamel und andere. Auch der Mensch kann lokal als natürlicher Zwischenwirt angesehen werden. Durch Verfüttern parasitenhaltiger Schlachtabfälle an Hunde kann sich der Infektionskreislauf wieder schließen. Neben diesen urbanen Infektionskreisläufen über Haustiere spielen natürliche Infektionskreisläufe über Wildtiere nur eine geringe Rolle; prinzipiell können jedoch auch andere Caniden den Hundebandwurm beherbergen, so etwa Schakale im Turkana-Gebiet Afrikas, die sich sogar über den Menschen – durch Ausgraben der hier nur oberflächlich bestatteten Toten – infizieren können. 291 ECHINOCOCCUS: LEBENSZYKLUS Hund Mensch Kot Wiederkäuer Abbildung 82: Lebenszyklus von Echinococcus granulosus Demgegenüber spielt sich der Infektionskreislauf des Kleinen Fuchsbandwurms meist in der Natur ab. Dabei sind in der Regel Füchse die Träger der Adultwürmer, worauf der deutsche Name Bezug nimmt. Mit dem Fuchskot gelangen die Bandwurmeier ins Freie. Als natürliche Zwischenwirte fungieren Nagetiere, in Mitteleuropa vor allem Feldmäuse, daneben auch Wühlmäuse und Bisame (Ondatra zibethicus), die die hauptsächlichsten Beutetiere des Fuchses sind. Im Gegensatz zum Hundebandwurm weist der Kleine Fuchsbandwurm eine wesentlich größere Zwischenwirts-Spezifität auf. Befallen werden nur Nagetiere, bei anderen Säugetieren, darunter auch dem Menschen, geht die Infektion gar nicht oder nur selten an; letzterer stellt für den Kleinen Fuchsbandwurm einen sogenannten Fehlwirt dar. 292 ECHINOCOCCUS-ZYSTEN Abbildung 83: Operations-Präparat von Echinococcus-Zysten der Leber 293 ECHINOCOCCUS: EPIDEMIOLOGIE Wie infiziert sich der Mensch mit Echinokokken ? Die Infektion des Menschen erfolgt über Verschlucken der Bandwurmeier. Beim Hundebandwurm mit seinem urbanen Infektionskreislauf ist dies unschwer vorstellbar: Bei allen Kulturen, bei denen die Menschen eng mit Hunden und Nutzhaustieren zusammenleben, besteht für den Menschen über die Hunde eine erhöhte Infektionsgefahr, die bei ursprünglichen Verhältnissen exzessive Ausmaße erreichen kann. So finden sich etwa in dem oben erwähnten Turkana-Gebiet in Ostafrika bei nahezu 40%igem Befall der Hunde beim Menschen Prävalenzraten von 48% (Romig 1990)! Stark betroffen sind ebenso Südamerika, Nordafrika und der Nahe Osten. Selbst in den Mittelmeerländern Europas ist die durch E. granulosus verursachte Echinokokkose eine verbreitete Infektionskrankheit. In Deutschland kommt diese Parasitose dagegen kaum mehr endemisch vor. Bei den hier erfaßten Fällen handelt es sich fast stets um Infektionen, die aus dem Mittelmeerraum stammten. Bei dem Kleinen Fuchsbandwurm hingegen sind die Infektionswege komplizierter. Einfache Verhältnisse liegen lediglich in Alaska (Schantz 1995) und in ZentralChina vor, wo die Schlittenhunde bzw. dortigen Haushunde zu einem großen Prozentsatz mit E. multilocularis befallen sind und so zu einer hohen Befallsrate beim Menschen führen, in manchen Regionen Chinas bis zu 5% (Craig et al. 1992)! In Mitteleuropa dagegen, wo nur ein silvatischer Infektionkreislauf von E. multilocularis existiert, gibt es über die einzelnen Infektionswege und ihre Häufigkeit nur Spekulationen. Der Grund liegt in der langen, meist mehrjährigen Zeitspanne zwischen Infektion und Entdeckung des Parasitenbefalls, die eine Ermittlung der Infektionsquelle naturgemäß unmöglich macht. Prinzipiell sind vor allem folgende Infektionswege denkbar: 1. Verzehr von Fuchskot- bzw. Bandwurmeier-kontaminierten Lebensmitteln; hier kommen vor allem niedrig hängende Früchte wie Erdbeeren und Heidelbeeren, aber auch z.B. Fallobst in Betracht; 2. Einatmen und Verschlucken von Eier-haltigem Staub; dies könnte z.B. beim Pflügen oder Heuen geschehen, allgemein bei Kontakt mit kontaminierter Erde in der Landwirtschaft; 3. Direkter Kontakt zu infizierten Tieren; betroffen davon sind z.B. Jäger und Förster beim Abbalgen von Füchsen. Bedeutsamer in diesem Zusammenhang dürfte jedoch sein, daß auch Hunde und Katzen für den Kleinen Fuchsbandwurm empfänglich sind und sich durch Fressen parasitenhal- 294 ECHINOCOCCUS: EPIDEMIOLOGIE tiger Mäuse (auch bereits toter!) infizieren können. Auf diese Weise dürften in Endemiegebieten auch Besitzer von freilaufenden Hunden und Katzen einer erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt sein. Belege für diese Infektionswege gibt es kaum. Lediglich bei Käfigaffen, die mit Streuobst von einer «Fuchswiese» gefüttert worden waren, konnte der alimentäre Infektionsweg wahrscheinlich gemacht werden (Rietschel und Kimmig 1994). Dagegen konnte bei einer Feldstudie in einem Hoch-Endemiegebiet auf der Schwäbischen Alb bei der Untersuchung von 2500 Personen keiner der hypothetischen Infektionswege bewiesen werden (Romig et al. 1998). Weder bei den vier dabei aufgefundenen klinischen oder verdächtigen Fällen noch bei den serologisch positiven Personen ließ sich ein statistischer Zusammenhang mit entsprechenden Lebens- und Ernährungsgewohnheiten, Haustierbesitz und anderen mutmaßlichen Risikofaktoren ermitteln. Das Vorkommen von E. multilocularis ist auf die nördliche Hemisphäre beschränkt. Die größten Verbreitungsgebiete finden sich in Alaska und Kanada sowie in der Sowjetunion und China. In Europa befindet sich ein scheinbar isoliertes Endemiegebiet, das v.a. Südwestdeutschland, die Nordschweiz und den französischen Jura umfaßte. Neuere Untersuchungen haben jedoch gezeigt, daß der Kleine Fuchsbandwurm faktisch in ganz Deutschland verbreitet ist, so daß Verbindungen zu dem russischen Endemiegebiet wahrscheinlich sind. Über die Häufigkeit der Echinococcus-Infektion beim Menschen gibt es in Deutschland nur Schätzungen aufgrund von Umfrage-Ergebnissen (Kimmig 1992) und seroepidemiologischen Untersuchungen (Kimmig und Mühling 1985, Schelling 1991). Demnach liegt die durchschnittliche Prävalenz in Südwestdeutschland bei ca. 10 Fällen auf 100000 Einwohner; lokal – in einem Endemiegebiet im Bereich der Schwäbischen Alb – fand sich sogar eine 4-15fach höhere Prävalenz (Romig et al. 1998). Angesichts der geringen absoluten Zahlen sind derartige Hochrechnungen allerdings erheblichen Schwankungen unterworfen. Naturgemäß ist die Infektionsgefährdung des Menschen in erster Linie von der Verbreitung und Häufigkeit von E. multilocularis bei den Füchsen abhängig. Seit Anfang der 70er Jahre werden daher von der Parasitologie der Universität Hohenheim diesbezügliche Untersuchungen in Baden-Württemberg durchgeführt. Hier fand sich im Zeitraum von 1973-1984 (Kimmig und Schelling 1991) eine durch- 295 ECHINOCOCCUS-INFEKTION schnittliche Fuchs-Echinococcus-Befallsrate von ca 15%. Die Verteilung war jedoch nicht gleichmäßig, sondern wies erhöhte Lokalwerte bis 30% im Bereich der Schwäbischen Alb auf, während die Oberrheinische Tiefebene weitgehend Echinococcus-frei war. Im Verlauf der Jahre hat sich dieses Bild gewandelt: Die höchsten Fuchs-Befallsraten liegen nunmehr bei 70%; Echinococcus-freie Gebiete gibt es in Baden-Württemberg nicht mehr (Romig 1996). Darüberhinaus fanden sich auch in anderen Bundesländern wie in Bayern (bis zu 44%), Thüringen (bis 34%) und Niedersachsen (bis 40%) ungeahnt hohe Werte (Lucius und Bilger 1995). Die Konsequenzen für den Menschen, die sich aus diesen erhöhten Fuchsbefallsraten ergeben, sind derzeit noch nicht abschätzbar. Echinocccus-Infektionen beim Menschen Nach dem Verschlucken der Echinococcus-Eier werden im Darm die Larven (Oncosphären) frei, die sich durch die Darmwand bohren, um dann mit dem Blutstrom weiter verfrachtet zu werden. Die Leber, die schon nach wenigen Stunden via Pfortader erreicht wird, stellt bei dieser Wanderung den ersten Filter dar. Die Larven des Hundebandwurms setzen sich hier zu ca. 70% fest, der Rest gelangt in die Lunge (20%) und noch weiter in den großen Kreislauf (10%), über den vor allem gut durchblutete Organe wie Gehirn, Niere und Knochen befallen werden. Am Anheftungsort entstehen aus einem zunächst mikroskopisch kleinen Larvenbläschen durch kontinuierliches Wachstum immer größer werdende Blasen, die als Hydatiden bezeichnet werden und ein Volumen von mehreren Litern erreichen können. In ihrem Inneren befindet sich eine Keimschicht, aus der sich zahlreiche neue Bandwurmanlagen, die sogenannten Protoscolices, bilden. Die Keimschicht ist aber auch zur exogenen Abschnürung von Tochterblasen befähigt, die ihrerseits wieder Blasen absprossen können. Das Wachstum des Larvengewebes bleibt bei dieser sogenannten zystischen Echinokokkose jedoch stets gutartig, da die Blasen durch eine Bindegewebskapsel von der Umgebung abgegrenzt sind, so daß sie sich operativ herauslösen lassen (Abbildung 83). Beim Kleinen Fuchsbandwurm verläuft die Infektion zunächst wie bei E. granulosus, sieht man davon ab, daß sich hier 98% der Oncosphären schon in der Leber festsetzen. Das weitere Larvalwachstum zeigt indessen entscheidende Abweichungen: Aus dem primären Larvenbläschen schieben sich zunächst solide 296 ECHINOKOKKOSE: KLINIK Keimschichtsprosse von oft nur 5-10 µm Dicke wurzelartig in das Lebergewebe hinein (Mehlhorn et al. 1983). Im weiteren Verlauf entstehen durch Spaltenbildung aus diesen Zellsträngen Tubuli und Bläschen, in denen die Protoscolices heranreifen. Dreidimensional stellt sich dieses Larvengewebe als Netzwerk von Schläuchen dar; im Schnitt erscheint es als unscharf begrenztes, schwammartiges Gebilde mit vielen Kämmerchen, eine Struktur, auf die der Name multilocularis bzw. alveoläre Echinokokkose Bezug nimmt. Das Larvengewebe von E. multilocularis weist somit ein infiltratives, malignes Wachstum auf. Da der Mensch für E. multilocularis einen Fehlwirt darstellt, ist das larvale Cestodengewebe hier meist infertil und weist Zerfallshöhlen auf; dies bleibt auf das Weiterwachstum des Larvalgewebes jedoch ohne Einfluß. Klinik Die zystische und alveoläre Echinokokkose des Menschen ist eine langsam fortschreitende Parasitose. Oft vergehen 10 und mehr Jahre, bis es zum Auftreten von Symptomen kommt. Bei E. granulosus sind allerdings auch raschere Verläufe bekannt. Die klinische Symptomatik ist bei beiden Formen sehr variabel und im einzelnen abhängig vom Organbefall. Die zystische Echinokokkose von Leber und Lunge äußert sich in Form von abdominellen bzw. thorakalen Schmerzen, Husten und Dyspnoe. Bis zum Auftreten der ersten Symptome können hier die Hydatiden schon Größen von 10-20 cm erreicht haben, wohingegen im ZNS oder Myokard schon kleine Zysten zu schweren Störungen führen können. Die häufigsten Komplikationen bestehen in Gallengangsverschlüssen, bakteriellen Sekundär-Infektionen (Abszess) und Zystenrupturen (Aussaat von proliferativem Cestodengewebe). Die alveoläre Echinokokkose verläuft schleichend, häufig unter dem klinischen Bild eines Leberkarzinoms zunächst mit Allgemeinsymptomen und Gewichtsverlust. Spezifische Symptome treten in der Regel erst auf, wenn es zu einer weitgehenden Infiltration der Leber mit zunehmender Verlegung der Gallengänge gekommen ist (Löscher 1996). 297 ECHINOKOKKOSE: DIAGNOSTIK Diagnostik Die Diagnose einer Echinokokkose ist durch serologische und klinische Verfahren möglich. Der frühestmögliche Zeitpunkt nach einer möglichen Exposition (z.B. Essen von Waldbeeren) ist nicht bekannt, man geht davon aus, daß ein Antikörpernachweis frühestens 3-6 Monate nach Infektion möglich wird. Die serologische Diagnostik ist mit verschiedenen Verfahren möglich (ELISA, IFT, IHAT, RAST u.a.). Entscheidender ist die Verwendung der Antigene: Tests mit wenig gereinigten Roh-Antigenen weisen in der Regel eine gute Sensitivität, aber nur geringe Spezifität auf und sind daher vor allem für Screening-Untersuchungen geeignet (Kimmig und Mühling 1985). Spezifischer, jedoch aufwendig, sind IFT-Verfahren mit Echinococcus-Gefrierschnitten. Für die serologische Artdiagnostik von E. multilocularis steht heute ein käufliches (Em2 plus) Antigen zur Verfügung, das aus einem von Gottstein entwickelten, absorptionschromatographisch gereinigten Anteil und einem gentechnisch hergestellten Anteil besteht (Vogel et al. 1989). Em2 plus weist eine gute Spezifität, jedoch geringere Sensitivität auf (Naser und Kimmig, in Vorbereitung). Erfahrungsgemäß sind jedoch auch bei Verwendung spezifischerer serologischer Techniken nur ca. 10% der Seropositiven auch tatsächlich Echinococcus-Träger. Dies macht die Kombination der serologischen Methoden mit radiologischen, sonographischen, computertomographischen und kernspintomographischen Verfahren erforderlich. Bei der zystischen Echinokokkose gelten Verkalkungen und Kammerungen der Zysten als typisch, bei alveolärer Echinokokkose finden sich bevorzugt unscharf begrenzte Raumforderungen mit feinfleckiger Verkalkung und gelegentlich hypodensen Bereichen (Zerfallshöhlen) (Löscher 1996). Keine dieser Erscheinungen ist indessen pathognomonisch, im Zweifelsfall ist eine definitive Diagnose nur anhand von Operationsmaterial oder Biopsiematerial (durch Feinnadelpunktion) möglich, das dann histologisch und neuerdings auch mit Hilfe der PCR untersucht werden kann (Dinkel et al. 1998). 298 ECHINOKOKKOSE: THERAPIE Therapie Die radikale operative Entfernung des Cestodengewebes ist bei beiden Formen der Echinokokkose die Methode der Wahl. Einfache Echinococcus-Zysten lassen sich in der Regel in toto entfernen. Um eine Echinococcus-Aussaat infolge Zystenruptur zu verhindern, werden diese zuvor mit 20%iger NaCl-Lösung oder 95%igem Äthanol inaktiviert und abgesaugt. Neuerdings ist die Abtötung mit Alkohol und Reaspiration auch durch Ultraschall-kontrollierte Feinnadelpunktion möglich. Bei Vorliegen von multiplen Zysten kann eine Teilresektion der entsprechenden Organe erforderlich werden. Bei der alveolären Echinokokkose ist eine radikale Operation zum Zeitpunkt der Diagnose in einem hohen Prozentsatz nicht mehr möglich, Lebertransplantationen kommen nur in speziell gelagerten Fällen in Betracht. Bei inoperabler oder fraglich radikaler Sanierung zystischer bzw. alveolärer Echinokokkose besteht dann nur noch die Möglichkeit einer Chemotherapie mit Mebendazol oder Albendazol. Die Therapie ist indessen langwierig und hat nur bei E. granulosus eine parasitozide Wirkung. Bei E. multilocularis führt die Therapie in vielen Fällen nur zum einem Sistieren des Wachstums, so daß eine lebenslange Therapie erforderlich wird. Immerhin hat sich dank der Chemotherapie die Prognose der alveolären Echinokokkose jedoch so weit gebessert, daß die Überlebensrate in den ersten 10 Jahren nach Diagnosestellung heute bei 90% liegt, während sie früher nur 10% betrug (Amman und Eckert 1995). Desungeachtet stellt die alveoläre Echinokokkose aber nach wie vor die mit Abstand gefährlichste Parasitose in Mitteleuropa dar. Man muß allerdings davon ausgehen, daß die Infektion nur in seltenen Fällen angeht, bei den meisten Menschen dürfte das Verschlucken der Echinococcus-Eier folgenlos bleiben. Trotzdem muß angesichts der steigenden Fuchsbefallsraten auch mit erhöhten Fallzahlen beim Menschen gerechnet werden. Man versucht daher, durch die Behandlung der Füchse mit Hilfe von Praziquantel (Droncit®), das in Köder eingebracht wird, den Bandwurmbefall der Füchse zu reduzieren. Dank der hohen Wirksamkeit des Präparats gegen Adultwürmer hat sich dieses Verfahren in Pilotstudien als erfolgreich erwiesen (Schelling et al. 1997), die Ergebnisse einer derzeit laufenden Langzeitstudie sollen zeigen, inwieweit sich diese Methode in größerem Maßstab und auf längere Dauer anwenden läßt (Romig et al. 1996). 299 ECHINOKOKKOSE: LITERATUR Ausgewählte Literatur: Amman R., Eckert J.: Clinical diagnosis and treatment of echoncoccosis in humans. In: Thompson R.C.A., Lymbery A.J. (eds): Echinococcus and hydatid disease; pp. 411-463. CAB International, Wallingford 1995. Craig P.S., Deshan L., Macpherson C.N.L., Dazhong S. et al.: A large focus of alveolar echinococcosis in central China. The Lancet 1992; 340: 826-831. Despommier D.D., Gwadz R.W., Hotez P.J.: Parasitic diseases; 3.ed. Springer, Berlin – Heidelberg – New York 1994. 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Zur besagten Zeit befaßte er sich gerade mit der Möglichkeit, mit Hilfe von Oligonukleotiden, Desoxyribonukleosid-Triphosphaten (den Bausteinen der DNA) und dem Enzym DNA-Polymerase die Identität eines vorgegebenen Nukleotids an einer bestimmten Position in einem DNAMolekül zu ermitteln. Über diesem Problem brütete er während einer nächtlichen Fahrt zu einem Wochenendhaus im nördlichen Kalifornien (Mullis 1990). Als Mullis während der Fahrt über verschiedene Reaktionsbedingungen seines Experiments nachdachte, kam ihm die Idee, zwei gegenüberliegende Oligonukleotide (auch Primer genannt) zu verwenden, welche das zu ermittelnde Nukleotid auf beiden Seiten des DNA-Strangs flankierten. Um eventuelle Reste anderer Desoxyribonukleosid-Triphosphate zu entfernen, sollte vor dem eigentlichen Experiment ein Vorlauf nur mit Probe und DNA-Polymerase gemacht werden. Dabei, so kam es ihm plötzlich, würden jedoch nicht nur die störenden Bestandteile entfernt, sondern es entstünden zwei völlig neue, durch die Oligonukleotide begrenzte DNA-Stränge mit derselben Sequenz des Ausgangsmoleküls. Mit der Dynamik exponentieller Vermehrungskinetiken vertraut, schloß er, daß mit jeder neuen Runde seines Experiments die Anzahl der zwischen den Oligonukleotiden liegenden DNA-Stränge verdoppelt würde. Erregt von seiner neuen Idee brütete er den Rest des Wochenendes über seinem Experiment. Zurück in der Firma, gab er sofort eine Literaturrecherche in Auftrag. Die Idee erschien ihm zu simpel, als daß vor ihm niemand hätte darauf kommen können. Die technischen Voraussetzungen hatten jedenfalls bereits seit etwa 10 bis 15 Jahren bestanden. Tatsächlich aber ergaben Recherchen und viele Gespräche mit Kollegen keinen Hinweis auf ein vergleichbares Verfahren. In den näch- 302 POLYMERASE-KETTEN-REAKTION sten Wochen plante er sein erstes Experiment, indem er nach geeigneten Versuchsbedingungen und Reagenzien suchte. In der Tat, in seinem ersten kleinen Experiment wurde eine Zielsequenz von 25 Basenpaaren aus einem Plasmid vervielfältigt, also amplifiziert! Der Rest ist Geschichte. Das neue Verfahren, die Polymerase-Ketten-Reaktion (polymerase chain reaction, PCR) wurde patentiert. Im Jahr 1991 wurden der Firma Cetus alle Rechte an dem Patent und seiner Verwertung von der Firma Hoffmann-La Roche abgekauft. Im Jahr 1993 bekam Mullis neben Michael Smith (dieser für gerichtete Mutagenese von DNA) den Nobelpreis für Chemie. Zielsequenz Zielsequenz Abbildung 84: Der erste Schritt bei der PCR ist die Hitze-Denaturierung der Zielsequenz (modifiziert nach Roche 1998). Mittlerweile ist die PCR in vielen Laboratorien der Welt zum Standardverfahren für DNA-Analysen und Diagnosestellungen geworden. Am Anfang jedoch war das Verfahren der PCR noch längst nicht so effektiv und zuverlässig, wie es heute ist. Die PCR erfordert als ersten Schritt eine Erhitzung der Probe, damit sich die DNA-Stränge der Zielsequenz voneinander trennen (Abbildung 84) und sich im nächsten Schritt, der Abkühlung, die Oligonukleotide (Primer) an das Molekül lagern können. Im dritten Schritt synthetisiert das Enzym DNA-Polymerase neue Nukleotide an den wachsenden DNA-Strang (Abbildung 85). Dies erfordert einen schrittweisen Wechsel zwischen drei Temperaturen, und eine davon muß etwa 94-95°C betragen, um die DNA-Stränge des zu vervielfältigenden Moleküls effektiv zu trennen, also zu denaturieren. In seinen ersten Experimenten verwendete Mullis die DNA-Polymerase von Escherichia coli. Dieses Enzym ist aber nicht hitzestabil und mußte deshalb nach jedem Reaktionszyklus frisch zugegeben werden. Bei 30 Zyklen bedeutete dies, daß jedes einzelne Reagenzgefäß 30 mal geöffnet werden mußte, um Enzym zuzugeben! 303 TAQ-POLYMERASE A Zielsequenz 5' 3' 5' Basen Primer 2 Biotin Desoxyribose Phosphorsäure 5' Primer 1 Biotin Wasserstoffbrücken 5' 3' Zielsequenz B Zielsequenz 3' 5' 3' Biotin Taq DNA Polymerase Primer 2 5' 5' Primer 1 Biotin 3' 5' 3' Zielsequenz Abbildung 85: A Bindung von biotinylierten Oligonukleotid-Primern an die Enden der Zielsequenzen B Verlängerung der Primer durch die Taq-DNA-Polymerase und Synthese neuer DNA-Stränge (modifiziert nach Roche 1998). Eine Lösung dieses Problems kam aus der Forschung der 70er Jahre: damals hatten Forscher ein thermophiles Bakterium, Thermus aquaticus, aus einer heißen Quelle des Yellowstone National Parks isoliert und seine DNA-Polymerase charakterisiert. In der Tat, das Enzym besitzt sein Wirkungsoptimum bei etwa 75°C und ist bis 95°C temperaturstabil. Dieses Enzym, nach den Initialen des Bakteriums TaqPolymerase genannt, war somit ideal für die Verwendung in der PCR. Es übersteht 304 GEN-AMPLIFIKATION nach einmaliger Zugabe eine PCR von mehr als 50 Zyklen. Außerdem ermöglicht es die Verwendung von Taq-Polymerase, die Temperaturbedingungen für die Anlagerung der Primer an ihre Zielsequenz viel spezifischer zu gestalten, so daß es kaum noch zur Vermehrung unerwünschter DNA-Abschnitte kommt. Erst mit diesem Enzym konnte die PCR ihre effektive Vermehrungskinetik erreichen, für die sie so bekannt ist. Ein typischer Temperaturzyklus der PCR und die Menge synthetisierter DNA-Moleküle ist in Abbildung 86 dargestellt. Bei einer Vermehrungsrate von 2n (n entspricht der Anzahl von Zyklen) entstehen nach 30 Zyklen aus einem Ausgangsmolekül rechnerisch immerhin 109 Kopien. In der Praxis kommt es allerdings nicht in jedem Zyklus zur Verdopplung der DNA-Moleküle, so daß die Leistungsfähigkeit der PCR doch hinter den theoretischen Erwartungen zurückbleibt. Außerdem erschöpfen sich nach spätestens 40-45 Zyklen die zugesetzten Reagenzien, so daß die Vermehrung eine Plateauphase erreicht und kaum noch ein weiterer Effekt erzielt wird. Die Fähigkeit der PCR, ein einziges DNA-Molekül (bzw. in der Praxis wenige) durch Vermehrung nachweisen zu können, eröffnete vielen Bereichen der Grundlagenforschung und der medizinischen Diagnostik bislang ungeahnte Möglichkeiten. Anwendungen der PCR sind mannigfaltig; sie umfassen Gebiete wie Humangenetik, Gerichtsmedizin, Pathologie, Mikrobiologie und viele andere. Anwendungsbeispiele sind die Amplifikation von Genen zum Nachweis von Mutationen, die Typisierung anhand von DNA aus Spuren wie Blut, Haarwurzeln oder Spermien, die DNA-Analyse aus fixierten und in Paraffin eingebetteten Organproben sowie der Nachweis von Infektionserregern in den verschiedensten Materialien. Die große Stärke der PCR, nämlich geringste Mengen an DNA nachweisen zu können, ist aber auch gleichzeitig eine große Schwäche. Da es während der PCR zu einer gewaltigen Anhäufung von gleichen DNA-Molekülen kommt, führt die unbeabsichtigte Übertragung kleinster Mengen, wie zum Beispiel winzigster Aerosoltröpfchen, aus einem vorangegangenen in einen neuen PCR-Ansatz, unweigerlich zur positiven Reaktion und somit zur Verfälschung des Ergebnisses. Bildlich dargestellt: Wenn der Inhalt eines Reaktionsgefäßes von 100 µl auf ein großes Wettkampfschwimmbecken verteilt wird, reagiert jede daraus entnommene Probe in einer neuen PCR unweigerlich positiv. Dasselbe gilt für ein übertragenes Aerosoltröpfchen von nur 100 Femtolitern (0,0000000000001 l). Aus diesem Grund gilt, daß bei der Durchführung der PCR, etwa für medizinische Diagnostik, größte Vorsicht walten muß. Zum Beispiel sollte eine strenge räumliche Trennung zwischen prä-PCR-Bereichen, etwa für Probenvorbereitung, und post-PCR- 305 DNA-VERMEHRUNG Bereichen, etwa für die Analyse der PCR-Produkte, eingehalten werden. Werden diese Vorsichtsmaßregeln nicht strengstens beachtet, können Kontaminationsprobleme und falsch-positive Resultate in größerem Umfang die Folge sein. Einzelstrang-RNA 1 Zyklus = 1 (RNA/cDNA-Hybrid) 2 Zyklen = 2 3 Zyklen = 4 4 Zyklen = 8 5 Zyklen = 16 6 Zyklen = 32 7 Zyklen = 64 Abbildung 86: Exponentielle Vermehrung der Menge an neu synthetisierter DNA in Abhängigkeit von der Zahl der Zyklen in der PCR (modifiziert nach Hoffmann-La Roche 1998); in diesem Beispiel ist eine sogenannte «Reverse Transkriptions-PCR» (RT-PCR) dargestellt, bei der vor der Vervielfältigung der DNA das Umschreiben eines RNA-Ausgangsmoleküls in DNA erfolgt. Die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten der PCR weckten natürlich großes Interesse an ihrer kommerziellen Verwertung. Nun ist die Firma Hoffmann-La Roche Inhaberin der Patente inklusive ihrer Nutzungsrechte und verlangt für alle kommerziellen Anwendungen der PCR Lizenzgebühren. Beispielsweise sind Laboratorien, welche die PCR auf kommerzieller Basis für die medizinische Diagnostik verwenden, verpflichtet, einen gewissen Betrag aus den Einnahmen an Roche abzuführen. Dasselbe gilt für Firmen, welche Produkte für die PCR herstellen und vertreiben. In diesem Zusammenhang kam es zu einem Rechtsstreit zwischen der 306 PCR: LITERATUR Firma Hoffmann-La Roche und anderen Biotechnologie-Firmen, welche das Enzym Taq-Polymerase vertreiben, ohne Lizenzgebühren abzuführen und ohne dabei einen direkten Zusammenhang zur Anwendung in der PCR herzustellen. Zwar ist Roche im Besitz eines Patents auf Taq-Polymerase, dessen Rechtmäßigkeit wird aber von besagten Firmen angezweifelt, weil Forscher bereits in den 70er Jahren das Enzym entdeckt, gereinigt und charakterisiert hatten. Somit entfällt also der Charakter einer neuen Erfindung oder Erstbeschreibung der Firma Cetus in den 80er Jahren (Dickson 1995). Das Ergebnis dieses Rechtsstreits bleibt mit Spannung abzuwarten. Taq-Polymerase ist aber beileibe nicht das einzige Enzym aus einem thermophilen Mikroorganismus, welches kommerzielle Anwendung fand. Das Interesse an extremophilen Mikroorganismen, die unter den verschiedensten ungewöhnlichen Bedingungen – sei es bei extremen Temperaturen, pH-Werten oder in organischen Lösungsmitteln – Stoffwechselaktivität verrichten, ist mittlerweile groß (Pennisi 1997). Anwendungen sind beispielsweise thermo- und alkalistabile Proteasen und Zellulasen, die in Waschmitteln zum Einsatz kommen. Aber auch Mikroorganismen, die organische Lösungsmittel oder toxische Abfallprodukte – beispielsweise aus der Papierindustrie – zersetzen können, finden industrielle Anwendung. Es gibt bereits Biotechnologie-Firmen, die nach dem Zufallsprinzip DNA von Mikroorganismen aus extremen Biotopen klonieren, die Genprodukte exprimieren und dann schauen, was für potentiell nützliche Enzymaktivitäten sich daraus ergeben. Um die Bedeutung dieses Forschungsgebiets weiter zu unterstreichen, wurde 1997 die wissenschaftliche Zeitschrift «Extremophiles» gegründet. 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Roche Molecular Systems Inc., Summerville (New Jersey, USA) 1998. 307 AUSBLICK 14 AUSBLICK Dieter Hassler Auch wenn Ihnen, lieber Leser, bereits jetzt schon der Kopf rauchen mag ob der Fülle der Informationen über schrecklich viele Krankheitserreger - eigentlich war dies alles nur ein kleiner Ausschnitt der Infektiologie. Riesenkapitel fehlen. Da wären HIV und AIDS, Hepatitis und Malaria wie viele andere. Auf diese besser bekannten Infektionen haben wir hier bewußt – nicht zuletzt aus Platzgründen – verzichtet. Dennoch, es wäre ein leichtes, an dieser Stelle auch mit weniger bekannten Infektionen einfach weiterzumachen. Da wäre noch die Geschichte von Reinhold Messner und der Amöbenruhr in Nepal. Schließlich ist auch noch kein Wort über die Tollwut, das Rift-Valley- oder das Krim-Kongo-Fieber gefallen. Das Ebolavirus wurde ebensowenig erwähnt wie die Coxsackieviren und die Caliciviren. Und so könnte man scheinbar endlos erzählen. Vielleicht ein andermal… Dennoch soll ein letzter Blick den Kandidaten unter den bereits bekannten Krankheiten gewidmet sein, die vielleicht eines Tages auch bei den Infektionskrankheiten aufgeführt werden. Da wäre zum Beispiel die Rheumatoide Arthritis. Schon seit Jahren wird immer wieder spekuliert, daß ein Virus für diese Erkrankung verantwortlich sein könnte. Mehrere Kandidaten wurden geprüft und verworfen, andere sind noch im Rennen. Auch die Psoriasis, die sicher eine genetische Komponente hat, weist manche Aspekte auf, die auch zu einer Infektion passen könnten, die Colitis ulcerosa mag ein weiterer Kandidat sein. Das Thema «Viren und Krebs» schließlich ist ein noch unzureichend erforschtes Gebiet, obwohl zumindest für das Epstein-Barr-Virus und einige Papilloma-Viren Zusammenhänge gesichert sind. 308 SCHLÜSSEL ZUR ERKENNTNIS Der Schlüssel zur Erkenntnis: Die Epidemiologie Doch die Forschung geht weiter, und immer wieder werden neue Zusammenhänge erkannt. Meist sind es epidemiologische Studien, die zunächst einmal klären, ob die Inzidenz der fraglichen Erkrankung überhaupt mit der Verbreitung eines inkriminierten Agens zusammenpaßt. Eine dieser Studien wurde jüngst von Niklasson vorgestellt. Er hat mit seiner Arbeitsgruppe Zusammenhänge zwischen der Populations-Dichte von Mäusen und bestimmten Krankheiten in Skandinavien untersucht. Als Marker verwendete er die Rötelmaus (Clethrionomys glareolus), die auch bei uns in Mitteleuropa sehr häufig ist. Die Rötelmaus ist als Reservoir des Puumala-Virus, einer Hantavirus-Variante, bekannt (siehe dort). Fangdaten aus mehreren Jahrzehnten zeigten eine charakteristische Schwankung mit dreibis vierjährigen Peaks (siehe Abbildung 87). Anzahl Rötelmäuse je 100 Fangtage Rötelmaus-Dichte 1 Jahr vorher Todesfälle von Myocarditis 0,8 8 0,7 0,6 6 0,5 4 0,4 0,3 2 jährliche Inzidenz pro 100.000 0,9 10 0,2 0 0,1 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 Zeitraum von 1974-1986 Abbildung 87: Auftreten von Todesfällen nach Myocarditiden im Zusammenhang mit der Populations-Dichte der Rötelmaus (modifiziert nach Niklasson et al. 1998) Nun wurden diese Zyklen mit jenen verglichen, die erstaunlicherweise auch beim Auftreten von Myocarditis, Guillain-Barre-Syndrom und insulinabhängigem Diabetes mellitus in der gleichen Region nachgewiesen wurden. Und – man fand eine Überraschung! Alle drei Erkrankungen folgten geradezu gespenstisch genau den 309 SUCHE NACH VIREN Peaks bei der Rötelmaus-Population. Allerdings traten die Peaks bei der Myocarditis mit einer Verzögerung von einem Jahr, die des Guillain-Barre-Syndroms im selben Jahr, der insulinpflichtige Diabetes mellitus mit zweijähriger Verzögerung auf. Die Daten korrelieren signifikant (vgl. Abbildung 88). Anzahl Rötelmäuse je 100 Fangtage Rötelmaus-Dichte 2 Jahre vorher Auftreten von Diabetes mellitus 8 14 6 12 4 10 2 8 0 jährliche Inzidenz pro 100.000 16 10 6 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 Zeitraum von 1975-1991 Abbildung 88: Auftreten von Insulin-pflichtigem Diabetes mellitus im Zusammenhang mit der PopulationsDichte der Rötelmaus (modifiziert nach Niklasson et al. 1998) Nun wird in verschiedenen Nagerarten nach einem oder mehreren Viren gesucht, die für die Erkrankungen in Frage kommen könnten. Erste neue Isolate hat man bereits gefunden, darunter Echovirus-Verwandte. Derartige Viren können, soviel ist bereits bekannt, im Tierversuch sowohl Myocarditiden als auch neurologische Symptome und einen Diabetes mellitus auslösen. Nun sollen serologische Studien mit Hilfe der neuen Virusisolate durchgeführt werden, um den vermuteten Zusammenhang weiter zu erhärten. 310 FAZIT Ziehen wir also ein vorläufiges Fazit: Der Umbruch der Infektiologie und die daraus resultierenden neuen Erkenntnisse haben mit unglaublicher Geschwindigkeit unsere Auffassungen von der Ätiologie bestimmter Erkrankungen verändert - und sie tun es ständig weiter. Dennoch sei davor gewarnt, die Fehler der früheren Blütezeiten der Infektiologie zu wiederholen. Betriebsblindheit sollte unseren Blick nicht verstellen! Wo viel Neues entdeckt wird, werden auch «faule Eier» unter den Perlen zu finden sein. Dies soll uns aber nicht davon abhalten, neue Blickwinkel zu testen und unsere überkommenen Lehrmeinungen gelegentlich genauso kritisch zu überprüfen wie die brandneuen Erkenntnisse. Ausgewählte Literatur: Hörnfeldt B.: Synchronous population fluctuations in voles, small game, owls and tularemia in northern Sweden. Oecologia 1978; 32: 141-152. Niklasson B. et al.: Could myocarditis, insulin-dependent diabetes mellitus, and Guillain-Barre syndrome be caused by one or more infectious agents carried by rodents? Emerging Infect Dis 1998; 4 (Nr. 2). 311 ANHANG 15 ANHANG 1 LITERATURSUCHE Bibliotheken sind – in manchen Fällen – out, das Internet hilft meist weiter. Natürlich kann man mit der besten Suchmaschine nicht die spannenden älteren Literaturstellen finden (etwa Hans Zinsser’s «Rats, Lice, and History»). Da hilft dann nur die gute alte Unibibliothek weiter. Trotzdem kann man im Internet zu fast allen Themen der Infektiologie die neueren und meist hochaktuellen Literaturstellen nicht nur als Abstract, sondern sogar im Volltext finden. Besonders hilfreich bei der Erstellung dieses Buches waren folgende Adressen: Centers for Disease Control and Prevention (CDC) Atlanta: www.cdc.gov Wollen Sie wissen, wo gerade die Cholera ausgebrochen ist? Hier findet man einfach alles. Besonders gut sind die Volltext-Seiten der «Emerging Infectious Diseases» mit einer Fülle von Literaturzitaten und guten Übersichtsartikeln. Man kann aber auch einfach nach aktuellen Impfempfehlungen für ein bestimmtes Land oder Gesundheitstips («benutzen Sie Repellents») suchen. American Society of Microbiology (ASM) : www.journals.asm.org Alle Zeitschriften der ASM sind hier versammelt - vom Journal of Virology über das Journal of Clinical Microbiology bis zu Antimicrobials and Chemotherapy. Fast alle führenden infektiologischen Fachzeitschriften sind hier zu lesen. Recherche über Suchwörter möglich. Nachteil: Man vergißt beinahe, daß es auch noch andere wichtige Zeitschriften gibt. Journal of Infectious Diseases: www. press.uchicago.edu Kann man leider nicht mit der Konkurrenz vergleichen. Sehr lieblos, kein Volltext. 312 LITERATURRECHERCHE MEDLINE: www.aerzte-seite.de Einer der inzwischen zahlreich angebotenen kostenlosen Medline-Zugänge. www.nlm.nih.gov Der Medline-Originalzugang (kostenlos). New England Journal of Medicine: www.nejm.org Gute Seite, Volltext-Suche möglich, aber etwas umständlich. Suchmaschinen: www.altavista/digital.com Eines der führenden Rechnerverbundsysteme, wenn es um die Suche nach Dingen geht, bei denen man keine Ahnung hat, wo man überhaupt suchen könnte. Fördert immer viel Müll, aber auch Perlen zu Tage (der Lebenslauf von Daniel Alcides Carrión mag ein Beispiel sein). Motto: Wenn man das richtige Stichwort eingibt, dann klappt’s auch mit dem Nachbarn! Sonstige Beispiele: www.outbreak.org www.lymnet.org Server der amerikanischen Borreliose-Selbsthilfeorganisationen; exzellente Literatur-Suchmaschine 313 DIE AUTOREN 2 DIE AUTOREN Prof. Dr. Rüdiger Braun Virologe, Habilitation über Herpesviren. Aktiv tätig in der Wissenschaft, unter anderem als Herausgeber der Zeitschrift «Intervirology». Standespolitisch tätig im Deutschen Laborärzteverband. Derzeit – mit Freude – tätig als niedergelassener Laborarzt. Wundert sich immer wieder, was wir alles nicht wissen. Freut sich aber über jede neue Herausforderung. Priv.-Doz. Dr. Dieter Hassler Traumberuf: Geschichtenerzähler auf der Djemma el Fnaa in Marrakesch. Wegen fehlender Sprachkenntnisse dann doch Facharzt für Allgemeinmedizin, seit 1984 mit eigener Praxis. Seit 1996 Lehrbeauftragter an der Universität Heidelberg. Schwerpunkt: Infektiologie; ursprünglich ein Hobby während der mehrjährigen intensivmedizinischen Tätigkeit, später intensive Beschäftigung mit Zeckenübertragenen Erkrankungen. Eine dieser Zecken muß ein spezifisches, bisher nicht beschriebenes Virus übertragen haben… Wundert sich heute noch, was man in einer Allgemeinpraxis bei entsprechender «krimineller Energie» alles findet. Dr. rer. nat. Michael Hassler Chemiker mit diversen Hobbys. Hauptberuflich Forschungs- und Marketingleiter bei der RÜTGERS Organics GmbH in Mannheim. Sammelt Schmetterlinge und Wissen. Seit 1991 Vorsitzender des Landesnaturschutzverbandes Baden-Württemberg. Wundert sich über gar nichts, da er alle Artikel von Carl Barks kennt. 314 SCHLÜSSELLITERATUR Prof. Dr. Dr. Peter Kimmig 1970 Promotion in Medizin an der Universität Tübingen, 1975 Promotion in Biologie an der Universität Freiburg. Seit 1981 am Landesgesundheitsamt Stuttgart, seit 1992 Honorarprofessor an der Universität Hohenheim. Schwerpunkt der wissenschaftlichen Arbeit sind Zoonosen. Derzeit tätig als Leiter der Abteilung Infektiologie am Landesgesundheitsamt Stuttgart. Wundert sich immer wieder, was diese Allgemeinmediziner alles anschleppen, obwohl er auch fast alle Artikel von Carl Barks kennt. Priv.-Doz. Dr. Matthias Maiwald Mikrobiologe, mehrjährige Tätigkeit am Hygiene-Institut der Universität Heidelberg. Schwerpunkte: Borreliose, Legionellen, Morbus Whipple. Derzeit an den Relman-Labs in Stanford (USA). Gibt selten zu, daß er sich wundert, hofft aber, daß in Amerika alles besser wird. Gemeinsames Feature aller Autoren: ➤ Intensiver Glaube an Daniel Düsentrieb «dem Ingeniör ist nichts zu schwör» ➤ fehlende Angst vor Zecken 3 SCHLÜSSELLITERATUR (ZUM ALLERLETZTEN MAL!) Hassler D., Hassler M.: Die Rolle des rechtswendigen Gurkenmurksers (Deflator dextrospirillus Barks) in der Differentialdiagnose des Zeckenstichs der nördlichen Hemisphäre. Fortschr Med 1993; 111: 553-557. Hassler D., Hassler M.: Ursulinus elasticus zur prädiagnostischen Sedierung - oder: Vergeßt doch die Homöopathie, Leute! Fortschr Med 1995; 113: 120-123. 315 DANKSAGUNGEN 4 DANKSAGUNGEN Die experimentellen Arbeiten des Autors zum Thema Morbus Whipple werden durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert (Ma 1663/2-1, Ma 1663/3-1). Dr. Hans Jörg Meier-Willersen, Mannheim, und PD Dr. Axel von Herbay, Heidelberg, stellten die Abbildungen 6-8 zur Verfügung. Dr. Ronald J. Fallon (Glasgow, UK) stellte Abbildung 12 zur Verfügung. Prof. Lucy S. Tompkins, Dr. Andrea Polesky und Nahsa Ghori (Stanford, USA) stellten Abbildung 13 zur Verfügung. Dr. Trevor. W. Steele (Adelaide, Australien) lieferte hilfreiche Informationen über Legionellae longbeachae in Blumenerde. Jeff Springer (NCSU Aquatic Botany Laboratory, USA) stellte Abbildung 76 zur Verfügung. Die CDC/Atlanta war besonders vorbildlich; sie erteilte binnen weniger Stunden die Erlaubnis zur Reproduktion ihrer Bilder. In gleicher Weise unkompliziert stellten uns Dr. Hans Gelderblom vom Robert-Koch-Institut in Berlin sowie Prof. Dr. Erwin Schöpf, Ärztlicher Direktor der Universitäts-Hautklinik in Freiburg/Breisgau und Prof. Dr. Kurt Bienz, Abteilungsleiter Virologie am Institut für Medizinische Mikrobiologie der Universität Basel, ihre Bilder zur Verfügung. Im übrigen danken wir allen im Bildnachweis genannten Autoren und Verlagen für die Überlassung der Bildrechte. Ohne sie wäre dieses Buch nur halb so informativ. Viele Kollegen haben uns zusätzlich bei der kritischen Durchsicht geholfen. Stellvertretend für diese seien Dr. Volker Fingerle, München, Dr. Anne Sander, Freiburg, und Dr. Trevor Pettney, Adelaide (Australien) genannt. Last but not least bedanken wir uns bei den Firmen Pfizer, Hoffmann-La Roche und Hoechst Marion Roussel für die äußerst bereitwillige Unterstützung bei diesem aufwendigen Buchprojekt. 316 BILDNACHWEIS 5 BILD- UND QUELLENNACHWEIS Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7: Abbildung 8: Abbildung 9: Abbildung 10: Abbildung 11: Abbildung 12: Abbildung 13: Abbildung 14: Abbildung 15: Abbildung 16: Abbildung 17: Abbildung 18: Abbildung 19: Abbildung 20: Abbildung 21: Abbildung 22: Abbildung 23: Abbildung 24: Abbildung 25: Abbildung 26: Abbildung 27: Abbildung 28: Abbildung 29: Abbildung 30: Abbildung 31: Abbildung 32: Abbildung 33: Abbildung 34: Abbildung 35: Abbildung 36: Abbildung 37: Abbildung 38: Abbildung 39: Abbildung 40: Abbildung 41: Abbildung 42: Reproduktion aus: Laignel-Lavastine M.: «Histoire générale de la Médecine»; Band 3, Seite 155. Albin Michel Éditeur, Paris 1936-1949. Dr. M. Hassler, Mannheim Corbis, USA Dr. G. Zipperle, Bruchsal Dr. G. Zipperle, Bruchsal Dr. H.J. Meier-Willersen, Mannheim Priv.-Doz. Dr. A. von Herbay, Heidelberg Priv.-Doz. Dr. A. von Herbay, Heidelberg Dr. G. Zipperle, Bruchsal Dr. G. Zipperle, Bruchsal Prof. D.J. Hampson, Murdoch, Australien Dr. R.J. Fallon, Glasgow, UK Prof. L.S. Tompkins, Dr. A. Polesky und N. Ghori, Stanford, USA mit freundlicher Genehmigung der Pfizer AG, Zürich, Schweiz mit freundlicher Genehmigung der Pfizer AG, Zürich, Schweiz Prof. P.-A. Mårdh, Kivik, Schweden Priv.-Doz. Dr. D. Hassler, Kraichtal Priv.-Doz. Dr. D. Hassler, Kraichtal Dr. H. Gelderblom, Berlin Priv.-Doz. Dr. D. Hassler, Kraichtal Priv.-Doz. Dr. D. Hassler, Kraichtal Priv.-Doz. Dr. D. Hassler, Kraichtal Prof. Dr. E. Schöpf, Universitäts-Hautklinik, Freiburg/Breisgau Priv.-Doz. Dr. D. Hassler, Kraichtal Corbis, USA Priv. Doz. Dr. L. Zöller, Koblenz CDC, Atlanta, USA Priv. Doz. Dr. L. Zöller, Koblenz CDC, Atlanta, USA Links: Corbis, USA. Rechts: CDC, Atlanta, USA Dr. H. Gelderblom, Berlin Aus: Horseburgh C.R., Nelson A.M. (eds.): Pathology of emerging infections 2. ASM, Washington (D.C.)1998 (mit freundlicher Genehmigung von ASM Press, Washington, USA) modifiziert nach Gubler 1998 Priv.-Doz. Dr. D. Hassler, Kraichtal Dr. M. Zimmermanns, Steinen Priv.-Doz. Dr. D. Hassler, Kraichtal Priv.-Doz. Dr. D. Hassler, Kraichtal Aus Karte: Südamerika-Nord – Maßstab 1:4 Mio.; © GeoData/Mairs Geographischer Verlag, Ostfildern Aus: Garcia-Caceres U., Garcia F.U.: Bartonellosis – An immunodepressive disease and the life of Daniel Alcides Carrión. Am J Clin Pathol 1991; 95 (Suppl. 1): S58-S66 (mit freundlicher Genehmigung von Prof. U. Garcia-Caceres, Lima, Peru) Links Aus: Garcia-Caceres U., Garcia F.U.: Bartonellosis – An immunodepressive disease and the life of Daniel Alcides Carrión. Am J Clin Pathol 1991; 95 (Suppl. 1): S58-S66 (mit freundlicher Genehmigung von Prof. U. Garcia-Caceres, Lima, Peru) Rechts: Dr. H. Lieske, Hamburg «Anales de la Facultad de Medicina», Universität San Marcos, Peru Aus: Sander A. et al.: Bartonella(Rochalimaea)-Infektion: Katzenkrankheit und bazilläre Angiomatose. Dtsch Med Wschr 1996; 121: 65-69 (mit freundlicher Genehmigung Georg Thieme Verlag, Stuttgart) 317 BILDNACHWEIS Abbildung 43: Aus: Sander A. et al.: Bartonella(Rochalimaea)-Infektion: Katzenkrankheit und bazilläre Angiomatose. Dtsch Med Wschr 1996; 121: 65-69 (mit freundlicher Genehmigung Georg Thieme Verlag, Stuttgart) Abbildung 44: Aus: Sander A. et al.: Bartonella(Rochalimaea)-Infektion: Katzenkrankheit und bazilläre Angiomatose. Dtsch Med Wschr 1996; 121: 65-69 (mit freundlicher Genehmigung Georg Thieme Verlag, Stuttgart) Abbildung 45: Dr. M. Zimmermanns, Steinen Abbildung 46: Prof. P. Kimmig, Stuttgart Abbildung 47: Prof. P. Kimmig, Stuttgart Abbildung 48: Priv.-Doz. Dr. D. Hassler, Kraichtal Abbildung 49: Dr. M. Bechtel, Heidelberg Abbildung 50: Dr. U.G. Munderloh, Minneapolis Abbildung 51: Dr. U.G. Munderloh, Minneapolis Abbildung 52: Priv.-Doz. Dr. D. Hassler, Kraichtal Abbildung 53: Prof. Dr. W. Burgdorfer, U.G. Munderloh, S.F. Hayes sowie Rocky Mountain Laboratories des NIH, Hamilton (USA) Abbildung 54: Priv.-Doz. Dr. D. Hassler, Kraichtal Abbildung 55: Priv.-Doz. Dr. D. Hassler, Kraichtal Abbildung 56: Priv.-Doz. Dr. M. Maiwald, Stanford (USA) Abbildung 57: Priv.-Doz. Dr. D. Hassler, Kraichtal Abbildung 58: CDC, Atlanta, USA Abbildung 59: Corbis, USA Abbildung 60: Prof. K. Bienz, Institut für Medizinische Mikrobiologie der Universität Basel Abbildung 61: Priv.-Doz. Dr. D. Hassler, Kraichtal Abbildung 62: Aus: Heinz H.-M.: Dermatology. F. Hoffmann-La Roche & Co. Ltd, Basel 1983 (mit freundlicher Genehmigung der F. Hoffmann-La Roche AG, Basel, Schweiz) Abbildung 63: modifiziert nach Kantor, Scientific American 1998 Abbildung 64: Priv.-Doz. Dr. M. Maiwald, Stanford (USA) Abbildung 65: Priv.-Doz. Dr. D. Hassler, Kraichtal Abbildung 66: Priv.-Doz. Dr. D. Hassler, Kraichtal Abbildung 67: Priv.-Doz. Dr. D. Hassler, Kraichtal Abbildung 68: Priv.-Doz. Dr. D. Hassler, Kraichtal Abbildung 69: Priv.-Doz. Dr. D. Hassler, Kraichtal Abbildung 70: Priv.-Doz. Dr. D. Hassler, Kraichtal Abbildung 71: Dr. M. Bechtel, Heidelberg Abbildung 72: Aus: Giardia and giardiasis. Erlandsen and Meyer 1984 (mit freundl. Genehmigung von Plenum Press, New York) Abbildung 73: Prof. P. Kimmig, Stuttgart Abbildung 74: Dr. D. Burden. Aus: Tzipori S.: Cryptosporidium: Notes on epidemiology and pathogenesis. Parasitology Today 1985; 1 (6): 159-165 (mit freundl. Genehmigung von Elsevier Trends Journals, Cambridge, UK) Abbildung 75: Prof. P. Kimmig, Stuttgart Abbildung 76: Jeff Springer (NCSU Aquatic Botany Laboratory) Abbildung 77: Formelbild Abbildung 78: Formelbild Abbildung 79: Prof. H.M. Seitz, Bonn Abbildung 80: Prof. P. Kimmig, Stuttgart Abbildung 81: Prof. P. Kimmig, Stuttgart Abbildung 82: Prof. P. Kimmig, Stuttgart Abbildung 83: Dr. E. Zeyhle, Parasitologisches Institut der Universität Hohenheim Abbildung 84: modifiziert nach Roche 1998 Abbildung 85: modifiziert nach Roche 1998 Abbildung 86: modifiziert nach Roche 1998 Abbildung 87: modifiziert nach Niklasson et al. 1998 Abbildung 88: modifiziert nach Niklasson et al. 1998 318 INDEX 16 INDEX A Afipia felis 176 AIDS 40, 45, 65, 271, 274, 308 Akarizide 89 Aktinomyceten 36, 45 Algen 279 Altweltzeckenfieber 135 Alzheimer-Krankheit 80 Amöben 64f, 266 Amöbenruhr 308 Anaplasma marginale 189 Angiomatose, bazilläre 177f Apfelsaft 270 Apoptose-Protein 102 Argentinisches haemorrhagisches Fieber 125 Asthma 80 B Babesien 252ff Balkangrippe 84 Bandwurm 288ff Bannwarth-Syndrom 229, 238 Bartonellen 79, 127, 171 ff Baumwollratte 116, 119 Belastungs-EKG 68f Blaualgen 18, 283 Blutmahlzeit 195, 231 Bolivianisches haemorrhagisches Fiebers 126 Bone-breaking-fever 140 Borrelien 14, 96, 182, 194, 197, 199, 233ff, 252, 255 Brevetoxine 281f Brill-Zinsser-Krankheit 207 Burkholderia mallei 219 Burkholderia pseudomallei 219, 225 C C-reaktives Protein 69, 71 Campylobacter 26, 266 Capillary-leak-syndrome 118, 128, 140f, Castleman’s disease 103 Chagas-Krankheit 135 Chemokine 102 Chikungunya-Virus 151ff Chlamydien 69, 73ff, 179, 181 Cholera 312 Cholesterin 68, 70f, 77 Ciguatera 282 Ciguatoxin 281f Colitis ulcerosa 308 Conotoxine 284 Cowdria ruminatium 189 Coxsackieviren 308 Cryptosporidien 56, 263, 269ff Culex 147, 149 Cyanobakterien 18, 267 Cyclothymie 109, 111 D DDT 135 Deer Fly Fever 245 Depressionen 109, 111 Dermacentor 85, 209, 212, 246, 254 Diabetes mellitus 309f Diarrhetic Shellfish Poisoning 282 Dinophysistoxin 282 DNA-Analyse 305 DNA-Polymerase 302ff; ➪ Taq-Polymerase E Ebolavirus 108, 162, 275, 308 Eichhörnchen 222f, 245 Epstein-Barr-Virus 91, 93, 97, 101, 238 Erythema (chronicum) migrans 98, 229f, 234ff, 242 Erythromyelie 228 Eutrophierung 274, 276, 280 Exanthema subitum 94, 98, 104 F Fischsterben 273ff Flaviviren 136, 139, 147, 182f Fledermäuse 130, 133 Flughörnchen 207 Flughunde 130ff Four-corners-disease 119 Francisella tularensis 244f FSME 139, 158, 163, 182, 184ff, 252 FSME-Immunisierung 187f Fuchsbandwurm 292, 294ff Fugu 283 G Gelbfieber 135f, 139, 162 Gentechnik 15, 274 Gerichtsmedizin 305 Gewässerverschmutzung 276 Gonyautoxine 281, 283 Guanarito-Virus 126, 127 Guillain-Barre-Syndrom 309, 310 Gürtelrose 91, 93 Gürteltiere 176 H Haemaphysalis 209 Halobakterien 17 Hamster 257 Hantaan 114, 118, 123 Harnstoff 31 Hasenpest 244 Heartwater-Erkrankung 189 Heidelbeeren 294 Hendravirus 130ff Hepatitis C 139 Herpes genitalis 93 Herpes Zoster 93 Hirschmaus 115f, 122 Hundebandwurm 294, 296 Hydatiden 289, 296f IImmunfluoreszenz-Test 65f, 79, 100, 103, 123, 180, 199, 238 Inkoo-Virus 156 Intelligenzminderung 273 Ixodes 204, 209f, 212, 231, 246, 254 JJohne’s disease 50 Juga 191 Junin-Virus 125, 127, 129 K koronare Herzkrankheit (KHK) 25, 70f, 73, 75, 77, 179 Kleiderlaus 173f, 178, 202, 205, 207 Kleptoplastie 279 Koreanisches haemorrhagisches Fieber 113 Kriegsnephritis 114 Krim-Kongo-Fieber 115, 308 Kugelfisch 283 Kyasanur-Waldkrankheit 182 319 INDEX L La Crosse-Virus 156 Lassa-Virus 127f Läuse 182, 206 LCM-Virus 126ff Legionellen 19, 60ff, 245 Lemming 114, 116 Lochien 86, 88 Lone Star Tick 196 Lutzomyia 171 M Machupo-Virus 126, 127 Maitotoxin 281f Marburg-Virus 108 Masernvirus 108, 133 Me-Tri-Virus 152, 154 Meeresleuchten 280 Megamyxovirus 130 Melioidose 219 Menanglevirus 132f Milben 185, 205f, 213 Milch 47, 50f, 85, 88, 246 Miracidium 191 Mumpsvirus 108, 133 Muschelvergiftung 282 Mykobakterien 18, 47ff; ➪ Tuberkelbazillen N Neorickettsia helminthocea 194 Nephropathia epidemica 114, 117 Nipahvirus 132f O Ockelbo-Virus 151ff Omsk-Haemorrhagisches-Fieber 182 Onchozerkose 136 O’nyong-nyong-Virus 153 Oozysten 267, 269f Orientia tsutsugamushi 213f P Palytoxin 281f Phleboviren 115, 163 Plankton 273, 276, 280f, 285 Pontiac-Fieber 61, 65 Proglottiden 289, 291 Protoscolices 289, 296f Puumala-Virus 117, 309 Q Queensland tick typhus 210 Query-Fieber 84 R Repellentien 142, 164, 187 Rhabdomyolyse 244, 247 Rhipicephalus 208, 212, 254, 256 Rhotia dentocariosa 175 Rickettsien 60, 84f, 127, 173, 182, 189, 193, 205ff, 252 Rift-Valley-Fieber 115, 252 Rinderbandwurm 289 Ringelröteln 98 Rocky-Mountain-Spotted-Fever 135, 197, 205, 209, 212 Roseola infantum 94, 104 Ross River-Fever 151f Rotaviren 266 Rötelmaus 116, 309f Rotz 219 320 SSalmon poisoning disease 190 Salmonellen 13, 16, 167, 266 Sandfliegen 115, 163, 178 Sandmücken 163f, 171 Sarkoidose 39 Saxitoxine 281ff Scaritoxin 282 Schafe 84ff, 88f, 109, 182, 189, 195, 291 Schaumzellen 73f Schlafkrankheit 135, 162 Schweine 132f, 147, 276, 278, 291 Schwimmbäder 270 Semliki-Forest-Virus 151f Serpulina 55ff Sin-Nombre-Virus 115, 119 Sindbis-Virus 151ff Süßwasseramöben 19, 62f; ➪ Amöben Synergismus 52 T Tache noire 204, 206, 208, 210, 248 Tahyna-Virus 156f Taq-Polymerase 15, 304ff; ➪ DNA-Polymerase Tenazität 85 Tetrodotoxin 281ff Texas-Cattle-Fever 252, 256 Thermalquellen 17 Thermus aquaticus 15f, 66, 304ff; ➪ Taq-Polymerase Tollwutvirus 108 TOS-Virus 163f Trachom 78 Trematoden 194 Trichobilharzia 191 Trinkwasser 261, 263f, 267, 271 Tropheryma whippelii 36f Trophozoiten 262, 264 Tuberkelbazillen 24; ➪ Mykobakterien Tumornekrosefaktor 74, 237 U Überschwemmungen 146 Überwärmung der Gewässer 274 Urbanisation 146 Urease 26, 30f V Varicella-Zoster-Virus 91, 93 Venezolanische haemorrhagische Fieber 126 Verruga peruana 168f, 171, 177 W Wanderratte 116f Weißwedelhirsche 193, 195f West-Nil-Fieber 139 Whirlpool 61 Windpocken 91, 93 Wühlmäuse 178, 180, 195, 261, 291f X Xenopsylla cheopsis 207, 221, 224 Y Yersinien 216, 218, 220ff, 225, 266 ZZerkarien 191ff Zielsequenz 303ff; ➪ Taq-Polymerase Zooxanthellen 279 Zytokine 29, 44 Zytomegalievirus 91, 93, 97 Zytostatika 35, 103 Zytotoxin 29