28. September 2016 Semperoper 1. KAMMERABEND M I T T WO C H 2 8 .9.16 2 0 U H R I SEMPEROPER DRESDEN 1. KAMMERABEND K A M M E R M U S I K AU S TAU S C H M I T D E M G E WA N D H AU S O R C H E S T E R L E I P Z I G Gewandhaus-Bläserquintett PROGRAMM Katalin Stefula Flöte Simon Sommerhalder Oboe Thomas Ziesch Klarinette Ralf Götz Horn Albert Kegel Fagott Wolfgang Amadeus Mozart (17 5 6 -17 91) Divertimento B-Dur KV 270 für Bläserquintett 1. Allegro molto 2. Andantino 3. Menuetto. Moderato – Trio 4. Presto Felix Mendelssohn Bartholdy (18 0 9 -18 47 ) »Lieder ohne Worte« (Auswahl) Bearbeitung für Bläserquintett von Harry Staton Allegro con anima – op. 62, Nr. 4 Andante – op. 102, Nr. 6 Venetianisches Gondellied. Andante sostenuto – op. 19, Nr. 6 Presto – op. 102, Nr. 3 Moderato – op. 67, Nr. 5 Allegro vivace – op. 102, Nr. 5 Franz Danzi (176 3 -18 2 6) Bläserquintett B-Dur op. 56 Nr. 1 1. Allegretto 2. Andante con moto 3. Menuetto allegretto 4. Allegretto PAU S E Theodor Blumer (18 81-19 6 4) Quintett für Blasinstrumente op. 52 1. Sehr frisch und feurig 2. Romanze. Sehr ruhig und innig 3. Leicht fließend – Äußerst lebhaft 4. Finale. Sehr schwungvoll ZUM PROGRAMM »Der Knabe wird das Manual oder die Tastatur mit einem Tuch verdecken und auf dem Tuch so gut spielen, als ob er die Klaviatur vor Augen hätte.« So wird 1763 der außergewöhnliche Auftritt des siebenjährigen Wunderkindes Wolfgang Amadeus Mozart im Schwetzinger Schloss angekündigt – just in dem Jahr, als Franz Danzi ebenda geboren wird. Reichliche zehn Jahre später schreibt Mozart fünf Divertimenti für zwei Oboen, zwei Hörner und zwei Fagotte in seiner Salzburger Zeit zwischen 1775 und 1777. Der italienische Titel deutet auf eine Unterhaltungsmusik im Sinne einer musikalischen Untermalung von Gesellschaften und diversen Anlässen im Freien. Für Mozarts Divertimenti für Bläser ist kein konkreter Entstehungsanlass bekannt. Doch lässt sich eines vermuten: Die Salzburger Hofmusiker sind nämlich verpflichtet, »auf Unser Verlangen bey der Tafel eine Musique mit blasenden Instrumenten« aufzuführen, wie es etwa im Dienstvertrag des Oboisten Joseph Fiala am Salzburger Hof von 1778 steht. Für den komponierenden Mozart dürfte gleiches gelten. Das B-Dur-Divertimento KV 270 ist auf den Januar 1777 datiert. Es ist ein Werk, das den Erwartungen seiner Zeit entspricht. Dabei handelt es nicht um Tendenzen einer Angleichung des musikalischen Flusses als vielmehr um eine Harmonisierung unterschiedlicher Naturen. Im Kopfsatz weisen die erste und zweite Themengruppe Ähnlichkeiten auf durch eine vergleichbare Handhabung der Punktierung und Verwendung auffälliger Staccato-Achtelnoten. Die Übereinstimmung nimmt zu: Ein über mehrere Takte währendes Unisono beschließt den Satz. So unterschiedlich die nachfolgenden Sätze in ihrer Anlage sind, eine beschwingt heitere Melodik durchzieht sie allesamt. Im vorliegenden Programm ist das Divertimento in einer Fassung für Bläserquintett zu hören, bearbeitet von Günther Weigelt, ehemaliger Solofagottist des Gewandhausorchesters sowie ehemaliges Mitglied des Gewandhaus-Bläserquintetts. Die Ursprünge der Bezeichnung »Lieder ohne Worte« liegen vermutlich in Felix Mendelssohns Familie – wahrscheinlich geprägt von seiner Schwester Fanny. Ihre erste Erwähnung findet sich in einem Brief des Jahres 1828. Darin schreibt Fanny: »Felix hat mir dreierlei gegeben, ein Stück in mein Stammbuch, ein ›Lied ohne Worte‹, wie er in neuerer Zeit einige sehr schön gemacht hat, ein anderes Klavierstück … und ein großes Werk, ein vierchöriges Stück.« Schon früh ist man versucht, den Stücken Gedichte zu unterlegen, da es sich hier trotz ihrer gesanglichen Ausrichtung um Lieder handelt, denen das Entscheidende zu fehlen scheint, ihre textliche Grundlage. Auch feilt der Schriftsteller und Mendelssohn-Zeitgenosse Johann Peter an einer Textierung und beschreibt schließlich sein Scheitern: »Ich brachte denn auch ein Gedicht zusammen, das nicht zu meinen schlechtesten gehört und sich nach der Melodie singen lässt, aber hilf Himmel! Wie bleiern nahm sich nun das Lied aus! Da merkt’ ich denn bald, dass Mendelssohns Lieder ohne Worte richtiger so bezeichnet würden: ›Empfindungen, wofür es keine Worte gibt‹, und ich gab es auf, je einer solchen ätherischen Weise wieder Worte unterlegen zu wollen.« Ähnlich formuliert es Mendelssohn: »Die Leute beklagen sich gewöhnlich, die Musik sei so vieldeutig; es sei so zweifelhaft, was sie sich dabei zu denken hätten, und die Worte verstände doch ein jeder«, schreibt er an den Cousin seiner Frau. »Mir geht es aber gerade umgekehrt«, und fährt fort: »und nicht bloß mit ganzen Reden, auch mit einzelnen Worten, auch die scheinen mir so vieldeutig, so unbestimmt, so missverständlich im Vergleich zu einer rechten Musik, die Einem die Seele erfüllt mit tausend besseren Dingen, als Worten.« 48 lyrische Charakterstücke für Klavier sind in acht Heften zu jeweils sechs Nummern erschienen, wobei Heft 1 (op. 19) zunächst noch als »Melodies for the Piano-Forte« herauskommt. Das sechste Stück daraus trägt den Originaltitel »Venetianisches Gondellied«, einer von nur insgesamt fünf Titeln, die Mendelssohn eigenhändig voranstellt. Die sechs Stücke im Heft 8 op. 102, komponiert um 1842-1845, werden erst nach Mendelssohns Tod zusammengestellt und veröffentlicht. Der Lebensweg von Franz Danzi ist von Geburt an vorgegeben. Als Sohn des aus Italien stammenden Mannheimer Hofcellisten Innozenz Danzi erblickt er 1763 in Schwetzingen das Licht der Welt. Dorthin zieht sich der Kurfürst Carl Theodor alljährlich in den Sommermonaten zurück, begleitet von seiner Mannheimer Hofkapelle, dem damals führenden europäischen Orchester. Es ist durchaus üblich, dass die Söhne der Mannheimer Orchestermusiker an den hinteren Pulten der Kapelle spielen, kaum dass sie ihre Instrumente einigermaßen beherrschen. Neben Mannheim ist es später auch München, wo Danzi seine ersten Schritte als Komponist unternimmt. Insgesamt legt er 17 Bühnenwerke vor, die sein Interesse für die deutsche Oper dokumentieren. In Stuttgart findet er eine Anstellung als Hofkapellmeister und wird immer mehr zum Freund und Mentor des über 20 Jahre jüngeren Carl Maria von Weber. Ab 1812 wirkt er bis zu seinem Tod als Hofkapellmeister an der Badischen Hofkapelle Karlsruhe, gibt jedoch in seinen letzten Jahren das Arbeitspensum immer mehr an Jüngere ab. Als Mitarbeiter der Leipziger Allgemeinen musikalischen Zeitung erfährt er von Anton Reichas Kompositionen für Bläserquintett und ihren Erfolgen. Reicha ist es, der diese Ensembleformation 1817 in Paris mit seinen Werken populär macht. In den folgenden Jahren komponiert Danzi neun Bläserquintette, deren erste um 1821 als op. 56 in Paris und Berlin herauskommen. Das Quintett B-Dur op. 56 Nr. 1 besteht aus vier Sätzen. Formal erinnert es an ein klassisches Streichquartett mit gleichberechtigter Behandlung aller Instrumente. Der erste Satz, in Sonatenform, besticht u. a. durch eine Chromatik in Mozartscher Färbung. Das Andante con moto gibt sich als balladenhafte Romanze, der im Menuett ein volkstümlicher Duktus folgt. Den Finalsatz komponiert Danzi als ein Rondo alla caccia unter Verwendung von Jagdmotiven. Die Verbindungen der Sächsischen Staatskapelle zu Theodor Blumer sind vielschichtig. 1881 in Dresden geboren, ist er der Sohn des Kammermusikers Theodor Emanuel Josef Blumer, der aus Prag stammt und ab 1879 als Violonist bei der Dresdner Königlichen Kapelle unter Vertrag steht. Blumer jun. studiert Komposition bei Felix Draeseke, einem der bedeutendsten Vertreter der Musik seiner Zeit, sowie Klavier am Dresdner Konservatorium und lebt anschließend als Pianist und Konzertbegleiter in seiner Heimatstadt. Ab 1906 geht er als Korrepetitor und Kapellmeister an das Hoftheater Altenburg, kehrt 1911 allerdings wieder an die Elbe zurück, wo er u. a. seine Zusammenarbeit mit der Bläservereinigung der damaligen Dresdner Hofkapelle intensiviert. Als er nach dem Ersten Weltkrieg als Soldat aus Russland heimkehrt, trifft er auf John Amans, den seinerzeitigen Soloflötisten der Sächsischen Staatskapelle, der ihn ermutigt, Werke für Blasinstrumente zu komponieren. Schnell werden seine Arbeiten von allen nennenswerten Bläservereinigungen aufgeführt und tönen in ganz Deutschland, der Schweiz, Italien und Amerika. Im Rundfunkwesen ist er seit 1925 beim Aufbau der ersten musikalischen Sendungen in Dresden beteiligt. 1931 geht er nach Leipzig, wo der Sendebetrieb 1928 erweitert wurde, und arbeitet hier als Kapellmeister beim Reichssender Leipzig. Das Quintett ist »der ersten Bläservereinigung der Dresdner Staatsoper« gewidmet (so die Formulierung auf dem Deckblatt der Zimmermannschen Ausgabe Leipzig). Der Druck präsentiert auch die Namen der Dresdner Bläsersolisten: Friedrich Rucker (Flöte), Emil Johannes König (Oboe), Karl Schütte (Klarinette), Paul Blödner (Horn) und Wilhelm Knochenhauer (Fagott). Weithin unbekannt ist, ob es zu einer frühen Aufführung in Dresden kommt. Belegt ist vielmehr eine Wiedergabe in Leipzig, wo es in der Gewandhaus-Kammermusik vom 16. Dezember 1924 gespielt wird, doch lässt sich daraus nicht schließen, ob es sich hier um eine Gewandhaus-Erstaufführung oder gar um die Uraufführung handelt. Das Werk wird von einer üppigen spätromantischen Harmonik getragen, die in nennenswertem Maße von so unterschiedlichen Komponisten wie Johannes Brahms, Max Reger und dem jungen Richard Strauss beeinflusst ist. Einige der heroisch anmutenden Hornfiguren könnten direkt aus Strauss’ Feder stammen. Gewandhaus-Bläserquintett Das Gewandhaus-Bläserquintett, gegründet 1896, kann durchaus als älteste noch bestehende kammermusikalische Vereinigung dieser Art bezeichnet werden. Führende Bläsersolisten um den Oboisten Alfred Gleißberg, maßgeblich vom Gewandhauskapellmeister Artur Nikisch gefördert, präsentierten sich damals erstmalig dem Publikum. In seiner über hundertjährigen Geschichte ist es zum festen, traditionellen Bestandteil des Gewandhausorchesters geworden. Die fünf Bläser spielen in der Besetzung: Katalin Stefula (Flöte), Thomas Hipper (Oboe), Thomas Ziesch (Klarinette), Ralf Götz (Horn) und Albert Kegel (Fagott). Das Zentrum der musikalischen Tätigkeit bilden seit Jahrzehnten die Anrechtskammermusiken im Gewandhaus. Im Laufe seiner jüngeren Geschichte hat das Gewandhaus-Bläserquintett Kompositionen unter anderem von Siegfried Thiele, Bernd Franke und Tilo Medek uraufgeführt. Ein besonderes Anliegen ist dem Ensemble die jugendpädagogische Arbeit: Seit mehreren Jahren musiziert es regelmäßig in Schulkonzerten für Kinder und Jugendliche. VORSCHAU 2. Symphoniekonzert S A M S TAG 1.10 .16 18 U H R M O N TAG 3.10 .16 2 0 U H R D I E N S TAG 4 .10 .16 2 0 U H R S E M P ER O P E R D R E S D E N Myung-Whun Chung Dirigent Sir András Schiff Klavier Robert Schumann Klavierkonzert a-Moll op. 54 Gustav Mahler Symphonie Nr. 5 cis-Moll 2. Kammerabend D O N N E R S TAG 13.10 .16 2 0 U H R S E M P ER O P E R D R E S D E N Tangente Quattro Anja Krauß Violine Franz Schubert Violine Heiko Mürbe Viola Ulrich Rüger Violoncello Blechbläser der Sächsischen Staatskapelle Dresden Manuel Westermann Pauken Jobst Schneiderat Orgel Streichquartettkompositionen und -bearbeitungen von Werken von Piazzolla, Gershwin u. a. Henri Tomasi »Fanfares Liturgiques« für Bläserensemble mit Pauken und Schlagzeug Samuel Barber »Mutations from Bach« für 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba und Pauken Sofia Gubaidulina »Risonanza« für 3 Trompeten, 4 Posaunen, Orgel und 6 Streichinstrumente Kammermusik der Sächsischen Staatskapelle Dresden Gegründet 1854 als TonkünstlerVerein zu Dresden Verantwortlich: Friedwart Christian Dittmann, Ulrike Scobel und Christoph Bechstein IMPRESSUM Sächsische Staatskapelle Dresden Chefdirigent Christian Thielemann Spielzeit 2016| 2017 H E R AU S G E B E R Sächsische Staatstheater – Semperoper Dresden © September 2016 R E DA K T I O N André Podschun TEXT Der Einführungstext von André Podschun ist ein Originalbeitrag für dieses Heft G E S TA LT U N G U N D S AT Z schech.net Strategie. Kommunikation. Design. DRUCK Union Druckerei Dresden GmbH Private Bild- und Tonaufnahmen sind aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet. W W W. S TA AT S K A P E L L E - D R E S D E N . D E