des DFP-Literaturstudiums im NÖ Consilium

Werbung
Foto: Bernhard Noll
LITERATURSTUDIUM
Foto: bilderbox.com
Start des DFP-Literaturstudiums im NÖ Consilium
Dr.in Martina
Hasenhündl
I
m Rahmen unserer großen DFP-Informationskampagne, die
im Herbst 2014 gestartet wurde, habe ich Ihnen angekündigt,
künftig auch DFP-Literaturstudium im NÖ Consilium anzubieten. Jetzt ist es soweit und ich freue mich, Ihnen in dieser Ausgabe den ersten DFP-Fachartikel vorstellen zu können.
Die Ärztekammer für Niederösterreich bietet Ihnen in den
kommenden zehn Consilium-Ausgaben qualitativ hochwertiges,
DFP approbiertes Literaturstudium aus den unterschiedlichsten
Fachbereichen.
Den Beginn macht ein Artikel zum Thema „Ernährungsmedizinische Konzepte bei Adipositas“, eine Problematik, mit der
wir im Praxisalltag zunehmend und in Zukunft aller Voraussicht nach noch verstärkt konfrontiert werden. Für das Lecture
Board konnten zwei österreichische Experten auf dem Gebiet
der Ernährungsmedizin und Adipositas gewonnen werden.
Herr Univ.-Prof. Dr. Hermann Toplak, Vorstandsmitglied der
Österreichischen Adipositas Gesellschaft sowie Herr Univ.-Prof.
Dr. Kurt Widhalm, der Doyen der Ernährungsmedizin in Österreich.
Mit dem Literaturstudium stellen wir Ihnen ein weiteres kostenloses Fortbildungsangebot zur Verfügung und möchten Ihnen
damit auch gleichzeitig den Weg zum Fortbildungsnachweis
2016 etwas erleichtern.
An dieser Stelle verweise ich auch nochmals auf die Lange Nacht
der Fortbildung am 6. November 2015 in Wien, die wir gemeinsam mit der Ärztekammer für Wien veranstalten.
Der thematische Bogen reicht von Suchtmedizin über Kardiologie und Infektiologie bis hin zu Ernährungsmedizin. Die mit
hochkarätigen ReferentInnen besetzte Veranstaltung in besonderem Rahmen des Apothekertraktes im Schloss Schönbrunn,
wird kostenlos angeboten und soll neben der fachlichen Fortbildung auch den interkollegialen Austausch fördern.
DR.IN MARTINA HASENHÜNDL
Leiterin der Fortbildungsakademie
der Ärztekammer für Niederösterreich
Wichtiger Hinweis:
Detaillierte FAQs und alle Informationen zum DFPProgramm und dem Fortbildungsnachweis 2016 finden
Sie auch auf unserer Homepage unter www.arztnoe.at/
DFP2016
Für alle Fragen zur Einreichung des Fortbildungsdiploms
steht Ihnen die Fortbildungsakademie der Ärztekammer für
NÖ gerne zur Verfügung, E-Mail: [email protected],
Tel: 01/53 751-270
Registrierung zum Online-Fortbildungskonto unter
www.meindfp.at
Für Detailfragen zum Online-Fortbildungskonto (Registrierung) wenden Sie sich bitte an die Supporthotline der
Österreichischen Akademie der Ärzte GmbH: E-Mail:
[email protected], Tel: 01/512 63 83 – 33
CONSILIUM 09/15
23
Foto: bilderbox.com
DFPFORTBILDUNG
Ernährungsmedizinische Konzepte
bei Adipositas
PROF. DR. H. HAUNER
Institut für Ernährungsmedizin, Klinikum rechts der Isar der TU München,
Uptown München, Campus
INHALT
Überlegungen zur Ernährungstherapie
Ernährungsmedizinische Konzepte
Praktische Umsetzung
Langzeitergebnisse
Fazit für die Praxis
LECTURE BOARD
Univ.-Prof. Dr. Kurt Widhalm
Österreichisches Akademisches Institut für Ernährungsmedizin
Univ.-Prof. Dr. Hermann Toplak
Medizinische Universität Graz und
Vorstandsmitglied der Österreichischen Adipositas Gesellschaft
FORTBILDUNGSANBIETER
Ärztekammer für Niederösterreich
Wipplingerstraße 2, 1010 Wien
REDAKTIONELLE BEARBEITUNG
Punkte sammeln auf...
SpringerMedizin.at
Das DFP-Literaturstudium ist Teil
des Diplom-Fortbildungs-Programms
(DFP) der Österreichischen Ärztekammer und ermöglicht qualitätsgesicherte Fortbildung durch das
Studium von Fachartikeln nach den
Richtlinien des DFPs.
DFP-Punkte online, per Post, Fax oder
E-Mail
Der Multiple-Choice-Fragebogen des
DFP kann bis zum 30. September 2016
eingereicht werden:
• Online: Für eingeloggte User steht
der Beitrag und der Fragebogen
unter www.springermedizin.at/
fortbildung/ zur Verfügung.
• per Post: Prinz-Eugen-Straße 8-10,
1040 Wien
• per Fax: +43 1 330 24 26
• per E-Mail (eingescannter Test) an:
[email protected]
Approbation
Diese
Fortbildungseinheit wird
mit 2 DFP-Punkten approbiert. Die
Fortbildungspunkte werden rasch
und unkompliziert mit Ihrer ÖÄKNummer elektronisch verbucht.
Mag. Ingo Schlager
Eine Literaturliste ist auf Anfrage bei der Redaktion erhältlich.
Der Originalartikel ist erschienen in der Zeitschrift „Der Internist 2/2015“.
© Springer Verlags GmbH 2015
Kontakt und weitere Informationen
Springer-Verlag GmbH
Springer Medizin
Susanna Hinterberger
[email protected]
SpringerMedizin.at
CONSILIUM 09/15
25
DFPFORTBILDUNG
Ernährungsmedizinische
Konzepte bei Adipositas
E
ine hohe Energieaufnahme infolge überkalorischer Ernährung und eine Verringerung des Energieverbrauchs infolge
von Bewegungsmangel sind – neben einem komplexen genetischen Hintergrund – die Hauptursachen für die weit verbreitete
Adipositas. Nach den Ergebnissen einer kürzlich durchgeführten, bevölkerungsrepräsentativen Studie (DEGS) sind rund 24 %
aller erwachsenen Deutschen mit einem Body-Mass-Index (BMI)
≥ 30 kg/m2 adipös.
Von den konservativen Therapieoptionen gilt eine hypokalorische Ernährung als wirksamste Maßnahme zum Erreichen einer
negativen Energiebilanz und damit zur Senkung eines erhöhten Körpergewichts. Diese Einschätzung drückt sich auch darin
aus, dass es eine unüberschaubare Anzahl von „Diäten“ zur
Gewichtssenkung gibt. Die meisten Menschen mit Adipositas
und Wunsch auf Gewichtsabnahme versuchen zunächst eine
hypokalorische Kost, meist aus Eigeninitiative und ohne medizinische Begleitung.
ten (z. B. Tiefkühlpizza) ist ungebrochen. Die zahllosen Essensangebote im Alltagsleben erschweren zusätzlich ein geregeltes
Essverhalten.
Diese oft spontan konsumierten Take-away- und ConvenienceProdukte sind i.d.R. fett-, zucker- und kalorienreich und machen
eine kognitive Kontrolle der Nahrungszufuhr schwierig. Die
hohe Energiedichte dieser Produkte begünstigt zudem eine übermäßig hohe Kalorienzufuhr bei gleichzeitig niedriger Nährstoffdichte, da es sich üblicherweise um stark verarbeitete Lebensmittel handelt. Hinzu kommt, dass die angebotenen Portionsgrößen
weit über den tatsächlichen und sinnvollen Bedarf hinausgehen
und einen Überkonsum fördern. Eine US-amerikanische Studie
hat gezeigt, dass der unverminderte Anstieg der Kalorienzufuhr
in den letzten 15 Jahren v. a. auf eine Zunahme der Essgelegenheiten zurückgeführt werden kann.
Ernährungsmedizinische Konzepte
Alle aktuellen evidenzbasierten Leitlinien zur Behandlung der
Adipositas empfehlen eine Kombination von energiereduzierter
Ernährung, Steigerung der körperlichen Bewegung und Verhaltensmodifikation als sinnvollste Interventionsstrategie. In einer
Metaanalyse erwies sich diese Kombination als wirksamer als
Ernährungstherapie allein.
In der Ernährungsmedizin dominierte bis vor etwa 10 Jahren
das Dogma einer fettreduzierten Kost als diätetische Strategie zur
Senkung eines erhöhten Körpergewichts. Obwohl dieses Konzept auch heute unverändert gilt, gab es in den letzten Jahren
eine Vielzahl neuer Ansätze und kontrollierter Studien, um die
bislang unbefriedigenden Ergebnisse der Adipositastherapie zu
verbessern.
Überlegungen zur Ernährungstherapie
Grundsätzlich gilt, dass die Ernährungstherapie der Adipositas an den Ursachen ansetzen sollte. Eine an der Pathogenese
orientierte Ernährungstherapie impliziert, sich die aktuellen
Trends im Ernährungsverhalten in der Bevölkerung bewusst zu
machen. Die Ernährung der mitteleuropäischen Bevölkerung
hat sich in den letzten 20 bis 30 Jahren deutlich diversifiziert
und verändert (Infobox 1). Dabei fällt auf, dass die traditionellen
Ernährungsmuster nach und nach verloren gehen. Insbesondere
jüngere Menschen, die häufig in Einpersonenhaushalten leben,
halten immer weniger geregelte Essenszeiten ein und bereiten
ihre Mahlzeiten immer seltener selbst zu. Der Trend zum AußerHaus-Verzehr und zu fast verzehrfertigen Convenience-Produk26
CONSILIUM 09/15
Im letzten Jahrzehnt wurden viele neue Konzepte zur Ernährungstherapie vorgeschlagen und in Studien evaluiert. Damit
steht heute ein breit gefächertes Spektrum von evidenzbasierten Therapien zur Verfügung (siehe Tab. 1, Infobox 2). Die persönlichen Wünsche der Betroffenen können stärker als bisher
berücksichtigt werden; damit ist – theoretisch – eine höhere
Compliance zu erwarten.
Im Folgenden werden die aktuellen ernährungsmedizinischen
Konzepte zur Behandlung der Adipositas vorgestellt. Auf das
nahezu unüberschaubare Angebot an mehr oder weniger unseriösen hypokalorischen Crash-Diäten soll hier nicht eingegangen
werden.
Mäßig energiereduzierte Kostformen
Fettreduzierte Mischkost
Die auch heute noch gültige Standardempfehlung ist die fettreduzierte Mischkost mit einem Energiedefizit von ca. 500 – 600
kcal/Tag. Damit ist rechnerisch eine Energieeinsparung von
Infobox 1: Trends im Ernährungsverhalten, die
Übergewicht fördern
•
•
•
•
•
Hohe Energiedichte in modernen Lebensmitteln
Übermäßige Portionsgrößen
Ständige Verfügbarkeit von Fastfood
Anhaltender Trend zum Außer-Haus-Verzehr
Hoher Konsum energiereicher Kalt- und Warmgetränke
DFPFORTBILDUNG
der Reduktion der Kohlenhydratzufuhr
abhängig war.
Durch einen anfangs deutlichen oder völligen Verzicht auf Kohlenhydrate kommt
Mäßig energiereduzierte Kostformen Deutlich energiereduzierte Kostformen
es zu einem erheblichen Energiedefizit
(Energiedefizit 500 – 800 kcal/Tag)
(Energiezufuhr von max. 1.200 kcal/Tag)
und damit zu einer schnellen GewichtsAlleinige Fettreduktion
Sehr niedrigkalorische Diät (Formula-Diät)
abnahme. Dabei werden bis zu 40 % der
Energiereduzierte Mischkost
Gesamtenergie eingespart, die nur teilweise
Kohlenhydratarme Kostformen
durch einen höheren Verzehr von Fett und
Mahlzeitenersatzstrategie
Eiweiß ausgeglichen werden, sodass ein
mit Formula-Produkten
deutliches Energiedefizit verbleibt. Daher
fand sich in der Mehrzahl der Studien
Infobox 2: Kalorienreduktion
anfänglich ein größerer Gewichtsverlust als bei konventionellen
Bei jeder Kalorienbeschränkung sollte beachtet werden,
fettreduzierten Kostformen, der aber nach spätestens einem Jahr
dass die Gewichtsabnahme von Person zu Person sehr
nicht mehr nachweisbar war.
Tabelle 1:
Evidenzbasierte ernährungsmedizinische Konzepte zur Gewichtsreduktion
variabel sein kann, in erster Linie in Abhängigkeit von der
unterschiedlichen Motivation und Compliance der Teilnehmer. Aus diesem Grund wird bei Gewichtsreduktionsstudien häufig der Anteil der Personen mit wenigstens 5 % oder
10 % Gewichtsverlust angegeben. Wenn mehr als 50 % der
Teilnehmer > 5 % und mehr als 20 % der Teilnehmer > 10 %
des Ausgangsgewichts verlieren, kann von einem wirksamen Programm gesprochen werden.
3.500 kcal/Woche zu erwarten, was einer Gewichtsabnahme von
etwa 500 g entspricht. Damit ist durchschnittlich eine Gewichtsreduktion von ca. 5 kg über den Zeitraum eines Jahres möglich.
Die Zufuhr aller Makronährstoffe wird moderat begrenzt; als
wichtigste Einzelkomponente gilt die Verringerung des Fettverzehrs, sodass es sich um eine fettreduzierte Kost handelt. Durch
Erhöhung des Verzehrs von ballaststoffreichem Gemüse, Obst
und Getreideprodukten lässt sich eine gute Sättigung bei gleichzeitig hoher Nährstoffdichte erzielen. Diese Kost hat den großen Vorteil, dass sie praktisch nebenwirkungsfrei und sicher ist.
Sie erfordert keinen hohen Betreuungsaufwand und kann als
Ernährungskonzept ohne Einschränkung auch auf Dauer empfohlen werden.
Kohlenhydratarme Kostformen
Kohlenhydratarme und fett- bzw. eiweißliberale Kostformen wurden in den letzten Jahren stark propagiert. Dieser Trend war
zunächst durch ein Revival der Atkins-Diät in den USA ausgelöst worden. Bereits früher hatte es Phasen gegeben, in denen
diese „ketogenen Diäten“ sehr beliebt waren. Eine Metaanalyse
dieser älteren Studien zeigte, dass der beobachtete Gewichtsverlust von der Dauer und der Kalorieneinsparung, nicht aber von
Der Begriff kohlenhydratarme bzw. Low-Carb-Kostformen ist
bislang nicht klar definiert. Die Kohlenhydrataufnahme variiert
je nach Konzept zwischen 20 g/Tag (bei der Atkins-Diät) und
40 Energieprozent (En%). Eine sehr starke Kohlenhydratbegrenzung ist nach den bisherigen Erfahrungen weder sinnvoll noch
auf längere Sicht durchführbar. Dagegen scheint eine mäßige
Kohlenhydratreduktion gut vertretbar zu sein, sofern ein ausreichend hoher Verzehr von Ballaststoffen sichergestellt und eine
hohe Zufuhr gesättigter Fette vermieden werden kann, was allerdings unter westlichen Ernährungsbedingungen schwer umsetzbar ist. In der Praxis ist eine Erhöhung der Zufuhr gesättigter
Fetten und eine Abnahme der Ballaststoffaufnahme kaum zu
vermeiden.
Unklar ist bisher, wie sich stark kohlenhydratreduzierte Kostformen auf das kardiovaskuläre Risiko auswirken. Vor allem
der mäßige Anstieg des LDL-Cholesterins wird hierbei kritisch
gesehen. Inzwischen liegen die Ergebnisse zahlreicher Kohortenstudien zu dieser Frage vor: Eine neuere Metaanalyse ergab, dass
eine kohlenhydratarme Kost mit einem signifikant erhöhten
Risiko für Gesamtmortalität assoziiert ist; allerdings sind weitere
Studien nötig, um diesen Zusammenhang genauer zu klären.
Proteinbetonte Kostformen
Obwohl sich Low-Carb-Diäten durch einen meist hohen Proteinanteil auszeichnen, gibt es Kostformen, die primär auf eine
Erhöhung des Proteinanteils zielen. Eine Metaanalyse solcher
Interventionsstudien ergab, dass eiweißreiche Diäten (20 – 30 %
der Energiezufuhr) im Durchschnitt zu einem etwas größeren
Gewichtsverlust führen als hypokalorische Kostformen mit übliCONSILIUM 09/15
27
Foto: bilderbox.com
DFPFORTBILDUNG
che n
Eiweißmengen (ca.
15 % der Energiezufuhr).
Dieser Vorteil
wird auf die stärkere
Sättigung durch einen
hohen Eiweißgehalt zurückgeführt. Eine solche Kost geht allerdings auch mit einem Anstieg von Harnstoff und -säure sowie
einem erhöhten Risiko für Nierensteine einher. Eigene Untersuchungen zeigten, dass eine erhöhte Zufuhr tierischer Proteine zu
einem Anstieg der glomerulären Filtrationsrate (GFR) führt und
damit die Nieren unnötig belasten könnte.
Daneben weisen Kohortenstudien darauf hin, dass ein hoher
Verzehr tierischer Proteine das Diabetes- und Arterioskleroserisiko und damit das Mortalitätsrisiko erhöht. Zu erwähnen ist
hier, dass Protein aus pflanzlichen Quellen diese ungünstigen
Eigenschaften nicht zu besitzen scheint, systematische Studien
dazu fehlen aber.
Bedeutung der Makronährstoffzusammensetzung
In der Vergangenheit wurde immer wieder die Frage aufgeworfen, inwieweit die Makronährstoffzusammensetzung (Kohlenhydrate, Fette, Eiweiß) verschiedener Diäten den Gewichtsverlust
beeinflusst. In einer Studie wurden 811 adipöse Erwachsenen
mit einem mittleren BMI von 33 kg/m2 über 2 Jahre mit vier
hypokalorischen Kostformen mit einem Kohlenhydratanteil zwischen 35 % und 65 % und normalem oder hohem Eiweiß- (15 %
bzw. 25 En%) bzw. Fettanteil (20 % bzw. 40 En%) behandelt.
Dabei konnten keine Unterschiede hinsichtlich Gewichtsabnahme, Besserung von Risikofaktoren sowie Hunger- und Sättigungsscores beobachtet werden. Der Gewichtsverlust hing aber
mit der Therapieadhärenz zusammen. Damit ist überzeugend
belegt, dass der Gewichtsverlust nicht von der Makronährstoffzusammensetzung, sondern allein von der Kalorienbegrenzung
abhängt.
In weiteren Studien wurden populäre kommerzielle Diäten mit
mäßiger Energiebegrenzung in randomisierten Interventionsstudien über 12 Monate hinsichtlich Wirksamkeit und Sicherheit verglichen. Während Dansinger et al. in ihrer Studie keine
Unterschiede im Gewichtsverlust zwischen den vier eingesetzten Diäten (Atkins, Ornish, Weight Watchers, Zone) fanden,
zeigte sich in einer ähnlichen Studie (Vergleich von Atkins,
Zone, Ornish und LEARN) ein kleiner Vorteil zugunsten der
28
CONSILIUM 09/15
Atkins-Diät. Die Unterschiede zwischen diesen Diäten waren
aber klinisch marginal, auch die Drop-out-Raten wichen kaum
voneinander ab. Eine neuere Metaanalyse dieser Studien kam
zu dem Ergebnis, dass mit diesen mäßig energiebegrenzten Kostformen unabhängig von ihrer Zusammensetzung im Laufe eines
Jahres eine durchschnittliche Senkung des Körpergewichts um
1,9 BMI-Einheiten zu erreichen ist.
Mittelmeerkost
Es gibt eine Metaanalyse, die dafür spricht, dass die Einhaltung
einer mediterranen Kost ebenfalls mit einer mäßigen Gewichtsabnahme einhergeht. Dies wurde v. a. in der DIRECT-Studie
aber auch in anderen Studien nachgewiesen.
Drastisch energiereduzierte Kostformen
Mäßig hypokalorische Kostformen benötigen i.d.R. einen Zeitraum von 3 bis 6 Monaten, bis eine Gewichtsabnahme von
etwa 5 – 10 % des Ausgangsgewichts erreicht wird. Ist aus medizinischen oder anderen Gründen eine schnellere und größere
Gewichtsabnahme erwünscht, können – zeitlich begrenzt – auch
Kostformen mit einem höheren Energiedefizit eingesetzt werden. Dazu werden meist definierte Formula-Produkte verwendet. Dabei handelt es sich um industriell hergestellte, definierte
Nährstoffpulver meist auf Molkebasis, die mit einer täglichen
Energiezufuhr von mindestens 800 kcal und höchstens 1.200
kcal angeboten werden. Formuladiäten müssen als diätetische
Lebensmittel dem § 14 der Diätverordnung und der entsprechenden EU-Richtlinie (96/8/EG) entsprechen. Diätetische
Lebensmittel, die in Österreich für den Einsatz im Rahmen der
Adipositastherapie vorgesehen sind, werden zudem genauestens
durch die 112. Verordnung des Bundesministeriums für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz geregelt. In der Diätverordnung sind auch die zugesetzten Mengen an essenziellen Fettsäuren, Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralstoffen festgelegt.
In Österreich sind verschiedene Formula-Produkte im Handel,
die u. a. über Apotheken, Reformhäuser und im Direktverkauf
vertrieben werden, i.d.R. ohne fachliche Unterstützung bzw.
Beratung. Sie werden meist entweder im Rahmen einer Mahlzeitenersatzstrategie oder einer zeitlich begrenzten, sehr niedrigkalorischen Diät eingesetzt.
Mahlzeitenersatzstrategie
Zunächst werden zwei Hauptmahlzeiten durch ein FormulaProdukt ersetzt, die dritte „normale“ Hauptmahlzeit sollte ausgewogen sein und etwa einen Energiegehalt von 500 – 600 kcal
enthalten. Nach einem Gewichtsverlust von etwa 10 kg wird nur
DFPFORTBILDUNG
noch eine Hauptmahlzeit ersetzt, um das neue Gewicht zu halten. Der Patient kann dabei sein eigenes Gewichtsmanagement
betreiben. Studien belegen, dass sich mit dieser Strategie auch
langfristig eine gute Gewichtssenkung erreichen lässt.
Sehr niedrigkalorische Diäten
Formula-Produkte werden auch eingesetzt, um für begrenzte Zeit
ein extremes Energiedefizit bei gleichzeitiger Sicherstellung der
Zufuhr essenzieller Nährstoffe zu ermöglichen. Damit lässt sich
ein größerer Gewichtserfolg herbeiführen. Dabei sollte eine tägliche Energiezufuhr von 800 kcal aus Sicherheitsgründen nicht
unterschritten und die Anwendung auf 12 Wochen begrenzt
werden. Auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr von ca. 2,5
– 3 l/Tag ist unbedingt zu achten. Die Gewichtsabnahme liegt
bei 15 – 20 kg über den maximalen Zeitraum von 12 Wochen.
Diese Kostform ist besonders bei Personen mit einem BMI ≥
35 kg/m2 sinnvoll. Sie ist einfach anzuwenden, da sie stark von
den normalen Verzehrgewohnheiten abweicht und es infolge der
Ketonkörperbildung schnell zu einer Dämpfung des Hungergefühls kommt. Sehr niedrigkalorische Diäten erfordern wegen
potenzieller Risiken eine gute medizinische Betreuung.
Nebenwirkungen wie Schwindel infolge von Blutdruckabfall,
Hungergefühl, Nervosität, Konzentrationsstörungen, Frieren,
Verstopfung treten häufig auf. Auch gefährlichere Komplikationen wie Herzrhythmusstörungen infolge des Kaliummangels,
Nierenversagen und Ketoazidose wurden beschrieben, insbesondere bei multimorbiden Patienten im mittleren bis höheren Lebensalter. Eine relativ engmaschige ärztliche Betreuung
ist daher gerade bei Personen mit Begleiterkrankungen unverzichtbar. Bei schwangeren und stillenden Frauen, Kindern und
Jugendlichen, Menschen im Alter von > 60 Jahren, Personen mit
einem BMI < 30 kg/m2 und Personen mit schweren akuten oder
chronischen Erkrankungen sollten solche Diäten grundsätzlich
nicht eingesetzt werden.
Formula-Diäten sollten immer mit Bewegungssteigerung und
Verhaltensmodifikation (v. a. Anti-Stress-Maßnahmen) kombiniert werden, da sonst eine hohe Rückfallquote zu erwarten
ist. Nach Beendigung einer solchen Diät sollte unbedingt ein
neues Essverhalten mit normaler Kost eingeübt werden. Doch
selbst unter optimalen Bedingungen kommt es bei den meisten
Personen innerhalb weniger Monate zu einem deutlichen Wiederanstieg des Körpergewichts. Langzeitstudien zeigen dennoch,
dass 4 bis 5 Jahre nach Teilnahme an einem solchen Programm
im Durchschnitt noch ein mittlerer Gewichtsverlust von 7 kg
bezogen auf das Ausgangsgewicht verbleibt.
Praktische Umsetzung
Der entscheidende Erkenntnisgewinn aus den neuen Studien
ist, dass der Korridor für die Wahl einer gewichtssenkenden
Ernährung relativ groß ist und eine maßgeschneiderte Therapie
nach den Wünschen des Betroffenen erlaubt. Als Orientierung
lässt sich grob angeben, dass der Fettanteil unter 35 – 40 % der
Gesamtenergiezufuhr bleiben sollte, während die Zufuhr von
Kohlenhydraten (40 – 60 % der Gesamtenergie) und Protein
(10 – 30 % der Gesamtenergie) recht variabel gestaltet werden
kann. Ein inhaltlich dogmatisches Vorgehen, wie in der konventionellen Ernährungsberatung nicht selten praktiziert, ist angesichts der Vielfalt begründeter neuer ernährungsmedizinischer
Behandlungskonzepte nicht mehr vertretbar.
Für den kurz- und langfristigen Gewichtsverlust kommt es weniger auf die Art der Kalorienbegrenzung, sondern entscheidend
auf die Energiebilanz an. Dies bedeutet für die Praxis, dass es
bezüglich der Lebensmittelpräferenzen großen Spielraum gibt.
Durch geschickte und bewusstere Lebensmittelauswahl, insbesondere fettärmere Lebensmittel und Erhöhung der Ballaststoffzufuhr, und energieärmere Zubereitung lässt sich eine Energieeinsparung von 500 – 800 kcal/Tag ohne Einschränkung der
Essensmengen und unter Erhalt einer guten Sättigung erreichen.
Ein solches Konzept erfordert die Kenntnis der Ernährungsgewohnheiten des Patienten. Diese sollten stets vor Beginn einer
Therapie ermittelt werden, z. B. durch Ernährungsprotokolle.
Erst auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung der individuellen Präferenzen sollte dann eine gezielte Ernährungsberatung erfolgen (Infobox 3).
Gleichzeitig sind die neuen gesellschaftlichen Herausforderungen stärker zu beachten, die eine erhöhte Energiezufuhr
begünstigen. Hier sind v. a. die ständige Verfügbarkeit von
Lebensmitteln meist hoher Energiedichte und der Trend zum
Außer-Haus-Verzehr von Convenience-Produkten zu nennen.
Der hohe Konsum zuckerhaltiger Getränke fördert gerade bei
jüngeren Menschen eine Gewichtszunahme. Daher geht es
darum, dem Patienten attraktive Alternativen bei der AußerHaus-Verpflegung aufzuzeigen, die seinen Geschmacksvorlieben
und letztlich seinem Lebensstil entsprechen und dabei dennoch
einer Gewichtsabnahme bzw. -kontrolle nicht im Weg stehen.
Da viele Menschen den Zeitaufwand für die Mahlzeitenzubereitung möglichst niedrig halten wollen, ist es wichtig, jeden übergewichtigen/adipösen Menschen in die Lage zu versetzen, aus
CONSILIUM 09/15
29
DFPFORTBILDUNG
dem großen Angebot von Convenience- und Fertigprodukten
diejenigen auszuwählen, die eine ausgewogene und energetisch
angemessene Ernährung erlauben. Geeignete Nährwerttabellen
wie „Kalorien mundgerecht“ oder Apps für Smartphones können hierbei wertvolle Unterstützung bieten.
Langzeitergebnisse
Das eigentliche Hauptproblem in der Adipositastherapie stellt
die Stabilisierung des Gewichterfolgs dar, die offenkundig nur
einer Minderheit von 10 – 20 % über einen mehrjährigen Zeitraum gelingt. Wesentlicher nachhaltiger sind dagegen die Ergebnisse der bariatrischen Chirurgie bei extremer Adipositas, die
allerdings Menschen mit einem BMI von ≥ 40 kg/m2 vorbehalten ist.
Vielen Patienten und ihren Therapeuten ist nicht klar, dass es
nach einer Gewichtsabnahme notwendig ist, die Energiezufuhr
dauerhaft zu verringern, um einen Wiederanstieg des Körpergewichts zu verhindern. Nach den Untersuchungen von Leibel
et al. führt ein Gewichtsverlust von 10 % des Körpergewichts
zu einer Abnahme des Gesamtenergieverbrauchs um bis zu
550 kcal/Tag. Kehren Personen nach einer Gewichtsabnahme
wieder zu ihren alten Ernährungsgewohnheiten zurück, ist ein
Wiederanstieg des Körpergewichts vorprogrammiert und unvermeidlich. Am besten hat sich hier eine Strategie mit fettarmer
Infobox 3: Praktische Empfehlungen zur
Ernährungstherapie bei Übergewicht/Adipositas
• Ernährungsinformation und -schulung inkl. Nährwerttabellen
• Reduzierung der Energiezufuhr um 500 – 600 kcal/Tag auf
der Grundlage eines Ernährungsprotokolls
• Weniger fettreiche Lebensmittel und fettarme Zubereitungsarten
• Reichlich Gemüse, Salate, Obst, Vollkornprodukte
• Ausreichende Proteinzufuhr, auf Wunsch und bei intakter Nierenfunktion höhere Eiweißzufuhr
• Ausschließlich kalorienfreie Getränke (bei Wunsch süßstoffgesüßte Alternativen)
• Verteilung auf 3 Mahlzeiten/Tag
• Zwischenmahlzeiten und Snacks nach Möglichkeit ganz
meiden
• Monitoring der Nahrungsaufnahme (Selbstbeobachtung)
• Regelmäßige Gewichtskontrolle
30
CONSILIUM 09/15
Ernährung bewährt, die sich nachweislich zur Verhinderung
einer Wiederzunahme nach Gewichtsreduktion eignet.
Auswertungen des US-amerikanischen National Weight Control
Registry zeigen, dass v. a. eine fettreduzierte Kost bzw. ein Verzicht auf Fastfood sowie eine hohe körperliche Aktivität geeignet
sind, um eine Wiederzunahme zu verhindern bzw. zu begrenzen.
Die überwiegende Mehrzahl der erfolgreichen Langzeitabnehmer ernährte sich sehr fettarm, ein kleinerer Prozentsatz hielt
eine kohlenhydratarme Kost ein. Auch die Selbstkontrolle des
Körpergewichts durch regelmäßiges Wiegen ist eine wirksame
Strategie, um einem Wiederanstieg des Körpergewichts vorzubeugen.
Fazit für die Praxis
•Eine übermäßige Energiezufuhr im Rahmen der modernen
Ernährung ist maßgeblich an der Entwicklung einer Adipositas beteiligt. Eine wichtige Rolle spielt dabei der steigende
Konsum energiedichter Fertiglebensmittel und -gerichte, die
zumeist in zu großen Portionen angeboten werden.
•Ziel der Ernährungstherapie ist eine ausgewogene, aber energiereduzierte Kost mit einem Energiedefizit von ca. 500 – 800
kcal/Tag und einem hohen Anteil pflanzlicher Lebensmittel,
um eine gute Sättigung zu erreichen.
•Bei der Auswahl der Lebensmittel und Speisen kommt es weniger auf die Makronährstoffzusammensetzung, sondern allein auf den Energiegehalt an.
•Die persönlichen Vorlieben der Patienten sollten beachtet,
gleichzeitig aber energieärmere Lebensmittelalternativen bevorzugt werden.
•Wichtig ist, eine passende Mahlzeitenstruktur zu etablieren
und spontane Snacks zwischendurch, sei es in fester Form
oder als Getränke, grundsätzlich zu meiden.
•Bei medizinischer Indikation können zeitlich begrenzt und
unter ärztlicher Betreuung auch sehr niedrigkalorische Diäten
eingesetzt werden. Ohne langfristige Ernährungsumstellung
ist allerdings eine Wiederzunahme des Körpergewichts zu erwarten.
PROF. DR. H. HAUNER
Institut für Ernährungsmedizin,
Klinikum rechts der Isar der TU München,
Uptown München, Campus
© Springer Verlags GmbH 2015
DFPFORTBILDUNG
Foto: bilderbox.com
Fragebogen
zum DFP-Literaturstudium
I
m Rahmen des Diplom-Fortbildungsprogramms ist es möglich, durch das Literaturstudium im NÖ Consilium Punkte für das DFP
zu erwerben.
1.Nach der Lektüre des DFP-Artikels beantworten Sie bitte die Multiple-Choice-Fragen. Eine Frage gilt dann als richtig beantwortet,
wenn alle möglichen richtigen Antworten angekreuzt sind. Bei positiver Bewertung (66 Prozent der Fragen) werden Ihnen 2 DFPFachpunkte zuerkannt.
2.Schicken Sie diese Seite entweder per Post oder Fax an die Redaktion von Springer Medizin Wien (z. Hd. Susanna Hinterberger),
Prinz-Eugen-Straße 8-10, 1040 Wien, Postfach 11, Fax: 01 / 330 24 26
3.Einsendeschluss: 30. September 2016
4.Internet: Sie haben die Möglichkeit, den Fragebogen unter www.SpringerMedizin.at/fortbildung herunterzuladen oder unter ELearning auf der Website der Österreichischen Akademie der Ärzte www.meindfp.at auszufüllen.
1. Eine Kombination welcher Maßnahmen ist Teil jeder leitliniengerechten Empfehlung zur konservativen Behandlung
der Adipositas? (3 richtige Antworten)
 a.energiereduzierte Ernährung
b.Steigerung der körperlichen Bewegung
c.tägliche Flüssigkeitszufuhr von mind. 4 Litern Wasser
d.Verhaltensmodifikation des Patienten
2. Welches Kriterium ist bei einer Diät ausschlaggebend für
den Gewichtsverlust? (1 richtige Antwort)
 a.Kalorienreduzierung
 b.Mikronährstoffzusammensetzung
 c.Makronährstoffzusammensetzung
d.Tageszeit der Mahlzeiten
4. Was ist bei der Durchführung von sehr niedrigkalorischen
Diäten zu beachten? (3 richtige Antworten)
a.Es muss eine medizinische Indikation gestellt sein
b.Die Diät muss zeitlich begrenzt sein
c.Die Mahlzeiten sollten möglichst reich an Proteinen sein
d.Die Diät muss unter ärztlicher Aufsicht erfolgen
5. Welche schwerwiegenden Komplikationen können im Zuge einer sehr niedrigkalorischen Diät auftreten? (2 richtige
Antworten)
 a.Ketoazidose
 b.Herzrhythmusstörungen
 c.Cerebrale Durchblutungsstörungen
 d.Pankreatitis
3. Welches ernährungsmedizinische Konzept zur Gewichtsreduktion zählt zu den deutlich energiereduzierten Kostformen? (1 richtige Antwort)
 a.Kohlenhydratarme Diät
 b.Energiereduzierte Mischkost
 c.Formula-Diät
 d.Alleinige Fettreduktion
6. Wodurch ist eine mäßig energiereduzierte Kostform gekennzeichnet? (1 richtige Antwort)
a.Energiezufuhr von max. 1200 kcal/Tag
b.Energiezufuhr von max. 1500 kcal/Tag
c.Energiedefizit von 500–800 kcal/Tag
d.Energiedefizit von 1000–1500 kcal/Tag
Absender (bitte gut leserlich ausfüllen):
Zutreffendes bitte ankreuzen:
Name: __________________________________________

Frau Adresse:__________________________________________
Ich besitze ein gültiges ÖÄK-Diplom
Ort/PLZ:__________________________________________
Altersgruppe:  < 30
 31 – 40
 41 – 50
 51 – 60
 > 60
Telefon:__________________________________________
ÖÄK-Nummer: __ __ __ __ __ __
Herr
CONSILIUM 09/15
31
Herunterladen