Dr. J. Reinhardt Sommersemester 2014 Theoretikum zur Vorlesung Theoretische Physik II für Lehramtskandidaten Lösungen zu Blatt 11 Aufgabe 1 a) Es sind insgesamt fünf Zeitintervalle zu unterscheiden. Die vom Magnetfeld durchflossene Fläche innerhalb der Leiterschleife ist zunächst Null, wächst dann linear an, hat für einen Zeitraum der Länge ℓ/v den konstanten Wert ℓ2 , fällt dann wieder linear auf Null ab und verbleibt auf diesem Wert. Wenn als t = 0 der Zeitpunkt definiert wird, an dem das vordere Ende der Leiterschleife das Magnetfeld erreicht, dann findet man für den Zeitverlauf des umschlossenen magnetischen Flusses Φ(t): 0 t<0 ℓvtB 0 ≤ t < vℓ ℓ2 B für vℓ ≤ t < 2ℓ Φ(t) = v 3ℓ 2ℓ ℓv v − t B ≤ t < 3ℓ v v 3ℓ 0 t≥ v Nach dem Induktionsgesetz wird dann folgende Spannung in der Leiterschleife induziert: −ℓvB 0 ≤ t < vℓ dΦ Uind (t) = − 0 für vℓ ≤ t < 2ℓ = v dt 3ℓ 2ℓ ≤t< v ℓvB v R ~ die Orientierung der Fläche so Hierbei wurde für die Flussberechnung Φ = dF~ · B gewählt, dass die Flächennormale in positive z-Richtung zeigt, dF~ = dF ~ez . Der Umlaufssinn der Randkurve (also der Leiterschleife) zeigt dann in mathematisch positiver Richtung, d.h. entgegen dem Uhrzeigersinn. Der Induktionsstrom Iind = Uind R fließt damit im Intervall 0 ≤ t < ℓ/v in Richtung des Uhrzeigersinns und im Intervall 2ℓ/v ≤ t < 3ℓ/v in entgegengesetzer Richtung. Dies macht man sich auch aus der Lenzschen Regel klar (vgl. Aufgabe 1c von Blatt 10). b) Für die Kraft auf die Stromschleife (beschrieben als eindimensionaler Stromfaden) gilt die Gleichung I ~ ~ F = Iind d~l × B 1 Betrachten wir zunächst das erste Zeitintervall 0 ≤ t < ℓ/v. Die Zerlegung des Kurvenintegrals in die Beiträge der einzelnen Seiten des Quadrats liefert I Z ℓ/2 Z vt Z vt ~ ~ ~ F = Iind dl × B = Iind dx B ~ex × ~ez + dy B(−~ey ) × ~ez + dx B(−~ex ) × ~ez 0 −ℓ/2 0 = Iind B vt(−~ey ) + ℓ(−~ex ) + vt ~ey = Iind Bℓ(−~ex ) . Auf die “Rückseite” der Schleife wirkt überhaupt keine Kraft, die Kräfte auf die beiden längsgerichteten Seiten heben sich gegenseitig auf. Was verbleibt ist eine Kraft, die der Bewegungsgechwindigkeit entgengerichtet ist, also eine Abbremskraft. Sie wirkt, während die Stromschleife in den Feldbereich eindringt und fällt dann auf Null ab. Beim Verlassen dieses Bereichs sind Induktionsspannung und -strom entgegengesetzt gerichtet. Diesmal ist es aber die Rückseite der Leiterschleife, auf die die Kraft wirkt, was ein weiteres Minuszeichen liefert. Deshalb wirkt auch beim Verlassen des Magnetfelds eine Abbremskraft. Der Betrag der Abbremskraft ist proportional zur Fläche der Leiterschleife, zur Geschwindigkeit und zum Quadrat des Magnetfelds: F = Iind Bℓ = ℓ2 B 2 v ℓvB Bℓ = . R R F Iind z ® B 0 y ® l/v 2l/v 3l/v Uind F x Fx c) Die durch die Abbremskraft bewirkte mechanische Leistung (Kraft mal Weg pro Zeit) errechnet sich als ℓ2 B 2 v 2 . R Wenn ein Strom durch einen elektrischen Widerstand fliesst entsteht Joulesche Wärme. Die Leistung errechnet sich aus dem Produkt von Spannung und Strom: Pmech = F v = 2 Uind (ℓvB)2 = . R R Wie es sein muss, wird die geleistete mechanische Arbeit vollständig in Wärme umgesetzt. PJoule = Uind Iind = d) Der elektrische Widerstand R eines Drahts ist laut Vorlesung proportional zu dessen Länge und umgekehrt proportional zu Leitfähigkeit σ und Querschnitt a. Als konkreter Zahlenwert ergibt sich R= 4 · 0.2 m 4ℓ = 0.013 Ω . = 1 σa 6 · 107 Ωm 10−6 m2 2 Die Induktionsspannung ist Uind = ℓvB = 0.2 m 10 m2 Vs m 1T = 2 = 2V s s m2 und führt zum Induktionsstrom Iind = Uind 2V = = 154 A . R 0.013 Ω Die Abbremskraft ist F = Iind ℓB = 154 A 0.2 m 1 T = 31 N . Für die Abbremsleistung ergibt sich schließlich Pmech = PJoule = Uind Iind = 2 V 154 A = 308 W . Anmerkung: Der beschriebene Induktionsstrom entsteht nicht nur in einer einzelnen Leiterschleife sondern auch, wenn sich eine durchgehende Metallplatte relativ zu einem lokalisierten Magnetfeld bewegt. Man spricht dann von Wirbelströmen. Diese können einerseits zu unerwünschten Energieverlusten führen, andererseits lassen sie sich auch nutzbringend anwenden, z.B. in der Wirbelstrombremse. Diese kommt beispielsweise in Eisenbahnzügen des Typs ICE3 als Zusatzbremse zum Einsatz: Starke Magnete werden bis auf wenige Millimeter Abstand zu den Schienen abgesenkt. In den Schienen werden dadurch Wirbelströme induziert, die den Zug durch den eben berechneten Mechanismus abbremsen. Der große Vorteil hierbei ist, dass die Wirbelstrombremse im Gegensatz zu mechanischen Bremsen vollkommen berührungs- und damit verschleissfrei arbeitet. Aufgabe 2 Zu berechnen ist der Poynting-Vektor auf der Mantelfläche ρ = R des zylindrischen Drahts. Die elektrische Feldstärke ist konstant ~ = E ~ez mit E = U/L. Die magneund zeigt entlang des Drahts, E tische Feldstärke ist azimutal gerichtet und hat bei ρ = R nach dem ~ = I ~eϕ . Ampereschen Gesetz wie früher berechnet den Wert H 2πR Damit lautet der Poynting-Vektor ~=E ~ ×H ~ = E I ~ez × ~eϕ = − EI ~eρ . S 2πR 2πR ® E ® S ® H I ~eρ , ~eϕ und ~ez sind die drei orthogonalen Koordinaten-Einheitsvektoren in Zylinderkoordinaten. Das Resultat beschreibt einen stationären Energiestrom, der durch die Mantelfläche radial ins Innere des Drahts fließt. In ein Drahtstück der Länge L (Mantelfläche F = 2πRL) fließt pro Zeiteinheit die Energie Z dW ~ = −2πRL EI = −EIL = −UI . P = = dF~ · S dt 2πR O Dieser Wert ist negativ, da die Energie in den Draht hineinfließt. Wir stellen fest, das dies genau mit der im Draht dissipierten Jouleschen Wärme PJoule = U I 3 übereinstimmt. Dieses Resultat ist überraschend: Die in Wärme umgesetzte Verlustleistung wird durch das kombinierte elektrische und magnetische Feld aus dem Außenraum in den Draht hinein transportiert! Die Bewegung der Ladungsträger (Elektronen) im Draht ist nach dieser Betrachtung also nicht für den Energietransport verantwortlich, anders als bei der Strömung einer Flüssigkeit in einem Rohr. Aufgabe 3 Ohne Magnetfeld entspricht die Bewegung des Elektrons im Atom genau der Keplerschen Planetenbewegung. Die Newtonsche Bewegungsgleichung lautet m~r¨ = F~C eep 1 F~C = ~er 4πǫ0 r 2 mit der Coulomb-Kraft wobei der Wasserstoffkern (Proton) die Ladung ep = −e = |e| trägt. Im Spezialfall einer Kreisbewegung (r = const, konstante Winkelgeschwindigkeit) ergibt sich für die Beschleunigung ~r¨ = −r ϕ̇2 ~er und die Bewegungsgleichung lautet (Gleichgewicht zwischen Coulomb-Kraft und Zentrifugalkraft) mr ϕ̇2 = e2 1 . 4πǫ0 r 2 Also ergibt sich für die Kreisfrequenz ω0 = ϕ̇ der ungestörten“ (B = 0) Elektronenbahn ” (wie schon in Aufgabe 3 von Blatt 8) s e2 . ω0 = 4πǫ0 mr 3 Im Rahmen der klassischen Mechanik sind beliebige Bahnradien r möglich, während die Quantenmechanik nur bestimmte quantisierte“ Werte erlaubt, z.B. den Bohrschen Ra” dius aB für den Zustand niedrigster Energie. Dies ist für die folgende Betrachtung aber nicht wichtig. ~ wirkt die Lorentz-Kraft Bei Anwesenheit eines Magnetfelds B ~ + ~v × B) ~ , F~L = e(E ~ senkrecht auf der Kreisbahn stehen soll, gilt ~v × B ~ = vB~eϕ × ~ez = wobei ~v = ωr ~eϕ . Da B ωrB ~er . Die elektrische (Coulomb-) Kraft und die magnetische Kraft zeigen also beide in radialer Richtung. Daher erlaubt die Bewegungsgleichung weiterhin Kreisbahnen, aber mit veränderter Winkelgeschwindigkeit: mr ϕ̇2 = e2 1 − eωrB . 4πǫ0 r 2 Dies ist eine quadratische Gleichung für ω: ω2 + eB ω − ω02 = 0 m mit der positiven Lösung r eB 2 eB ω=− + ω02 + . 2m 2m 4 |e|B Für kleine Magnetfeldstärken ≪ ω0 lässt sich der zweite (quadratische) Term in der 2m Wurzel vernachlässigen. Damit ergibt sich näherungsweise ω ≃ ω0 − eB |e|B = ω0 + . 2m 2m Also lautet die Frequenzverschiebung δν = |e|B 1 ∆ω ≃ . 2π 4πm ~ parallel (antiparUm diesen Wert erhöht (erniedigt) sich die Umlaufsfrequenz wenn B allel) zu ~ω steht. In der Atomphysik äußert sich dies in einer Energieverschiebung der Spektrallinien bei Anwesenheit von Magnetfeldern. 5