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Lineare Algebra: Grundlagen
Vorlesungsskript
Dr. Mark Steinhauer
13. April 2016
Prof. Dr. Stefan Ruzika & Dr. Mark Steinhauer
Mathematisches Institut
Campus Koblenz
Inhaltsverzeichnis
1 Aussagenlogik
1.1 Beweistechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Quantoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.1 Der Allquantor (∀) . . . . . . . . . . . . .
1.2.2 Die Existenzquantoren (∃ und ∃!) . . . . .
1.2.3 Reihenfolge von Quantoren (∀∃ oder ∃∀?).
1.2.4 Rechenregeln für Quantoren . . . . . . . .
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1
. 5
. 7
. 7
. 8
. 10
. 10
2 Mengen
12
3 Relationen
16
4 Abbildungen
20
4.0.5 Umkehrabbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
5 Gruppen, Ringe und Körper
26
6 Natürliche Zahlen und Vollständige Induktion
33
2
1 Aussagenlogik
Das grundlegende Handwerkszeug des Mathematikes ist die Aussagenlogik, und zu den
grundlegenden Begriffen der modernen Mathematik gehören die Begriffe der Menge und
der Abbildung.
Grundlagenfragen sind allerdings (fast) immer auch schwierige Fragen. Sie setzen in aller Regel eine tiefe Kenntnis der Materie voraus, um ihre Bedeutung und ihren Reiz zu
erschließen. Für einen Neuling/Anfänger sind sie dagegen ein trockenes, wenig appetitanregendes Brot.
Wir werden daher die Aussagenlogik sowie die Begriffe der Menge und der Abbildung
nur in einem „naiven“ Sinn kurz ansprechen. Wir verzichten hier bewußt auf eine mathematisch präzise Formulierung, da Aufwand und Ertrag für unsere Zwecke in keinem
vernünftigen Verhältnis stehen. Im Wesentlichen geht es darum, sich auf einen Sprachgebrauch für alles Weitere zu verständigen.
• Grundlagen zur exakten Beschreibung mathematischer Sachverhalte und ihrer logischen Beziehung untereinander.
• Elemente der Aussagenlogik tauchen in Programmiersprachen auf, z.B. die logischen Operatoren AND, &&, NAND, NOR, OR, XOR etc. und spielen damit auch
in der Informatik eine grundlegende Rolle.
Das Gebäude der Mathematik wird mit den Regeln der Aussagenlogik errichtet. Dessen
Bausteine sind Aussagen im Sinne von Aristoteles, denen genau einer von zwei möglichen
Wahrheitswerten zukommt.
„Definition“ 1.1:
Eine Aussage ist ein sprachliches Gebilde, von dem es sinnvoll ist (und das wahr
oder falsch ist), zu fragen, ob es wahr oder falsch ist. (Aristotelisches Zweiwertigkeitsprinzip)
Wahrheitswerte:
wahr
falsch
(1)
(0)
(true)
(false)
Beachten Sie: Wir müssen dabei nicht wissen oder entscheiden, ob die Aussage tatsächlich
wahr ist. Es gibt in der Mathematik also kein vielleicht - solche Formulierungen werden
gar nicht erst zugelassen.
1
1 Aussagenlogik
Beispiel 1.2: Aussagen sind z.B. . . .
a) 2 ist eine Primzahl.
b) Es gibt unendlich viele Primzahlen.
c) Heute ist Montag.
d) 1 + 1 = 7
Keine Aussagen sind . . .
e) 5 − 2
f) Möchten Sie noch etwas Tee?
g) x2 ≥ 2
h) Alle meine Aussagen sind falsch.
Dabei ist unerheblich, ob der Wahrheitswert einer Aussage tatsächlich bekannt ist. So ist
„Es gibt unendlich viele Primzahlzwillinge.“ sicher wahr oder falsch, nur wissen wir dies
bis heute nicht.
Definition 1.3 (Logische Operatoren/Logische Verknüpfungen):
∧ und
⇒
aus . . . folgt . . .
∨ oder
⇔ . . . genau dann, wenn . . .
¬ nicht
„Definition“ 1.4: Eine Aussageform ist ein sprachliches Gebilde, das Variablen enthält und durch Einsetzen von Wahrheitswerten zu einer Aussage wird.
Beispiel 1.5:
a) x ist eine gerade Zahl. Bezeichnen wir diese Aussageform mit A(x),
so sind A(2), A(4), A(6), . . . wahr, während A(1), A(3), A(5), . . . falsch sind.
b) B(x) : x2 ≥ 0. B(x) ist für jede reelle Zahl x wahr.
Mit Hilfe von logischen Operatoren können kompliziertere Aussage(forme)n gebildet werden.
Beispiel 1.6:
H(p) : p ist eine Primzahl und p2 + 2 ist eine Primzahl.
I(p) : p3 + 2 ist eine Primzahl.
2
1 Aussagenlogik
H(p) ⇒ I(p).
„Wenn p eine Primzahl ist und p2 + 2 eine Primzahl ist, dann ist auch p3 + 2 eine
Primzahl.“
Beinhaltet ein Ausdruck Variablen (Wahrheitswerte) x, y, z, . . . sowie die logischen Symbole ¬, ∨, ∧, ⇒, ⇔, so bezeichnen wir ihn als (logischen) Term. Die Wahrheitswerte
elementarer Terme sind wie folgt definiert:
x
0
0
1
1
y
0
1
0
1
¬x
1
1
0
0
x∧y
0
0
0
1
x∨y
0
1
1
1
x⇒y
1
1
0
1
x⇔y
1
0
0
1
Die Verwendung der Operatoren ¬, ∧, ∨, ⇔ entspricht dabei dem „normalen“ Sprachgebrauch. Der Operator ⇒ sollte näher erläutert werden: „aus einer falschen Aussage
kann alles gefolgert werden“, da x ⇒ y wahr ist, wenn x falsch ist.
Beispiel 1.7:
a) „Wenn n gerade ist, dann ist 3n gerade.“
Diese Aussage ist wahr und es gilt für n = 3:
„Wenn 3 gerade ist, dann ist 9 gerade.“
Diese Schlussfolgerung ist richtig, auch wenn „9 ist gerade“falsch ist.
b) „Wenn m gerade ist, dann ist 2m gerade.“
Diese Aussage ist wahr und es gilt für m = 3:
„Wenn 3 gerade ist, dann ist 6 gerade.“
Analyse komplizierterer logischer Terme mit Wertetabelle:
Beispiel 1.8: Behauptung: Der Ausdruck
(x ∧ (x ⇒ y)) ⇒ y
ist eine Tautologie, d.h. er nimmt für jede Belegung von x und y mit Wahrheitswerten
den Wert „wahr“ an.
3
1 Aussagenlogik
Wertetabelle:
x
0
0
1
1
y
0
1
0
1
x⇒y
1
1
0
1
x ∧ (x ⇒ y)
0
0
0
1
(x ∧ (x ⇒ y)) ⇒ y
1
1
1
1
Beispiel 1.9: Behauptung: Die Terme x ⇒ y und (¬x) ∨ y sind gleichwertig, d. h. diese
Terme besitzen denselben Wahrheitswerteverlauf.
Wertetabelle:
x y x ⇒ y ¬x (¬x) ∨ y
0 0
1
1
1
0 1
1
1
1
1 0
0
0
0
1 1
1
0
1
↑
↑
Wir haben damit gezeigt: (x ⇒ y) ⇔ ((¬x) ∨ y) ist eine Tautologie. Auf analoge Weise
kann gezeigt werden, dass (x ⇔ y) ⇔ ((x ⇒ y) ∧ (y ⇒ x)) eine Tautologie ist.
Beobachtung 1.10: Die Implikation ⇒ und die Äquivalenz ⇔ können mit Hilfe der
Operatoren ¬, ∧, ∨ ausgedrückt werden. Daher gibt es in vielen Programmiersprachen
keine eigenen Operatoren für ⇒ und ⇔.
Satz
a)
b)
c)
d)
e)
f)
g)
h)
i)
j)
k)
l)
1.11 (Tautologien, Äquvialenzen, Rechenregeln):
(x ∧ y) ∧ z ⇔
x ∧ (y ∧ z)
} Assoziativgesetze
(x ∨ y) ∨ z ⇔
x ∨ (y ∨ z)
x∧y
⇔
y∧x
} Kommutativgesetze
x∨y
⇔
y∨x
(¬(¬x))
⇔
x
¬(x ∧ y)
⇔
(¬x) ∨ (¬y)
} Regeln von de Morgan
¬(x ∨ y)
⇔
¬x ∧ ¬y
¬(x ⇒ y) ⇔
x ∧ (¬y)
x ∧ (y ∨ z) ⇔ (x ∧ y) ∨ (x ∧ z)
x ∨ (y ∧ z) ⇔ (x ∨ y) ∧ (x ∨ z)
x ∧ (x ∨ y) ⇔
x
x ∨ (x ∧ y) ⇔
x
Bemerkung: Satz 1.11h liefert die Grundlage für die Methode des indirekten Beweises
einer Implikation x ⇒ y. Bei dieser Methode wird gezeigt, dass aus der Aussage x die
Aussage y folgt. Hierfür wird angenommen, dass x gilt und y nicht richtig ist. Unter
diesen Voraussetzungen wird ein Widerspruch (z.B. x ∧ ¬x) hergeleitet. Dadurch folgt,
dass x ∧ (¬y) falsch und nach Satz 1.11h x ⇒ y damit richtig ist.
4
1 Aussagenlogik
1.1 Beweistechniken
Die nächsten Äquivalenzen bilden die Grundlage für einige der wichtigsten Beweistechniken und werden ebenfalls anhand von Wahrheitstafeln verifiziert.
Satz 1.12: (Abtrennungs- und Syllogismusregel) Es gilt
p ∧ (p ⇒ q) ⇒ q
und
(p ⇒ q) ∧ (q ⇒ r) ⇒ (p ⇒ r) .
Diese Regeln beschreiben die Technik des direkten Beweises. Die Abtrennungsregel besagt: Gilt p, und folgt q aus p, so gilt auch q. Die Syllogismusregel besagt: Folgt q aus p,
und r aus q, so folgt auch r aus p. Dies entspricht dem Alltagsgebrauch und soll nicht
weiter illustriert werden.
Satz 1.13: (Kontrapositionsregel) Es gilt
(p ⇒ q) ⇔ (¬q ⇒ ¬p) .
Beweis. Zur Abwechslung noch einmal ein Beweis mit Wahrheitstafel:
p
0
0
1
1
q
0
1
0
1
p⇒q
1
1
0
1
¬q
1
0
1
0
¬p
1
1
0
0
¬q ⇒ ¬p
1
.
1
0
1
Die Kontrapositionsregel ist die Grundlage des indirekten Beweises. Statt q aus p zu
folgern, zeigt man, dass die Verneinung von q zur Verneinung von p führt.
Beispiel 1.14: (Beispiel eines indirekten Beweises) Wir behaupten: Ist das Quadrat
einer natürlichen Zahl n gerade, so ist auch n gerade.
Der Beweis erfolgt indirekt. Wir negieren die Folgerung und nehmen an, dass n nicht
gerade ist. Dann ist n ungerade und damit von der Form
n = 2m + 1
mit einer ganzen Zahl m ≥ 0. Dann aber ist auch
n2 = (2m + 1)2 = 4m2 + 4m + 1 = 2(2m2 + 2m) + 1 = 2l + 1
mit der ganzen Zahl l = 2(m2 + m) ≥ 0 ebenfalls ungerade. Dies ist die Negation der
Voraussetzung, und der indirekte Beweis ist abgeschlossen.
5
1 Aussagenlogik
Satz 1.15: (Widerspruchsregel) Es gilt
((¬p ⇒ q) ∧ ¬q) ⇒ p.
Die Widerspruchsregel ist die Grundlage des Widerspruchsbeweises, oder der reductio ad
absurdum. Um eine Aussage p zu beweisen, nehmen wir an, dass sie nicht gilt, also ¬p
wahr ist. Können wir daraus einen Widerspruch ableiten, also eine Aussage, die immer
falsch ist, so folgt, dass p wahr ist.
Beispiel 1.16: (Beispiel eines Widerspruchsbeweises)
Das klassische Beispiel hierfür ist
√
der Beweis der Irrationalität
von
2.
√
Wir nehmen an, 2 ist rational. Dann ist also
√
r
2=
s
mit natürlichen Zahlen r und s, wobei s 6= 0. Wir können annehmen, dass r und s nicht
beide gerade sind, denn andernfalls dividieren wir r und s so lange durch 2, bis dieser
Zustand erreicht
ist.
√
Gilt nun 2 = rs , so folgt durch Quadrieren und Multiplizieren
2s2 = r2 .
Also ist r2 gerade. Dann ist auch r selbst gerade und damit r = 2t mit einer anderen
natürlichen Zahl t. Aus 2s2 = r2 und r = 2t folgt dann aber 2s2 = 4t2 , oder
s2 = 2t2 .
Also ist auch s gerade - siehe wieder das vorhergehende Beispiel. Also sind r und s beide
gerade, im Widerspruch zur Annahme,
dass r und s nicht beide gerade sind. Damit
√
haben wir also die Annahme, dass 2 rational ist, zu einem Widerspruch geführt.
Schließlich erwähnen wir noch die
Satz 1.17: (Äquivalenzregel) Es gilt
(p ⇔ q) ⇔ [(p ⇒ q) ∧ (q ⇒ p)] .
Die Äquivalenz zweier Aussagen ist also gleichbedeutend damit, dass jede der Aussagen
aus der jeweils anderen folgt. Salopp gesagt: „man muss beide Richtungen zeigen“.
Beispiel 1.18: Das Quadrat einer natürlichen Zahl n ist gerade genau dann, wenn n
gerade ist. - Die Richtung ⇒ haben wir oben schon gezeigt. Die Richtung ⇐ besteht
darin zu zeigen, dass das Quadrat einer geraden natürlichen Zahl ebenfalls gerade ist.
Dies ist als leichte Übung überlassen.
Es gibt noch eine Reihe weiterer elementarer Beweistechniken, beispielsweise den Induktionsbeweis. Diesen werden wir später kennenlernen.
6
1 Aussagenlogik
1.2 Quantoren
Viele mathematische Aussagen gelten für bestimmte oder auch alle Objekte einer „Gattung“. Denken Sie z. B. an die Aussage: „Für alle reellen Zahlen x gilt: x2 ≥ 0“. Solchen
Formulierungen wollen wir uns nun genauer zuwenden.
Wir werden in diesem Abschnitt Aussagen von so genannten freien Variablen abhängen lassen. Erst wenn für diese Variablen ein Wert eingesetzt wird, erhält die Aussage
einen Wahrheitswert. Zum Beispiel ist
n ist eine natürliche Zahl solch eine Aussage(form). Wir können ihr erst dann einen
Wahrheitswert zuweisen, wenn wir wissen, was genau n ist. Setzen wir für n die Zahl
5 ein, dann wird die Aussage wahr. Wenn wir hingegen das Wort „Fußboden“ für n
einsetzen, erhalten eine falsche Aussage.
Aussagen, die freie Variablen enthalten, bezeichnet man als Aussgeformen oder auch
oft als Prädikate. Wollen wir in der Mathematik deutlich machen, dass eine Aussage ϕ
von den freien Variablen x1 , . . . , xn abhängt, so schreiben wir dafür meist ϕ(x1 , . . . , xn ).
Aus Prädikaten lassen sich Aussagen formen, indem wir für die freien Variablen einsetzen, oder indem wir Quantoren verwenden, um komplexere Aussagengebilde zu erschaffen. Diese Quantoren werden wir hier einen nach dem anderen betrachten. Der Teil der
Logik, der sich mit Prädikaten und Quantoren befasst, heißt übrigens Prädikatenlogik
(erster Stufe).
1.2.1 Der Allquantor (∀)
Ein Großteil der mathematischen Theorien handelt von Strukturen und Regeln. Ein Beispiel für Regeln sind Rechengesetze, die etwa für alle Objekte einer bestimmten Menge
gelten. In diesem Fall verwenden wir das Zeichen ∀, den Allquantor. Eine Aussage hat
z. B. die Form
∀n : ϕ(n) .
Ein Allquantor bezieht sich auf eine Variable und auf ein Prädikat, das dahinter steht und
von dieser Variablen abhängt. Er bindet dann diese freie Variable, und die entstehende
Aussage hängt dann nicht mehr von dieser Variablen ab. So haben wir aus dem Prädikat
ϕ(n) und dem Allquantor ∀ die Aussage ∀n : ϕ(n) gebildet, die keine freie Variable
mehr enthält, die also eine Ausssage im Sinne des vorangegangenen Abschnittes ist.
Zum Beispiel ist die Aussage „Jede gerade Zahl hat ein gerades Quadrat“, in Symbolen
(mit Ng , der Menge der geraden (natürlichen) Zahlen) „∀n ∈ Ng : n2 ∈ Ng “, wahr oder
falsch (in diesem Fall: wahr). Ihr Wahrheitswert hängt nicht mehr von n ab.
Häufig bezieht sich eine Aussage auf alle Elemente einer Menge. Die Formulierung „
∀x ∈ M :“ bedeutet: „Für alle Elemente x in M gilt: . . . .
Bindet der Allquantor eine freie Variable eines Prädikates, das von mehr als einer freien Variablen abhängt, so entsteht daraus ein Prädikat, das eine freie Variable weniger
enthält. Betrachten wir das Prädikat „n + m ist gerade“, das von den freien Variablen m
7
1 Aussagenlogik
und n abhängt. Die Aussage „Für alle geraden Zahlen n ist n + m gerade“, in Symbolen
„∀n ∈ Ng : n + m ∈ Ng , ist dann ein Prädikat, das nur noch von der freien Variablen m
abhängt.
Aus Aussagen, die Allquantoren enthalten, kann man durch Spezialisierung (Einsetzen)
einfache Aussagen gewinnen. So können wir aus der Wahrheit der Aussage ∀n ∈ Ng :
n2 ∈ Ng ableiten, dass die Aussage „42 ist gerade“ ebenfalls wahr ist.
Folgen in einer Aussage mehrere Allquantoren hintereinander, so kann man diese vertauschen. Die Aussagen
∀a : ∀b : ϕ(a, b)
und
∀b : ∀a : ϕ(a, b)
sind äquivalent. Daher kürzt man dies oft ab zu:
∀a, b : ϕ(a, b) .
Soll eine Aussage bewiesen werden, in welcher ein Allquantor auftaucht, z. B. ∀a ∈ A :
β(a), so hat es sich in der Mathematik bewährt, den Beweis folgendermaßen zu beginnen:
Sei a ∈ A (beliebig). Wir beweisen, dass β(a) gilt.
Danach folgt der Beweis von β(a). Auf diese Weise wird das lästige „Mitschleppen“ des
Allquantors durch den Beweis überflüssig.
Sind mehrere Allquantoren hintereinander gesetzt, wie in
∀n ∈ N : ∀m ∈ Z : m + n ∈ Z ,
so beginnt man den Beweis, indem man jeweils einen Vertreter wählt:
Seien n ∈ N und m ∈ Z fest gewählt. Dann gilt . . . .
Wichtiges gibt es zur Verneinung von Allaussagen zu diskutieren.
Merke: Um eine Allaussage zu widerlegen, genügt die Angabe eines (!)
Gegenbeispieles.
Behauptung: Alle ungeraden Zahlen sind Primzahlen. Dies ist natürlich falsch, denn
die Zahl 9 = 32 = 3 · 3 ist eine ungerade Zahl, die keine Primzahl ist.
1.2.2 Die Existenzquantoren (∃ und ∃!)
Oftmals wird eine mathematische Aussage nicht über alle Elemente einer Menge getroffen, sondern es wird nur die Existenz eines bestimmten Objektes behauptet.
Es gibt eine gerade Primzahl.
Die Formulierung in Zeichen mit Hilfe des Existenzquantors ist „∃x : ϕ(x)“ und in
Worten: „Es existiert ein x für das ϕ(x) gilt“. Diese Aussage bedeutet, dass es mindestens ein x mit ϕ(x) gibt.
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1 Aussagenlogik
Möchte man in Symbolen ausdrücken, dass es genau ein (ein und nur ein) solches
x gibt, so schreibt man „∃!x : ϕ(x)“.
So wie der Allquantor beziehen sich auch die beiden Existenzquantoren auf eine Variable
und ein Prädikat, das dahinter steht. Auch sie binden dann diese freie Variable.
Aus Beispielen lassen sich Aussagen erzeugen, die Existenzquantoren enthalten. So können wir etwa aus der Aussage „3 ist eine Primzahl“ die Aussage „es gibt eine Primzahl“
schließen.
Häufig wird die Existenz eines Elementes einer Menge behauptet. Die Formulierung
∃x ∈ M : . . . bzw. „ ∃!x ∈ M : . . . bedeutet, es existiert (mindestens) ein bzw. genau
ein Element x ∈ M mit . . . .
Wie für Allquantoren gilt auch für Existenzquantoren, dass man mehrere aufeinander
folgende vertauschen kann. Die Aussagen
∃a : ∃b : ϕ(a, b)
und
∃b : ∃a : ϕ(a, b)
sind (wieder) äquivalent, und typischerweise wird wieder abgekürzt zu
∃a, b : ϕ(a, b) .
Möchte man eine Existenzaussage beweisen, etwa ∃b ∈ B : α(b), so muss man darauf
achten, dass im Beweis irgendwo ein bestimmtes b konstruiert wird, von dem dann
bewiesen wird, dass es die Eigenschaft α hat. Ist das nicht der Fall, dann sollte man den
Beweis sehr kritisch auf seine Gültigkeit überprüfen.
Der Beweis einer Existenz- und Eindeutigkeitsaussage (einer Existiert-Genau-EinAussage), z. B. ∃!z ∈ Z : γ(z), besteht immer aus zwei Teilen. Zum einen muss man
die Existenz eines z mit der Eigenschaft γ nachweisen, und zum anderen muss man
beweisen, dass kein anderes Element in Z ebenfalls die Eigenschaft γ aufweist. Das wird
häufig erledigt, indem die Existenz eines weiteren z 0 ∈ Z angenommen wird, sodass γ(z 0 )
gilt. Dann weist man nach, dass z = z 0 gelten muss, und z somit tatsächlich eindeutig ist.
Jedenfalls besteht der Beweis einer Existiert-Genau-Ein-Aussage aus einem Existenzund einem Eindeutigkeitsteil.
Schließlich befassen wir uns noch mit der Verneinung von Existenzaussagen und entdecken dabei einen Zusammenhang mit Allaussagen.
Merke: Die Verneinung einer Existenzaussage ist eine Allaussage und
umgekehrt.
- Die Verneinung von „Alle Kinder hassen die Schule“ ist „Es gibt ein Kind, das die
Schule nicht hasst“.
- Die Verneinung von „Es gibt einen klugen Professor“ ist „Alle Professoren sind
nicht klug“.
9
1 Aussagenlogik
In Zeichen ausgedrückt, gilt für die Verneinungen:
¬(∀x ∈ M : A(x))
entspricht
∃x ∈ M : ¬A(x) ,
wenn A eine Aussage über Elemente von M ist, etwa A(x) = (x < 7).
Für den Existenzquantor gilt entsprechendes:
¬(∃x ∈ M : A(x))
entspricht
∀x ∈ M : ¬A(x) .
ACHTUNG: Die Verneinung einer Existiert-Genau-Ein-Aussage ist keine Allaussage!
Man muss komplizierter formulieren. Die Verneinung von „Ich habe genau eine Schwester.“ ist am kürzesten formuliert „Ich habe nicht genau eine Schwester.“ Möchte man
das „nicht“ zur Aussage befördern, so muss man mit einer Entscheidung operieren: „Ich
habe keine Schwester oder mehr als eine Schwester.“
1.2.3 Reihenfolge von Quantoren (∀∃ oder ∃∀?).
Seien Sie vorsichtig, wenn mehr als ein Quantor ∀ oder ∃ in einem Satz vorkommt. Bei
Aussagen mit gemischten Quantoren kommt es nämlich wesentlich auf die Reihenfolge
an.
Das folgende Beispiel nach A. BEUTELSPACHER [...] erhellt die Tatsache, dass das
Vertauschen von Existenz- und Allquantor verboten ist, hoffentlich so deutlich, dass Sie
nie wieder den Wunsch verspüren sollten, es zu tun.
Beispiel 1.19: (Vertauschung von All- und Existenzquantor) Sei M die Menge
aller Männer und F die Menge aller Frauen. Die Aussage h(m, f ) sei „m ist verliebt
in f /m hat was mit f . Unter diesen Vorraussetzungen bedeuten die beiden folgenden
Aussagen
1. ∀m ∈ M : ∃f ∈ F : h(m, f ).
2. ∃f ∈ F : ∀m ∈ M : h(m, f ).
1’. Zu jedem Mann existiert eine Frau so dass, dieser Mann in diese Frau verliebt ist.
2’. Es existiert (mindestens) eine Frau so dass, alle Männer in diese Frau verliebt sind.
Offensichtlich bedeuten diese beiden Aussagen also nicht dasselbe.
1.2.4 Rechenregeln für Quantoren
Einige grundlegende Rechenregeln für Quantoren sind in der Mathematik wichtig, weil
sie oft in Beweisen verwendet werden. Zwei davon haben wir schon kennengelernt, nämlich die Verneinung der quantifizierten Aussagen. Der folgende Satz fasst diejenigen
Rechenregeln zusammen, die in der Mathematik am häufigsten vorkommen. Um eine
(einigermaßen) vollständige Aufzählung zu erhalten, wiederholen wir in (i) und (ii) die
unmittelbar einsichtigen Merksätze aus dem vorigen Abschnitt.
10
1 Aussagenlogik
Satz 1.20: (Rechenregeln für Quantoren) Seien P (x) und Q(x) Prädikate, die von
der freien Variable (I(x abhängen, und sei q eine Aussage, die nicht von x abhängt.
Dann gelten folgende Rechenregeln:
(i) ¬(∀x : P (x)) = ∃x : ¬P (x),
(ii) ¬(∃x : P (x)) = ∀x : ¬P (x),
(iii) ∃x : (P (x) ∨ Q(x)) = (∃x : P (x)) ∨ (∃x : Q(x)),
(iv) ∀x : (P (x) ∧ Q(x)) = (∀x : P (x)) ∧ (∀x : Q(x)),
(v) ∀x : q ∨ P (x) = q ∨ (∀x : P (x)),
(vi) ∃x : q ∧ P (x) = q ∧ (∃x : P (x)),
(vii) (∀x : P (x)) ⇒ q = ∃x : (P (x) ⇒ q),
(viii) (∃x : P (x)) ⇒ q = ∀x : (P (x) ⇒ q),
(ix) q ⇒ (∀x : P (x)) = ∀x : (q ⇒ P (x)),
(x) q → (∃x : P (x)) = ∃x : (q ⇒ P (x)).
Einen Beweis der Aussagen (iii) und (viii) findet man in dem Buch „Einführung in
das mathematische Arbeiten“ von H. Schichl und R. Steinbauer (erschienen in zweiter
Auflage beim Springer Verlag 2012; in der Universitätsbibliothek als E-book zugänglich.
11
2 Mengen
Definition 2.1 („Naiver“ Mengenbegriff nach Cantor): Unter einer Menge verstehen wir eine Gesamtheit wohlunterscheidbarer Objekte unserer Anschauung oder unseres Denkens.
Erläuterung:
(M1) Mengen bestehen aus einer Zusammenfassung mathematischer Objekte. Diese Objekte heißen dann Elemente.
(M2) Es gilt entweder a ∈ M (a ist Element von M) oder a ∈
/ M (a ist nicht Element
von M ) für ein mathematisches Objekt a und eine Menge M .
(M3) Alle Elemente einer Menge sind voneinander verschieden.
Definition 2.2: Seien A, B Mengen.
a) A = B :⇔ (c ∈ A ⇔ c ∈ B) (Gleichheit)
b) A ⊆ B :⇔ ∀a ∈ A : a ∈ B (Teilmenge)
c) A ∪ B := {c : c ∈ A ∨ c ∈ B} (Vereinigung)
d) A ∩ B := {c : c ∈ A ∧ c ∈ B} (Schnitt)
e) A \ B := {c : c ∈ A ∧ c ∈
/ B} (Differenz)
Beispiel 2.3:
a) M = {0, 1} ist die Menge mit den zwei Elementen 0 und 1.
Beachte:
{0, 1} = {1, 0}, d.h. die Reihenfolge der Elemente ist egal.
{0, 1} = {1, 1, 0, 1, 1, 0}, d.h. Mehrfachnennungen sind unbedeutend.
b) Die leere Menge ist die einzige Menge, die kein Element enthält. Sie wird dargestellt durch das Symbol ∅ oder {}. Sie ist Teilmenge jeder Menge.
c) Mengen können explizit durch Aufzählen spezifiziert werden,
z.B. {−4, −3, −2, 2, 3, 4} oder etwa N = {0, 1, 2, 3, 4, . . . }, oder implizit durch Nennung charakteristischer Eigenschaften, z.B. {a ∈ Z : 3 ≤ a2 ≤ 17} oder etwa
{x2 : x ∈ Z ∧ (−2 ≤ x ≤ 2)}.
Allgemein ist eine Menge gegeben durch {x : Bedingung an x}.
12
2 Mengen
Notation 2.4: Einige wichtige Mengen:
a) N = {0, 1, 2, 3, 4, . . . } natürliche Zahlen
b) Z = {. . . , −2, −1, 0, 1, 2, . . . } ganze Zahlen
c) Q = { pq : p ∈ Z ∧ (q ∈ N \ {0})} rationale Zahlen
d) R = Menge aller Dezimalzahlen, reelle Zahlen, anschaulich: der „Zahlenstrahl“.
Definition 2.5: Sei M eine Menge.
a) P(M ) := {A : A ⊂ M } ist die Potenzmenge von M.
b) Sei A ⊂ M . Ā := M \ A ist das Komplement bzgl. A in M.
c) Seien M1 , M2 Mengen.
M1 × M2 := {(a, b) : a ∈ M1 ∧ b ∈ M2 } ist das kartesisches Produkt von M1
und M2 .
d) Seien M1 , . . . , Mk Mengen.
M1 × · · · × Mk := {(m1 , m2 , . . . , mk ) : mi ∈ Mi ∀i = 1, . . . , k} ist das (k-fache)
kartesische Produkt von M1 , . . . , Mk .
Mengen können mit Hilfe von Venn-Diagrammen illustriert werden:
A
B
13
2 Mengen
A∪B
Beispiel 2.6:
a) P({0, 1}) = {∅, {0}, {1}, {0, 1}}
b) Sei M = Z, A = N. Es gilt A ⊂ M und Ā = {−1, −2, −3, . . . }.
c) Beim kartesischen Produkt kommt es sehr wohl auf die Reihenfolge im Tupel an.
Bsp.: R2 := R × R = {(a, b) : a ∈ R ∧ b ∈ R} die „Zahlenebene“
Offensichtlich gilt: (2, 1) 6= (1, 2).
Satz 2.7: Sei M eine Menge und seien A, B ∈ P(M ). Jede der Tautologien aus Satz
1.11 hat eine Entsprechung für Mengen. Exemplarisch genannt seien hier:
e) Ā¯ = A
g) A ∪ B = Ā ∩ B̄
14
2 Mengen
k) A ∩ (A ∪ B) = A
Bemerkung 2.8: Aufgepasst! Unser naiver Mengenbegriff kann zu Widersprüchen geführt werden:
Russelsche Antinomie:
Sei M die Menge aller Mengen, die sich nicht selbst als Element enthalten, d.h.
M = {X : X ∈
/ X}.
Wenn M ∈ M , dann gilt: M ∈
/ M.
Wenn M ∈
/ M , dann gilt: M ∈ M .
Mist! Was tun?
−→ Tiefgründigere Behandlung des Mengenbegriffs samt erlaubter Konstruktion durch
umfangreiches Axiomensystem (z.B. ZFC Zermelo-Fraenkel mit Auswahlaxiom).
−→ Praktikable Lösung für uns:
Wir nehmen an, dass alle Elemente, die wir jemals betrachten könnten, in einem
Universum („riesige Menge“), von vornherein enthalten sind. Bei der Beschreibung
von Mengen durch {x : Bedingung an x} berücksichtigen wir nur solche x, die in
einer Menge enthalten sind, von der wir eine klare Vorstellung haben.
15
3 Relationen
Beispiele:
Matr.Nr.
M1
Name
M2
Definition 3.1 (Relation): Seien M1 , . . . , Mn Mengen. Eine n-stellige Relation ist
eine Teilmenge eines kartesischen Produkts M1 × M2 × · · · × Mn .
Beispiel 3.2:
a) R = {(Wien, A), (Koblenz, D), (Berlin, D)}
Relation zwischen Städtemenge M1 = {Wien, Koblenz, Berlin} und Ländermenge
M2 = {A, D, CH}
b) M1 = M2 = {2, 3, 4, 5, 6}
Relation „a ungleich b und a teilt b“: R = {(2, 4), (2, 6), (3, 6)}.
Dies ist ein Beispiel einer 2-stelligen/binären Relation.
Notation:
Sei R ⊂ M × M . Sei (a, b) ∈ R.
Sprich: „a steht in Relation zu b.“
Kurzschreibweise: a ∼ b (analog: (a, b) ∈
/ R bzw. a b)
Definition 3.3: Sei R bzw. ∼ eine Relation auf M . R heißt Äquivalenzrelation, wenn
für beliebige a, b, c ∈ M gilt:
a) a ∼ a
(Reflexivität)
b) a ∼ b ⇒ b ∼ a
(Symmetrie)
c) (a ∼ b) ∧ (b ∼ c) ⇒ (a ∼ c) (Transitivität)
16
3 Relationen
Definition 3.4: Sei M eine Menge mit Äquivalenzrelation ∼. Für jedes a ∈ M heißt
die Menge
[a] := {m ∈ M : m ∼ a}
die zu a gehörige Äquivalenzklasse.
Die Menge aller Äquivalenzklassen bezeichnen wir mit
M/ ∼
(M modulo ∼)
Beispiel 3.5:
Sei M = Z. Definiere: a ∼ b :⇔ a + b gerade
⇒ Es gibt nur zwei Äquivalenzklassen, nämlich [0] und [1].
Es gilt [0] = [2] = [4] = . . . und [1] = [3] = [5] = . . .
Satz 3.6: Sei M eine Menge mit einer Äquivalenzrelation ∼. Dann ist jedes Element
aus M in genau einer Äquivalenzklasse enthalten.
Beweis.
Zeige: Zu jedem a ∈ M gibt es genau eine Äquivalenzklasse, die a enthält (Existenz
und Eindeutigkeit).
Existenz: ∼ ist eine Äquivalenzrelation
⇒ ∼ ist reflexiv
⇒a∼a
⇒ a ∈ [a] X
Eindeutigkeit: Zeige: kein Element ist in zwei verschiedenen Äquivalenzklassen.
Wir verwenden dazu einen indirekten Beweis:
Angenommen, es gibt a, b, c ∈ M mit a ∈ [b], a ∈ [c] und [b] 6= [c].
Def.
⇒ a∼b∧a∼c
Sym.
⇒ b∼a
T rans.
⇒ b∼c
Sym.
⇒ c ∼ b, d.h. c ∈ [b] ∧ b ∈ [c]
T rans.
⇒ [c] ⊆ [b] ∧ [b] ⊆ [c]
⇒ [b] = [c]
Korollar 3.7: Satz 3.6 impliziert, dass die Abbildung π : a 7→ [a] eine surjektive Abbildung
M → M/ ∼
definiert, d. h. es gilt: π(M ) = M/ ∼ (vergleiche dazu auch Definition 4.5 im folgenden
Abschnitt!).
17
3 Relationen
Erinnerung: In R sind die Elemente bzgl. der Relation ≤ geordnet.
a
≤
b
R
Definition 3.8: Eine Relation R bzw. auf einer Menge M heißt Ordnungsrelation,
wenn für beliebige Elemente a, b, c ∈ M die folgenden Eigenschaften erfüllt sind:
a) a a
(Reflexivität)
b) a b ∧ b a ⇒ (a = b)
(Antisymmetrie)
c) (a b) ∧ (b c) ⇒ (a c) (Transitivität)
Notation 3.9: a ≺ b :⇔ (a b ∧ a 6= b)
Definition 3.10: Erfüllt eine Ordnungsrelation zusätzlich noch die Eigenschaft
∀a, b ∈ M : (a b) ∨ (b a),
so nennen wir sie totale Ordnung (oder Kette). Eine totale Ordnung, bei der jede
nicht-leere Teilmenge ein kleinstes Element besitzt, heißt Wohlordnung.
Beispiel 3.11:
a) (R, ≤) ist totalgeordnet.
b) Sei U eine Menge, M := P(U ). Seien A, B ∈ M beliebig.
Definiere A B :⇔ A ⊆ B.
Dann ist Ordnungsrelation auf P(U ) = M .
c) Definiere für beliebige a, b ∈ N:
a b :⇔ a | b.
(a teilt b)
Dann ist eine Ordnung auf N.
d) Sei (N, ) eine geordnete Menge. Sei M ⊂ N . Dann ist auch (M, ) geordnet.
(Ordnungsrelation wird geerbt).
e) Betrachte (N, ) wie in c).
18
3 Relationen
Wir benutzen zur Darstellung einer geordneten Menge ein Hasse-Diagramm. Sei
dazu M = {0, 1, 2, 3, 4, 5, 6} ⊆ N. Betrachte (wie in d)) (M, ):
Hasse-Diagramm:
1
2
4
3
6
0
5
15
Die Idee hinter dem Hasse-Diagramm ist, die Transitivität zu nutzen, um das
Diagramm übersichtlich zu halten.
Beispiel: 1 → 3 → 6 ⇒ 1 3, 3 6, 1 6.
Beispiel 3.12 (Ordnung auf kartesischem Produkt):
Betrachte Nn = N
× ·{z
· · × N} und definiere
|
n−mal
(a1 , . . . , an ) ≺lex (b1 , . . . , bn ) :⇔ ∃k ∈ {1, . . . , n} : ak < bk ∧ (∀i < k : ai = bi ).
Dann ist (N, ≺lex ) eine geordnete Menge.
19
4 Abbildungen
Definition 4.1: Eine Abbildung A → B ist eine Relation G ⊆ A × B für die gilt, dass
es zu jedem a ∈ A genau ein b ∈ B gibt, für welches (a, b) ∈ G gilt.
Schreibe: f : A → B
a 7→ f (a)
%
Bild
A
f
B
Bemerkung 4.2:
a) Jedes Element a des Definitionsbereichs A wird abgebildet.
b) Zu jedem a ∈ A gibt es genau ein b, sodass f (a) = b (a auf b abgebildet) wird.
c) Ist f (a) = b, so heißt a Urbild von b.
d) Nicht jedes Element in B muss ein Urbild besitzen.
e) Mehrere Elemente a1 , a2 ∈ A können auf dasselbe Bild b ∈ B abgebildet werden.
(f (a1 ) = f (a2 ) = b)
20
4 Abbildungen
f) Die Menge f (A) = {b ∈ B : ∃a ∈ A : f (a) = b} nennen wir Bild der Abbildung.
Beispiel 4.3:
a) f : {0, 1}2 → {0, 1}, (x, y) 7→ x ∧ y ist eine boolesche Funktion.
x
0
0
1
1
y
0
1
0
1
x∧y
0
0
0
1
b) f : R → R, x 7→ 4x + 1.
Definition 4.4: Sei f : A → B eine Abbildung. Die Relation
G = {(a, f (a)) : a ∈ A} ⊆ A × B
nennen wir Graph der Abbildung.
Definition 4.5: Sei f : A → B eine Abbildung.
a) f heißt injektiv, wenn es keine zwei verschiedenen Elemente in A mit dem gleichen
Bild gibt, d.h.
∀a1 , a2 ∈ A : a1 6= a2 ⇒ f (a1 ) 6= f (a2 ).
(bzw. aus f (a1 ) = f (a2 ) folgt a1 = a2 ).
b) f heißt surjektiv, wenn jedes Element b ∈ B im Bild von f liegt, d.h.
f (A) = B (oder B = {f (a) : a ∈ A}).
(bzw. ∀b ∈ B ∃a ∈ A : b = f (a)).
c) f heißt bijektiv, wenn f injektiv und surjektiv ist, d.h.
∀b ∈ B ∃! a ∈ A : b = f (a).
↑
. . . genau ein . . .
Beispiel 4.6:
a) f : Z → Z, f (n) := 2n ist injektiv, aber nicht surjektiv.
b) g : Z → Z, g(n) = −n ist bijektiv.
21
4 Abbildungen
(
c) h : Z → {0, 1}, h(n) =
0, n gerade
ist surjektiv und nicht injektiv.
1, n ungerade
d) f : R → R, x 7→ x2 ist weder surjektiv, noch injektiv.
Veranschaulichung:
Injektivität:
Surjektivität:
Bijektivität:
Eine Abbildung f : A → B ist somit surjektiv, wenn f (A) = B. Man sagt dann auch,
f bildet A auf B ab. Surjektiv bedeutet: Die Gleichung b = f (a) ist für jedes vorgebene
b ∈ B durch ein a ∈ A lösbar.
22
4 Abbildungen
Sie ist injektiv, wenn keine zwei Urbilder in A dasselbe Bild haben. Mit anderen Worten,
für alle a, b ∈ A gilt
f (a) = f (b) ⇒ a = b .
Ausgedrückt durch die Lösbarkeit einer Gleichung: f ist injektiv genau dann, wenn die
Gleichung b = f (a) höchstens eine Lösung hat.
Und sie ist bijektiv, wenn jeder Punkt b ∈ B genau ein Urbild a ∈ A besitzt, d. h. die
Gleichung b = f (a) besitzt genau ein Lösungspaar (a, b) ∈ A × B.
Definition 4.7: Zwei Mengen A, B heißen gleichmächtig, wenn es eine bijektive Abbildung f : A → B gibt.
Bemerkung 4.8: Die Relation „gleichmächtig“ ist eine Äquivalenzrelation, die dazu
dient Mengen bezüglich ihrer „Größe“ zu strukturieren.
Definition 4.9: Seien f : A → B, g : B → C Abbildungen. Dann heißt die Abbildung
g ◦ f : A → C mit (g ◦ f )(a) := g(f (a)) Komposition von g und f .
↑
„g nach f “
Gelesen wird dies g nach f oder g kringel f . Die Komposition operiert immer von rechts
nach links: Zuerst wird f angewandt, danach g, so wie es auch auf der rechten Seite der
definierenden Gleichung der Fall ist.
Die Komposition ist immer assoziativ, aber im Allgemeinen nicht kommutativ, wie man
sich leicht anhand eines Beispieles überlegt.
Bezeichnet F (M ) die Menge aller Abbildungen von M in sich, so definiert die Komposition
◦ : F (M ) × F (M ) → F (M ),
(g, f ) 7→ g ◦ f
eine Operation auf F (M ).
Satz 4.10: Eine Abbildung f : A → B ist bijektiv genau dann, wenn es eine Abbildung
ϕ : B → A gibt, so dass
ϕ ◦ f = idA
und
f ◦ ϕ = idB .
In diesem Fall ist ϕ eindeutig bestimmt.
Beweis. „⇒“
Ist f bijektiv, so gibt es zu jedem b ∈ B genau ein a ∈ A mit f (a) = b.
Definieren wir ϕ : B → A durch ϕ(b) = a, so hat ϕ die gewünschten Eigenschaften.
„⇐“
Für jedes b ∈ B gilt wegen f ◦ ϕ = idB
b = idB (b) = (f ◦ ϕ)(b) = f (ϕ(b)) .
Also ist f surjektiv.
23
4 Abbildungen
Gilt andererseits f (a1 ) = f (a2 ) für zwei Elemente in A, so folgt mit ϕ ◦ f = idA
a1 = idA (a1 ) = (ϕ ◦ f )(a1 ) = ϕ(f (a1 )) = ϕ(f (a2 )) = a2 .
Also ist f auch injektiv, und damit bijektiv.
Bleibt noch die Eindeutigkeit von ϕ zu zeigen. Ist ψ : B → A eine weitere Abbildung
mit ψ ◦ f = idA und f ◦ ψ = idB , so folgt
ψ = ψ ◦ idB = ψ ◦ (f ◦ ϕ)
= (ψ ◦ f ) ◦ ϕ
= idA ◦ ϕ
= ϕ.
Also ist ϕ eindeutig bestimmt.
4.0.5 Umkehrabbildung
Eine bijektive Abbildung f : A → B ist also umkehrbar, und wir können ihre Umkehrabbildung f −1 definieren als die eindeutig bestimmte Abbildung
f −1 : B → A
mit der Eigenschaft, dass
f −1 ◦ f = idA ,
f ◦ f −1 = idB .
Den Beweis des folgenden Lemmas überlassen wir dem Leser als Übungsaufgabe.
Lemma 4.11: Die Komposition umkehrbarer Abbildungen ist umkehrbar, und es gilt
(g ◦ f )−1 = f −1 ◦ g −1 .
Beispiel 4.12: A. Die Abbildung
q : R → R,
t 7→ q(t) = t2
ist nicht umkehrbar, da sie nicht injektiv und nicht surjektiv ist. Denn es ist q(1) =
q(−1) = 1 und −1 ∈
/ q(R).
B. Die Abbildung
v : [0, +∞) → [0, +∞), t 7→ v(t) = t2
ist dagegen bijektiv, und damit umkehrbar. Ihre Umkehrfunktion ist die Quadratwurzelfunktion
√
w : [0, +∞) → [0, +∞), s 7→ w(s) = s
24
4 Abbildungen
und man verifiziert, dass
w ◦ v = id[0,+∞)
und
v ◦ w = id[0,+∞) .
C. Die Abbildung
g : R → R,
x 7→ g(x) = m · x + n
ist bijektiv, und damit umkehrbar genau dann, wenn m 6= 0 ist. In diesem Fall rechnet
man „leicht“ nach, dass die Umkehrfunktion
g −1 : R → R,
y 7→ g −1 (y) =
1
n
·y−
m
m
ist, und dass gilt
g −1 ◦ g = idR
und
25
g ◦ g −1 = idR .
5 Gruppen, Ringe und Körper
Die Motivation dieses Kapitels ist ein weiterer Abstraktionsschritt. Wir konzentrieren
uns dabei auf Rechengesetze und strukturelle Eigenschaften.
Definition 5.1: Sei G eine nichtleere Menge und ∗ : G × G → G eine Abbildung.
(G, ∗) heißt Gruppe genau dann, wenn Folgendes gilt:
1.) Assoziativgesetz: ∀a, b, c ∈ G : a ∗ (b ∗ c) = (a ∗ b) ∗ c.
2.) Neutrales Element: ∃e ∈ G ∀a ∈ G : e ∗ a = a.
3.) Inverses Element: ∀a ∈ G ∃a0 ∈ G : a0 ∗ a = e.
(G, ∗) heißt abelsche Gruppe, wenn zusätzlich noch gilt:
4.) Kommutativgesetz: ∀a, b ∈ G : a ∗ b = b ∗ a.
Notation:
i) ∗ ist nur ein Symbol, schreibe auch ◦, ·, +, ×, . . . anstatt ∗.
ii) Bei +: (G, +) additive Gruppe; dann: −a statt a0 und 0 statt e.
iii) Bei ·: (G, ·) multiplikative Gruppe; dann: a−1 statt a0 und 1 statt e.
Beispiel 5.2:
i) (Z, +), (Q, +), (R, +) sind abelsche Gruppen.
ii) (Z/nZ, +) ist eine abelsche Gruppe.
iii) (Q\{0}, ·), (R\{0}, ·) sind abelsche Gruppen (beachte: 0 besitzt kein multiplikatives
Inverses).
iv) (Z \ {0}, ·) ist keine Gruppe.
v) Seien (G, ∗) und (H, ·) zwei Gruppen. Dann ist (G × H, ◦) eine Gruppe, wobei
(g, h) ◦ (g 0 , h0 ) := (g ∗ g 0 , h · h0 ). Beachte: Dies ist eine Gruppe auf dem kartesischen
Produkt, die wir z.B. vom Rechnen im Rn schon kennen.
26
5 Gruppen, Ringe und Körper
Beispiel 5.3: Sei M eine Menge. Definiere die symmetrische Gruppe
sym(M ) := {f : M → M : f ist eine bijektive Abbildung}
mit der Kompositiion von Abbildungen f ◦ g : M → M , (f ◦ g)(m) := f (g(m)).
(sym(M ), ◦) ist eine Gruppe, wobei
• die identische Abbildung IdM : M → M mit IdM (m) = m das neutrale Element
ist,
• die zu f inverse Abbildung f −1 (← existiert da f bijektiv ist!) das zu f inverse
Element ist: f −1 ◦ f = f ◦ f −1 = IdM .
Wir schreiben σn für (sym(M ), ◦), wenn M = {1, . . . , n} ist. Die Elemente in σn heißen
Permutationen (← Bijektion). Eine Abbildung σ ∈ σn , σ : {1, 2, . . . , n} → {1, 2, . . . , n}
kann mithilfe ihrer Wertetabelle
1
2
...
n
σ(1) σ(2) . . . σ(n)
!
dargestellt werden.
Beispiel 5.4: σ3 hat sechs Elemente:
!
!
!
!
!
!
1 2 3
1 2 3
1 2 3
1 2 3
1 2 3
1 2 3
,
,
,
,
,
.
2 1 3
3 2 1
1 3 2
2 3 1
3 1 2
1 2 3
Beachte: |σn | = n!
σ3 ist nicht abelsch, denn:
!
1 2 3
1 2 3
◦
2 1 3
3 2 1
!
=
1 2 3
3 1 2
!
!
6=
1 2 3
2 3 1
!
=
Satz 5.5: In jeder Gruppe (G, ∗) gilt:
a) Es gibt genau ein neutrales Element e ∈ G.
b) Für alle a ∈ G gilt: a ∗ e = a.
c) Zu jedem a ∈ G gibt es genau ein a0 mit a0 ∗ a = e.
d) Wenn a0 ∗ a = e, dann gilt auch a ∗ a0 = e.
e) In G kann man kürzen, d.h.
i) (a ∗ b = a ∗ c) ⇒ (b = c),
27
!
1 2 3
1 2 3
◦
.
3 2 1
2 1 3
5 Gruppen, Ringe und Körper
ii) (b ∗ a = c ∗ a) ⇒ (b = c).
Beweis.
d) Sei a00 Inverses zu a0 .
⇒ a∗a0 = e∗(a∗a0 ) = (a00 ∗a0 )∗(a∗a0 ) = a00 ∗((a0 ∗a)∗a0 ) = a00 ∗(e∗a0 ) = a00 ∗a0 = e.
b) a ∗ e = a ∗ (a0 ∗ a) = (a ∗ a0 ) ∗ a = e ∗ a = a.
a) Angenommen, ē ist weiteres neutrales Element, d.h. ∀a ∈ G : ē ∗ a = a.
Dann gilt insbesondere: e = ē ∗ e.
Setze in b) a = ē ein und erhalte ē ∗ e = ē.
Aus den letzten zwei Schritten folgt: e = ē.
c) Angenommen, ā0 ist ein weiteres Inverses zu a.
Dann gilt: ā0 ∗ a = e ⇒ ā0 = ā0 ∗ e = ā0 ∗ (a ∗ a0 ) = (ā0 ∗ a) ∗ a0 = e ∗ a0 = a0 .
e) Folgt durch Multiplikation mit a0 von links bzw. rechts.
Bemerkung:
• 5.5 d) besagt nicht, dass G abelsch ist!
• 5.5 c) brdeutet in einer multiplikativen Gruppe: (a−1 )
−1
= a.
Definition 5.6: Seien (G, ∗), (H, ◦) Gruppen.
a) Sei ∅ 6= U ⊂ G. (U, ∗) heißt Untergruppe von (G, ∗) :⇔
∀a, b ∈ U : a ∗ b ∈ U ∧ a−1 ∈ U.
b) Eine Abbildung f : G → H heißt Homomorphismus :⇔
∀a, b ∈ G : f (a ∗ b) = f (a) ◦ f (b).
c) Ein bijektiver Homomorphismus heißt Isomorphismus. Schreibe dann auch
∼
f : G −→ H statt einfach nur f : G → H.
Bemerkung 5.7: Ist U ⊂ G eine Untergruppe von G, so ist (U, ∗) eine Gruppe.
Proposition 5.8: Wenn f : (G, ∗) → (H, ◦) ein Homomorphismus ist, dann gilt für die
neutralen Elemente eH und eG :
f (eG ) = eH .
28
5 Gruppen, Ringe und Körper
Beweis. eH ◦ f (eG ) = f (eG ) = f (eG ∗ eG ) = f (eG ) ◦ f (eG ).
Mit Satz 5.5 folgt: f (eG ) = eH
Bemerkung 5.9: Ist f : G → H ein Isomorphismus, so ist auch f −1 : H → G ein
Isomorphismus.
Beispiel 5.10:
a) 2 · Z = {2n : n ∈ Z} ist eine Untergruppe von Z.
b) {2z + 1 : z ∈ Z} ist keine Untergruppe von Z.
(
c) f : σn → σn+1 mit f (σ)(k) :=
σ(k),
n + 1,
Dabei:
1 2 3 ... n
i1 i2 i3 . . . in
!
→
1≤k≤n
ist ein Homomorphismus.
k =n+1
1 2 3 ... n n + 1
i1 i2 i3 . . . in n + 1
!
Definition 5.11: Eine Gruppe G heißt zyklisch, wenn es ein g ∈ G gibt mit hgi = G,
wobei hgi := {g k |k ∈ Z} = {. . . , g −3 , g −2 , g −1 , e, g 1 , g 2 , . . . }.
Man sagt „g erzeugt die Gruppe G“.
Proposition 5.12: Sei (G, ∗) eine Gruppe und g ∈ G. Dann ist hgi eine Untergruppe
von G.
Beispiel 5.13: Sei u ∈ Z beliebig. Dann ist hni = n·Z = {k·n : k ∈ Z} eine Untergruppe
von (Z, +). (Hier ist die Gruppe additiv geschrieben, daher n · k statt nk .)
Satz 5.14: Zu jeder Untergruppe U ⊂ Z von (Z, +) gibt es ein n ∈ Z mit U = n · Z.
Beweis.
Sei U + := {k ∈ U : k ≥ 1}.
Wenn U + = ∅, dann ist U = {0}, da mit k ∈ U auch −k ∈ U ist.
Dann folgt Satz 5.14 mit n = 0.
Sei also U + 6= ∅.
Sei n ∈ U + kleinste Zahl in U + .
Mit Division mit Rest folgt: a ∈ U lässt sich schreiben als:
a = r + s · n,
r, s ∈ Z, 0 ≤ r < n.
Aus a ∈ U , n ∈ U folgt r = a − s · n ∈ U .
Da n minimal in U + ist und r < n, folgt r ∈
/ U +.
Also gilt r = 0 und a = s · n.
⇒ U = n · Z.
29
5 Gruppen, Ringe und Körper
Beispiel 5.15:
a) f : Z → Z mit f (k) := n · k (n ∈ Z fest) ist ein Homomorphismus, da
f (k + l) = n · (k + l) = nk + nl = f (k) + f (l).
b) f : Z → Z mit f (k) := k 2 ist kein Homomorphismus in (Z, +), da
f (2) = 4 6= 1 + 1 = f (1) + f (1)
c) Wenn (G, ∗) eine Gruppe ist, dann ist mit a ∈ G, a 6= e, die Abbildung f : G → G
mit f (g) = a ∗ g kein Homomorphismus, da f (e) = a ∗ e = a 6= e.
Definition 5.16: Seien K 6= ∅, + : K × K → K, · : K × K → K. Dann heißt (K, +, ·)
Körper, wenn
a) (K, +) eine abelsche Gruppe mit neutralem Element 0 ist
b) (K ∗ , ·) eine abelsche Gruppe ist, wobei K ∗ := K \ {0}
c) das Distributivgesetz gilt, d.h. ∀a, b, c ∈ K : a · (b + c) = a · b + a · c
Beispiel 5.17:
a) (R, +, ·) und (Q, +, ·) sind Körper.
b) (Z, +, ·) ist kein Körper.
c) (Z/pZ, +, ·) ist ein Körper, falls p eine Primzahl ist.
Notation:
a) Häufig benennen wir nur die Menge K, meinen aber eigentlich den Körper (K, +, ·).
Im Fall Z/pZ schreiben wir dann Fp und meinen mit Z/pZ nach wie vor die additive
Gruppe (Z/pZ, +).
b) Mit 1 ∈ K ∗ bezeichnen wir das neutrale Element der Multiplikation.
Lemma 5.18:
a) ∀a, b ∈ K : 0 · a = 0
b) ∀a, b ∈ K : a · b = 0 ⇒ a = 0 ∨ b = 0
c) ∀a, b ∈ K : a · (−b) = −(a · b) ∧ (−a)(−b) = a · b
30
5 Gruppen, Ringe und Körper
Diese Rechengesetze entsprechen genau den Rechengesetzen, die aus der „Schule“ für Q
und R bekannt sind/sein sollten.
Beachte: Z/nZ ist im Allgemeinen kein Körper, da multiplikative Inverse fehlen, z.B. in
Z/6Z hat [2] kein Inverses.
Definition 5.19: Seien R 6= ∅, + : R × R → R, · : R × R → R. Dann heißt (R, +, ·)
kommutativer Ring mit Eins (kurz: Ring), wenn
a) (R, +) eine abelsche Gruppe ist,
b) die Multiplikation assoziativ und kommutativ ist und es ein neutrales Element
1 ∈ R gibt,
c) das Distributivgesetz gilt.
Beispiel 5.20:
a) (R, +, ·) und (Q, +, ·) sind Ringe.
!
a b
b) Die Menge aller 2 × 2-Matrizen
mit a, b, c, d ∈
c d
bzgl. Matrizenmultiplikation
und -addition:
!
!
1 0
0 0
ist Eins,
ist Null.
0 1
0 0
Aber es
! gilt: !
!
!
!
0 1
0 0
1 0
0 0
0 0
0
·
=
6=
=
·
0 0
1 0
0 0
0 1
1 0
0
→ Diese Struktur ist also nicht kommutativ.
→ also kein Ring im Sinne von Definition 5.19.
Z bildet „fast“ einen Ring
!
1
.
0
c) (Z/nZ, +, ·) ist ein Ring.
d) Sind R,R0 Ringe, so ist R × R0 ein Ring mit:
(r, r0 ) + (s, s0 ) := (r + s, r0 + s0 ),
(r, r0 ) · (s, s0 ) := (r · s, r0 · s0 ).
Sind R und R0 Körper, so ist R × R0 aber kein Körper, da (1, 0) · (0, 1) = (0, 0) = 0
ist (Existenz von Nullteilern; Körper sind nullteilerfrei).
e) Z ist ein Ring.
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5 Gruppen, Ringe und Körper
Beobachtung 5.21 (Zum Unterschied zwischen Körper ↔ Ring):
Bei Ringen wird nicht gefordert, dass es zu jedem r 6= 0 ein multiplikatives Inverses
gibt. Daher gilt nicht mehr automatisch 0 6= 1. Wenn jedoch 0 = 1 gilt, dann sind alle
Elemente des Rings gleich 0 (→ Nullring R = {0}). Das heißt: in jedem vom Nullring
verschiedenen Ring gilt 0 6= 1.
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6 Natürliche Zahlen und Vollständige
Induktion
Um das „und so weiter/die Pünktchen“ bei der Konstruktion der natürlichen Zahlen
N = {0, 1, 2, 3, . . . } mathematisch zu präzisieren, führen wir folgenden Begriff ein.
Definition 6.1: Eine Teilmenge N von R heißt induktiv, wenn gilt:
(i) 0 ∈ N .
(ii) Ist a ∈ N , so ist auch a + 1 ∈ N .
Bemerkung 6.2: Man kann auch 1 ∈ N statt 0 ∈ N fordern. Dies ist allein eine Frage
der Konvention und mathematisch unerheblich.
Beispiel 6.3:
A. Die Menge {m +
n
3
: m, n ∈ N} ist induktiv.
B. Die Mengen Z, Q und R sind induktiv.
C. Die Menge P aller Primzahlen ist nicht induktiv.
D. Auch die Menge M der rationalen Funktionen ist induktiv.
Der Durchschnitt zweier und sogar beliebig vieler induktiver Mengen ist wieder eine
induktive Menge, denn in jeder dieser Mengen sind die Bedingungen (i) und (ii) erfüllt.
Die kleinste solche Menge erhält man, indem man die Schnittmenge aller induktiven
Teilmengen der reellen Zahlen bildet. Dies charakterisiert die natürlichen Zahlen als
Teilmenge der reellen Zahlen.
Definition 6.4: Die Menge N der natürlichen Zahlen ist der Durchschnitt aller induktiven Teilmengen von R.
Bezeichnet J die Familie (Synonym für „Menge“) aller induktiven Teilmengen von R,
so schreibt man hierfür auch
\
N :=
N.
N ∈J
Die Menge N enthält also genau diejenigen Elemente von R, die in jeder induktiven
Teilmenge von R enthalten sind.
33
6 Natürliche Zahlen und Vollständige Induktion
Satz 6.5: (Induktionssatz) Ist N eine induktive Teilmenge von N, so ist N = N.
Beweis. Nach Voraussetzung ist N ⊂ N. Es ist aber auch
N⊂N ,
da N eine induktive Menge ist und N als Durchschnitt aller induktiven Teilmengen von
R definiert ist. Also gilt N = N.
Vollständige Induktion
Der Induktionssatz bildet die Grundlage der vollständigen Induktion, die ebenfalls zu den
fundamentalen Beweistechniken der Mathematik zählt. Die einfachste und am häufigsten
gebrauchte Form ist das folgende
Satz 6.6: (Induktionsprinzip) Sei A(n) eine Aussageform, für die gilt:
(1) A(0) ist wahr.
(2) Ist A(n) wahr für ein n ∈ N, so ist auch A(n + 1) wahr.
Dann ist A(n) für alle n ∈ N wahr.
Beweis. Sei
N := {n ∈ N : A(n)ist wahr.} .
Dann ist 0 ∈ N wegen (1), und gilt n ∈ N , so gilt auch n + 1 ∈ N wegen (2) . Also ist
N eine induktive Teilmenge von N . Aufgrund des Induktionssatzes ist somit N = N . Um eine Aussage für alle natürlichen Zahlen n mithilfe der Methode der vollständigen
Induktion zu beweisen, ist also Folgendes zu tun.
1. Induktionsanfang: Zeige, dass A(1) wahr ist.
2. Induktionsschritt: Nimm an, dass A(n) für ein beliebiges n ≥ 1 wahr ist. Folgere
daraus, dass auch A(n + 1) wahr ist.
Dann ist die Aussage A(n) für alle n ∈ N bewiesen.
Das Induktionsprinzip bereitet erfahrungsgemäß anfangs Schwierigkeiten, hat es doch
den Anschein, als würde man sich nach dem Münchhausenprinzip am eigenen Schopf
aus dem Sumpf ziehen. Denn im Induktionsschritt nimmt man ja an, dass A(n) wahr
ist, also genau das, was doch eigentlich erst noch zu beweisen ist . . . .
Dem ist jedoch nicht so, der Induktionsschritt geht nur von der Hypothese aus, dass A(n)
wahr ist und leitet daraus A(n + 1) ab. Das ist etwas völlig anderes als die Behauptung,
dass A(n) wahr ist. Diese Argumentation wird auch erst durch den Induktionsanfang
34
6 Natürliche Zahlen und Vollständige Induktion
vollständig. Er ist zwar oft trivial, aber trotzdem unentbehrlich. Ohne ihn wäre nichts
bewiesen.
Eine gerne gebrauchte Metapher für die vollständige Induktion ist das Erklimmen einer
Leiter. Weiß man, wie man die erste Sprosse einer Leiter erklimmt, und wie man von
einer beliebigen Sprosse zur nächsten gelangt, so kann man jede noch so hohe Leiter
erklimmen - jedenfalls im Prinzip . . . .
Die vollständige Induktion versteht man am Besten anhand von Beispielen. Daher zunächst zwei einfache Beispiele.
Satz 6.7: Für alle n ≥ 1 gilt: 1 + 2 + 3 + · · · + n =
n(n+1)
.
2
Beweis. Induktionsanfang: Für n = 1 reduziert sich die Behauptung auf 1 = 1·2
2 , ist
also richtig.
Induktionsschluss: Für ein beliebiges n ≥ 1 setzten wir jetzt voraus, dass die behauptete
Gleichung gilt. Dann erhalten wir
1 + 2 + · · · + n + (n + 1) = (1 + 2 + · · · + n) + (n + 1)
n(n + 1)
=
+n+1
2
n2 + n + 2n + 2
=
2
(n + 1)(n + 2)
.
=
2
Also gilt die behauptet Gleichung auch für n + 1, und wir sind fertig.
Satz 6.8: (Bernoullische Ungleichung) Für alle reellen Zahlen x ≥ −1 und alle n ∈ N
gilt:
(1 + x)n ≥ 1 + nx .
Beweis. Induktionsanfang: Für n = 1 ist
(1 + x)1 = 1 + x = 1 + 1 · x .
dies gilt sogar für alle reellen Zahlen.
Induktionsschluss: Für ein beliebiges n ≥ 1 setzen wir jetzt voraus, dass
(1 + x)n ≥ 1 + nx ,
für x ≥ −1 .
Zusammen mit 1 + x ≥ 0 - hier brauchen wir erst die Annahme x ≥ −1 - und der
offensichtlichen Ungleichung nx2 ≥ 0 erhalten wir dann
(1 + x)n+1 = (1 + x)(1 + x)n
≥ (1 + x)(1 + nx)
= 1 + x + nx + nx2
≥ 1 + x + nx = 1 + (n + 1)x ,
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6 Natürliche Zahlen und Vollständige Induktion
wobei die Induktionsannahme nach der ersten Zeile zur Anwendung kommt.
In manchen Fällen ist es erforderlich, die Induktion nicht bei 1, sondern später oder
früher zu beginnen. So gilt zu Beispiel 2n ≥ n2 nur für natürliche Zahlen n 6= 3. In
solchen Fällen hilft das
Satz 6.9: (Modifizierte(s) Induktionsprinzip) Sei A(n) eine Aussageform, für die gilt:
(i) A(n0 ) ist wahr für ein n0 ∈ Z.
(ii) Ist A(n) wahr für irgendein n ≥ n0 , so ist auch A(n + 1) wahr.
Dann ist A(n) wahr für alle ganzen Zahlen n ≥ n0 .
Beweis. Man setzt N := {n ∈ Z : A(n + n0 − 1)ist wahr.} und zeigt wie beim Induktionsprinzip, dass N eine induktive Teilmenge von N ist. Also ist N = N, und das
entspricht der Behauptung.
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