Strahlentherapie und Onkologie © Urban & Vogel 2000 Originalarbeit Bestrahlung von Schädelbasistumoren mit Kohlenstoffionen bei der GSI Erste klinische Ergebnisse und zukünftige Perspektiven Jürgen Debus1, Thomas Haberer2, Daniela Schulz-Ertner1, Oliver Jäkel3, Frederik Wenz1, Wolfgang Enghardt4, Wolfgang Schlegel3, Gerhard Kraft2, Michael Wannenmacher1 Hintergrund: Strahlenbiologische und medizinphysikalische Untersuchungen versprechen Vorteile bei der Patientenbestrahlung mit schweren Ionen. Die vorliegende Arbeit berichtet über die ersten klinischen Ergebnisse bei 45 Patienten mit Schädelbasistumoren, die zwischen Dezember 1997 und September 1999 am Schwerionensynchrotron der Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI), Darmstadt, mit Kohlenstoffionen bestrahlt wurden. Patienten und Methode: Die Patienten (23 Frauen, 22 Männer) waren im Mittel 48 (18 bis 80) Jahre alt und litten an Chordomen (17), Chondrosarkomen (zehn) und anderen Tumoren der Schädelbasis. Erstmalig kamen das intensitätsmodulierte Rasterscan-Verfahren und die Online-Therapiekontrolle mittels Positronenemissionstomographie am Patienten zum Einsatz. Computertomographische Aufnahmen waren Grundlage für die dreidimensionale Strahlentherapieplanung. Patienten mit Chordomen und Chondrosarkomen erhielten eine fraktionierte Bestrahlung mit Kohlenstoffionen (mediane Gesamtdosis 60 GyE) an 20 konsekutiven Tagen. Bei den anderen Tumorhistologien wurde nach fraktionierter stereotaktischer Radiotherapie ein Kohlenstoffionenboost von 15 bis 18 GyE auf den makroskopischen Tumor appliziert (mediane Gesamtdosis 63 GyE). Ergebnisse: Der mittlere Nachbeobachtungszeitraum betrug neun Monate. Die Bestrahlung wurde gut toleriert. Die lokale Kontrollrate über alle Histologien hinweg lag nach einem Jahr bei 94%. Zur partiellen Tumorremission kam es bei sieben Patienten (15,5%). Ein Patient (2,2%) ist verstorben. Es wurden bei keinem Patienten schwere radiogene Nebenwirkungen (> II° Common Toxicity Criteria) beobachtet. Bislang ist bei keinem Patienten ein Rezidiv im Behandlungsvolumen aufgetreten. Schlussfolgerung: Die klinische Wirksamkeit und die technische Durchführbarkeit dieses neuen Therapieverfahrens konnten eindeutig belegt werden. Um den klinischen Stellenwert der Bestrahlungsmodalitäten mit Protonen und Ionen weiter zu beleuchten, sind Untersuchungen mit größeren Patientenzahlen notwendig. Als konsequente Fortführung des Projektes ist der Bau eines ausschließlich klinisch genutzten Teilchenbeschleunigers in Heidelberg geplant. Schlüsselwörter: Schädelbasis · Kohlenstoffionen · Schwerionentherapie · Strahlentherapie · GSI Fractionated Carbon Ion Irradiation of Skull Base Tumors at GSI. First Clinical Results and Future Perspectives Background: Radiobiological and physical examinations suggest clinical advantages of heavy ion irradiation. We report the results of 23 women and 22 men (median age 48 years) with skull base tumors irradiated with carbon ion beams at the Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI), Darmstadt, from December 1997 until September 1999. Patients and Methods: The study included patients with chordomas (17), chondrosarcomas (10) and other skull base tumors (Table 1). It is the first time that the intensity-controlled rasterscan-technique and the application of positron-emission tomography (PET) for quality assurance was used. All patients had computed tomography for three-dimensionaltreatment planning (Figure 1). Patients with chordomas and chondrosarcomas underwent fractionated carbon ion irradiation in 20 consecutive days (median total dose 60 GyE). Other histologies were treated with a carbon ion boost of 15 to 18 GyE delivered to the macroscopic tumor after fractionated stereotactic radiotherapy (median total dose 63 GyE). 1 Radiologische Universitätsklinik, Heidelberg, 2Gesellschaft für Schwerionenforschung, Darmstadt, 3Deutsches Krebsforschungszentrum, Heidelberg, 4Forschungszentrum Rossendorf bei Dresden. Dem Mentor dieses Projektes, Herrn Prof. Dr. Hans-Joachim Specht, mit Dank gewidmet. Eingang des Manuskripts: 22. 12. 1999. Annahme des Manuskripts: 24. 2. 2000. Strahlenther Onkol 2000;176:211–6 (Nr. 5) 211 Debus J, et al. Bestrahlung von Schädelbasistumoren bei der GSI Results: Mean follow-up was 9 months. Irradiation was well tolerated by all patients. Partial tumor remission was seen in 7 patients (15.5%) (Figure 2). One-year local control rate was 94%. One patient (2.2%) deceased. No severe toxicity and no local recurrence within the treated volume were observed. Conclusion: Clinical effectiveness and technical feasibility of this therapy modality could clearly be demonstrated in our study. To evaluate the clinical relevance of the different beam modalities studies with larger patient numbers are necessary. To continue our project a new heavy ion accelerator exclusively for clinical use is planned to be constructed in Heidelberg. Key Words: Skull base · Carbon ion · Heavy ion therapy · Radiotherapy · GSI D ie enge Nachbarschaft zu strahlensensiblen Organen (Hirn, Hirnstamm, Hirnnerven, Blutgefäße, Augen, Sehnerven, Mittelohr) und die hohe Strahlenresistenz sind bei Tumoren der Schädelbasis der limitierende Faktor für die Strahlentherapie, was hohe Rezidivraten mit sich bringt [1, 11]. Auch eine vollständige Tumorresektion ist aufgrund der komplizierten anatomischen Verhältnisse oft nicht realisierbar. Aufgrund des geringen Metastasierungspotentials [8, 19] hängen die Therapieerfolge bei diesen Patienten entscheidend vom Ausmaß der lokalen Kontrolle ab. Schwerionen sind den Photonen in ihrer physikalischen Selektivität und biologischen Wirksamkeit überlegen. Bedingt durch ihre größere Masse, durchqueren sie das Gewebe als scharf begrenztes Strahlenbündel mit nur geringen Energieverlusten durch seitliche Streuung oder Absorption. Sie haben eine definierte Reichweite im Gewebe und entfalten ihr Dosismaximum, den Bragg-Peak, wenige Millimeter vor Ende ihrer Spur. Durch den anschließenden steilen Dosisabfall wird hinter dem Tumor liegendes Normalgewebe geschont. Nach strahlenbiologischen Abschätzungen sollten diese Dosisverteilungen erlauben, die Dosis im Tumor im Vergleich zur Photonenbestrahlung um 15 bis 35% zu erhöhen [1]. Schädelbasis bestrahlt. Die vorliegende Arbeit berichtet über die ersten klinischen Ergebnisse und zeigt die sich daraus ergebenden Zukunftsperspektiven auf. Patienten und Methode Patienten Es wurden 45 Patienten (23 Frauen, 22 Männer) mit Tumoren der Schädelbasis in unsere klinische Studie aufgenommen. Das mittlere Alter betrug 48 (18 bis 80) Jahre. Tabelle 1 zeigt die Patientenverteilung nach histologischer Klassifikation. 29 Patienten wurden im Rahmen der Primärtumorbehandlung bestrahlt. Bei 16 Patienten war ein lokales Rezidiv Indikation für die Strahlentherapie. Zum Zeitpunkt der Strahlentherapie lag bei zwei Patienten eine lymphogene Metastasierung vor. Fernmetastasen waren bei zwei Patienten zum Zeitpunkt der Behandlung nachweisbar. Bei keinem Patienten lag eine sonstige gravierende Erkrankung vor; der Karnofsky-Index fand sich bei allen Patienten über 70%. Bei allen Patienten wurde vor Radiotherapie zumindest eine bioptische Sicherung der Diagnose durchgeführt. Darüber hinaus haben Schwerionen im Bereich des BraggPeaks eine höhere biologische Wirksamkeit als Photonen (Hoch-LET-Effekt). Die Induktion von DNS-Doppelstrangbrüchen ist häufiger und die Reparaturfähigkeit des bestrahlten Gewebes ist insgesamt geringer ausgeprägt. Aufgrund eines Sauerstoffverstärkungsfaktors (OER) von nahe 1 im Bragg-Peak ist Schwerionenstrahlung auch bei hypoxischen Tumoren wirksam. Zellzyklusbedingte Unterschiede in der Radiosensitivität von Zellen sind gering, so dass sich Unterschiede in der Therapieantwort langsam und schnell proliferierender Tumoren reduzieren sollten. Es wurden zudem eine Verzögerung der Zellteilung nach Hoch-LET-Bestrahlung sowie eine Abnahme der Schutzeffekte durch die benachbarten Zellen beschrieben [2, 17]. Die Tumorbehandlung bestand aus Operation zur Tumorverkleinerung und Bestrahlung bei 33 Patienten. Zwölf Patienten hatten mehr als eine Tumoroperation hinter sich. Kein Patient war R0-reseziert worden, vier Patienten waren R1und 29 Patienten R2-reseziert worden. Bei zehn Patienten wurde wegen Inoperabilität lediglich eine Biopsie durchgeführt. Bei zwei weiteren Patienten lag bei Auftreten eines Lokalrezidivs Inoperabilität vor. Sechs Patienten hatten im Vorfeld der Therapie eine Bestrahlung erhalten, so daß die Kohlenstoffionentherapie unter palliativem Ansatz mit verminderter Gesamtdosis durchgeführt wurde. Bei einem Patienten erfolgte zusätzlich eine Metastasenresektion extrakraniell. Positive Trends im Rahmen von Phase-II-Studien zeigten sich nach Schwerionenbestrahlungen in Berkeley, Kalifornien, wobei diese Therapieanlage aus technischen Gründen nur bis 1992 betrieben werden konnte [1]. Am Heavy Ion Medical Accelerator in Chiba, Japan, einer dedizierten klinischen Anlage, werden seit 1994 Patienten mit Schwerionen bestrahlt [13, 16]. Es wurden dort bislang 600 Patienten behandelt. Die Bestrahlung von Krebspatienten mit schweren Ionen hat in Deutschland nach vielen Jahren intensiver Vorarbeiten im Dezember 1997 begonnen. Am Schwerionensynchrotron der Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI), Darmstadt, wurden bis heute 45 Patienten mit Tumoren der Histologie Patientenzahl Chordome Chondrosarkome Adenoidzystische Karzinome Anaplastische/maligne Meningeome Maligne Schwannome Transitionalzellkarzinom Abrikossow-Tumor 17 10 8 6 2 1 1 212 Tabelle 1. Patientenverteilung nach histologischer Klassifikation. Table 1. Number of patients with different tumor histologies. Strahlenther Onkol 2000;176:211–6 (Nr. 5) Debus J, et al. Bestrahlung von Schädelbasistumoren bei der GSI Bestrahlungsplanung und Patientenpositionierung Von jedem Patienten wurden in stereotaktischer Lagerung Aufnahmen mit dem Computertomographen (CT) und dem Magnetresonanztomographen (MRT) angefertigt, auf denen der Tumor inklusive eines adäquaten Sicherheitsabstandes entlang der typischen anatomischen Ausbreitung als Zielvolumen markiert wurde. Die am Deutschen Krebsforschungszentrum entwickelten Techniken der stereotaktischen Zielpunktlokalisation und Patientenpositionierung, die die Reproduzierbarkeit der Patientenlagerung bei den aufeinanderfolgenden Einzelbestrahlungen millimetergenau ermöglichen, wurden an anderer Stelle detailliert beschrieben [10], ebenso die Methode der dreidimensionalen Strahlentherapieplanung und Berechnung der Dosisverteilung mittels des am Deutschen Krebsforschungszentrum entwickelten Computerprogramms Voxelplan [6]. Darauf aufbauend wurde bei der Gesellschaft für Schwerionenforschung ein Therapieplanungsprogramm für die Bestrahlung mit schweren Ionen entwickelt [12]. Ein typischer Behandlungsplan für einen Schädelbasistumor ist in Abbildung 1 dargestellt. Für den Fall, daß die Kohlenstoffbestrahlung aus technischen Gründen für ≥ 4 Tage hätte unterbrochen werden müssen, wurde für alle Patienten ein Bestrahlungsplan für eine fraktionierte stereotaktische Radiotherapie (FSRT) erstellt. Bestrahlung Die Indikation für die Strahlentherapie wurde bei inoperablen Tumoren und mikroskopischen oder makroskopischen Tumorresiduen gestellt. Die Bestrahlung wurde mit Kohlenstoffionen am Schwerionensynchrotron (SIS) der Gesellschaft für Schwerionenforschung in Darmstadt durchgeführt. Patienten mit Chordomen und Chondrosarkomen wurden ausschließlich mit Kohlenstoffionen bestrahlt. Die mediane Gesamtdosis lag bei 60 GyE bei einer wöchentlichen Fraktionierung von 7 3,0 GyE. Bei adenoidzystischen Karzinomen, malignen Meningeomen und malignen Schwannomen wurde nach fraktionierter stereotaktischer Radiotherapie ein Kohlenstoffionenboost von 15 bis 18 Gy in Einzeldosen von 3,0 GyE auf den makroskopischen Tumor appliziert. Die mediane Gesamtdosis lag hier bei 63 GyE. Erstmalig kamen das an der GSI entwickelte intensitätsmodulierte Rasterscan-Verfahren [9] sowie die Online-Therapiekontrolle mittels Positronenemissionstomographie am Patienten zum Einsatz [4, 5]. Hierbei wird die Lage des Bestrahlungsfeldes im Patienten anhand entstehender Positronenemitter nachgewiesen. Follow-Up Die Therapieantwort wurde a) durch neurologische Untersuchungen und b) durch magnetresonanztomographische Aufnahmen evaluiert, die sechs Wochen und drei Monate nach Abschluss der Bestrahlung und anschließend in sechsmonatigen Intervallen durchgeführt wurden. Lokales Therapieversagen wurde strenger definiert als in den WHORichtlinien vorgegeben: als erneutes Auftreten des Tumors an gleicher Stelle oder als erneutes Tumorwachstum, erkennbar als eine auf zwei aufeinanderfolgenden MRTSchichtaufnahmen klar beurteilbare Zunahme der Tumorfläche. Lokale Tumorkontrollraten und Überlebensraten Abbildung 1. Behandlungsplan für die Kohlenstoffionenbestrahlung mit zwei gescannten Bestrahlungsfeldern. Man erkennt die gute Schonung der umliegenden Strukturen. Figure 1. Treatment plan of heavy ion irradiation with 2 scanned fields. The surrounding normal structures are spared. Strahlenther Onkol 2000;176:211–6 (Nr. 5) 213 Debus J, et al. Bestrahlung von Schädelbasistumoren bei der GSI wurden nach dem Kaplan-Meier-Verfahren berechnet. Strahlenreaktionen wurden nach den Bewertungskriterien der Radiation Therapy Oncology Group (RTOG), der European Organization for Research and Treatment of Cancer (EORTC) bzw. dem Common Toxicity Criteria Score (CTC) klassifiziert. Ergebnisse Lokale Tumorkontrollraten Die Bestrahlung liegt bei allen Patienten im Mittel neun Monate zurück. Alle Patienten mit Chondrosarkomen, malignen oder anaplastischen Meningeomen und malignen Schwannomen sind lokal kontrolliert. Bei 16/17 Patienten mit Chordomen und bei 7/8 Patienten mit adenoidzystischen Karzinomen konnte eine Tumorkontrolle erreicht werden. Eine partielle Tumorremission wurde insgesamt bei sieben Patienten beobachtet, darunter drei Chordome, zwei adenoidzystische Karzinome (Abbildung 2), ein Abrikossow-Tumor und ein Transitionalzellkarzinom. Eine lokale Kontrolle innerhalb des Bestrahlungsvolumens konnte bei allen Patienten erreicht werden. Bei einem Patienten mit Chordom trat ein kutanes Narbenrezidiv außerhalb des Bestrahlungsvolumens auf. Dieser Patient wurde wiederum mit Schwerionen bestrahlt. Bei einem Patienten mit adenoidzystischem Karzinom trat ein Rezidiv innerhalb des Bestrahlungsvolumens mit Photonen und etwa 3 cm außerhalb des a Behandlungsvolumens mit Schwerionen auf. Die KaplanMeier-Berechnung ergibt nach einem Jahr eine lokale Kontrollrate von insgesamt 94%. Überlebensraten Nur ein Patient (2,2%) mit Transitionalzellkarzinom ist innerhalb des Nachbeobachtungszeitraums verstorben. Drei Wochen vor seinem Tod zeigte die Magnetresonanztomographie des Primärtumors im Bereich der Schädelbasis eine deutliche Tumorreduktion. Der vor der Radiotherapie progrediente Sehverlust konnte aufgehalten und das Sehvermögen wiederhergestellt werden. Symptome und Nebenwirkungen Die Symptomatik hat sich bei neun Patienten gebessert. Die Bestrahlung wurde von allen Patienten gut toleriert. Entsprechend den Bewertungskriterien der RTOG, der EORTC bzw. dem CTC ergaben sich keinerlei schwere Nebenwirkungen (> II°). Es traten lediglich akute Strahlenfolgen Grad I/II auf. Diskussion Zwei wesentliche Ziele der auf fünf Jahre angelegten klinischen Phase des Schwerionenprojektes wurden bereits erreicht. Die klinische Wirksamkeit und die technische Durch- b Abbildungen 2a und 2b. Kernspintomographischer Verlauf bei einer Patientin mit adenoidzystischem Karzinom mit Tumormanifestation im Sinus cavernosus vor Bestrahlung. Die Patientin zeigt eine nahezu komplette Remission nach sechs Wochen (b). Figures 2a and 2b. MRI of a patient with adenoidcystic carcinoma and tumor manifestation in cavernous sinus demonstrates fast remission after radiotherapy (b). 214 Strahlenther Onkol 2000;176:211–6 (Nr. 5) Debus J, et al. Bestrahlung von Schädelbasistumoren bei der GSI führbarkeit dieses neuen Therapieverfahrens wurden eindeutig belegt. Die in der kurzen Phase des laufenden Projektes erzielten klinischen Ergebnisse sind als positiv zu werten. Dennoch sind die Nachsorgezeiten noch zu kurz, um die Langzeitkontrolle endgültig zu bewerten. Allerdings kann man bereits jetzt sagen, daß das schnelle radiologische und klinische Ansprechen dieser Tumoren bislang noch nicht in der Literatur beschrieben werden konnte. Wir erwarten daher, daß auch die lokale Langzeitkontrollrate höher als nach konventioneller Photonenbestrahlung ist. Eine Schwerionenbestrahlung kann somit eine Dosiseskalation im Zielvolumen bei gleichzeitig optimierter Dosiskonformation bei bestimmten Indikationen erreichen. In der Literatur wird ausführlich diskutiert, dass dies mit größter Wahrscheinlichkeit zu einer Erhöhung der Heilungsraten, zu einer Verlängerung der Überlebenszeiten und zu einer Verbesserung der Lebensqualität der Patienten führt [3, 18]. Zwei medizinphysikalische Neuerungen konnten im Rahmen dieser Studie etabliert und ihre technische Durchführbarkeit und Effizienz bewiesen werden: das intensitätsmodulierte RasterscanVerfahren erlaubt eine Dosiskonformation an das Tumorvolumen in niemals zuvor erreichter räumlicher Präzision; durch die Online-Therapiekontrolle mittels Positronenemissionstomographie können erstmals Lage und Intensität des Strahls im Körper des Patienten während der Bestrahlung überwacht werden [5]. Bei der GSI kommen Kohlenstoffionen zum Einsatz. Bei Schwerionen höherer Masse (Neon, Argon) nimmt die physikalische Selektivität kontinuierlich wieder ab. Aufgrund des steigenden linearen Energietransfers (LET) haben sie schon im Plateaubereich erhöhte RBE-Werte. Gleichzeitig tritt das Problem der Fragmentierung auf, und Bruchstücke mit größerer Reichweite erhöhen die Dosis hinter dem Bragg-Peak. Schwerionen, die die maximale biologische Wirksamkeit bei gleichzeitig höchstmöglicher physikalischer Selektivität gewährleisten, sind die Kohlenstoffionen [14, 15]. Sie werden international als bester Kompromiss angesehen. Klinische Daten, die diese strahlenbiologischen Ergebnisse beweisen, fehlen allerdings bislang. Unsere klinischen Daten scheinen die strahlenbiologischen Vorhersagen zu unterstützen. Die Kapazität der Gesellschaft für Schwerionenforschung als weltweit kooperierendes Institut der physikalischen Grundlagenforschung ist für die Strahlentherapie auf etwa 70 Patientenbestrahlungen pro Jahr begrenzt. Während der auf fünf Jahre angelegten klinischen Studie sollen 250 bis 350 Patienten am Teilchenbeschleuniger in Darmstadt bestrahlt werden. Darüber hinaus ist es notwendig, die klini- sche Forschung mit Ionenstrahlung intensiv voranzutreiben und in Deutschland zu etablieren. Erforderlich ist die Durchführung klinischer Studien mit ausreichend großen Patientenzahlen, die statistisch belastbare Ergebnisse liefern. Prinzipiell sind all jene Tumoren eine potentielle Indikation für die Ionentherapie, bei denen mit der konventionellen Strahlentherapie keine befriedigenden Ergebnisse erzielt werden. Hier wären die Tumoren im Kopf-Hals-Bereich, darunter Nasenhaupt- und Nasennebenhöhlentumoren, Speicheldrüsenkarzinome und Tumoren der Nasen-RachenRegion, bestimmte Weichteilsarkome und Prostataadenokarzinome, etwa 30% der Hirn- und Rückenmarkstumoren sowie ausgewählte Bauchraumtumoren des Kindesalters zu nennen [1, 2, 7]. Ein Projektvorschlag für den Bau einer klinisch genutzten Therapieanlage für Ionenstrahlung, die eng mit der Radiologischen Universitätsklinik Heidelberg kooperiert und in ihrer direkten Nachbarschaft nahe dem Deutschen Krebsforschungszentrum gebaut werden soll, wurde ausgearbeitet. An ihr soll neben der Bestrahlung mit Kohlenstoffionen auch die Therapie mit anderer Teilchenstrahlung (Protonen, Heliumionen) möglich sein, um innerhalb der Teilchentherapie vergleichende klinische Studien durchzuführen. Die Kapazität der Anlage soll bei etwa 1 000 Patienten pro Jahr liegen. Die Investitions- und Betriebskosten einer solchen Anlage führen zu Behandlungskosten von etwa 40 000 DM pro Patient und sind mit den Kosten aufwendiger operativer und medikamentöser Therapieformen vergleichbar. Bis zum Abschluß des Baus der Anlage und den ersten Patientenbestrahlungen werden voraussichtlich fünf Jahre vergehen. Im Jahre 2004 könnte Deutschland somit über eine Ionentherapieanlage verfügen, die eine medizinische Versorgungslücke schließen und international neue Maßstäbe setzen würde. Die Autoren möchten sich an dieser Stelle bei allen bedanken, die mit großem Engagement an der Realisierung dieses Projektes beteiligt waren. Insbesondere den hier nicht genannten Personen und Arbeitsgruppen der GSI, Darmstadt, des DKFZ, Heidelberg, des Forschungszentrums Rossendorf bei Dresden und der Universitätsklinik Heidelberg danken wir für die Hilfe und die gewährte institutionelle Förderung. Ermöglicht wurde das Gesamtprojekt erst durch die Förderung von Einzelforschungsvorhaben durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, die Deutsche Krebshilfe und die DFG sowie durch die Forschungsförderung des Universitätsklinikums. Dr. Karin Henke-Wendt danken wir für die Hilfe beim Editieren des Manuskripts. Literatur 1. Castro JR, Linstadt DE, Bahary J-P, et al. 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