UPDATE 43 CME Diagnostische Leukapherese zur Isolation zirkulierender Tumorzellen beim Mammakarzinom T. Fehm1, F. Meier-Stiegen1,D. Niederacher1, J. Fischer2, N. Stoecklein3 1. Frauenklinik Düsseldorf, Universitätsklinikum Düsseldorf 2. Institut für Transplantationsdiagnostik und Zelltherapeutika, Universitätsklinikum Düsseldorf 3. Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Kinderchirurgie, Universitätsklinikum Düsseldorf Das Mammakarzinom wird bereits in frühen Stadien als systemische Erkrankung gewertet, charakterisiert durch die hämatogene Dissemination von Tumorzellen. Werden diese Zellen im peripheren Blut nachgewiesen, spricht man von zirkulierenden Tumorzellen (CTC) [1]. Der quantitative Nachweis von CTCs ist sowohl in der primären als auch in der metastasierten Situation von prognostischer Relevanz. So ist eine Konzentration von mindestens 5 CTCs/7,5ml Blut mit einem signifikant verringerten Gesamt- sowie progressionsfreien Überleben assoziiert. Diese klinische Relevanz des CTC-Nachweises wurde in den letzten Jahren in zahlreichen klinischen Studien überprüft [2, 3]. Die aktuelle Herausforderung besteht in der Beantwortung der Frage, inwieweit die Charakterisierung der CTCs als zusätzlicher prognostischer bzw. als prädiktiver Marker eingesetzt werden kann. Die klinische Notwendigkeit hierzu ergibt sich aus der mehrfach gezeigten Diskrepanz zwischen Primärtumor und Metastase hinsichtlich der Expression von prognostischen als auch prädiktiven Markern, die zur Charakterisierung des Primärtu- kasto - Fotolia.com Die Charakterisierung zirkulierender Tumorzellen (CTC) stellt einen vielversprechenden Ansatz zur Optimierung von Therapieentscheidungen beim Mammakarzinom im Rahmen einer Liquid Biopsy dar. Aufgrund der Heterogenität und der zum Teil geringen Anzahl von CTCs im Blut ist eine Erhöhung der Detektionsrate notwendig, um klinisch relevante und valide Aussagen treffen zu können. Eine Möglichkeit, die Detektionswahrscheinlichkeit zu erhöhen, ist die Nutzung der diagnostischen Leukapherese (DLA), die durch das Düsseldorfer Forschungsnetzwerk „DCC-Net“ etabliert wurde. mors verwendet werden und der Therapieentscheidung dienen [4, 5]. Die empfohlene Phänotypisierung von Metastasen zur Optimierung der Therapieentscheidung ist oftmals nicht klinisch umsetzbar. Wäre es stattdessen eine valide Option, die CTCs, die den Phänotyp der Metastasen widerspiegeln, als Surrogatmarker zu charakterisieren, würde diese Liquid Biopsy eine neue Möglichkeit zur personalisierten Therapie des Mammakarzinoms darstellen. Durch genetische und funktionelle Charakterisierung der CTCs könnte eine für die jeweilige Situation der Patientin optimierte zielgerichtete Therapie ermöglicht werden. Um dieses Ziel zu erreichen, gilt es, technische Herausforderungen der spezifischen Isolierung der im Blut mit niedriger Frequenz vorhandenen CTCs sowie deren molekulare Analyse zu bewältigen. Die Etablierung dieser Techniken ist aktuell Gegenstand zahlreicher Forschungsprojekte. Im Bereich der nicht-metastasierten Situation ergibt sich durch die geringe Anzahl der Zellen sowie durch das geringe Blutvolumen, welches 08/2015 ONKOLOGIE heute 44 UPDATE CME zur CTC-Analyse zur Verfügung steht, die Gefahr, aufgrund der dadurch limitierten Sensitivität vorhandene CTCs nicht zu detektieren. Die Erhöhung des untersuchten Blutvolumens könnte hier entscheidenden Einfluss auf die Anzahl und Detektionsrate von CTCs und damit auf die klinische Relevanz der CTCAnalyse in frühen Krankheitsstadien haben. Isolation und Nachweis von CTCs Um die Heterogenität der CTCs sowie eine eventuelle klinische Relevanz der untersuchten Charakteristika darstellen zu können, ist die Analyse möglichst vieler CTCs einer Patientin auf Einzelzellebene notwendig. Derzeit ist eine Vielzahl an Methoden zur Markierung, Anreicherung sowie ggf. Isolation von CTCs aus Blut kommerziell erhältlich. Sie beruhen hauptsächlich auf dem Nachweis und der Nutzung biologischer Eigenschaften der Zellen wie z. B. der spezifischen Expression epithelialer Marker oder auf der Nutzung physikalischer Eigenschaften wie z. B. der Größe der Zellen [Übersicht bei 6]. Dabei weisen alle Methoden spezifische Vor- und Nachteile auf: Während sich die Anreicherung auf Basis der Expression von Markern durch hohe Sensitivität auszeichnet, ist doch bislang kein spezifischer Marker bekannt, der alle Tumorzellen einer Entität charakterisiert, weshalb eine Selektion von Subpopulationen erfolgt. Die größenbasierte Anreicherung von CTCs ist einerseits markerunabhängig, andererseits aber auch weniger spezifisch. Diagnostische Leukapherese Aus den genannten Herausforderungen ergibt sich das Ziel, die Zahl der CTCs, die für eine Charakterisierung zur Verfügung stehen, zu ma- ONKOLOGIE heute 08/2015 ximieren. Dies ist nur über die Analyse eines vergrößerten Blutvolumens möglich. Eine Möglichkeit hierfür ist die Nutzung der diagnostischen Leukapherese (DLA) [7]. Sie wurde etabliert durch das Düsseldorfer Forschungsnetzwerk „DCCNet“ (Disseminated Cancer Cell), bestehend aus verschiedenen kooperierenden Arbeitsgruppen der Düsseldorfer Universitätsklinik unter federführender Leitung der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Kinderchirurgie, des Instituts für Transplantationsdiagnostik und Zelltherapeutika sowie der Frauenklinik. Die ersten, im Folgenden dargestellten Forschungsergebnisse wurden in den Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht [7]. Bei der diagnostischen Leukapherese werden CTCs und Blutzellen, deren Dichte im Bereich zwischen 1,05 und 1,088 g/l liegt, extrakorporal separiert. CTCs zählen ebenso wie mononukleäre Blutzellen zu dieser Zellpopulation. Die Durchführung der diagnostischen Leukapherese erfolgt analog zur therapeutischen Leukapherese mit dem Unterschied, dass die Mobilisierung von Stammzellen durch die Gabe von GCSF nicht erforderlich ist. Durch die Reduktion des insgesamt prozessierten Blutvolumens auf 2,6l (0,8–6,2l) wird die Dauer der Apherese auf ca. 1h verkürzt. Bei der Etablierung der DLA wurde zunächst untersucht, ob epitheliale Tumorzellen in Apheresaten von Mammakarzinompatientinnen nachgewiesen werden konnten. Im Rahmen einer Pilotstudie wurden aus kryokonservierten Apheresaten, die vor und nach einer Hochdosischemotherapie gewonnenen wurden, CTCs mittels Immunzytochemie nachgewiesen. Die isolierten CTCs wurden retrospektiv auf genomische Instabilität per compa- rativer Genomhybridisierung (Array-CGH) untersucht. Im Anschluss an diese Pilotphase erfolgte die Etablierung und Validierung eines halbautomatisierten Systems zum Nachweis bzw. zur Quantifizierung der CTCs. Hierzu wurde das CellSearch-System verwendet, welches derzeit als einziges Nachweisverfahren von der FDA (American „Food & Drug Administration“) zur Detektion von CTCs bei metastasierten Patienten mit Mammakarzinom, Prostatakarzinom und Kolorektalkarzinom zugelassen ist. Bei diesem System erfolgt in einem zweistufigen Verfahren zunächst die Anreicherung EpCAM-positiver Zellen mithilfe magnetischer Nanopartikel. Daran anschließend erfolgt die Identifizierung der CTCs mittels Immunfluoreszenz-Färbung der Epithelzell-Marker Cytokeratin 8, 18 und 19. Der Ausschluss von Leukozyten wird durch den Nachweis von CD45 ermöglicht, die Detektion intakter Zellen mittels DAPIFärbung [2]. Durch die erfolgreich quantifizierbare Detektion von Zellen der Mammakarzinomzelllinie SKBR-3, die den Apherese-Produkten gesunder Kontrollpersonen zugesetzt wurden, erfolgte der Nachweis, dass das CellSearch-System auch zur Detektion von CTCs in diesem Ausgangsmaterial geeignet ist. In Spiking-Experimenten zeigte sich eine Wiederfindungsrate der SKBR-3 Zellen von durchschnittlich 95% im CellSearch-System über einen Bereich von 1-220 zugesetzten Zellen vor einem Hintergrund von 0,76x108 Leukozyten. Bei der Analyse von frischem Apheresat von vierzehn nicht erkrankten Spendern wurde eine Cytokeratinpositive, CD45-negative Zelle mittels CellSearch-System nachgewiesen. UPDATE 45 CME Korreliert man die Zahl der detektierten CTCs mit der Zahl der Leukozyten im Apheresat, entspricht dies rein rechnerisch einer medianen CTC-Zahl von 0,03 CTCs/106 mononukleären Zellen. Vergleicht man in allen untersuchten Tumorentitäten die Anzahl detektierter CTCs im peripheren Blut mit der Anzahl detektierter CTCs im Apheresat, jeweils bezogen auf die Anzahl mononukleärer Zellen in den Proben, zeigt sich eine hohe Kongruenz. Dies lässt darauf schließen, dass sich CTCs gleichmäßig im Apheresat ansammeln und sich die höhere Zahl detektierter CTCs durch das stark vergrößerte Analysevolumen ergibt. Diskussion Der Nachweis zirkulierender Tumorzellen im metastasierten Mammakarzinom ist von prognostischer Relevanz, wie in zahlreichen klinischen Studien belegt werden konnte [2, 3]. Die Beantwortung dieser Fragestellung in der adjuvanten Situation wird durch die niedrige Frequenz der CTCs im Blut erschwert. Neben der prognostischen Relevanz ist die mögliche Nutzung von CTCs als prädiktivem Marker von besonderem Interesse. Auch die hierzu benötigte molekulare Charakterisierung der CTCs wird, bedingt durch deren Heterogenität, in Zukunft nur bei der Analyse möglichst vieler Zellen zur Beantwortung klinischer Fragestellungen herangezogen werden können. 1200 900 600 300 Anzahl CTC 120 100 80 60 40 Es gibt derzeit mehrere Technologien, das zu analysierende Blutvolumen zu erhöhen. Der CellCollector™ besteht aus einem mit anti-EpCAM-Antikörpern beschichteten Draht, der für 30min in der Vene des Patienten verbleibt. EpCAM-positive CTCs aus dem am Draht vorbeifließenden Blut binden am Draht und können durch Immunfluoreszenz-Färbung identifiziert und charakterisiert werden [9]. Ein weiterer Ansatz ist die in der vorliegenden Übersicht dargestellte Methode der diagnostischen Leukapherese [7]. In verschiedenen Tumorentitäten, hier exemplarisch gezeigt am Beispiel des Mammakarzinoms, konnte die effektive Isolierung zirkulierender Tumorzellen 20 DL A PB 0 CT C C Die Analyse größerer Blutvolumina ist hier die logische Schlussfolgerung, um die oben genannten Fragestellungen sowohl im adjuvanten als auch im metastasierten Setting beantworten zu können. Mit Hilfe eines mathematischen Modells und der Extrapolation der CTC-Frequenz konnten Coumans et al. berechnen, dass bei der theoretischen Analyse von 5l Blut 99% aller Patienten mit einem metastasierten Karzinom als CTC-positiv vor Therapiebeginn gelten würden. Die zukünftige Nutzung der liquid biopsy würde demzufolge nur durch eine massive Steigerung des analysierten Blutvolumens für die Mehrheit der Patienten möglich sein [8]. CT Im Anschluss daran erfolgte zunächst die Untersuchung der Apheresate von 23 onkologischen Patienten, darunter sieben Mammakarzinom-Patientinnen. Die Stadieneinteilung nach UICC ergab Stadien zwischen 1a und 3a. Es erfolgte jeweils die parallele Analyse von Apheresat sowie 7,5ml Vollblut. Bei der Analyse von 7,5ml peripherem Blut im CellSearch-System konnten bei fünf von sieben Patientinnen keine CTCs detektiert werden. Im Gegensatz dazu waren bei der Untersuchung der jeweils zugehörigen Apheresate vier der fünf Patientinnen CTC-positiv. Bezogen auf das gesamte Volumen des Apheresats ergab sich eine mediane CTC-Zahl von 108 (0-1148). Ein Vergleich der CTC-Zahl in peripherem Blut und Apheresat ist in E Abb. 1 dargestellt. Abb. 1: Identifizierung von CTCs im peripheren Blut sowie in Apheresaten von Mammakarzinom-Patientinnen (n=7). Dargestellt ist die CTC-Anzahl, detektiert in 7,5ml Blut bzw. im Apheresat, bezogen auf dessen Gesamtvolumen. nachgewiesen werden. Die Einbindung der DLA in den klinischen präoperativen Ablauf konnte gut umgesetzt und ohne Komplikationen für die Patientinnen durchgeführt werden. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass die Durchführung der diagnostischen Leukapherese für die Patienten von Vorteil sein könnte – frühere Arbeiten konnten zeigen, dass die Retransplantation gereinigter CD34+ Stammzellen aus Leukapherese bei Patienten nach Hochdosischemotherapie mit einem signifikant längeren Überleben korrelierte [10]. Die vorgestellten Daten zeigen die mögliche Nutzung der diagnostischen Leukapherese zur molekularen Charakterisierung von CTCs. Möglichkeiten hierzu sind beispielsweise Untersuchungen zur genomischen Instabilität (Array-CGH), Mutationsanalysen oder Expressionsanalysen (Immuncytochemie). Die Vorgehensweise zur molekularen Charakterisierung isolierter CTCs nach DLA ist in E Abb. 2 dargestellt. Die molekulare Charakterisierung 08/2015 ONKOLOGIE heute 46 UPDATE CME Abb. 2: Vorgehensweise zur molekularen Charakterisierung vereinzelter CTCs nach Anreicherung mittels DLA. A) Im Rahmen der diagnostischen Leukapherese erfolgt die extrakorporale Separierung von Zellen mit einer Dichte zwischen 1,05 und 1,088 g/l (CTCs und weiße Blutkörperchen). B) Die Anreicherung und Identifizierung der CTCs erfolgt mittels CellSearchSystem. C) Isolierte CTCs können mittels unterschiedlicher Verfahren molekular weiter charakterisiert werden mit dem Ziel der Identifizierung prognostischer und prädiktiver Marker. Möglich sind hier z. B. Untersuchungen zur genomischen Instabilität (Array-CGH), Mutations- und Expressionsanalysen. der CTCs soll helfen, zukünftig Therapieentscheidungen bei metastasierten Patienten auf Basis der CTCs als Surrogatmarker der systemischen Erkrankung treffen zu können. Das Ziel, alle Patienten mit einer individualisierten Therapie zu behandeln, könnte so einen Schritt näher rücken. ONKOLOGIE heute 08/2015 Literatur: 1. Pantel K, Brakenhoff RH. Dissecting the metastatic cascade. Nat Rev Cancer. 2004; 4(6): 448-56. 2. Cristofanilli M et al. Circulating tumor cells, disease progression, and survival in metastatic breast cancer. N Engl J Med. 2004; 351(8): 781-91. 3. Bidard FC et al. Clinical validity of circulating tumour cells in patients with metastatic breast cancer: a pooled analysis of individual patient data. Lancet Oncol. 2014; 15(4): 406-14. 4. Banys M et al. The influence of removal of primary tumor on incidence and phenotype of circulating tumor cells in primary breast cancer. Breast Cancer Res Treat. 2012; 132(1): 121-9. 5. Alix-Panabières C und Pantel K, Circulating Tumor Cells: Liquid Biopsy of Cancer. Clin Chem. 2013 Jan;59(1):110-8. 6. Alix-Panabières C, Pantel K. Technologies for detection of circulating tumor cells: facts and vision. Lab Chip. 2014; 14(1): 57-62. 7. Fischer JC et al. Diagnostic leukapheresis enables reliable detection of circulating tumor cells of nonmetastatic cancer patients. Proc Natl Acad Sci U S A. 2013; 110(41): 16580-5. .8 Coumans FAW et al. Challenges in the Enumeration and Phenotyping of CTC. Clin Cancer Res. 2012; 18(20): 57118. 9. Saucedo-Zeni et al. A novel method for the in vivo isolation of circulating tumor cells from peripheral blood of cancer patients using a functionalized and structured medical wire. Int J Oncol. 2012; 41(4): 1241-50. 10. Müller AMS et al. Long-Term Outcome of Patients with Metastatic Breast Cancer Treated with High-Dose Chemotherapy and Transplantation of Purified Autologous Hematopoietic Stem Cells. Biol Blood Marrow Transplant. 2012; 18(1): 125-33. Dieser Beitrag ist in Ausgabe 3/ 2015 in der Zeitschrift DZKF – Deutsche Zeitschrift für Klinische Forschung unseres Verlagshauses erschienen. Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Tanja Fehm Universitätsfrauenklinik Düsseldorf Moorenstraße 5 40225 Düsseldorf [email protected] Prof. Dr. med. Tanja Fehm Universitätsfrauenklinik Düsseldorf