14 essen&trinken 15 Coopzeitung Nr. 40 vom 1. Oktober 2013 Vegane Ernährung Die neuen Vegetarier Früher galten Veganer als seltsame Körnlipicker – doch mittlerweile ist die Ernährung ohne Fleisch, Eier und Milchprodukte mitten in der Gesellschaft angekommen. TEXT: NICOLE HÄTTENSCHWILER, BETTINA ULLMANN FOTOS: HEINER H. SCHMITT P Kreativer Koch: Philip Hochuli verwendet keine tierischen Produkte. hilip Hochuli ist ein pragmatischer Mensch. Statt Karotten und Sellerie mühsam mit dem Messer klein zu schneiden, nimmt er kurzerhand den Zwiebelhacker zur Hand. Kochen soll schnell gehen und Rezepte sollen mit wenigen Zutaten auskommen. Das Gemüse braucht er für seine vegane Lasagne. Statt Hackfleisch nimmt er zerbröselten Tofu, statt Butter für die Béchamelsauce Sonnenblumenöl und statt Reibkäse streut er eine Masse aus gemahlenen Cashewkernen darüber. Der 22-Jährige ernährt sich seit drei Jahren weitgehend vegan (siehe Glossar auf Seite 17) und verzichtet somit nicht nur auf Fleisch und Fisch, sondern auch auf Milchprodukte und Eier. Damit ist er in guter Gesellschaft. Immer mehr Menschen fühlen sich zu dieser Ernährungsweise hingezogen. Viele Restaurants, Takeaways und Läden bieten mittlerweile vegane Speisen an. In Deutschland gibt es seit Kurzem gar eine rein vegane Supermarktkette namens «Veganz». Und auch in den Buchhandlungen füllen vegane und vegetarische Kochbücher die Regale. Angesprochen werden damit nicht nur reine Veganer oder Vegetarier, sondern auch die sogenannten Flexitarier – Menschen, die bewusst ab und zu auf Fleisch verzichten. Bekanntester Vertreter dieser Spezies ist der Londoner Koch Yotam Ottolenghi, der mit seinen Kochbüchern der Gemüseküche neuen Glanz verleiht und trotzdem ab und zu ein Stück Fleisch isst. Lebensfreude statt Verbissenheit lautet das Motto der «neuen» Vegetarier. «Viele junge Leute haben heute ein Bewusstsein dafür entwickelt, dass es gut ist, vegan zu leben – auch wenn sie nicht gleich strenge Veganer werden», sagt Jan Bredack, Gründer von «Veganz», «Die vegane Ernährung hat nichts mit Verzicht zu tun», sagt Philip Hochuli. wohnen&geniessen 17 Coopzeitung Nr. 40 vom 1. Oktober 2013 in einem Zeitungsinterview. Doch auch jene, die sich für eine ausschliesslich pflanzliche Ernährung entschieden haben, sind auf dem Vormarsch. Mit Verzicht habe das aber nichts zu tun, betont Philip Hochuli, der in Zürich Volkswirtschaftslehre studiert. Im Gegenteil: Durch die Umstellung auf vegane Ernährung habe er erst seine Leidenschaft fürs Kochen entdeckt. Zudem fühle er sich gesundheitlich besser und mache mittlerweile täglich Sport. Anfang 2013 brachte er sein Kochbuch «Junge vegane Küche» auf den Markt. Darin finden sich nebst vielen Gemüsegerichten auch Rezepte, die man in einem veganen Kochbuch nicht erwarten würde: Zürcher Geschnetzeltes etwa, eine Sauce Hollandaise ohne Eier und Butter, Süsses wie Brownies oder Nusstorte. «Von meiner veganen Spaghetti Carbonara sind selbst Fleischliebhaber begeistert», erzählt Philip Hochuli. Damit sie schön rahmig wird, verwendet er weisses Mandelmus aus dem Reformhaus. Und statt Speck gibt Junge vegane Küche Die vegane Küche ist «vielfältig» und «einfach lecker» – diese Botschaft ist dem 22-jährigen Studenten, Koch und Buchautor wichtig. Er transportiert sie, indem er neben klassischen Rezepten auch eine Vielzahl neuer Kreationen vorstellt. Im Vorwort seines Kochbuchs findet er noch weitere gute Argumente, warum die tierfreie Ernährungsweise Sinn macht. Den Beweis liefert er mit seinen Rezepten gleich hinterher. Derzeit arbeitet er an seinem zweiten Buch, das 2014 erscheint. Notabene: Extra ausgewiesene Allergikerinfos, es werden hauptsächlich Bio-Produkte eingesetzt, die meisten Lebensmittel in seinen Rezepten findet man im Supermarkt. Philip Hochuli: «Junge vegane Küche», (Fr. 31.–, Verlag Pro Business, www.philiphochuli. com) Statt Fleisch gibt es Tofu. Dazu kommen Tomatenmark und reichlich Gemüse wie Karotten und Sellerie. Mehr Buchtipps auf Seite 19 und unter www.coopzeitung.ch/ vegan Glossar: Ernährungsweisen FLEXITARIER Sie setzen bewusst ab und zu auf vegetarisches Essen, geniessen aber gerne auch mal eine Fleischmahlzeit. Man nennt sie auch Teilzeitvegetarier. OVO-LACTO-VEGETARIER Klassische Vegetarier (in der Schweiz ca. 2 % der Bevölkerung), essen nichts, das von getöteten Tieren stammt, konsumieren aber Milchprodukte und Eier. Ovo-Vegetarier essen Eier, aber kein Fleisch und keine Milchprodukte. Lacto-Vegetarier essen Milchprodukte, aber keine Eier. Pescetarier essen kein Fleisch, dafür aber Fisch, Eier und Milchprodukte. VEGANER Etwa jeder zehnte Vegetarier in der Schweiz ernährt sich vegan. Veganer verzichten komplett auf tierische Produkte und ernähren sich ohne Fleisch, Milchprodukte, Eier und Honig. Konsequente Veganer lehnen auch Kleidung und Schuhe aus Leder, Wolle, Daunen und Seide ab und achten auf tierversuchsfreie Körperpflegeartikel. FRUTARIER Frutarier wollen der Natur keinen Schaden zufügen und ernähren sich nur von Pflanzen, die bei der Ernte nicht sterben müssen. Diese Anforderungen erfüllen etwa Obst, Beeren, gewisse Gemüsesorten, Nüsse und Samen. Wurzel- und Knollengemüse sind tabu. ROHKÖSTLER Rohköstler essen ihre Speisen roh oder auf maximal 40 Grad erhitzt. Über dieser Temperatur würden die Lebensmittelwichtige Enzyme und Vitamine verlieren. Viele Rohköstler ernähren sich vegan, manche konsumieren rohes Fleisch, rohen Fisch oder Rohmilch. 18 essen&trinken 19 Coopzeitung Nr. 40 vom 1. Oktober 2013 Zermahlene Cashewkerne geben der Lasagne einen nussigen Geschmack. es Räuchertofu. Früher habe auch er sehr gerne Fleisch gegessen, sagt der gebürtige Zürcher, der in Appenzell Ausserrhoden aufgewachsen ist. Das Umdenken fand statt, als er vor vier Jahren in der Schule einen Dokumentarfilm zur Massenproduktion von Lebensmitteln gesehen hat. «Es schockierte mich, zu sehen, dass Küken wie Waren behandelt wurden», erzählt er. So stellte er seine Ernährung um – reduzierte zuerst seinen Fleischkonsum und liess ANZEIGE Meine vegane Küche später auch noch alle anderen tierischen Produkte weg. «Die vegane Ernährung bringt ethische, ökologische und gesundheitliche Vorteile», ist Philip Hochuli überzeugt. Deshalb spreche sie auch eine sehr heterogene Gruppe von Menschen an. In den USA, wo der Veganismus auf dem Vormarsch ist, sind es eher gesundheitliche Aspekte. Bestes Beispiel dafür ist der ehemalige Präsident Bill Clinton, der sich der Gesundheit zuliebe seit 2010 praktisch vegan ernährt. In Europa hingegen kommt der vegane Lebensstil eher aus der Tierrechtsbewegung. Veganer argumentieren, dass nicht nur für Fleisch Tiere sterben müssen, sondern auch für die Produktion von Milch und Eiern. Damit eine Kuh überhaupt Milch gibt, muss sie einmal pro Jahr ein Kalb auf die Welt bringen, das später als Fleisch auf dem Teller landet. Und bei den Legehennen werden die männlichen Küken kurz nach dem Schlüpfen aussortiert und getötet. «Im Moment findet bei vielen Menschen ein Umdenken statt, gerade auch in Bezug auf die Umwelt», sagt Cristina Roduner von der Veganen Gesellschaft Schweiz (www. vegan.ch). Die Leute würden immer offener gegenüber alternativen Ernährungsweisen und realisierten, dass Essen nicht mehr einfach nur Privatsache sei. «Der vegane Lebensstil ist eine sehr nachhaltige Art zu leben und Für sein Gericht verwendet der junge Koch frisches Basilikum. Vegane Ernährung ist in nahezu allen Fällen eine sehr bewusste Entscheidung der Betroffenen gewesen. Der Autor widerspricht allerdings dem Ausdruck «bewusst». Er schreibt: «(Es war) eine Entscheidung, die aus dem Herzen eines Kindes kam, das Tiere mochte und sich nicht vorstellen konnte, etwas zu essen, das einmal herumgelaufen ist.» Seine Eltern seien an ihm verzweifelt. Inzwischen ist der Chefkoch in vielen veganen Restaurants mehr als erwachsen und hat schon sein zweites Buch herausgebracht. Notabene: Besonders bemerkenswert an dieser Rezeptzusammenstellung ist ihre internationale Herkunft. Göb ist lange Zeit gereist und lässt die Leser seines Buches von seinen weltweiten Rezeptrecherchen profitieren. Surdham Göb: «Meine vegane Küche» (Fr. 26.90, AT Verlag) Vegan for fit Die Umstellung seines Ernährungs- und Lebensstils sei nur ein «ganz kleiner Schritt» gewesen, sagt Attila Hildmann. Der 32-jährige Berliner war übergewichtig, heute ist er schlank, sportlich und gilt als der bekannteste VeganKoch Deutschlands (sein vorab erschienener Titel «Vegan for fun» wurde 2012 zum Kochbuch des Jahres gewählt). Das neue Buch «Vegan for fit» sei aber sicher keine Diät, sondern einfach eine gesunde Ernährung, sagt er. Notabene: Quinoa, Amaranth, Knoblauch und Leinöl, Beeren und Kohlgemüse sind einige der wichtigsten Zutaten für die gesunden und feinen Rezepte von Hildmann. Seine allerwichtigste Zutat jedoch könnte das Mandelmus sein, das sich in vielen Rezepten wiederfindet. Attila Hildmann: «Vegan for fit», (gebunden, Fr. 41.–, Becker Joest Volk Verlag) ANZEIGE Coopzeitung Coopzeitung online schont die Umwelt», findet sie selbst. Mehr zum Vitamin B12, Interviews mit Veganern und weitere Buchtipps unter: Nr. 40 vom 1. Oktober 2013 Bleibt noch die Frage, wie gesund eine vegane Ernährung wirklich ist. Schliesslich steckt in vielen Köpfen noch immer das Bild vom mageren, kränklichen Körnlipicker. Cristina Roduner lacht. «Mir sagen die Leute oft, dass ich gar nicht aussehe wie eine Veganerin.» In erster Linie sei es eine Frage der Ausgewogenheit. Man könne sich sowohl vegan wie auch als Allesesser gesund oder ungesund ernähren. Laut Coop-Ernährungsberaterin Martina Lanzendörfer ist es wissenschaftlich erwiesen, dass pflanzliche Lebensmittel «Der vegane Lebensstil ist eine sehr nachhaltige Art zu leben.» verschiedene positive Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Dennoch bestünden bei einer rein veganen Ernährung gewisse Risiken. Stephanie Hochstrasser von der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE sagt dazu: «Veganer benötigen ein grosses Ernährungswissen und Erfahrung, um sich bedarfsdeckend zu ernähren.» Unter Umständen sei der Einsatz von Supplementen sinnvoll, insbesondere im Bezug auf das Vitamin B12, da dies ausschliesslich in tierischen Lebensmitteln vorkomme. Cristina Roduner ist sich dessen bewusst und lässt regelmässig ihr Blut untersuchen. «Schon früher, als ich mich nicht vegan ernährte, hatte ich oft einen Mangel an B12 und Eisen», erzählt sie. Unter Eisenund B12-Mangel leide sie allerdings nicht mehr, seit sie vegan lebe. www.coopzeitung.ch/ vegan Vegane Lasagne (von Philip Hochuli) Zutaten (für 2–3 Portionen) Zubereitung 12 Lasagne-Blätter 300 g bissfester Tofu 6 EL neutrales Öl, z. B. Sonnenblumenöl (nicht kalt gepresst) 1 Zwiebel, fein gehackt 1 Knoblauchzehe, gepresst 100 g Karotten, ganz fein gewürfelt 100 g Sellerieknolle, ganz fein gewürfelt 120 g Tomatenmark (2-fach konzentriert) 100 ml guter Rotwein 1 ½ TL Gemüsebouillon plus 300 ml Wasser 2 EL frisch gehackter Oregano (oder 1 TL getrockneter) 2 EL frisch gehacktes Basilikum (oder 1 TL getrocknetes) Prise Zimt Salz und Pfeffer Sauce Bolognese: Tofu mit den Fingern fein zerbröseln. Öl und Tofu erhitzen. Auf hoher Stufe 5–8 Min. unter Rühren braten. Zwiebel, Knoblauch, Karotten und Sellerie zugeben, 3 Min. braten. Tomatenmark gut untermischen, 2–3 Min. braten. Wein, Bouillon, Kräuter und Zimt zugeben, 5–7 Min. auf mittlerer Hitze ohne Deckel kochen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. 2 EL neutrales Öl 1 ½ EL Weissmehl 300 ml Sojamilch Prise Muskatnuss ½ TL Senf ohne Körner ¼ TL Salz Pfeffer 130 g Cashewkerne ½ TL Salz 4 TL Zitronensaft Bis am 5. Oktober gibt es 20 Prozent Rabatt auf alle Karma- und DélicornProdukte. Béchamelsauce: Öl in einer Pfanne erhitzen. Mehl zugeben und mit dem Schwingbesen verrühren. Auf mittlerer Hitze 1 Min. anschwitzen. Hitze reduzieren, Sojamilch zugeben und gut rühren. Erhitzen und kurz eindicken. Mit Muskat, Senf, Salz und Pfeffer würzen. Cashew-«Käse»: Cashewkerne mit dem Mixer staubfein mahlen. Mit Salz mischen. Zitronensaft einkneten. 4 Lasagne-Blätter auf den Boden einer Gratinform legen. Die Hälfte der Bolognese darauf verteilen. Vorgang wiederholen und 4 LasagneBlätter als Deckel darauflegen. Béchamelsauce darüber verteilen. In den kalten Ofen stellen und bei 200° C 40 Min. backen. Nach 20 Min. Backzeit den Cashew«Käse» darauf verteilen und fertig backen. Ihr Lieblingsgericht … … bald im Coop-Regal? Unter dem Namen Karma sind bei Coop rund 50 vegetarische Produkte erhältlich. Davon sind 22 vegan. Das Délicorn-Sortiment enthält 6 vegane Artikel. Nun sind Sie am Zug: Gibt es ein vegetarisches Gericht, das Ihnen auf einer Reise begegnet ist und Ihnen nicht aus dem Kopf geht? Oder ein Lieblingsmenü, für das Ihnen die Zeit zum Kochen fehlt? Welches vegetarische Gericht fehlt Ihrer Meinung nach im Sortiment von Karma? Schicken Sie uns Ihre Idee bis am Montag, 14. Oktober. Aus den eingesandten Vorschlägen wird eine Jury die 5 besten auswählen. Danach kann auf www.coopzeitung.ch über das Siegergericht abgestimmt werden. Der Gewinner erhält einen Einkaufsgutschein in der Höhe von 500 Franken. Für die Plätze 2 bis 5 gibt es einen Gutschein von je 100 Franken. Zudem wird der Gewinner mit seinem Gericht bei der Lancierung in der Coopzeitung vorgestellt. Mitmachen unter: link www.coopzeitung.ch/fertiggericht