Consistent Histories - Institut für Physik

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Consistent Histories
Vorlesung - Interpretation der Quantenmechanik
Wintersemester 2004/2005
Institut für Physik - Universität Graz
Doris Prieling, Peter Senekowitsch
26. Jänner 2005
2 EIGENSCHAFTEN VON SYSTEMEN
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Einleitung
Wir haben uns entschieden auch in diesem deutschen Text den englischen Begriff History
zu verwenden, da der deutsche Begriff Geschichte, insbesonders im Plural, für gewöhnlich mit Geschichten im Sinne von (erfundenen) Erzählungen assoziiert wird. Von solchen
soll wissenschaftliche Arbeit jedoch klar unterscheidbar sein, besonders in einem so schwer
verständlichen und oft missverstandenem Gebiet wie der Quantenmechanik.
Die moderne Quantenmechanik basiert auf zwei unterschiedlichen Ideen: Zum einen
entwickelt sich die Wellenfunktion eines physikalischen Systems gemäß der Schrödingergleichung, zum anderen kann die Wellenfunktion verwendet werden um Wahrscheinlichkeiten
zu berechnen. Es hat sich als äußerst schwierig erwiesen diese beiden Konzepte auf eine
konsistente Art und Weise zu kombinieren.
Im sogenannten ’Consistent Histories Formalismus’ gelingt es aber Wellenfunktionen
und Wahrscheinlichkeiten auf eine vollständig konsistente Weise zu kombiniert, die nicht
auf der Verwendung von Messungen beruht. Dies wurde erstmalig 1984 von Robert Griffiths
vorgeschlagen und durch Roland Omnès 1988 weiterentwickelt. Auch Murray Gell-Mann
und James Hartle verwendeten diesen Formalismus, allerdings unter dem Namen ’decoherent histories’(1990).
Als History wird eine zeitliche Abfolge von quantenmechanischen Ereignissen betrachtet und diesen Histories können Wahrscheinlichkeiten zugeordnet werden. Da diese Wahrscheinlichkeiten bestimmten Bedingungen unterliegen ist es in diesem Formalismus möglich
zwischen sinnvollen und sinnlosen Histories zu unterscheiden.
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Eigenschaften von Systemen
Als Eigenschaft eines Systems bezeichnet man die Möglichkeit zu zeigen, dass der Wert einer Observable A in einer Menge D reeller Zahlen liegt. Wenn das Spektrum von A diskret
ist kann D aus einer einzigen Zahl bestehen, aber es kann sich dabei auch um ein Intervall
oder einen komplizierteren Wertebereich handeln.
Einer Eigenschaft lässt sich nun ein Projektor im Hilbertraum
!
E=
X
X
a∈D
r
|a, ri ha, r|
zuordnen. |a, ri bezeichnet hier den normalisierten Eigenvektor von A mit Eigenwert a, r
bezeichnet den Entartungsindex.
Der Zustand eines Systems erlaubt einem eine Wahrscheinlichkeit für jede Eigenschaft
zu definieren. Die Wahrscheinlichkeit einer Eigenschaft mit dem Projektor E wird als p (E)
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2 EIGENSCHAFTEN VON SYSTEMEN
angeschrieben. Aus der Bedeutung der Eigenschaften und den Axiomen der Wahrscheinlichkeitstheorie ergeben sich die folgenden Bedingungen:
(i) Die Wahrscheinlichkeit p (E) hängt nur vom Projektor E ab.
(ii) Positivität: p (E) ≥ 0.
(iii) Normalisierung: p (I) = 1 I bezeichnet hier den Einheitsoperator der der trivialen
Eigenschaft zugewiesen ist, die aussagt, dass die Observable einen beliebigen Wert hat.
(iv) Additivität: Sind zwei kommutierende Eigenschaften (E, E 0 ) gegeben deren Produkt
EE 0 Null ist ergibt sich folgende Summe der Wahrscheinlichkeiten:
p (E, E 0 ) = p (E) + p (E 0 )
Diese Annahme korrespondiert, zum Beispiel, mit dem Fall zweier disjunkter Bereiche D
und D0 als Werte einer Observablen A. Die Additivität ist notwendig um die Konsistenz
mit der Wahrscheinlichkeitstheorie zu wahren.
Diese Bedingungen reichen aus um den mathematischen Ausdruck für p (E) zu definieren. Es muss ein positiver Operator ρ mit Spur Eins existieren so, dass gilt: (Theorem von
Gleason)
p (E) = T r (ρE)
Dieser Operator ρ definiert somit den Zustand des Systems, da er Erkenntnisse über die
Wahrscheinlichkeiten gewährt. Man könnte ihn als Zustandsoperator bezeichnen, verbreiteter ist aber die Bezeichnung Dichteoperator.
Die Zeitentwicklung läßt sich durch den unitären Operator U (t) ausdrücken der folgendermaßen aus dem Hamiltonoperator H hergeleitet wird:
U (t) = exp (−iHt/h̄)
Nun kann man die Zeitentwicklung im Schrödingerbild durchführen, wobei die Observablen fest bleiben und der Dichteoperator sich folgendermaßen entwickelt:
ρ (t) = U (t) ρU −1 (t)
Genauso gut läßt sich die Zeit nach dem Heisenbergbild entwickeln, wobei der Dichteoperator fest bleibt und sich die Observablen mit der Zeit folgendermaßen ändern:
A (t) = U −1 (t) AU (t)
Die zur Zeitentwicklung gehörige Wahrscheinlichkeit läßt sich wie folgt anschreiben:
p = T r (ρ (t) E) = T r (ρE (t))
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3 CONSISTENT HISTORIES
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Consistent Histories
Bei einer History handelt es sich um eine Folge von Eigenschaften die in einer zeitlich geordneten Abfolge t1 , t2 , . . . , tn (tk < tk+1 ) auftreten. Typischerweise trifft eine History eine
Aussage zu einer Eigenschaft zum Zeitpunkt t1 , dann zu einer anderen Eigenschaft zum
Zeitpunkt t2 usw. Somit kann eine History als eine Abfolge von einzelnen Bildern eines
Systems betrachtet werden die eine Art Film ergeben.
Die zum Zeitpunkt tk zutreffende Eigenschaft sagt aus, dass der Wert der Observable
Ak im Bereich Dk liegt. Kommutativität der Observablen Ak wird nicht vorausgesetzt,
(r)
aber man kann mehrere kommutierende Observablen Ak zu einer zusammenfassen um
zum Beispiel die drei Werte eines Ortsvektors in einem gegebenen Volumen zu betrachten.
Die zeitabhängigen Projektoren die in der History auftreten werden Ek (tk ) genannt.
Die Wahrscheinlichkeit einer History wird folgendermaßen berechnet:
p = T r (En (tn ) · · · E2 (t2 ) E1 (t1 ) ρE1 (t1 ) E2 (t2 ) · · · En (tn ))
ρ bezeichnet hier den Dichteoperator zur Anfangszeit Null die früher als t1 ist. Diese Wahrscheinlichkeit ist nicht invariant gegenüber Zeitumkehr, was auch nicht nötig ist, da man
nicht davon ausgehen kann, dass der Anfangszustand immer durch eine Eigenschaft gegeben ist.
Die einfachste Möglichkeit die Existenzberechtigung dieser Gleichung zu erhalten erfolgt über Feynman-Pfadintegrale. Hierbei muss man sich auf Fälle beschränken bei denen
es sich bei jeder Observable Ak eine Orts- oder Impulsobservable handelt. Man schreibt die
Wahrscheinlichkeitsamplitude für die letzte Eigenschaft zum Zeitpunkt tn in Verbindung
mit dem Anfangszustand zum Zeitpunkt Null als Feynman-Pfadintegral an. Wenn nun die
Eigenschaft zum Zeitpunkt tk besagt, dass Ak beispielsweise die Ortskoordinate ist und im
Bereich Dk liegt behält man in der Feynman-Summe nur Pfade bei die diesen Bereich Dk
zum Zeitpunkt tk schneiden. Wird dies für alle zwischenliegenden Zeiten gemacht so erhält
man die Gleichung für die Wahrscheinlichkeit.
Weiters ist eine formellere Herangehensweise ähnlich der die zu Gleasons Theorem führte möglich.
(i) Die Wahrscheinlichkeit einer History hängt allein von den darin auftretenden Eigenschaften ab, d.h. von den zugehörigen Projektoren.
(ii) Für n = 1 liefert das Theorem von Gleason die Wahrscheinlichkeit.
(iii) Wenn Ek+1 (tk+1 ) = Ek (tk ) gilt, was bedeutet, dass sich eine Eigenschaft wiederholt
liegt eine Tautologie vor und die Wahrscheinlichkeit ist die selbe wie für die History bei
der die Eigenschaft nur einmal vorkommt. Sollte die erste Eigenschaft mit dem Anfangszustand übereinstimmen, so kann diese erste Eigenschaft weggelassen werden.
(iv) Sollten sich zwei sukzessive Eigenschaften Ek (tk ) und Ek+1 (tk+1 ) widersprechen so ist
die History Nonsens und die Wahrscheinlichkeit ist Null.
3
3 CONSISTENT HISTORIES
(v) Wahrscheinlichkeiten für zwei disjunkte Eigenschaften die zur selben Zeit auftreten
addieren sich.
Diese Bedingungen setzten die Gleichung für die Wahrscheinlichkeit der Histories voraus.
Es genügt selten eine History alleine zu betrachten, vielmehr ist es notwendig Familien
von möglichen Histories gemeinsam zu betrachten. Hierzu werden der Anfangszustand, die
Abfolge der Zeitpunkte {tk } und die Observablen {Ak } festgelegt. Das Spektrum jeder
Observablen Ak wird in eine vollständige Familie disjunkter Bereiche Dkαk unterteilt.
Jede Eigenschaft [Ak , Dkαk ] ist mit einem Projektor Ekαk (tk ) verknüpft. Die Gesamtheit dieser Histories erzeugt nicht nur einen Film sondern eine Familie von Filmen mit
verschiedenen Abläufen. Man kann sie auch als verschiedene Ereignisse in der Wahrscheinlichkeitsrechnung betrachten.
Mehrere disjunkte Histories lassen sich nun zu einer weniger detaillierten History vereinigen. Auf Grund der Additivität ist die Wahrscheinlichkeit der größeren History gleich
der Summe der Wahrscheinlichkeiten der kleineren Histories.
Nicht alle vollständigen Familien von Histories erfüllen die Additivität. Nimmt den Zugang über Feynman-Pfadintegrale so sind die Fenster durch die die Pfade gehen müssen
sehr eingeschränkt. Sie müssen so gewählt werden, dass die Additivität der Wahrscheinlichkeiten mit der quantenmechanischen Additivität der Amplituden konsistent ist. Dies
läßt sich durch sogenannte Konsistenzbedingungen erreichen. Diese lauten, in der Form
wie sie von Gell-Mann und Hartle 1990 vorgeschlagen wurden folgendermaßen.
Unterscheidet sich die Folge {αk } von der Folge {αk0 } , (k = 1, . . . , n − 1) so gilt:
Tr
αn−1
En−1
(tn−1 ) · · · E1α1
α0
(t1 ) ρE1 1
α0n−1
(t1 ) · · · En−1
(tn−1 ) Enαn
(tn ) = 0
Diese Bedingungen sind für die Additivität hinreichend aber nicht notwendig. Somit werden Familien von Histories für die zwar die Additivität nicht aber obige Gleichung erfüllt
ist ausgegrenzt.
Bedingungen die sowohl hinreichend als auch notwendig sind wurden von Griffiths 1984
und von Omnès 1988 veröffentlicht. Treffen sie zu so spricht man von konsistenten Histories.
In den meisten praktischen Fällen reicht es aus die oben gegebene, einfache Bedingung
zu verwenden. Die genaueren Bedingungen von Griffiths sind nur nötig wenn jenseits aller
Zweifel bewiesen werden muss, dass eine Aussage in jedem Zusammenhang bedeutungslos
ist, wie z.B. eine Aussage durch welchen Arm eines Interferometers ein Photon gegangen
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4 LITERATUR
ist. In solch einem Fall muss sichergestellt werden, dass keine Möglichkeit übersehen wurde
und somit sind notwendige und hinreichende Bedingungen nötig.
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Literatur
Roland Omnès - Consistent interpretations of quantum mechanics, Reviews of Modern
Physics, Vol.64, No.2, April 1992
Roland Omnès - The Interpretation of Quantum Mechanics, Princeton series in physics,
1994
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