Verbreitung und Schutz der Gelbbauchunke im Wienerwald Ein Projekt des NATURSCHUTZBUND NÖ und der Österreichischen Bundesforste AG Wien, im Dezember 2005 NATURSCHUTZBUND NÖ Gelbbauchunke im Wienerwald Projektbearbeiter: Univ.-Doz. Dr. Günter Gollmann unter Mitarbeit von Mag. Dr. Birgit Gollmann Titelbild: Gelbbauchunke. Foto: G.Gollmann Seite 2 von 16 NATURSCHUTZBUND NÖ Gelbbauchunke im Wienerwald Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis....................................................................................................................... 5 1 Zusammenfassung.................................................................................................... 7 2 Kartierung der Vorkommen...................................................................................... 9 2.1 Methodik.................................................................................................................. 9 2.2 Fundorte ................................................................................................................ 10 3 Fortpflanzung im Jahr 2005.................................................................................... 16 4 Populationsgrößen und Entwicklung der Populationen ..................................... 22 5 Ortsbeziehungen der Gelbbauchunken im Wienerwald ...................................... 26 6 Wachstum der Gelbbauchunken im Wienerwald ................................................. 30 7 Schlussfolgerungen für den Schutz der Gelbbauchunke ................................... 33 7.1 Empfehlungen für Schutz und Habitatmanagement:............................................. 34 7.2 Mögliche Nachfolgestudien: .................................................................................. 35 8 Literatur.................................................................................................................... 36 9 Anschrift der Autoren ............................................................................................. 37 Seite 3 von 16 NATURSCHUTZBUND NÖ Gelbbauchunke im Wienerwald 1 Zusammenfassung Über vier Jahre (2002-2005) wurden die Populationen der Gelbbauchunke (Bombina variegata) in zwei Gebieten im Wienerwald, im Forstrevier Ried bei Rekawinkel und in Großkrottenbach, untersucht. Individuelle fotografische Registrierung diente einer Fang-WiederfangStudie zur Abschätzung der Populationsgrößen und der Beobachtung der Ortsbeziehungen der Unken. Erhebungen zur Fortpflanzung umfassten Datenaufnahme über Gewässerangebot, Laich, Kaulquappen und frisch metamorphosierte Jungtieren. Die Populationsgrößen erscheinen über den Untersuchungszeitraum stabil, bei Populationsdichten von ungefähr einer Unke pro Hektar. Dabei zeigten sich gegenläufige Trends: während der Bestand in Großkrottenbach leicht zurückging, konnten in Ried in den letzten zwei Jahren mehr Tiere als zu Beginn der Untersuchung angetroffen werden. Diese Populationstrends stimmen mit den beobachteten Fortpflanzungsbedingungen überein: In Großkrottenbach bot eine frisch geräumte Fläche 2002 ein sehr großes Angebot an Laichplätzen, das sich allmählich verschlechterte. In Ried entstanden nach anfangs ungünstigen Verhältnissen 2004 und 2005 deutlich bessere Bedingungen, wozu sowohl die feuchtere Witterung als auch die forstliche Nutzung beitrugen. Viele der wiedergefangenen Unken waren ortstreu, einige hatten aber Entfernungen über 1 km zurückgelegt. Die Besiedlung neuer Tümpel erfolgte rasch, ein Teil der GelbbauchunkenPopulationen bewegt sich regelmäßig im Landlebensraum herum. Vorrangig für den Schutz der Art ist es, Kleingewässer zu erhalten und ihre Neuschaffung zu fördern. Für die Gelbbauchunke sind Kleinstgewässer wie Radspurrinnen besser geeignet als größere Gewässer, die stärker von Konkurrenten (Froschlarven) und Fressfeinden besiedelt werden. Zur Sicherung und Förderung der Bestände der Gelbbauchunke ist also zu fordern, dass solche Radspurrinnen nicht entwässert und im Sommer nicht durchfahren werden. Seite 4 von 16 NATURSCHUTZBUND NÖ Gelbbauchunke im Wienerwald 2 Kartierung der Vorkommen 2.1 Methodik Im Zeitraum von Ende April bis Mitte September 2005 wurden die beiden seit dem Frühjahr 2002 bearbeiteten Untersuchungsgebiete wiederholt nach Vorkommen von Gelbbauchunken abgesucht (Ried: 6 Begehungen von 30. April bis 15. September; Großkrottenbach: 6 Begehungen von 6. Mai bis 14. September). Dabei wurden die Wegrouten so gelegt, dass möglichst alle Fundorte, an denen regelmäßig Unken angetroffen werden können, aufgesucht wurden. Die Verbindungsstrecken zwischen diesen bekannten Fundstellen wurden hingegen öfter geändert, um allfällige neue Vorkommen finden zu können. Alle greifbaren Unken wurden gefangen, vermessen (Körperlänge), mit der Fotokartei verglichen und allenfalls fotografiert; nicht fotografiert wurden anhand der Fotokartei bereits im Gelände identifizierte Tiere sowie einige frisch metamorphosierte Jungtiere. Bei allen Begehungen wurden auch Erhebungen zum Fortpflanzungserfolg an den einzelnen Fundorten durchgeführt (Suche nach Laich, Kaulquappen und frisch metamorphosierten Jungtieren). 2.2 Fundorte Die Fundortbezeichnungen (Großbuchstaben, siehe Karten im Anhang) wurden aus den früheren Berichten übernommen beziehungsweise für erstmals festgestellte Vorkommen neu vergeben; einige Bezeichnungen beziehen sich auf Gruppen von nahe beieinander liegenden Tümpeln. Fundorte aus den Vorjahren, an denen 2005 keine Unken angetroffen wurden, scheinen in dieser Aufstellung nicht auf. Für jeden Fundort geben wir eine kurze Beschreibung, die Höchstzahl der dort gleichzeitig gefangenen Gelbbauchunken (ohne Metamorphlinge des Jahres 2005), Beobachtungen zur Fortpflanzung sowie Nachweise anderer Amphibienarten an. Ried (Karte: Anhang 1) B: Radspurtümpel im Straßengraben einer Forststraße (Sandlingstraße); je 1 juvenile Unke am 17.6. und 2.8.; Rana-Kaulquappen, Feuersalamanderlarven. C: Kleiner Suhlentümpel bei Quellaustritt; 2 juvenile Unken am 2.8. E: Kleine Tümpel zwischen Erlengebüsch auf einer älteren Schlägerungsfläche östlich des Schmölzgrabens; 5 adulte Unken am 30.4; Rana-Kaulquappen. F: Quellaustritt auf einer älteren Schlägerungsfläche; 1 adulte und 4 juvenile Unken am 30.4.; RanaKaulquappen. H: Straßengraben der Schmölzgrabenstraße, mehrere, teilweise schwach durchströmte Tümpel mit viel Falllaub; 25 adulte und 5 juvenile Unken am 30.4.; Springfroschlaich, -larven und Metamorphlinge, Molchlarven. J: Frische Radspurtümpel auf einer Schneise; 1 adulte und 2 juvenile Unken am 2.8., Unkenlaich und larven. JU: Zum Teil großflächige Radspurtümpel auf einer Schneise; 4 adulte und 7 juvenile Unken am 2.8., Unkenlaich und -larven, Unkenmetamorphlinge am 2.8. und 15.9.; Springfroschlaich und -larven, Teichmolche, Bergmolchlarven. K: Lange Radspurtümpel in Waldrandlage; 6 adulte und 2 juvenile Unken am 30.4., Laich und Larven von Springfrosch und Erdkröte, Feuersalamanderlarven. M: Seichte Tümpel an Westhang auf einem lehmigen Forstweg; 2 adulte Unken am 30.4., 2 juvenile Unken am 14.6. N: Radspurtümpel neben Forststraße; 1 adulte und 6 juvenile Unken am 2.8. Seite 5 von 16 NATURSCHUTZBUND NÖ Gelbbauchunke im Wienerwald PX: Beschatteter Tümpel nahe einer Wildfütterung; 1 adulte Unke am 2.8.; Rana- Kaulquappen. Q: Seichte, mäßig stark beschattete Tümpel im Wald; 4 adulte und 17 juvenile Unken am 2.8.; RanaKaulquappen, Bergmolchlarven, am 30.4. ein Erdkrötenpaar im Amplexus. QX: Radspurtümpel in Quellbereich unterhalb der Schmölzgrabenstraße; je 5 Unken am 14.6. und 2.8., Unkenlarven; Feuersalamanderlarven, Rana-Kaulquappen. RN: Lehmig-trübe Radspurtümpel auf regelmäßig befahrenem Weg am Waldrand; 4 adulte Unken am 2.8., Unkenlarven. S: Tiefe Radspurtümpel auf einem Rückeweg im Wald; 9 adulte, darunter ein Paar im Amplexus, und 2 juvenile Unken am 15.5., Unkenlaich. SB: Radspurtümpel auf Holzlagerplatz in Kurve der Sandlingstraße; 6 adulte und 5 juvenile Unken am 17.6., 4 adulte und 7 juvenile Unken am 2.8., Unkenlarven. T: Wassergefüllter Bombentrichter im Wald; 1 juvenile Unke am 17.6., 1 adulte Unke am 2.8.; Feuersalamanderlarven. U: Lehmige Radspur im Straßengraben der Schmölzgrabenstraße; 1 adulte und 3 juvenile Unken am 14.6. V: Radspurtümpel neben einer Schneise; 1 adulte Unke am 14.6., 1 juvenile Unke am 2.8. X: Radspurtümpel auf der im Vorjahr geschlägerten Fläche unter der Schmölzgrabenstraße; 6 adulte und 9 juvenile Unken am 14.6., Unkenlaich und -larven. XL: Tümpel am Rand der neuen Schlagfläche, teilweise direkt auf dem markierten Wanderweg; 9 adulte und 1 juvenile Unke am 14.6., Unkenlaich und -larven, mehr als 20 Metamorphlinge am 2.8. XQ: Radspurtümpel in Waldrandlage; 7 adulte Unken, darunter ein Paar im Amplexus, am 30.4., 8 adulte und 3 juvenile Unken am 2.8., Unkenlaich und -larven, 3 Metamorphlinge am 2.8.; Springfroschlaich und -larven. Y: Wassergefüllte Bombenkrater in beschatteter Lage am Hang; jeweils 2 adulte und 1 juvenile Unken am 15.5. und 17.6.; Springfroschlaich und -larven, Feuersalamanderlarven. Z: Tümpel auf und neben einem Forstweg am Rand des Untersuchungsgebiets; 2 juvenile Unken am 30.4., Rana-Kaulquappen. Anhang 1: Fundorte im Untersuchungsgebiet Ried. Gelb ausgefüllt: Fortpflanzungsgewässer. Blau: Grenze des Untersuchungsgebiets Seite 6 von 16 NATURSCHUTZBUND NÖ Gelbbauchunke im Wienerwald Großkrottenbach (Karte: Anhang 2) A: Sumpfiges Areal nahe der Forststraße (Wildfütterung), mit durchsickerten Tümpeln; 4 adulte Unken, darunter ein Paar im Amplexus, am 27.6., Unkenlaich und -larven. C: Tümpel im Bachbett neben der Forststraße, 1 adulte Unke am 27.6.; Rana- Kaulquappen, Feuersalamanderlarve. D: Ehemalige Räumungsfläche, mit mehreren Tümpeln; 34 adulte und 5 juvenile Unken am 25.5., Unkenlaich und -larven, 1 Metamorphling am 5.8.; Erdkrötenlaich. E: Teich am Höhenrücken; jeweils 9 adulte Unken am 25.5. und 27.6.; Graschfroschlarven, Teichmolche. F: Tümpel in größerer Lichtung; 1 juvenile Unke am 25.5.; Rana-Kaulquappen. G: Tümpel direkt über dem Straßendurchlass eines Grabens, und Radspurtümpel in seiner näheren Umgebung; 8 adulte und 1 juvenile Unke am 5.8., Unkenlaich und -larven; Rana-Kaulquappen. HU: Suhlen- und Radspurtümpel auf einer offenen, in Aufforstung befindlichen Fläche; 16 adulte und 2 juvenile Unken am 25.5., Unkenlaich; am 27.6. weitgehend ausgetrocknet, keine Larven zu finden; RanaKaulquappen. I: Größerer, meist trüber Tümpel (Wildschweinsuhle nahe Hochstand); 9 adulte Unken am 27.6.; Bergmolch. J: Teich in Sattel auf einer Schneise; jeweils 3 adulte Unken am 27.6. und 5.8.; am 25.5. ein rufendes Erdkrötenmännchen. K: Teich am Rand der Gasleitungsschneise, und Tümpel auf der Schneise; 17 adulte Unken am 27.6., Unkenlaich und -larven; Teichmolch, Rana-Kaulquappen. KT: Seichter Tümpel auf Schneise, und Radspurtümpel im Wald daneben; 13 adulte und 2 juvenile Unken am 25.5.; Erdkrötenlaich. L: Tümpel auf Forststraße bzw. im Straßengraben, 4 adulte Unken am 25.5, darunter ein Paar im Amplexus, Unkenlaich; am 27.6. ausgetrocknet. M: Tümpel bei einem Quellaustritt im Wald, oberhalb Fundort D; jeweils 3 adulte Unken am 27.6. und 14.9.; Feuersalamanderlarven. TK: Tümpel auf Fahrweg und Suhlen daneben; 2 adulte Unken am 27.6. VN: Tümpel im Straßengraben; 1 adulte Unke am 25.5. Y: Suhlen- und Radspurtümpel unterhalb eines Quellaustritts auf einer Waldlichtung; 19 adulte und 2 juvenile Unken am 5.8., Unkenlarven, 14 Metamorphlinge am 5.8.; Rana-Kaulquappen und Metamorphlinge, Bergmolchlarven. Anhang 2: Fundorte im Untersuchungsgebiet Großkrottenbach. Gelb ausgefüllt: Fortpflanzungsgewässer. Blau: Grenze des Untersuchungsgebiets Seite 7 von 16 NATURSCHUTZBUND NÖ Gelbbauchunke im Wienerwald 3 Fortpflanzung im Jahr 2005 Der Fortpflanzungserfolg konnte nicht quantitativ erfasst werden, da die Bearbeitungsfrequenz dafür zu niedrig war (junge Gelbbauchunken verlassen das Geburtsgewässer oft schon kurz nach Abschluss der Metamorphose). Im Untersuchungsgebiet Ried war die Fortpflanzungsaktivität 2005 ähnlich hoch wie 2004, allerdings konnte nur an drei Fundorten erfolgreiche Metamorphose nachgewiesen werden. Auf einer im Winter 2003/04 geräumten Fläche entstanden einige neue Radspurtümpel, die als Laichplätze genutzt wurden (Fundorte X, XL; Foto im Anhang 3). Auch in aus dem Vorjahr stammenden, mäßig überwachsenen Radspurtümpeln am Rand dieser Schlägerungsfläche (Fundort XQ; Foto im Anhang 3) konnten sich die Unken erfolgreich fortpflanzen. An einigen in früheren Jahren als Laichplätze genutzten Fundorten (H, K, Q) konnte 2005 keine Fortpflanzung nachgewiesen werden, obwohl dort zahlreiche Unken angetroffen wurden. In zwei Fällen (H, K) ist das möglicherweise auf das Auftreten anderer Amphibienarten zurückzuführen, die Laich oder frisch geschlüpfte Unkenkaulquappen fressen können. Im Untersuchungsgebiet Großkrottenbach wurden Unkenlaich und -larven an sieben Fundorten beobachtet. Nur an zwei dieser Fundstellen (D, Y) konnten Metamorphlinge angetroffen werden, während an drei anderen Fundorten (A, HU, L) wahrscheinlich alle Larven der Austrocknung zum Opfer fielen. Am erfolgreichsten war die Fortpflanzung wieder am Fundort Y, einer Waldlichtung mit aus dem Vorjahr stammenden Radspurtümpeln (Foto im Anhang 4) sowie kleinen Suhlentümpeln unter Quellaustritten. Anhang 3.1: Fortpflanzungsgewässer der Gelbbauchunke im Untersuchungsgebiet Ried: In diesen seichten Radspurtümpeln war der Metamorphoseerfolg 2005 besonders hoch (Fundort XL) Seite 8 von 16 NATURSCHUTZBUND NÖ Gelbbauchunke im Wienerwald Anhang 3.2: Fortpflanzungsgewässer der Gelbbauchunke im Untersuchungsgebiet Ried: Aus dem Winter 2003/2004 stammende Radspurtümpel waren auch 2005 Aufenthaltsund Fortpflanzungsgewässer der Gelbbauchunke (Fundort XQ) Anhang 4.1: Lebensräume der Gelbbauchunke im Untersuchungsgebiet Großkrottenbach: Aus dem Vorjahr stammende Radspurtümpel auf einer Lichtung waren 2005 Fortpflanzungssort von Gelbbauchunke, Grasfrosch und Bergmolch (Fundort Y) Anhang 4.2: Lebensräume der Gelbbauchunke im Untersuchungsgebiet Großkrottenbach: Der große Teich am Rand des Untersuchungsgebiets (Fundort E) war ein Aufenthaltsort von Gelbbauchunken. Im Gegensatz zu Molchen und Grasfröschen pflanzen sich die Unken hier aber nicht regelmäßig fort (ein Metamorphling wurde 2003 gefunden) Seite 9 von 16 NATURSCHUTZBUND NÖ Gelbbauchunke im Wienerwald 4 Populationsgrößen und Entwicklung der Populationen Alle folgenden Angaben zu den Populationsgrößen beruhen auf Fang-Wiederfang- Daten aus dem Frühjahr, schließen im jeweiligen Untersuchungsjahr metamorphosierte Jungtiere also nicht mit ein. Die Berechnungen mit der Chapman-Methode wurden getrennt für Männchen, Weibchen und Jungtiere, sowie für den kombinierten Datensatz durchgeführt. Da es nicht möglich war, alle Fundorte am selben Tag zu bearbeiten, wurden 2005 für das Revier Ried die Daten vom 30.4. und 15.5. als „Erstfang“, die Daten vom 14. und 17.6. als „Zweitfang“ zusammengefasst. Für das Revier Großkrottenbach wurden die Fangergebnisse vom 25.5. und 27.6. für die Berechnungen herangezogen (Tabelle 1). Tabelle 1. Populationsgrößen der Gelbbauchunke (Schätzwerte nach der Chapman - Methode, ± Standardfehler) in den beiden Untersuchungsgebieten in den vier Untersuchungsjahren. Jahr 2002 2003 2004 2005 Gesamt 227 (±38) 139 (±33) 227 (±33) 266 (±26) Weibchen 68 (±17) 53 (±16) 133 (±40) 82 (±16) Männchen 132 (±29) 61 (±16) 88 (±12) 83 (± 8) Jungtiere 18 (± 6) 11 (± 5) 23 (±13) 104 (±24) Gesamt 406 (±26) 339 (±47) 327 (±22) 285 (±26) Weibchen 142 (±24) 111 (±19) 165 (±19) 161 (±23) Männchen 165 (±13) 146 (±28) 131 (±10) 102 (±12) Jungtiere 110 (±13) 77 (±31) 34 (± 8) 20 (± 4) Ried Großkrottenbach Als genereller Trend lässt sich Stabilität der Populationen feststellen, die aufgrund der hohen Lebenserwartung der Gelbbauchunke auch zu erwarten war. Für beide Untersuchungsgebiete zeigt sich ein Rückgang im Dürrejahr 2003; diese Abnahme dürfte auf verminderte Aktivität der Unken zurückzuführen sein, die tatsächlichen Populationsgrößen wurden unter diesen ungünstigen Witterungsbedingungen wohl deutlich unterschätzt. Die Schätzwerte der Populationsgrößen halten wir für konservativ (d.h. die tatsächlichen Vorkommen werden eher unter- als überschätzt), die resultierende Dichte von ca. 1 Individuum pro Hektar beträgt etwa ein Viertel der Dichten im Lainzer Tiergarten, der mit seinen Feuchtwiesen einen sehr günstigen Lebensraum für die Gelbbauchunke darstellt (unveröffentlichte Daten). In Ried ist 2005 die starke Zunahme der Jungtiere hervorzuheben, die aus dem hohen Fortpflanzungserfolg 2004 resultiert. Auffällig ist auch die hohe Zahl der Weibchen im Jahr 2004, in dem deutlich bessere Bedingungen für die Fortpflanzung herrschten als in den Jahren davor. Diese vermehrten Beobachtungen von Weibchen dürften sowohl durch Zuwanderung aus benachbarten Gebieten als auch durch das „Auftauchen“ bisher verborgener Tiere zu Stande kommen. In Großkrottenbach scheint die Zahl der Weibchen sehr stabil, die leichte Zunahme 2004 und 2005 gegenüber 2002 ist vermutlich durch die bessere Erfassung des Geländes bedingt (die Fundorte HU, KT und Y wurden am Anfang der Untersuchung nicht aufgesucht). Bei Jungtieren und Männchen zeigt sich hingegen eine kontinuierliche Abnahme der geschätzten Populationsgröße. Dieses Ergebnis dürfte von sich verschlechternden Bedingungen für die Fortpflanzung abhängen – so bot etwa Fundort D im Jahr 2002 besonders günstige Vorausset- Seite 10 von 16 NATURSCHUTZBUND NÖ Gelbbauchunke im Wienerwald zungen, verlor aber infolge der Sukzession allmählich an Eignung als Laichplatz. Dadurch sank die Zahl der im Gebiet metamorphosierenden Jungtiere, ein Teil der Männchen wurde möglicherweise zur Abwanderung veranlasst. Die im ersten Untersuchungsjahr festgestellten höheren Populationsdichten in Großkrottenbach bestehen nach wie vor, dieser Unterschied wurde aber im Lauf der Untersuchung geringer. Die gegenläufigen Populationstrends lassen sich folgendermaßen interpretieren: Die Fortpflanzung war in Großkrottenbach offenbar 2000 und/oder 2001 besonders erfolgreich, wie aus den zahlreichen Beobachtungen von Jungtieren 2002 zu ersehen ist, während es im Untersuchungsgebiet Ried nach mehreren „mageren Jahren“ 2004 und 2005 zu erfolgreicher Vermehrung kam. Solche Schwankungen im Fortpflanzungserfolg sind bei Gelbbauchunken normal, ihre hohe Lebenserwartung dämpft die daraus resultierenden Populationsschwankungen. Im Jahr 2002 wurde auch ein deutlicher Unterschied im Größenaufbau der Populationen beobachtet: Während in Großkrottenbach alle Größenklassen gut vertreten ware, dominierten in Ried kleine (40-44 mm Körperlänge) adulte Unken. Die Zahl großer (über 50 mm Körperlänge) Unken stieg in Ried von 6 (2002) und 5 (2003) über 12 (2004) auf 23 (2005). Diese Änderung der Größenstruktur hat zwei Gründe: einerseits wuchsen einige länger bekannte Tiere zu stattlicher Größe heran, andererseits waren unter den 2004 und 2005 erstmals registrierten Unken etliche sehr große Exemplare zu finden. Seite 11 von 16 NATURSCHUTZBUND NÖ Gelbbauchunke im Wienerwald 5 Ortsbeziehungen der Gelbbauchunken im Wienerwald Insgesamt 193 Tiere im Revier Ried und 318 Tiere in Großkrottenbach wurden im Lauf der vierjährigen Untersuchung öfter als ein Mal gefangen. Für diese Unken wurden mit Hilfe der Forstkarten (Maßstab 1:10000) Aktionsdistanzen ermittelt (Luftlinie, das Relief wurde bei diesen Bestimmungen ignoriert). Die Aktionsdistanz ist als die größte Entfernung zwischen zwei Fundorten eines Individuums definiert. Bei der Interpretation der folgenden Daten ist zu bedenken, dass Bewegungen über mehr als etwa 500m die Tiere in vielen Fällen aus dem Untersuchungsgebiet hinausführen und daher in dieser Untersuchung nicht nachweisbar sind. Abb. 1. Verteilung der ermittelten Aktionsdistanzen, in Klassen zu 100m zusammengefasst (100 b deutet 0-100m, etc.), für Gelbbauchunken aus den Untersuchungsgebieten Ried und Großkrottenbach, nach Geschlechtern getrennt (juvenile Unken sind in dieser Grafik nicht berücksichtigt). Der Mittelwert der Aktionsdistanzen beträgt für Ried 200m und für Großkrottenbach 113m. Dieser Unterschied ist durch die größere Zahl ortstreuer Individuen, die wiederholt am gleichen Fundort angetroffen wurden, in Großkrottenbach zu erklären, während die Zahlen der weiter wandernden Tiere sehr ähnlich sind (Abb. 1). Männchen und Weibchen unterscheiden sich in den Aktionsdistanzen nicht. Die Ortstreue der meisten wiedergefangenen Unken rechtfertigt die Annahme einer „geschlossenen Population“, die der Chapman- Statistik für die Ermittlung der Populationsgrößen zugrunde liegt. Berücksichtigt man den Beobachtungszeitraum, zeigt sich, dass länger bekannte Unken im Durchschnitt größere Aktionsdistanzen aufweisen (Abb. 2). Dieses Ergebnis legt nahe, dass aus den vorliegenden Daten die Mobilität der Unken deutlich unterschätzt wird: die individuellen Streifgebiete vieler Tiere sind sicher größer, als aus wenigen Fängen ersichtlich ist. Seite 12 von 16 NATURSCHUTZBUND NÖ Gelbbauchunke im Wienerwald Abb. 2. Mittelwerte der Aktionsdistanzen für Gelbbauchunken in Beziehung zur Zeitspanne zwischen Erstfang und Letztfang, getrennt nach Untersuchungsgebieten (1 bedeutet: alle Fänge im selben Jahr; 2: Letzter Wiederfang im Jahr nach der ersten Registrierung; 3: Wiederfang zwei Jahre nach dem Erstfang; 4: Registrierung 2002, 2005 wiedergefangen). Alle neu entstandenen, zur Fortpflanzung geeigneten Gewässer in den Untersuchungsgebieten wurden rasch von Gelbbauchunken besiedelt. Im Fall von Fundort XL in Ried – neue Fahrspurtümpel auf einer Räumungsfläche – waren sieben von insgesamt 19 dort beobachteten adulten Unken früher an anderen Fundstellen in der Umgebung (F, H, Q, L, M) registriert worden, während die Mehrzahl vorher unbekannt war. Diese Beobachtungen belegen ebenfalls, dass ein Teil der Gelbbauchunken-Populationen sich regelmäßig im Landlebensraum herumbewegt. Weit umherstreifende Tiere sind methodisch schwieriger zu erfassen als solche, die sich längere Zeit am gleichen Gewässer aufhalten. Seite 13 von 16 NATURSCHUTZBUND NÖ Gelbbauchunke im Wienerwald 6 Wachstum der Gelbbauchunken im Wienerwald Aufgrund der Wiederfänge lassen sich auch Berechnungen zum Wachstum der Gelbbauchunken durchführen. Bei den meisten Fängen wurde die Kopf-Rumpf- Länge mittels einer Schublehre auf 0,1 mm genau abgelesen. Da Unken ihre Wirbelsäule in alle Richtungen krümmen oder sich auch „kurz machen“ können, erscheinen adulte Unken bei späteren Fängen manchmal verkürzt. Im Datensatz sind verschiedene Jahre und Größenklassen sehr ungleich vertreten, im Folgenden präsentieren wir einen summarischen Vergleich der zwei Untersuchungsgebiete (Tab. 2). Dafür wurden nur Tiere ausgewählt, die beim Erstfang unter 40 mm lang waren (größere Tiere wachsen oft nur mehr sehr langsam). Für den Vergleich der Längenzunahme über ein Jahr standen in Großkrottenbach deutlich mehr Tiere zur Verfügung (vgl. die größere Zahl an Jungtieren zu Beginn der Untersuchung). Für den Vergleich der Längenzunahme innerhalb eines Jahres wurden nur Daten von Tieren herangezogen, die im Vergleich der Jahre nicht vertreten waren. Das festgestellte Wachstum ist in beiden Untersuchungsgebieten ähnlich (Tab. 2) und liegt im Bereich veröffentlichter Werte (Gollmann und Gollmann, 2002), auffällig ist dabei die große Streuung der Daten. Ein Teil dieser Streuung ist methodisch bedingt, da kleine Jungtiere (unter 30 mm) deutlich rascher wachsen, während später die Wachstumskurven abflachen. Bemerkenswert sind sehr große individuelle Unterschiede: Während einige Tiere ähnliches Wachstum zeigen wie Gelbbauchunken aus dem Lainzer Tiergarten (Gollmann und Gollmann, 2005), sind andere fast gar nicht gewachsen. Ein Extrembeispiel für langsames Wachstum ist Tier K24 aus Großkrottenbach, das von 31,8 mm im Mai 2002 bis Mai 2005 nur 36,8 mm erreichte. Ob diese unterschiedlichen Wachstumsverläufe genetisch oder durch Umwelteinflüsse (z.B. durch Parasiten) bedingt sind ist nicht bekannt. Tabelle 2. Wachstum von Gelbbauchunken im Wienerwald (es wurden nur Tiere mit einer Ausgangsgröße unter 40 mm Kopf-Rumpf-Länge berücksichtigt). Ried Großkrottenbach 32 84 Längenzunahme/Jahr Anzahl der Tiere Mittelwert (mm/Jahr) 4,8 5,6 Standardabweichung 3,58 3,27 Minimum 0,6 -1,8 Maximum 14,9 16,6 27 19 Längenzunahme/Woche Anzahl der Tiere Mittelwert (mm/Woche) 0,7 0,7 Standardabweichung 0,34 0,38 Minimum 0,1 0,1 Maximum 1,5 1,6 Seite 14 von 16 NATURSCHUTZBUND NÖ Gelbbauchunke im Wienerwald 7 Schlussfolgerungen für den Schutz der Gelbbauchunke Eine Zielsetzung dieser mehrjährigen Untersuchung war es, die Entwicklung der Unkenpopulationen in Beziehung zur Dynamik ihrer Laichplätze zu erfassen. Für die Fortpflanzung sind neu entstandene Kleingewässer, die rasch genutzt werden, von großer Bedeutung. Manchmal trockneten neue Tümpel sehr rasch aus, in anderen Fällen blieben sie mehrere Jahre erhalten. Bei länger bestehenden Tümpeln vermindert sich die Eignung zur Fortpflanzung für die Gelbbauchunke oft rasch, da diese Kleingewässer auch von Konkurrenten (Froschlarven) und Fressfeinden besiedelt werden. Die Bevorzugung besonnter Gewässer durch die Unken ist lange bekannt. In Jahren mit warmen Sommern war jedoch auch in stärker beschatteten Tümpeln hoher Fortpflanzungserfolg zu beobachten. Neben Schlagflächen sind auch Waldlichtungen, Forstwege und Schneisen wichtige Orte, an denen für die Unken geeignete Kleingewässer liegen können. Für die Fortpflanzung wurden hauptsächlich neue Radspurtümpel genutzt, in einigen Fällen auch Suhlentümpel auf Lichtungen, die somit im Untersuchungsgebiet die einzigen natürlichen Laichgewässer der Gelbbauchunke sind. Für die Gelbbauchunke geeignete Laichgewässer werden oft rasch überwachsen und verlanden bald. Durch gelegentliche Störungen, wie das Suhlen der Wildschweine oder das Durchfahren mit Traktoren, können solche Tümpel wieder neu entstehen. 7.1 Empfehlungen für Schutz und Habitatmanagement: Die Erhaltung von Kleingewässern hat für die Sicherung der Bestände der Gelbbauchunke höchste Priorität. Durch die ständige Schaffung solcher Gewässer sorgt die Forstwirtschaft für Dynamik des Laichplatzangebots und nimmt so positiven Einfluss auf diese Art. Wo die Entwässerung von Radspurtümpeln aus betrieblichen Gründen nicht unbedingt notwendig ist, sollte sie also unterbleiben. Wo Entwässerung zur Abwicklung des Verkehrs notwendig erscheint, ist das Anlegen von Ersatzgewässern zu fordern. Wo es aufgrund der örtlichen Gegebenheiten möglich ist, ist es aus Sicht des Amphibienschutzes geboten, Tümpel während des Sommers nicht zu durchfahren, sondern Ausweichwege zu wählen. Beim Durchfahren von Tümpeln können Unken und ihre Kaulquappen getötet werden, die Wasserverdrängung kann das Austrocknen der Tümpel stark beschleunigen. In häufig durchfahrenen Radspuren auf Schneisen und Rückewegen sind zwar immer wieder Unken anzutreffen, wegen der starken Störungen sind sie als Fortpflanzungsgewässer aber kaum geeignet. Die Ablagerung von Restholz in feuchten Senken oder Gräben ist in geringem Umfang für die Unken förderlich, weil sie Deckung schafft, das weitgehende oder vollständige Zuschütten von Kleingewässern auf diese Weise ist jedoch äußerst ungünstig, da es das Angebot an Fortpflanzungsmöglichkeiten verringert. Dies gilt insbesondere für feuchte, sonnenexponierte Stellen auf frisch geräumten Flächen. 7.2 Mögliche Nachfolgestudien: Eine Zielsetzung dieser Untersuchung war die Beantwortung der Frage: Aus welcher Entfernung erfolgt die Zuwanderung zu neu entstandenen Laichgewässern, insbesondere Fahrspurtümpeln auf frischen Schlagflächen? Diese Frage konnte teilweise beantwortet werden, Seite 15 von 16 NATURSCHUTZBUND NÖ Gelbbauchunke im Wienerwald ein Großteil der „Pioniere“ in neuen Gewässern war allerdings unbekannt. Dies ist sicher teilweise darauf zurückzuführen, dass diese Gewässer nahe den Grenzen der Untersuchungsgebiete lagen. Es ist also ein größerer Maßstab notwendig, um die Frage der Besiedlung neuer Lebensräume besser beantworten zu können. Flächen, auf denen die Entstehung neuer Tümpel zu erwarten ist, sollten mindestens 2 Jahre lang vor der Räumung, einschließlich der Umgebung im Umkreis von mindestens 2 km, mit zumindest der Bearbeitungsfrequenz des vorliegenden Projekts nach Gelbbauchunken abgesucht werden, die dann individuell registriert werden. Nach solchen Vorarbeiten ist zu erwarten, dass ein großer Anteil der an den neuen Gewässern auftretenden Unken bereits bekannt ist und so ihre Herkunft festgestellt werden kann. Die in diesem Projekt erhobenen Daten könnten auch Grundlagen für den umgekehrten Ansatz dienen, nämlich die Ausbreitung von Jungtieren bekannter Herkunft in einem größeren räumlichen Maßstab zu verfolgen. Eine Erhebung der Unkenbestände im Bereich von mindestens 2 km rund um die bisher bearbeiteten Flächen würde natürlich einen entsprechend größeren Zeitaufwand erfordern. Ein anderer, für den Schutz und die Förderung der Gelbbauchunken-Populationen vielleicht wertvollerer Ansatz, das Ausbreitungspotenzial der Art besser zu erforschen, könnte darin bestehen, in Gebieten ohne aktuelle Nachweise der Gelbbauchunke (d.h. mindestens 1 km von den nächsten Vorkommen entfernt) eine größere Zahl von Kleinstgewässer anzulegen (z.B. durch das Eingraben von Kübeln) und deren Besiedlung zu dokumentieren. 8 Literatur GOLLMANN, B., GOLLMANN, G. (2002): Die Gelbbauchunke: von der Suhle zur Radspur. Laurenti Verlag, Bielefeld. GOLLMANN, G., GOLLMANN, B. (2005): Postmetamorphic growth and movements in yellow-bellied toads, Bombina variegata: approaching life-path analysis. In: Herpetologia Petropolitana, Ananjeva, N. & Tsinenko, S. (Hrsg.), Russ. J. Herpetol. 12 (Suppl.), 143-145. 9 Anschrift der Autoren Univ.-Doz. Dr. Günter Gollmann und Mag. Dr. Birgit Gollmann Seite 16 von 16