Moderne Harmonielehre

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DennisMüller
Moderne Harmonielehre
„The more I learn, the less I know for sure“
- Pain of Salvation, „Pilgrim“
Inhaltsverzeichnis
1 Das
1.1
1.2
1.3
1.4
1.5
Notationssystem und begriffliche Grundlagen
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Intervallbezeichnungen . . . . . . . . . . . . . .
Notation von Tonhöhen und Notenschlüssel . .
Vorzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rhythmische Notation und Takte . . . . . . . .
2 Harmonik
2.1 Akustische Grundlagen und das Moll-Problem
2.2 Die gleichstufige Stimmung . . . . . . . . . . .
2.3 Dreiklänge und ihre Umkehrungen . . . . . . .
2.4 Die Dur-Tonleiter . . . . . . . . . . . . . . . .
2.5 Die Stufendreiklänge . . . . . . . . . . . . . .
2.6 Funktionsharmonik . . . . . . . . . . . . . . .
2.7 Kadenzen und Stimmführung . . . . . . . . .
2.8 sus-Dreiklänge . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.9 Der Dominant-Septakkord . . . . . . . . . . .
2.10 Die Stufenvierklänge . . . . . . . . . . . . . .
2.11 Die Moll-Tonleiter . . . . . . . . . . . . . . .
2.12 Die Harmonisch-Moll-Tonleiter . . . . . . . . .
2.13 Die Melodisch-Moll-Tonleiter . . . . . . . . . .
2.14 Der verminderte Septakkord . . . . . . . . . .
2.15 Akkorderweiterungen und -symbole . . . . . .
2.16 Avoid Notes . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.17 Sextakkorde . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.18 Kurzschreibweise für Akkordsymbole . . . . .
2.19 Voicings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3 Melodik
3.1 Akkord-Skalen-Theorie . . . . . . . . . . . . . .
3.2 Die Modi der Dur-Tonleiter (Ionisches System) .
3.3 Das Harmonisch-Moll-System . . . . . . . . . .
3.4 Das Melodisch-Moll-System . . . . . . . . . . .
3.5 Die Alterierte Skala . . . . . . . . . . . . . . . .
3.6 Die symmetrischen Skalen . . . . . . . . . . . .
3.6.1 Die Ganztonskala . . . . . . . . . . . . .
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23
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29
29
30
32
34
35
35
36
iii
Inhaltsverzeichnis
3.7
3.8
3.9
3.10
3.11
3.12
3.13
3.14
3.15
3.16
3.17
3.18
3.6.2 Die verminderten Skalen . . . . . . . . . . . . .
Die Halbtonverwandtschaften der Modi . . . . . . . . .
Der Quintenzirkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Diatonische Kadenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die II-V-I-Verbindung in Dur . . . . . . . . . . . . . .
Die II-V-I Verbindung in Moll . . . . . . . . . . . . . .
Zwischendominanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Tritonussubstitution . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Sekundärdominanten . . . . . . . . . . . . . . . . .
Varianten und Kombinationen von II-V-I-Verbindungen
Modal Interchange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
vermollte Subdominante . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das Harmonisch-Dur-System . . . . . . . . . . . . . . .
4 Rhythmik
4.1 Betonte und unbetonte Zählzeiten
4.2 Guide Tones . . . . . . . . . . . .
4.3 Chromatic Approaches . . . . . .
4.4 Antizipation . . . . . . . . . . . .
4.5 Inside-Outside-Spiel . . . . . . . .
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1 Das Notationssystem und
begriffliche Grundlagen
1.1 Grundlagen
Unser Notationssystem ist in vielerlei Hinsicht willkürlich. Aber damit man Musik auf- und
beschreiben kann, muss man eine gemeinsame Grundlage herstellen. Diese besteht zunächst
in der Definition eines einzelnen Tons, von dem sich alle anderen ableiten. Dabei wird der
Kammerton a’ auf 440Hz festgelegt, das bedeutet, er schwingt 440 mal pro Sekunde (Jeder
Ton wird physikalisch gesehen durch solche Schwingungen in der Luft erzeugt). Desweiteren
wird der Ton mit der doppelten (oder halben) Frequenz als „gleicher Ton“ behandelt und
Oktave genannt (warum „Oktave“ sehen wir später). Der Kammerton wird dabei als a’,
die Oktave darüber als a” usw., die Oktave darunter als a und die Oktave darunter als A
bezeichnet.
In unserem westlichen Tonsystem wird die Oktave in zwölf Halbtonschritte unterteilt. Auch
dies ist in gewisser Hinsicht willkürlich, und manche Völker praktizieren durchaus Musik mit
anderen Systemen, aber diese Unterteilung ist die Grundlage unserer gesamten westlichen
Musik und eine feste Einteilung ist zwingend notwendig, damit mehrstimmige Musik möglich
wird.
Die Bezeichnungen der einzelnen Töne ist wiederum willkürlich und wird zugunsten der
C-Dur-Tonleiter vorgenommen (der wir uns später noch näher widmen werden), und zwar
werden sieben der zwölf Töne des Oktavraums nach der C-Dur-Tonleiter als Stammtöne C,
D, E, F, G, A und B definiert (nach wie vor mit A festgelegt durch a’=440Hz). Dabei hat
sich im deutschen Sprachraum im Laufe der Jahrhunderte die Angewohnheit eingeschlichen,
den Ton B als H zu bezeichnen, international wird er aber nach wie vor B genannt, ich
werde ihn deshalb auch hier als B bezeichnen. Die Namen der Töne dazwischen entstehen
als Abwandlungen der Stammtöne, dabei bedeutet das Symbol ] der Ton wird um einen
Halbtonschritt nach oben verschoben, das Symbol [ einen Halbtonschritt nach unten. So
lassen sich also die fehlenden Halbtöne C] („Cis“), D] („Dis“), F] („Fis“), G] („Gis“) und A]
(„A-is“), bzw. D[ („Des“), E[ („Es“), G[ („Ges“), A[ („As“) und B[ (im Englischen „B flat“,
im deutschen Sprachraum B) nennen. Da durch die Struktur der C-Dur-Tonleiter, die wir
uns später noch näher anschauen werden, zwischen E und F sowie B und C bereits nur ein
Halbtonschritt liegt, werden die Tonnamen E], F[, B] und C[ hierbei nicht gebraucht.
1
1 Das Notationssystem und begriffliche Grundlagen
Die zweideutige Bezeichnung der Halbtöne nennt sich Enharmonik. In manchen Fällen ist es,
um enharmonische Korrektheit zu bewahren, sogar nötig, die Symbole × und [[ zu verwenden, die eine Verschiebung um einen Ganztonschritt angeben. So ist der Ton C× („Cisis“)
beispielsweise der selbe wie ein D oder ein E[[ („Eses“).
1.2 Intervallbezeichnungen
Ebenfalls auf der Struktur einer Tonleiter basierend werden die Intervalle bezeichnet. Der
Grundton wird Prime genannt, der nächste Ton Sekunde, gefolgt von Terz, Quarte, Quinte,
Sexte, Septe, Oktave (=Grundton) etc. Dabei bedeutet „DIE Terz“ den dritten Ton der
Tonleiter, aber nur „Terz“ auch das Intervall, das die Terz zum Grundton bildet. Analog
wäre in C-Dur G die Quinte, aber das Intervall zwischen E und B wird ebenfalls (reine)
Quinte genannt.
Von der Dur-Tonleiter aus sind dabei die genauen Intervalle zum Grundton die Prime (z.B.
C), die große Sekunde (D), die große Terz (E), die reine Quarte (F), die reine Quinte (G), die
große Sexte (A) und die große Septe (B). Die Halbtöne werden entsprechend kleine Sekunde
(D[), kleine Terz (E[), übermäßige Quarte oder verminderte Quinte (F]/G[), kleine Sexte
(A[) und kleine Septe (B[) genannt. Die verminderte Quinte oder übermäßige Quarte wird
auch als Tritonus bezeichnet.
In manchen Fällen kann es auch der Korrektheit nach nötig sein, beispielsweise das Intervall
der kleinen Terz übermäßige Sekunde zu nennen oder die kleine Sexte übermäßige Quinte,
dies fällt ebenfalls unter den Begriff der Enharmonik. Hierbei ist es essentiell zu verstehen,
dass z.B. eine kleine Terz und eine übermäßige Sekunde (oder eine übermäßige Quarte und
verminderte Quinte) zwar den selben Tonumfang beschreiben (nämlich drei Halbtonschritte),
aber unterschiedliche Intervalltypen sind. Da jede Tonleiter in (kleinen und großen) Sekundschritten aufgebaut wird, hat jede Tonleiter nur einen Vertreter jeden Intervalltyps (also nur
eine Sekunde, eine Terz etc.). Die übermäßige Sekunde hat so zwar den selben Tonumfang
wie die kleine Terz, hat aber nicht die Funktion als Terz in der zugehörigen Tonleiter, sondern
die der Sekunde.
Die Intervalle können auch kurz mit den Ziffern 1 (Prim) - 8 (Oktave) bezeichnet werden.
Dabei ist mit der Ziffer alleine immer das reine oder große Intervall gemeint (5 = reine Quint,
2
1.3 Notation von Tonhöhen und Notenschlüssel
3 = große Terz), kleine oder (bei ursprünglich reinen) verminderte Intervalle werden mit [
versehen ([5 = verminderte Quinte, [3= kleine Terz), übermäßige mit ] (]4 = übermäßige
Quarte). In dem seltenen Falle, dass ein als „klein“ oder „groß“ existierendes Intervall vermindert werden muss, wird ein [[ verwendet (z.B. die verminderte Septe [[7, die einen Halbton
tiefer als die kleine Septe [7 liegt). Über der Oktave lauten die Intervalle so weiter None
(9->8+2), Dezime (10->8+3), Undezime (11->8+4), Duodezime (12->8+5) und Tredezime
(13->8+6), höhere Intervalle werden (falls nötig) selten noch einzeln bezeichnet, sondern
über Oktaven zusammengesetzt („Die Oktave über der Septe“ etc.)
1.3 Notation von Tonhöhen und Notenschlüssel
Bei der Notation von Tönen benutzen wir ein System von fünf Linien, bei dem Noten entweder auf oder zwischen den Linien liegen können. Dabei liegt jede Note in der Tonart des
notierten Stücks (ohne Generalvorzeichen C-Dur), Töne außerhalb der Tonart werden mit
Vorzeichen (also ], [, × oder [[) angegeben. Bei Noten, die tiefer oder höher als die unterste
bzw oberste Linie liegen, werden einfach kurze Hilfslinien hinzugefügt:
Nun muss nur noch festgelegt werden, welcher Ton wo liegt. Dies geschieht durch den Notenschlüssel, im häufigsten Falle dem Violinschlüssel, auch G-Schlüssel genannt, weil er die
zweite Zeile von unten umkreist, und damit auf diese den Ton g’ legt:
Die C-Dur-Tonleiter sieht im Violinschlüssel dementsprechend folgendermaßen aus:
3
1 Das Notationssystem und begriffliche Grundlagen
Ein weiterer häufig anzutreffender Notenschlüssel ist der Bass-Schlüssel oder F-Schlüssel, er
markiert die Linie zwischen seinen Punkten als F:
Bei Klaviernoten wird meist die rechte Hand im Violinschlüssel und die Linke Hand in einem
zweiten System im Bass-Schlüssel notiert.
Die Positionierung der Noten auf und zwischen den Linien hat dabei den großen Vorteil,
dass wir sehr schnell Intervalle erkennen können, da sie immer die gleichen Muster bilden.
Von Linie zu Zwischenraum liegt eine Sekunde, von Linie zu Linie (oder Zwischenraum zu
Zwischenraum) die Terz etc:
1.4 Vorzeichen
Wird eine Note mit einem Vorzeichen versehen, so gilt dieses bis zum Taktende (zu Takten
später mehr) auf jede weitere folgende Note der selben Stufe. Setzen wir also ein C], so
wird angenommen, dass jedes weitere C im selben Takt auch ein C] ist. Wollen wir jedoch
wieder ein C, so müssen wir dieses mit einem Auflösungszeichen \ versehen. Auch dieses gilt
wieder bis zum Taktende. Somit können wir nun die chromatische Tonleiter (Die Tonleiter,
die aus allen zwölf möglichen Tönen zusammengesetzt wird) im Violin- und Bass-Schlüssel
konstruieren, in der ersten Oktave mit ]-Vorzeichen, in der zweiten mit [-Vorzeichen:
4
1.5 Rhythmische Notation und Takte
Andere Tonarten als C-Dur lassen sich durch Generalvorzeichen angeben, die nach dem
Notenschlüssel stehen und deren Konstruktion wir später beim Thema Kirchentonleitern
behandeln werden. Die D-Dur-Tonleiter beispielsweise besteht aus den Tönen D - E - F] G - A - B - C]. Wir brauchen also zwei Kreuze (beim F und C) um die Tonart D-Dur so
festzulegen, dass nach wie vor auf bzw zwischen den Linien die Töne der Tonleiter liegen:
1.5 Rhythmische Notation und Takte
Damit sind wir in der Lage, alle harmonischen und melodischen Zusammenhänge zu notieren. Wollen wir nun die Rhythmik mit ins Spiel nehmen, so müssen wir zunächst ein
gleichmäßiges rhythmisches Raster, den Grundschlag, erzeugen, auf dem wir unsere Noten
anordnen, das durch ein Tempo - gemessen in bpm (beats per minute, also Schläge pro Minute) - definiert wird. Angegeben wird dies entweder in absoluten bpm-Werten, die einer
Zählzeit (z.B. einer Viertelnote) zugeordnet werden, oder in italienischen Spielanweisungen
wie Adagio (langsam und ruhig, ca. 70bpm), Moderato (mäßiges Tempo, ca. 115bpm) oder
Allegro (fröhlich, munter, ca. 140bpm).
Die bisher verwendeten Notenbilder werden Ganze Noten genannt. Da der Grundschlag
häufig auf Viertelnoten bezogen wird, erklingt eine Ganze Note daher für 4 Schläge unserer
Rasters. Die Ganze Note lässt sich gleichmäßig unterteilen in Halbe Noten, Viertelnoten,
Achtelnoten, Sechzehntelnoten etc. Diese Unterteilungen nennen sich Subdivisions:
Wollen wir eine der Subdivision statt in zwei in drei, fünf, sieben oder andere ungerade Werte
unterteilen, so werden diese Subdivisions als Triolen, Quintolen, Septolen, Novemolen etc.
bezeichnet:
5
1 Das Notationssystem und begriffliche Grundlagen
Hier sehen wir auch erstmals eine Taktangabe ( 44 ). Die Einteilung eines Musikstücks in Takte
ist eigentlich unnötig, hilft aber dabei, es rhythmisch zu strukturieren. Denn je nachdem, wo
ein Ton innerhalb eines Taktes platziert wird, hat er eine unterschiedliche rhythmische Gewichtung, d.H. der Takt hat betonte und unbetonte Zählzeiten. Da dieses Betonungsmuster
häufig ein ganzes Stück (oder zumindest eine musikalische Phrase) lang gleich ist, wird mit
der Taktart die Anzahl der Schläge angegeben, bevor sich das Betonungsmuster wiederholt.
So ist beispielsweise in einem 34 -Takt häufig der erste Schlag betont und die folgenden zwei
Schläge unbetont. Betonte Schläge werden mit einem > markiert:
Mathematisch äquivalent zum 34 -Takt ist der 68 -Takt, der deshalb ebenfalls drei Viertelnoten
enthält, aber nun Achtelnoten als Grundschlag verwendet und daher für gewöhnlich ein
anderes Betonungsmuster benutzt:
Enthält ein Takt mehrere betonte Zählzeiten, so wird die erste immer stark betont und die
übrigen ein wenig schwächer. Der Vollständigkeit halber hier noch das Betonungsmuster im
4/4-Takt:
6
1.5 Rhythmische Notation und Takte
Fast die gesamte populäre Musik steht im geraden 44 -Takt, manchmal noch in den ungeraden
Taktarten 34 oder 68 , aber gerade in der anspruchsvolleren Rockmusik, in der Klassik, im Jazz
und durchaus auch in mancher Volksmusik, werden auch andere ungerade Taktarten wie 54
oder 87 verwendet. Hier ist das Betonungsmuster jeweils vom Stück abhängig. Ein 54 -Takt
lässt sich beispielsweise als 43 + 24 , oder als 24 + 43 spielen, ein 78 könnte sich als 38 + 28 + 28 ,
2
+ 28 + 83 oder 28 + 83 + 28 zusammensetzen:
8
Was nun noch fehlt ist, den einzelnen Schlägen Namen zu geben. Dabei werden die Grundschläge einfach durchgezählt, im 44 -Takt z.B. heißt die erste Viertel 1, die zweite 2 etc.:
Diese Zählzeiten heißen auch Downbeats. Wenn wir nun Achtel dazunehmen, bezeichnen wir
die Achtel zwischen den Downbeats als Upbeats (oder Offbeats) und markieren sie mit einem
+ („und“). Die Achtel nach der 1 heißt ergo “1+“ („Eins und“), die nach der 2 “2+“ („Zwei
und“) etc.:
Nun gehen wir einen Schritt weiter, und fügen die 16tel auch noch hinzu. Die so entstehenden
neuen Zählzeiten werden mit einem e markiert. So heißt die 16tel nach der 3 „3e“, die nach
der 1+ „1+e“ („Eins und e“) etc.:
7
1 Das Notationssystem und begriffliche Grundlagen
Ungerade Subdivisions werden nach dem selben Muster gebildet. So kann man Triolen beispielsweise „1 + e 2 + e 3 + e 4 + e“ zählen.
Alles, was wir jetzt noch brauchen, um jeden denkbaren Rhythmus zu notieren, sind Pausen.
Dafür gibt es eine pro Subdivision:
Desweiteren gibt es noch zwei wichtige Vereinfachungssymbole. Eine punktierte Note, erhält
nochmal die Hälfte ihres Notenwertes hinzu (Beispiel: Eine punktierte Halbe Note zählt,
statt zweien, drei Viertel). Der Bindebogen zwischen zwei Noten addiert die Notenwerte
(also Notenlängen), die zweite Note der beiden gebundenen Noten wird also nicht gespielt.
Hier zweimal der selbe Rhythmus, einmal mit punktierten Noten und einmal mit Bindebögen:
Und abschließend noch ein Beispielrhythmus:
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2 Harmonik
2.1 Akustische Grundlagen und das Moll-Problem
Die wichtigste Entdeckung die notwendig war, um harmonische Zusammenhänge zu analysieren, war die der Obertonreihe, die Pythagoras zugeschrieben wird. Der Legende nach
stellte Pythagoras als Erster fest, dass jeder Ton, sei es von einem Instrument oder gesungen,
sich aus mehreren Einzeltönen zusammensetzt, nämlich einem Grundton und einer Vielzahl
sogenannter Obertöne. Diese Obertöne sind es auch, die durch ihre Anzahl und Lautstärken
die Klangfarbe eines Instruments (oder einer Stimme) ausmachen. Ausnotiert und aneinandergehängt ergeben die ersten Obertöne die Obertonreihe (über C):
Hierbei ist anzumerken, dass je später ein Ton in der Obertonreihe vorkommt, desto mehr
weicht er von dem hier notierten Ton ab. Beispielsweise ist bereits der 3. Oberton - die große
Terz - eigentlich eine „reine Terz“, die ein kleines bisschen tiefer liegt, als die große Terz auf
dem Klavier. Dies liegt an der gleichstufigen Stimmung, auf die ich weiter Unten noch näher
eingehen werde.
Hier zeigt sich auf grundlegender Basis, warum manche Intervalle konsonant klingen und
andere dissonant. Einfach ausgedrückt lässt sich sagen, dass die Intervalle der Oktave, reinen Quinte und reinen Quarte sehr konsonant klingen, die Terzen und Sexten auch noch
konsonant, aber weniger rein, und die Sekunden und Septen erzeugen eine Dissonanz. Den
stärksten Dissonanzgrad hat die verminderte Quinte (oder übermäßige Quarte).
Der erste Oberton ist die Oktave (der Ton mit der doppelten Frequenz). Bilden wir die
Obertonreihe über der Oktave, so sind die Töne logischerweise identisch mit denen des Ausgangstons (oder deren Oktaven), daher klingt die Oktave konsonant. Der nächste Oberton
ist die Quinte (die 1,5-fache Frequenz). Bilden wir über dieser die Obertonreihe, so decken
sich auch hier die meisten Töne, daher ist auch die Quinte konsonant.
9
2 Harmonik
Wenn die Quinte konsonant klingt, so muss die Quarte auch konsonant klingen, denn sie
ist lediglich das Komplementärintervall der Quinte, das bedeutet, dass wenn wir die Quinte
über einem beliebigen Grundton bilden (beispielsweise C - G), so bildet der Zielton mit der
Oktave des Grundtons eine Quarte (G - C). Die Quarte lässt sich also aus den selben zwei
Tönen zusammensetzen wie die Quinte, muss also auch den selben Konsonanzgrad besitzen:
Der nächste Ton der Obertonreihe ist die große Terz, die also auch konsonant klingt, und
somit ihr Komplementärintervall der kleinen Sexte auch konsonant bildet.
Die kleine Terz - und somit die große Sexte - lässt sich weniger leicht erklären. Sie taucht erst
sehr spät in der Obertonreihe auf und müsste unserer Logik nach somit eigentlich dissonant
klingen. Tatsächlich haben viele Musikhistoriker und -wissenschaftler versucht, die Konsonanz der kleinen Terz - auf der das gesamte Moll-Tongeschlecht beruht - zu begründen, meist
nur mit dem Ergebnis, ihre Herleitung heftiger Kritik ihrer Kollegen ausgesetzt zu finden.
Mir persönlich scheint dabei die folgende Begründung am sinnigsten: Da die ersten Intervalle,
die in der Obertonreihe auftauchen die reine Quinte und die große Terz sind, lässt sich hier die
kleine Terz als Intervall zwischen der großen Terz und der reinen Quinte wiederfinden, und
tatsächlich lässt sich so auch der Moll-Dreiklang am einfachsten herleiten (was wir später
noch tun werden). Zwar taucht die kleine Terz so in der Obertonreihe nicht als Intervall
zum Grundton auf, allerdings sehe ich keinen Grund, warum dies erforderlich sein sollte.
Die Konsonanz des Intervalles lässt sich so speziell zwischen der großen Terz und der reinen
Quinte begründen, und wenn ein Intervall zwischen zwei bestimmten Tönen konsonant klingt,
muss das Intervall für sich genommen auch zwischen zwei beliebigen Tönen (außerhalb eines
harmonischen Kontexts) konsonant sein.
Bereits die Quinte reicht, um das gesamte 12-Ton-System herzuleiten, auf dem die westliche
Musik basiert. Wir brauchen lediglich über der Quinte wieder die Quinte zu bilden und
gelangen zum nächsten Ton usw. Nachdem wir in den Oktaven beliebig springen können
ergibt sich daraus von C ausgehend folgendes Bild:
10
2.2 Die gleichstufige Stimmung
Diese Tonfolge nennt sich auch Quintenzirkel, dazu später noch mehr. Nach Tonhöhe sortiert
ergibt sich die chromatische Tonleiter:
2.2 Die gleichstufige Stimmung
Der nächste wichtige Schritt war die Entwicklung der gleichstufigen Stimmung im 17. Jahrhundert. Denn nimmt man die Intervalle so, wie sie tatsächlich in der Obertonreihe vorkommen, so gleichen sie sich nicht genau aus. Bildet man beispielsweise (wie vorhin mit Quinten)
eine Reihe von reinen Terzen - wie sie in der Obertonreihe vorkommen - bis zur Oktave (also
C - E - G] - C), so ist das C auf dem man landet ein kleines bisschen tiefer, als die Oktave
des Ausgangstons.
Die gleichstufige Stimmung behebt dieses Problem, indem sie diese feinen Unterschiede auf
die ganze Oktave sauber verteilt, so dass jeder Halbtonschritt (und ergo jedes größere Intervall) identisch ist. Spielt man also auf dem Klavier eine große Terz, so ist diese nicht ganz
die selbe wie in der Obertonreihe, sozusagen „unsauber“, unser Ohr hat sich jedoch an den
ohnehin sehr geringen Unterschied so sehr gewöhnt, dass dies vom Dissonanzgrad nicht ins
Gewicht fällt.
Vom Theoretischen her macht dies jedoch einen gewaltigen Unterschied. Es garantiert nämlich, dass jede Tonfolge oder Harmonie in jeder beliebigen Tonart gespielt werden kann, ohne
dass sie anders klingt (außer eben höher oder tiefer), und vor allem bedeutet dies, dass alle
Regeln und Zusammenhänge der Harmonielehre unabhängig der absoluten Tonhöhe über
jedem Grundton gleich sind.
2.3 Dreiklänge und ihre Umkehrungen
Nimmt man nun die ersten beiden Intervalle aus der Obertonreihe, also die Quinte und die
große Terz, so erhält man den Dur-Dreiklang, den einfachsten denkbaren Akkord. In C:
11
2 Harmonik
Schaut man sich die Struktur dieses Dreiklangs genauer an, so findet man neben der großen
Terz C - E und der Quinte C - G noch ein drittes Intervall: die kleine Terz E - G. Auch
diese kann ich wieder verwenden, um zusammen mit der Quinte einen Dreiklang zu bilden,
nämlich den Moll-Dreiklang (E - G - B):
Im Gegenzug findet sich im Moll-Dreiklang auch die große Terz wieder, nämlich zwischen
der Terz (G) und der Quinte (B).
Nachdem die Oktaven gleichwertig sind, können wir die einzelnen Töne der Dreiklänge auch
oktavieren, und erhalten damit drei Umkehrungen:
Wir können sogar einzelne Töne verdoppeln und auslassen, ohne dass sich der Klangcharakter des Akkords ändert, so lange jeder der 3 Töne mindestens einmal vorkommt. Diese
unterschiedlichen Tonschichtungen, die den selben Akkord ergeben nennen sich Voicings. Sie
werden in Bezug auf ihren tiefsten Ton als Umkehrung bezeichnet. Ist dieser der Grundton
reden wir von der Grundstellung, von der 1. Umkehrung bei der Terz und der 2. Umkehrung
bei der Quinte. Auf ihren höchsten Ton bezieht sich dagegen die Lage eines Voicings. Liegt
der Grundton oben, so liegt der Akkord in der Oktavlage, bei der Terz in der Terzlage und
bei der Quinte in der Quintlage:
12
2.4 Die Dur-Tonleiter
2.4 Die Dur-Tonleiter
Mit diesem Wissen ausgestattet sind wir nun in der Lage, Tonleitern zu bilden. Eine Tonleiter ist eine logische Unterteilung des Oktavraums in (große und kleine, manchmal sogar
übermäßige) Sekundschritte, die als Tonmaterial dient. Wenn wir versuchen, mit allen 12
Tönen Melodien oder Akkorde zu bilden, so klingt das Ergebnis nicht sehr harmonisch, da
eben nicht jeder Ton zu jedem passt. Wir müssen beim komponieren oder improvisieren
unser Tonmaterial also einschränken.
Wenn wir den Durdreiklang als Ausgangspunkt nehmen, haben wir schonmal drei Töne, den
Grundton, die große Terz und die Quinte. Der nächste logische Schritt wäre es, das selbe
eine Quinte höher zu tun (die Quinte ist nach der Oktave der erste Oberton). Bilden wir
hier den Durdreiklang, so erhalten wir die Quinte, die große Septe und die große Sekunde.
Von C aus wären das G - B - D:
Und was in die eine Richtung geht, geht auch in die andere. Wir konstruieren einfach den
Dreiklang, der unseren Grundton als Quinte hat. Wir gehen also eine Quarte abwärts (die
Quarte ist das Komplementärintervall der Quinte), bilden einen Durdreiklang und kommen
so auf die Quarte, die große Sexte und die Oktave, von C aus also F - A - C:
Und schon haben wir sieben Töne, die den Oktavraum sinnvoll in fünf Halb- und zwei
Ganztonschritte einteilen. Sie bilden zusammen die Dur-Tonleiter, die - wie bereits erwähnt
- aus dem Grundton, der großen Sekunde, der großen Terz, der reinen Quarte, der reinen
Quinte, der großen Sexte und der großen Septe besteht (in Ziffern ausgedrückt: 1 2 3 4 5 6
7)
13
2 Harmonik
Die Halbtonschritte befinden sich dabei zwischen dem dritten und vierten, sowie dem siebten
und ersten Ton. Indem wir die Reihenfolge der Halb- und Ganztonschritte gleichbehalten,
können wir so die Dur-Tonleiter über jedem beliebigen Grundton bilden. Wenn ein Musikstück auf einer Tonleiter basiert, so sagt man, es steht in der entsprechenden Tonart.
Dennoch kann ein Stück in einer Tonart auch viele andere Tonleitern enthalten.
2.5 Die Stufendreiklänge
Über drei der Töne haben wir bereits die Dur-Dreiklänge gebildet, nämlich dem ersten,
vierten und fünften. Wenn wir dies mit den anderen Tönen unserer Dur-Tonleiter nun auch
machen, erhalten wir die Stufenakkorde der Durtonleiter, die mit Römischen Ziffern bezeichnet werden. Dieses Konzept nennt sich Stufentheorie:
Da wir von jedem Ton aus die diatonische Terz (d.H. diejenige, die in der zugrunde liegenden
Tonleiter vorkommt) gebildet haben, finden wir nun auf der I., IV. und V. Stufe natürlich
unsere Dur-Dreiklänge wieder, auf der II., III. und VI. Stufe Moll-Dreiklänge, und auf der
VII. einen verminderten Dreiklang, der sich aus zwei kleinen Terzen zusammensetzt (im
Beispiel B - D und D - F) und statt der reinen Quinte - wie bei den anderen Dreiklängen eine verminderte Quinte (B - F) enthält.
Der überwältigende Großteil der europäischen und amerikanischen Volks- und Popmusik im
weitesten Sinne basiert auf ausschließlich diesen Akkorden.
2.6 Funktionsharmonik
Jeder dieser Akkorde hat natürlich in einem harmonischen Kontext seine ganz eigene Wirkung. Manche klingen stabil, d.H. sie haben eine ruhende Wirkung. Andere dagegen klingen
labil, sie streben zu einem anderen Akkord hin, den man geradezu erwartet. Die Einteilung
der Akkorde nach einem solchen Schema nennt sich Funktionsharmonik. Diese Funktionen
der Akkorde hängen entscheidend von der Stufe ab, und die wichtigsten davon sind die drei
Hauptstufen, die wir zum konstruieren der Dur-Tonleiter verwendet haben.
Der Dur-Akkord auf der I. Stufe nennt sich Tonika (T), und er ist als Grundakkord der
stabilste, daher enden fast alle Stücke auf der Tonika.
14
2.6 Funktionsharmonik
Der Dur-Akkord auf der V. Stufe nennt sich Dominante (D), und ist sehr labil. Die Terz
der Dominante ist die große Septe in unserer Tonleiter. Da die große Septe nur einen Halbtonschritt vom Grundton entfernt ist, erwartet man diesen nahezu. Die Terz wird deshalb
als Leitton bezeichnet, und macht die Labilität, also die Strebewirkung, aus. Man spricht
hierbei auch vom Dominant-Charakter eines Akkords. Wenn direkt nach einer Dominante
die Tonika gespielt wird, so spricht man von einer Auflösung in die Tonika.
Der Dur-Akkord auf der IV. Stufe schließlich wird als Subdominante (S) bezeichnet, da er
weder sonderlich stabil noch labil klingt, aber schön von der Tonika zur Dominante leitet,
die Subdominante bereitet die Dominante sozusagen vor.
Zahlreiche Pop- und Volkslieder kommen gänzlich mit diesen drei Akkorden aus.
Die Töne, die am entscheidendsten für die Funktion eines Akkordes sind, sind bei Dreiklängen der Grundton und die Terz. Da - von verminderten und übermäßigen als Sonderfällen
abgesehen - jeder Dreiklang die reine Quinte enthält, hat diese funktionell gesehen kaum
Bedeutung, außer, dem Akkord mehr „Klangmasse“ zu verleihen. Wenn wir jetzt die Nebenstufen beschreiben wollen, so stellen wir fest, dass die VI. Stufe (die eine kleine Terz tiefer
liegt) den Grundton und die Terz der Tonika enthält, und sich daher nur um einen Ton von
dieser unterscheidet. Deshalb wird die VI. Stufe als Tonika-Parallele (Tp) bezeichnet, und
sie wird auch häufig in einem ähnlichen Kontext verwendet wie die Tonika.
Das selbe können wir auch mit der Subdominante tun. Gehen wir von dieser eine kleine Terz
abwärts, so landen wir auf der II. Stufe, die sich nur in einem Ton von der Subdominante
unterscheidet, und deshalb als Subdominant-Parallele (Sp) bezeichnet wird.
Gehen wir dabei wie gerade eben vor, indem wir von der Grundstufe in Richtung der kleinen
Terz (I. - VI. Stufe, bzw. IV. - II. Stufe) wandern, so wird der Zielakkord (Funktions-)Parallele
genannt. Gehen wir dagegen in Richtung der großen Terz - in diesem Falle also nach oben
- So nennt sich der Zielakkord Gegenklang. Die III. Stufe ist so zum Beispiel der TonikaGegenklang (Tg), die VI. Stufe könnte so auch als Subdominant-Gegenklang bezeichnet
werden, klanglich macht Tonikaparallele jedoch mehr Sinn. Die Parallelen bzw. Gegenklänge
der Akkorde werden auch deren Medianten genannt.
Natürlich lassen sich auch von der Dominante theoretisch Parallele und Gegenklang bilden,
jedoch wird die III. Stufe häufig eher als Tonika-Gegenklang bezeichnet, als als DominantParallele, und die VII. Stufe steht als verminderter Akkord (vorerst noch) völlig außen vor.
15
2 Harmonik
2.7 Kadenzen und Stimmführung
Jetzt da wir die Funktionen der Akkorde kennen, können wir Kadenzen betrachten. Eine
Kadenz ist eine auf eine Grundtonart bezogene Folge von (meist) diatonischen (also leitereigenen) Akkorden. Die einfachsten davon sind die unterschiedlichen Kombinationen der
drei Hauptstufen I, IV und V. Aus den Funktionen - Die Tonika (I) ist ein Ruheakkord, die
Dominante (V) leitet zur Tonika, die Subdominante (IV) leitet zur Dominante - ergibt sich
als logischste Akkordfolge die Vollkadenz (I−)IV − V − I, die dadurch, dass sie alle drei
Hauptstufen enthält, die gesamte Tonleiter definiert:
Das Konzept der Stimmführung hilft uns dabei, zu betrachten, was mit den einzelnen Tönen
in einer Kadenz eigentlich passiert. Hierzu legen wir eine bestimmte Anzahl Stimmen fest,
im häufigsten Falle vier (Grundton im Bass und drei „Melodiestimmen“), und legen unsere
Voicings so, dass zwischen jeweils zwei Akkorden gleiche Töne liegen bleiben und die anderen
sich so wenig wie möglich bewegen, wie gerade eben bei der Vollkadenz geschehen. So sehen
wir genau, welche der Stimmen sich wohin bewegt:
Aus rein ästhetischen Gründen wäre im klassischen vierstimmigen Tonsatz diese Stimmführung eigentlich verboten, da zwischen der Subdominante (IV) und Dominante (V) sogenannte
Quintparallelen entstehen; da diese jedoch keinerlei Auswirkung auf die harmonische Bedeutung der Kadenz haben, wollen wir dieser und anderen Regeln des Tonsatzes hier keine
Beachtung schenken.
16
2.7 Kadenzen und Stimmführung
Wichtig ist hier vor allem die Verbindung der Dominante zur Tonika (V − I), auch Authentische Kadenz genannt (im Gegensatz zur Plagalen Kadenz IV − I) . Die Terz der Dominante
(hier B) löst sich als Leitton in einem Halbtonschritt in den Grundton der Tonika (C) auf.
Der Grundton der Dominante (G) ist gleichzeitig die Quinte der Tonika, kann also liegen
bleiben, und die Quinte der Dominante (D) rückt nach oben in die Terz der Tonika (E),
könnte aber theoretisch genauso gut nach unten zum Grundton der Tonika werden.
Ich möchte hier nochmals darauf hinweisen, dass der Leitton der Dominante (die Terz) wegen
ihrer Auflösung in den Grundton der Tonika DER entscheidende Ton für den Charakter des
Dominant-Akkordes ist. Daher klingt eine gute Stimmführung, bei der der Leitton sauber
aufgelöst wird immer schöner, als zusammenhangslose Voicings, obwohl für die funktionelle
Erfassung der Akkorde die genaue Lage der Akkordtöne bedeutungslos ist.
Als nächstes können wir die Hauptstufen einfach durch ihre Parallelen ersetzen. So erhalten
wir im Falle der Tonika den Trugschluss (V − V I). Die Verbindung wird deshalb so genannt,
weil wir eigentlich nach der Dominante die Tonika erwarten, aber stattdessen auf die TonikaParallele stoßen, der Zuhörer wird also gewissermaßen bewusst in die Irre geleitet.
Ersetzen wir dagegen in der Vollkadenz die Subdominante durch ihre Parallele, so erhalten
wir die berüchtigte II − V − I-Verbindung, die insbesondere im Jazz sehr häufig anzutreffen
ist. Sie ergibt sich jedoch auch aus der Diatonischen Kadenz, die wir später noch behandeln
werden.
Aber auch abgesehen von der funktionsharmonischen Deutung lassen sich die einzelnen Stufen selbstverständlich nahezu beliebig kombinieren. Die Kadenz V − IV beispielsweise ist
funktionsharmonisch nicht sinnvoll zu deuten, und ist im klassischen Tonsatz sogar verboten,
kommt aber dennoch in zahlreichen Popstücken ständig vor. „Knocking on Heaven’s Door“
beispielsweise basiert auf einer I − V − IV -Progression.
17
2 Harmonik
2.8 sus-Dreiklänge
Theoretisch existieren neben dem Dur-, Moll- und verminderten Dreiklang noch drei andere
Dreiklangstypen. Der Übermäßige Dreiklang setzt sich aus zwei großen Terzen zusammen
und besteht so aus Grundton, großer Terz und übermäßiger Quinte, wird jedoch vorerst nicht
gebraucht. Die zwei übrigen Dreiklänge sind die sus2- und sus4-Dreiklänge, bei denen jeweils
die Terz durch die große Sekunde bzw. reine Quarte ersetzt wird.
Der sus4-Dreiklang wird vor allem in der klassischen Musik häufig als Vorhalteakkord, insbesondere der Dominante, verwendet. Dabei wird vor der Dominante auf der selben Stufe der
sus4-Akkord gesetzt. Der Grundton und die Quinte bleiben so liegen, während die Quarte
des sus4-Akkords in die Terz der Dominante übergeht:
Besonders in der Kirchenmusik werden sus-Akkorde auch gerne verwendet um den Schlußakkord, also die Tonika, zu umspielen.
Dagegen wird der sus2-Akkord vor allem in der Pop- und Rockmusik häufig verwendet, um
die Terz im Moll-Akkord zu umspielen:
18
2.9 Der Dominant-Septakkord
Mittlerweile werden die sus-Akkorde im Jazz und Pop jedoch auch als eigenständige Akkorde
verwendet, die genauso wie der normale Dreiklang der jeweiligen Stufe gedeutet werden.
Interessant bei den sus-Dreiklängen ist, dass ihre Umkehrungen den jeweils anderen susAkkord ergeben. Ein Csus2-Dreiklang (C - D - G) beispielsweise ergibt umgekehrt einen
Gsus4 (G - C - D).
2.9 Der Dominant-Septakkord
Die VII. Stufe als verminderten Dreiklang haben wir bisher ignoriert. Das liegt daran, dass
der verminderte Dreiklang alleine genommen sehr dissonant klingt. Er wird jedoch auf der
Septe gebildet, und wir wissen, dass die Septe ein Leitton ist. Dadurch hat die VII. Stufe
trotz ihrer Dissonanz einen gewissen Dominantcharakter, was insofern nicht verwunderlich
ist, als dass sie sich ja zwei Töne mit der Dominante teilt. Und der dritte Ton - die verminderte Quinte - liegt nur einen Halbtonschritt über der Terz der Tonika, und dient somit als
zusätzlicher Leitton nach unten. Wenn wir jetzt den Dominantcharakter der V. Stufe noch
verstärken wollen, können wir also einfach diesen zweiten Leitton noch zusätzlich dazunehmen und erhalten so den Dominant-Septakkord der V. Stufe, der sich aus dem Grundton,
der großen Terz, der reinen Quinte und der kleinen Septe (1 3 5 [7) zusammenstellt:
In der Tat funktioniert der Dominant-Septakkord so gut, dass wir dazu tendieren, einen verminderten Dreiklang als verkürzten Dominant-Septakkord zu hören, das heißt als DominantSeptakkord mit fehlendem Grundton, und so lässt er sich auch funktionsharmonisch am besten beschreiben. In C-Dur z.B. setzt sich die VII. Stufe aus den Tönen B - D - F zusammen,
was dem Dominant-Septakkord der V. Stufe - G - B - D - F - ohne Grundton G entspricht.
Das bedeutet, dass jeder Dominant-Septakkord einen verminderten Dreiklang und somit
einen Tritonus (zwischen der großen Terz und der kleinen Septe) enthält, der, wie wir wissen,
das dissonanteste Intervall darstellt. Diese Dissonanz macht aber entscheidend den Dominantcharakter, also das Auflösungsbestreben, des Akkordes aus. Denn nicht nur löst sich der
19
2 Harmonik
Tritonus von seinen Einzeltönen sehr schön in die Tonika auf (Terz geht in den Grundton,
Septe in die Terz), sondern gleichzeitig löst sich seine Dissonanz in die Konsonanz der Tonika auf. Es ist ein häufig zitiertes Prinzip in der Musik, dass sich Konsonanz und Dissonanz
abwechseln, das hier seinen logischen Ursprung findet. Im Jazz und anderen Stilrichtungen
geht dies so weit, dass die Dominanten (mit Hilfe von Alterationen) bewusst noch dissonanter gestaltet werden, um die Auflösungsbedürftigkeit und so den Dominantcharakter zu
steigern, der sich dann je nachdem in die relative Konsonanz der Tonika auflöst.
2.10 Die Stufenvierklänge
Nachdem wir nun die V. Stufe um eine zusätzliche Terz über der Quinte erweitert haben,
können wir das selbe auch mit den übrigen Stufen tun und erhalten so die Stufenvierklänge:
So enstehen vier verschiedene Vierklangstypen:
• Der Major-Septakkord (maj7 , j7 , M a7 , 4 ) auf der I. und IV. Stufe, bestehend aus Grundton, großer Terz, reiner Quinte und großer Septe (1 3 5 7)
• Der Dominantsepakkord (7 ) auf der V. Stufe, bestehend aus Grundton, großer Terz,
reiner Quinte und kleiner Septe (1 3 5 [7)
• Der Moll-Septakkord (m7 , mi7 , −7 ) auf der II., III. und VI. Stufe, bestehend aus
Grundton, kleiner Terz, reiner Quinte und kleiner Septe (1 [3 5 [7)
• Der Halbverminderte Septakkord (m7[5 , ) auf der VII. Stufe, bestehend aus Grundton,
kleiner Terz, verminderter Quinte und kleiner Septe (1 [3 [5 [7)
20
2.11 Die Moll-Tonleiter
Wurden Septakkorde früher noch als dissonant eingestuft, so haben sie sich mittlerweile
längst klanglich etabliert, so dass den Stufenvierklängen die selben Funktionen wie den Dreiklängen zugewiesen werden können. In der Jazzharmonik wird die Septe sogar wie die Terz
zu den Funktionstönen gezählt. Genauso können nach dem selben Prinzip Voicings in allen
möglichen Umkehrungen und Lagen konstruiert werden, wobei hier Vorsichtig vorgegangen
werden sollte, da mit der zusätzlichen Septe in verschiedenen Voicings das Komplementärintervall der Sekunde auftreten kann, was besonders bei der kleinen Sekunde (als Komplementärintervall der großen Septe) problematisch werden kann. Auch ein schön klingender
Septakkord mit Septe im Bass (also die 4. Umkehrung) ist eher Ausnahme als Regel, weshalb
auch bei den Umkehrungen Vorsicht geboten ist. Dies sind jedoch rein ästhetische Gesichtspunkte, die von dem her stark vom persönlichen Geschmack abhängig sind.
2.11 Die Moll-Tonleiter
Wir haben bisher ausschließlich mit der Dur-Tonleiter gearbeitet, aber schon früh in der
Musikgeschichte hat sich die Tonikaparallele, also die VI. Stufe, als eigenständige Tonika
emanzipiert. Da auf der VI. Stufe ein Mollakkord steht, nennt man die von ihr aus gebildete
Tonleiter Moll-Tonleiter. Sie enthält die selben Noten wie die ausgehende Dur-Tonleiter - und
wird deshalb als Moll-Parallele der ursprünglichen Tonleiter bezeichnet - hat jedoch einen
anderen Ton als Grundton. Dadurch verrutschen die Halbtonschritte zwischen die Sekunde
und die Terz, sowie die Quinte und Sexte. Die Moll-Tonleiter besteht dementsprechend also
aus dem Grundton, der großen Sekunde, der kleinen Terz, der reinen Quarte, der reinen
Quinte, der kleinen Sexte und der kleinen Septe (1 2 [3 4 5 [6 [7)
Die Moll-Tonleiter kann dabei genauso als Grundtonart eines Stückes dienen wie die DurTonleiter.
Wenn wir nun die VI. Stufe als Tonika betrachten, so müssen wir dementsprechend die
Funktionen (und Stufenbezeichnungen) neu verteilen, und gehen dabei genauso vor wie bei
der Dur-Tonleiter. Da es sich aber diesmal bei der Tonika, Subdominante und Dominante
um Mollakkorde handelt, werden diese mit Kleinbuchstaben gekennzeichnet.
Selbstverständlich lassen sich auch in Moll die entprechenden Stufenvierklänge konstruieren,
und genauso lassen sich auch die Funktionsparallelen (in Richtung der kleinen Terz, also
diesmal nach oben) und -gegenklänge (in Richtung der großen Terz, also diesmal nach unten)
21
2 Harmonik
bilden. Da diesmal die Parallelen und Gegenklänge Dur-Akkorde sind, werden diese mit
einem großen P oder G markiert (z.B. Subdominantparallele: sP)
2.12 Die Harmonisch-Moll-Tonleiter
Das Problem dem wir hierbei begegnen ist, dass die Dominante in Moll nun auch ein MollAkkord ist, der deshalb nicht den Leitton - die große Septe der Tonleiter - enthält, und
dementsprechend bei weitem nicht den Dominant-Charakter der Dominante in Dur besitzt.
Wollen wir dies ändern, so müssen wir in der Dominante die Terz um einen Halbton nach
oben verschieben:
Wenn wir einen Akkordton um einen Halbton auf einen tonleiterfremden Ton verschieben,
so nennt sich das Alteration. Wenn wir also so wie eben bei unserer Moll-Tonleiter die Septe
auf die große Septe hochalterieren, so erhalten wir die Harmonisch-Moll-Tonleiter:
Die Harmonisch-Moll-Tonleiter besteht ergo aus dem Grundton, der großen Sekunde, der
kleinen Terz, der reinen Quarte, der reinen Quinte, der kleinen Sexte und der großen Septe
(1 2 [3 4 5 [6 7). Hierbei entsteht zwischen der Sexte und der Septe das Intervall der
übermäßigen Sekunde, das in einer Melodie einen sehr charakteristischen, „arabischen“ Klang
22
2.13 Die Melodisch-Moll-Tonleiter
verursacht. Die Tonleiter wird deshalb Harmonisch Moll genannt, weil sie die DominanteTonika-Verbindung mit Leitton ermöglicht, und so die Molltonleiter „harmonisch“ macht. Im
Gegenzug wird unsere bisherige Moll-Tonleiter korrekter als Natürlich Moll bezeichnet.
Wie auch schon bei der Natürlich-Moll-Tonleiter lassen sich auch auf der Harmonisch-MollTonleiter die Stufenvierklänge bilden:
Nachdem wir im Vergleich zu Natürlich Moll nur die Septe geändert haben, ändern sich
auch nur die Vierklänge, die die Septe enthalten, also die I., III, V. und VII. Stufe. Hierbei
enstehen drei neue Vierklangstypen. Die veränderten Stufen sind:
• Der Moll-Major-Septakkord (mj7 , mmaj7 , m4 etc.) auf der I. Stufe, bestehend aus
Grundton, kleiner Terz, reiner Quinte und großer Septe (1 [3 5 7)
• Der Übermäßige Major-Septakkord (j7]5 , +maj7 , etc.) auf der III. Stufe, bestehend aus
Grundton, großer Terz, übermäßiger Quinte und großer Septe (1 3 ]5 7). Hier begegnet
uns erstmalig der übermäßige Dreiklang
• Der Dominant-Septakkord auf der V. Stufe, von dem aus wir die Tonleiter konstruiert
haben
• Der Verminderte Septakkord (auch Vollverminderter Akkord genannt) (dim7 , ◦7 ) auf
der VII. Stufe, bestehend aus Grundton, kleiner Terz, verminderter Quinte und verminderter Septe (entspricht der großen Sexte) (1 [3 [5 [[7). Dieser Akkord setzt sich
ausschließlich aus kleinen Terzen zusammen und wird später noch ausführlicher behandelt.
2.13 Die Melodisch-Moll-Tonleiter
Das Problem, das bei Harmonisch Moll entsteht, liegt beim übermäßigen Sekundschritt zwischen der VI. und VII. Stufe, der uns zwar bei Akkordfolgen nicht stört, in einer Melodie
jedoch sehr auffällig klingt (eine übermäßige Sekunde ist gleichbedeutend mit der kleinen
Terz). Wenn wir unsere Moll-Tonleiter ausschließlich aus Halb- und Ganztonschritten aufbauen wollen, aber dennoch den Leitton (also die große Septe) beibehalten wollen, müssen
wir die also die Sexte ebenfalls um einen Halbtonschritt anheben:
23
2 Harmonik
Die dadurch entstehende Tonleiter wird, da sie aus melodischen Gründen entstanden ist,
Melodisch-Moll-Tonleiter genannt und besteht aus dem Grundton, der großen Sekunde, der
kleinen Terz, der reinen Quarte, der reinen Quinte, der großen Sexte und der großen Septe
(1 2 [3 4 5 6 7).
Sie ist also vom Grundton bis zur Quinte mit der Natürlich-Moll-Tonleiter identisch und von
der Quinte bis zur Oktave mit der Dur-Tonleiter:
Auch über Melodisch Moll lassen sich wieder Stufenseptakkorde bilden:
Nachdem wir von Harmonisch Moll aus wieder nur einen Ton geändert haben, nämlich die
Sexte, ändern sich auch wieder nur vier der Vierklänge, es entstehen jedoch diesmal keine
neuen Vierklangstypen. Die veränderten Stufen sind:
• Der Moll-Septakkord auf der II. Stufe
• Der Dominant-Septakkord auf der IV. Stufe
• Der halbverminderte Septakkord auf der VI. Stufe
• Der halbverminderte Septakkord auf der VII. Stufe
24
2.14 Der verminderte Septakkord
Rein theoretisch können in einer Moll-Tonart die Stufen aller drei Moll-Tonleitern verwendet
werden, und gerade im Jazz werden sie das durchaus auch. Im populären Bereich beschränkt
man sich jedoch meist auf die Stufenakkorde der Natürlich-Moll-Tonleitern und die V. Stufe
von Harmonisch Moll.
2.14 Der verminderte Septakkord
Wenn wir den Fünfklang auf der V. Stufe in Harmonisch Moll bilden, indem wir also eine
weitere diatonische Terz hinzufügen, so erhalten wir den Dominant7[9 -Akkord, bei dem die
[9 einen zusätzlichen dritten Leitton zur Quinte der Tonika bildet. Wenn wir diesen Akkord
nun auf die Dominante in Dur setzen, haben wir einen Leitton für jeden Dreiklangston der
Tonika:
Dieser Akkord setzt sich ergo aus der V. Stufe und der VII. Stufe in Harmonisch Moll
zusammen:
Wie schon beim verminderten Dreiklang tendieren wird dadurch dazu, den verminderten Septakkord, der sich auf der VII. Stufe von Harmonisch Moll bildet, als verkürzten Dominant7[9 Akkord zu hören. Wenn wir uns den Aufbau dieses Akkordes genauer anschauen stellen wir
fest, dass er sich ausschließlich aus kleinen Terzen zusammensetzt. Und bilden wir über
der Septe wieder die kleine Terz, so landen wir wieder beim Grundton. Der verminderte
Septakkord ist also symmetrisch. Dies bedeutet auch, dass jede Umkehrung wieder einen
verminderten Septakkord ergibt:
25
2 Harmonik
Wenn wir also auf der kleinen Terz des Grundtons den verminderten Septakkord bilden, so
erhalten wir wieder den selben Akkord. Daraus ergibt sich, das praktisch nur drei verminderte Septakkorde existieren, da alle anderen als Umkehrung der ersten drei gesehen werden.
Entscheidend für die Bestimmung ist lediglich, welcher als Grundton verwendet wird:
2.15 Akkorderweiterungen und -symbole
Wenn wir Konsequenterweise unseren Vierklängen weitere Terzen hinzufügen, so erhalten wir
die None, Undezime und Tredezime. Diese hinzugefügten Töne nennen wir Erweiterungen,
Optionstöne oder Farbtöne. Sie ändern an der Funktion des Akkordes nichts, fügen jedoch
neue Klangfarben hinzu. So erhalten wir die gesamte Tonleiter in einem Akkord:
Um die dabei entstehenden Klanggebilde z.B. auf einem Lead Sheet einfach bezeichnen zu
können, gibt es Akkordsymbole, wie hier über den Noten.
Wollen wir ein Akkordsymbol erstellen, gehen wir vom Grundton aus und bezeichnen diesen
durch einen Großbuchstaben, z.B. C. Als nächstes widmen wir uns der Terz. Handelt es sich
um eine große Terz, muss dies nicht angegeben werden. Im Falle einer kleinen Terz haben wir
jedoch einen Mollakkord, der als solcher gekennzeichnet werden muss und zwar mit einem
kleinen „m“ (auch: „mi“, „−“).
Da in den meisten Fällen die Quinte rein ist überspringen wir diese und gehen zur Septe.
Ist diese klein (was deutlich häufiger vorkommt), schreiben wir eine einfache 7 , ist diese groß
schreiben wir 4 (auch: maj7 , M a7 , j7 , für „Major 7“, ).
Sollte unser Akkord (statt der reinen) eine verminderte oder übermäßige Quinte enthalten,
so geben wir das nun durch ein [5 oder ]5 an.
Die Erweiterungen werden nun einfach in Terzschichtungs-Reihenfolge hinter der 7 (durch
„/“ getrennt) angehängt, also als 9 , 11 , 13 oder [- und ]-Abwandlungen davon.
26
2.16 Avoid Notes
Wollen wir (zum Beispiel um eine Umkehrung anzugeben) einen anderen Ton als Basston
festlegen als den Grundton, so wird der gewünschte Basston - durch ein „/“ getrennt - hinter
das Akkordsymbol gesetzt. Ein Am7/9 mit Septe G im Bass wird so also zu Am7/9 /G. Diese
Akkorde werden daher auch Slash-Akkorde (von der englischen Bezeichnung „Slash“ für das
„/“-Symbol) genannt.
2.16 Avoid Notes
Ganz unabhängig von den Stufen klingt jedoch nicht jede denkbare Erweiterung schön,
obwohl sie sich unter Umständen auf natürliche Weise durch die zugrundeliegende Tonart
ergeben. Diese Noten werden Avoid Notes genannt (vom englischen „to avoid“, was soviel heißt
wie „vermeiden“). Hierbei gilt die Regel, wenn ein Farbton entweder einen Tritonus oder eine
kleine None (die zwei dissonantesten Intervalle) zu einem der Vierklangstöne bildet, gilt er
als Avoid Note und sollte vermieden werden. Hierbei gibt es jedoch zwei Ausnahmen:
• Der Tritonus zum Grundton ist grundsätzlich erlaubt
• Beim Dominant-Septakkord sind grundsätzlich alle denkbaren Erweiterungen und Alterationen erlaubt, da beim ihm die Dissonanz ja gewissermaßen gewollt ist, außer der
11, da sie den Leittoncharakter der Terz zerstört (die reine Quarte ist der Zielton der
Terz in einer V-I-Verbindung). Sie kann im 7sus4-Akkord die Terz ersetzen, in dem
Falle wird sie aber als Akkordton und nicht als Farbton gewertet.
Das bekannteste Paradebeispiel für eine Avoid Note ist die 11 (also die reine Quarte) über
dem Major-Septakkord. Sie wäre die logische Erweiterung für den Major-Septakkord auf der
I. Stufe in Dur, bildet jedoch eine kleine None zur Terz und einen Tritonus zur Septe. In der
Praxis wird also auf sie verzichtet, außer natürlich, man möchte bewusst den dissonanten
Klang der Avoid Note nutzen.
2.17 Sextakkorde
Zwei Vierklangstypen wurden bisher nicht erwähnt, nämlich der Dur- und Moll-Sextakkord.
Er bricht das Terzschichtungsverfahren und ersetzt die Septe durch die große Septe. Funktionsharmonisch wird er aber genau wie der dazugehörige Septakkord behandelt, und genauso
27
2 Harmonik
können auch über ihm die Farbtöne gebildet werden. Ihre Konsonanz ergibt sich daraus, dass
sie sich aus Umkehrungen von Septakkorden bilden lassen:
2.18 Kurzschreibweise für Akkordsymbole
Wie wir gesehen haben, können unsere Akkordsymbole mit zunehmenden Optionstönen vergleichsweise lang werden, darum lassen sie sich für den Fall zusätzlich verkürzen. Dabei
schreiben wir statt der 7 den höchsten vorkommenden reinen oder großen Optionston und
implizieren, dass alle niedrigeren Optionstöne in ihrer reinen oder großen Form mitzählen,
außer den Avoid Notes. Anschließend werden die Intervallabweichungen bezeichnet. So ist
beispielsweise C j13 die Kurzform für C j7/9/13 (die 11 ist Avoid Note), C j9]11 bedeutet C j7/9/]11
und B[13[9 steht für B[7/[9/13 .
2.19 Voicings
Wollen wir mit diesen vieltönigen Akkorden nun Voicings konstruieren, so müssen wir ein
paar Dinge beachten. Denn je mehr Töne wir in einem Akkord spielen, desto dichter und
undefinierter wird sein Klang. In den meisten Fällen beschränkt man sich daher auf maximal
fünf Stimmen. Meistens wird der Grundton in den Bass gelegt, bleiben vier Stimmen für die
restlichen Akkord- und Farbtöne. Hierbei wird grundsätzlich zuerst auf die Quinte verzichtet,
falls sie rein ist, da sie für den Klang des Akkords nicht ausschlaggebend ist. Die Terz und
die Septe dagegen sind als Funktionstöne nahezu unverzichtbar, wenn wir den Akkord nicht
bewusst undefiniert halten wollen. So bleiben nun also zwei potentielle Stimmen für Farbtöne.
28
3 Melodik
Bisher haben wir Musik fast ausschließlich vertikal betrachtet, d.H. wie verschiedene Töne
übereinander in Form von Akkorden verwendet werden können. Im Weiteren werden wir uns
nun der horizontalen Ebene widmen, also welches Tonmaterial wir verwenden können, um
über diesen Akkorden Melodien zu bilden.
3.1 Akkord-Skalen-Theorie
Wie wir bereits gesehen haben, haben Drei- oder Vierklänge unabhängig ihres Akkordtyps
unterschiedliche Funktionen (und daher unterschiedlichen Klangcharakter), je nachdem auf
welcher Stufe sie stehen. Ein C-Major7-Akkord beispielsweise hat einen anderen Klangcharakter, wenn er auf der I. Stufe in der C-Dur-Tonart gespielt wird, als wenn er - auf der
IV. Stufe - in G-Dur vorkommt. Im ersten Falle klingt er als Tonika, im zweiten Falle als
Subdominante. Dies liegt daran, dass in G-Dur über den selben Akkord ein anderes Tonmaterial (die Töne der G-Dur-Tonleiter) gespielt wird - das sich aus dem harmonischen Kontext
ergibt - als in C-Dur.
Dass sich jeder Akkord mit all seinen Optionstönen so erweitern lässt, dass er die gesamte
Tonleiter enthält, zeigt, dass im Grunde kein großer Unterschied zwischen einem Akkord und
einer Tonleiter besteht, außer, ob die Töne gleichzeitig oder nacheinander gespielt werden.
Jeder kleinere Akkord stellt also einen Tonleiterausschnitt dar. Dieses Prinzip nennt sich
Akkord-Skalen-Theorie, und demzufolge lässt sich jedem Akkord (mindestens und meistens)
eine Skala - also eine Tonleiter über dem Akkordgrundton - zuordnen, die wir verwenden
können (aber nicht müssen), um über diesem Akkord Melodien zu bilden.
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3 Melodik
3.2 Die Modi der Dur-Tonleiter (Ionisches System)
Wenn wir so nun über unseren Stufenakkorden der Dur-Tonleiter die entsprechenden Tonleitern bilden, so erhalten wir sieben Skalen, die alle aus den selben Tönen bestehen, aber
unterschiedliche Grundtöne erhalten, wodurch sich jeweils - wie schon bei der Moll-Tonleiter
- die Halb- und Ganztonschritte verschieben. Diese Tonleitern heißen Modi der Dur-Tonleiter
und werden Musikhistorisch nach grieschischen Dörfern benannt:
I. Ionisch (1 2 3 4 5 6 7) Der Skalenname für unsere Dur-Tonleiter
II. Dorisch (1 2 [3 4 5 6 [7) Moll-Tonleiter mit großer Sexte
III. Phrygisch (1 [2 [3 [4 5 [6 [7) Moll-Tonleiter mit kleiner Sekunde
IV. Lydisch (1 2 3 ]4 5 6 7) Dur-Tonleiter mit übermäßiger Quarte
V. Mixolydisch (1 2 3 4 5 6 [7) Dur-Tonleiter mit kleiner Septe, Dominant-Skala (Skala
über einem Dominant-Septakkord)
VI. Äolisch (1 2 [3 4 5 [6 [7) Der Skalenname für unsere Natürlich-Moll-Tonleiter
VII. Lokrisch (1 [2 [3 4 [5 [6 [7) Verminderte Skala
Diese sieben Skalen wurden schon im frühen Mittelalter als Tonarten für einstimmige Kompositionen verwendet. Erst mit Entstehung der Mehrstimmigkeit traten diese zu Gunsten
der Dur-Moll-Tonalität zurück. Da sie im 11. Jahrhundert als Grundlage der Kirchenmusik
verwendet wurden, werden sie auch Kirchentonleitern genannt. Die Skalen werden außerdem, da sie sich alle von der Ionischen Skala (also der Dur-Tonleiter) ableiten dem Ionischen
System zugeordnet.
Gewissermaßen mag es sinnlos erscheinen, über jedem Akkord einzeln eine Skala zu bilden,
wenn das Tonmaterial eh für alle Akkorde in der Tonart gleich bleibt. Dies gilt jedoch nur,
solange wir uns auf die diatonischen Stufenakkorde beschränken wollen. Wenn wir so jedem
Akkord eine Skala zuordnen können, können wir das selbe bei Tonleiterfremden Akkorden
und Modulationen, also Tonartwechseln, tun, und haben so auch hier das nötige Tonmaterial
zur Hand.
Desweiteren sind wir bisher davon ausgegangen, dass wir Akkordwechsel haben, die funktionsharmonisch gebildet und gedeutet werden können. Die einzelnen Skalen und die darauf gebildeten Akkorde können aber durchaus auch alleinstehend als Grundlage für ganze
Stücke dienen. Hierbei wird der Grundton bewusst festgehalten, um darüber die gesamte
Skala auszunutzen. Die Akkordwechsel - falls überhaupt vorhanden - müssen hierbei nicht
zwangsläufig in überhaupt irgendeinem harmonischen Kontext stehen, sondern es stehen die
einzelnen Klangflächen, die die Tonleitern bieten, im Vordergrund. Ein Stück, das auf solch
einem Prinzip beruht wird modal genannt.
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3.2 Die Modi der Dur-Tonleiter (Ionisches System)
31
3 Melodik
3.3 Das Harmonisch-Moll-System
Genau wie bei der Dur-Tonleiter lassen sich auch von der Harmonisch-Moll-Tonleiter die Modi bilden. So erhalten wir das Harmonisch-Moll-System. Die sich daraus ergebenden Skalen
werden nach ihrer Stufe als HM1 - HM7 bezeichnet, oder als Abwandlungen der Kirchentonleitern. So lauten die einzelnen Skalen:
I. Harmonisch Moll (1 2 [3 4 5 [6 7)
II. Lokrisch 13 (1 [2 [3 4 [5 6 [7)
III. Ionisch ]5 (1 2 3 4 ]5 6 7)
IV. Dorisch ]11 (1 2 [3 ]4 5 6 [7)
V. Mixolydisch [9[13 (1 [2 3 4 5 [6 [7), auch „Spanisch Phrygisch“ oder „Phrygisch Dominant“ genannt. Unsere zweite Dominant-Skala
VI. Lydisch ]9 (1 ]2 3 ]4 5 6 7)
VII. Alteriert [7 (1 [2 [3 [4 [5 [6 [[7), auch „Harmonisch Alteriert“ genannt. Der Name
leitet sich von der alterierten Skala ab, der wir gleich noch begegnen werden.
In der Praxis ist hier vor allem Harmonisch Moll V (HM5) wichtig als Skala für die Dominante
in Moll.
32
3.3 Das Harmonisch-Moll-System
33
3 Melodik
3.4 Das Melodisch-Moll-System
Und genauso lassen sich die Skalen des Melodisch-Moll-Systems bilden, die mit MM1 - MM7
bezeichnet werden. Die einzelnen Skalen lauten:
I. Melodisch Moll (1 2 [3 4 5 6 7)
II. Dorisch [9 (1 [2 [3 4 5 6 [7)
III. Lydisch ]5 (1 2 3 ]4 ]5 6 7)
IV. Mixolydisch ]11 (1 2 3 ]4 5 6 [7), kurz Mixo]11, auch „Lydisch Dominant“ genannt.
Unsere dritte Dominant-Skala
V. Mixolydisch [13 (1 2 3 4 5 [6 [7), kurz Mixo[13. Unsere vierte Dominant-Skala
VI. Lokrisch 9 (1 2 [3 4 [5 [6 [7)
VII. Superlokrisch (1 [2 [3 [4 [5 [6 [7)
Die Modi von Melodisch Moll kommen hauptsächlich im Jazz vor, da sie durch die vielen
Ganztonschritte einen besonders spannungsvollen Klang verursachen.
34
3.5 Die Alterierte Skala
3.5 Die Alterierte Skala
Die superlokrische Skala enthält das etwas ungewöhnliche Intervall der verminderten Quarte
([4), die gleichbedeutend mit der großen Terz ist. Sie enthält also beide Terzen. Wenn wir
diese Tonleiter nun enharmonisch umdeuten und die verminderte Quart zur Terz machen,
so erhalten wir eine weitere Dominant-Skala, nämlich Alteriert. Sie heißt deswegen alteriert,
weil sie - von Terz und Septe als Funktionstöne abgesehen - alle denkbaren Alterationen
enthält. Die None wir zur [9 oder ]9, die Quinte zur [5 oder ]5:
Ein auf der alterierten Skala basierter Akkord kann auch mit dem Akkordsymbol
geben werden.
7alt
ange-
3.6 Die symmetrischen Skalen
Wir haben bereits festgestellt, dass der verminderte Septakkord symmetrisch ist, er sich also
aus identischen Intervallen (kleine Terzen) aufbaut. Ein anderer uns bereits bekannter Akkord ist ebenfalls symmetrisch, nämlich der übermäßige Dreiklang. Er besteht ausschließlich
aus großen Terzen, und jede seiner Umkehrungen ist vom Aufbau mit der Grundstellung
identisch. Es existieren also nur vier verschiedene übermäßige Akkorde, der fünfte stellt
lediglich wieder die Umkehrung des ersten dar:
Die symmetrische Struktur dieser beider Akkorde legt es also nahe, für sie auch symmetrische
Skalen zu konstruieren, die sich in den selben Intervallen wiederholen.
35
3 Melodik
3.6.1 Die Ganztonskala
Nehmen wir dabei zunächst unseren übermäßigen Dreiklang als Grundlage, so bleibt uns
nur eine sinnvolle Möglichkeit, die großen Terzen mit Skalentönen zu füllen, nämlich, große
Sekunden zwischen den Terzen einzufügen. So erhalten wir eine Skala, die sich ausschließlich
aus Ganztonschritten zusammensetzt, und daher Ganztonskala genannt wird:
Dadurch, dass sie nur sechs verschiedene Töne enthält statt sieben, ist sie unterschiedlich
enharmonisch deutbar. Es fällt jedoch auf, dass sie sowohl die kleine Septe als auch die große
Terz enthält. Sie kann also als unsere fünfte Dominant-Skala betrachtet werden, von dem
aus sich die Intervallstruktur 1 2 3 ]4 ]5 [7 ergibt:
3.6.2 Die verminderten Skalen
Wollen wir nach dem selben Prinzip eine symmetrische Skala für den verminderten Septakkord konstruieren, so müssen wir das Intervall der kleinen Terz füllen, was - wenn wir
symmetrie bewahren wollen - nur durch einen Halb- und einen Ganztonschritt erreicht werden kann. Hierbei können wir entweder mit dem Halb- oder dem Ganztonschritt anfange
und erhalten so entweder die Halbton-Ganzton-Skala:
Oder die Ganzton-Halbton-Skala:
36
3.6 Die symmetrischen Skalen
Da wir diesmal acht Töne pro Skala erhalten, statt wie gewohnt sieben, sind auch die verminderten Skalen enharmonisch mehrdeutig. Jedoch finden wir in der Halbton-Ganzton-Skala
wieder die große Terz und die kleine Septe vor, auch sie können wir also als - mittlerweile
schon sechste - Dominantskala deuten, woraus sich die Intervallstruktur 1 [2 ]2 3 ]4 5 6 [7
ergibt.
Wenn wir uns daran erinnern, dass der verminderte Septakkord als verkürzter Dominant7[9 Akkord gedeutet werden kann, so können wir nun dem entsprechenden Dominant-Septakkord
Die Halbton-Ganzton-Skala zuweisen, und daraus resultierend dem dazugehörigen verminderten Septakkord auf der Terz (oder - symmetrie sei Dank - einem beliebigen anderen
Akkordton) die Ganzton-Halbton-Skala:
37
3 Melodik
3.7 Die Halbtonverwandtschaften der Modi
Wenn wir uns den Aufbau der Kirchentonleitern genauer anschauen, so stellen wir fest, dass
jede Skala mit zwei anderen halbtonverwandt ist, das heißt, von jeder Skala aus können wir
einen Ton um einen Halbtonschritt nach oben bzw. unten verschieben, und erhalten eine
andere Skala:
Noch interessanter ist, dass diese halbtonverwandten Skalen jeweils eine Quinte entfernt liegen. Gehen wir beispielsweise von C-Dur aus eine Quinte aufwärts, so landen wir auf der
38
3.8 Der Quintenzirkel
V. Stufe G. Die Skala der V. Stufe lautet G-Mixolydisch und ist mit C-Ionisch halbtonverwandt. Gehen wir dagegen von C eine Quinte abwärts landen wir auf der IV. Stufe F. Die
hierzugehörige Skala lautet F-Lydisch und ist ebenfalls halbtonverwandt zu C-Dur.
3.8 Der Quintenzirkel
Dies bedeutet, dass wir in der C-Dur-Tonleiter sowohl auf der IV., als auch auf der V.
Stufe die jeweilige Dur-Tonleiter bilden können, indem wir nur einen Ton um einen Halbton
rauf- (im Falle der V. Stufe) oder runterverschieben (im Falle der IV. Stufe). Erinnern wir
uns daran, wie wir unser Zwölftonsystem hergeleitet haben: Indem wir eine Kette von reinen
Quinten gebildet haben. Wir können also von jedem Ton aus, indem wir in Quinten springen,
jeden der zwölf möglichen Töne erreichen. Daraus lässt sich schließen, dass wir jede DurTonleiter dadurch erzeugen können, indem wir von C-Dur aus auf die IV. oder V. Stufe
springen, die Dur-Tonleiter erzeugen, von dort aus wieder auf die IV. oder V. Stufe usw. bis
wir beim gewünschten Grundton landen. Bei jedem Sprung kommt dabei im Falle der IV.
Stufe ein [-Vorzeichen hinzu (Wir müssen in Lydisch die übermäßige Quarte erniedrigen,
um die Dur-Tonleiter zu erhalten), im Falle der V. Stufe ein ]-Vorzeichen (um die Septe in
Mixolydisch zu erhöhen). Dieses Konzept nennt sich Quintenzirkel, und er hilft uns dabei,
die Generalvorzeichen für alle Tonarten zu konstruieren:
Diese enge verwandtschaftliche Beziehung bei Quinten sollte nicht verwundern, wenn wir
uns erinnern, dass die Quinte der erste Oberton (nach der Oktave) in der Obertonreihe
ist, worauf basierend wir sowohl Dreiklänge als auch die Dur-Tonleiter hergeleitet haben.
Es ist jedoch immer wieder hilfreich zu sehen, in wievielen harmonischen Zusammenhängen
dadurch Quinten eine wichtige Rolle spielen.
39
3 Melodik
3.9 Diatonische Kadenz
Der Quintenzirkel lässt sich in zwei Richtungen bilden, indem wir Quinten entweder aufoder abwärts springen. Im zweiten Falle erhalten wir dadurch den sogenannten Quintfall
(was nichts anderes bedeutet als, wir springen eine Quinte nach unten), wie er auch bei der
V − I-Verbindung entsteht, und der deshalb einen besonders charakteristischen Klang hat.
Wollen wir dabei innerhalb unserer C-Dur-Tonleiter bleiben, so müssen wir auf die VII. Stufe
folgend einen verminderten Quintsprung einfügen (die Lokrische Skala der VII. Stufe enthält
die verminderte Quinte statt der reinen), und erhalten so den diatonischen Quintenzirkel:
Nachdem wir so ausschließlich Töne der Dur-Tonleiter verwenden, können wir auf dem diatonischen Quintenzirkel einfach unsere Stufenakkorde bilden und erhalten so die Diatonische
Kadenz I −IV −V II −III −V I −II −V −I, bei der logischerweise die Skala jeden Akkordes
mit der des vorherigen und nachfolgenden halbtonverwandt ist:
Diese Akkordfolge hat - durch die ständigen Quintfälle - ein so charakteristisches Schema,
dass sie als Grundlage für etliche Popsongs wie klassische Werke gleichermaßen dient.
3.10 Die II-V-I-Verbindung in Dur
Selbstverständlich können wir auch nur Ausschnitte der Diatonischen Kadenz verwenden,
die nach wie vor auf dem Quintfall beruhen. Wenn wir dabei die letzten drei Akkorde
isoliert betrachten (I − IV − V II − III − V I − II - V - I), so erhalten wir wieder die
II − V − I-Verbindung, die - wie wir bereits wissen - den großen Vorteil bietet, dass sie
funktionsharmonisch eine Sp-D-T-Verbindung darstellt, also unsere Vollkadenz mit parallelverschobener Subdominante. Sie eignet sich daher ideal dazu, die Tonika anzusteuern, da
sie diese sowohl von ihrer funktionsharmonisch Bedeutung her, als auch als Ausschnitt der
Diatonischen Kadenz, eindeutig festlegt:
40
3.11 Die II-V-I Verbindung in Moll
Da die Kadenz aus diatonischen Stufen besteht, haben wir nicht viel Schwierigkeiten, jedem Akkord die passende Skala zuzuordnen. So wird der II. Stufe Dorisch zugewiesen, der
V. Mixolydisch und der I. Ionisch, also die Dur-Tonleiter. Da die Akkordfolge aus dem
Quinzenzirkel entstanden ist, sind diese drei Skalen logischerweise auch wieder miteinander
halbtonverwandt.
3.11 Die II-V-I Verbindung in Moll
Auch in Moll können wir die II − V − I-Kadenz bilden, und auch sie ergibt sich logisch aus
der Diatonischen Kadenz. Erinnern wir uns, dass die Tonika - also die I. Stufe - in Moll der
Tonikaparallele - also der VI. Stufe - in Dur entspricht. Eine II − V − I-Kadenz in Moll
entspricht also einer V II − III − V I-Kadenz in Dur, und auch diese Akkordfolge taucht in
der Diatonischen Kadenz (I − IV − VII - III - VI − II − V − I) auf:
Da in Natürlich-Moll die Dominante jedoch ein Moll-Akkord ist, müssen wir die V. Stufe
aus Harmonisch Moll (das ja gerade aus dem Grund enstand) entleihen, um eine Dominantverbindung zu erhalten:
Wir verwenden also zwei Skalensysteme, und können so auf die II. Stufe Lokrisch legen, auf
die V. HM5 (Mixolydisch [9[13) und auf die erste Äolisch, also die Moll-Tonleiter.
41
3 Melodik
3.12 Zwischendominanten
Wenn wir das ganze von Dur aus betrachten, so haben wir also auf der III. Stufe einen
Dominant-Septakkord gebildet, der zur VI. Stufe hinleitet. Es gibt keinen Grund, warum
wir uns dabei auf die III. Stufe beschränken sollten, schließlich liegt zwischen allen Akkorden der Diatonischen Kadenz ein Quintfall. Wir können so auf jeder beliebigen Stufe einen
Dominantseptakkord konstruieren, der sich auf den nächsten Akkord der Diatonischen Kadenz auflöst, und erhalten so die Zwischendominanten:
Wenn wir nun auf den Zwischendominanten die zugehörigen Skalen bilden wollen, so brauchen wir nur in der eigentlichen Stufenskala die Terz und Septe so anpassen, dass sie einen
Dominant-Septakkord enthält. Dabei entstehen folgende Skalen:
• Skala 1
• Skala 2
• Skala 3
Zwischendominanten eignen sich auch prima für Modulationen - also Tonartwechsel - da wir
den Zielakkord einfach als neue Tonika - mit entsprechend neuen Stufen - betrachten können:
3.13 Die Tritonussubstitution
Wie wir bereits festegestellt haben, sind die für die Funktion des Dominant-Septakkords
verantwortlichen Töne die große Terz und die kleine Septe, die einen Tritonus bilden. Das
schöne beim Tritonus ist, dass er sein eigenes Komplementärintervall bildet. Addieren wir also
zwei verminderte Quinten bzw. übermäßige Quarten, landen wir wieder bei der Oktave. Dies
könnte uns auf die Idee bringen, den Tritonus im Dominant-Septakkord einfach umzukehren,
also die vorherige Septe zur Terz umdeuten und die vorherige Terz zur Septe. Daraus ergibt
sich als neuer Grundton die verminderte Quinte, also wieder ein Tritonus, wodurch wir einen
Dominant-Septakkord auf der [II. Stufe erhalten:
42
3.14 Die Sekundärdominanten
Dieses Prinzip nennt sich Tritonussibstitution. Wenn wir nun rausfinden wollen, welche unserer vielen Dominantskalen wir diesem Akkord zuordnen, so betrachten wir den Ausgangsakkord auf der V. Stufe. Wir haben diesem Akkord den neuen Grundton - die verminderte
Quinte - hinzugefügt, wir erhalten also einen Dominant7[5 -Akkord, dem wir die alterierte
Skala, also MM7, zuordnen können. Wenn auf dem Grundakkord MM7 steht, so ergibt sich
daraus, dass eine verminderte Quinte tiefer - also auf unserem neuen Grundton der Tritonussubstitution - MM4, also Mixolydisch ]11 gebildet wird. Aus diesem Grund wird über
der Tritonussubstitution also Mixo ]11 gespielt:
In der Praxis wird der resultierende Dominant7]11 -Akkord der Einfachheit halber gerne enharmonisch verwechselt als 7[5 -Akkord geschrieben. In der Praxis macht dies tatsächlich keinen
Unterschied, da die ]11 und die [5 den selben Tonumfang umschreiben, und bei Voicings
die reine Quinte (gerade bei Dominant-Septakkorden) eh selten überhaupt gespielt wird.
Man sollte hierbei dennoch nicht vergessen, dass im Falle der Tritonussubstition eigentlich
ein 7]11 -Akkord gemeint ist, dem Mixo ]11 zugeordnet wird, wohingegen einem 7[5 -Akkord
eigentlich die alterierte Skala zugeordnet würde.
3.14 Die Sekundärdominanten
Die Tritonussubstitution löst sich als nicht mehr im Quintfall auf, sondern auf die Stufe, die
einen Halbton tiefer liegt. Wenn sich ein Dominant-Akkord nicht im Quintfall auflöst, wird
er als Sekundärdominante bezeichnet.
3.15 Varianten und Kombinationen von
II-V-I-Verbindungen
Narfblablablablablablablablablablablablablaaaa
43
3 Melodik
3.16 Modal Interchange
Narfblablablablablablablablablablablablablaaaa
3.17 vermollte Subdominante
Narfblablablablablablablablablablablablablaaaa
3.18 Das Harmonisch-Dur-System
Narfblablablablablablablablablablablablablaaaa
44
4 Rhythmik
4.1 Betonte und unbetonte Zählzeiten
Narfblablablablablablablablablablablablablaaaa
Je nach Frequenzbereich kann sogar die Oktave über dem Major-Septakkord zur Avoid Note
werden. Nachdem der Grundton meist im Bass liegt und die übrigen Akkordtöne darüber,
gewinnen die große Septe (und falls vorhanden die Farbtöne) im mittleren Frequenzbereich
stark an Dominanz. Und da die Oktave eine kleine None (bzw. Sekunde) über der Septe
liegt, kann wie in einer Melodie bei entsprechender Betonung dissonant klingen, bzw. ein
Auflösungsbedürfnis auf die Septe erzeugen. Je näher wir jedoch dem Bass kommen, desto
konsonanter wird der Grundton und desto dissonanter die Septe.
4.2 Guide Tones
Narfblablablablablablablablablablablablablaaaa
4.3 Chromatic Approaches
Narfblablablablablablablablablablablablablaaaa
4.4 Antizipation
Narfblablablablablablablablablablablablablaaaa
4.5 Inside-Outside-Spiel
Narfblablablablablablablablablablablablablaaaa
45
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